Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. X / 36. Jg / 40. Woche
Berlin und Bonn / Oktober 2020
G 1805
www.behoerdenspiegel.de
Kein kreditfinanzierter Tarifabschluss
Kommunalverwaltungen massiv gefordert
Knochenjob, Spitzensport, Traumberuf
Ulrich Mädge zu den aktuellen Entwicklungen bei den Tarifverhandlungen ..................... Seite 4
Katharina Schenk über Corona-Auswirkugen auf Thüringer Kommunen ������������������������� Seite 15
Friederike Maas zu ihrer Tätigkeit als Bereiterin ............................. Seite 56
Section Control erlaubt (BS/mfe) Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Rechtmäßigkeit der abschnittsweisen Geschwindigkeitskontrolle bestätigt. Die Richter wiesen die Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zurück. In dieser Entscheidung, die nunmehr rechtskräftig ist, hatten die Richter die Section Control für gesetzeskonform erachtet. Diese findet in Niedersachsen auf einer Bundesstraße in der Nähe von Hannover statt. Um ihre Rechtmäßigkeit abzusichern, war das niedersächsische Polizeigesetz angepasst worden. Niedersachsen hatte als erstes Bundesland überhaupt die Section Control erprobt. Bei ihr wird die Durchschnittsgeschwindigkeit über eine längere Strecke hinweg und nicht punktuell gemessen.
Diszis bei der Polizei (BS/stb) Mecklenburg-Vorpommern hat erstmals eine Statistik über abgeschlossene und anhängige Disziplinarverfahren in der Landespolizei veröffentlicht. Nach den Angaben des Ministeriums für Inneres und Europa zum Stand 31. August 2020 waren 139 Disziplinarverfahren offen. Davon seien 17 bereits 2018 und weitere 50 im Jahr 2019 eingeleitet worden. Abgeschlossen wurden im Berichtszeitraum insgesamt 115 Verfahren. Diese waren in etwa zu gleichen Teilen in den Jahren 2018, 2019 und 2020 erfolgt. Etwa die Hälfte der Verfahren sei eingestellt worden, zumeist weil der Verdacht eines Dienstvergehens nicht erwiesen werden konnte. In einigen Fällen sei keine Disziplinarmaßnahme erfolgt, weil bereits eine anderweitige Ahndung desselben Vergehens erfolgt sei.
Exit-Strategie vertagt Mit der Pandemie ins Superwahljahr (BS/Uwe Proll) Die Corona-Pandemie dominiert seit sieben Monaten Alltags- und Wirtschaftsleben, den politischen Diskurs – und ein Ende ist auch wegen des erneuten Aufschwungs des Virus nicht in Sicht. Das Virus kann nicht nur tödlich sein, es hat auch eine Verlockung, geradezu eine Falle, in die derzeit die gesamte öffentliche Diskussion sich hineinbewegt, nämlich sich nur noch damit zu beschäftigen. Die überfällige Diskussion über Exit-Strategien ist vertagt. Und damit auch der Blick aufs tatsächliche Ausmaß der Krise: Sei es der wirtschaftliche Exodus ganzer Branchen, die Isolationslage in Pflegeheimen oder die wegen der Krise gedämmte politische Auseinandersetzung über Schicksalsfragen wie Umwelt und Migration. Das Gefährliche am Virus ist also nicht allein das Virus selbst, sondern der Sog, den es entwickelt und alles Öffentliche mit sich hier hinein zieht. Die Corona-bedingte Gesetzgebungsschnellmaschinerie hat sich nun seit über einem halben Jahr etabliert. Gesetzesund Kabinettvorlagen kommen Freitagnachmittag bei den Fachressorts, bei den anzuhörenden Verbänden und Nichtregierungsorganisationen mit der Anmerkung auf den Tisch: Steht am Montag zur Beschlusslage an. Lesungen in den Parlamenten, die sich normalerweise über Tage, oder Wochen erstrecken, werden in einem “Durchrutschverfahren” an einem Tag erledigt. Das mag zu Beginn der Krise in Anbetracht der pandemischen Erwartungen gerechtfertigt gewesen sein, mag auch noch im Moment wegen der wieder extrem steigenden Zahlen noch eine befristete Zeit legitim sein. Doch statt sich in den Pandemiestrudel hineinziehen zu lassen, wäre es demokratisch-existenziell
Exit-Strategien gibt es mit Blick auf das Coronavirus in Deutschland bislang noch nicht. Ein solcher Schritt wäre jedoch dringend notwendig. Im Superwahljahr 2021 dürfte es jedoch kaum dazu kommen. Foto: BS/reichdernatur, stock.adobe
notwendig, über Exit-Strategien nicht nur nachzudenken, sondern diese jetzt zu planen und festzulegen. An dieser Stelle soll keineswegs die Virusgefahr kleingeredet werden, doch Gefahr ist im Verzug, wenn sich die verkürzten parlamentarischen
Prozesse und Schnellverfahren einmal etabliert haben. Es findet zu wenig Debatte auf Bundesund Länderebene statt. Eine Krise immer die Chance der Exekutive, doch fragt sich, warum die großen Entscheidungen erst nach der Pandemie parlamenta-
risch aufgearbeitet werden. Der De-facto-Ausnahmezustand soll im Frühjahr enden. Doch hört man aus den Regierungsfraktionen eine Absicht, auch dieses extreme Schwert zu verlängern. Man kann sich dabei nicht des Eindrucks erwehren, dass die
Kommentar
Sachsen: Finanzausgleich erzielt
Schluss mit der Paktiererei
(BS/lkm) Die kommunalen Spitzenverbände und das sächsische Finanzministerium haben sich auf einen neuen kommunalen Finanzausgleich für die Jahre 2021 und 2022 geeinigt. Insgesamt betragen die allgemeinen Deckungsmittel der Kommunen für die beiden Jahre jeweils rund 6,8 Milliarden Euro. In Zukunft soll die Finanzverteilung zielgerichteter stattfinden: Stärker als bisher werde man sich an den tatsächlichen Belastungen orientieren. Zum Ausgleich von Steuermindereinnahmen infolge der Corona-Pandemie erhalten die Gemeinden Zuweisungen in Höhe von 226,25 Millionen Euro im Jahr 2020, 59,7 Millionen Euro im Jahr 2021 sowie 103,5 Millionen Euro im Jahr 2022. Gleichzeitig wird der im Jahr 2022 fällig werdende vorläufige Abrechnungsbetrag des Finanzausgleichsjahres 2020 in Höhe von 365,1 Millionen Euro nur zu 50 Prozent angesetzt.
(BS) Zuletzt der Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), davor der DigitalPakt Schule, der Pakt für den Rechtsstaat sowie der Pakt für Forschung und Innovation – Bund, Länder und Kommunen haben in den letzten eineinhalb Jahren so viele Pakte geschlossen wie noch nie zuvor. Ist Paktieren jetzt die neue Zusammenarbeit? Wenn ja, wer bleibt dann am Ende auf der Strecke? Schon Otto von Bismarck hat gesagt: “Wenn irgendwo zwischen zwei Mächten ein noch so harmlos aussehender Pakt geschlossen wird, muss man sich sofort fragen, wer hier umgebracht werden soll.” Das Wort “Pakt” ist im semantischen Sinne negativ. Noch deutlicher wird es durch den Teufelspakt in Goethes Faust: Zur Erfüllung seiner eigennützigen Wünsche wie Lebensfreude und Glück schließt Faust einen Pakt mit dem Teufel und verpfändet seine Seele. Nach einem Leben in Ansehen und Wohlstand soll die völlige Versklavung und das Leiden in der Hölle folgen. Was heißt das nun für die Pakte zwischen Bund, Ländern und Kommunen? Der Bund gibt Gelder in Milliardenhöhe, um den anderen
beiden ihre Forderungen zu erfüllen. Letztere sind berechtigt, schließlich geht es wie beim ÖGD oder beim Rechtsstaat um die Erledigung originärer Aufgaben. Und das, weil diese nach fast zwei Jahrzehnten des Sparens in eine desaströse Lage gekommen sind. Zwar erlaubt es Art. 104 ff. GG dem Bund, die anderen beiden Ebenen finanziell zu unterstützen. Doch was passiert, wenn die Gelder versiegen und die Pakte ausgelaufen sind? Wenn Stellen geschaffen worden sind, die weiter finanziert werden müssen? Wenn auf Bundesebene das Diktat der Schuldenbremse und der Abbau von Altschulden wieder in den Fokus rücken? Und was bekommt der Bund eigentlich als Gegenleistung für die geschlossenen Pakte?
Noch zwingt er die anderen beiden Ebenen nicht zu Versprechen, wie sie Merkmale eines Paktes sind. Das kann sich jedoch ändern, bei Fördergeldern ist es schon jetzt der Fall. Anstatt weiter zu paktieren und darauf zu hoffen, dass der Bund die zu Recht geforderten Mittel entweder an Bedingungen knüpft oder verweigert, wäre es besser, auf allen Ebenen eine dauerhafte auskömmliche Finanzierung zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben sicherzustellen. Sonst drohen gerade die Länder, über kurz oder lang zu einer durchreichenden Instanz degradiert zu werden. Die durch Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung auch noch deutlich verkleinert werden kann. Jörn Fieseler
Vorbildlich
Große Koalition, aber auch die grüne Opposition die Wirklichkeit bei Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt durch diese endlosen Rettungspakete nur verschleiern. Aufschwung am Arbeitsmarkt? Ja, ein erkaufter Aufschwung bis zur nächsten Bundestagswahl. Es ist normales politisches Geschäft, sich, egal in welcher Situation, taktische Vorteile für die nächste Wahl zu verschaffen. Doch wer will dann nach September 2021 regieren, wenn urplötzlich ganze Branchen in Insolvenzverfahren sehen, zig Millionen Arbeitslose zählen und dann, damit verbunden, auch soziale Konflikte auszutragen sind, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten nicht mehr kannten? Die Regierung trägt eine Gesamtverantwortung für alle, nicht nur für ältere und auch jüngere Menschen, die an Covid-19 erkranken könnten, sondern auch für die wirtschaftlichen Existenzen aller. Doch es ist wie im Krieg: Einen anzufangen, ist leicht, ihn zu beenden weitaus schwieriger. Mit anderen Worten: Die schwierigste Aufgabe wird sein, aus dem Pandemiemodus wieder herauszukommen, in einem Superwahljahr mit sechs Landtags- und einer Bundestagswahl. Wer braucht im Dauerwahlkampf Wahrheiten?