Behörden Spiegel April 2021

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ISSN 1437-8337

Nr. IV / 37. Jg / 16. Woche

Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

Berlin und Bonn / Juli 2020

G 1805

www.behoerdenspiegel.de


MEDIATHEK www.digitaler-staat.online Der Digitale Staat Online greift die Aufbruchstimmung und den Digitalisierungsschub, der durch die Pandemie ausgelöst wurde, auf. Er hat einen Diskussionsprozess gestartet, der kontinuierlich den Digitalisierungsprozess in der Verwaltung belgeitet, damit Deutschland auch in diesem Bereich zu den Spitzenreitern aufsteigt. Seit Frühjahr 2020 hat der Digitale Staat Online mit zahlreichen Formaten hochwertige Produktionen geschaffen, die einen wesentlichen Beitrag zur Beantwortung der wichtigsten Fragen und Herausforderungen für die Transformation der öffentlichen Verwaltung in und nach der Zeit der Pandemie leisten. Alle Formate hält die Mediathek des Digitalen Staats Online bereit: jederzeit kostengünstig abrufbar und DSGVO-konform. So setzt die Serie Chefgespräche – das Interview auf die Expertise und den Background von Entscheiderinnen und Entscheidern aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Beim Sofa-Talk geben Referentinnen und Referenten ihr Statement zur Digitalisierung und IT-Sicherheit ab und äußern sich zu spannenden Projekten. Die Themenserie Lernender Staat deckt auf, wo sich Deutschlands Verwaltung verbessern muss. Unter dem Reiter Webkonferenzen können Sie umfangreiche Online-Veranstaltungen wie den Münchener Cyber Dialog oder die Neue Mobilität kostenlos on demand abrufen. Dieser Content bietet der Community 400 Stunden fundiertes Wissen zu gesellschaftsrelevanten und digitalpolitischen Themen. In der Mediathek+ finden Sie fundiertes Wissen und kontroverse Diskussionen zu aktuellen Themen von Online-Konferenzen, Diskussionsrunden und Webinaren mit Top-Entscheiderinnen und Entscheidern aus der Verwaltung, die Sie kostengünstig abrufen können.

Grafik: BS/Hoffmann; stock.adobe.com, Visual Generation

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. IV / 37. Jg / 16. Woche

Berlin und Bonn / April 2021

G 1805

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Balance wird gehalten

“Ein wirkungsmächtiger Player”

Hüter/-innen des gesprochenen Wortes

Torsten Akmann über das Berliner Polizeigesetz ������������������������������������ 7

Katja Dörner zum Bonn/Berlin-Vertrag zu ihren Zielen ����������������������������������������������������������������15

Anja Geißler und Dr. Philipp Weichselbaum über ihre Arbeit als Sitzungsdokumentare ................. 55

In der Komplexitätsfalle

Mehr Bundes­ befugnisse verlangt (BS/mfe) Aktuell wird viel über eine Reform des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) diskutiert (siehe auch auf Seite 50 dieser Ausgabe). Aus Sicht des Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Christoph Gusy von der Universität Bielefeld sollte die Behörde Exekutivbefugnisse im Katas­ trophenschutz erhalten. Mithilfe einer Grundgesetzänderung sollte eine Bundesbehörde für den Katastrophenschutz geschaffen werden, meint der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Staatslehre und Verfassungsgeschichte. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hingegen will alle Reformen bezüglich des BBK innerhalb des bestehenden verfassungsrechtlichen Rahmens durchführen. Ob das tatsächlich möglich ist, bleibt abzuwarten.

Fast 190 Milliarden Euro Defizit (BS/mfe) Der öffentliche Gesamthaushalt in Deutschland verzeichnet für das vergangene Jahr das höchste Defizit seit der Wiedervereinigung. Das Minus beläuft sich auf 189,2 Milliarden Euro. Grund für das massive Defizit bei Bund, Ländern, Kommunen und der Sozialversicherung sind die Folgen der CoronaPandemie. Bei dem Fehlbetrag handelt es sich um den ersten seit 2013. Die Ausgaben der öffentlichen Hand stiegen demnach im abgelaufenen Kalenderjahr im Vergleich zum Vorjahr um 12,1 Prozent auf 1.678,6 Milliarden Euro. Gleichzeitig seien die Einnahmen um 3,5 Prozent auf 1.489,4 Milliarden Euro gesunken, heißt es vom Statistischen Bundesamt (Destatis). 2019 war noch ein Finanzierungsüberschuss von 45,2 Milliarden Euro erzielt worden.

Unfälle werden künftig digital erfasst (BS/mfe) In Nordrhein-Westfalen erfasst die Polizei Verkehrsunfälle in Zukunft digital per App. Zunächst findet dazu in den Polizeibehörden Dortmund, Recklinghausen, Borken und Wesel ein Pilotprojekt statt. Voraussichtlich ab dem Sommer wird das Vorgehen dann landesweit erfolgen. Die Applikation “mVIVA Erfasung” verarbeitet die Unfalldaten sofort und unmittelbar vor Ort. Weiterführende Daten-Abfragen wie etwa des Personalausweises oder des Kennzeichens können per Scan erledigt werden. Auch die Unfallmitteilung für den Bürger wird digital. Auf einem Flyer erhalten Unfallbeteiligte einen Link und einen QR-Code zum Bürgerportal der nordrheinwestfälischen Polizei, auf dem die Unfallmitteilung dann als PDF-Dokument abrufbar ist.

Den Föderalismus für den digitalen Staat neu ordnen? (BS/Guido Gehrt) Die föderale Staatsstruktur passe nicht in die digitale Zukunft. Der Weg zur neuen Verwaltung brauche nicht nur eine Reform, sondern eine föderale Revolution. So vorgetragen auf dem Fachkongress des IT-Planungsrates in Dresden von Dr. Christian Aegerter, als Leiter des Hauptamtes der Stadt Leipzig mitnichten ein berufsmäßiger “Revoluzzer”. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus dem kommunalen Umfeld – koordiniert durch den Deutschen Städtetag – verlangt er in den “Dresdener Forderungen” einen grundlegenden Wandel des bisherigen Kurses der Verwaltungsdigitalisierung. Der Widerspruch zwischen dem Wissen und Erleben der digitalen Möglichkeiten im Privaten/in der Wirtschaft und der zögerlichen Umsetzung auf der staatlichen Ebene führe zu einem Vertrauensverlust in den Staat. Durch die hohe Komplexität der Aufgabenbearbeitung und der dafür erforderlichen IT in den föderalen Strukturen werde die Digitalisierung in allen Verwaltungsebenen gehemmt. Als Beispiel nannte Dr. Aegerter die Kfz-Zulassung, bei welcher der Bund als Gesetzgeber, die Länder als “Aufgabenüberträger” fungierten und die Umsetzung letztlich bei den Städten und Landkreisen liege. Entsprechend kämen hier deutschlandweit “x Dienstleistungen” in “y Rechenzentren” zum Einsatz. Der regelmäßige Wechsel der verschiedenen Fachverfahren führe bei dieser Vielzahl zu zusätzlichen Belastungen. “Das werden wir uns nicht mehr leisten können”, so der Leipziger Hauptamtsleiter. Die Kommunen seien an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt. Die Erfüllung von Weisungsaufgaben wachse mit jedem Versuch der Entbürokratisierung bei Bund und Ländern. Personal- und Fachkräftemangel seien gerade im IT-Bereich ein ernstzunehmender Faktor – der demografische Wandel bereits Realität. Der Zeitdruck

Die Komplexität mit 43.252.003.274.489.856.000 möglichen Kombinationen machen beim Zauberwürfel den spielerischen Reiz aus, bei der Verwaltungsdigitalisierung ist sie für die Beteiligten oftmals lästig.

bei der OZG-Umsetzung wachse. Das Vorgehen des Bundes und der Länder sei jedoch vielen der kommunalen Akteure nach wie vor unklar. Man habe neue “Zukunftsaufgaben” wie Smart Cities, die Mobilitätswende, Gesundheit, Umwelt, Klimawandel, Resilienz etc. Dies seien die eigentlichen Aufgaben der Städte. Vor diesem Hintergrund führe der Weg zur neuen Verwaltung über die eingangs erwähnte “fö-

Foto: BS/Magic_Chris Wolf,pixabay

derale Revolution”. Digitalisierte Pflichtaufgaben müssten an die Herausgeberebene zurückgegeben werden, getreu dem Motto “Vollzug folgt der Gesetzgebung”. Die Kommunen müssten sich auf ihre Kernkompetenzen im Bereich der Daseinsvorsorge zurückbesinnen und ihr Gestaltungspotenzial im Interesse der Bürgerinnen und Bürger insbesondere in Bereichen wie Soziales, Kultur, Sport, bürgerschaftliche

Beteiligung nutzen. Zudem solle man die Beratungsleistungen für Bürger und Unternehmen ausbauen und demokratische Prozesse stärken. Online-Dienstleistungen sollen über einen “One-Stop-Shop” zentral für die Kommunen zur Verfügung gestellt werden, z. B. durch den Bund. Diese Marktplätze für Online-Services sollten konsequent Ende zu Ende gedacht und umgesetzt werden.

Fachverfahren sollten hier entsprechend miteinander gekoppelt werden. Insgesamt sieht man in dem “One-Stop-Shop” das Instrument, um die Komplexität der Verwaltungs-IT-Strukturen nachhaltig zu reduzieren. Hierzu zählt man in den Dresdener Forderungen auch die zentrale Klärung von Datenschutz, Datensicherheit und Schnittstellen für Fachverfahren, die zentrale Ausschreibung von Fachverfahren für verbliebene Aufgaben durch den Bund sowie die Verringerung und Vereinfachung von Fachverfahren im Zuge von Neuentwicklungen. Letztlich böte die von Städtetag und den Expertinnen und Experten geforderte “revolutionäre” Verlagerung der Kompetenzen und der Reduktion der Komplexität potenziell auch die Chance, im gleichen Zuge das Finanzierungsgeflecht von Bund, Ländern und Kommunen generell – und nicht “nur mit Blick auf Digitalisierung” – neu zu ordnen. Nimmt man dann noch den im Zuge der Corona-Pandemie offenkundig gewordenen Verbesserungsbedarf bei vielen im föderalen Verbund wahrgenommenen öffentlichen Aufgaben hinzu, so scheint dies genug Stoff für einen nächsten Anlauf zur Reform des Föderalismus nach der Krise zu sein.

Kommentar

Nach der Reform ist vor der Reform (BS) Es sollen nur die Normen novelliert werden, die im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens abgestimmt und konsensual vereinbart worden sind – gemeint ist das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG). Dafür ist die Kritik aus den Reihen der Gewerkschaften jedoch ziemlich umfangreich (siehe Seite 3). Dennoch: Die Chance ist noch nicht vertan, ein für den Öffentlichen Dienst vorbildhaftes Gesetz zu verabschieden. Das wurde auch Zeit! Nach 47 Jahren wird das Bundespersonalvertretungsgesetz endlich novelliert. Schließlich datiert das BPersVG in seiner noch gültigen Fassung auf das Jahr 1974 und hat seitdem nur marginale Änderungen erfahren. Selbst ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1995 hat der damalige Gesetzgeber nicht zum Anlass genommen, das BPersVG in die Zeit zu stellen. Jetzt ist die Aufgabe enorm. Die Arbeitswelt hat sich grundlegend verändert. Das gesamte Regelwerk musste in eine neue Struktur gegossen werden. Das ist gelungen. Es ist aber nur ein erster Schritt. Die strittigen Punkte, bei denen bisher keine Einigung erzielt werden konnte, sind noch nicht angegangen worden. Rechtsexperten

sehen nicht nur eine Reihe von Reform-Notwendigkeiten, etwa beim Zugang zur Dienststelle für die Gewerkschaften, sondern auch weitere Hindernisse, die eine effektive Personalratsarbeit behindern und damit kontraproduktiv wirken würden. Zum Beispiel bei der Einbindung der Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte (AG HPR). Die Debatte um diese Hindernisse sollte jedoch nicht dazu führen, dass die Novelle des BPersVG dem Diskontinuitätsgrundsatz zum Opfer fällt. Der jetzige Gesetzesentwurf muss verabschiedet werden. Und genauso müssen die noch strittigen Punkte weiter mit Gewerkschaften und Vertretern der Ministerien diskutiert werden. Warum also die Erörterungen mit den Beteiligten zunächst zurückstellen? Zu Recht heißt es im Gesetzentwurf: “Die Fort-

entwicklung des Bundespersonalvertretungsrechts unter Berücksichtigung der sich stetig verändernden Organisationsund Arbeitsbedingungen in der öffentlichen Verwaltung bleibt ein kontinuierlicher Prozess.” Dazu sollte nicht nur der Dialog gesucht werden. Auch ein Blick in die 16 Personalvertretungsgesetze der Länder lohnt sich. Warum nicht erprobte und vorbildliche Regelungen übernehmen? Oder sie als Ausgangslage nutzen und weiter ausbauen? Die Zeit dafür ist jetzt. Der Bund hat hier die Möglichkeit, ein Regelwerk zu schaffen, das für sämtliche Personalvertretungsregelungen im Öffentlichen Dienst vorbildlich sein kann. Diese Chance muss er in der nächsten Legislatur nutzen.

Jörn Fieseler

My home is my office


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / April 2021

Um sich sicher und souverän in der digitalen Welt bewegen zu können, bedarf es intelligenter sowie verbindlicher Spielregeln und Verfahren, die ein geschütztes und dennoch zügiges Vorankommen gewährleisten. Foto: BS/Jochen Netzker, stock.adobe.com

Sicher und souverän Zufrieden in Pandemiezeiten

SONDERTEIL 30 Jahre BSI (ab Seite 25 dieser Ausgabe)

Deutschland ist kompliziert, da hilft auch Digitalisierung nicht .................................................. Seite 3

Vom Digitalmuseum direkt nach Digistan? Über Sinn und Unsinn eines Digitalministeriums...... Seite 41

Erfolgreiche Verwaltungsdigitalisierung in der Praxis Das BAMF und sein besonderes elektronisches Behördenpostfach.................................................................. Seite 43

Deutschland.Digital.Sicher.BSI

Kernziele im digitalen Verbraucherschutz

Cyber-Sicherheit braucht ein starkes, zentrales und anerkanntes Haus ...................................................... Seite I

Risikobewusstsein, Beurteilungsfähigkeit, Lösungskompetenz ................................................. Seite XII

Innovations-Hub für die Cyber-Sicherheit

Cyber-Diplomatie 2021

Das BSI wird als Gestalter der sicheren Digitalisierung gestärkt................................. Seite II

Das Primat der EU-Politik im CIR wahren ................. Seite XVI

Das Hase-und-Igel-Spiel Operative Cyber-Sicherheit im BSI ............................ Seite VI

Digitale Souveränität …

Impressum

… und wie sie gelingen wird..................................... Seite 44

Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innen Spiegel

Future4Public gestartet Das E-Journal für den Öffentlichen Dienst von morgen (BS/Ann Kathrin Herweg) Ob Zeitung, Newsletter, Homepage, Podcast oder Online-Diskussion, der Behörden Spiegel berichtet auf den verschiedensten Kanälen über die Themen des öffentlichen Sektors. Nun kommt ein weiteres Format dazu, das sich gezielt an den Nachwuchs im Öffentlichen Dienst richtet: das E-Journal “Future4Public”. Im Mittelpunkt steht die Verwaltung von morgen. Neben Berichten über innovative Projekte und Verwaltungsmodernisierung bekommt der junge Public Sector von Neuigkeiten an den Hochschulen über aktuelle Personalthemen und ExpertenEinschätzungen bis hin zu relevanten Terminhinweisen und Stellenanzeigen alles, was er für den Einstieg oder die Arbeit im Öffentlichen Dienst wissen muss. Studierende sowie junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den öffentlichen Bereich der Zukunft gestalten wollen, bekommen bei “Future4Public” nicht nur Ideen und Informationen, das interaktive Format ermöglicht es ihnen auch, selbst Meinungen und Inhalte zu veröffentlichen und gibt ihnen Raum, sich auszutauschen, Fragen zu stellen, zu kommentieren und zu diskutieren.

bedingungen für barrierefreie Websites. Wie Digitalisierung mithilfe eines Smart-City-Konzepts eine ganze Stadt verändern kann, wie man den Weg hin zur Smart City meistert und welche Ziele die Stadt Bochum sich in diesem Zusammenhang gesetzt hat, beschreibt Denes Kücük in der Kategorie “Projects”. Neben diesen Kategorien finden sich in “Future4Public” mit “Jobs” relevante Stellenanzeigen und unter “Dates” interessante Terminhinweise. In den “Snapshots” gibt es Veranstaltungsbilder und Einblicke in den individuellen Berufsalltag. Und auch Lesermeinungen finden im E-Journal Platz, in Form von Leserbriefen für die “Post Box”, in wechselnden Umfragen bei “Survey” oder in offenen Diskussionen in der Kategorie “Speakers Corner”, auch diese Beiträge können kommentiert werden.

Erster Themenschwerpunkt: Girls’ Day

Viele Chancen zur Vernetzung

Anlässlich des Girls’ Day am 22. April 2021 stellt die erste Ausgabe die Situation von Mitarbeiterinnen in der Verwaltung und die Diversität im Öffentlichen Dienst im Allgemeinen in den Fokus. Warum Frauen in Vorständen auch im Jahr 2021 noch immer in der Unterzahl sind, ob das Führungspositionen-Gesetz II daran etwas ändern kann und welche Rolle die Familie für die Karriere einer Frau spielt, das wird in dieser Ausgabe in der Kategorie “Staff” genauer beleuchtet. In den “Comments” und im

Im E-Journal werden insbesondere Themen für die jüngere Generation in der Verwaltung behandelt. Aber auch “die älteren Semester” sind herzlich eingeladen, sich zu den neuesten Themen zu informieren und am Austausch zu beteiligen. Foto: BS/twinDesign, stock.adobe.com

Hochschul- und UniversitätsUpdate “Campus” dreht sich in dieser Ausgabe ebenfalls alles um junge Frauen auf ihrem Weg in den Öffentlichen Dienst. Nicole Cienskowski ist als Account Manager GKV & Healthcare | Public Sector nicht in der Verwaltung,

aber dennoch verwaltungsnah tätig. Wie ihre Arbeit genau aussieht, beschreibt sie im “Portrait”. Darüber hinaus berichtet sie davon, wie es ist, als junge Frau im Bereich der Digitalisierung zu arbeiten und inwiefern Netzwerke Frauen bei der Gestaltung ihrer

Karriere unterstützen können. Im kollaborativen Ratgeber “Advice” geht es in dieser Ausgabe ganz generell darum, im öffentlichen Bereich niemanden auszugrenzen und Digitalisierung barrierefrei zu gestalten. Frank Schiersner erläutert die Rahmen-

“Future4Public” ist die ideale Plattform für die junge Generation, um sich miteinander zu vernetzen, Erfahrungen und Visionen miteinander zu teilen und so wichtige Tipps und Informationen für eine erfolgreiche Karriere im Öffentlichen Dienst auszutauschen. Das E-Journal ist unter www. f4p.online zu erreichen.

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/SenInnDS Foto 2: BS/Klawon Foto 3: BS/Landtag Rheinland-Pfalz

Herausgeber und Chefredakteur Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Dorothee Frank (Verteidigung, Wehrtechnik), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Ann-Kathrin Herweg (Online-Redaktion), Malin Jacobson (Kommunen, Online-Redaktion), Bennet Klawon (Katastrophenschutz), Tanja Klement (Online-Redaktion), Matthias Lorenz (Online-Redaktion), Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Thomas Petersdorff (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Sicherheitspolitik), Tim Rotthaus (OnlineRedaktion), Paul Schubert (IT, IT-Sicherheit), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Dr. Barbara Held (Sonderkorrespondentin Digitalfunk), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Sofie Hubein, Karin Vierheller Verlag Bonn Anzeigen/Redaktion/Vertrieb Tel. 0228/970 97-0, Fax 0228/970 97 75 Verlag Berlin Redaktion/Vertrieb 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0, Fax 030/55 74 12 57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige AnzeigenPreisliste Nr. 32/2021, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG BAN: DE25 3806 0186 3015 6470 18 BIC: GENODED1BRS Postbank IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Leitung Unternehmensentwicklung und Digitalisierung Dr. Eva-Charlotte Proll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

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Berlin und Bonn / April 2021

KNAPP

Nicht nur eine Frage der Technik

Tarifeinigung ­rückwirkend für 2020

Wenig Konsens für konsensual Vereinbartes beim BPersVG

(BS/mj) Im Zuge der Pandemie

(BS/Jörn Fieseler) Die einen freut’s, die anderen nicht. Gemeint ist die Einbeziehung der Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte (AG HPR) der obersten Bundesbehörden als Mitbe- mussten die kommunalen Flugstimmungsgremium im Rahmen der Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes. Genauso zwiegespalten sind die Meinungen bei der Durchführung der Gremienarbeit mit häfen einen Notlagentarifvertrag vorhandenen Kommunikationsmöglichkeiten. Auch wenn beide Bereiche jetzt geregelt werden sollen, ist die Diskussion damit noch nicht beendet. mit ihren Tochtergesellschaften Seit Jahren ist die AG HPR als eigentlich informelles Gremium fest etabliert. Informell, weil es keine gesetzliche Verankerung für die Arbeitsgemeinschaft gibt. Allerdings hat sie sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten durchaus bewährt. Nicht nur zur Vernetzung der Hauptpersonalräte aus den unterschiedlichen Ressorts untereinander, sondern auch für den Austausch bei ressortübergreifenden Themen, etwa bei laufbahnrechtlichen Fragen, Arbeitszeitregelungen und nicht zuletzt bei der IT-Konsolidierung des Bundes. Entsprechend begrüßen die beiden Vorsitzenden Ulrike Schäfer und Bernhard Schmitt, dass diese Praxis nun in ein geregeltes Verfahren überführt werden sollen. Schließlich “sieht sich die AG auch als Sprachrohr der Beschäftigten und füllt die Lücke der demokratischen Interessensvertretung bei über-ressortlichen Maßnahmen aus”.

Von Unterstützung bis ­Ablehnung Deshalb ist es für die beiden Vorsitzenden unverständlich, weshalb sie nur bei einem Thema, nämlich bei über-ressortlichen Digitalisierungsvorhaben, ein Recht zur Stellungnahme haben sollen, bei anderen The-

men jedoch nicht. Eine solche Einschränkung sei in keinem Landespersonalvertretungsgesetz zu finden. Stattdessen schlagen die Vorsitzenden vor, die Möglichkeit der Stellungnahme auf sämtliche ressortübergreifende Maßnahmen zu beziehen. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) unterstützt zwar den Ansatz. Sieht darin jedoch keinen Ersatz für die ressortübergreifende Mitbestimmung der Spitzenorganisationen, wie es Nils Kamradt, Bundesbeamtensekretär bei Verdi, formuliert. Gänzlich ablehnend steht der DBB Beamtenbund und Tarif­ union dem Vorhaben gegenüber. Hier bedürfe es dringend weiterer Diskussionen (siehe Interview mit Ulrich Silberbach, Behörden Spiegel März-Ausgabe 2021, Seite 4).

Mahnende Worte Ebenso kritisch wird die Digitalisierung der Gremienarbeit betrachtet. Laut Gesetz sollen Personalratsmitglieder künftig die Möglichkeit haben, an Sitzungen auch per Video- oder Telefonkonferenz teilzunehmen. Vorausgesetzt, es werden drei Bedingungen erfüllt: Erstens müssen Kommunikationsmittel genutzt werden, die durch die Dienststelle für die Nutzung freigegeben sind. Zweitens dür-

dern dauerhaft. Zudem müssten auch Online-Sprechstunden per Gesetz ermöglicht werden. Denn schließlich seien die digitalen Kommunikationsstandards und die Einrichtung von Telearbeitsplätzen und mobilen Arbeitsmöglichkeiten nicht reversibel.

Gefahr der Druckausübung

Wie digital darf die Personalratsarbeit sein? Darüber wird im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zum BPersVG diskutiert. Foto: BS/Zerbor, stock.adobe.com

fen diese Instrumente nur angewendet werden, wenn nicht mindestens 25 Prozent der Mitglieder eines Personalrates (PR) dem widersprechen. Und drittens muss das Gremium geeignete organisatorische Maßnahmen treffen und damit sicherstellen, dass Dritte keine Kenntnis vom Inhalt der Sitzung erhalten können. So die Vorstellung des Gesetzgebers. Zumindest bis zum 31. Dezember 2024. Denn bis dahin ist die Regelung befristet. Zwar sind sich Gewerkschaften und Rechtsexperten einig, dass PR-Sitzungen in Präsenz stattfin-

den müssen. “Es ist ein offenes Geheimnis, dass häufig Entscheidendes, das die Personalarbeit voranbringt, nicht im Plenum geschieht, sondern in Kleingruppen beziehungsweise im unmittelbaren Austausch vorbesprochen wird”, erläutert Dr. Eberhard Baden, Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei Dr. Baden und Kollegen. Dennoch können sich auch Personalräte diesen Kommunikationsmöglichkeiten nicht gänzlich verschließen. Entsprechend fordert der DBB, die Option von Videokonferenzen nicht nur befristet einzuräumen, son-

Demgegenüber befürchten Verdi und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dass Personalräte von Dienstherren dazu gedrängt werden, vornehmlich Videokonferenzen durchzuführen, um Kosten zu sparen. Schließlich weise der Gesetzentwurf ausdrücklich auf die Einsparmöglichkeiten von rund 300.000 Euro pro Jahr für den Bund hin. Obwohl der Gesetzgeber dies in der Begründung explizit ausschließe, berichtet Kamrath, dass schon in Zeiten der Pandemie dies mancherorts geschehen sei und nicht nur auf die Pandemie, sondern auch auf eben diese Kostengründe verwiesen worden sei. Und schlussendlich habe der Personalrat nicht die geeigneten Mittel, um die dritte Bedingung zu erfüllen. Vielmehr müsse die Dienststelle die technischen Einrichtungen zur Verfügung stellen. Auch wenn das Gesetz jetzt verabschiedet wird, ist der Diskussionsbedarf noch nicht gestillt.

Zufriedenheit in Pandemiezeiten Deutschland ist kompliziert, da hilft auch Digitalisierung nicht

mit deren Beschäftigten abschließen. Er enthält Regelungen zur Arbeitszeitreduktion sowie weiteren kostenkompensierenden Maßnahmen. Die Gewerkschaften Verdi und DBB Beamtenbund und Tarifunion hatten mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) die Tarifeinigung verhandelt und beschlossen: Der Notlagentarifvertrag tritt rückwirkend zum 1. September 2020 in Kraft und gilt bis 31. Dezember 2023. Der Notlagentarifvertrag hat keine betriebsbedingten Kündigungen der betroffenen Flughafenbeschäftigten zur Folge.

Studienfreier ­Aufstieg (BS/mfe) In Berlin könnten Polizeibeamtinnen und -beamte künftig auch ohne absolviertes Studium vom mittleren in den gehobenen Dienst aufsteigen. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine Änderung der Polizeilaufbahnverordnung. Diese ist seit Langem geplant, aber bisher noch nicht verabschiedet. Grund hierfür ist, dass sich die zuständigen Senatsverwaltungen gegenseitig die Federführung zuschieben. Sollte es zu der Reform kommen, könnten Aufsteiger aus dem mittleren in den gehobenen Dienst dort bis zum Hauptkommissar befördert werden. Dies entspricht der Besoldungsgruppe A 11. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in der Bundeshauptstadt begrüßt das Vorhaben.

Gesundheitsausgaben steigen und steigen

(BS/Malin Jacobson) Manchmal lästig, oft zeitaufwendig, immer notwendig – um den Gang zur Behörde kommt früher oder später niemand herum. Der Datenreport 2021 der Bundesregierung evaluiert unter anderem diese Schnittstelle zwischen Bürger und Verwaltung und fragt: Wie zufrieden sind wir mit den behördlichen Dienstleistungen? (BS/mj) Laut Schätzungen belauKerntugenden der Verwaltung, wie Unbestechlichkeit und Diskriminierungsfreiheit sowie Vertrauen und Hilfsbereitschaft, bekommen sehr gute Bewertungen seitens der Bürgerinnen und Bürger. Bei den sekundären Leistungen sieht es da schon wieder anders aus, Bearbeitungs- und Wartezeit sowie unverständliche und komplexe Verfahren führen zu Frust. “Das sind Themen, die durch digitale Angebote verbessert werden könnten. E-Government und ein gutes öffentliches Datenmanagement waren in Deutschland aber schon immer ein Problem. Das ist mit der Pandemie noch extremer und offensichtlicher geworden”, erläutert Hannes Kühn, stellvertretender Leiter des Sekretariats des nationalen Normenkontrollrates (NKR). Vieles sei gut gemeint, aber eben nicht gut gemacht.

Steuererklärungen sind und bleiben kompliziert Widersprüche gibt es dabei nicht nur in der allgemeinen Wahrnehmung behördlicher Dienstleistungen, sondern auch bei konkreten Lebenslagen. Ein Thema, dass von der Bevölkerung als sehr komplex eingestuft wird, ist die Steuererklärung. Umso überraschender ist die hohe Zufriedenheit mit den digitalen Möglichkeiten, die für den Bereich Steuererklärung überdurchschnittlich gut bewertet werden. “Auch wenn die Steuererklärung an sich kompliziert ist, wird die Bearbeitung digital

Deutschland ist kompliziert – zu diesem Schluss kommt man, wenn man die Ergebnisse des Datenreports 2021 betrachtet. Foto: BS/magele-picture, stock.adobe.com

unterstützt. Dies ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Arbeitsteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft. Der Staat bietet mit Elster standardisierte Formate und Schnittstellen an. Die Privatwirtschaft stellt intuitive Software bereit, mit der man seine Steuererklärung komfortabel erledigen kann. Das erleichtert den Umgang mit einer ansonsten eher abschreckenden Verwaltungsmaterie”, meint Kühn. Dennoch lösten Steuererklärung keine Glücksgefühle aus, so Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DStG). Auch wenn individuelle Bewertungen von Finanzbehörden seitens der Bevölkerung sehr gut ausfielen, “aus kompliziertem Steuerrecht ergeben sich komplizierte Formulare und daraus wiederum komplizierte Programme”. Laut Eigenthaler

muss es im Datenreport demnach “Zufriedenheit mit der komplexen Rechtslage” heißen.

Kinderbetreuung ist ­komplexer als gedacht Mit einer komplexen Rechtslage haben die Behörden beim Thema Kinderbetreuung nicht zu kämpfen – wohl aber mit Uneinheitlichkeit und den wenig zufriedenstellenden Möglichkeiten beim E-Government. Hier belegt die Kinderbetreuung eines der Schlusslichter! “Das größte Problem ist die Sprache”, erklärt Dr. Heidemarie Arnhold, Vorsitzende des Arbeitskreises Neue Erziehung e. V. (ANE). “Formal findet man alles online, in der Realität wird es aber kaum genutzt, weil alles uneinheitlich und schwer verständlich ist.” Das beginne schon bei den je nach Bundesland visuell und infor-

mell unterschiedlich gestalteten Webseiten der Ministerien, die wiederum jeweils unterschiedliche Namen trügen, wie Kultusministerium, Schulministerium oder Bildungsministerium. Jedes Land verwende unterschiedliche Begrifflichkeit und die zunehmende Fachsprache sei zwar juristisch korrekt, verschließe aber den Menschen, die nicht der Bildungselite angehörten, den Zugang zu Informationen. Dass die Anmeldeverfahren für die Kinderbetreuung kommunal sehr unterschiedlich gehandhabt werde, bestätigt auch Kühn. “Dass im Datenreport danach gefragt wird, zeigt das Interesse und den Bedarf, auch diesen Aspekt zu evaluieren.” Auch wenn so mancher sich noch klassisch analog auf Wartelisten setzen lassen muss, um einen Kindergartenplatz für den Nachwuchs zu bekommen, sind die Menschen mit der Kinderbetreuung an sich zufrieden. “Das kommt daher”, erklärt die Vorsitzende von ANE, “dass sich bei der Verfügbarkeit von Kita-Plätzen und der allgemeinen gesellschaftlichen Akzeptanz von frühkindlicher Betreuung viel getan hat. Kitas werden immer mehr als Bildungsorte wahrgenommen und die fachliche Weiterentwicklung von Pädagoginnen und Pädagogen wird sehr geschätzt.”

Digitalisierung hilft nicht gegen Corona Digitalisierung ist für vieles die Lösung, aber kein Allheilmittel. “Nicht nur die technische Ver-

netzung ist wichtig, auch die damit einhergehende Kommunikation”, erklärt Arnhold. Gerade Einheitlichkeit sei ein wichtiger Punkt, um Verständlichkeit zu gewährleisten. Dem kann sich auch der stellvertretende Sekretariatsleiter des NKR anschließen und empfiehlt: “Man muss der Wirksamkeit und vor allem der Vollzugstauglichkeit rechtlicher Vorgaben viel mehr Gewicht beimessen. Zuerst kommt der Inhalt, erst dann kommen die Paragrafen.” Hinzu kommt laut Kühn, dass sich die Digitalisierung der Behörden in den letzten Jahren zwar verbessert habe. Im Wirtschafts- und Privatsektor sei die Digitalisierung jedoch noch sehr viel weiter vorangeschritten. Wenn die Verwaltung da nicht mithalte, werde sie im Vergleich immer schlechter bewertet. In Pandemiezeiten fällt das Urteil sogar noch schlechter aus. Laut Arnhold gibt es “seit der Pandemie eine erhebliche Verschlechterung der Informationslage, was in Unsicherheit und wiederum in Gefühlsaussagen mündet”. Dieser Grundstress, erläutert Eigenthaler, führe dazu, dass die Menschen empfindlicher auf unliebsame Themen wie die Steuererklärung reagierten. “Viele bestehende Defizite der öffentlichen Verwaltung”, so Kühn, “rückt Corona noch deutlicher in den Fokus. Dadurch steigt die allgemeine Unzufriedenheit, nicht nur mit der Verwaltung selbst, sondern auch mit der Politik.”

fen sich die Gesundheitsausgaben für 2020 auf rund 425 Milliarden Euro. Die Bereitstellung von intensivmedizinischen Betten und Beatmungsgeräten mache rund 700 Millionen Euro aus, so das statistische Bundesamt (Destatis). Verordnungskonforme Schutzmasken kosten summa summarum gut 491 Mio. Euro, Corona-Tests rund 286 Mio. Euro und pandemiebedingte Erstattungen für außerordentliche Aufwendungen in der Pflege weitere 731 Mio. Euro. Zum jetzigen Zweitpunkt liegen noch nicht alle Ausgaben im Detail vor, weswegen es sich um vorläufige Berechnungen handelt. Ausgleichszahlungen für pandemiebedingte Einnahmeausfälle, auch von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen, sind nicht in ausgeführten Gesundheitsausgabenrechnungen verbucht.


Aktuelles Öffentlicher Dienst / Bund

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ber mangelnden Nachwuchs können sich die Polizeien in Baden-Württemberg, Niedersachsen und NordrheinWestfalen allerdings auch in der Pandemie nicht beklagen. Das Bewerberaufkommen sei weiterhin hoch oder sei sogar gestiegen. Michael Frücht, Direktor des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NordrheinWestfalen, führt dies auf die Sicherheit einer Beschäftigung im Öffentlichen Dienst zurück. Ähnlich sieht das der Direktor der Polizeiakademie Niedersachsen, Carsten Rose. Doch sei man im März 2020 von den Entwicklungen überrascht gewesen. Man sei technisch nicht für eine sofortige Umstellung auf “Heimunterricht” vorbereitet gewesen. Doch die technischen Defizite hätten schnell durch eine massive Beschaffungsmaßnahme ausgeglichen werden können. Dennoch habe kein Ausbildungsträger sofort zu Pandemiebeginn auf eine digitale Ausbildung umstellen können, berichtete Rose weiter. Fortbildungen habe man für einen Monat aussetzen müssen. Doch sei der digitale Distanzunterricht von den Studentinnen und Studenten gut angenommen worden und keine große Herausforderung gewesen. “Die Schülerinnen und Schüler sind eine andere Generation”, hielt Frücht fest. Es seien “Digital Natives”, die schon zuvor ihr Leben im Digitalen organisiert hätten. Für den einen oder anderen Dozenten sei es jedoch eine besondere Situation gewesen. Zugute gekommen sei in Nordrhein-Westfalen, dass es bereits vor Ausbruch der Pandemie eine Dienstvereinbarung zwischen dem Innenministerium und dem Hauptpersonalrat zur digitalen Lehre gegeben habe. Problematisch sei anfangs allerdings gewesen, dass es zu wenige mobile Endgeräte für das mobile Lehren gegeben habe.

Umgang mit Verschluss­ sachen nicht einfach Eine besondere Herausforderung stellt die Bereitstellung und Nutzung von Dokumenten in der Ausbildung dar, die der Verschlusssachenanweisung unterliegen. Während in NordrheinWestfalen zwar die Nutzung privater Geräte für die Ausbildung erlaubt ist, hob Frücht warnend den Finger: “Weil viele Inhalte der Verschlusssachenanweisung unterliegen, müssen der Dozent und die Schüler sehr diszipliniert sein bei der Frage, was vermittle ich über diesen Kanal, denn da muss man andere Sicherheitsrisiken betrachten.” Für die

Polizeiausbildung in Corona-Zeiten Digitales Lernen kann nicht alles abdecken / Präsenzelemente erforderlich (BS/Bennet Klawon/Marco Feldmann) Nicht nur die schulische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen ist ein Thema in der Pandemie. Ebenso müssen zahlreiche angehende Polizistinnen und Polizisten gründlich ausgebildet werden. Dies stellte und stellt die Ausbildungsstätten der Po­ lizeien allerdings vor Herausforderungen. Vermittlung von Verschlusssachen sei nur die Nutzung von Dienstgeräten zulässig. Zudem müssten die Dozenten die Inhalte entsprechend anpassen. In Niedersachsen ist das laut Rose nicht erforderlich, da es hier eine Tresorlösung gebe. Mit deren Hilfe könnten auch in der digitalen Lehre eingestufte Inhalte behandelt werden. Martin Schatz, Präsident der Hochschule für Polizei BadenWürttemberg, machte jedoch darauf aufmerksam, dass der Polizeiberuf auch praktische Fähigkeiten verlange, die sich nicht im Distanzunterricht erlernen ließen. Deshalb habe man zum Beispiel beim Schießtraining Kleinstgruppen gebildet und bis spät in den Abend die Trainingseinheiten absolviert. Dem stimmte Frücht zu: “Der Polizeiberuf ist auch ein Handwerk.” Zwar konnten die Verantwortlichen keine Verschlechterung des Notendurchschnittes feststellen, jedoch unterschied Frücht zwischen Studien- und Berufserfolg. Während sich der Studienerfolg positiv entwickelt habe, könne man die Folgen der Ausbildung in der virtuellen Welt während der Pandemie erst in einigen Jahren absehen und beurteilen. Denn: Die virtuelle Welt sei nicht die Realität, so der LAFP-Direktor.

Noch lange nicht wieder auf Vor-Krisen-Niveau Auch auf die polizeiliche Fortbildung hatte die Pandemie Auswirkungen. So sei die Präsenzbasierte zentrale Fortbildung in Niedersachsen zunächst fast komplett ausgesetzt worden, berichtete Rose. Ab Juni vergangenen Jahres habe dann eine sukzessive Wiederaufnahme erfolgen können. Allerdings hätten deutlich weniger Seminare als ursprünglich geplant durchgeführt werden können. Der entsprechende Anteil habe nur bei 71 Prozent gelegen. Dies habe durch eine digitale Vermittlung allerdings teilweise kompensiert werden können, heißt es seitens der niedersächsischen Polizeiakademie. Im ersten Quartal dieses Jahres hätten deshalb sogar gut 20 Prozent mehr an Seminaren (digital) durchgeführt werden können als ursprünglich geplant. In Nordrhein-Westfalen habe die polizeiliche Fortbildung

Diskutierten über polizeiliche Aus- und Fortbildung in Pandemiezeiten (von links oben im Uhrzeigersinn): Dieter Wehe (Moderator), Michael Frücht, Martin Schatz und Carsten Rose. Screenshot: BS/Feldmann

vorübergehend ebenfalls nicht stattfinden können. Seitens des LAFP seien dann aber rasch Hygienekonzepte entwickelt worden. Diese hätten eine zügige Wiederaufnahme der Fortbildung möglich gemacht, erläuterte Frücht. Allerdings sei hier der Vor-Corona-Umfang noch lange nicht wieder erreicht. Derzeit könnten nur zehn bis 15 Prozent der ursprünglich einmal geplanten Fortbildungsveranstaltungen auch tatsächlich durchgeführt werden, räumte der LAFP-Direktor im Rahmen einer Online-Diskussionsrunde bei “Digitaler Staat Online” ein, die unter der Moderation des ehemaligen Inspekteurs der nordrhein-westfälischen Polizei, Dieter Wehe, stand. Der Rückgang habe Corona-bedingt bereits im vergangenen Jahr eingesetzt. So hätten 2020 laut LAFP nur 1.334 Fortbildungsveranstaltungen stattfinden können. Das sei knapp die Hälfte des Volumens von 2019. In Baden-Württemberg ist die gesamte polizeiliche Fortbildung im Jahr 2020 pandemiebedingt um etwa ein Fünftel zurückgegangen, wie von der Hochschule für Polizei zu erfahren war.

Über die Hälfte abgesagt Auch in Bayern war ein Rückgang zu verzeichnen. Dort mussten im vergangenen Jahr 491 Seminare und damit fast 51 Prozent des zentralen Fortbildungsangebots beim Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring beziehungsweise bei den externen Veranstaltungsörtlichkeiten abgesagt werden. Grund hierfür war ebenfalls vor allem die Corona-Pandemie. Trotz allem konnten 2020 477 Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt

KOLUMNE

“Minderleistende” führen – ein Kraftakt! (BS) In der Belegschaft finden sich M ­ enschen unterschiedlicher Persönlichkeitsstrukturen wie auch Leistungsstärken. Neben Spitzenkräften, Leistungsträgern und soliden Performern allo­ kieren ins­ besondere sog. “Min­ derleister/-innen” eine Menge Aufmerksamkeit, Zeit und Energie in der Ausübung der Führungsrolle. Es ist ein heikles Thema, über das niemand gerne spricht. Häufig sind es noch nicht einmal viele Mitarbeitende, welche weniger leisten als andere. Und dennoch ist deren Wirkung nach innen wie nach außen von besonderer – meist eher negativer – Strahlkraft. Deshalb ist es so wichtig, den richtigen Umgang mit Minderleister(inne)n zu finden. Denn es gilt zu verhindern, dass alle anderen im Team ausgebremst werden. Doch warum schöpfen sie ihre volle Leistungsfähigkeit nicht aus und bleiben somit unter dem vergleichbaren

Behörden Spiegel / April 2021

Beate van Kempen leitet die Abteilung “Produktmanagement Verbundlösungen” beim LVR Infokom. Foto BS/privat

Leistungsniveau von Kolleg(inn) en mit gleichem Aufgabenprofil? Die Analysen umfassen daher eine weitreichende Betrachtung vieler persönlicher wie kontextbezogener Aspekte. Darin liegen häufig Hinweise für mögliche Ansatzpunkte, um eine Änderung des Verhaltens, eine Entwicklung zu initiieren. Und dennoch

gibt es kein einfaches Rezept, keine gängige Führungsmethode, welche einen Ausweg bietet; zu individuell, zu divers ist die jeweilige Konstellation. Doch was tun? Neben regelmäßigem Feedback, mit abgestimmten Erwartungen an persönliche Weiterentwicklung, welche in Zielvereinbarungen verankert sind, braucht es vor allem eines: Klare Grenzen, die gemeinsam gezogen werden und deren Einhaltung genauestens beobachtet und gemeinsam regelmäßig bewertet wird. Daraus folgende Konsequenzen inklusive. Die Belegschaft wird merken, ob und wie wir mit ihnen umgehen. Und als wäre das alles nicht genug, gilt es auch noch, die richtige Balance zu halten, damit alle im Team die ihnen zustehende Aufmerksamkeit bekommen. Auch hier kommt es somit auf die richtige Dosierung an. Nur ein Führungshandeln ist ausgeschlossen: einfach hinnehmen!

werden. 2019 waren es jedoch noch 804 gewesen. Seit Beginn dieses Jahres steht der Bayerischen Polizei mit dem PolizeiOnline-Seminar-System (POSS) ein virtuelles Klassenzimmer zur Verfügung. Bislang wurden 17 Seminare über POSS veranstaltet. An der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) wurde der Fortbildungsbetrieb in Präsenz pandemiebedingt ab Mitte März letzten Jahres eingestellt. Von den gemäß Jahresfortbildungsprogramm geplanten circa 55 Veranstaltungen hatten bis zu diesem Zeitpunkt nur etwa 20 Prozent stattgefunden. Ab Mai 2020 wurden Fortbildungsange-

bote online angeboten, sofern dies methodisch und von der Einstufung her möglich war. Ungefähr 47 Prozent der Veranstaltungen hätten daher nicht in der geplanten Form durchgeführt werden können, heißt es von der DHPol. Bei der Polizei Berlin wurden an der Polizeiakademie auch während der Corona-Pandemie Fortbildungsveranstaltungen angeboten und durchgeführt. Dabei handelte es sich um Seminare, die zur Aufrechterhaltung des innerbehördlichen Dienstbetriebes notwendig waren, beispielsweise Schießtrainings. Ansonsten musste das Fortbildungsangebot auch in der Bundeshauptstadt deutlich zurückgefahren werden. Während zwischen Mitte März und Mitte April 2019 138 von 157 Fortbildungsveranstaltungen (entspricht 87,9 Prozent) durchgeführt werden konnten und keine Veranstaltung Corona-bedingt abgesagt werden musste, sah das exakt ein Jahr später deutlich anders aus: Zwischen Mitte April und Mitte Mai 2020 konnten von 206 Fortbildungen nur 26 tatsächlich durchgeführt werden. 180 Veranstaltungen mussten abgesagt werden, 171 davon wegen Corona. Mittlerweile hat sich die Lage

an der Polizeiakademie wieder deutlich verbessert. Zwischen Mitte März und Mitte April dieses Jahres konnten dort wieder 61,3 Prozent der Fortbildungen stattfinden. Von 204 geplanten Veranstaltungen wurden 125 durchgeführt. Abgesagt werden mussten 79 Veranstaltungen, 68 davon Corona-bedingt.

Anstieg in Brandenburg Anders als in mehreren anderen Bundesländern sowie an der DHPol sieht es in Brandenburg aus. Dort haben die durch die Hochschule der Polizei durchgeführten Fortbildungen sogar zugenommen. Ihre Zahl stieg von 3.979 Lehrgängen im VorPandemie-Jahr 2019 auf 4.296 Lehrgänge im Pandemiejahr 2020. Das entspricht einer Steigerung um 317 Lehrgänge sowie einem prozentualen Zuwachs von fast acht Prozent. Dabei ging die externe Weiterbildung um über 55 Prozent zurück. Für die Gesamtsteigerung gesorgt haben hingegen die deutlich verstärkten regionalen Maßnahmen der Hochschule in den vier Weiterbildungszentren (WBZ). Diese stiegen von 2.773 Lehrgängen im Jahr 2019 auf 3.469 Lehrgänge 2020. Vonseiten der Hochschule heißt es dazu, dass das (interne) Anheben der Fortbildungsmaßnahmen nötig gewesen sei. Denn wegen der Corona-bedingten Beschränkungen auf maximal fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie wechselnder dienstlicher Belastungen hätten weniger Personen mit Fortbildungen erreicht werden können.

Arbeitsbeschaffung für die MIK Entwurf der Mobilfunknetzvorausschauverordnung stößt auf Kritik (BS/Gerd Lehmann) Nachdem das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVi) unter Hintanstellung der Bedenken des Bundesrechnungshofes und der Kritik der Opposition die Mobilfunkin­ frastrukturgesellschaft (MIG) als Tochter-Gesellschaft der bundeseigenen Toll Collect in Naumberg (Saale) errichtet hat, erregt nun der Entwurf einer “Mobilfunknetzvorausschauverordnung” (MfnvV) die Gemüter der Mobilfunkbetreiber. Die Ermächtigung zum Erlass der Verordnung zur Vorausschau zum Mobilfunknetzaufbau basiert auf der mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG-ÄndG) vom 5. Dezember 2019 (BGBl. I, S. 2005) neu in das TKG eingefügten §§ 77q und 77r. Nach der im Entwurfsstadium befindlichen Verordnung sollen Mobilfunkunternehmen verpflichtet werden, der MIG alle sechs Monate die Informationen zur Verfügung zu stellen, die diese zum Zwecke der Erstellung einer Übersicht im Sinne einer Vorausschau des Ausbaus der für den Mobilfunk bestimmten öffentlichen Telekommunikationsnetze benötigt. Die zur Verfügung zu stellenden Informationen sollen ausweisen, an welchen Standorten der Mobilfunknetzbetreiber innerhalb von vierundzwanzig Monaten ab dem Beginn der jeweiligen Erhebung das von ihm betriebene Mobilfunknetz auszubauen beabsichtigt. Erwartet werden nicht nur geografische Standortdaten, sondern auch Angaben über die am jeweiligen Standort eingesetzten Frequenzbereiche und Mobilfunktechnologien, Angaben zur Art der Anbindung des jeweiligen Standortes an öffentliche Telekommunikationsnetze sowie Angaben zu der zu erwartenden Netzabdeckung. Vorgaben zu den technischen Einzelheiten der Angaben will das BMVi im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium regeln und zu gegebener Zeit im Verkehrsblatt veröffentlichen.

“Weiße Flecken” tilgen Mit der Mobilfunknetzvorausschauverordnung legt das BMVi einen wichtigen Grundstein für die Aufnahme der Tätigkeit der MIG. Diese bundeseigene Gesellschaft soll dafür sorgen, dass die sogenannten “weißen Flecken” in der Mobilfunkversorgung in Deutsch-

Mehr Mobilfunkmasten in der Fläche sind das Ziel. Doch der Umsetzungsweg per Verordnung stößt auf Kritik. Foto: BS/Cibura, stock.adobe.com

land geschlossen werden. Neben der Initialisierung und Begleitung von Förderprogrammen zum Mobilfunkausbau soll die MIG zudem für ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren sorgen, Kommunen bei der Standortsuche neuer Mobilfunkmasten unterstützen und die Suche und Nutzung von öffentlichen Liegenschaften als Mobilfunkstandorte unterstützen.

Kritik der Betreiber Die Mobilfunknetzbetreiber sind mit den im Entwurf der Mobilfunknetzvorausschauverordnung vorgesehenen Regelungen nicht einverstanden. Aus Sicht des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (Bitkom), der die Unternehmen vertritt, ist die Mobilfunknetzvorausschauverordnung zum aktuellen Zeitpunkt nicht erforderlich und aus verfahrenstechnischen, legislativen und rechtlichen Gründen ungeeignet. Im Übrigen verstoße die Verordnung gegen den Europäischen Kodex für elektronische Kom-

munikation (RL EU 2018/1972). In der jüngst veröffentlichten Stellungnahme des Bitkoms zum Verordnungsentwurf werden insbesondere folgende Regelungen beanstandet: • der Abfragezeitraum von 24 Monaten, der nicht für belastbare Ergebnisse sorgt, • der Datenumfang, der Betriebsund Geschäftsgeheimnisse verletzt, • die Datenabfrage, die Ziel und Zweck der Datennutzung überschießt, • die schrankenlos geregelte Datennutzung, • die Betrauung der privatwirtschaftlich organisierten MIG mit sensiblen Daten und • die Erstellung einer technischen Richtlinie ohne Einbindung der MNOs und der BNetzA. Die Bundesregierung wird dringend ersucht, den laufenden parlamentarischen Prozess zur Novelle des TKG zum gleichen Regelungsgegenstand abzuwarten und der Entscheidung nicht vorzugreifen. Auch nicht vorrübergehend – zumal eine Entscheidung absehbar ist und die Mobilfunknetzbetreiber den zuständigen Behörden beim zweiten Mobilfunk­ gipfel der Bundesregierung ihre freiwillige Kooperation bis zur Verabschiedung des TKG zugesagt haben. Sie haben benötigte Informationen, welche GSM-Standorte für eine LTE-Erschließung zur Umsetzung von Verpflichtungen bzw. Zusagen sowie in weißen Flecken (kein mobiles Breitband verfügbar) nutzbar gemacht werden können, bereits zur Verfügung gestellt. Aus Sicht der Branche dürften daher einer Aufnahme der Tätigkeit der MIG keine Informationsdefizite entgegenstehen, die mit der Verordnung ausgeräumt werden könnten. Mit Spannung werden nun die Entscheidungen des BMVi erwartet.


Bund

Behörden Spiegel / April 2021

Einheit durch Vielfalt

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ie Tschechische Republik leistet als einer der wichtigen Partner Deutschlands einen bedeutenden Beitrag zur europäischen Sicherheit. Unsere Länder sind durch ein starkes Band gemeinsamer Interessen verbunden. Dies gilt für den eindeutig proeuropäischen Kurs unserer Regierungen, aber auch für die enge Zusammenarbeit zwischen unseren Streitkräften. Besonders hervorzuheben sind unsere Zusammenarbeit bei Projekten im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation − PESCO) und die enge Kooperation zwischen der schnell verlegbaren tschechischen 4. Brigade der deutschen 10. Panzerdivision. Diese sehr intensive und enge Zusammenarbeit ist Ausdruck des hohen gegenseitigen Vertrauens sowie der festen und umfassenden Integration der tschechischen Streitkräfte in die europäische Sicherheitsarchitektur. Ich freue mich daher sehr darauf, die Konferenz gemeinsam mit dem tschechischen Außenminister Tomáš Petříček zu eröffnen.

Konkrete Initiativen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sind Kernmerkmale der Europäischen Union (EU). Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten angesichts rapide gestiegener sicherheitspolitischer Herausforderungen an der östlichen und südlichen Grenze zu Recht eine starke EU, die sie und diese Werte schützt und verteidigt. Dieses Europa zu stärken, dafür tragen wir Verantwortung – in diesen Zeiten mehr denn je.

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Sicherheit in der und durch die Europäische Union (BS/Thomas Silberhorn) Der Berliner Sicherheitskonferenz 2021, die dieses Jahr unter dem Thema “Europa – ein zusammenhängendes Band für starke Macht” (Europe – a cohesive bond for strong power) stattfinden wird, ist es gelungen, die Tschechische Republik als Partnerland für die Konferenz zu gewinnen. Ich begrüße diese Entscheidung sehr und beglückwünsche die Organisatoren. die durch den Koordinierten Jahresbericht zur Verteidigung (Coordinated Annual Review on Defence – CARD) und den Europäischen Verteidigungsfonds (European Defence Fund – EDF) ergänzt wird. Mit Beginn der PESCO im Jahr 2017 haben sich 25 EU-Mitgliedsstaaten auf 20 weitere verbindliche Verpflichtungen geeinigt, wie beispielsweise auf die Erhöhung der Verteidigungsinvestitionen zur Erreichung gemeinsamer Ziele oder das gemeinsame Schließen von Fähigkeitslücken. Dabei unterstützt der CARD, der auf eine Verbesserung der Abstimmung der Planungszyklen der EU-Mitgliedsstaaten abzielt und 2020 den ersten Volldurchlauf abgeschlossen hat, diese Bemühungen. Gleiches gilt für den EDF, der von der Europäischen Kommission als Programm zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Herstellung modernster und interoperabler Verteidigungstechnologie und -ausrüstung eingerichtet wurde. Er wird die Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen an Kooperationsprojekten fördern und bahnbrechende Innovationslösungen unterstützen. Der EDF wird voraussichtlich ab Sommer 2021 zur Verfügung stehen.

Es braucht Europa zum Erreichen gemeinsamer Ziele und zur Verteidigung gemeinsamer Werte. Foto: BS/Bundeswehr, Andrea Bienert

angemessen begegnet werden. Zivile Instrumente sind dabei ebenso gefordert wie moderne militärische Fähigkeiten. Angesichts budgetärer Begrenzungen in den Mitgliedsstaaten von EU wie NATO sind Koope-

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ration und Synchronisation das Gebot der Stunde. Unnötige Duplizierungen können und wollen wir uns nicht leisten. Die Zusammenarbeit mit der Allianz zu stärken, war daher einer der Schwerpunkte der deutschen

EU-Ratspräsidentschaft. Eine intensivierte EU-NATO-Kooperation darf sich aber nicht nur auf den Bereich der “klassischen” Verteidigung beschränken. Beide Organisationen müssen noch enger zusammenwirken, um auch bislang unbekannte oder unerwartete sicherheitspolitische Herausforderungen schnell in den Griff zu bekommen. Die gegenwärtige Corona-Pandemie ist dabei nur eine von vielen unterschiedlichen Bedrohungen unserer Sicherheit. Die Liste ist lang und reicht von islamistischem Terrorismus über CyberBedrohungen, einschließlich politischer Desinformationskampagnen, bis hin zu den Folgen des Klimawandels. Keine dieser Bedrohungen kann allein durch militärische Mittel und Maßnahmen abgewendet werden. Vielmehr liegt die beste Verteidigung

in der Fähigkeit, solche Schläge zu absorbieren, ihre Folgen zu überwinden und ihre Ursachen tatkräftig angehen zu können. Das bedeutet an erster Stelle, die Resilienz so zu stärken, dass wir im Krisenfall funktionsfähig bleiben oder schnell wieder funktionsfähig werden.

Möglicher Stabilitätsanker Eine resiliente, handlungsfähige und glaubwürdige EU braucht effektive Instrumente und Strukturen sowie eine intensivierte Zusammenarbeit mit der NATO. Auch wenn vieles bereits besteht, müssen wir noch besser, kohärenter und planbarer werden, wenn wir unseren Ambitionen gerecht werden wollen. Unser Anspruch ist eine EU, die widerstandsfähig und leistungsstark ist. Eine EU, die reaktionsfähig ist und sich nach Krisen schnell wieder erholen kann. Wir werden aktiv darauf hinwirken, dass die EU ihre Rolle als Stabilitätsanker und globaler Akteur im internationalen Krisenmanagement festigt und ausbaut. Dazu brauchen wir eine starke, wahrhaft gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der EU.

Berlin Security Conference

1 9 th C o n g r e s s o n E u r o p e a n S e c u r i t y a n d D e f e n c e

NATO als Eckpfeiler Die NATO ist und bleibt Eckpfeiler und Garant der EuroAtlantischen Sicherheit. Die Verbesserungen der Fähigkei-

Melden Sie sich jetz Berliner Sicherhe t zur ersten digitalen itskonfer www.euro-defe enz an unter nce.eu

“Die NATO ist und bleibt Eckpfeiler und Garant der Sicherheit in Europa”, betont der Parlamentarische Staatssekretär im BMVg, MdB Thomas Silberhorn.

18.-19. Mai 2021

Foto: BS/Deutscher Bundestag, Inga Haar

Als wertebasierte Gemeinschaft trägt die EU gemeinsam mit NATO und VN eine große Verantwortung für die Mitgestaltung der regelbasierten internationalen Ordnung im Sinne von stärkerer internationaler Koordinierung und Kooperation sowie mehr Nachhaltigkeit und Solidarität. Diese Verantwortung spiegelt sich wider in der Globalen Strategie der EU aus dem Jahr 2016, mit welcher die EU ihr verteidigungspolitisches Profil weiter schärft. Zudem haben die EU-Mitgliedsstaaten seit 2017 eigene EU-Verteidigungsinitiativen ins Leben gerufen. Hervorzuheben ist insbesondere die bereits erwähnte Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation – PESCO),

ten der EU im Verteidigungsbereich gehen Hand in Hand mit einer Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO. Im transatlantischen Kontext zielen die EU-Verteidigungsinitiativen auf eine deutliche Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO ab. Darüber hinaus verfügt die EU über einen beeindruckenden zivilen Werkzeugkasten an diplomatischen, wirtschaftlichen und finanziellen Instrumenten für Krisenprävention, Stabilisierung, Konfliktbewältigung und Wiederaufbau, als auch zur langfristigen Förderung von Frieden und nachhaltiger Entwicklung. Nur durch ein abgestimmtes Planen und Handeln kann den heutigen Sicherheitsherausforderungen

Digitale Berliner Sicherheitskonferenz (BS) Corona-bedingt findet die Berliner Sicherheitskonferenz zum ersten Mal digital statt. Der Kongress selber wird komplett als Webkonferenz organisiert, es bleibt aber wie gewohnt bei den Möglichkeiten für Fragen und Diskussionen aus dem Publikum. Die Streaming-Plattform für das Hauptprogramm wird über tv (vMix) zur Verfügung gestellt. Alle Panels werden ausschließlich digital über unsere Plattform ClickMeeting organisiert. Die Plattform ist EU-datenschutzkonform und browserbasiert, wodurch sie sich von eigentlich jeder Infrastruktur mit stabiler Netzverbindung aufrufen lässt. Auch eine Plattform zum Networking wird digital angeboten. So haben die Teilnehmer im Rahmen der Online-Veranstaltung über verschiedene Tools die Möglichkeit, sich in die vielfältigen Diskussionen einzubringen, sich untereinander zu vernetzen und sich in der virtuellen Ausstellung über verschiedene Produkte und Dienstleistungen zu informieren. Der Kongress findet am 18. und 19. Mai statt, eine Anmeldung ist noch unter www.euro-defence.eu möglich.

Europe – a cohesive bond for strong power Partnerland BSC 2020: Tschechien Highlights im Hauptprogramm, u. a.: > > > >

HIGH-LEVEL-DEBATTE: Europäische Sicherheit und Verteidigung – Mittel- und Osteuropäische (Erwartungen) und Beiträge HIGH-LEVEL-INTERVIEW: Umsetzung der Gender-Politik in der Verteidigungsplanung von NATO und EU MILITÄRISCHES HIGH-LEVEL-FORUM: Stärkung der europäischen Sicherheit durch regionale militärische Zusammenarbeit FORUM ZUKÜNFTIGE STREITKRÄFTE: EU-Verteidigungsinitiativen für technologische Innovation und relevante Fähigkeiten

Fachforen, u. a. > > > > > > > >

Bewertung von CDP / CARD / EDF / PESCO Landstreitkräfte in einem gemeinsamen und verbundenen Umfeld – Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit Chinas militärischer Aufstieg und seine Auswirkungen auf den Westen Wie kann eine glaubwürdige nukleare Abschreckung in und für Europa aufrechterhalten werden? Abwehr von Cyber-Bedrohungen – der Fortschritt digitaler Kriegsführung bei Multidomain-Operationen Framework Nations Concept – wirksamer Katalysator für regionale Mil-Mil-Zusammenarbeit? Personalwesen – Rekrutierung und Bindung Covid-19: Lessons Learned – Aufrechterhaltung der Europäischen militärischen Fähigkeiten (und der Widerstandsfähigkeit) in Zeiten einer globalen Pandemie

140 Top-Referenten, u. a. Tomáš Petříček Minister für Äußere Angelegenheiten der Tschechischen Republik

Helga Maria Schmid Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)

Lubomír Metnar Verteidigungsminister der Tschechischen Republik

Niels Annen MdB Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen

General Claudio Graziano Vorsitzender des Militärausschusses der Europäischen Union

Thomas Silberhorn MdB Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung

Péter Szijjártó Minister für Auswärtige Angelegenheiten von Ungarn

General Eberhard Zorn Generalinspekteur der Bundeswehr

www.euro-defence.eu Veranstalter

Photo oben: Klaus Dombrowsky


Bund

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ie VR China ist typologisch immer noch, d. h. seit ihrer Gründung 1949, ein doktringebundenes Ein-Partei-System kommunistischer Prägung (so der verstorbene China-Wissenschaftler Prof. Jürgen Domes). Dabei vereint Xi Jinping – der “Überragende Führer” Chinas, so sein offiziöser Titel – als Generalsekretär der Kommunistischen Partei und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (seit 2012) sowie als Staatspräsident (seit 2013) alle Macht in seinen Händen. 2018 ließ er die Amtszeitbegrenzung des Präsidenten aufheben, was ihm eine Amtsführung auf Lebenszeit ermöglicht. Damit verfügt er über eine Machtfülle, wie sie bisher nur der Gründer der Volksrepublik, Mao Zedong, innehatte. Doch anders als damals hat die VR China mittlerweile ein mächtiges außenpolitisches Instrument erarbeitet: Wohlstand. Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) steht das frühere Entwicklungsland mittlerweile auf Platz zwei der Welt. 2019, d. h. im letzten von der Corona-Pandemie nicht beeinträchtigen Jahr, führten die USA mit einem BIP von 21,44 Billionen US-Dollar die Liste an. China folgte mit 14,73 Billionen US-Dollar. Die Welt habe noch nie ein solch enormes wirtschaftliches Wachstum in solch kurzer Zeit gesehen, so der Forbes-Journalist John Mauldin. Immerhin erwirtschafteten die EU-Staaten im gleichen Jahr laut IWF in der Summe nominal 17,37 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: 2019 betrug das BIP Russlands nur 1,64 Billionen US-Dollar; das ist weniger als das BIP Italiens. Vor diesem Hintergrund fiel es dem Finanzministerium in Peking nicht schwer, Anfang März einen Anstieg des Verteidigungsetats um 6,8 Prozent für das Jahr 2021 bekannt zu gegeben. Seit dem Ende des Kalten Krieges hat das bevölkerungsreichste Land der Erde auch die größte Armee in Bezug auf ihre Kopfstärke. Aktuell hat die Volksbefreiungsarmee (VBA) 2,035 Millionen aktive Soldaten unter Waffen, gefolgt

Die Zähne des Drachens Wie bedrohlich ist die Volksrepublik China für Europa? (BS/Dr. Gerd Portugall) Ende März hat die Europäische Union (EU) Strafmaßnahmen gegen die Volksrepublik (VR) China wegen Menschenrechtsverstößen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren beschlossen. Das sind die ersten politischen EU-Sanktionen gegen das “Reich der Mitte” seit der gewaltsamen Niederschlagung der Demokratiebewegung im Juni 1989. Dieser Schritt stellt eine 180-Grad-Wende gegenüber dem erst im vergangenen Dezember vereinbarten Investitionsabkommen zwischen Europa und China dar. Doch wie bedrohlich ist eigentlich die Volksrepublik für die EU?

Fährt zunehmend seine Krallen aus: der chinesische Drache. Foto: BS/GoShows, Wikicommons

von Indien mit 1,456 Millionen und den USA mit 1,380 Millionen Soldaten. Während die VBA früher vor allem durch “Masse” auffiel, hat sie mittlerweile auch “Klasse” erreicht. Ein Beispiel: Im März 2017 hat die VBA mit der Chengdu J-20A ihr erstes “Stealth”-Kampfflugzeug der 5. Generation in Dienst gestellt. Damit steht dieses Modell auf Platz drei – nach den US-Typen F-22 (Dezember 2005) und F-35 (Juli 2025), aber noch vor der russischen Su-57 (Dezember 2020). Auch bemühe sich China bei den ebenfalls militärisch nutzbaren “Grenztechnologien” wie Künstlicher Intelligenz (KI) und Quantencomputern, “die USA

als KI-Weltmacht abzulösen”, so z. B. der ehemalige Google-CEO Eric Schmidt. Allerdings hat das Londoner “International Institute for Strategic Studies” (IISS) Defizite bei der Einsatzdoktrin und bei der Ausbildung der VBA identifiziert. Außerdem fehle es den chinesischen Streitkräften an “signifikanter Kampferfahrung”, so das IISS. Vor allem aber maritim rüstet die VBA auf: Die chinesischen Seestreitkräfte besitzen zwei Flugzeugträger; ein dritter befindet sich nachweislich im Bau. Allerdings: Die U.S. Navy verfügt über elf (!) “Super Carriers”. Um dieser Überlegenheit im Kriegsfall wehrtechnisch etwas entgegen-

Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2021 Bedrohungen für den Nachbarn Österreich (BS/df) Das österreichische Verteidigungsministerium veröffentlichte unter dem Titel “Sicher. Und Morgen?” seine sicherheitspolitische Jahresvorschau 2021. In dieser analysieren Wissenschaftler und politische bzw. militärische Experten die aktuelle Bedrohungslage. Nach einer prägnanten Einführung in die aktuelle Lage folgen Abrisse zu ausgewählten sicherheitspolitischen Trends (z. B. “Die geopolitischen Herausforderungen Europas” oder “Die Rolle Chinas in der Entwicklungsdynamik globaler Kräfteverhältnisse”), gefolgt von einem Kapitel mit mehreren Beiträgen zu den “Risiken im Umfeld der EU”. Weitere Kapitel mit jeweiligen Schwerpunktartikeln befassen sich mit der “Systemebene EU” sowie “Fokusthemen 2021”.

Risikobild Österreich 2021 Interessant ist vor allem das “Risikobild Österreich 2021” von Generalmajor Dr. Johann Frank, Direktor des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie Wien. Diese Risikoanalyse basiert auf einer eigens für diese Zwecke etablierten Methodik und Prognosesoftware sowie auf einem breiten, mehr als 200 internationale und nationale Expertinnen und Experten umfassenden Analysenetzwerk. In den vergangenen Jahren hatte sich diese Analyse als bemerkenswert zuverlässig erwiesen. So traten im vergangenen Jahr bis auf den Blackout alle Vorhersagen ein. Mit dem Terroranschlag vom 2. November 2020 mit vier Toten und 23 zum Teil schwer Verletzten sei sogar der

Behörden Spiegel / April 2021

islamistische Terrorismus – wie prognostiziert – in Österreich angekommen. “Zu Beginn des Jahres 2021 ist eine qualitative Veränderung in der Beurteilung der Risikolage Österreichs festzustellen. Die Sicherheitslage Österreichs ist nicht mehr bloß von einer allgemeinen und eher abstrakten Verschlechterung der Lage gekennzeichnet, vielmehr sind mehrere der bislang nur prognostizierten Szenarien nunmehr auch tatsächlich eingetreten. Heute ist die Sicherheit Österreichs von deren Auswirkungen real gefordert. Kurz: Der Bewährungsfall für die österreichische Sicherheitspolitik ist eingetreten!”, beschreibt Generalmajor Dr. Frank in seinem Ausblick auf das laufende Jahr. “Aus den der Grafik des Risikobilds 2021 zugrunde liegenden Analysen lassen sich für Österreich für die nächsten zwölf bis 18 Monate fünf zentrale sicherheitspolitische He­ rausforderungen ableiten: 1. die Corona-Pandemie und ihre strategischen Auswirkungen; 2. neue resilienzgefährdende Extremereignisse, insbesondere Blackout und Großschadensereignisse; 3. Cyber- und Terrorangriffe; 4. die Eskalation regionaler Konflikte in und um Europa mit besonderem Blick auf den östlichen Mittelmeer-Raum und das nördliche und westliche Afrika und

5. hybride Bedrohungen in und gegen Österreich.”

Europa für die Krise Viele Kapitel und Artikel befassen sich mit der Europäischen Union und der Rolle, die Europa einnehmen müsste, damit seine Länder eine Chance bekommen, den wahrscheinlich auftretenden Bedrohungen zu begegnen. “Europa wird in Krisen geschmiedet”, betont der Report. Problematisch sei allerdings, dass sich die Integration in der EU noch nicht auf die Außenpolitik auswirke. Dies sei allerdings dringender denn je notwendig, schreibt Generalmajor Dr. Frank, “denn in Zeiten einer multipolar-konfrontativen Geopolitik hat keiner der großen Akteure Interesse an einem Gelingen der europäischen Inte­gration und an einem effektiven Multilateralismus. Letzteres gilt auch für die USA, den natürlichsten wertebasierten Partner der EU, weil bzw. solange aus der Sicht Washingtons die internationalen Regeln dem Aufstieg Chinas dienen und die Handlungsfreiheit der USA einschränken. Daher muss die EU, wenn sie für ihre Interessen und das europäische Lebensmodell wirksam eintreten können möchte, ihre strategische Autonomie in allen Handlungsfeldern von Wirtschaft über Technologie bis hin zur Sicherheitspolitik deutlich stärken.”

setzen zu können, entwickelt die Volksrepublik Seeziel-Flugkörper mit großer Reichweite. Die Marine der VBA ist bisher die einzige Teilstreitkraft, die Erfahrung mit ausgedehnter Entsendung von Einheiten auf den Weltmeeren hat. Außerdem gewährleisten die vier strategischen Atom-U-Boote die nukleare Zweitschlagfähigkeit des Landes. Allerdings betreibe die VR China insgesamt nur eine “nukleare Abschreckung auf niedrigem Niveau”, so die jüngste Studie “Das Wesen von Seemacht” des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw). Dies wird deutlich, wenn man z. B. das gesamte chinesische Arsenal (320 Sprengköpfe) in Relation setzt zum US-Arsenal (5.800 Sprengköpfe). Während ganz Ostasien in der Reichweite der ca. 150 chinesischen Mittelstreckenraketen liegt, befindet sich Europa – und damit auch Deutschland – im Radius der rd. 100 Interkontinentalraketen (ICBM) der VBA. Weiter “vom Schuss” sind da die USA: Nur ein Teil der chinesischen ICBMs erreicht das amerikanische Festland.

Bedrohungswahrnehmungen Geostrategisch verfolgt die VBA schwerpunktmäßig zwei Stoßrichtungen, nämlich einmal in Richtung Taiwan und einmal in Richtung Südchinesisches Meer. Die Partei- und Staatsführung in Peking betrachtet die “Republik China” als “abtrünnige Provinz” des Festlandes und droht immer wieder mit einer gewaltsamen “Wiedervereinigung”. Diesem Ansinnen steht jedoch nach wie vor der “Taiwan Relations Act” des US-Kongresses von 1979 entgegen, wonach die Vereinigten Staaten sich einseitig verpflichteten, sich “jeder Gewaltanwendung (…), die die Sicherheit (…) des Volkes von Taiwan gefährden könnte, zu widersetzen.” Damit hätten die USA “Taiwan einen stärkeren Schutz zugesagt als der gekündigte Beistandsvertrag von 1954”, so der Politikwissenschaftler Prof. Gottfried-Karl Kindermann. Im Südchinesischen Meer befindet sich die Volksrepublik im Territorialstreit mit allen anderen Anrainerstaaten – einschließlich Taiwans. Bei den Spratley-Inseln hat 1988 sogar ein Gefecht zwischen den Seestreitkräften Chinas und Vietnams mit insgesamt rd. 70 Gefallenen stattgefunden. Mehrere Atolle und Riffe im Südchinesischen Meer hat die VBA zwischenzeitlich aufgeschüttet und dort künstliche Marinehäfen errichtet. “Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas, der durch Peking auch militärisch flankiert wird, ist in den Augen von Sicherheitsstrategen in Washington die größte Bedrohung der USA”, so der Politikwissenschaftler Dr. Josef Braml. Schon bei seiner Senatsanhörung Mitte Januar sprach der dann in seinem Amt bestätigte neue USAußenminister Anthony Blinken von der “zunehmenden Rivalität mit China, Russland und anderen autoritären Staaten”. Auch in Deutschland beobachtet man den Aufstieg Chinas zunehmend mit Sorge: Im gemeinsamen aktuellen Positionspapier von Verteidigungsministerin und Generalinspekteur ist nachzulesen: “China ist von einer aufstrebenden Volkswirtschaft zu einem machtvollen und immer

häufiger sichtbar ausgreifenden Akteur geworden.” Noch deutlicher wurde Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf Twitter: “Wir hören irritierend martialische Töne aus China und sogar Aufrufe zur Kampfbereitschaft.” Deshalb beschäftigt sich auch die digitale Berliner Sicherheitskonferenz (BSC) am 19. Mai im Panel B1 mit dem Thema “China’s military ascent and its implications for the West”. Im August des vergangenen Jahres hat das Auswärtige Amt die 72-seitigen “Leitlinien zum IndoPazifik” der Bundesregierung herausgegeben. Darin äußert sich die deutsche Seite u. a. besorgt über “die sich verschärfenden Gegensätze zwischen China und den USA.” Zur Bekräftigung dieser außenpolitischen Linie im indo-pazifischen Raum hatte die Bundesregierung Anfang März angekündigt, im Sommer die Fregatte “Bayern” in das Südchinesische Meer entsenden zu wollen.

Die “Neue Seidenstraße” Als langfristiges Ziel verfolgt das kommunistische China “divide et impera” nicht nur in Afrika und Lateinamerika, sondern auch auf der anderen Seite der eurasischen Landmasse. Das “Reich der Mitte” will möglichst über bilaterale Beziehungen das eigene geostrategische und ökonomische Gewicht jeweils voll

Staaten verfügen allein die USStreitkräfte weltweit über mehr als 700 (!) Stützpunkte. Unterdessen hat die Volksrepublik im Rahmen ihrer Seidenstraßen-Projekte Fuß in Europa gefasst. 2016 hat sie die Mehrheit an der Betreibergesellschaft des griechischen Hafens Piräus gekauft. Im März 2019 unterzeichnete China dann mit Italien als erstem G7-Staat ein Memorandum und zeigte großes Interesse am Tiefwasserhafen von Triest, dem wichtigsten Hafen für Öltanker im Mittelmeerraum. Doch im Herbst des vergangenen Jahres ist die Hamburger Hafen und Logistik AG dem Konkurrenten aus Fernost zuvorgekommen und hat angekündigt, 50,01 Prozent der Anteile eines Teils des norditalienischen Hafens zu übernehmen. Dafür hat das “Reich der Mitte” auch in Deutschland Fuß gefasst: In Duisburg endet eine 11.000 Kilometer lange Bahnstrecke, die von China über Kasachstan, Russland und Polen bis an das Hafenbecken in DuisburgRheinhausen führt. Etwa jeder dritte Güterzug, der zwischen der Volksrepublik und Europa verkehrt, macht dort Station. Dafür hatte Staatspräsident Xi den Duisburger Binnenhafen 2014 mit einem Besuch beehrt.

Fazit Die VR China rüstet quantitativ wie qualitativ kontinuierlich auf. Ihr aktuelles strategisches Ziel ist dabei offenkundig erst einmal regionale militärische Dominanz und globaler Einfluss, nicht aber weltweite Konkurrenz mit den USA um Machtprojektionsfähigkeiten, so die o. g. ZMSBw-Studie. Für Aufsehen sorgte allerdings in den Vereinigten Staaten 2016 das Buch “The Hundred-Year Marathon” von Michael Pillsbury, leitender Beamter in verschie-

Angestrebte chinesische Hightech-Führerschaft Mittelfristige Ziele (bis 2030) • Informationstechnologie der nächsten Generation • hochwertige Werkzeugmaschinen und Robotik mittels rechnergestützter numerischer Steuerung (CNC) • Luft- und Raumfahrt (inkl. Ausrüstung) • maritime Gerätetechnik und Hightech-Schiffe • fortgeschrittene Eisenbahnbahn-Transportausrüstung • Energiesparen und umweltfreundliche Fahrzeuge • elektrische Produktion • landwirtschaftliche Maschinen und Ausrüstung • fortschrittliche Werkstoffe • Hochleistungs-Medizinprodukte

zur Geltung bringen. Dies gilt auch und gerade für das milliardenschwere Infrastrukturprojekt “Neue Seidenstraße”. “Chinesische Diplomaten haben Ankerrechte im gesamten Indischen Ozean (die sog. “Perlenkette”) ausgehandelt, die amerikanische und besonders indische Sorgen schüren”, so Prof. Toshi Yoshihara und Dr. James R. Holmes, Dozenten am U.S. Naval War College in Newport/RI. Förmliche Militärbündnisse ist das “Reich der Mitte” bisher nicht eingegangen. Entgegen vorherigen Beteuerungen, generell keine Militärstützpunkte im Ausland errichten zu wollen, hat China 2014 mit Dschibuti ein sicherheitspolitisches Kooperationsabkommen unterzeichnet und dort zwei Jahre später mit dem Bau eines Marinestützpunkts begonnen. Aber: Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich und die USA unterhalten in dem Kleinstaat am Golf von Aden deutlich größere Stützpunkte. Und: Außerhalb der Vereinigten

Langfristige Ziele (bis 2050) • Erneuerbare Energien • umweltverträgliche Werkstoffe und intelligente Fertigungsindustrie • allgegenwärtiges InformationsNetworking • ökologische Landwirtschaft und Bioindustrie •u niversell anwendbares Gesundheitsversicherungs­system • Entwicklungssystem für ­ökologische ­Umweltbewahrung • ausgedehntes Fähigkeitssystem für die Weltall- und ­Weltmeererforschung • nationale und öffentliche Sicherheit Quelle: BS/RAND Corporation: China‘s Grand Strategy, Santa Monica/CA 2020

denen US-Administrationen und anschließend Direktor des “Center on Chinese Strategy” am Hudson Institute in Washington/ DC. Darin geht es um “Chinas geheime Strategie, um Amerika als globale Supermacht zu ersetzen”, so der Untertitel des Buches. Diese Strategie soll spätestens 2049 – d.h. zum 100. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik – realisiert sein. Schon jetzt versucht das “Reich der Mitte”, als Global Player” möglichst viele politische und ökonomische Anknüpfungspunkte in der Welt – d. h. auch in Europa und Deutschland – zu finden, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Eine unmittelbare militärische Bedrohung durch China ist in unseren Breiten zumindest aktuell noch nicht erkennbar. Das heißt aber nicht, dass dies für immer so bleiben wird. Bei der Bekanntgabe der strategischen Kooperation zwischen China und dem Iran Ende März dürften in Europa schon erste Alarmglocken geläutet haben.


Bund / Länder

Behörden Spiegel / April 2021

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Balance wird gehalten

Vorhaltereserve wäre wünschenswert

Ein modernes Polizeigesetz für die Metropole Berlin

Bei Waldbränden in Deutschland nicht nur auf BOS-Hubschrauber setzen

(BS/Torsten Akmann) Mit unserem neuen Polizeigesetz (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz – ASOG) haben wir ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Balance hält zwischen Gefahrenabwehr, Kriminalitätsbekämpfung und dem Schutz der Grundrechte. Mit der umfassenden Modernisierung des Polizeigesetzes stellt sich die Hauptstadtmetropole der veränderten Bedrohungslage. Wir nehmen die Herausforderungen der präventiv-polizeilichen Aufgabenbewältigung differenziert in den Blick und verwehren uns einem bloßen politischen Verschärfungswettbewerb. Denn nicht das schärfste Polizeigesetz ist das beste, sondern das ausgewogenste. Was ist neu am Polizeigesetz? Mit der Befugnis zur gefahrenabwehrenden Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) wird der Polizei Berlin endlich ein wichtiges Instrument zur verbesserten Verhütung schwerer Straftaten an die Hand gegeben. Zur Abwehr terroristischer Taten steht die TKÜ sogar im Gefahrenvorfeld zur Verfügung. Die bereits bestehende Befugnis zur Abfrage der Handy-Standortdaten von gefährdeten Personen wird auf gefährliche Personen ausgeweitet. Das stärkt die präventiv-polizeilichen Maßnahmen. Diese Befugniserweiterungen sind zunächst auf vier Jahre befristet. Die vorgeschriebene unabhängige wissenschaftliche Evaluierung dieser Neuregelungen – und die damit verbundene parlamentarische Befassung – werden Gelegenheit bieten, die Notwendigkeit weiterer Eingriffsbefugnisse im Bereich der Telekommunikation und Telemediennutzung zu prüfen.

Bodycams werden erprobt Das neue Polizeigesetz sieht auch die Einführung von körpernah getragenen Kameras zum Eigen- und Drittschutz vor – der sogenannten Bodycams. Für einen Zeitraum von drei Jahren soll der Einsatz im Rahmen eines Modellversuchs erprobt und wissenschaftlich evaluiert werden. Bodycams dürfen dabei auch von den Einsatzkräften von Rettungsdienst und Feuerwehr eingesetzt werden. Mit Blick auf die zunehmenden Angriffe auf Einsatzkräfte halte ich das für essenziell und ein Gebot der Stunde. Die Evaluation wird beispielsweise zeigen, ob sich die vorgesehene Dauer des Pre-Recordings von 30 Sekunden bewährt hat. Bodycams

(BS/Marco Feldmann) Bislang kommen hierzulande bei der Bekämpfung von Vegetationsbränden fast ausschließlich Hubschrauber der Polizeien sowie der Bundeswehr zum Einsatz. Dieser Rückgriff auf die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) und der Streitkräfte ist jedoch nicht uneingeschränkt zielführend. Denn die Bundeswehrmaschinen sind nur bedingt einsetzbar und die Polizeihubschrauber schleppen vergleichsweise wenig Wasser. Zudem sind sie im Betrieb sehr teuer. Es gäbe jedoch eine AlterProstitution nach- native.

gegangen wird, gestrichen. Wir wissen aber, dass Prostitutionsausübung oftmals im Zusammenhang mit schwerer, teils Foto: BS/SenInnDS menschenverachtender Kriminalität steht. Deshalb haben haben damit zwei Funktionen: wir eine Befugnis zur IdentiSie schützen Einsatzkräfte und tätsfeststellung an Orten festmachen ihr Handeln gleichzeitig geschrieben, an denen Tatsachen transparent. die Annahme rechtfertigen, dass Die Transparenz polizeilichen dort Opfer schwerer Straftaten Handelns soll auch mit der wie Menschenhandel, Zwangsgesetzlichen Verankerung der prostitution und Ausbeutung der Kennzeichnungspflicht polizeili- Arbeitskraft untergebracht oder cher Dienstkräfte gestärkt wer- anzutreffen sind. Auch weitere den – eine Selbstverständlichkeit Formen krimineller körperlicher für eine moderne Weltstadtpoli- Ausbeutung können so stärker in zei, wie wir sie in Berlin haben. den Blick präventiv-polizeilicher Mit dem Inkrafttreten der Polizei- Tätigkeit genommen werden. Zugesetznovelle gilt nun auch ganz dem werden die Ausbeutung von offiziell die geschlechtsneutrale Prostituierten, Zuhälterei und Bezeichnung “Polizei Berlin” und der sexuelle Missbrauch von nicht mehr: Der Polizeipräsident Jugendlichen zu Straftaten von in Berlin. Der Polizeipräsident erheblicher Bedeutung erklärt, zu gilt ja schon lange nicht mehr, deren Verhütung damit auch einweil mit Dr. Barbara Slowik die griffsintensive polizeiliche Maßerste Polizeipräsidentin in der nahmen ergriffen werden dürfen. Geschichte der Polizei Berlin an Operativen Opferschutz ihrer Spitze steht. Torsten Akmann ist seit Dezember 2016 Staatssekretär für Inneres bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin.

Berichtspflicht zu “kbOs” Das neue Polizeigesetz sieht auch eine jährliche Berichtspflicht über die Zahl und Lage sogenannter kriminalitätsbelasteter Orte (“kbOs”) vor, an denen verdachtsunabhängige Identitätsfeststellungen durch die Polizei zulässig sind. Das gilt auch für die Zahl der an diesen Orten getroffenen Maßnahmen. Diese Berichtspflicht ist ein Baustein einer umfassenden Reform der Befugnisse zur verdachtsunabhängigen Identitätsfeststellung. So werden zwar Kategorien der Orte, an denen diese Befugnis besteht, reduziert. Ein konkretes Beispiel: Um eine Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern zu vermeiden, wurde die Ermächtigung zur Identitätsfeststellung an Orten, an denen der

gesetzlich geregelt

Das polizeiliche Eingriffsrecht muss in besonderem Maße den Anforderungen rechtsstaatlicher Bestimmtheit und Normenklarheit genügen. Deshalb werden mit der Polizeigesetznovelle in der polizeilichen Vollzugspraxis etablierte Maßnahmen wie die Gefährderansprache, das Sicherheitsgespräch, die Meldeauflage, die gefahrenabwehrende Umsetzung und Sicherstellung von Fahrzeugen nunmehr gesetzlich geregelt. Ebenso der operative Opferschutz. Das Polizeigesetz wurde nach intensiven Beratungen beschlossen und ist seit dem 2. April in Kraft. Berlin hat damit ein Polizeirecht bekommen, das den gewandelten Anforderungen und Bedürfnissen polizeilicher Tätigkeit in einer Metropole gerecht wird.

Licht und Schatten bei der Novelle Bundespolizeigesetz soll grundlegend reformiert werden (BS/Marco Feldmann) Die Reform des Bundespolizeigesetzes ist nicht unumstritten. Zahlreiche neue Regelungen werden begrüßt. Zugleich hätten sich Gewerkschaftsvertreter noch mehr gewünscht. So bemängelt etwa der Vorsitzende des Bezirks Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Roßkopf, dass die Befugnis zur Gesichts- und Verhaltenserkennung per Video nicht in die Novelle aufgenommen wurde. Gleiches gelte mit Blick auf die Ausweitung des Radius, in dem die Schleierfahndung zulässig ist. Dieser wird aller Voraussicht nach auch nach der Gesetzesänderung weiterhin 30 Kilometer rund um die Staatsgrenze betragen. Roßkopf hätte sich an Land 50 Kilometer und seeseitig 80 Kilometer gewünscht. Gleiches verlangt der Bundesvorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz. Er plädiert zudem für mehr Präventivbefugnisse der Bundespolizei. Dazu gehören aus seiner Sicht unter anderem die gefahrenabwehrende Online-Durchsuchung, auch im Kampf gegen Menschenschleusungen, sowie die Gesichtserkennung.

Bundespolizei darf eigenen Charakter nicht verlieren Außerdem fordert Teggatz, das Distanzelektroimpulsgerät (DEIG), das derzeit in drei Bundespolizeiinspektionen (Frankfurt am Main, Kaiserslautern und Berlin-Ostbahnhof) in der Erprobung ist, gesetzlich zu normieren. Hierzu sollte das Gesetz

über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes entsprechend angepasst werden. Denn bislang erfolgt der Pilotversuch nur auf Grundlage einer Dienstanweisung. Dort ist das DEIG als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt klassifiziert. Prof. Dr. Clemens Arzt, Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin, bewertet die Novellierung hingegen äußerst kritisch. Er sieht erhebliche Probleme bei der Wahrung des Datenschutzes sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Bundespolizei dürfe zudem nicht zu einer allgemeinen, mit den Landespolizeien konkurrierenden Polizei ausgebaut werden. Sie müsse unbedingt ihren Charakter als Polizei mit begrenzten Aufgaben behalten, verlangt der Jurist. Auch Roßkopf warnt davor, die Bundespolizei zu einer “Ersatzpolizei” oder einer “bundesweiten Lückenpolizei für die Länder” zu machen. Die geplante Zuständigkeitserweiterung für

die Bundespolizei auf die – neben den Landespolizeien – parallele Verfolgung von Straftaten des unerlaubten Aufenthaltes sowie die anschließende Vorbereitung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch die Übernahme der ausländerrechtlichen Fallbearbeitung von den Ausländerbehörden lehnt er ab. Eine Strafverfolgungskompetenz sollte der Bundespolizei hier nur in Fällen von besonderer Bedeutung, etwa bei der Bearbeitung sogenannter Gefährder, zukommen. Positiv sieht Roßkopf die Ausweitung der bisherigen Zuständigkeitsgrenzen der Bundespolizei bei der Strafverfolgung auch auf Verbrechenstatbestände. Zudem begrüßt er, dass die Befugnis zur Überwachung der Kommunikation von Menschenhändlern und Schleuserorganisationen auf breitere und rechtssicherere Füße gestellt werden soll. Gleiches gilt für die geplanten neuen Befugnisse zur Verhängung von Meldeauflagen gegen einschlägig bekannte, reisende Gewalttäter bei Sportveranstaltungen.

Der Staat könnte eine Vorhaltereserve an Waldbrandbekämpfungshubschraubern privater Anbieter aufbauen und unterhalten. Das wünscht sich auch Dennis Beese, CEO der Agrarflug Helilift GmbH & Co. KG, die seit 2015 Teil des Bell-Customer-Support-ServiceNetzwerkes ist. Dann würde die öffentliche Hand grundsätzlich gewisse Bereitstellungspauschalen zahlen. Die jeweiligen Einsätze zur Brandbekämpfung würden zusätzlich entlohnt. Aus Sicht von Beese wäre das immer noch preiswerter und auf jeden Fall sinnvoller als das derzeit verfolgte Modell. Denn seine Hubschrauber seien deutlich besser für derartige Szenarien geeignet. “Unsere Maschinen, wir nutzen insbesondere die Bell 412, verfügen über eine Wassertragekapazität von 1.500 Litern und können maximal zweieinhalb Stunden am Stück in der Luft bleiben.” Diese höhere Zuladefähigkeit und längere Einsatzdauer begründet der Geschäftsführer des 1978 gegründeten Unternehmens im nordrhein-westfälischen Ahlen unter anderem damit, dass sich nur ein Pilot – und nicht wie bisher üblich zwei – an Bord befinde. Außerdem verzichte man auf technische Extras wie zum Beispiel Infrarotkameras, erläutert Beese.

Andere Staaten gehen diesen Weg In Spanien, Portugal und Südfrankreich seien seine Maschinen bereits im Einsatz. “Insgesamt haben wir dort 38 Hubschrauber stationiert.” In diesen Staaten, für

Bei der Bekämpfung von Vegetationsbränden sollten nicht nur Hubschrauber der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) zum Einsatz kommen. Auch private Anbieter (Foto) müssen aktiv werden dürfen.

die Beese teilweise für das ganze Jahr oder nur saisonal die Maschinen stellt, während Partner vor Ort sich um das Recruiting für die Crews kümmern, sei die Waldbrandprävention bereits deutlich weiter als hierzulande. Dort existierten zahlreiche Hubschrauberbasen, auf denen dauerhaft Piloten, Techniker und speziell in der Vegetationsbrandbekämpfung geschulte Feuerwehrleute stationiert und verfügbar seien.

Nur wenig Vorlauf notwendig In Deutschland gibt es aus seiner Sicht leider immer noch eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den staatlichen Hubschrauberflotten und privaten Anbietern. Dabei könne sein Unternehmen hier neben den Hubschraubern auch selbst die Piloten und Techniker stellen. Beese bietet ein

Foto: BS/Agrarflug Helilift GmbH & Co. KG

“Komplettpaket” bestehend aus Hubschraubern, Crew und Einsatzmitteln an. Er wirbt mit einer sehr geringen Vorlaufzeit seiner Flotte, die ansonsten unter anderem zur Versorgung von Offshore-Ölplattformen, für Versorgungsflüge oder im Rahmen von Einsätzen der Vereinten Nationen in Afrika und dem Nahen Osten aktiv ist. Der Zeitraum betrage maximal einen Tag. “Läuft es besonders gut, können unsere Hubschrauber auch schon nach wenigen Stunden im Einsatz sein und Waldbrände bekämpfen”, unterstreicht Beese. Pro Hubschrauber, für deren Einsatz Beese am liebsten Rahmenverträge mit den Bundesländern abschließen würde, rechnet er mit Kosten in Höhe von unter 400.000 Euro pro Waldbrandsaison.

Wieder Zunahme an Wetterextremen Attributionsanalysen sollen Klimawandeleinfluss deutlich machen (BS/mfe) Auch im vergangenen Jahr nahm die Zahl der festgestellten Wetterextreme wieder zu. So gab es in der Sahel-Region, um das Horn von Afrika sowie in Indien, Pakistan und China 2020 besonders viel Niederschlag. Regional lag er um 500 Prozent über dem vieljährigen Mittel. Im Nordatlantik wurden 30 Stürme und damit mehr als doppelt so viele wie normalerweise festgestellt. Doch welchen Einfluss hat hier der menschengemachte Klimawandel? Diese Frage könne inzwischen oft beantwortet werden, erläutert Tobias Fuchs, Vorstand Klima und Umwelt des DWD. “Es ist jetzt möglich, den Einfluss des Klimawandels auf einzelne extreme Wetterereignisse zu untersuchen – das war vor einigen Jahren noch undenkbar”, so Fuchs. Möglich mache das die junge Wissenschaft der Extremwetter­ attribution. Dabei stünden zwei Fragen im Vordergrund: Werden bestimmte Extremereignisse, wie zum Beispiel Hitzewellen oder Dürren, häufiger auftreten? Und: Sind diese Extremereignisse heutzutage intensiver als in der Vergangenheit? Eine Attributionsanalyse, die nur ex post und sofern das Schadensereignis großflächig genug war durchgeführt werden kann, enthält laut Fuchs immer zwei Bausteine. Zum einen werde untersucht, ob sich etwas geändert habe (Detektion). Zum anderen werde dann analysiert, ob der vom Menschen hervorgerufene Klimawandel die Ursache der Veränderung sei (Zuordnung, englisch: attribution).

Zwei verschiedene Welten Um eine Extremwetterattribution durchzuführen, sind laut Fuchs Modellsimulationen zweier verschiedener Welten erforderlich. Eine Art von Simulationen beschreibt die Welt, in der wir aktuell leben und die alle menschlichen Einflüsse beinhal-

tet. Eine andere Art von Simulationen beschreibt eine Welt ohne menschlichen Einfluss auf die Treibhausgase und andere Einflussfaktoren. Vergleiche man beide simulierten Welten, zeige sich, ob der Klimawandel die Häufigkeit und Intensität des untersuchten Extremereignisses beeinflusst habe. Ergebnis der Simulation seien immer Eintrittswahrscheinlichkeiten. “Wenn diese Zahlen gleich sind, liegt kein Einfluss des Klimawandels vor. Wenn doch, gibt es einen Einfluss”, erklärt Fuchs. Leider könnten, schränkt der Meteorologe ein, noch nicht alle Wetterextreme so untersucht werden. Für Deutschland kämen bisher nur großräumige Ex­tremniederschläge, Hitze- und Kältewellen sowie Dürren, die sich über mehrere Bundesländer erstreckten, infrage. Denn Voraussetzungen für Attributionsanalysen seien, dass das Ereignis von Klimamodellen dargestellt und in Beobachtungsdaten erfasst werden könne. “Ein weiterer Aspekt ist, dass für die notwendigen statistische Analysen Modellsimulationen von vielen hundert Jahren vorhanden sein müssen”, erläutert Fuchs. Dafür müsse viel und eingehend in Archivdaten untersucht werden. Deshalb sei jede Attributionsanalyse, zu der bislang nur wenige nationale Wetterdienste fähig seien, noch

sehr arbeits- und zeitintensiv und könne nur mit deutlicher Verzögerung veröffentlicht werden. “Für eine solche Studie brauchen wir bislang noch drei bis vier Wochen”, sagt Fuchs. Aufgrund dieses langen Zeitraums würden die Auswertungen bisher auch nur ad hoc und nicht strukturell erfolgen.

Möglichst viel automatisieren Der DWD arbeite aber mit Partnern daran, die notwendigen Schritte zu operationalisieren und in den Routinebetrieb zu überführen. Dadurch solle es künftig möglich sein, schon wenige Tage nach einem Wetterextrem sagen zu können, ob der menschengemachte Klimawandel für eine intensivere Ausprägung gesorgt habe. Hier brauche es jedoch noch Verfeinerungen und zusätzliche Automatisierung. Fuchs betont: “Unser Ziel ist, dass Attributionsanalysen von Wetterextremen so selbstverständlich sind wie deren Vorhersage. Unsere Analysen sind dabei ein Bindeglied zwischen dem heute erlebten Wetter und der ablaufenden Klimaveränderung. Sie machen den Klimawandel für uns Menschen greifbar – und zwar mit wissenschaftlichen Fakten.” Bis 2023 will der DWD Attributionsanalysen eine Woche nach dem untersuchten Ereignis vorlegen können.


Länder

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Behörden Spiegel / April 2021

Sukzessiver Austausch

Automotive IT und polizeiliche Arbeit

Neue Dienstausweise bei Bayerns Polizei

NRW ist Partner bei Forschung und Entwicklung

(BS/mfe) Die rund 44.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bayerischen Polizei erhalten neue Dienstausweise. Sie sind etwa so groß wie eine Scheckkarte und lösen den seit rund 35 Jahren genutzten “grünen Polizeidienstausweis” ab. In den kommenden Monaten werden alle Beschäftigten landesweit sukzessive die neuen Ausweise erhalten.

(BS/Thomas Franta) Um die Frage der Wirkung von Automotive IT (AIT) auf die Arbeit der Polizei zu beantworten, ist in Nordrhein-Westfalen beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD NRW) eine Koordinierungsstelle AIT eingerichtet worden. Fachleute wie Ingenieurinnen und Ingenieure, Technikerinnen und Techniker arbeiten gemeinsam mit Polizistinnen und Polizisten daran, das Themenfeld AIT zu ergründen und für die Arbeit der Polizei nutzbar zu machen.

In Zukunft wird es drei verschiedene Ausweistypen geben. Der “Polizeidienstausweis” wird für aktive Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte ausgestellt. “Anhand des unverwechselbaren Designs und einfach zu erkennender Sicherheitsmerkmale kann die Echtheit des Ausweises schnell überprüft werden”, betonte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Die Kriminaldienstmarke für die Kriminalpolizei ist laut Ressortchef weiterhin gültig und kann ergänzend zum Dienstausweis vorgezeigt werden. Sie gilt aber nicht als Ersatz. Der “Beschäftigtenausweis” ist für Beamtinnen und Beamte beziehungsweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Polizeiverwaltung sowie auch für Polizeianwärter im ersten Ausbildungs- beziehungsweise Studienjahr gedacht. Er ist bei gleichem Design farblich etwas heller gestaltet. Zudem gibt es einen “Ruhestandsausweis” für ehemalige Polizeiangehörige. Besonders wichtig ist dem Innenminister die Fälschungssicherheit. Dafür gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Sicherheitsmerkmale. Dazu gehören unter anderem ein “Anti-Scan-Muster”, ein spezieller Sicherheitsdruck, ein Kippbild des

In Bayern erhalten alle Mitarbeiter der Polizei neue Dienstausweise. Es wird mehrere verschiedene Ausweisarten geben, darunter unter anderem den Polizeidienstausweis für aktive Beamtinnen und Beamte. Foto: BS/Polizeipräsidium Oberpfalz, Tobias Weingärtner

Beschäftigtenfotos sowie ein integriertes Hologramm. Außerdem verwies Herrmann darauf, dass die Polizeidienst- und Beschäftigtenausweise zukunftsfähig mit RFID-Chips zur automatischen und berührungslosen Identifizierung ausgestattet seien. Die Herstellung der neuen Ausweise erfolgt auch weiterhin innerhalb der Polizei, und zwar zentral bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei in Bamberg und beim Polizeipräsidium Oberpfalz in Regensburg. Damit müssen

keine Personaldaten an externe Stellen übermittelt werden. “Die Beantragung, Herstellung und Ausgabe der neuen Ausweise wird insgesamt deutlich vereinfacht, digitalisiert und sicherer gemacht”, so Herrmann. “Mit den Projektmitteln von rund einer Million Euro können wir 100.000 Ausweise herstellen.” Damit können neben der Erstausstattung aller rund 44.000 Beschäftigten auch bereits Neuausstellungen abgedeckt werden. Diese sind etwa erforderlich, wenn sich der Dienstgrad ändert.

Corona als Dienstunfall Musterklagevereinbarung in Niedersachsen getroffen (BS/mfe) Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat mit dem Landesbezirk der Gewerkschaft der Polizei (GdP) eine Musterklagevereinbarung zur Anerkennung von Corona-Infektionen als Dienstunfall getroffen. Demnach soll in einem gemeinsam ausgewählten und von der GdP unterstützten Musterklageverfahren eine gerichtliche Klärung über die Frage erzielt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Corona-Erkrankung als Dienstunfall anerkannt werden muss. Dieses Verfahren ist auch bereits ausgewählt und befindet sich derzeit im Rechtsbehelfsverfahren. Nach aktueller Rechtslage ist die Anerkennung einer Infektion als Dienstunfall im Regelfall noch nicht möglich, da der Nachweis, dass sich die oder der Betroffene im Dienst und nicht außerhalb des Dienstes infiziert hat, von den Beamtinnen und Beamten regemäßig nicht erbracht werden kann. Pistorius erklärte dazu nun: “Die Fürsorge für die Polizeibeamtinnen und -beamten liegt uns gemeinsam sehr am Herzen. Die Polizei leistet in der Pandemie-Situation hervorragende Arbeit und trägt durch ihren Einsatz wesentlich zur Aufrechterhaltung eines auch in der Pandemie geordneten öffentlichen Lebens bei.” Bei der Bewältigung dieser Aufgabe sei

die Polizei regelmäßig mit Situationen konfrontiert, in denen die Beamtinnen und Beamten einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt seien. “Darum wollen wir mit der Vereinbarung gemeinsam mit der GdP dafür sorgen, dass sich die Beamtinnen und Beamten nicht alleine gelassen fühlen.”

Land würde obergerichtliche Entscheidung übertragen Und der niedersächsische GdPLandesvorsitzende Dietmar Schilff ergänzte, dass es das Ziel seiner Gewerkschaft sei, Corona-Infektionen, die im Dienst erfolgt seien, auch als Dienstunfall anerkennen zu lassen. “Diese Musterklagevereinbarung ist auf dem Weg dahin ein wichtiger Zwischenschritt, um Klarheit darüber zu schaffen, unter welchen Bedingungen

eine solche Anerkennung möglich ist.” Durch die Übereinkunft verpflichtet sich das Hannoveraner Innenministerium im Falle des Unterliegens, das obergerichtliche Ergebnis eines Musterprozesses auf alle Beamtinnen und Beamte der niedersächsischen Polizei zu übertragen, die an Corona erkrankt sind oder waren und wegen dieser Erkrankung einen Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalles gestellt haben. In der Zwischenzeit werden bereits eingeleitete Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Musterklage ruhend gestellt. In Berlin wurden derweil erste Corona-Infektionen bei der Polizei als Dienstunfall anerkannt. In anderen Bundesländern, etwa Bayern, ist das noch nicht der Fall.

Prävention in Baden-Württemberg Polizisten für Extremismus sensibilisieren (BS/fs) Um Polizei und Gesellschaft für Extremismus und Diskriminierung zu sensibilisieren, hat die Polizei Baden-Württemberg die Kampagne “Nicht bei uns!” gestartet. In Videoclips soll für respektvolle Kommunikation geworben werden. Das Projekt soll den Weg für weitere Maßnahmen gegen Extremismus ebnen. Sicherheitsbehörden haben die Aufgabe, jede Form politisch motivierter Straftaten zu verfolgen. In ihrer Rolle als Träger des Gewaltmonopols ist es daher von großer Bedeutung, dass Polizeibeamtinnen und -beamte die Stützen freiheitlich demokratischer Werte sind. “Extremistische oder diskriminierende Vorfälle in der Polizei Baden-Württemberg sind die absolute Ausnahme. Trotzdem ist jeder Fall in diesem Bereich einer zu viel!”, betont Landespolizeipräsidentin Dr. Stefanie Hinz. Für einen respektvollen Umgang sollte eine stetige Reflektion der eigenen Kommunikation erfolgen, so Hinz weiter. In verschiedenen Videoclips soll daher zu einer professionellen Kommunikation angeregt werden.

Die Kampagne konzentriert sich vor allem auf eine Verbreitung der Videos über die Sozialen Medien. Nicht nur die Polizei, sondern die ganze Gesellschaft soll erreicht werden. Denn vor allem in Sozialen Netzwerken komme es immer häufiger zur Verbreitung extremistischer, rassistischer und diskriminierender Ansichten.

Nur als Anfang gedacht “Nicht bei uns!” soll daher nur ein Anfang sein. “Wir schauen über alle wichtigen Bereiche – von der Personalgewinnung über die Ausbildung beziehungsweise das Studium, die Fortbildung, die Prävention, den Umgang mit Be-

lastungen und Fehlverhalten bis hin zu Fragen der Führung –, wo Handlungsbedarf besteht”, hebt Hinz hervor. In jüngster Vergangenheit hatte es bei Polizei und Bundeswehr wiederholt (extremistische) Vorfälle oder Verdachtsfälle gegeben. In Sachsen musste sogar der Präsident des Landeskriminalamtes (LKA), Petric Kleine, seinen Posten räumen. Hintergrund sind die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen 17 Polizeibeamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) Dresden, die sich wegen Diebstahls und Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten müssen.

Die Bildung von landes- und bundesweiten Netzwerken trägt dazu bei, den Informationsaustausch zu festigen und polizeilich relevante Erkenntnisse schnell und breit verfügbar zu haben. So können Entwicklungen der digitalen Mobilität im polizeilichen Interesse beeinflusst und aktiv mitgestaltet werden. Die Polizei ist abhängig von der technischen Entwicklung der aus Wirtschaft und Forschung vorangetriebenen AIT. Folgerichtig bringt sich die NRW-Polizei demnächst mit der Koordinierungsstelle AIT als aktiv assoziierter Partner in das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geförderte Testfeld für hochautomatisiertes Fahren “Kooperative Mobilität im digitalen Testfeld Düsseldorf” (KoMoDnext) ein. Hier stehen neben neuen Steuerungsverfahren, die Entwicklung und Anwendung von Konzepten der funktionalen Sicherheit zur Absicherung der Systemfunktionen und die Interaktion mit der Verkehrsinfrastruktur im Vordergrund. Die Polizei beteiligt sich mit Anwendungsfällen, die verkehrspolizeiliche Maßnahmen widerspiegeln und rechtliche Fragestellungen zur Klärung bereithalten. Durch die Mitarbeit im Projekt KoMoDnext ergreift die NRW-Polizei die einmalige Gelegenheit, die Zukunft der Mobilität mitzugestalten. Der Behördenleiter des LZPD NRW, Thomas Roosen, gibt sich zuversichtlich: “Die Polizei in NRW hat die Relevanz der Partizipation an wissenschaftlichen Projekten erkannt und soll auch zukünftig Partner von Wissenschaft und Entwicklung sein. Wir wollen die Möglichkeiten, die uns die Mitarbeit im Projekt KoMoDnext bietet, nutzen und weiter aus-

und Unterstützung des automatisierten und Thomas Franta ist Leiter des Teildezernats “Fahrzeugtechspäter auch aunik, Automotive IT” und der tonomen VerKoordinierungsstelle AIT beim kehrsgeschehens Landesamt für Zentrale Poliist zusätzlich der zeiliche Dienste NRW (LZPD Austausch von NRW). Daten mit der Foto: BS/LZPD NRW Verkehrsinfrastruktur und der Straßenverkehrsteilnehmer und bauen. Polizei und IT weiter zu -teilnehmerinnen untereinander verbinden, ist mein persönliches auf verschiedenen Kommunikationswegen zwingend. Anliegen.” Im Rahmen der Arbeit der Koordinierungsstelle AIT wird eine Informationstechnik als enge Verzahnung der Fachleute Schnittmenge des LZPD NRW mit den ForZunehmend sind für die Polizei schungspartnern angestrebt, um strategische und taktische Ausauch eine prototypische Imple- wirkungen auf die Mobilität ermentierung taktisch-technischer kennbar. Die Herausforderungen Funktionen eines Streifenwagens erscheinen dabei sehr komplex. für die serienmäßige Umsetzung Eine wesentliche Schnittmenge im Fuhrpark der Polizei vorzu- zu allen polizeilichen Aufgabenbereiten. feldern ist die Informationstechnik. Polizei und IT zu verbinden, Datenspeicher in Fahrzeugen ist dabei eine große HerausfordeDie Informationstechnologie in rung. Innerhalb der Organisation Fahrzeugen ist tragender Be- Polizei ist es daher besonders standteil der Mobilität unserer wichtig, die digitale Kompetenz Gesellschaft. Durch die AIT ist im Themenfeld AIT auszubaues Autoherstellern und Anbietern en. Ausgerichtet an den polizeivon Applikationen möglich, Daten lichen Kernbereichen können zu verarbeiten und auf ihren Ser- so Ressourcen gebündelt und vern zu speichern. Im Fahrzeug gezielt eingesetzt werden. Das selbst werden Daten der Assis- tiefe Verständnis der AIT legt die tenzsysteme, wie beispielsweise Möglichkeiten offen, technische des Airbag-Steuergeräts, unter- Neuerungen für die Organisation schiedlich abgelegt und genutzt. nutzbar zu machen. Der Unfalldatenspeicher zeichnet AIT eröffnet der Polizei ermittrelevante Daten für Unfallfor- lungstaktische Ansätze bei Verschung und das Qualitätsma- kehrsunfallaufnahmen, in der nagement der Fahrzeughersteller Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung. Diese Tätigkeitsfelder auf. Zukünftig werden Daten au- sind rechts- und beweissicher tomatisierter/autonomer Fahr- mit technisch-forensischen Maßfunktionen, wie beispielsweise nahmen umzusetzen. Das stellt des “Autobahnpiloten”, im so- die Kräfte nicht nur im Bereich genannten Fahrmodusspeicher der Aus- und Fortbildung vor festgehalten. Zur Steuerung erhebliche Herausforderungen.

Weniger Attacken auf Geldautomaten Dennoch Millionenschäden durch Sprengungen (BS/fs) 2019 mussten 349 versuchte und vollendete Sprengungen von Geldautomaten im Bundesgebiet verzeichnet werden. Die Anzahl anderer physischer Angriffe auf Geldautomaten wird bundesweit auf rund 200 geschätzt. Das Bundeslagebild zu Angriffen auf Geldautomaten 2020 soll im Verlauf dieses Jahres erscheinen. 2015 hatte die Anzahl der Sprengungen von Geldautomaten noch bei 157 gelegen. Mit 318 waren es im Folgejahr bereits mehr als doppelt so viele. Nachdem die Zahl der Sprengungen 2019 mit 349 im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken ist, rechnet die Bundesregierung für das Jahr 2020 mit einem erneuten Anstieg von 20 Prozent. Infolge des Anstiegs der Beschädigungen ist

auch eine deutliche Zunahme der Schadenssumme zu verzeichnen. Verursachten die Sprengungen 2015 noch einen Schaden von 6,8 Millionen Euro, waren es 2019 schon 15,2 Millionen Euro.

Weniger Fälle von besonders schwerem Diebstahl Bei den in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) registrierten besonders schweren Fällen des Diebstahls aus und von Geldautomaten zeichnet sich jedoch ein negativer Trend ab. 2016

mussten noch über 11.000 solcher Fälle verzeichnet werden. 2019 waren es “nur” noch rund 8.500. 2019 konnten dabei 1.570 Tatverdächtige ermittelt werden. Dabei handelt es sich in der Regel um reisende Täter, die aus dem Ausland stammen. Sie kommen nur nach Deutschland, um die Straftaten zu begehen. Danach versuchen sie möglichst schnell, die Bundesrepublik zu verlassen. Dafür nutzen die Täter, die etwa aus den Niederlanden kommen, hochmotorisierte Fahrzeuge.

Gute Bilanz in Bayern Verwaltungsgerichte konnten Rückstau verringern (BS/fs/mfe) Bayerns Verwaltungsgerichte konnten im vergangenen Jahr mehr Verfahren abschließen, als neue eingegangen sind. Mit dieser Tendenz könne man künftig den Rückstau an Verfahren abbauen. Dennoch wird mit einer Zunahme an Klagen in Bezug auf die Corona-Eindämmungsmaßnahmen gerechnet. Über 34.000 neue Verfahren sind im letzten Jahr bei Bayerns Verwaltungsgerichten eingegangen, mehr als 39.000 konnten hingegen erledigt werden. In den letzten Jahren war insbesondere die hohe Anzahl an Asylverfahren von Relevanz. Über 13.000 der im vergangenen Jahr hinzugekommenen Verfahren entfielen auf diesen Bereich. Über 20.000 Asylverfahren konnten jedoch im selben Jahr abgearbeitet werden.

Die positive Bilanz schreibt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor allem Personalaufstockungen in den vergangenen Jahren zu. So habe die Anzahl an Richterstellen 2015 noch bei 210 gelegen, für dieses Jahr seien bereits 337 Stellen für Richterinnen und Richter geplant. Auch die Zahl der nicht­ richterlichen Personalstellen sei von 232 auf 338 gestiegen. Im vergangenen Jahr habe es bereits

eine Vielzahl von Klagen gegen die Corona-Maßnahmen gegeben. Eine Zunahme dieser Klagen ist, nicht nur im Freistaat, stark anzunehmen. Denn bei immer neuen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus‘ in den einzelnen Bundesländern ist auch immer öfter mit Eilanträgen zu rechnen, die sich gegen einzelne Bestimmungen richten. Hinzu kommen dann noch die Hauptsacheverfahren.


Finanzen

Behörden Spiegel / April 2021

Priorisierung der Mittel

D

as positive Denken zeigte sich allerdings auch in dem beschlossenen Eckwertepapier selber, nennt dieses doch den mittelfristig sinkenden Verteidigungsetat das Bekenntnis der Bundesregierung “zu ihren internationalen Verpflichtungen aus der Bündnisfähigkeit in der NATO sowie innerhalb der Europäischen Union”. Aufgrund dieser Verpflichtungen werde “der Verteidigungshaushalt im Jahr 2022 gegenüber dem Finanzplanansatz um rund 2,4 Mrd. Euro auf rund 49,3 Mrd. Euro aufgestockt”. In dieser schönen, positiven Welt finden die weiteren Finanzplanungen keine Erwähnung. Erst die Übersichtstabelle beziffert die vorgesehenen Verteidigungsetats wie folgt: 2021 (Soll): 46,93 Milliarden Euro; 2022: 49,29 Milliarden Euro; 2023: 46,33 Milliarden Euro; 2024: 46,16 Milliarden Euro und 2025: 45,73 Milliarden Euro. “Es besteht Einvernehmen innerhalb der Bundesregierung, dass bestimmte Großvorhaben zum Schließen von Fähigkeitslücken gemäß dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und damit zur Wahrnehmung bereits eingegangener internationaler Verpflichtungen finanziert werden und dem Verteidigungshaushalt ermöglicht wird, die insoweit verabredeten Fähigkeitsziele zu erreichen”, erläutert das Eckwertepapier weiter. “Dies gilt insbesondere für Vorhaben im Rahmen der deutsch-französischen und deutsch-norwegischen Rüstungskooperationen, die Schließung der Fähigkeitslücke zur luftgestützten, signalerfassenden Aufklärung (Pegasus), die Nachfolge des Kampfflugzeugs Tornado, den Ersatz der veralteten Flottendienstboote, die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur UBoot-Abwehr sowie eines Taktischen Luftverteidigungssystems. Die Umsetzung eines Teils dieser Vorhaben wird mit den Eckwerten bereits ermöglicht.” Dies macht

Eckwertebeschluss und strategische Ausrichtung (BS/Dorothee Frank) Die Bundeswehr meldete am 24. März: “Verteidigungshaushalt soll im Jahr 2022 weiter steigen.” Dies ist ein schönes Beispiel für positives Denken, da aus dem beschlossenen Eckwertebeschluss des Finanzministeriums nur eine einzige Zahl herausgezogen wurde, während alles Negative erst einmal mit dem Argument “Bis dahin vergeht noch Zeit, das kann neu verhandelt werden” ausgeklammert bleibt. Ab 2023 soll der Verteidigungsetat nämlich stetig sinken, bis er schließlich sogar unter dem aktuellen Niveau liegt. So der Beschluss der Bundesregierung. deutlich, dass ein großer Teil der Investitionsmittel für Rüstung in einigen wenigen Großprojekten gebunden werden, die fast ausschließlich der Luftwaffe zugutekommen. Ein kleinerer Teil fällt noch der Marine und dem CIR zu. Dem Heer gar nichts.

Bundeswehr ohne Heer Kein einziges Heeresprojekt zu erwähnen zeigt, dass die Modernisierung des Heeres entweder von geringerer Bedeutung ist, dass sich hier zu wenig deutschfranzösische Vorhaben mit Kanzlerinnenbonus in der Pipeline befinden oder dass das Heer im neuen operationellen Konzept keine Bedeutung mehr besitzt. Wobei diese Liste eher wie ein Konglomerat aus einzelnen Projekten denn wie eine systematische Erneuerung der Bundeswehr, die einem strategischen Konzept folgt, erscheint. Das jüngste Weißbuch findet aufgrund seiner Nutzlosigkeit, da zu viele Akteure zu viel weichgespülte Worte beitragen durften, noch nicht einmal in strategischen Artikeln aus der Bundeswehr oder militärwissenschaftlichen Forschungsbereichen Erwähnung. Wie es besser geht, zeigt Großbritannien. Ende März präsentierte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace dem Parlament das Dokument “Defence in a competitive age”, in dem die wichtigsten Voraussetzungen und darauf basierenden Umstrukturierungsbzw. Ausrüstungsmaßnahmen dargelegt werden.

Train as you fight: Foto der jüngst stattgefundenen “Heerestaktischen Weiterbildung” für junge Offiziere.

Als eines der größten Probleme nennt der Report: “Der technische Vorsprung Großbritanniens und seiner Verbündeten ist in den letzten zwei Jahrzehnten geschrumpft, herausgefordert durch gezielte Investitionen in Fähigkeiten, die unseren Stärken entgegenwirken und unsere Schwächen gezielt ausnutzen. Einige Staaten werden versuchen, offen und verdeckt Technologien und Wissen aus dem Westen, einschließlich Großbritanniens, zu erwerben, um ihre Militärprogramme voranzutreiben.” Besonders China wird mehrfach als nicht nur größte, sondern bald auch eine der modernsten Streitmächte der Erde genannt, mit einem diktatorischen Regime, für das die Menschenrechte der westlichen Welt und der Vereinten Nationen keine Bedeutung haben.

Berlin hat die schnellsten Finanzämter Thüringen ist Schlusslicht (BS/lkm) Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat untersucht, wie lange man in den Bundesländern auf den Steuerbescheid warten muss. Bis auf Thüringen sind die Finanzverwaltungen aller Bundesländer im Vergleich zum Veranlagungsjahr 2018 schneller geworden. Zudem hat sich der Unterschied zwischen den Bundesländern im Vergleich zum Veranlagungsjahr noch weiter vergrößert. In nahezu allen Bundesländern haben sich demnach die Bearbeitungszeiten – trotz der CoronaPandemie – verkürzt. Die schnellsten Finanzämter Deutschlands gibt es laut BdSt in Berlin, dort musste man im Durchschnitt 37 Tage auf den Steuerbescheid warten. Aufgeholt hat 2020 das Land Rheinland-Pfalz. Statt Platz acht rückt es im Ranking mit 38 Tagen auf Platz zwei vor. Den größten Sprung hat allerdings das drittplatzierte Schleswig-Holstein gemacht (38,2 Tage): Das Bundesland bearbeitete die Steuererklärungen im vergangenen Jahr im Schnitt fast 20 Tage schneller als im Vorjahr. Damit rückt es im Ranking vom vorletzten Platz auf den dritten nach vorn. Hamburg liegt mit 38,5 nur ganz knapp hinter Platz zwei und drei. Mit 39,7 Tagen und damit auf Platz fünf schaffte es das Saarland. Deutlich schneller arbeiteten im vergangenen Jahr außerdem die Finanzbeamten in Bremen, mit einer Verbesserung von knapp 13 Tagen auf 43 Tage, sowie die Finanzämter in Sachsen, Bayern, Brandenburg, Hessen und Niedersachsen, die fünf bis sechs Tage bei der Bearbeitungszeit gut machten. Insgesamt 14 von 16 Ländern waren schneller als 2019. Am längsten warten musste man in Thüringen. Hier brauchte es von der Abgabe der Einkommensteuererklärung bis zum Bescheid im Durchschnitt rund 62 Tage. Damit vergrößerte sich die Bearbeitungsspanne zwischen dem schnellsten und dem langsamsten Bundesland auf 25 Tage.

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Deutliche Verbesserungen gab es in Schleswig-Holstein und Bremen. Hier ging es bis zur Zustellung des Steuerbescheids im Schnitt 20 bzw. 13 Tage schneller als im Vorjahr. Grund hierfür sei laut BdSt die zunehmende Digitalisierung. Die Quote der vollständig automationsgestützt bearbeiteten Erklärungen habe sich wieder etwas erhöht. Lediglich Nordrhein-Westfalen meldete keine konkreten Zahlen. Das Bundesland teilt nur mit, dass es zwischen zwei Wochen und sechs Monaten brauche, um Steuererklärungen zu bearbeiten.

Weitere Auswertung sieht Thüringen ebenfalls ganz hinten Anfang des Jahres veröffentlichte auch das Online-Portal Lohnsteuer-kompakt eine Auswertung zur Bearbeitungszeit in den Finanzämtern. Bundesweit hatte demnach die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Finanzämter bei 53,1 Tagen gelegen. Auch hier war Thüringen mit 71,4 Tagen Schlusslicht unter den Ländern. Damals meldete sich Thüringens Finanzministerin Heike Taubert zu Wort und kritisierte die Auswertung als nicht repräsentativ. So sei in die Auswertung nur ein Bruchteil der bundesweit zu veranlagenden Arbeitnehmerfälle einbezogen worden. Der kommerzielle Anbieter für Online-Steuererklärungen ermittelte die Bearbeitungszeit der Finanzämter anonym anhand von ca. 500.000 über das Portal erstellten Steuererklärungen. Die Thüringer Finanzämter seien bei

der Bearbeitung von Steuererklärungen schneller als behauptet. Unter Zugrundelegung der vom Thüringer Finanzministerium erhobenen Daten betrage die durchschnittliche Bearbeitung von Einkommensteuererklärungen durchschnittlich 62 Tage. Diese Zahl deckt sich mit der Auswertung des BdSt. Dennoch ist Thüringen auch dort das langsamste Bundesland. Grund seien die Auswirkungen der CoronaPandemie, so die Thüringer, die mit der Schließung von Kitas und Schulen sowie Quarantänemaßnahmen offenbar am meisten zu kämpfen hatten.

Längere Bearbeitungszeiten im Jahr 2021 Für das kommende Jahr erwartet der BdSt, dass sich im Sommer die Erklärungen bei den Finanzämtern stapeln könnten, denn neben den regulären Erklärungen für das Jahr 2020 kämen dann auch die Erklärungen für das Jahr 2019 hinzu, die Steuerberater wegen der längeren Abgabefrist noch einreichen dürfen. Ein weiterer Aspekt, der sich negativ auf die Bearbeitungszeit im aktuellen Jahr auswirken könnte, ist das Kurzarbeitergeld. Denn 2020 haben Millionen Steuerzahler diese Lohnersatzleistung erhalten und kommen nun um die Steuererklärung nicht herum. Damit werden wahrscheinlich deutlich mehr Steuerzahler in diesem Jahr eine Erklärung abgeben müssen, was unterm Strich zu mehr Arbeit für die Finanzverwaltung führen dürfte.

Gewinnen, ohne Krieg zu führen Allerdings hält der Report auch fest, dass in der Zukunft nicht mit klassischen Kriegen zu rechnen sei. Potenzielle Gegner investierten vielmehr in Fähigkeiten, um “zu gewinnen ohne Krieg zu führen”. Großbritannien müsse und werde darauf reagieren. “Wir vollziehen einen entscheidenden Wandel in unserem Ansatz”, beschreibt das Papier. “Das Integrated Operating Concept, das 2020 veröffentlicht wurde, legt fest, wie wir uns anpassen wollen. Unsere angepasste Ausgabenentscheidung über 24 Milliarden Pfund in den nächsten vier Jahren, mit der die Verteidigungsausgaben erhöht wurden, hat uns die nötigen Ressourcen gegeben, um das Konzept umzusetzen. Dies kommt zu unseren geplanten Investitionen in die Verteidigung im gleichen Zeitraum hinzu.” Besonders dem Heer steht eine Umstrukturierung bevor. “Das Heer der Zukunft wird schlanker, lethaler, wendiger und effekti-

Foto: BS/Deutsches Heer

ver auf aktuelle und zukünftige Bedrohungen abgestimmt sein”, beschreibt der Report.

Mehr Technik, weniger Menschen Dieses moderne Heer wird zwar über weniger Soldaten, dafür aber erweiterte Fähigkeiten verfügen, die durch flächendeckende Investitionen erreicht werden sollen. Der Report beschreibt: “Das Heer wird erhebliche Mittel erhalten, um agiler, integrierter, lethaler und einsatzfähiger zu werden. Wir werden zusätzlich zu den geplanten über 20 Milliarden Pfund weitere drei Milliarden Pfund in neue Heeresausrüstungen investieren. Investitionen in neue Fahrzeuge, modernisierte Präzisionsfeuerwaffen für große Entfernungen, neue Flugabwehrsysteme, taktische Überwachungsdrohnen und neue Fähigkeiten für die elektronische Kriegführung und den Cyber Space werden die Ausrüstung des Heeres im nächsten Jahrzehnt verändern.”

Umgerechnet 3,5 Milliarden Euro extra für neue Heeresausrüstung, zusätzlich zu den bereits geplanten über 25 Milliarden Euro, so viel wird Großbritannien in den nächsten vier Jahren on top in seine Verteidigung investieren, um die Streitkräfte für moderne Kriegsszenarien zu befähigen. Demgegenüber steht der deutsche Eckwertebeschluss, wobei vom erwartbaren Plus von 2,4 Milliarden Euro im Jahr 2022 die vielen – gegenüber dem aktuellen Haushalt – Minusse abgezogen werden müssen. Womit Deutschland in den nächsten vier Jahren gerade einmal 937,63 Millionen Euro zusätzlich in die Bundeswehr investiert. Mit diesem Betrag sollen die veralteten, schlecht und uneinheitlich ausgestatteten Soldaten neue, moderne und zuverlässige Ausrüstung erhalten, digitalisiert werden und noch zusätzliche Fähigkeiten wie die taktische Luftverteidigung gegen ballistische Raketen aufbauen. Deutschland modernisiert also seine 184.017 Soldatinnen und Soldaten umfassende Bundeswehr mit 0,94 Milliarden Euro für vier Jahre, während die britischen Streitkräfte (150.970 Soldatinnen und Soldaten) im gleichen Zeitraum zusätzliche Mittel in Höhe von fast 25 Milliarden Euro erhalten. Doch zurück zu den Verteidigungsausgaben, diese lagen in Großbritannien im Jahr 2020 bei umgerechnet etwa 40,89 Milliarden Euro, in Deutschland bei 45,65 Milliarden Euro. Mit den geplanten Erhöhungen wird Großbritannien Deutschland allerdings ab 2023 in Bezug auf die Verteidigungsausgaben überholen. Wobei zu diesem Zeitpunkt die Bundeswehr weiterhin über mehr Personal verfügen wird. Moderne Kriege hängen allerdings weniger von der Masse an Menschen, sondern vielmehr von der technischen Überlegenheit auf dem Gefechtsfeld ab – und diese kostet Geld, das in Material investiert werden müsste. Am Ende ist alles Mathematik.

Eingeengte Handlungsfähigkeit Bundesfinanzen im Klammergriff der Corona-Pandemie (BS/lkm) Das Finanzierungdefizit der öffentlichen Haushalte ist auf einem Höchststand von 189,2 Milliarden Euro. Ende März billigte das Bundeskabinett einen Nachtragshaushalt für 2021. Die Neuverschuldung des Bundes wird demnach noch einmal deutlich höher ausfallen als bislang erwartet. Während der Bundesrechnungshof in Anbetracht der Lage ein Ausgabenmoratorium empfiehlt, fordert beispielweise der Gewerkschaftsbund (DGB) mehr Investitionen und warnt vor der frühzeitigen Tilgung der Schulden. Das aktuelle Finanzierungsdefizit zeige deutlich die Folgen der Corona-Krise für die öffentlichen Haushalte, so das Statistische Bundesamt. Es handele sich um das erste Defizit seit 2013 und das höchste seit der deutschen Vereinigung. 2019 war noch ein Finanzierungsüberschuss von 45,2 Milliarden Euro erzielt worden. Während der Bund sein Einnahmendefizit im Wesentlichen durch Schuldenaufnahme ausglich, konnten Länder und Kommunen diese zum großen Teil durch Zuweisungen vom Bund an die Länder und von den Ländern an die Gemeindeebene ausgleichen.

Massives Gegensteuern statt Maß und Mitte? Mit dem jüngsten Nachtragshauhalt des Bundes steigt dessen Verschuldung auf 240,2 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Auch für das nächste Jahr rechnet das Bundesfinanzministerium mit neuen Schulden in Höhe von 81,5 Milliarden Euro. Die Schuldenbremse soll auch 2022 wieder ausgesetzt werden. Für den DGB stellt diese Entwicklung “kein großes Problem” dar. Die Zinsen seien so niedrig, dass die Verschuldung den Staat praktisch nichts kosten werde. Der haushaltspolitische Sprecher der Union im Bundes-

tag, Eckhardt Rehberg, forderte angesichts der steigenden Verschuldung “Maß und Mitte” bei den Staatsausgaben. “Um die Pandemie zu besiegen, braucht es aber eben gerade kein Mittelmaß, sondern massives Gegensteuern”, so der DGB. Wie das gehen kann, zeigen die USA: Dort wurde ein kreditfinanziertes Konjunkturund Hilfspaket in Höhe von 1.900 Milliarden Dollar auf den Weg gebracht. In dem kreditfinanzierten Gegensteuern der USA sieht der DGB ein Erfolgsmodell, dass in Europa mehr Nachahmer finden sollte. Laut DGB sollten die Corona-Schulden in Deutschland deshalb nicht zu schnell getilgt werden und die “veraltete Schuldenbremse” auch noch 2022 nicht wieder in Kraft treten. Stattdessen sollte ein groß angelegtes Investitionsprogramm aufgelegt werden. Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs, warnt jedoch: “Staatliche Mittel stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung.” Ohne strukturelle Reformen werde es nicht gelingen, die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie zu beheben. Seit Beginn der Pandemie agiere die Bundesregierung nach dem Grundsatz “Viel hilft viel”. Sie müsse jetzt alles dafür tun, dass die Corona Hil-

fen tatsächlich und zielgenau ankämen und wirkten. “Das ist die beste Medizin gegen immer höheren Kreditbedarf”, so Scheller. In der neuen Finanzplanung der Bundesregierung tun sich laut Scheller für 2023 bis 2025 erhebliche Lücken auf. Die finanzwirtschaftlichen Folgen der Pandemie würden so weiter in die Zukunft verschoben. “Die gewaltige Schulden-Lawine verhindert ein Herauswachsen aus dem Defizit. Die Zinsen können nicht weiter fallen und eine Rückkehr zu stetig steigenden Steuereinnahmen wie vor der Krise ist derzeit nicht realistisch zu erwarten”, sagte Scheller. Der Bundesrechnungshof empfiehlt daher, sich auf eine solide geplante und finanziell nachhaltige Haushaltspolitik zurückzubesinnen. Der Bundeshaushalt müsse auf mittelfristige Sicht stabilisiert und nachhaltig konsolidiert werden. Unter anderem durch ein Ausgabenmoratorium. Die Schuldenbremse müsse uneingeschränkt bestehen bleiben. Sie schütze Handlungsspielräume. Ein Abschaffen oder eine Aufweichung kämen einer finanzpolitischen Kapitulation gleich und würden auf lange Sicht die Tragfähigkeit der Bundesfinanzen gefährden, mahnt der Bundesrechnungshof.


Beschaffung / Vergaberecht

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Aufgaben für die nächste Legislatur

Behörden Spiegel / April 2021

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Von BIM über HOAI bis zur Auftragsvergabe (BS/jf) In welcher Weise soll “BIM Deutschland” weiterentwickelt werden? Wie soll die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) weiterentwickelt werden? Und wie soll die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Planender im inner- und außereuropäischen Ausland gestärkt werden, um dort an öffentlichen Aufträgen partizipieren zu können? Was wie ein Fragebogenkatalog aufgebaut ist, ist tatsächlich eine Forderungsaufstellung der Freien Berufe an die Politik, welche Themen in der kommenden Legislaturperiode angegangen werden müssen. Die digitale Planungsmethode Building Information Modelling (BIM) hat die Arbeits- und Kommunikationsabläufe in der Privatwirtschaft bereits nachweisbar verbessert. Im öffentlichen Sektor ist davon noch nicht viel zu spüren. Hier gebe es erhebliche Defizite. Zudem bestehe Handlungsbedarf in Forschung und Lehre, schließlich würden digitale Planungsprozesse die Transparenz- und Qualitätssicherung und damit die notwendige Unabhängigkeit der Planung von der Bauausführung gewährleisten. Der Bund habe mit dem BIM-Kompetenzzen­ trum des Bundes einen wichtigen ersten Schritt gemacht.

Doch das sei nicht ausreichend. Jetzt müsse der tatsächliche Mehrwert geschaffen werden und über BIM hinaus auch über den sinnvollen Einsatz Künstlicher Intelligenz und die Verwirklichung von Smart Cities nachgedacht werden.

Werte aktualisieren Handlungsbedarf gibt es auch bei der HOAI. Die letzte Kostenanalyse für die darin enthaltenden Werte stammt aus den Jahren 2011/2012. Zehn Jahre später sollten diese dringend aktualisiert werden. Außerdem sei eine Ankoppelung der sogenannten staatlichen Honorartafeln an die Entwicklung des

qanuun-aktuell Glücksritter & Co. KG von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune An sich ist die sog. Maskenaffäre im deutschen Bundestag für Opposition und Korruptionsbekämpfer gleichermaßen ein dankbares Thema. Ob die Beschuldigten sich tatsächlich der Bestechlichkeit als Mandatsträger (§ 108e StGB) strafbar gemacht haben, werden die Ermittlungsbehörden erkunden. Und ob man mit Gesetzesänderungen, weiteren Verhaltensregeln oder Ehrenerklärungen wieder alle Mandatsträger auf den Pfad der Tugend zurückführen kann, wird sich zeigen. Gleichwohl geht diese Affäre den Souverän, also das Staats- und Wahlvolk, sehr viel mehr an. Es ist endlich an der Zeit, sich zu fragen, wie viele Mandatsträger man sich überhaupt leisten will und was man von ihnen konkret hinsichtlich Kompetenz, Engagement und Integrität erwartet. Wer integre und gleichermaßen kompetente wie unabhängige Geister im Parlament haben will, sollte sich zu einer größeren Durchlässigkeit zwischen Zivilberufen und der Politik entscheiden, sollte Amtszeiten rigoros begrenzen, auch für Mandatsträger, und die allgemeine Politikerschelte beenden. Wer honorige Personen als

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

Volksvertreter will, die nicht auf ein Leben für und mit der Politik angewiesen sind, sich aber aus Überzeugung dafür entscheiden, muss – nicht nur – junge Menschen ermutigen, sich für Politik wirklich zu interessieren, auch außerhalb von “Fridays for Future” und muss die Parteien zu einer Bestenauslese für die Listenaufstellung zwingen. Wir wundern uns, warum engagierte Idealisten im Parlament selten durchhalten und zunehmend netzwerkenden Glücksrittern mit einem hohen Egopotenzial das Feld überlassen, statt endlich zu definieren, wen wir als Legislative wollen und wen nicht. Die Maskenaffäre steht also für ein sehr viel grundlegenderes Problem.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen

Verbraucherpreisindexes längst überfällig. Zudem müssten die Leistungsbilder grundlegend überarbeitet werden, so die Forderungen. Und die Auftragsvergabe im Ausland? Dazu müssten außenwirtschaftliche Hemmnisse abgebaut werden. Dazu wäre die Einrichtung eines interministeriellen Arbeitskreises sinnvoll, um die Exportförderung von Planungsleistungen wirkungsvoller zu koordinieren. Zu den Trägern der Freien Berufe zählen neben der Bundesarchitektenkammer und der Bundesingenieurkammer insgesamt 16 weitere Vereine und Verbände von Architekten, Ingenieuren und Planern.

MELDUNG

Energetische Sanierung forcieren

(BS/jf) Mit der Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie will die Bundesregierung Treibhausgasemissionen im gesamten Lebenszyklus von Bauwerken reduzieren. Die Klimarunde BAU begrüßt das Vorhaben. “Die Wertschöpfungskette Bau wird selbstverständlich ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten”, erklärte die Klimarunde BAU, in der sich führende Verbände und Organisationen der Baustoffindustrie, der Planer und der Bauausführenden zusammengeschlossen haben. Die energetische Sanierung des Gebäudebestandes müsse deutlich forciert werden. Es sei längst nicht ausreichend für einen effektiven Klimaschutz, den Fokus auf die Betriebsemissionen von Gebäuden zu legen. Stattdessen müsse der gesamte CO2-Fußabdruck inklusive Ressourcenverbrauch, einer Bilanzierung der Umweltauswirkungen und einer Betrachtung der Wirtschaftlichkeit über den gesamten Lebenszyklus hinweg bewertet werden. Das Bündnis schlägt vor, schon für die Planung die verschiedenen Dimensionen und Kriterien der Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus in Relation zueinander zu betrachten, ebenso wie bei der Beurteilung von Bauwerken. Zugleich unterstützen die Mitglieder den Plan der Bundesregierung, die Praxistauglichkeit bestehender Bewertungssysteme für das nachhaltige Bauen weiterzuentwickeln und praxistauglicher zu gestalten. Zu einer ganzheitlichen Betrachtung würden auch zahlreiche Schnittstellen zwischen Planung und Bauwerkserstellung gehören. Hier könne die Digitalisierung, allen voran das Building Information Modelling (BIM), helfen und wechselnden Verantwortlichen über den Lebenszyklus eines Bauwerks eine Orientierungshilfe für nachhaltige Entscheidungen geben. Der Klimarunde BAU gehören die Bundesarchitektenkammer e. V. (BAK), der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V., der Bundesverband Baustoffe − Steine und Erden e. V. (BBS), der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten e. V.(BDA), die Bundesingenieurkammer e. V. (BIngK), der Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V. (ZDB), der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. (Textil + Mode) , der Verband Beratender Ingenieure e. V. (VBI) und der VDMA Maschinen- und Anlagenbau an.

► MINDESTLOHN

Nachlass erlaubt Maßgeblich ist die ­Auskömmlichkeit Die Vergabegesetze der Länder verlangen vielfach Erklärungen der Bieter zur Einhaltung von Mindestlohn und/oder Tarif­ treue. Da stellt sich die Frage: Wie ist es zu bewerten, wenn ein Bieter einerseits eine solche Erklärung abgibt, andererseits aber in einigen wenigen Positionen seines Angebotes Stundenlohnarbeiten zu Sätzen von gerade einmal 2,70 Euro pro Stunde berechnet. Da die Angebotssumme auch noch nur etwas mehr als 1/10 des geschätzten Auftragswertes betrug, schloss der Auftraggeber dieses Angebot ohne weitere Aufklärung aus. Er hätte besser daran getan, genauer hinzusehen. Denn seine Schätzung war offensichtlich falsch. Auch alle anderen Angebote unterschritten sie erheblich. Eine Unauskömmlichkeit des Angebotes ist daher allein aufgrund seiner Endsumme nicht erkennbar, zumal der Zweitplatzierte nur 2 Prozent teurer war. Der völlig unterbewertete Stundenlohn betraf gerade einmal 0,04 Prozent des Gesamtpreises. Er kann also kaum dazu führen, dass der Bieter seine Lohnverpflichtungen nicht erfüllen könnte – zumal er sich ja zur Zahlung der Mindestlöhne verpflichtet hatte. Der Bieter erklärte im Nachprüfungsverfahren den niedrigen Einheitspreis mit einem positionsbezogenen Nachlass von 90 Prozent. Da könnte man fast meinen, er wollte nur nicht zugeben, dass es sich um einen Kommafehler handelte. Das hat die Vergabekammer aber gar nicht weiter hinterfragt, denn der Nachlass war zweifelsfrei zulässig. Das Angebot musste demnach gewertet werden. VK Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 26.08.2020, Az.: 3 VK LSA 44/20)

► REGIONALLOSE

Weit verstreut Das ganze Bundesgebiet zählt Der Auftraggeber unterhält etwa einhundert Liegenschaften, die sich weit über das ganze Land verteilen. In diesen Liegenschaften sind regelmäßig Instandhaltungs- und -setzungsarbeiten auszuführen. Zu deren Ausführung sucht der Auftraggeber Handwerksunternehmen, um ein Netz von zeitnah verfügbaren regionalen “Handwerkerpools” für elf verschiedene Gewerke zu errichten. Ein Bieter für Maler- und Tapeziererleistungen glaubt, er sei in einem der 72 Regionallose zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Der Auftraggeber wehrt sich gegen die Nachprüfung: Der streitgegenständliche Auftrag umfasse nur das fragliche Regionallos, das den Schwellenwert bei Weitem nicht erreiche. Der Streit findet sein Ende erst vor dem OLG Düsseldorf, denn für den Auftraggeber geht es ums Prinzip. Doch auch in der zweiten Instanz unterliegt er. Seine Beschaffung ist als Rahmenvertrag ausgestaltet. Damit sind die innerhalb von 48 Monaten zu erwartenden Auftragsvolumina zusammenzurechnen – und zwar für alle Gebietslose, denn: Sind die Leistungen gemeinsam ausgeschrieben, so ist von einem einheitlichen Auftrag auszuge-

hen. Die räumliche Entfernung zwischen den Leistungsorten spielt dann keine Rolle. Auch wenn es darauf nicht mehr ankam, weil allein die Summe der 72 Maleraufträge den Schwellenwert überschreitet, meint das OLG, es müssten wohl zudem auch alle elf Gewerke addiert werden. OLG Düsseldorf (Beschl. v. 15.07.2020, Az.: Verg 40/19)

► SOFTWARE

Intuitive Bedienung Screenshot reicht zur Prüfung nicht Die Lizenz einer Software zum Datamining läuft zum Ende des Jahres aus. Deswegen schreibt die Behörde die Beschaffung einer solchen Software neu aus. Eine wesentliche Anforderung im Leistungsverzeichnis war deren “intuitive Bedienbarkeit” auch für Nutzer ohne technische und fachliche Vorkenntnisse. Für dieses Kriterium waren drei Wertungspunkte ausgelobt. Nach Mitteilung über seine Nichtberücksichtigung wunderte sich ein Bieter, wa­ rum er in diesem Kriterium nur zwei Punkte erhalten hatte, sein Konkurrent aber drei. Er hält seine Software für intuitiv und fragt sich, wie der Auftraggeber zu anderem Schluss kommen konnte, obwohl er die Software gar nicht live im Betrieb angesehen hatte. Dem darauf gestützten Nachprüfungsantrag gab die Vergabekammer des Bundes statt. Allein die Ansicht von Screen­ shots, des Benutzerhandbuches oder anderer textlicher Beschreibungen genüge nicht, um ein Kriterium zu bewerten, das wesentlich von individuellen Eindrücken der Benutzer geprägt ist. Dies kann ein Prüfer nur dann hinreichend sachgerecht und valide beurteilen, wenn er die Software zumindest testweise praktisch anwendet. Mit einem Verzicht auf eine, die Intuitivität verifizierende, Teststellung hat der Auftraggeber daher seinen ansonsten weiten Spielraum bei der Festlegung seiner Bewertungsmethodik überschritten. Aufgrund solch einer Bewertung kann keine Zuschlagsentscheidung getroffen werden. VK Bund (Beschl. v. 11.11.2020, Az.: VK 1-84/20)

► E-VEREGABE

Übertragung abgelehnt Angebotsdatei war zu groß Das war eine böse Überraschung für den Bieter! Da hatte er sich die Mühe gemacht und ein umfangreiches Angebot ausgearbeitet, dessen Datenvolumen immerhin mehrere hundert Megabyte groß war. Aber als er es drei Stunden vor Abgabeschluss über die E-Vergabe-Plattform hochladen will, erhält er die immer gleiche Fehlermeldung: “Maximale Datenmenge überschritten”. In der verbleibenden Zeit konnte das Problem nicht gelöst werden. Andere Bieter hatten ihre Angebote erfolgreich übermittelt. Daraus schloss der Auftraggeber, dass das Problem auf der Seite des Bieters gelegen haben musste und gab ihm daher keine Möglichkeit, das Angebot noch nachzureichen. In der Beweisaufnahme vor der Vergabekammer stellte sich das nach Anhörung diverser Zeugen etwas anders dar: Die Plattform kennt zwei

Hochlademöglichkeiten, nämlich unter Verwendung eines Bieter-Clients oder über eine direkte Hochladefunktion der Website. Der Bieter hatte sich für die zweite Version entschieden. Doch im Gegensatz zum Client ist hier die Datenmenge auf 250 MB begrenzt. Mehr wäre nur möglich gewesen, wenn der Plattformbetreiber auf einen Anruf bei der Hotline hin diese Grenze manuell aufgehoben hätte – ein Umstand, der auch dem Auftraggeber nicht bewusst war. Nachdem er dies erfahren hatte, versetzte der Auftraggeber das Verfahren bis vor Einreichung der Angebote zurück – blieb aber auf den Kosten der Nachprüfung sitzen, weil er die Bieter von dieser Begrenzung nicht unterrichtet hatte. VK Berlin (Beschl. v. 04.11.2020, Az.: VK-B2-20/20)

► ABFALL

Was ist eine ­Annahmestelle? Auslegungsbedürftige ­Vergabeunterlagen Eine militärische Liegenschaft mit rund 300 Gebäuden sollte aufgegeben werden. Dazu gehörte auch der Abbruch der Gebäude – und die Beseitigung eines Teils des Bauschutts, einer immer noch sehr großen Menge. Die Bieter für den Abbruch waren verpflichtet, von der “Annahmestelle” Bestätigungen vorzulegen, in denen letztere die Übernahme des Schutts zusagen. Das Volumen erfordert es, dass dazu mehrere Deponien angefahren werden. Wie genau das Material verbracht wird, sollte aus einem Entsorgungskonzept hervorgehen. Ein Bieter sparte sich die Mühe, verschiedene Deponien anzufragen, sondern wollte stattdessen einen Abfall-Makler als Annahmestelle einschalten. Der Auftraggeber sah darin eine Abweichung von den Vergabeunterlagen. Die Vergabekammer gibt dem Bieter Recht. Das KrWG kennt nur Entsorgungsfachbetriebe und Entsorgungsanlagen. Welche der beiden Arten von Dienstleistern der Auftraggeber mit dem Begriff “Annahmestelle” umschreiben wollte, blieb unklar. Sein Ziel aber war klar: Der Schutt muss rechtskonform beseitigt werden. Nun ist aber der Abfall-Makler im KrWG einem Entsorgungsfachbetrieb gleichgestellt, obwohl er selbst den Abfall gar nicht physisch in den Händen hält. Unter dem Begriff der “Annahme” hatte sich der Auftraggeber aber wohl genau das vorgestellt. Das hätte er dann aber auch exakt so in die Unterlagen schreiben müssen. Andernfalls muss er auch den Makler zulassen. VK Bund (Beschl. v. 12.10.2020, Az.: VK 2-33/20)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

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Personelles

Behörden Spiegel / April 2021

Seite 11

Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst 80327 München Telefon: Vermittlung 089/2186-0 Durchwahl 089/2186-... Telefax: 089/2186-2800 E-Mail: poststelle@stmwk.bayern.de www.stmwk.bayern.de

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Bayerisches ­Staatsministerium für ­Wissenschaft und Kunst Stand: April 2021

Leitungsstab MR Dr. Tobias Haaf

Staatsminister Bernd Sibler

Leitung des Büros des Staatsministers MR Dr. Tobias Haaf Persönlicher Referent RD Dr. Michael Kränzle

Foto: BS/©StMWK

Haus der Bayerischen Geschichte Postfach 10 17 51 86007 Augsburg Telefon: 0821/3295-0 Telefax: 0821/3295-220 E-Mail: poststelle@hdbg.bayern.de www.hdbg.de

Persönliche Referentin StDin Maria Karl LS.1 Ministerrat Landtag Ministerratsbeauftragter MR Christoph Sander -2793

Haus der Bayerischen Geschichte hat Sitz in Augsburg

Landtagsbeauftragte RDin Dr. Karin Lobinger -2257

Museum der Bayerischen Geschichte hat Sitz in Regensburg

Amtschef Ministerialdirektor Dr. Rolf-Dieter Jungk

Leitung des Büros des Amtschefs -2629 -2916

MRin Dr. Sabine Ranis RD Olaf Preuß

LS.2 Externe Kommunikation (Presse, ­Social Media, Online Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit) MRin Kathrin Gallitz -2057 LS.3 Reden StDin Christine McAuliffe

-2511

Abteilung Z

Abteilung F

Abteilung R

Abteilung U

Abteilung H

Abteilung K

Zentrale ­ ngelegenheiten, A Digitalisierung und IT

Forschung, Wissenschafts­system

Recht, Bundes und EU Angelegenheiten

Universitäten, ­Hochschulmedizin

Kunst, Kultur

Mdgt. Dr. Johannes Eberle -2791

Mdgtin. Dr. Andrea Siems -2264

Mdgt. Dr. Michael Mihatsch -2238

Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Regionalisierung Mdgt. Christian Schoppik -2028

Mdgt. Michael Greiner -2236

Mdgtin. Angelika Kaus -2241

Referat Z.1

Referat F.1

Referat R.1

Referat U.1

Referat U.7

Referat H.1

Referat K. 1

Personal des Minis­ teriums, Fortbildung, Organisation des StMWK, Inklusion

Hochschulplanung, Hochschulsteuerung, Hochschulpakt

Hochschulrecht, Hochschulpersonalrecht, Koord. hochschulrechtlicher Themen

Univ. München (o. Med. Fakultät)

Struktur und Grundsatzfragen im Klinikbereich, Medizinethik

TH Rosenheim, Haushaltsangelegenheiten, Rechnungswesen, Controlling

Bibliotheken, Archive, Literaturförderung, Digitalisierung in Kunst und Kultur

Ltd. MR Frank Homma -2018

MR Dr. Dirk Wintzer -2235

MRin Ursula Gacaoglu -2601 Referat Z.2 Haushalt Ltd. MR Dr. Wolfgang Simon -2265 Referat Z.3 Bauwesen und ­ taatsbedarfsprüfung S MR Kurt Weigl -2075 Referat Z.4 IT an Hochschulen und im Kunstbereich MR Georg Antretter -2072 Referat Z.5 Digitalisierung, ­Quantentechnologien MR Dr. Albert Schmid -2903 Referat Z.6 Innenrevision, Gleichstellungsgesetz, Frauenförderung i. d. Forschung und Lehre, Geheimschutz MRin Dr. Astrid Krüger -2034

MR Dr. Günter Raßer -2076 Referat F.2 Wissens- und ­Technologietransfer, Forschungsnetzwerke, Bayer. Akad. der ­Wissenschaften Ltd. MRin Birgit Schmid -2227 Referat F.3 Grundsatzfragen der außeruniv. Forschung, Leibniz-Gemeinschaft, GWK, Forschung i. Bereich d. Geistes-, Sozial- u. Kulturwissenschaften, Deutsches Museum, Staatl. Naturwissensch. Sammlungen, Botan. Garten, BIOTOPIA-Naturkundemuseum MR Florian Albert -2232 Referat F.4 Internationalisierung der Hochschulen, Internationale Beziehungen der Hochschulen, Wissenschafts­ kommunikation MR Dr. Christoph Parchmann -2636 Referat F.5 Wissenschaftssystem und Grundsatzfragen der Forschungspolitik, Koord. ForschungsSonderprogramme, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Wissenschaftsrat, Forschung i. Bereich d. Ingenieur- u. Naturwissenschaften, Deutsche Zentren für Gesundheitsforschung, Nationale Kohorte MR Dr. Florian Leiner -2096 Referat F.6 Elite- und Begabtenförderung, Förderung d. wissenschaftl. Nachwuchses, Geschäftsstelle Elitenetzwerk Bayern MRin Beate Lindner -2268 MRin Frauke Preißinger -2068 Sachgebiet “Personal und Finanzen” der Abt. F RD Reinhold Hellinger -2611 RDin Anneliese Lechner-Ganserer -2396

MR Dr. Alexander Schmitt Glaeser -2379 Referat R.2 Hochschulzugang und Hochschulzulassung MR Harald Dierl -2278 Referat R.3 Studienreform, Prüfungsrecht, ­Qualitätssicherung i.d. Lehre, Wissenschaftl. Weiterbildung, ausländ. akadem. Grade, Bayer. Wissenschaftsforum MRin Charlotte Harbich -2477 MRin Christine Scheuerecker -2674 Referat R.4 Student. Angelegenheiten, Studentenwerke, Ausbildungsförderung, Hochschulgebührenrecht MRin Miriam Knobel -2734 MRin Dominique Stiletto -2634 Referat R.5 Dienstrecht, ­Arbeitsrecht MRin Kerstin Barth -2437 Referat R.6 EU-Angelegenheiten Ltd. MR Peter Käser -2591 Referat R.7 Bundesrat, Grundgesetz, Bundesgesetze, Landesgesetze, Stiftungsrecht, Vergaberecht, Urheberrecht, KMK, Rechtsaufsicht über den Rundfunk Ltd. MR Dr. Wolfram Backert -2255

MR Matthias Becker -2239 Referat U.2 TU München (o. Med. Fakultät), Ingenieur-, Land-, Forst und ­Ernährungswissenschaften, Haushaltsangelegenheiten, Angel. der Evang. Theologie, HS für Politik München Ltd. MRin Dr. Ulrike Kirste -2222 Referat U.3 Univ. Erlangen-Nürnberg (o. Med. Fakultät), Übergreifende Angelegenheiten, Lehrerbildung, Angelegenheiten der Geistes und Sozialwissenschaften und Sport MR Philipp Holzheid -2243 Referat U.4 Univ. Würzburg u. Regensburg (o. Med. Fakultät) MRin Martina Lengler -2370 Referat U.5 Univ. Augsburg und Bayreuth, Univ. der Bundeswehr München, Kath. Univ. EichstättIngolstadt, Kath.-Theol. Fakultäten, Struktur und Grundsatzfragen d. Rechts- u. Wirtschaftswissenschaften

MR Dr. Maximilian Lang -2589 Referat U.8 Med. Fakultäten und Klinika der Univ. ­München und der TU München, Univ. Zentrum f. Gesundheitswissenschaften am Klinikum Augsburg (UNIKA-T)

Referat H.2

Referat K.2

HAW München, Studien­gänge, Qualitätssicherung, Angewandte Forschung an den HAW

Staatliche und nichtstaatliche Theater

MRin Corinna Reich -2418

Ltd. MR Dr. Burkhard von Urff -2369

Referat H.3 OTH Amberg-Weiden und Regensburg, ­Hochschule Dual

Referat U.9 Med. Fakultäten und Klinika der Universität Regensburg und ­Würzburg, Deutsches Herzzentrum, ­Lehrkrankenhäuser, Arzthaftungsrecht MR Dr. Wolfgang Strietzel -2285

MRin Anita Bronberger -2502 Referat H.4 TH Aschaffenburg, HAW Coburg, Hof, Weihenstephan-Triesdorf, Würzburg-Schweinfurt MR Hans-Joachim Fösch -2036

MR Dr. Andreas Baur -2208 Referat K.5

Referat H.5 HAW Ansbach, Landshut Nichtstaatl. Fachhochschulen

Ltd. MRin Barbara Lüddeke -2743

MRin Dr. Elisabeth Geuß -2019

Referat K.6

MR Thomas Butzenlechner -2426

Referat H.6 HAW Augsburg, Kempten, Neu-Ulm, TH Deggendorf

Referat U.11 Univ. Bamberg und Passau MR Dr. Georg Brun -2639

Musikpflege, ­Kulturfonds RD Martin Breuer -2421

Direktor des Hauses der Bayer. Geschichte Dr. Richard Loibl -210 Referat 1 Organisation v. ­Ausstellungen, Be­ treuung der Bibliothek, ­Fachauskünfte, Archive Dr. Wolfgang Jahn -133 Referat 2 Organisation v. Ausstellungen, Ausstellungskonzepte, Ausstellungstechnik, Zuwendungen Dr. Rainhard ­Riepertinger -137 Referat 3 Organisation v. ­Ausstellungen, ­ etreuung des Beirats B LKons. Dr. Peter Wolf -116 Publikationen, audio­ visuelle Produktionen

Referat 4

Evamaria Brockhoff M.A. -208 Referat 5

Referat K.7

Allg. Dienstbetrieb, Haushalt, ­Veranstaltungen

MR Uwe Rappenglitz -2035

Kunsthochschulen, Theaterakademie

RD Markus Scholz -132

Referat H.7

MRin Patricia von Garnier -2331

TH Ingolstadt, TH Nürnberg MRin Alexandra Wonisch -2221

Referat U.6

Sachgebiet “Personal und Finanzen” der Abt. H

MRin Isabelle Luber -2860

RR Michael Höllinger -2746

RR Stefan Neumaier -2355

Referat K.4 Denkmalschutz und Denkmalpflege, Bayer. Landesstiftung

Referat U.10

Neugründung ­ niversität Nürnberg U

Sachgebiet “Personal und Finanzen” der Abt. U2

MRin Martina Schmitz -2487

Med. Fakultäten und Klinika der Universität Augsburg und ErlangenNürnberg

MR Julian Mangels -2273

RR Hubert Gronegger -2209

Referat K.3 Staatliche und ­nichtstaatliche Museen und Sammlungen, Kulturgutschutz

Grundsatzfragen der Abteilung K, Haus der Kunst, Bildende Kunst

MRin Monika Hoebbel -2337

Sachgebiet “Personal und Finanzen” der Abt. U1

MR Dr. Harald Jäger -2223

Haus der Bayerischen Geschichte HdBG

MRin Eva Hammig -2341 Referat K.8 Konzerthaus München, Akademie der Schönen Künste, Koordinierung Freie Szene MR Dr. Thomas Osterkamp -2377

Vertretung des Ministeriums in Berlin: RD Markus Fürstenberg -2350 Tel. in Berlin: 030/20 26 56 09

Sachgebiet “Personal und Finanzen” der Abt. K

Vertretung des Ministeriums bei der EU in Brüssel: RD Dr. Martin Dubiel -2548 Tel. in Brüssel: 00322/2374-834

MR Martin Baumbach -2605

Datenschutzbeauftragter: MR Ralph Berg

-2393

Vorsitzende des Personalrats: MRin Dr. Alexandra Puell

-2051

Gleichstellungsbeauftragte: RRin Manuela Lauszat

-2602

Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen: MR Johann Radlinger -2347

Referat 6 Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, IT-Administration Natascha Zödi-Schmidt -120 Referat 7 Museum der Bayeri­ schen Geschichte (MdBG) Direktor des Hauses der Bayer. Geschichte Dr. Richard Loibl -210


Diplomaten Spiegel

Seite 12

D

ie 61-Jährige ist erstmals als diplomatische Frontfrau ihrer Republik unterwegs und findet hierzulande ausgezeichnete, schon seit 55 Jahren bestehende, von gegenseitigem Respekt und Einvernehmen geprägte bilaterale Beziehungen vor. Unter den Staaten des südlichen Afrikas weist Botswana den höchsten Index der menschlichen Entwicklung sowie die nach Ansicht von Transparency International niedrigste Korruptionsanfälligkeit der afrikanischen Staaten auf. Das Frauenwahlrecht ist in der Verfassung garantiert und auch sonst zählt das Land zu den demokratischsten des ganzen Kontinents. Gute Voraussetzungen für eine Botschafterin.

Behörden Spiegel / April 2021

Ein Musterland im Süden von Afrika Ein Gespräch mit Botswanas Botschafterin in Berlin, Mmasekgoa Masire-Mwamba

(BS/ps) Botswana, das Mmasekgoa Masire-Mwamba seit Februar 2019 in Deutschland vertritt, ist um 224.354 km2 größer als Deutschland. Fast passte noch Großbritannien, dessen größtes Protektorat im südlichen Afrika es bis 1966 war, hinein. Damals war sie sechs Jahre alt und ihr Vater Präsident des Landes. Er schickt sie zum Studium nach London, wo sie 1983 den Bachelor in Wissenschaft und Technik 1990 in Pittsburgh (USA) den Master of Business Administration und 2011 in Pretoria (Südafrika) ein Jurastudium macht. Sie arbeitet als stellvertretende Generalsekretärin für das Commonwealth-Sekretariat – ihr Land gehört dem Staatenbund an – und bis zu ihrer Akkreditierung bei uns war sie als leitende Beraterin Arbeitslosigkeit und Armut bekämpfen der Südafrikanischen Zollunion in Namibia tätig.

Freude über den Weiterbau der Beziehungen “Es ist eine riesige Gelegenheit, hier zu sein und so Land und Leute kennenzulernen”, erklärt Masire-Mwamba. “Sowohl im Geschäftsleben als auch im kulturellen Bereich haben wir einträgliche und erfüllende Beziehungen aufgebaut. Deutschland hat viel zu bieten und ich bin sehr darauf bedacht, Win-win-Beziehungen zu erkunden und aufzubauen. Dabei hat uns in der Zwischenzeit leider die Covid-19-Pandemie gebremst. Unabhängig davon freuen wir uns auf den Weiterbau und die Förderung unserer engen Beziehungen in hoffentlich naher Zukunft.”

Erstes ITB-Partnerland südlich der Sahara Im Laufe der vergangenen Jahre hat Berlin, bzw. Bonn, den bots­ wanischen Ministerien in Gaborone umfassende technische Unterstützung geleistet, nachdem 1974 ein entsprechendes Abkommen über den Deutschen Entwicklungsdienst (DED), jetzt Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), unterzeichnet wird. Es beinhaltet Hilfen bei der Wasserversorgung, sanitären Einrichtungen, Gesundheitsversorgung, Aus- und Schulbildung, Human-Ressourcen-Entwicklung (Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Motivation der Mitarbeiter in Unternehmen), Planung von Transport-Infrastrukturen und Erschließung von Bodenschätzen. Dabei macht die Ausfuhr von Diamanten über 70 Prozent des Gesamtexportes aus. Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig ist der Tourismus. 2017 wird Botswana, als

leistungsunternehmen, Banken, und Betriebe zur Aufbereitung von Mineralien einschließlich Hilfen zum Aufbau der gesamten Wertschöpfungskette für Diamanten wie schneiden und polieren der Steine zur Schmuckherstellung usw.”, berichtet die Botschafterin.

Vertritt die Interessen der Republik Botswana in Berlin: Botschafterin Mmasekgoa Masire-Mwamba.

Rezept der Botschafterin Rote-Bete-Salat (4 Portionen)

Zutaten für den Salat: 1 Bund frische Rote Bete mit Blättern, 150 g Feta (Ziegenkäse), 1 EL natives Olivenöl, zwei Knoblauchzehen, Salz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer für das Dressing: 2 EL natives Olivenöl, 2 EL Balsamico-Essig, 1/2 TL grob gemahlener schwarzer Pfeffer, Salz Sollten Sie die Rote Bete nicht mit Blättern bekommen, dann können Sie stattdessen ein Bund Mangold verwenden. Tipp: Geröstete Pinien- oder Walnusskerne zum Schluss drüberstreuen. Zubereitung: Rote Bete mit Schale ca. 45 Minuten bissfest kochen, gut abtropfen und abkühlen lassen. Nun den Knoblauch fein hacken und die Blätter in Salzwasser blan-

Giraffen sind ein fester Bestandteil der Fauna des südafrikanischen Landes. Sie leben unter anderem in einem der letzten echten Wildnisgebiete Afrikas, im Okavango-Delta im Norden Botswanas, und sind als Skulptur im Büro der Botschafterin zu bewundern.

chieren. Bringen Sie dazu Wasser mit ein wenig Salz in einem großen Topf zum Kochen und lassen Sie die Blätter zwei Minuten lang abgedeckt ziehen. Nun die Rote Bete schälen und in grobe Stücke schneiden. Den Feta ebenso zerkleinern. Danach die blanchierten Blätter in einem Sieb gut abtropfen lassen und mit kaltem Wasser mehrere Minuten abschrecken. Wenn die Blätter gut abgetropft sind, diese in große Streifen schneiden. Als nächstes Olivenöl in einer Pfanne erhitzen, den Knoblauch hinzugeben und kurz dünsten. Nun die Blätter hinzugeben und alles gut vermengen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Mischen Sie dann Olivenöl und Balsamico-Essig zu einem Dressing an. Schmecken sie es mit Salz und Pfeffer ab. Einige Rezepte empfehlen zudem Kümmel und Meerrettich. Rote Bete und die Blätter auf einem Teller anrichten, den Feta verteilen und das Dressing hinzugeben.

Ausdruck von Harmonie: Auf blauem Untergrund verdeutlichen die Streifen in der Mitte der Flagge Botswanas das Zusammenleben zwischen der dunkelhäutigen Mehrheit und der hellhäutigen Minderheit.

Fotos: BS/Dombrowsky

erstes Land südlich der Sahara, Partner der Internationalen Tourismusbörse Berlin (ITB) und deutsche Touristen stellen inzwischen den dritthöchsten Anteil aller Urlauber. “Botswana entwickelte sich von einem der ärmsten Staaten hin zu einem Land mit gehobenem mittlerem Einkommen”, beschreibt Masire-Mwamba. “Momentan kooperieren wir mit Deutschland auch bei der beruflichen Ausbildung, um diese zu reformieren. Ich möchte daher insbesondere die deutsche Industrie für ihre maßgebliche Rolle auf diesem Gebiet würdigen, weil sie unsere Ausbildungs- und Trainingsprogramme fördert.”

Nicht nur Diamanten im Fokus “Selbst ist die Frau” sagt sich Masire-Mwamba und organisiert 2019 mit deutschen Nichtregierungsorganisationen und Interessengruppen (Afrika-Verein, Schweriner Industrie- und Handelskammer, Bundesverband Deutscher Mittelstandunternehmen, Mittelstand Alliance Africa und dem Maschinenbauindustrieverband) die erste auf Botswana ausgerichtete Investoren-Promotion in Deutschland. “Diese Werbekampagne war eine Fortsetzung der deutschen Investitionsmission, die Botswana 2018 während des Staatsbesuchs des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier veranstaltete und den mehr als 40 Wirtschaftsführer aus Wirtschafts- Energie-, Informations-, Forschungs- und Gesundheitsbereichen mit großem Interesse begleiteten. Wir hoffen, dass dieses sich in naher Zukunft in greifbare Ergebnisse verwandeln wird und deutsche Unternehmen Botswana als bevorzugten Standort im südlichen Afrika ansehen. Unser Augenmerk liegt dabei auf Unternehmen, die in Landwirtschaft und Agrarprodukteverarbeitung investieren wollen, Fertigung von Pharmazeutika, Autoteilen, Produktionen für chemische Industrien planen oder landwirtschaftliche Geräte herstellen möchten. Willkommen sind auch Finanz- und Dienst-

Das Land ist wirtschaftlich erfolgreich, stabil – und dennoch ist die hohe Arbeitslosigkeit von 18 Prozent und die Armut in weiten Teilen der Bevölkerung ein Problem. “Eine der Hauptprioritäten unserer Regierung ist die Schaffung sinnvoller und nachhaltiger Arbeitsplätze durch die Förderung von öffentlichen und privaten Partnerschaften mit in- und ausländischen Investoren in ökonomischen Schlüsselsektoren wie: Landwirtschaft, Bergbau, Tourismus, verarbeitendem Gewerbe, Elektronik, Pharmazeutika, Forschung und Entwicklung. Zusammen mit der Kunst- und Kreativwirtschaft und Sport, besteht ein enormes Potenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen”, erläutert MasireMwamba. Eigens hierfür hat Präsident Mokgweetsi Masisi viele Fonds und Programme eingerichtet, auf die die Bürger zur finanziellen und technischen Unterstützung tragfähiger Geschäftsideen zugreifen können. Neben dieser Citizen Entrepreneurial Development Agency (CEDA) gibt es den CEDA Young Farmers Fund (CYFF). Damit soll jungen Botswanern die Führung landwirtschaftlicher Unternehmen ermöglicht werden. Hauptziel des CYFF besteht darin, durch die Entwicklung nachhaltiger landwirtschaftlicher Projekte gute Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen zu schaffen und hierfür finanzielle Unterstützung in Form von Darlehen und niedrigen Zinsen bereitzustellen.

Chancen der Frauen ­verbessern “Teil des Regierungsprogramms zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit ist auch das “Economic Empowerment Program” für Frauen. Eine Initiative, das Frauengruppen mit Startkapital helfen soll, eigene Projekte zur Einkommensgenerierung zu gründen”, so MasireMwamba. Hilfen zur Selbsthilfe, kostenloses Gesundheitssystem, freier Schulzugang, wenig Korruption: Der Reichtum des Landes mehrt den Wohlstand des Volkes. Und mit den rohstoffreichen Kleptokraten im Westen Afrikas hat Botswana, das vor allem Diamanten schürft, nichts zu tun: Der südafrikanische Binnenstaat glänzt in der Regierungsführung und gilt als afrikanisches Musterland. Und wir sind ein wichtiger, strategischer Partner mit herzlichen Beziehungen, die auf gemeinsamen Werten und Interessen beruhen. “Der gemeinsame Wunsch”, so Botschafterin Masire-Mwamba, “die Beziehungen in den Bereichen Handel, Investitionen, Landwirtschaft, Tourismus und zwischenmenschliche Zusammenarbeit weiter zu stärken und auszubauen, vermittelt mir eine sehr positive Aussicht auf unser Image und lässt mich die Beziehungen zwischen unseren Ländern sehr positiv beurteilen.”

Mit niemandem tauschen Daher möchte sie auch mit niemandem tauschen, genießt die Amtszeit und “die Gelegenheit, meinem Land in Deutschland und den Nachbarländern zu dienen. Meine Hoffnung für 2021 ist, dass Botswana und der Rest der Welt sich den Herausforderungen der Covid-19-Pandemie stellen und sie gestärkt überwinden”, sagt Masire-Mwamba abschließend.


Kommune Behörden Spiegel

Berlin und Bonn / Dezember 2020

Damit es wieder lebendig wird Kommunalverbände stellen konkrete Forderungen für Innenstädte

.org Die NeueStadt lädt Sie dauerhaft zum Mitdiskutieren und Lernen aus dem Homeoffice oder aus dem Büro ein. Wir geben Verantwortlichen und Interessierten die Möglichkeit, sich zu allen Aspekten des kommunalen Zusammenlebens sowie der kommunalen Verwaltungspraxis auszutauschen. Die Teilnahme an unseren Online-Veranstaltungen ist kostenlos. Seilbahnen: eine Alternative für den ÖPNV? Mittwoch, 21.04., 14:00–15:30 New York, London, La Paz und Brest – in diesen Städten sind Seilbahnen bereits Bestandteil des ÖPNV. Während Experten die Seilbahn als eine künftig nicht mehr wegzudenkende Alternative ansehen, gibt es in Deutschland kaum Projekte.

Bauen 4.0 – Chancen und Hemmnisse digitaler Planungsarbeit Donnerstag, 22.04., 14:00–15:30 Vor rund einem Jahr wurde die Geschäftsstelle des nationalen Zentrums für die Digitalisierung des Bauwesens “BIM Deutschland” gegründet. Im Fokus steht die digitale Planungsmethode Building Information Modelling (BIM), mit der künftig der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes abgebildet werden soll. Doch es scheint, dass die Privatwirtschaft bei der Methode viel weiter ist als die öffentliche Hand. Post-Corona-Stadt: Wie finden wir zueinander? Donnerstag, 29.04., 14:00–15:30 Für eine krisenfeste Stadt braucht es Zusammenhalt unter Nachbarn, eine Beteiligungskultur und Begegnungsstätten. Doch was, wenn Innenstädte aussterben? In

sechs Städten sollen im Rahmen von “Post-Corona-Stadt” Lösungen erprobt werden. Post-Corona-Stadt: öffentlichen Raum, Mobilität und Stadtstruktur neu denken Mittwoch, 05.05., 14:00–15:30 Für eine möglichst hohe Aufenthaltsqualität müssen sich Städte verschiedenen Anforderungen stellen. Solide Infrastruktur und gute Verkehrsanbindungen, Stätten der Arbeit, der Erholung, des Sports, ein Angebot an Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, Grünflächen und viele weitere Bedürfnisse gilt es zu erfüllen. Im Rahmen von “Post-Corona-Stadt” wollen fünf Projekte Stadtstruktur neu denken und gestalten.

Post-Corona-Stadt: Stadtentwicklungsstrategien für mehr Resilienz Montag, 17.05., 14:00–15:30 Krisen können sich in einzelnen Städten unterschiedlich äußern. Dabei müssen die Folgen für Stadt und Gesellschaft analysiert und aus den Erfahrungen Schlüsse für künftige Stadtentwicklungspolitik gezogen werden. Dafür bedarf es einer guten Zusammenarbeit von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Wie lässt sich aber eine solche Kooperation idealerweise bewerkstelligen?

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Berlin und Bonn / April 2021

KNAPP

Damit es wieder lebendig wird

Zukunftszentrum für Deutschland

Kommunalverbände stellen konkrete Forderungen für Innenstädte

(BS/mf) Die Bundesregierung

(BS/Jörn Fieseler) Die Stadt Cuxhaven will als eine von nunmehr zwölf Kommunen an dem niedersächsischen Modellprojekt zur Öffnung von Betrieben und Einrichtungen in ausgewähl- kommt zu dem Schluss, dass ten städtischen Gebieten teilnehmen. Auch wenn der ursprüngliche Starttermin verschoben wurde, die Brisanz bleibt. Dem Brechen der dritten Welle steht das Schicksal der Innenstadt “bei allen Erfolgen der Wiedergegenüber. Doch gerade für Letztere muss etwas unternommen werden. vereinigung der Weg zu gleich“Wir dürfen vor dem Coronavirus nicht davonlaufen”, sagt Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer (SPD). Wenn es einen Strategiewechsel vom Lockdown hin zu Testkonzepten, Impfmöglichkeiten und dem Hochfahren der Wirtschaft gebe, dann wolle seine Stadt dabei sein. Ein unüberlegtes Öffnen solle es aber nicht geben. Vielmehr sollten wohlüberlegte Lockerungen vorgenommen werden. Und diese auch nicht im gesamten Stadtgebiet, sondern in einer klar definierten Modellzone. Dieses Gebiet umfasst die Haupteinkaufsstraßen und die Anbindung an den Hafen der rund 50.000 Einwohner-Stadt. Darin soll das gesellschaftliche Leben Schritt für Schritt und unter strikten Vorgaben wieder ermöglicht werden. Unabdingbar seien dafür die Garantie des zu wahrenden Abstandes sowie die Steuerung der Besucherströme. Für Letzteres sollen in der Innenstadt sogenannte “Cux-Boxen” bereitgestellt werden – Teststationen, die im Auftrag der Stadtverwaltung betrieben werden und an denen jeder Besucher tagesaktuell einen Antigen-Schnelltest absolvieren muss. Ist dieser negativ, erhält er ein “Cuxhavener Ticket”. Nur mit einem solchen gültigen Ticket kann die Modellzone betreten werden. Wie viele dieser Tickets pro Tag ausgegeben werden, stand bis Redaktionsschluss noch nicht fest. Zudem gilt in der Zone ein striktes Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Auch dürfe diese nicht zum Essen, Trinken oder Rauchen abgesetzt werden. Einzige Ausnahme: auf zur Außenbewirtung zugelassenen Flächen von Gaststätten. Insgesamt beteiligen sich an dem Modellprojekt in Niedersachsen zwölf Kommunen. Ursprüng-

Alarm für die Innenstädte: So belebt wie hier sind sie momentan nicht. Es droht eine Vielzahl von Ladenschließungen. Entsprechend groß ist der Hilfeschrei Richtung Bund und Länder nach finanzieller Unterstützung. Foto: BS/ArTo, stock.adobe.com

lich waren es 14. Doch während eine Kommune die Voraussetzungen nicht erfüllen konnte, hat sich eine weitere aufgrund der Entwicklung der Infektionszahlen von dem Projekt verabschiedet. Wann es startet, ist noch unklar und hängt auch von der Entwicklung auf Bundesebene und der avisierten Änderung des Infektionsschutzgesetzes ab. Das Vorhaben ist aber nicht nur ein Versuch, für die Bürgerinnen und Bürger ein Stück Normalität zu ermöglichen. Es geht auch um die Attraktivität der Innenstädte und die Kommunalfinanzen. Diese zu erhalten und zu steigern, ist dringend nötig. Ansonsten droht den Innenstädten, dass die Lichter ausgehen. Allein rund 80.000 Einzelhandelsstandorte seien von Schließungen bedroht, berichtet der Deutsche Städteund Gemeindebund (DStGB). Schon jetzt reagieren Städte mit Mietnachlässen für Geschäftsin-

haber (siehe Seite 21). Doch das allein wird nicht reichen und ist rechtlich nicht unkompliziert. Sehr schnell könnte eine unerlaubte Beihilfe vorliegen. Dabei ist “die problematische Situation nicht erst seit Corona ein drängendes Thema”, wie Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann (CDU) feststellt. Aber: “Die Krise hat schonungslos unsere Schwächen aufgedeckt.” Deshalb fordert der Wirtschaftsminister alle Akteure auf, nachhaltige Konzepte für eine lebendige und zukunftsfähige Mischung aus Handel, Gastronomie, Kultur, Freizeit, Arbeit und sozialem Miteinander zu finden. Die Erkenntnis ist nicht neu. Für die Umsetzung braucht es jedoch Ressourcen, die die Kommunen oftmals nicht haben. Entsprechend hat der Niedersächsische Städtetag ein Förderprogramm des Landes mit

einem Volumen von mindestens 70 Millionen Euro gefordert, “mit dem gezielt innenstadtstärkende Interventionen durch Kommunen gefördert werden können” – analog zu einem Programm aus NRW. Damit sollen beispielsweise Schlüsselimmobilien angemietet und an neue Nutzer weitervermietet werden, um so die Entwicklung in den Innenstädten steuern zu können. Zudem soll das Land einen separaten Grundstücksfonds mit 100 Mio. Euro auflegen und bestehende Förderprogramme wie “Zukunftsräume Niedersachsen” aufstocken. Die dort veranschlagten Mittel von 2,5 Mio. Euro seien viel zu gering. Zwar hat das Land reagiert und beabsichtigt, rund 117 Mio. Euro aus den europäischen Corona-Hilfen (REACT-EU) für ein Programm zur Stärkung der Innenstädte zu nutzen. Doch liegen diese Gelder derzeit auf Eis. Grund ist eine Klage vor

dem Bundesverfassungsgericht, die europäischen Corona-Hilfen zu stoppen. Auch der DStGB sieht Bund und Länder in der Pflicht, die Kommunen finanziell zu unterstützen. “Ein vom Bund aufgelegter und finanzierter “Innenstadtfonds” mit einem Volumen von mehreren Milliarden Euro könnte wichtige Impulse setzen, so die Idee im jüngsten Positionspapier “Innenstädte und Ortskerne stärken”. Zudem fordert der Gemeindebund, die Städtebauförderung des Bundes “dauerhaft und angemessen” auszugestalten. Statt der rund 790 Mio. Euro im Jahr 2021 solle der Bund jährlich 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen und die Länder Möglichkeiten zur Co-Finanzierung erhalten. Doch Geld allein reicht nicht. Entsprechend fordern die beiden Kommunalverbände sogenannte “Innenstadt- oder City-Manager”. Funktion und Aufgabe sind dabei klar. Es soll ein “Kümmerer” sein, der zwischen Handel, Immobilieneigentümern und der Wirtschaftsförderung vermittelt und durch eine persönliche Ansprache der Beteiligten eine nachhaltige und einheitliche Verzahnung vor Ort gewährleisten soll. Zudem müsse er unmittelbar in die Stadtverwaltung eingegliedert werden, um einerseits an internen Gremiensitzungen teilnehmen zu können und andererseits mit den involvierten Fachbereichen enger zu kooperieren. Die Idee ist gut. Denn in erster Linie sind die Akteure vor Ort gefordert, damit die jetzt verwaisten Innenstädte wieder zu lebendigen öffentlichen Räumen werden. Und das Modellkommunen-Projekt? Es kann ein geeigneter Weg sein, wenn die Entwicklung des sieben-TageInzidenzwerts dies zulässt.

wertigen Lebensverhältnissen in Deutschland eine Daueraufgabe ist”. Auch 30 Jahre nach der friedlichen Revolution müsse man strukturschwache Regionen und Bürgerdialoge fördern. Die Kommission “30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit” empfiehlt in ihrem Bericht, ein Zukunftszentrum aufzubauen, das die Aspekte eines Kulturzentrums, eines wissenschaftlichen Instituts sowie eines Begegnungs- und Dialogzentrums in sich vereint. Bis 2027 soll das Zentrum in einer ostdeutschen Stadt verortet werden. Es soll “ein Ort der praxisorientierten Auseinandersetzung mit der Geschichte, vor allem aber der Zukunft von deutschen und europäischen Transformationsregionen sein”.

Beraten, Umsetzen, Prämieren

(BS/mj) “Wie wir heute bauen, bestimmt auf lange Sicht das Leben in unseren Städten”, so Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetages. Mit einem Drei-Punkte-Plan greifen Bundesumweltministerin Svenja Schulze und die kommunalen Spitzenverbände den Kommunen bei der Anpassung an den Klimawandel unter die Arme. Das Beratungszentrum zur Klimaanpassung soll lokale Entscheidungsträger bei Konzeptentwicklung und Marketing unterstützen und bis zum Sommer 2021 an den Start gehen. Zudem sollen lokale Anpassungsmanagerinnen und -manager die Umsetzung der Konzepte begleiten und unterstützen. Ab Mitte 2021 sollen die ersten Ausschreibungen laufen. Um Projekte Klima-angepasster Kommunen bundesweit sichtbar zu machen, werden die erfolgreichsten über den Wettbewerb “Blauer Kompass” ausgezeichnet. Bis Sommer 2021 wird das Wettbewerbsbüro seine Arbeit aufnehmen.

Fotos: mojolo, stock.adobe.com und Igor , stock.adobe.com

13. 1 3. B Bürgermeisterkongress ürgermeisterkongress

HEIMAT, DIE STADT

22 22.-23. Juni 2021 Leonardo Le e Hotel, Weimar W

www.buergermeisterkongress.de Eine Veranstaltung des

Foto: Matthiass Ecker ckkert

Eröffnungsredner: Peter Kleine, Oberbürgermeister der Stadt Weimar


Zahlen & Daten

Seite 14

Behörden Spiegel / April 2021

Gern genutzte Dienstleister (BS/jf) Immer mehr Kommunen lagern IT-Dienstleistungen an kommunale Dienstleister aus oder beabsichtigen, dies zu tun. Dies zeigt sich nicht nur bei den Arbeitsplätzen, die von kommunalen Rechenzentren betreut werden, sondern auch bei der Beschaffung von Endgeräten und Videokonferenzsystemen sowie im Personalbestand der Unternehmen, wie neueste Zahlen der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V. (Vitako) zeigen.

Bereitschaft, Leistungen an IT-Unternehmen auszulagern*

65,4

34,6

gleichbleibend

Beschäftigte in kommunalen Rechenzentren

10.550 10.900

12.600 11.930 12.100 11.550 11.800

13.150

14.060

15.020

angestiegen

* Angaben in Prozent

Zahl der unterstützten Arbeitsplätze

2010

16,6

28,5

2010: 540.000 Arbeitsplätze

2019: 752.000 Arbeitsplätze

83,3

71,5

Anteil stationärer Endgeräte

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

Einsatz von Videokonferenzsystemen

19.400

Anteil mobiler Endgeräte

Beschaffung von Endgeräten 2020

6.000

4.500 28.000

3.000 Schulen

430

Kommunalverwaltung

164.000

Sonstige

kommunale Verwaltungen 2019

Schulen

2020

Art der zusätzlichen Endgeräte*

1,3 8,7

Tablets

Laptops

16,9 Smartphones

73,1

Sonstige

* Angaben in Prozent

© Behörden Spiegel

Quelle: BS/Vitako-Branchenbarometer 2020

Mit freundlicher Unterstützung der

Grafik: BS/Hoffmann unter Verwendung von krerksak, stock.adobe.com


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / April 2021

B

ehörden Spiegel: Sie haben Ihr Amt als Oberbürgermeisterin inmitten der Corona-Pandemie übernommen und mussten gleich als Krisenmanagerin Ihre neue Aufgabe antreten. Wie war das ohne Einarbeitung?

Seite 15

“Ein wirkungsmächtiger Player” Bonns Oberbürgermeisterin zum Bonn/Berlin-Vertrag und zu ihren Zielen

(BS) Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn, hat keine große Hoffnung für einen neuen Bonn/BerlinVertrag vor der Bundestagswahl. Sie sieht jedoch trotzdem einen Verhandlungsvorteil auf ihrer Seite. Mit ihr sprach der Behörden Spiegel außerKatja Dörner: Ich habe das dem über ihre Einarbeitung während der Corona-Pandemie und ihre Pläne für Bonn. Die Fragen stellten Dr. Eva-Charlotte Proll und Bennet Klawon.

Glück gehabt, dass wir in Bonn einen sehr gut arbeitenden Krisenstab unter der Leitung unseres Stadtdirektors haben. Natürlich war mir die Thematik als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion in keiner Weise neu. In dieser früheren Funktion war ich auch für den Bereich Gesundheit und Pflege verantwortlich. Konkret konnte ich im Frühjahr noch die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes mitverhandeln. Ich habe eine gute Infrastruktur in der Stadt vorgefunden, aber natürlich gab es eine Reihe von Themen, in die ich mich sehr schnell und intensiv einarbeiten musste. Diese Herausforderung habe ich aber vor der Wahl und der anschließenden Stichwahl auf mich zukommen sehen. Ich denke, dass mir dies auch gut gelungen ist.

Behörden Spiegel: Sie haben eine radikale Umorientierung in der Kommunalpolitik verkündet. Mehr Umwelt, mehr Klimaschutz und mehr soziale Gerechtigkeit. Was sind Ihre konkreten Ziele hier? Dörner: Bei der Frage des Klimaschutzes haben wir keine Zeit zu verlieren. Wir müssen in diesem Bereich schnell Maßnahmen ergreifen. Auf allen staatlichen Ebenen. Das heißt auch in der Kommune. Wir wollen, dass Bonn bis 2035 klimaneutral wird. Dazu haben wir auch unmittelbar Maßnahmen auf den Weg gebracht, wie eine große PhotovoltaikOffensive. Aber wir haben auch große soziale Herausforderungen. Dabei ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum eine der vordringlichsten sozialpolitischen Fragen. Deshalb habe ich in den ersten 100 Tagen als Oberbürgermeisterin eine Initiative gestartet, dass die Stadt Bonn ihre Liegenschaften nicht mehr veräußert, sondern diese in ihrem Besitz hält und die Grundstücke im Erbpacht-Modell vergibt. Parallel haben wir dazu den Erbpacht-Zins gesenkt, um Investitionen in öffentlich geförderten Wohnraum attraktiv zu gestalten. Behörden Spiegel: Sie planen im Stadtrat eine autofreie Innenstadt. Der Einzelhandel leidet derzeit unter der CoronaPandemie und der Abwanderung der Kunden zum Online-Handel. Ist damit nicht das Ende des Ver-

sorgungszentrums Innenstadt besiegelt? Dörner: Dies sehe ich in keiner Weise so. Aber unsere vordringlichste Aufgabe ist es, gemeinsam mit den Einzelhändlern, den Verbänden und anderen Akteuren im Bereich der Innenstadt einen Weg aus der Krise zu finden. Letztlich ist die Corona-Pandemie auch ein Katalysator für Entwicklungen gewesen, die schon vorher einen großen Druck auf die Innenstädte ausgeübt haben. Deshalb müssen wir gemeinsam Perspektiven entwickeln, damit die Innenstädte attraktive Zentren für Handel, Kultur und im verstärkten Maße auch wieder Wohnen werden. Dafür bin ich in Bonn im guten Austausch mit dem Einzelhandel. Natürlich haben wir manchmal unterschiedliche Vorstellungen, aber dabei ist wichtig, dass wir gemeinsam Strategien entwickeln. Dieser wichtige Austausch ist in Bonn gegeben. Behörden Spiegel: Wie lässt sich die Stadtgesellschaft auf die von Ihnen vorgeschlagene neue politische Reise mitnehmen? Dörner: Für mich ist es wichtig, dass wir die Stadtgesellschaft für solche Veränderungsprozesse gewinnen. Deshalb werde ich auch weiterhin die Bürgerbeteiligung hochhalten und stärken. Dazu möchte ich dieses Aufgabengebiet stärker in die strategische Steuerung einbeziehen und institutionell verankern, damit wir die Menschen in einem Dialog für diese Veränderungen auch begeistern. Behörden Spiegel: Plädieren Sie für die Beibehaltung dieser in Nordrhein-Westfalen üblichen Doppelfunktion von Bürgermeisteramt und Verwaltungschef gleichzeitig oder könnten Sie sich vorstellen, dass man diese Funktionen wieder trennt? Dörner: Dies liegt nicht in meiner Hand, aber diese Doppelfunktion ist eine große He­ rausforderung. Es ist aber auch eine Frage, wie man sich als Oberbürgermeisterin organisiert. Deshalb strukturiere ich beispielsweise mein Dezernat um. Diese Umstrukturierung entspricht dem Anforderungsprofil, das ich als Oberbürgermeisterin habe – auf der einen Seite die Repräsentationsaufgaben, auf der anderen Seite die Aufgaben

Auf in die Zukunft Deutschland bekommt ein Zukunftszentrum (BS/mj) Die Bundesregierung kommt zu dem Schluss, dass “bei allen Erfolgen der Wiedervereinigung der Weg zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in Deutschland eine Daueraufgabe ist”. Auch 30 Jahre nach der friedlichen Revolution müsse man strukturschwache Regionen und Bürgerdialoge fördern. Die Kommission “30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit” empfiehlt in ihrem Bericht, ein Zukunftszentrum aufzubauen, das die Aspekte eines Kulturzentrums, eines wissenschaftlichen Instituts sowie eines Begegnungs- und Dialogzentrums in sich vereint. Die Bundesregierung unterstützt diesen Vorschlag und richtet eine “unabhängig und beratend tätige Arbeitsgruppe” ein, die bis zum “30. Juni 2021 ein detailliertes Konzept eines Zukunftszen­ trums” erarbeiten soll. Die Leitung übernehmen Matthias Platzeck (SPD) und Marco Wan-

derwitz (CDU). Der Aufbau des Zentrums beginnt bereits 2021. Zudem soll das Zentrum bis 2027 in einer ostdeutschen Stadt verortet werde, sodass “auch in architektonischer Hinsicht die Lebensleistung der Ostdeutschen” gewürdigt werden, heißt es in der Empfehlung. Als umfassendes Kompetenzzentrum soll das Zukunftszentrum “Fragen zu Transformationsprozessen, ihren Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Zustimmung zu einer offenen und demokratischen Gesellschaftsordnung” bearbeiten.

als Verwaltungschefin. Dazu kommt noch die Aufgabe, die zentralen politischen und strategischen Herausforderungen der Stadt mitzusteuern. Doch dazu

Dörner: Es ist sehr bedauerlich, dass die festgeschriebenen Regelungen im Koalitionsvertrag von der Großen Koalition in Berlin bisher nicht umgesetzt wurden. Ich habe keine große Hoffnung, dass ein neuer Vertrag bis zur Bundestagswahl geschlossen werden kann. Momentan gehen auch die Signale der Bundesregierung nicht in diese Richtung. Wichtig ist mir jedoch, dass wir jetzt im Gespräch mit der Bundesregierung bleiben, damit wir auch nach der nächsten Bundes-

“Ich werde auch weiterhin die ­Bürgerbeteiligung hochhalten und stärken.” braucht es genug Women- und Men-Power, die mich tatkräftig unterstützen.

Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen) trat ihr Amt als Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn im November 2020 an. Foto: BS/Klawon

Behörden Spiegel: Die erhofften Verhandlungen über eine Nachfolge des Bonn/Berlin-Vertrages blieben zaghaft und ein Ergebnis blieb bis zuletzt ganz aus. Die im Bonn/Berlin-Vertrag festgeschriebene Halbierung der Arbeitsplätze ist längst passé. Wann kommt ein neuer Vertrag zustande?

tagswahl die Möglichkeit haben, unsere konkreten Vorschläge für den Inhalt eines solchen Vertrages vorzutragen und verankern zu können. Die Region stellt sich dazu auch geschlossen auf. Dies war in der Vergangenheit immer ein starker Pluspunkt, den wir als Stadt Bonn und als Gesamtregion hatten. Dies werden wir auch weiterhin so handhaben. Deshalb halte ich uns für einen wirkungsmächtigen Player in dieser Frage.


Kommunaler Haushalt

Seite 16

A

m 3. März verhängte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Moratorium über die Bremer Greensill Bank. Der weitere Geschäftsbetrieb wurde der Bank damit untersagt. Sie darf nur noch Zahlungen entgegennehmen, die der Tilgung von Schulden ihr gegenüber dienen. Zudem darf sie keine Gelder mehr auszahlen. Zu den betroffenen Kunden zählen auch mehrere deutsche Kommunen. Am 16. März stellte die Bafin zudem den Entschädigungsfall für die Greensill Bank fest. Mit der Feststellung des Entschädigungsfalles ist die Voraussetzung gegeben, dass die Entschädigungseinrichtung die Ansprüche der Einleger prüft und bis zu einer Höhe von 100.000 Euro befriedigt – in besonderen Ausnahmefällen bis zu einer Höhe von 500.000 Euro. Private Anleger sind durch die sogenannte Einlagensicherung bis zu einem Beitrag von 100.000 Euro geschützt. Die Kommunen, kommunale Eigenbetriebe sowie weitere öffentliche Stellen könnten jedoch leer ausgehen. Eine der Betroffenen ist die Stadt Monheim am Rhein. Sie hat insgesamt 38 Millionen Euro bei der Greensill Bank angelegt. Seine Mitarbeiter nimmt Mohnheims Bürgermeister Daniel Zimmermann hier in Schutz: “Die Bank besaß bis zuletzt ein gutes Rating. Hätte man mir diese Verträge im Dezember und Januar vorgelegt, ich hätte sie wahrscheinlich unterzeichnet. Unser Augenmerk wird deshalb darauf liegen, neben der bestehenden Anlagerichtlinie auch zusätzliche Regeln für das laufende Liquiditätsmanagement festzulegen.” Die Prüfung der Vorgänge, warum Geld bei der Greensill Bank angelegt worden sei, sei nun vor allem Aufgabe des Rechnungsprüfungsamtes sowie der von der Stadt beauftragten externen Wirtschaftsprüfer. Ziel sei es, einen Bericht für den Rechnungsprü-

Greensill: die Frage nach der Schuld Schwache Regulierung oder fahrlässige Kämmerer? (BS/lkm) Bei der Bremer Greensill Bank haben viele deutsche Kommunen Geld verloren. An die 50 Kommunen stehen jetzt vor Verlusten in Höhe von rund 500 Millionen Euro. Sie erwägen jetzt rechtliche Schritte gegen die Aufsichtsbehörden und Finanzbroker. Kritiker werfen den betroffenen Kämmerern hingegen vor, sie hätten sich von hohen Zinsen locken lassen und beim Geschäft mit der Pleitebank nicht gut genug aufgepasst. fungsausschuss zu erarbeiten, der dokumentiere, ob es Pflichtverletzungen gegeben habe oder nicht. “Bis das vollständig und sauber aufgearbeitet ist, werden wir uns alle aber wohl noch ein, zwei Monate gedulden müssen”, schätzt Zimmermann.

Auch der Freistaat Thüringen ist betroffen Auch der Freistaat Thüringen gehört im Rahmen seines Liquiditätsmanagements zum Anlegerkreis der Greensill Bank. “Im Rahmen des Liquiditätsmanagements des Landes arbeiten wir mit den liquiden Mitteln, um die durch die EZB auferlegten hohen Gebühren zu vermeiden”, so Thüringens Finanzministerin Heike Taubert. Der Fokus habe auf der Vermeidung von Klumpenrisiken durch ausreichende Streuung gelegen. Ein echter Zinsgewinn sei mit Anlagen dieser Art nicht verbunden. Zwar lege der Freistaat vorrangig bei öffentlichen Banken sein Geld an. Geldanlagen bei privaten Banken seien aus Gründen der Diversifizierung jedoch möglich. Eine Bank mit A-Rating mit Sitz in Deutschland sowie entsprechenden Einlagesicherungen für Private habe dem Anforderungsprofil des Thüringer Finanzministeriums entsprochen. Daher seien vom Land zwei Termingeldanlagen mit je 25 Millionen Euro mit fester Laufzeit abgeschlossen worden.

Hoffnung auf Rückzahlung der Anlagen Im Thüringer Finanzministerium geht man davon aus, dass die BaFin als Bankenaufsicht – an-

ders als bei Wirecard – rechtzeitig die Reißleine gezogen habe und damit das Geld institutioneller Anleger gesichert sei. Presseberichten zufolge war die Aufsichtsbehörde seit August vergangenen Jahres mit den Zahlen rund um die Greensill Bank AG vertraut. Im Thüringer Finanzministerium werden daher aktuell rechtliche Schritte geprüft, sollte sich he­ rausstellen, dass die Aufsichtsbehörde in den vergangenen sieben Monaten ungenügend gehandelt hat. Durch das Moratorium der BaFin bestehe aktuell die Chance, dass das noch ausstehende Geld in den nächsten Tagen wieder an den Freistaat zurückfließen könnte, heißt es aus dem Finanzministerium. “Wir werden unsere Forderungen im Interesse des Landes mit allen möglichen Mitteln geltend machen”, so Heike Taubert. Die Finanzministerin will aufgrund der Ereignisse die eigenen Richtlinien zur Geldanlage überarbeiten lassen. Die Rolle der privaten Banken soll noch strenger reflektiert werden.

Frage der Mitverantwortung Bei der Frage, ob von den angelegten Geldern bei der Greensill Bank auch noch etwas für die Kommunen zu retten ist, stehen die betroffenen Kommunen im Austausch und stimmen ein gemeinsames Vorgehen ab. Im Fokus sollen dabei auch die Rolle der BaFin und verschiedener Finanzmakler stehen. “Wir werden genau prüfen, ob es neben den Kommunen vielleicht auch andere gibt, die eine finanzielle

Sachsen reformiert kommunalen Finanzausgleich Endlich Planungssicherheit für die Kommunen (BS/lkm) Ende März hat der Sächsische Landtag das Dritte Gesetz zu den Finanzbeziehungen zwischen dem Freistaat Sachsen und seinen Kommunen (SächsFAG) und damit die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs für die Jahre 2021 und 2022 beschlossen. Im Vorfeld gab es großen Unmut unter den Kommunen, da das Land die Verabschiedung des Gesetzes lange hinausgezögert habe. So lag bereits im November 2020 ein Gesetzentwurf der Staatsregierung vor. “Aufgrund der Neustrukturierung des FAG für die Jahre 2021/2022 besteht Unsicherheit über die Höhe der Zuweisungen. Die Kommunen haben im Unterschied zu früheren Jahren von der Staatsregierung keine gemeindescharfen Orientierungsdaten im Dezember des Vorjahres für ihre Haushalte erhalten und die endgültigen Festsetzungen über die Zuweisungen werden vermutlich frühestens im Mai erfolgen können. Zu spät, um sie bei den Haushaltsplanungen zu berücksichtigen”, kritisierten die beiden kommunalen Landesverbände – der Sächsische Städteund Gemeindetag (SSG) und der Sächsische Landkreistag (SLKT). Die Kommunen erwarten daher dringend die Verabschiedung des Gesetzes, weil die 429 sächsischen Städte, Gemeinden und Landkreise endlich Planungssicherheit für ihre Haushalte und die damit verbundenen Finanzzuweisungen benötigen, betonten de Kommunalverbände Mitte März. Die Landesregierung hat sich daraufhin scheinbar beeilt. So hatte sie erst angekündigt, das kommunale Finanzausgleichsgesetz (FAG) nicht wie ursprünglich geplant im März 2021 zu verabschieden, es dann aber doch noch am 31. März beschlossen. “Mit dem Beschluss haben die Kommunen endlich Planungssicherheit, was sowohl für wichtige

Behörden Spiegel / April 2021

Investitionen vor Ort als auch für die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie entscheidend ist”, betonte Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann. Den Kommunen steht mit dem FAG etwa ein Drittel des Landeshaushaltes, rund sieben Milliarden Euro jährlich, zur Verfügung. “Mit der Novelle des SächsFAG wird dieses Geld außerdem gerechter verteilt, indem wir den unterschiedlichen Belastungen vor Ort noch besser Rechnung tragen”, sagte Vorjohann. 2021 werde keine Gemeinde einen Verlust erfahren und für die Folgejahre stehe ein Strukturausgleich in Höhe von 133 Millionen Euro zur Verfügung. “Wichtig war, dass wir zu einem Wechsel in der Systematik kommen und neue Themen wie die Kosten für frühkindliche Bildung besser berücksichtigen”, so der Finanzminister. Gerade die immer wichtiger werdenden Bildungsangebote in den verschiedenen Kindertageseinrichtungen seien in den kommunalen Haushalten spürbar. Deshalb werde der bisherige Schülernebenansatz zu einem umfassenden Bildungsansatz – von der Kinderkrippe bis zum Schulhort – ausgebaut. Außerdem stocke man den Straßenlastenausgleich von 100 Millionen Euro um 15 Millionen Euro auf. Die bisher für die Jahre 2018 bis 2020 vorgesehene Pauschale zur Stärkung des ländlichen Raumes werde

um ein Jahr verlängert. Die dafür bereitgestellten 30 Millionen Euro würde man ab dem Jahr 2022 in die Finanzausgleichsmasse der kreisangehörigen Gemeinden überführen. “Wir stärken im Ergebnis die Finanzausstattung der Kommunen und sorgen für eine bedarfsgerechte Mittelverteilung.”

Schutzschirm wird ­fortgeführt Mit dem Beschluss des Sächsischen Landtages wird auch der im Mai 2020 verabschiedete Schutzschirm für die Kommunen und Landkreise zur Bewältigung der Corona-Pandemie fortgeführt. Für den Ausgleich von Steuermindereinnahmen durch die Pandemie stellt der Freistaat in den Jahren 2021 und 2022 insgesamt rund 163 Millionen Euro zur Verfügung. Zudem wird die Hälfte der Abrechnung des Finanzausgleichsjahres 2020 um zwei Jahre gestundet. Damit werden die sächsischen Kommunen in den nächsten beiden Jahren insgesamt um rund 345 Millionen Euro entlastet. “Das SächsFAG 2021/2022 trifft Vorsorge, um einerseits auf die Folgen der Corona-Pandemie reagieren zu können. Andererseits können damit wichtige Zukunftsentscheidungen getroffen und langfristig geplant werden. Denn nur gemeinsam mit den Kommunen können wir den Freistaat erfolgreich weiterentwickeln”, sagte Vorjohann abschließend.

Mitverantwortung tragen”, so Zimmermann. Die betroffenen Kommunen betonten, dass die Greensill Bank bis zum Schluss ein gutes Rating besessen habe. Von den seit Monaten laufenden Untersuchungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bei Greensill hätten die zuständigen Finanzverantwortlichen zu spät erfahren. Greensill hatte den Kommunen für ihre Einlagen einen Zins von 0,7 Prozent in Aussicht gestellt. Ein gutes Angebot, wenn man bedenkt, das kommunale Einlagen andernorts meist mit Strafzinsen belegt werden. Die Sichtweise, dass die Kämmerer hier zu fahrlässig gehandelt und sich von Zinserträgen haben locken lassen, will Dr. Jochen Heide, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, aber nicht so stehen lassen: “An der Spitze stehen hier eine Bank mit nicht hinreichend gesicherten Krediten, dann die Wirtschaftsprüfer, die Ratingagenturen und die Finanzaufsicht. Erst dann, am Ende, kann man sich die Frage stellen, ob die Kommunen hier hätten besser aufpassen können. Nachher weiß man es immer besser.” Dennoch empfiehlt Hei-

de den Kommunen nach den schmerzhaften Erfahrungen mit der Greensill Bank, in ihren Anlagerichtlinien nachzuschärfen. Der Jurist berät die Kommunen bei dem Zusammenschluss, um gemeinsam ihre Ansprüche gegen die insolvente Greensill Bank zu erstreiten.

Finanzaufsicht in der Kritik “Ich bin mir ziemlich sicher, dass in den betreffenden Kommunen jede Geldanlage so sorgfältig geprüft wurde, wie es im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und einschlägigen Informationsquellen möglich war. Nach meiner Kenntnis gab bis in den Dezember 2020 hinein keine klaren Warnhinweise, wonach das Geld bei der Greensill Bank nicht mehr sicher sei”, betonte auch Mechthild Stock, Kommunalberaterin und Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen Finanz-, Kassenund Rechnungsbeamten e. V. (BAG Komm e. V.) und langjähriges Mitglied im Fachverband der Kämmerer in NRW e. V. “Wir sprechen hier nicht über ein strukturelles Problem seitens der Kommunen, sondern über eine kriminelle Bank”, betont auch Heide.

Wichtig sei, dass sich die verantwortlichen Finanzdezernenten, Kämmerer und Kassenverwalter bei ihren Prüfungen und Bewertungen auf die Richtigkeit und Verlässlichkeit der von der Finanzaufsicht und den Ratingagenturen zur Verfügung gestellten Informationen verlassen könnten, findet Stock. “Daher sollte gerade die BaFin in Zukunft viel schneller auf aktuell negative Entwicklungen auf dem Finanzmarkt reagieren und viel früher und ausdrücklich vor solchen Risikofällen warnen!”, betont die Kommunalberaterin. Auch Lisa Paus, Sprecherin für Finanzpolitik bei Bündnis 90/ Die Grünen, sieht Defizite vorrangig in der Finanzaufsicht: “Wie im Wirecard-Skandal war die BaFin im Fall der Greensill Bank zu langsam und zu mutlos. Wer sich in Deutschland auf die Finanzaufsicht verlässt, der ist verlassen.” So habe sich die BaFin seit 2019 monatlich über die Bilanzdaten der Greensill Bank informieren lassen, aber nicht eingegriffen. “Die Finanzaufsicht muss endlich genauso dynamisch werden wie der Finanzmarkt und die Entwicklung in den Banken”, fordert Paus. Trotz aller Kritik an der Finanzaufsicht und Schwächen bei der Regulierung sollte man in den Kämmereien wissen, dass es bei keiner Geldanlage eine hundertprozentige Sicherheit gibt. Bei der Verwendung öffentlicher Gelder ist daher immer besondere Sorgfalt notwendig, um eine ausgewogene Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Sicherheit zu gewährleisten.

Organisation der Schulkindbetreuung

Der Hortstandard ist teuer von Dr. Ulrich Keilmann Die Schulkindbetreuung im Hort ist richtig teuer. Bereits 2016 hatten wir das in der 191. Vergleichenden Prüfung von zwölf Städten in der Größenklasse von 25.000 bis 45.000 Einwohner festgestellt. Die jährlichen Kosten für die Schulkindbetreuung in Kindertageseinrichtungen (Median: 4.576 Euro je Kind) waren rund neunmal höher als bei einer Schulkindbetreuung außerhalb von Kindertageseinrichtungen (Median: 464 Euro je Kind). Ursächlich dafür ist § 45 SGB VIII: Für die Schulkindbetreuung in Kindertageseinrichtungen wird eine Betriebserlaubnis mit vorgegebenen maximalen Gruppengrößen sowie personellen Mindestvorgaben (Fachkraftquote) benötigt. Wenn die Schulkindbetreuung außerhalb von Kindertageseinrichtungen in Schulen oder Vereinsräumen stattfindet, greifen diese gesetzlichen Mindestvorgaben nicht. Für die Schulkinder muss das freilich kein Qualitätsverlust in der Betreuung bedeuten, denn sie haben ein bereits primär schulisch geprägtes Anforderungsprofil (insbesondere Begleitung / Aufsicht bei der Erledigung der Hausaufgaben). Daneben freuen sie sich regelmäßig, in “ihrer” Schule bleiben zu können, anstatt in den Kindergarten (Hort) zu den “Kleinen” zu müssen. Die eingangs genannten Potenziale lassen sich aber dann nicht realisieren, wenn man die Schulkindbetreuung nur räumlich vom Hort in die Schule verlagert, dort aber ähnliche (Hort-)Standards etabliert. So organisierte nach unserer jüngsten 216. Vergleichenden Prüfung der Hochtaunuskreis als Schulträger die Schulkindbetreuung zwar an Grundschulen – aber in soge-

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche­ Prü­fung kommunaler Körper­schaf­ten beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

nannten “Betreuungszentren”. Die Kosten wurden mit den jeweiligen Städten komplett abgerechnet und durch den hortähnlichen Standard entstand ein überdurchschnittlicher Aufwand. Ohne die Möglichkeit einer Einflussnahme hatte Oberursel (Taunus) so im Jahr 2018 über 1,2 Mio. Euro für die Betreuung von 645 Kindern an Schulen zu tragen. Im Detail entsprach dies einem jährlichen Zuschussbedarf von 1.868 Euro je betreutem Schulkind. Der Main-Taunus-Kreis als Schulträger vermied dagegen eine eigene Organisation und übertrug die Aufgabe einvernehmlich auf die kreisangehörigen Kommunen. Aufgrund höherer Standards und des Verwaltungsaufwands führte dies allerdings in Kelkheim (Taunus) zu einem Zuschussbedarf von 1.989 Euro je betreutem Schulkind. Die extremen Zuschussbedarfe für die Ü6-Betreuung konnten durch diese Lösungsansätze schon deutlich von etwa 4.500 Euro auf rund 2.000 Euro pro Schulkind und Jahr verringert werden. Dennoch bleibt viel Spielraum bis zu der von uns präferierten Lösung von im Median rund 500 Euro pro Schulkind. Zumindest folgten einige geprüfte Kommunen nachweislich unseren Hinweisen und hatten die Ü6-Betreuung an Schulen aus- und parallel in Kindertageseinrichtungen abgebaut.

Entsprechend empfehlen wir weiterhin, 1. die Schulkindbetreuung aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Kindertageseinrichtungen – insbesondere nicht durch reine Hort-Gruppen – zu organisieren, 2. stattdessen die Schulkindbetreuung regelmäßig in oder unmittelbar bei der Schule zu organisieren, um damit “kurze Wege für kurze Beine” zu realisieren und 3. die Betreuung über Fördervereine zu unterstützen, um so das ehrenamtliche Engagement der Eltern eng einzubinden und die kommunale Förderung auf einen geringen jährlichen Zuschuss zu reduzieren. Dabei darf nicht verkannt werden, dass zumindest in Hessen in der Regel die Landkreise Schulträger und insofern zuerst für die Schulkindbetreuung zuständig sind. Für kreisangehörige Kommunen ohne Schulträgereigenschaft handelt es sich insofern um eine “freiwillige Leistung”. Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Kommunalbericht 2020, Hessischer Landtag, Drucksache 20/3456 vom 25. September 2020, S. 86 ff., und zur früheren ausführlichen Prüfung der “Kinderbetreuung” im Kommunalbericht 2016, Hessischer Landtag, Drucksache 19/3908 vom 2. Dezember 2016, S. 266 ff. Beide Kommunalberichte sind kostenfrei unter rechnungshof. hessen.de abrufbar.


Behörden Spiegel / April 2021

U

Kommunalpolitik/Personelles

“Wir brauchen zeitnah gute Wege”

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weniger Lärm, weniger Gefahren. m diesen Trend voranzuHinzu kommt, dass der Trend treiben, setzt Baden-Würtzum Homeoffice stetig wächst. temberg derzeit Pilotprojekte in Die Distanz zum Arbeitsplatz den Landkreisen Göppingen, wächst, man fährt seltener ins Mannheim und dem OrtenauBüro und dank Radschnellverkreis um. Sie sollen verschiedene topografische, strukturelle und (BS/Malin Jacobson) Sie sind en vogue und dennoch dauert es seine Zeit, bis sie fertiggestellt sind: Radschnellverbindungen. Sie sollen den Pendler bindungen verzichtet man für die zweckbestimmte Rahmenbedin- vom Auto auf den Sattel holen und so einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zwischen Böblingen / Sindelfingen nach Stuttgart-Rohr wenigen Fahrten eher auf das Augungen veranschaulichen. Zeit- gelingt das bereits gut. 2019 wurde hier die erste Radschnellverbindung (RSV) Baden-Württembergs eingeweiht und verzeichnet allein in diesem Jahr to. Diese Entwicklung geht auch gleich entstehen weitere Trassen, bereits rund 41.000 Nutzer. an unseren Innenstädten nicht beispielsweise um Karlsruhe und vorbei. Strehmann prognostiziert Stuttgart, sodass das Ziel, insvon Investitionen in die Infra- “Lieber ein Auge zudrücken und zum einen allgemeine Verbessegesamt 20 Radschnellwege bis struktur profitieren würden. auf ein paar Metern den Stan- rungen der Aufenthaltsqualität “Das gilt umso mehr, als fast dard senken und dafür schneller und Steigerung der Attraktivität ins Jahr 2030 zu realisieren, näher rückt. 70 Prozent der Bevölkerung in bauen. Wenn dann kurzzeitig von Innenstädten durch RadinDie Investitionen in den AufDeutschland im kreisangehö- aus dem Radschnellweg ein frastruktur, zum anderen aber bau von Radschnellverbindungen rigen Raum in Klein- und Mit- schneller Radweg wird, tut das auch Veränderungen in der Aufsind hoch – finanziell, personell telstädten und auf dem Dorf dem Ergebnis keinen Abbruch. teilung des Straßenraums. lebt und eine Mobilitätswende Wenn man die Fördermittel des und zeitlich. Bis zu sieben Jahre Neben Veränderungen der Strakann es laut Winfried Hermann, nicht gelingen kann, wenn sie Bundes bekommen will, muss ßenführung kann die bauliche Minister für Verkehr des Landie Mobilitätsbedürfnisse der man die Kriterien auf 80 Prozent Integration von Radschnellverdes Baden-Württemberg, von der hier lebenden Menschen nicht der Stecken einhalten!” bindungen in die städtische InfEin weiterer Kritikpunkt an rastruktur auch Abstriche beim Planung bis zum Bau dauern. berücksichtigt”, argumentiert “Die Planung ist sehr komplex, der Deutsche Landkreistag in Radschnellwegen, der mit dem Erhalt von Grünanlagen mit sich fast schon wie bei neuer ÖPNVseinem Positionspapier zur Mo- komplexen Planungsverfahren bringen. Damit solche Einschnitte zusammenhängt, ist die Frage in Stadtstrukturen mehrheitsfähig bilitätswende in der Fläche. Infrastruktur” erklärt Jan Strehnach deren Aktualität. Wie kön- bleiben, ist die Zustimmung der mann, Fachleiter für Mobilität, Radschnellweg oder Wirtschaftsförderung, Tourismus nen langwierige Strukturen wie Bevölkerung notwendig. Hierzu ­schneller Radweg und Regionalpolitik des Deutdiese nicht bei Fertigstellung gehört zum einen die formale Beschen Städte und GemeindeHermann schätzt die Situati- veraltet sein? Laut Hermann teiligung von Umweltverbänden bunds (DStGB). Der Grund: Viele on anders ein. Auch auf dem sind RSV breiter und qualita- und Nachbarkommunen bei der verschiedene Qualitätsmerkmale Land gebe es Trassen mit einer tiv hochwertiger geplant, als es Planung. Zum anderen die inforAuslastung von 2.000 Radfah- nach jetziger Auslastung nötig melle Bürgerbeteiligung durch zeichnen eine RSV, auch Radrern pro Tag. Zudem würden wäre, sodass sie auch einem Veröffentlichung und Kommentieschnellweg genannt, aus. Die auch normale Radwege eine erhöhten Nutzungsaufkommen rung von Varianten, beispielsweise Wege müssen beispielsweise breit genug sein, damit sich mehrere Förderung erhalten und damit in der Zukunft gerecht würden. auf Online-Plattformen. “Dieses Radfahrer begegnen können, zur infrastrukturellen Verbes- Gerade die langfristige Planung, Verfahren wird sehr positiv aufsowie möglichst eben und ohserung beitragen. Generell kä- die diese Faktoren mit einbezie- genommen”, erläutert Strehmann. ne Kreuzungen verlaufen. Auch me es darauf an, mit dem zu he, verhindere, dass die RSV bei Die Bürger werden so in den Entdie objektive und subjektive Siarbeiten, was vorliege. Stehmann Fertigstellung überholt seien, stehungsprozess und das Für und cherheit müssen gewährleistet Sie verbinden Stadtzentren, Arbeitsplätze und Wohnviertel miteinander: Radschnell- argumentiert ähnlich. Durch die argumentiert Strehmann. Wider einzelner Streckenverläufe werden, damit ein RSV auch bei verbindungen gelten als Infrastruktur der Zukunft. mit eingebunden, was wiederFoto: BS/bartymaus, pixabay.com Umnutzung bereits bestehender Dunkelheit genutzt wird. Das Infrastruktur, beispielsweise die RSV formen Zukunft um die Akzeptanz erhöhe. Und wiederum bedeutet, dass in der Mischformen zwischen Land, schen Städten und damit auf Umfunktionierung von AutofahrDie Vorteile von Radschnellver- Akzeptanz ist wichtig, denn “wir Regel eine bauliche Abgrenzung Kreis und Kommunen entstehen. einer Trasse liegen, ist diese spuren, könne zudem der Prozess bindungen für die Bevölkerung brauchen zeitnah gute Wege – von Fußverkehr, Straßen und von In diesen Fällen sei eine gute spezielle Anbindungsmöglich- beschleunigt werden. Hermann: sind unumstritten. Bessere Luft, ohne Streit”, so Hermann. anderem Verkehr geboten ist. Zusammenarbeit unabdingbar keit interessant”, so Strehmann. – und das funktioniere sehr gut. Das ist nicht unumstritten. RadKooperationen von Land und “Niemand hat unendliche Pla- schnellwege zeichnen sich unter Kommunen nungskapazitäten”, erläutert der anderem dadurch aus – und Je nach Verbindungsfunktion Minister, “weswegen alle froh werden nur als solche gefördert Kommunale Sportstätten verfallen zusehends und Radverkehrspotenzial liegt über eine gewisse Aufgabenauf- –, dass sie von mindestens 2.000 Radfahrenden pro Tag genutzt (BS/mj) Sport gilt als Kitt der Gesellschaft. Die kommunalen Sportstätten sind aber “nicht so gepflegt ein Radschnellweg damit in der teilung sind.” Zudem erhalten die Kommunen werden und damit eine bedeu- worden, wie es nötig gewesen wäre”, bemängelt Lutz Thieme, Sozialwissenschaftler der Hochschule Baulast des Landes oder Kreises – und damit auch die Zustän- finanzielle Unterstützung. Durch tende Verbindung für den All- ­Koblenz. Das Ergebnis sei ein “Schweinezyklus”. digkeit für Planung und Bau, so Förderung von Bund und Land tagsradverkehr darstellen. Das Hermann. Da Kommunen mit können bis zu 90 Prozent aller schließt per Definition gerade Für Sportstätten in Deutschland mehr als 30.000 Einwohnern Kosten für Planung, Machbar- ländliche Regionen aus, denen belaufe sich der Sanierungs- und innerhalb der Ortsdurchfahrten keitsstudien und Umsetzung die Nutzer und die Infrastruktur Modernisierungsbedarf “auf minselbst für die Radschnellwege zu- abgedeckt werden. “Vor allem fehlen, auf die man aufbauen destens 31 Milliarden Euro”, arständig sind, können dabei auch für kleine Gemeinden, die zwi- könnte, die aber umso mehr gumentiert Andreas Silbersack, Vizepräsident Breitensport/Sportentwicklung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Die vereinzelten Förderungen in den Ländern reiche nicht aus, Multimandantensystem ausgezeichnet um die Sportstätten attraktiv zu gestalten, weswegen es Förder(BS/Constanze Kaden*) Aus den über 300 Einreichungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz prä- programme des Bundes brauche. mierte die Jury des eLearning Journals innovative Projekte mit Vorzeigecharakter in über 50 Kategorien. Der Dieser Argumentation folgen eLearning Award 2021 in der Kategorie Lernmanagementsystem ging an die time4you und das Paritätische auch Helmut Holter (Die Linke), Bildungswerk LV Brandenburg e. V. Die Besonderheit beim Siegerprojekt 2021: Von dieser Plattform profitie- Sportminister in Thüringen, und ren zahlreiche gemeinnützige Organisationen. Andrea Milz (CDU), Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt Der DigitalCampus Branden- alle anerkannten Bildungsor- sonst, in diesem Funktionsum- des Landes Nordrhein-Westfaburg, ein multimandantenfä- ganisationen Brandenburgs zu fang, nur größeren Organisatio- len. Beide sprechen sich für eine Kommunale Sportstätten verfallen. Wie die Sanierungen gewährleistet werden higes Lernmanagementsystem, implementieren und startete nen vorbehalten ist”, so Patrycja­ Investitionsoffensive aus, “da- können, ist umstritten. Foto: BS/pixel868, pixabay.com überzeugte die Jury in vielen die Zusammenarbeit mit der Holzapfel, Projektleiterin der mit die Sportstätten richtig auf Vordermann gebracht werden”, rungsstau bei in den 1970er-, wolle. Kommunen und Länder Punkten. Mit dem IBT®-Learning- time4you GmbH, die mit ihren ­time4you GmbH. Management-System können Expertenteams und der IBT®Im Ergebnis profitieren die so Holter, und “damit etwas am 1980er- und 1990er-Jahren müssten in der Lage sein, “die vielfältige digitale Lernangebote SERVER-Software seit über Organisationen von einer ge- Bestand passiert”, argumentierte mit “goldenen Plänen” erbau- im gesamten Lebenszyklus eiwie WBTs, Blended-Learning- zwanzig Jahren anspruchsvolle meinsamen Lernmanagement- Milz. In diesem Zusammenhang ten Sportstätten beizukommen, nes Bauwerks zur Betreibung Angebote oder -Communities und didaktisch hervorragende Infrastruktur. Das Multimandan- verwies Lars-Detlef Kluger, Präsi- wenn nicht der Bund regelmäßige notwendigen Betriebs- und Saden Lernenden zur Verfügung Lernmanagementsysteme “ma- tensystem macht dies möglich dent des Stadtsportbundes Dres- Investitionszahlungen aufbringen nierungskosten aufzubringen”. gestellt werden. Bei dem im- de in Germany“ konzipiert und und verbindet im ersten Schritt den, darauf, keine thematischen über 3.500 Teilnehmer, weitere Vorgaben bei den Förderungen zu posanten Projekt geht es aber realisiert. (www.time4you.de) “Wir freuen uns sehr über die Organisationen sollen folgen. machen. Diese hätten sich in der auch um gesellschaftliche TeilVergangenheit eher als hinderlich habe. Die Digitalisierungsstra- Auszeichnung und stellen beim *Constanze Kaden ist freie Jour- für Investitionen erwiesen. Ähntegie des Landes Brandenburg Blick in die Praxis fest: Der lich argumentiert Uwe Lübking legte hier unter anderem den Einsatz eines Multimandan- nalistin. Weitere Informationen unter vom Deutschen Städte- und GeGrundstein für die erfolgreiche tensystems hat sich bewährt. Umsetzung des DigitalCampus. Es ermöglicht vor allem kleinen www.digitalcampus-brandenburg. meindebund (DStGB), welcher die So wird die Digitalisierung in der Weiterbildungsanbietern, einfach de, www.time4you.de sowie zu unterschiedliche Finanzkraft der Erwachsenenweiterbildung beim und kostengünstig ein Lernma- aktuellen Themen unter pbw- Kommunen in den Blick nimmt. Bildungsministerium Branden- nagementsystem zu nutzen, was brandenburg.de/aktuelles Mit einem allgemeinen Sportburgs seit Jahren durch die Unbudget könnten die Gelder so terstützung von Modellprojekten beantragt werden, wie sie “vor beschleunigt. Ort tatsächlich benötigt” würden. Das Paritätische Bildungswerk Achim Haag, Präsident der DLRG (Deutsche Lebens-Rettungsdes Landes Brandenburg hatte Gesellschaft), möchte dagegen 2019 eine Bedarfserhebung bei allen anerkannten Weiterbildie interkommunale Zusamdungsanbietern durchgeführt. menarbeit mehr in den Fokus Im Ergebnis zeigte sich, dass 80 rücken. Man müsse sind von der Prozent der befragten BildungsIdee verabschieden, “dass jeder träger überhaupt keine Lernein Schwimmbad haben muss”, plattform besitzen und zugleich um so Betriebs- und Instandhaltungskosten der einzelnen ca. 75 Prozent großes Interesse an einer Nutzung dieser Platt- Der Digital Campus Brandenburg wird durch Fördermittel des Ministeriums für Bildung, Kommunen gering zu halten. formen haben. Somit beschloss Jugend und Sport des Landes Brandenburg unterstützt, sodass die Bevölkerung Dem Abbau struktureller Bardas Paritätische Bildungswerk, des Flächenlandes weitreichender als bisher von digitalen Bildungsangeboten rieren kann auch Thieme zuein Lernmanagementsystem für profitieren kann. Foto: BS/time4you stimmen. Nur so sei dem Sanie-

Radschnellverbindungen bieten Chancen für Berufsverkehr und Klimaschutz

Es ist ein “Schweinezyklus”

Profitieren vom Siegerprojekt


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Personelles

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Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / April 2021

Was wir an Infrastruktur verlieren, bekommen wir nicht zurück

MELDUNG

Ist unser Trinkwasser in Gefahr? (BS/mj) 75 Prozent unseres Trinkwassers stammen aus dem Grundwasser. “Die vergangenen drei Hitzesommer haben aber gezeigt, dass bestimmte Regionen bei langanhaltender Trockenheit nicht genug Wasser haben”, schreibt der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) und fordert Lösungen. Regen- und Abwassermanagement sind Aufgaben der öffentlichrechtlichen Körperschaften. Dabei sorgen diese, mit über 10.000 kommunalen Kläranlagen, bereits für eine fast flächendeckende Umsetzung höchster EU-Reinigungsstandards. Der DStGB fordert zudem, Regenwasser aufzufangen und nutzbar zu machen, statt es in Abwasserkanäle abzuleiten. “Dies könnte gerade in Innenstädten und Ortskernen zu einer deutlichen Verbesserung des Mikroklimas und damit zur Resilienzsteigerung der Städte und Gemeinden insgesamt beitragen.” Auch die Digitalisierung der Wasserwirtschaft wäre, laut DStGB, eine Option für die Kommunen, aktives Wassermanagement zu betreiben. Interessenkonflikte mit Industrie und Landwirtschaft könnten so vermieden werden. Bundesweite Herausforderungen für die Trinkwasserversorgung sind unter anderem neue gesetzliche Vorgaben im Wasserrecht , der stetig steigende Wasserverbrauch sowie Hochwasser und Arzneimittelrückstände. Es muss demnach mehr in die Wasser- und Abwasserinfrastruktur investiert und nach innovativen Lösungen gesucht werden. Bund und Land sind daher aufgefordert, die Kommunen finanziell und fachlich unterstützen, damit Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit des Wassers gewährleistet bleiben.

Kommunale Immobilieneigner sehen sich dieser Tage hohen Erwartungen ausgesetzt (BS/Malin Jacobson) Vielerorts kumulieren während der Pandemie die finanziellen Probleme von Gewerbetreibenden. Dem könnten auch kommunale Immobilieneigner entgegenwirken. Inwieweit Handlungsspielräume ausgeschöpft werden, ist in der Praxis sehr unterschiedlich und reicht von Kündigungsschutz bis Mietverzicht. In Schweinfurt setzt man auf Stundungen, obwohl der gesetzliche Rahmen dafür bereits 2020 ausgelaufen ist. Von Beginn an habe man sich einvernehmlich mit den Betroffenen zusammengesetzt, erläutert Michael Radler, Bereichsleitung Projekte, Grundsatzentscheidungen und Compliance der Stadt- und Wohnbau GmbH Schweinfurt (swg), und anhand des Einzelfalls Entscheidungen getroffen. “Es gibt ein beiderseitiges Interesse an der Wirtschaftsbeziehung, weswegen wir bei Mietrückständen sehr entgegenkommend sind”, fügt er hinzu. Auswirkungen auf den Schweinfurter Haushalt habe dieses Vorgehen kaum, die Mieteinnahmen kämen eben leicht verspätet an. Mietnachlässe oder -verzichte sind seitens der Kommune aufgrund des kommunalen Haushaltsrechts nur schwer umsetzbar. “Da braucht es im Gespräch mit den Gewerbetreibenden manchmal Überzeugungsarbeit, um zu einer Einigung zu gelangen”, so Radler.

Juristische Einschränkungen und Freiheiten “Kommunale Gebietskörperschaften sind an juristische Vorgaben gebunden”, erklärt Bernd Düsterdiek, Referatsleiter für Stadtentwicklung und Umwelt des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB). Die haushaltsrechtliche Bindung verbiete, auf Einnahmen zu verzichten, da sonst kommunale Förderungen nicht mehr finanziert werden könnten und ein Nachteil für die Allgemeinheit entstehen würde. Düsterdiek ergänzt: “Stun-

Stunden oder nicht stunden, das ist in vielen Städten die Frage.

Foto: BS/Tumisu, pixabay.com

dungen sind rechtlich möglich und werden bereits großflächig angewendet, zudem verzichten viele Kommunen beispielsweise auf Sondernutzungsgebühren, um Gastronomiebetrieben entgegenkommen zu können.” Manchen ist dieses Entgegenkommen nicht genug. Im Diskurs über das Entgegenkommen öffentlicher Immobilieneigner wird argumentiert, dass private Immobilieneigner in viel höherem Umfang Mietnachlässe gewährt hätten. “Hier ist eine tiefgehende Differenzierung notwendig”, fordert der Referatsleiter für Stadtentwicklung und Umwelt des DStGB. Zum einen seien die wenigsten Immobilieninhaber kommunal, zum anderen verlangten kommunale Vermieter generell sozialverträglichere Mieten als Private, auch außerhalb von Krisenzeiten. Allerdings, fügt er hinzu, könnten kommuna-

F T T H-Glasfaserausbau in Fuldatal Goetel mit Glasfaser für Hessen und Niedersachsen (BS/Yann Beccard*) In Zeiten von Home-Office und Home-Schooling kann nur festgestellt werden, dass die alte Kupferleitung das Ende ihrer Leistungsgrenze erreicht hat. Ein FTTH Glasfaserausbau bis in die eigenen vier Wände sorgt nicht nur für die Zukunft vor, sondern ist bereits heute eine wichtige Voraussetzung für unsere digitale Gegenwart. Wenn Bürgermeister und Einwohner gemeinsam aktiv werden, gelingt ein privatwirtschaftlich finanzierter zügiger Glasfaserausbau mit Glasfaser bis ins Haus. Im März konnte der FTTH-Glasfaserausbau in Fuldatal Wilhelmshausen durch die goetel GmbH starten. In dem Ortsteil der Gemeinde Fuldatal im Landkreis Kassel gingen in kürzester Zeit 213 Anträge bei der goetel GmbH ein. Somit wurde eine Quote von 63 Prozent erreicht. “Um solch ein wichtiges Projekt wirtschaftlich zum Erfolg zu führen, braucht es immer eine entsprechende Anschlussquote. Die Gemeinde Fuldatal hat von Anfang an das Projekt nach Kräften unterstützt. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir innerhalb kürzester Zeit die Vorverträge bündeln konnten und der Ausbau durch unseren Partner goetel beginnen kann”, sagt Karsten Schreiber, Bürgermeister der Gemeinde Fuldatal. Goetel bedankt sich herzlich bei allen Unterstützern und Multiplikatoren sowie besonders bei der Gemeinde Fuldatal für die intensive Unterstützung während der gesamten Nachfragebündelung. Ohne den Einsatz aller Beteiligten ist eine erfolgreiche Vermarktungsphase in Zeiten von Covid-19 nur schwer möglich.

Bis zu 1.000 Mbit/s im Downstream In Niedersachsen konnten schon im Januar zahlreiche Haushalte ans Netz gehen. Erfolgreich war der Ausbau durch gute Quoten bei den Haushalten. Das Engagement der Bürger und der Gemeinde hat sich gelohnt. Im Jahr 2019 hatte Niemetal die erforderliche Quote für den Glasfaserausbau

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Endlich schnelles Internet: (v.l.n.r.) Fuldatals Bürgermeister Karsten Schreiber, Oliver Brunkow von der Breitbandkoordination des Landkreises Kassel, Bastian Tießen vom Fachbereich Tiefbau der Gemeinde sowie der Projektleiter der Goetel, Markus Schaumburg, freuen sich über den abgeschlossenen Glasfaserausbau.

durch die goetel erreicht. In der Gemeinde wurden insgesamt 22,68 Kilometer Glasfaser verlegt, davon wurden alleine 13,23 Kilometer von dem Verteilerkasten bis zu den Haushalten der Kunden gelegt. Damit können über 370 weitere Haushalte mit hohen Bandbreiten versorgt werden. Die Internet-Flatrate für private Haushalte erreicht dabei 1.000 Mbit/s Downstream und 50 Mbit/s Upstream.

Kleinste Dörfer zu Gigabitoren machen Die Goetel GmbH ist seit dem Gründungsjahr 1998 ein zuverlässiger Partner für Telekommunikationsdienstleistungen im Raum Göttingen, Niedersachsen und Hessen. Die goetel GmbH ist Mitglied beim IT-Innovationscluster Göttingen sowie im Breko e. V. Als regionaler Carrier mit einem umfangreichen Angebot an Telefonie- und Internet-Pro-

Foto: BS/ goetel.de

dukten verschiedener Bandbreiten versorgt das Unternehmen private und Geschäftskunden aus Göttingen und Umgebung. Durch den kontinuierlichen Ausbau des eigenen Netzes erweitert die goetel kontinuierlich das Leistungsangebot auch in angrenzenden Regionen. Das Unternehmen hat sich dabei auf die Erschließung des ländlichen Raumes mit Glasfaser-infrastruktur spezialisiert. In vielen Projekten wurde nicht nur hohe Flexibilität bewiesen, sondern selbst kleinste Dörfer wurden zu Gigabitorten gemacht. Weitere Informationen zu den Gemeinden unter: www.fuldatal.de und www. gemeinde-niemetal.de Mehr Details zum weiteren Glasfaserausbau unter www. goetel.de *Yann Beccard ist freier Journalist.

le Wohnungsbaugesellschaften wie private Vermieter im juristischen Sinne auftreten und darum Mietnachlässe/-verzicht gewähren. Sie gelten nicht als öffentliche Auftraggeber, sondern als GmbH wie eine juristische Person des Privatrechts.

Die Hauptstadt macht‘s möglich Dieses Prinzip wird beispielsweise in Berlin angewandt. Hier ist die BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH gleich zu Pandemiebeginn auf die Gewerbetreibenden zugegangen, damit diese sich melden, wenn sie Hilfe brauchen. Zudem wurden Stundungen und Mahnsperren ausgesprochen – ganz im Sinne des Berliner Senats. Dieser habe, so Birgit Möhring, Geschäftsführerin der BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH, eine Guideline für die Gesellschaften verabschie-

det, die es ihnen nahelege, den Mieterinnen und Mietern entgegenzukommen. Düsterdiek erläutert diese Haltung wie folgt: “Die Städte und Gemeinden haben ein Interesse daran, ihre ortsansässigen Händler und Gastronomen zu schützen! Es geht ja dabei auch um die Gewerbesteuereinnahmen der Zukunft, sollte Gewerbe schließen müssen.” Entsprechend umfangreich ist das Entgegenkommen der BIM. “Es geht jetzt darum, Sicherheit zu schaffen. Auch wenn momentan keine Insolvenzen angemeldet werden, häufen sich die Zahlungsrückstände aufgrund laufender Stundungen”, erläutert Möhring. Aus diesem Grund verzichte man in Einzelfällen sogar auf Mieteinnahmen. Diese Handhabung sei nicht vor Missbrauch gefeit. Um dem entgegenzuwirken, würden die Unterlagen der Gewerbetreibenden eingesehen und Wirtschafts- und Steuerprüfer zur Entscheidung hinzugezogen. “Wir müssen darauf achten, uns nicht der Insolvenzverschleppung schuldig zu machen, denn es besteht ein geringes Risiko, dass mit betrügerischen Absichten Unterlagen gefälscht werden”, so die Geschäftsführerin der BIM. Dennoch wolle man nach bestem Wissen und Gewissen helfen und nehme darum das Risiko auf sich.

Was ist gerecht? Es seien immer Einzelfallentscheidungen, betont Möhring, und der Umfang des Entgegenkommens abhängig vom Ausmaß der finanziellen Notlage, wobei die Rahmenbedingungen für die Evaluation für alle gleich seien.

Dies entspricht auch Düsterdieks Aussage: “Eine undifferenzierte Gleichbehandlung wäre nicht gerecht – stattdessen wird im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes individuell nach Bedarf und Notlage entschieden.” Der Haushalt der Stadt Berlin werde unter dieser Verhaltensweise kaum leiden. In der Vergangenheit seien die aus Mieten erwirtschafteten Überschüsse in die Sondervermögen der Stadt Berlin geflossen – aus diesen könne man notwendige Ausgaben finanzieren, erläutert die Geschäftsführerin der BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH die finanzielle Situation. Zudem belaufe sich das derzeitige Einnahmendefizit aller Stundungen auf gerade mal rund 620.000 Euro. Auch weil zwischenzeitlich, dank staatlicher Hilfszahlungen, Mieten teilweise wieder hätten gezahlt werden können. Letztendlich ist der Erhalt von Gewerbeflächen in den Innenstädten eine Investition in die Zukunft und versucht, dem Sterben der Fußgängerzonen entgegenzuwirken. “Wir tragen Verantwortung gegenüber unseren Mieterinnen und Mietern und haben einen stadtentwicklungspolitischen Auftrag”, so Möhring. “Was wir heute an Infrastruktur verlieren, bekommen wir nicht zurück!” Darum sei es so wichtig, dass Städte und Kommunen während der Pandemie ihren gewerblichen Mieterinnen und Mietern entgegenkämen. Die Bedeutung von Theatern, Clubs und Gastronomie für die städtische Infrastruktur sei größer als einzelne Mietsummen.


Kommunale Infrastruktur

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Digitale Fähigkeiten vermitteln

Der “intelligente” digitale Posteingang

Gemeinsam die Zukunft der Innenstädte gestalten

Künstliche Intelligenz bringt entscheidende Vorteile

(BS/Harmen Zell*) Nicht erst durch die Covid-19-Pandemie sind Innenstädte in Deutschland einem tiefgreifenden Transformationsprozess ausgesetzt. Insbesondere der traditionelle Einzelhandel, die Lebensader vieler Innenstädte, steht unter einem enormen Veränderungsdruck. Facebook versteht sich als Partner kleiner und mittlerer Unternehmen und der vielen kleinen Läden und Geschäfte, die unsere Innenstädte prägen. Im Rahmen unserer Digitalisierungs-Initiative “Digital Durchstarten” haben wir in den letzten fünf Jahren über 38.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Anwendung digitaler Technologien geschult. Gemeinsam mit starken Partnern wie den lokalen Industrie- und Handelskammern, der Bundesstiftung Datenschutz, dem Handelsverband Deutschland oder dem Hasso-Plattner-Institut konnten wir digitale Fähigkeiten in den Bereichen digitales Marketing, Datenschutz und Design-Thinking vermitteln.

(BS/Tabea Hein/Jens Visser/Dr. Götz Volkenandt*) Viele Verwaltungen haben sich noch nicht mit dem Thema “Künstliche Intelligenz” (KI) auseinandergesetzt. Das hat die verschiedensten Gründe: Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) hat jetzt erst einmal höchste Priorität und die dazu notwendigen Projekte lassen sich auch ohne KI umsetzen. Aber auch Vorurteile und Halbwissen tragen zur abwartenden Haltung vieler Verantwortlicher bei. Dabei gibt es eine ganze Reihe an attraktiven KI-Anwendungsfällen, welche die Umsetzung des OZG unterstützen können.

Viele Untersuchungen und unsere tägliche Erfahrung zeigen: Unternehmen, die digital gut aufgestellt sind, kommen besser durch die Krise als weniger digitale Unternehmen.

Digitalisierung als Chance Innenstädte erfüllen wichtige Funktionen für Gemeinden und Regionen als zentraler Ort der Begegnung und Möglichkeit zum Einkaufen. Sie bieten zudem Orte für Kultur-, Freizeit und Bildungsangebote. Lebendige Gemeinden benötigen lebendige Innenstädte. Seit Jahrzehnten sehen sich viele Innenstädte in Deutschland mit einem ökonomischen Niedergang konfrontiert. Migrationsbewegungen in Richtung der großen wirtschaftlichen Zentren und die Konzentration des Handels in Shopping-Zentren setzen Innenstädte einem besonderen wirtschaftlichen Druck aus. Diese Entwicklung verstärkt die Disparität zwischen Stadt und Land sowie armen und reichen Regionen – mit weitreichenden gesellschaftlichen Konsequenzen. Letztlich ist die Frage der Zukunft unserer Innenstädte eine große politische Herausforderung. Ein universelles Patentrezept für diese enorme politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufgabe gibt es noch nicht. Aus der Sicht von Facebook ist jedoch klar, ein zentraler Faktor für die Rettung der Innenstädte ist eine erfolgreiche Digitalisierung.

Erfolgsgeschichten sichtbar machen Die Mission von Facebook ist es, Menschen die Mittel zu geben, um starke Gemeinschaften zu bilden. Wir fühlen uns diesem Auftrag verpflichtet und hoffen, einen Beitrag zur Rettung unserer Innenstädte leisten zu können. Für uns ist entscheidend, eine gesamtheitliche DigitalisierungsStrategie zu verfolgen. Auch wenn der Einzelhandel für Städte eine bedeutsame Rolle spielt, dürfen Verwaltung, Bildungs- und Kul-

Immer mehr Einzelhändler nutzen Soziale Medien als Absatzkanal in der Krise”

Foto: BS/Facebook.de

tureinrichtungen nicht vergessen werden. Nur wenn es in allen gesellschaftlichen Bereich gelingt, das Analoge mit dem Digitalen smart zu verbinden, kann die digitale Transformation gelingen. In unserer täglichen Arbeit sehen wir eine Vielzahl von Beispielen, die zeigen, wie Digitalisierung positiv genutzt werden kann. Dies Beispiele sichtbarer zu machen, ist uns ein wichtiges Anliegen. Smart Hero Award: Der Smart Hero Award wird seit acht Jahren gemeinsam von der Stiftung Digitale Chancen und Facebook vergeben und ist Deutschlands erste und einzige Auszeichnung für Engagement in den sozialen Medien. Smart Heroes sind soziale Heldinnen und Helden, die ihr Engagement mithilfe von digitalen Kanälen vorantreiben und für eine vielfältige, nachhaltige und faire Gesellschaft einstehen. Dieses Jahr steht der Preis unter dem Motto “Perspektiven eröffnen” und der Schirmherrschaft von Elke Büdenbender, Juristin und Ehefrau des amtierenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Bewerbungen können noch bis Anfang Mai eingereicht werden. Die

Gewinnerinnen und Gewinner werden von einer unabhängigen Expertenjury ausgewählt und mit insgesamt 125.000 Euro ausgezeichnet. Zu den vergangenen Gewinnerprojekten gehören zum Beispiel die Lebensmittelretterinnen und -retter von SirPlus und Foodsharing, Online-Formate zu gesellschaftspolitischer Bildung wie Anders Amen und Deutschland 3000 sowie Inklusionsprojekte wie Team Bananenflanke e.V. und #notjustdown. Digitale Wirtschaft: Bereits heute gibt es eine Vielzahl von Unternehmen, die die digitale Transformation gemeistert haben und hierdurch eine solide wirtschaftliche Perspektive für die Zukunft aufbauen konnten. Digitales und analoges Geschäft gehen dabei zumeist Hand in Hand und ergänzen sich gegenseitig. Wie dies gelingen kann, zeigen wir seit fünf Jahren in unserer kostenlosen Weiterbildungsreihe “Digital Durchstarten mit Facebook”. Digitale Museen: Insbesondere Kultureinrichtungen leiden unter der Corona-Krise. Facebook hat mit einer Reihe ausgesuchter Museen das “Digitale Wochenende der Museen” entwickelt. Mit virtuellen Führungen in VideoForm beschreitet Facebook in Zusammenarbeit mit den Museen neue Wege, Kunst- und Kulturinteressierte auch in Zeiten der Pandemie zu erreichen. Online-Spenden: Facebook hat diesen März die fünf Milliarden Marke geknackt – so viel wurde seit 2015 weltweit über die Spendentools, die gemeinnützige Organisationen auf Facebook und Instagram nutzen können, gesammelt. Allein in Deutschland haben bereits über zwei Millionen Menschen eine Spendenaktion gestartet oder gespendet. In Deutschland gehören zum Beispiel die Caritas, DKMS, Viva con Agua zu den Nutzerinnen und Nutzer des Angebots. *Harmen Zell ist Public Policy Manager bei Facebook.

Der digitale Posteingang ist bereits für viele Verwaltungen und Unternehmen Realität. Im zentralen Posteingang wird physische Briefpost digitalisiert, eine OCR (Optical Character Recognition)Software zur Texterkennung bzw. Schrifterkennung in Bildern liest die textuellen Inhalte aus und vorgegebene Elemente werden anschließend extrahiert. Aus diesen Inhalten erfolgt die Zuordnung von Adressaten, die die Nachricht dann im Dokumentenmanagementsystem oder per E-Mail erhalten. Projekte zur Neustrukturierung und Digitalisierung des Posteingangs werden gern auch genutzt, Prozesse der Sachbearbeitung zu prüfen und zu optimieren und z. B. den Anstoß der Sachbearbeitung entweder prozess- oder skill-orientiert neu aufzubauen. So ist es naheliegend, den physischen Posteingang mit dem Fax- und E-MailEingang zusammenzulegen und den digitalen Posteingang dann als prozessauslösende und -überwachende Funktion zu etablieren. Während die prozessorientierte Zuordnung von Post erste Personalengpässe umgehen kann, kann mit einer skill-orientierten Zuordnung (also einer Zuordnung von Fähigkeiten und KenntnisProfilen) bereits eine erste Kapazitätsoptimierung eingebaut werden. Die “Intelligenz” eines solchen Systems besteht bis hierher allerdings nur in der Zuordnung zu einem Adressatenkreis.

Deutlicher Nutzen der KI Künstliche Intelligenz wird heute bereits für diese Basisfunktionalitäten (z. B. OCR) genutzt. Ein weitergehender Einsatz kann deutlich mehr Nutzen erzeugen. Das Auslesen standardisierter Dokumente (wie z. B. Rechnungen) ist schon recht lange etabliert und in den Buchhaltungen von vielen Unternehmen im Einsatz. Zudem kann das Auslesen und Auswerten von freien Texten mit KI-Komponenten entscheidende Vorteile bringen. Aus zunächst einfachen Anfragen lassen sich die Absichten von Absendern ableiten und zur Beantwortung Textbausteine vorschlagen. Han-

Briefpost einscannen ist in Verwaltungen bereits Realität. Durch den Einsatz von KI kann die Beantwortung automatisiert werden. Foto: BS/A Stockphoto, stock.adobe.com

delt es sich um eine häufig auftretende Anfrage, so kann diese zu einer vollautomatisierten Beantwortung führen, gleichgültig, ob die Anfrage per Brief, Fax, E-Mail oder als Telefonnotiz erstellt wurde. Die Fähigkeiten der KI-Technologien gehen dabei weit über eine einfache Verschlagwortung der Anfragen hinaus. Intention, Nebenbedingungen und weitere im KI-System trainierte Inhalte lassen sich als solche erkennen und auswerten. Die besten Lösungen nutzen heute eine Kombination aus herkömmlichen Algorithmen, Regeln und neuesten KI-Elementen. Zu Letzteren gehören die Umwandlung von Wörtern in Zahlenreihen (Vektoren), die den jeweiligen Wortinhalt repräsentieren. Mit diesen Zahlenreihen ist eine wichtige Voraussetzung erfüllt, um Wörter auch in künstlichen neuronalen Netzen mit dem Wortinhalt (und nicht den Buchstaben) verarbeiten zu können. Die neuronalen Netze wiederum ermöglichen eine Berücksichtigung des Kontextes in der Verarbeitung.

Digitaler Posteingang als Einstieg Der digitale Posteingang ist damit ein idealer Einstieg in die Nutzung künstlicher Intelligenz. Man kann mit ersten einfachen, häufig vorkommenden Prozessen beginnen, um später je nach gewünschter Entwicklungsgeschwindigkeit und Ambitionen weitere Automatisierungen zu realisieren. Das Risiko eines derartigen Vorgehens ist gering, da zunächst mit Bearbeitungsvorschlägen gearbeitet werden kann und die vollautomatische Beantwortung erst dann freigeschaltet wird, wenn sich über längere Zeit keine Fehler ergeben haben. Gleichzeitig kann die zentrale Archivierung der Dokumente regelbasiert erfolgen und der Bearbeitungsstand überwacht werden. In der Praxis ist die Digitalisierung des zentralen Posteingangs und die elektronische Verteilung ein wichtiger Lösungsbaustein zur Umsetzung des sog. E-Government-Gesetzes und Grundlage der E-Akte. Darüber hinaus ist sie als einfach umzusetzender Prozess wirtschaftlich vorteilhaft und entlastet Mitarbeiter in den Ämtern und Betrieben. Die automatisierte Beantwortung von Anfragen erfordert eine KIKomponente, die für diesen Zweck individuell konzipiert, entwickelt und trainiert wird. Kosten und Aufwand für diese Maßnahme sollten durch entsprechende Prozessverbesserungen und Einsparungen gerechtfertigt sein. Es empfiehlt sich eine Prozessaufnahme der Postsortierung und verteilung, um über die Prioritäten zu entscheiden. Nach Kriterien wie Dringlichkeit, Wichtigkeit und Einfachheit einer Beantwortung kann der Posteingang kategorisiert werden, um zusammen mit der jeweiligen Anzahl der pro Zeiteinheit eingehenden

Post (einschl. Fax und zentral eingehender E-Mails) darüber zu entscheiden, welche Kategorie zuerst vollständig digitalisiert werden sollte. Eine schrittweise Weiterentwicklung ist dann jederzeit möglich. Viele Unternehmen nutzen solche Systeme schon seit Jahren mit großem Erfolg.

Denkbare Optionen Um sich dem Thema der Einführung eines “intelligenten” digitalen Posteingangs zu nähern, sollten die notwendigen von den gewünschten Anforderungen getrennt aufgenommen werden. Die Gestaltungsoptionen für einen “intelligenten” digitalen Posteingang sind vielfältig. Die Abwicklung über OutsourcingDienstleister ist genauso möglich wie der Aufbau eines eigenen Systems. Der Aufwand einer Vollautomatisierung ist für die ersten und einfachsten Prozesse durch den erforderlichen Lernprozess und die anzupassenden Grundstrukturen der Bearbeitung hoch. Die Lernkurve führt jedoch mittelfristig zu sinkenden Aufwänden in der weiteren Realisierung. Kosten-Nutzen-Analysen helfen, die schrittweise Umsetzung weiterer Maßnahmen unter den Aspekten Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu begründen. Ist der Einsatz künstlicher Intelligenz eine grundsätzlich denkbare Option – und das sollte er sein, so müssen dafür eine Reihe an spezifischen Bedingungen erfüllt werden (z. B. eine Aufbereitung und Speicherung von Daten für das Training eines später angestrebten KI-Systems), die auch eine spätere Realisierung von KI-Funktionalitäten ermöglichen. Die vielen vorhandenen Angebote, sich über die Chancen, Grenzen und Rahmenbedingungen des Einsatzes künstlicher Intelligenz zu informieren, sollten dringend stärker angenommen werden. * Tabea Hein ist zertifizierte KIManagerin und entwickelt seit 2015 als Inhouse Consultant Ideen zu Verwaltungsreformen in einer deutschen Großstadt. Jens Visser ist Verwaltungsfachwirt und seit 2018 Projektleiter Digitale Transformation für die Stadtverwaltung Bocholt. Dr. Götz Volkenandt ist geschäftsführender Gesellschafter der Kompass Projektpartner GmbH.

Mehr auf dem Kongress Digitaler Staat Die Möglichkeiten der “Künstlichen Intelligenz in der Smart City” thematisieren die Autoren in einem gleichnamigen Fachforum auf dem diesjährigen Online-Kongress “Digitaler Staat” des Behörden Spiegel am Montag, 10. Mai 2021, zwischen 15:45 Uhr bis 17:15 Uhr. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.digitalerstaat.org


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / April 2021

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all A: Die Einwohnerzahl der Landeshauptstadt Düsseldorf wächst seit über einem Jahrzehnt stetig. Zur Schaffung des dringend benötigten Wohnraums folgt sie dem räumlichen Leitbild „Innen- vor Außenentwicklung“. Dieser Grundsatz stellt die Stadt vor die Herausforderung, Flächen für den wachsenden Bedarf an Wohnraum primär im hochverdichteten Stadtraum zu finden. Hier geht die Landeshauptstadt Düsseldorf den Weg, die Potenziale aus Baulückenschließung, Nachverdichtung oder Brachflächenrecycling zu nutzen. Wenn dadurch schutzbedürftige Nutzungen in räumliche Nähe zu gewerblichen oder industriellen Nutzungen rücken, kann dies schnell zu Konflikten führen. Die Stadt muss die Zielkonflikte beim Lärm lösen und dabei den Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, aber auch dem Bedürfnis der betroffenen Betriebe nach Bestandsschutz und ggf. auch Wachstumsmöglichkeit am Standort gerecht werden. Fall B: Die Stadt Wesseling im Rheinland ist traditionell sehr stark von der Ansiedlung von Raffinerien und anderen chemischen Unternehmen geprägt. Mit der Umsetzung der Anforderungen der europäischen Seveso-Richtlinie und deren Umsetzung ins deutsche Störfallrecht liegen ca. 70 Prozent des Stadtgebietes innerhalb der nunmehr zu berücksichtigenden sogenannten angemessenen Sicherheitsabstände. Diese Abstände sollen vorsorglich bzw. bereits im Rahmen der Flächenplanungen vor möglichen Auswirkungen von großen Unfällen in bestimmten Industrieanlagen schützen. Damit werden sowohl die Stadtentwicklung als auch die Entwicklungsmöglichkeiten der betreffenden Unternehmen erheblich beeinflusst. Da bislang noch eindeutige bundes- und landesrechtliche Vorgaben fehlen, muss die Stadt neue Wege suchen, um in diesen gewachsenen Gemengelagen auch weiterhin Planungen und Vorhaben realisieren zu können.

Dialog als Schlüssel zur Konfliktbewältigung Planungsprobleme dieser Art sind in den Behörden keine Seltenheit. Kommunen, Verbände, Kammern und Behörden sind in ihrer täglichen Arbeit mit derartigen Konflikten konfrontiert. Mit der Dialogreihe “Zielkonflikte in innerstädtischen Quartieren aus Sicht des Immissionsschutzes” ist das NRW-Umweltministerium deshalb mit Betroffenen und Be-

Immissionsschutz in Quartieren Über den Umgang mit Zielkonflikten bei Lärm und Anlagensicherheit (BS/Ricarda Sahl-Wenzel*) Wohnen, Arbeiten, Freizeit – all dies rückt auch in nordrhein-westfälischen Städten immer näher zusammen. Der Druck auf die vorhandenen Flächen wächst und die Konkurrenz der unterschiedlichen Flächennutzung steigt. Dies führt häufig zu Zielkonflikten, die sich aktuell durch die Nachverdichtung der Innenstädte weiter verstärken. Dies möchten wir anhand von zwei Fallbeispielen erläutern.

Durch das Heranrücken von Wohnbebauung an Gewerbebetriebe nehmen Lärmbelastungen stetig zu. Doch die meisten Lärmkonflikte lassen sich durch die Anwendung vorhandener rechtlicher Regularien befrieden. Foto: BS/Tanakorn, stock.adobe.com

teiligten und in Kooperation mit dem Städtetag NRW in den letzten zwei Jahren in einen Dialog getreten. Ziel war, Erfahrungen aus der Praxis auszutauschen und hierüber Handlungsansätze für die Praxis zu erarbeiten, die auf dem vorhandenen Instrumentarium basieren. Im Mittelpunkt standen dabei die Themen “Lärm” und “Anlagensicherheit: Abstände zwischen Industrie/ Störfallbetriebsbereichen und Wohnen”.

Lärmschutz – gewusst wie! Hohe Lärmbelastungen sind laut WHO nach der Luftverschmutzung das zweitgrößte umweltbedingte Risiko für HerzKreislauf-Erkrankungen sowie Schlafstörungen und Stress. Aktuell sind in NRW zirka 1,5 Millionen Menschen gesundheitsschädlichen Lärmpegeln ausgesetzt. Die Hauptlärmquelle in NRW ist der Verkehr, doch treten auch zunehmend Lärmkonflikte durch das Heranrücken

sprechung sowie Vor- und Nachteile benannt.

Anlagensicherheit / Abstände: Was, woher und wie? Anders als beim Lärm sind die Abstände nach Störfallrecht ein eher abstraktes Thema, das sich aus dem Europarecht (Seveso-Richtlinie) ergibt. Die sogenannten “angemessenen Sicherheitsabstände” sollen insbesondere die Anwohnenden von bestimmten Industrieanlagen wie Raffinieren, Chemieparks oder Stahlwerken vor den Auswirkungen von Unfällen schützen, die vernünftigerweise aufgrund der technischen Anforderungen eigentlich ausgeschlossen werden. Es geht also um vorsorgliche Anforderungen an den planerischen Störfallschutz, bei dem Störfallbetriebe und schutzbedürftige Nutzungen wie Wohngebiete ausreichende Sicherheitsabstände einhalten müssen. Dabei können Erweiterungswünsche

von wichtigen Industriebranchen auf die Schutzansprüche der Wohnbevölkerung treffen. Gleichzeitig sind die erforderlichen Abstände aufgrund der gewachsenen Industriestrukturen gerade im Ruhrgebiet oder entlang der Rheinschiene an vielen Orten bereits im Bestand nicht eingehalten und erschweren dadurch Vorhaben der Nachverdichtung oder der Überplanung alter Industrie-

Foto: BS/stock.adobe.com, fotohansel

zu finden sind, können nur eine erste grobe Orientierung geben. So können in Gebieten, in denen das BfS eine durchschnittliche Ra-

hier eingesetzten Exposimeter ist vergleichsweise gering. In ausgewiesenen Radon-Vorsorgegebieten besteht die Verpflichtung für Arbeitgeber, an allen Arbeitsplätzen im Erd- und Kellergeschoss die Radonkonzentration zu messen. Die Bundesländer legen diese Vorsorgegebiete per Allgemeinverfügung fest. Bei festgestellten Überschreitungen das Referenzwertes von 300 Bq/ m³ sind verpflichtend Maßnahmen zu ergreifen. Dies können Minderungsmaßnahmen durch regelmäßiges Lüften, den Einbau von lufttechnischen Anlagen oder aufwendige Abdichtungsmaßnahmen sein. An dieser Stelle ist eine fachgutachterliche Gesamtbewer-

Fragen und Anmerkungen zum Dialogprozess können per Mail an Dialogreihe-Zielkonfl ikte@ mulnv.nrw.de gestellt werden. *Ricarda Sahl-Wenzel ist als Referentin im Referat Umwelt und Gesundheit im Umweltministerium (MULNV) NRW tätig.

Für zwei zentrale Herausforderungen für den Immissionsschutz in innerstädtischen Quartieren stellt das MULNV NRW Handlungsempfehlungen bereit. Die Handlungsempfehlungen Lärm finden Sie auf www.umwelt.nrw. de, Menüpunkt “Umwelt”, Unterpunkte: “Umwelt und Gesundheit”, “Lärm”, “Gewerbe- und Industrielärm”. Die Basics für Einsteiger zur Anlagensicherheit finden Sie auf www.umwelt.nrw.de, Suchwort “Anlagensicherheit”, Treffer vom 8.03.2021, im Bereich Dokumente auf der jeweiligen Seite.

(BS/ Dipl.-Ing. Martin Kessel*) Radon ist ein natürlich vorkommendes radioaktives Edelgas, das in der gesamten Umwelt in unterschiedlich hohen Konzentrationen vorhanden ist. Es entsteht durch Zerfallsprozesse von uranhaltigem Gestein und tritt als Gas durch Undichtigkeiten wie Risse und Fugen in Gebäude ein. Hier reichert es sich relativ zur Außenluft an. Im Kellergeschoss und in erdberührten Erdgeschossen werden die höchsten Konzentrationen gemessen. Nach Aussage des Robert Koch-Instituts (RKI) ist ein großer Teil der Lungenkrebserkrankungen der nichtrauchenden Bevölkerung ursächlich auf die Exposition gegenüber Radon zurückzuführen. Das RKI schätzt, dass jährlich rund 1.900 Todesfälle In Deutschland auf Radon und seine Folgeprodukte zurückzuführen sind. don-Konzentration zwischen 20 und 40 Bq/m³ ausweist, bei Objekten Belastungen im statistischen Mittel von über 200 Bq/m³ auftreten. Dies zeigt plastisch, dass ausschließlich Messungen im jeweiligen Objekt eine belastbare Grundlage für die Abschätzung des Risikos erbringen. Diese sind entweder als Kurzzeitmessungen zur Orientierung oder als Langzeitmessungen für repräsentative Aussagen über einen Zeitraum von zwölf Monaten durchzuführen. Der finanzielle Aufwand für die üblicherweise

und Gewerbeflächen.”Anders als beim Lärmthema gibt es bei diesem relativ neuen Thema noch kein ausreichendes Instrumentarium. Obwohl viele Kommunen von einer “SevesoProblematik” betroffen sind, verfügen bislang nur wenige davon über Erfahrungen in der Erstellung gesamtstädtischer Seveso-Konzepte. Die Handreichung “Basics für Einsteiger” beinhaltet das Basiswissen zu Grundlagen der Anlagensicherheit mit (umwelt-)rechtlichen Grundlagen, Informationsquellen und aktueller Rechtsprechung und mit einer Checkliste als konkreter Arbeitshilfe. Die Dialogreihe “Zielkonflikte in innerstädtischen Quartieren aus Sicht des Immissionsschutzes” wurde in Kooperation mit dem Städtetag NRW durchgeführt. Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen, Verbänden, Kammern, Betreibern und des Landesbauministeriums sind in einem rund eineinhalb Jahre währenden Prozess mit dem Umweltministerium und dem Städtetag in Arbeitsgruppen und Workshops miteinander in einen intensiven Austausch getreten und haben die vorliegenden Ergebnisse gemeinsam erarbeitet. Neben diesen Ergebnissen konnte mit dem Format der Dialogreihe ein Rahmen gesetzt werden, der eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Akteure mit ihren zum Teil ganz unterschiedlichen Sichtweisen ermöglicht hat. Gemeinsam wurden tragfähige Dialogstrukturen auch für ein konstruktives, künftiges Miteinander etabliert.

Aus der Praxis – für die Praxis

Radon in Gebäuden

Messungen vor Ort sind notwendig Die in einem konkreten Gebäude oder Raum anzutreffende Radon-Konzentration ist dabei ausschließlich über Messungen festzustellen. Übersichtskarten zu Radon-Konzentrationen in der Bodenluft oder durchschnittlichen Radon-Konzentrationen in Wohnungen, wie sie beispielsweise auf der Internetseite des BfS

von Wohnbebauung an Gewerbebetriebe auf. Im Jahr 2017 hat der Bundesgesetzgeber die Baugebietskategorie “Urbane Gebiete” in die Baunutzungsverordnung eingeführt, in denen in der TA Lärm weniger strenge Lärmschutzauflagen gelten als in Mischgebieten. Die Teilnehmenden der Dialogreihe teilten die Auffassung, dass sich die meisten Lärmkonflikte bei der Anwendung der vorhandenen rechtlichen Regularien befrieden lassen. Kernelement der erarbeiteten “Handlungsempfehlungen Lärm” zum Umgang mit Gewerbelärm bei heranrückender Wohnbebauung ist ein Maßnahmenkatalog für Kommunen zur Prüfung konkreter Lärmschutzmaßnahmen für Bauleitplan- und Baugenehmigungsverfahren. Er stellt eine Prüfkaskade mit möglichen Schutzvorkehrungen bei heranrückender Wohnbebauung dar. Zu den Maßnahmen sind jeweils die Rechtsgrundlage und Recht-

Ein unterschätztes Risiko

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n der grundlegenden Neufassung des Strahlenschutzgesetzes aus dem Juni 2017 sowie der Strahlenschutzverordnung aus dem Jahr 2019 wird erstmalig der Schutz der Bevölkerung vor diesem Risiko thematisiert. Hier wird ein Referenzwert von 300 Becquerel/m³ Raumluft festgelegt. Darüber hinaus müssen von den Bundesländern sogenannte Vorsorgegebiete ausgewiesen werden. Die mittlere Raumluftkonzentration in Wohnräumen in Deutschland wird vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mit rund 50 Bq/m³ angegeben, wobei die Schwankungsbreite regional und von Gebäude zu Gebäude durchaus groß ist.

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tung des baulichen Zustands sowie der möglichen Eintrittspfade von Radon ins Gebäude dringend angeraten.

Sachsen-Anhalt und Thüringen. Insbesondere in den vorgenannten Bundesländern, aber auch im Rest von Deutschland stellt Radon auch außerhalb der ausgewiesenen Vorsorgegebiete ein bisher deutlich unterschätztes Risiko für die allgemeine Bevölkerung dar. Rund 1.900 Lungenkrebstote jedes Jahr sprechen eine deutliche Sprache. Mit entsprechenden Maßnahmen wären diese Toten vermeidbar. * Dipl.-Ing. Martin Kessel arbeitet bei der Arcadis Germany GmbH.

Verpflichtende Maßnahmen Bei Neubauten in Radon-Vorsorgegebieten sind darüber hinaus über den sowieso verpflichtenden Schutz vor eindringendem Wasser bauliche Anforderungen für den Schutz gegenüber eindringendem Radon umzusetzen. Details zu den ausgewiesenen RadonVorsorgegebieten und zu den hier geltenden verpflichtenden Anforderungen finden sich auf den Internetseiten der betroffenen Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Sachsen,

Mehr zum Thema Wie mit verunreinigten Grundstücken nachhaltig umgegangen werden kann, thematisiert der Autor in einem Webinar des Behörden Spiegel am 29. April 2021. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www. fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “Radon”.


Kommunale Sicherheit

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enn nicht alle Verursacher werden finanziell in der Lage oder schlicht bereit sein, die Kosten zu tragen. Auch wenn das Bürgerliche Gesetzbuch eine Schadensersatzpflicht aufgrund einer sogenannten Besitzstörung für derartige Fälle vorsieht. Neben Kommunen, die bei derartigen Ordnungswidrigkeiten überhaupt nicht selbst tätig würden, gebe es auch solche, die die Fahrzeuge nur auf Antrag hin entfernten (wie etwa im RheinSieg-Kreis) oder nur, sofern der Grundstückseigentümer ausfahren wolle und einen wichtigen Termin nachweisen könne. Da­ rauf weist Christoph Balzer hin. Er war lange Jahre bei der badenwürttembergischen Landespolizei sowie in Führungspositionen Kommunaler Ordnungsdienste tätig. Positiv heraus sticht Koblenz. Dort wird vorwiegend nach den Bestimmungen des Polizeiund Ordnungsbehördengesetzes Rheinland-Pfalz abgeschleppt beziehungsweise umgesetzt. Betroffene werden dort nicht auf den parallel eröffneten Zivilrechtsweg verwiesen. Von der Kommission “Verkehr” der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) heißt es in diesem Zusammenhang, dass das Abschleppen nach öffentlichem Recht nur verhältnismäßig sei, wenn zum Verbotstatbestand noch ein belastendes Zusatzerschwernis hinzukomme. Da dies durch die Behinderung des Zufahrtsberechtigten in einem solchen Fall allerdings gegeben wäre, wäre das Abschleppen beziehungsweise Umsetzen laut den Experten in jedem Fall rechtlich zulässig. Allerdings liege die Entscheidung, ob abgeschleppt werde, im pflichtgemäßen Ermessen der Mitarbeitenden der Ordnungsbehörde und könne von verschiedenen Faktoren abhängig

Große Waldbrände u. a. im Frühjahr 2020 in Nordrhein-Westfalen sind dabei ein weiteres Indiz, dass sich die Gefahrenabwehr auf solche Lagen einstellen muss. Entsprechende Ereignisse treten vermehrt auch in Regionen auf, die bislang nicht als wesentliche Risikobereiche gesehen wurden. Der spezifische Reaktionsbedarf der örtlichen Gefahrenabwehr ist durch eine entsprechende Bedarfsplanung (z. B. kommunale Feuerwehrbedarfs- oder Katastrophenschutzplanung) zu bemessen. Für die wesentlichen Handlungsfelder lassen sich grundlegende Thesen aufstellen: 1) Die effiziente und sichere Bekämpfung von Vegetationsbränden bedarf einer entsprechenden Ausbildung. Dabei kann es zweckmäßig sein, Grundtätigkeiten und Spezialwissen sowie Führungsaufgaben zu unterscheiden. 2) Seit langer Zeit kann bei den Fahrzeugen der Feuerwehr ein allgemeiner Trend zu multifunktionalen Fahrzeugen festgestellt werden, die häufig über ein hohes Gesamtgewicht verfügen. Vor allem die Erreichbarkeit von Brandflächen war in der Rückschau auf viele Einsätze durch die topografische Situation und eingeschränkte Befahrbarkeit der vorhandenen Wege im Waldgebiet schwierig. Sehr häufig konnten nur geländegängige und kompakte Fahrzeuge vordringen. Viele Tanklöschfahrzeuge verfügen heute zwar über eine große Wassertankkapazität, sind jedoch aufgrund des Fahrzeuggewichtes nur sehr eingeschränkt abseits befestigter Straßen einsetzbar. Selbst geländegängige Fahrzeuge kommen bei Gewichten von ca. 14 Tonnen Gesamtmasse schnell an Grenzen. Neben der zukünftig angezeigten Fokussierung auf eine angemessene Balance zwischen Tankka-

Behörden Spiegel / April 2021

Verbotenes Parken in Einfahrten Städte und Kommunen werden nicht immer selbst tätig (BS/Marco Feldmann) Parken Fahrzeuge verkehrswidrig in Grundstückseinfahrten, werden diese nicht überall in Deutschland von Städten und Gemeinden entfernt. Teilweise müssen die Grundstückseigentümer das Abschleppen selbst beauftragen und in Vorkasse gehen. Die Kosten dafür können sie dann zwar vom Verursacher zurückfordern und gegebenenfalls einklagen. Ob das allerdings immer erfolgsversprechend ist, erscheint fraglich. den Straßenverkehr, vorliegen. Abgeschleppt werden dürfe auch, wenn von der Ordnungswidrigkeit eine negative Vorbildwirkung ausgehe und ein Nachahmungseffekt zu befürchten sei. Auch aus generalpräventiven Gründen dürfe abgeschleppt werden. Dabei reichten bereits Funktionsbeeinträchtigungen aus, um rechtssicher abschleppen zu dürfen, meint Balzer. Dies sei unter anderem der Fall, wenn verbotenerweise auf Gehwegen geparkt werde und diese dadurch eine Restbreite von weniger als 1,50 Meter aufwiesen. Vor und in Feuerwehrzufahrten bestehe hingegen von Gesetzes wegen nur dann ein absolutes Halteverbot, wenn die Feuerwehrzufahrten amtlich gekennzeichnet seien. Sei dies gegeben, etwa durch ein Parken Fahrzeuge im absoluten Halteverbot, werden sie entweder von der Polizei oder der jeweiligen Kommune abge- Stadtsiegel auf der Beschilderung schleppt. Stehen sie hingegen verbotenerweise in Grundstückseinfahrten, müssen teilweise die Grundstückseigentümer der Feuerwehrzufahrt, sei auch selbst aktiv werden und in Vorkasse gehen. Foto: BS/Klaus Stricker, pixelio.de irrelevant, ob es einen abgesenkten Bordstein gebe oder nicht. gemacht werden. Dazu zählten entweder einen Verstoß gegen ein Realakt vollstreckt. Oder unter anderem die Zeitdauer des die Straßenverkehrsordnung es werde eine Einzelmaßnah- Nicht immer muss der Halter Falschparkens sowie die Dring- oder die Maßnahme müsse zur me vollzogen. Dabei könne es ermittelt werden lichkeit der Freimachung der Zu- Gefahrenabwehr erforderlich sich etwa um die Sicherstellung Nicht mehr zugelassene Fahrfahrt. Zuständig seien vorrangig sein. Außerdem werde das Fahr- eines Fahrzeugs handeln. Un- zeuge, die sich noch im öffentdie Ordnungsämter. Die Polizei zeug dabei aus dem öffentlichen abhängig davon, welche Form lichen Verkehrsraum befänden, werde nur im Rahmen der Eilzu- Verkehrsraum entfernt und ein des Abschleppens vorgenommen dürften ebenfalls abgeschleppt ständigkeit oder beim Verdacht amtlicher Gewahrsam begrün- werde, brauche es immer einige werden, erklärt Balzer. Vorauseiner strafbaren Handlung, etwa det, so Balzer. Dieser mache Voraussetzungen, damit der Vor- setzung sei, dass keine Sones erforderlich, den Wagen auf gang rechtmäßig sei. So müsse dernutzungserlaubnis für sie wegen einer Nötigung, tätig. einem gesicherten Gelände zu die Maßnahme verhältnismä- vorliege. Sei dies nicht der Fall, Amtlicher Gewahrsam wird verwahren. ßig sein und eine Behinderung bestehe eine Störung der öffentbegründet Im Übrigen existierten verschie- beziehungsweise Belästigung lichen Sicherheit und damit eine Im Übrigen sind Abschleppen dene Varianten des Abschlep- vorliegen. Des Weiteren müsse Rechtfertigung für das Abschlepund Umsetzen nicht das Glei- pens. Entweder, so Balzer, werde ein Normverstoß, also eine im pen. Auch hier gebe es wieder verche. Bei Ersterem brauche es dabei ein Verwaltungsakt oder Einzelfall bestehende Gefahr für schiedene Möglichkeiten für die

Neue Anforderungen bei Wald- und Vegetationsbränden Grundlegende Thesen zu notwendigen Reaktionen (BS/Thomas Zawadke/Simon Zens) In den vergangenen Jahren konnte deutschlandweit eine überdurchschnittliche Anzahl an Waldbränden festgestellt werden. Und auch für die kommenden Jahre und Jahrzehnte zeigen Risikountersuchungen ein steigendes Waldbrandrisiko. Angriffsfahrzeuge zur Vegetationsbrandbekämpfung sind z. B., dass das Fahr gestell kompakt, wendig, robust und allradgetrieben ausgeführt sein muss, mit größtmöglicher Thomas Zawadke ist selbstständiger Beratungs- und Traktion (meEntwicklungsingenieur und chanische Sperarbeitet im DIN in den drei ren möglichst in Arbeitsgremien für Löschallen Achs- und fahrzeuge, SonderfahrzeuLängsdifferenge und Ausrüstung mit. tialen und mit UntersetzungsFoto: privat getriebe). Die Fahrzeugpumpe pazität, weiterer Ausstattung und und Abgabearmaturen müssen Geländegängigkeit ist die gesamte auch im (langsamen) Fahrbetrieb Ausrichtung einzelner Fahrzeuge genutzt werden können (“Pumpauf den Einsatz in Waldgebieten and-Roll-Betrieb”). Zur Wassererforderlich. Ebenfalls wichtig ist abgabe müssen (kleine) Wasserin diesem Kontext die Vorhaltung werfer oder von Hand bediente von Karten bzw. Navigationsmit- Strahlrohre eingesetzt werden teln für befahrbare Waldwege und können, die aus Dachöffnungen vorhandene Wendemöglichkeiten. bedient werden können. Die KabiSpezielle Waldbrandlöschfahr- nenausführung muss mit Schutzzeuge werden seit Januar 2020 einrichtungen gegen Überschlag in der Fachempfehlung Nr.1 des des Fahrzeugs bzw. umstürzende Fachausschusses Technik des Bäume ausgeführt werden. Es Deutschen Feuerwehr Verbandes müssen Schutzeinrichtungen für (DFV),dem Pflichtenheft für Wald- die Versorgungsleitungen (Luft, brand-Tanklöschfahrzeuge (TLF- Elektrik, Kraftstoff) gegen Hitze W), beschrieben. Vorbild sind vorhanden sein. Der Wassertank dabei die französischen CCFM muss mit einem Resttankinhalt (Camion-citerne feux de forêts (z. B. 400 Liter) auszustatten moyen). Im Pflichtenheft werden sein, der in einer Notsituation Anforderungen beschrieben, die eine Wassersprüheinrichtung für einen Einsatz als Angriffsfahrzeug das Fahrgestell und die Kabine ermöglichen und entsprechende für den Selbstschutz sicherstellt. 3) Die Kombination aus hoher Schutzmaßnahmen vorsehen, körperlicher Belastung und um dem dynamischen Verhalten häufig hohen Außentemperadieser Brände auf Freiflächen möglichst gerecht zu werden. Weturen erfordert eine spezifische Betrachtung der persönlichen sentliche Eigenschaften solcher Simon Zens verantwortet die Bedarfsplanung für Freiwillige Feuerwehren bei der Lülf+ Sicherheitsberatung. Foto: privat

Schutzausrüstung und körperlichen Leistungsfähigkeit der Mannschaft. So ist die mehrlagige Brandschutzkleidung bei vielen Einsatzszenarien der Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung nur sehr eingeschränkt geeignet. Aktuell zeigen mehrere fachliche Betrachtungen den Bedarf an dünner Schutzkleidung bei entsprechender Einsatzrelevanz auf. Rauch greift Atemwege und Augen an, sodass dicht schließende Schutzbrillen und FFP-Masken angeraten sind.

4) S pezielle Handgeräte wie z. B. Schaufeln, Spaten, Feuerpaschen, Grabwerkzeuge und Äxte haben sich als sehr wirkungsvoll gezeigt und sollten auf keinem Löschfahrzeug fehlen. Ebenso wie Schlauchmaterial in der Größe D mit angepassten Armaturen und Strahlrohren, da man damit wesentlich effektiver auf großen Flächen mit weniger Wasserverbrauch arbeiten kann. 5) V egetationsbrände können sich schnell auf mehrere Gebietskörperschaften erstrecken. Nicht nur deshalb ist ei-

Kommunen. So dürften sie nicht mehr zugelassene Fahrzeuge entweder ohne oder mit vorheriger Halterermittlung abschleppen. Ersteres sei möglich, wenn vom Fahrzeug eine weitere Gefahr ausgehe, zum Beispiel aufgrund auslaufender Flüssigkeiten. Nicht immer und in allen Bundesländern existiere allerdings ein behördliches Zurückbehaltungsrecht nach dem Abschleppen. Oftmals müsse dem Halter auf Verlangen sein Wagen zurückgegeben werden, meint Balzer. Zugleich bestünden keine rechtlichen Bedenken, bei unklaren Eigentumsverhältnissen nicht mehr zugelassener Fahrzeuge den zuletzt eingetragenen Halter als Verhaltensstörer in Anspruch zu nehmen. Denn Fahrzeughalter sind verpflichtet, jeden Halterwechsel unverzüglich anzuzeigen. Diese Durchgriffsmöglichkeit gegenüber dem letzten bekannten Halter entfällt jedoch, sofern dieser den Wagen zuvor außer Betrieb gesetzt hat. Dann bleibt die Kommune unter Umständen auf den Kosten ihres Handelns sitzen.

Nicht zu weit von Abstellort entfernen Werde ein Fahrzeug hingegen umgesetzt und nicht abgeschleppt, dürfe dies nur wegen eines Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung geschehen, klassischerweise nach einem Parkverstoß. Zudem verbleibe der Wagen im öffentlichen Verkehrsraum und sei in der näheren Umgebung des ursprünglichen Abstellortes wieder abzustellen. Das Fahrzeug müsse für seinen Führer vom alten Standort aus erkennbar bleiben, erläutert Balzer. Bei einer Umsetzung werde darüber hinaus – anders als beim Abschleppen – kein amtlicher Gewahrsam begründet.

ne zentrale (Einsatz-)Planung erforderlich. Es erscheint angezeigt, dass die Planungen für solche Großszenarien auch auf übergeordneten Ebenen (Kreise, Länder, Bund) durchgeführt werden. Zu diesem Thema veranstaltet der Behörden Spiegel das Führungskräfte Forum “Feuerwehrbedarfsplanung – fachliche Hintergründe und hilfreiche Werkzeuge für die bedarfsgerechte Feuerwehrstruktur”. Das Seminar vermittelt, auch anhand von Praxisbeispielen, grundlegende Kenntnisse in der angemessenen und zielorientierten Bedarfsplanung von Feuerwehren. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeiten finden sich unter: www.fuehrungskraefteforum.de; Stichwort “Feuerwehr”.

Schutz durch Container Mit Sicherheit simuliert (BS/Sandra Kirschbaum*) Druckwellensimulationen und Vorhersagen zum Splitterflug in Kombination mit Containerschutzwänden – in der Kampfmittelräumung bringt diese Kombination ein großes Plus an Sicherheit. Denn die Simulationsdaten geben Aufschluss über eine wichtige Frage. Wo und wie müssen die Schutzwände aufgestellt sein, damit sie Druckwelle und Splitter am effektivsten abfangen können? Der Geschäftsführer des auf Containerschutzwände spezialisierten Unternehmens Bloedorn Container, Björn Henkel, erklärt: “Wir verlassen uns auf die Analysen von Kampfmittelräumdiensten oder Ingenieurbüros. Sie werten Simulationen aus und bestimmen, wie schwer unsere Wände ballastiert werden müssen.” Bei Entschärfungen in Dortmund und Münster kam die Software VC Blastprotect zum Einsatz. In virtuellen 3D-Stadtmodellen wurden die Containerwände hinzugefügt und geprüft,

Containerschutzwände (Foto) erhöhen die Sicherheit bei der Kampfmittelräumung.

wie sie den größtmöglichen Nutzen bieten. So wurden Intensivpatienten und Frühchen sogar vor einer Verlegung bewahrt. “Zuletzt zeigte eine Sprengung in Göttingen: Das sind nicht

Foto: BS/Bloedorn Container

nur Zahlen, sondern es wirkt tatsächlich in der Praxis”, so Henkel. *Sandra Kirschbaum ist bei Bloedorn Container tätig.


SONDERBEILAGE des Behörden Spiegel

zum 30-jährigen Bestehen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik Berlin und Bonn / April 2021

Deutschland.Digital.Sicher.BSI Cyber-Sicherheit braucht ein starkes, zentrales und anerkanntes Haus (BS/Arne Schönbohm) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist in den letzten dreißig Jahren neben der Polizei, den Nachrichtendiensten und den Streitkräften zu einer der vier tragenden Säulen der Sicherheitsarchitektur Deutschlands geworden. Es ist zentraler Ansprechpartner zur Cyber-Sicherheit für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland.

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ie Digitalisierung sicher zu gestalten, die Sensibilisierung zu stärken und das Informationssicherheitsniveau kontinuierlich zu erhöhen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Als die Cyber-Sicherheitsbehörde des Bundes gestaltet das BSI zum Schutz von Staat, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft die Informationssicherheit in der Digitalisierung durch Prävention, Detektion und Reaktion mit einem kooperativen Ansatz. Es setzt auf ein enges und gleichberechtigtes Zusammenarbeiten aller Akteure und stellt seinen umfassenden, unabhängigen und neutralen Sachverstand zur Verfügung. Der Aufbau und die Bündelung von Know-how im Bereich der Cyber-Sicherheit haben das BSI zu einer schlagkräftigen Institution gemacht, in der die Fäden der Cyber-Sicherheit zusammenlaufen. Auf diese Weise verfügt Deutschland über eine funktionierende Cyber-Abwehr aus einer Hand. Dies zeigt sich vor allem dort, wo das BSI im Rahmen seiner sich erweiternden Zuständigkeiten in den letzten drei Jahrzehnten über seine ursprüngliche Aufgabe hinaus neue Zielgruppen erschließen und neue Informations- und Unterstützungsangebote machen konnte. Dieser Prozess wird sich fortsetzen, im gleichen Umfang, wie die Digitalisierung immer mehr Lebensbereiche durchdringt. Die aktuelle Situation ist dafür das beste Beispiel. Abseits aller medizinischen und epidemiologischen Fragestellungen hat die Corona-Krise der Digitalisierung in Deutschland einen erheblichen Schub gegeben und eindrucksvoll gezeigt, dass funktionierende und sichere Informationstechnologie zur Lebensader der modernen Gesellschaft geworden ist. Viele Unternehmen nutzten innovativ und einfallsreich die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie, um Geschäftsprozesse zu digitalisieren und ihre Produkte und Dienstleistungen auf digitalem Wege anzubieten. Erfreulich ist, dass die Informationssicherheit bei vielen dieser Bemühungen nicht nur ein Randthema war. Auch viele Prozesse und Ereignisse, die bis dahin nur analog denkbar waren, wurden virtualisiert und schufen neue Möglichkeiten. Der 17. ITSicherheitskongress des BSI mit über 8.000 virtuellen Teilnehmern ist dafür ein gutes Beispiel.

Digitalisierung steht erst am Anfang Trotz dieses Corona-bedingten Schubes aber gilt nach wie vor: Wir stehen erst am Anfang eines umfassenden Digitalisierungsprozesses. Die transformative Kraft der Digitalisierung ist ungebrochen und birgt nach wie vor ein enormes Chancenpotenzial. Und zwar sowohl technisch durch die Verschmelzung von Gütern und Dienstleistungen zu intelligenten Objekten, organisational durch neue Arten der Unternehmensorganisation, Beschäftigungsformen und Geschäftsmodelle wie auch sozial

durch mehr Inklusion und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Diesen Chancen stehen aber auch Risiken gegenüber – und diese Risiken liegen vor allem in der wachsenden Gefahr durch CyberAngriffe. So, wie die durchgehend digitalisierte Gesellschaft bislang ein Zukunftsszenario ist, ist auch der umfassende, Infrastrukturen und Institutionen lahmlegende oder zerstörende Cyber-Angriff ein Zukunftsszenario. Aber er ist möglich und wir müssen auf ihn vorbereitet sein. Der Grundsatz der Informationssicherheit als Voraussetzung einer erfolgreichen Digitalisierung gilt heute und zukünftig mehr als vor dreißig Jahren bei der Gründung des BSI. Es verfügt derzeit auf der Basis seiner technisch tiefgehenden Expertise als Thought Leader in Sachen Cyber-Sicherheit über eine integrierte Wertschöpfungskette von der Beratung über die Entwicklung sicherheitstechnischer Lösungen, der Abwehr von Angriffen auf die Cyber-Sicherheit bis hin zur Standardisierung und Zertifizierung. Auf dieser Basis konnten wir beachtliche Erfolge verbuchen. Dazu zählt die für die Cyber-Abwehr “ohne Grenzen” so wichtige internationale Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in Europa und die Mitarbeit des BSI an einheitlichen europäischen Regulierungen der Cyber-Sicherheit. Dazu zählt die Aufnahme des digitalen Verbraucherschutzes in das IT-Sicherheitsgesetz 2.0, die das nun ausbaut, was das BSI unter dem Dach “BSI für Bürger” mit vielfältigen Angeboten für die Privatanwender bereits praktiziert. Und dazu zählt die enge Zusammenarbeit, die das BSI mit seinen föderalen Partnern durch das Nationale Verbindungswesen und zahlreiche Memoranda of Understanding pflegt.

Zukunftsthemen im Blick Doch auf dieser Basis können wir nicht nur unsere Bestandsthemen in Breite und Tiefe bearbeiten, sondern auch Zukunftsthemen

arbeiter, die über den Tellerrand sehen und mit hoher fachlicher Kompetenz und Leidenschaft an ihren Aufgaben arbeiten. Unter Beweis stellen konnten BSI-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Fähigkeiten beispielsweise bereits

“Deutschland.Digital.Sicher.BSI” sollte das weltweit anerkannte Gütezeichen Deutschlands im digitalen Zeitalter sein.

Arne Schönbohm ist Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Foto: BS/BSI

angehen: Künstliche Intelligenz (KI), die sichere Ausstattung mit 5G, Cyber-Sicherheit der Verwaltung, autonomes Fahren oder die weitere Absicherung der Kritischen Infrastrukturen. Gerade für den Einsatz von KI hat das BSI aktuell mit dem neuen Kriterienkatalog für KIbasierte Cloud-Dienste (Artificial Intelligence Cloud Services Compliance Criteria Catalogue, AIC4) eine wichtige Grundlage geschaffen, um die Sicherheit von KI-Systemen bewerten zu können. Der AIC4 des BSI definiert erstmals ein Basisniveau an Sicherheit für KI-basierte Dienste, die in Cloud-Infrastrukturen entwickelt und betrieben werden. Ein vergleichbar einsetzbarer Prüfstandard für sichere KI-Systeme existiert derzeit nicht. Mit dem AIC4 nimmt das BSI eine führende Rolle bei der

Absicherung von KI-Anwendungen ein. Dies ist ein Beispiel dafür, wie sich das BSI mit der gleichen Dynamik und Innovationskraft wie die Digitalisierung stetig weiterentwickelt. Und das muss es auch, um die Digitalisierung erfolgreich sicher zu gestalten. Es muss seine Vernetzung mit allen anderen Akteuren in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands ausbauen, es muss internationale Kooperationen fördern und forcieren, es muss für die Bürgerinnen und Bürger noch sichtbarer werden als Ansprechpartner in Sachen CyberSicherheit – und es muss sich selbst immer wieder herausfordern, damit es allen diesen Aufgaben gerecht werden kann. Dafür braucht es intrinsisch motivierte Mitarbeiterinnen und Mit-

ihrer Produkte und Anwendungen eine geschäftliche Chance sehen, wenn Angriffe auf die IT-Infrastruktur erfolgreich abgewehrt und ganze Angreifer-Infrastrukturen wie bei Emotet zerschlagen werden konnten, dann ist das auch mit ein Resultat dieses soliden Fundaments und seiner Umsetzung durch das BSI. Denn es gilt: “Made in Germany” war einmal das weltweit anerkannte Gütezeichen für exzellente Technik und herausragende Qualität Deutschlands im Industriezeitalter. Gütezeichen im digitalen “Deutschland.Digital.Sicher.BSI” sollZeitalter te das weltweit anerkannte GüteDafür braucht es eine agile Orga- zeichen Deutschlands im digitalen nisation, in der alle Beteiligten aktiv Zeitalter sein. Das BSI unterstützt und anpassungsfähig sind, offen für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Neues, bereit, bremsende Struktu- auf dem Weg in eine sichere digitale ren zu lösen und Kästchendenken Zukunft. aufzubrechen, auch und gerade um die anstehende räumliche Diversifizierung zu bewältigen. Dafür braucht es aber auch die Unterstützung der Politik. Durch Die Digitalisierung das IT-Sicherheitsgesetz von 2015, wartet nicht auf uns. Wir durch die NIS-Richtlinie und durch im BSI stehen daher vor der das sich momentan im parlamenHerausforderung, Cybertarischen Verfahren befindende Sicherheit am Puls der Zeit IT-Sicherheitsgesetz 2.0 hat der mitzugestalten. Diese HeGesetzgeber ein solides rechtliches rausforderung macht meine Fundament für die Arbeit des BSI Arbeit jeden Tag aufs Neue geschaffen. Dieses Fundament und spannend. Die Aufgabe die damit verbundenen Aktionsmeines Teams ist es, die und Durchgriffsmöglichkeiten des BSI – gerade auch in den Kritischen Amtsleitung insbesondere mehrfach auf der Conference on Cryptographic Hardware and Embedded Systems (CHES). Sie ist die weltweit größte und renommierteste hardwarenahe Kryptografietagung. In ihrem Vorfeld findet in jedem Jahr ein internationaler, prestigeträchtiger wissenschaftlicher Wettbewerb statt: die CHESChallenge. Unter Zuhilfenahme von KI-Methoden belegte ein BSI-Team 2018 in zwei Einzeldisziplinen den ersten Platz, 2020 trug es den Gesamtsieg davon.

Das BSI in Zahlen und Fakten • Gegründet am 1. Januar 1991 unter Gründungpräsident Dr. Otto Leiberich • Amtssitz: Bonn • Standort: Freital (2019) • Stützpunkt: Saarbrücken (2021) • Budget/Haushalt 2021: 197,16 Millionen Euro • Stellen gesamt: 1.550,7

Cyber-Abwehr in den Bundesnetzen (Juni 2019 – Mai 2020)

Neueinstellungen nach Fachrichtungen 2020

Meldungen vom CERT-Bund (2020)

Mathematik: 3 % Informatik: 34 % Natur- und Ingenieurwissenschaften: 14 % Technik: 10 % Verwaltungswissenschaften: 13 % Wirtschaftswissenschaften: 14 % Rechtswissenschaften: 2 % Kommunikations- und Medienwissenschaften: 6 % Politikwissenschaften: 3 % Keine Ausbildung: 1 %

Infrastrukturen – helfen dabei, das Thema Cyber-Sicherheit in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. Wenn Bürgerinnen und Bürger heute die Cyber-Sicherheit ihrer IT-Geräte ernster nehmen, wenn Unternehmen in der IT-Sicherheit

• 52.000 maliziöse Webseiten gesperrt. • Monatlich durchschnittlich 35.000 Schadprogramm-Angriffe auf die Bundesverwaltung abgewehrt • Monatlich durchschnittlich weitere 4.900 Schadprogramm-Angriffe detektiert und an die betroffenen Behörden gemeldet • Anteil unerwünschter SPAM-Mails: 76 %. • Mehr als 47.000 in Deutschland gehostete, kompromittierte E-MailKonten an die zuständigen Netzbetreiber/Provider gemeldet. • Mehr als 16 Millionen Schadprogramm-”Tagesinfektionen” in Deutschland an die zuständigen Netzbetreiber/Provider gemeldet. Eine Tagesinfektion entspricht dabei einer Kombination von IP-Adresse und Schadprogramm-Familie pro Tag.

bei strategischen Entscheidungen zu beraten. Dafür unterstützen wir bei der Entwicklung von steuerungsrelevanten Messgrößen und Zielformulierungen. Wir streben nach kontinuierlicher Verbesserung und möglichst effektivem Einsatz der BSIRessourcen zur Steigerung der Cyber-Sicherheit in Deutschland.

Common-Criteria-Zertifizierungen (Juni 2019 – Mai 2020)

• Das BSI stellte 63 Produkt-, 25 Standort- und 9 Schutzprofilzertifikate aus. • 77 Verfahren nach Technischen Richtlinien wurden in 12 Prüfbereichen abgeschlossen, davon 47 Erst- und Rezertifizierungen, 23 Maintenance-Verfahren und 7 Überwachungsaudits. • 112 Verfahren im Bereich des IT-Grundschutzes wurden erfolgreich abgeschlossen, davon 43 ISO-27001-Zertifikate auf Basis von IT-Grundschutz und 69 Überwachungsaudits.

Dr. Ewa Lux, Leiterin Stab 2, Strategisches Controlling und Innenrevision Foto: BS/BSI


30 Jahre BSI

II

Innovations-Hub für die Cyber-Sicherheit Das BSI wird als Gestalter der sicheren Digitalisierung gestärkt (BS) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik wird rechtlich und personell gestärkt – ein Signal dafür, dass die Cyber-Sicherheit als entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung erkannt ist. Mit dem Vizepräsidenten Dr. Gerhard Schabhüser sprach Benjamin Stiebel über neue Aufgaben, Personalaufbau und Innovationskultur des BSI.

B

ehörden Spiegel: Herr Dr. Schabhüser, mit dem lang erwarteten IT-Sicherheitsgesetz 2.0 soll das BSI neue Aufgaben und Kompetenzen erhalten. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Neuerungen? Dr. Schabhüser: Das Gesetz stärkt uns in unserem Anspruch, sichere Digitalisierung in Deutschland zu gestalten. Aufgaben wie der digitale Verbraucherschutz, die Einführung des IT-Sicherheitskennzeichens, die geplante Ausweitung der KRITIS-Bestimmung oder aber die Kontrollbefugnis des BSI zu Bundessicherheitsstandards in der Bundesverwaltung sind für uns positive Entwicklungen und stärken uns in unserer Rolle, die Cyber-Sicherheitsbehörde des Bundes zu sein. Behörden Spiegel: Die CyberSicherheit ist ein besonders dynamisches Aufgabenfeld. Dazu will es nicht ganz passen, wenn die Anpassung gesetzlicher Grundlagen Jahre auf sich warten lässt, wie beim IT-Sicherheitsgesetz 2.0 der Fall. Wie schaffen Sie es trotzdem, schnell auf technische Entwicklungen und neue Bedrohungen zu reagieren? Dr. Schabhüser: Ich sehe das BSI eher als Innovations-Hub und weniger als eine normale Behörde. Unsere Stärke ist es, IT-Sicherheitsthemen gebündelt fachlich zu analysieren und Angebote für die unterschiedlichsten Zielgruppen in den Bereichen Prävention, Detektion und Reaktion abzuleiten. Wir sprechen von der integrierten Wertschöpfungskette des BSI. Ein Beispiel: Wenn wir Erkenntnisse aus der Cyber-Abwehr zu Angriffsmethoden sammeln, dann fließen diese unmittelbar wieder in die Prävention zurück – also in Standards, technische Richtlinien und in konkrete zielgruppenspezifische Empfehlungen. Kurz gesagt: Bei uns greifen die Rädchen durch umfassendes Know-how, kurze Wege und schnelle Umsetzung ineinander und das funktioniert sehr gut – auch in der Corona-Zeit. Behörden Spiegel: InnovationsHub zu sein entspricht nicht ganz dem typischen Bild, das man sich von einer oberen Bundesbehörde machen würde. Haben Sie ein spezielles Rezept, um sich die dafür notwendigen Freiheiten zu verschaffen? Dr. Schabhüser: Im Wesentlichen liegt das in der Kultur des BSI. Wir wollen gestalten und haben den gestalterischen Willen dafür. Das drückt sich darin aus, dass wir unsere Kolleginnen und Kollegen typischerweise nicht an Themen setzen müssen, sondern dass diese von ihnen eigenständig aufgegriffen werden. Der zweite Erfolgsfaktor ist unsere Kultur des offenen Diskurses und der technischen Expertise. Diese Kultur hilft, uns immer wieder vor Augen zu führen, wo unsere Stärken liegen und wo wir uns verändern müssen. Dazu kommt, dass unsere Mitarbeitenden sich tagtäglich mit innovativen Technologien und sicherer Digitalisierung beschäftigen. Auch im privaten Umfeld sind viele deutlich weiter, als es in Behörden und auch in manchen Unternehmen typisch ist. Wir müssen unsere Kolleginnen und Kollegen also nicht ziehen, sondern sie selbst treiben das BSI, sich fortzuentwickeln. Gleichzeitig sorgen wir aber auch für hinreichende Freiräume und schaffen Fortbildungsangebote. Zudem kümmern wir uns um den Forecast. Dazu haben wir in unserer Abteilung “Technikkompetenzzen-

Dr. Gerhard Schabhüser ist der Vizepräsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Foto: BS/BSI

tren” einen Trend- und Prognoseprozess aufgesetzt, mit dem wir analysieren, welche Themen in den nächsten Jahren kommen und bei welchen wir eventuell Schwerpunkte setzen und unser Know-how ausbauen müssen.

gestalten und dabei etwas Gutes für die Gesellschaft zu tun. Es läuft natürlich nicht alles von selbst. Wir werben aktiv, um auf uns als Arbeitgeber aufmerksam zu machen. Was auch eine große Rolle spielt, sind unsere kurzen Reaktionszeiten. Nach Vorstellungsgesprächen bekommen die Bewerberinnen und Bewerber typischerweise nach zwei bis drei Tagen eine Rückmeldung und wir bleiben weiter in Kontakt. Mitarbeitende unterzubringen. Das Das heißt, wir warten nicht, bis irharmoniert mit unserer Personal- gendwann die Sicherheitsprüfung gewinnung. Bisher haben wir 34 durch ist oder Kündigungsfristen Kolleginnen und Kollegen in Freital abgelaufen sind, sondern wir betreigewinnen können. Weitere 29 ha- ben schon früh ein Pre-Onboarding, ben bereits unsere Zusage erhalten um vom Vorstellungsgespräch bis und werden demnächst anfangen. zum ersten Arbeitstag eine Bindung Zusätzliche Stellenausschreibungen aufzubauen. laufen, sodass ich davon ausgehe, Behörden Spiegel: Was müssen dass wir bis Ende 2022 die Personalgewinnung wie geplant abge- Bewerberinnen und Bewerber mitbringen? schlossen haben werden.

Behörden Spiegel: Zwei aktuelle Schwerpunkte des BSI sind Künstliche Intelligenz (KI) und digitaler Verbraucherschutz, die Sie jetzt insbesondere am geplanten neuen Stützpunkt in Saarbrücken adressieren wollen. Wa- Behörden Spiegel: Hat sich die rum Saarbrücken und warum diese Corona-Pandemie bremsend auf den Aufbau ausgewirkt? beiden Themen? Dr. Schabhüser: Die Universität Saarbrücken und die ortsansässigen Forschungsinstitute, also zum Beispiel das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) oder das Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit (CISPA), betreiben international anerkannte Forschung im Bereich der ITSicherheit und von KI. Damit bietet der Standort dem BSI die Chance, sich intensiv fachlich zu vernetzen. Der neue Stützpunkt wird im Sommer eröffnet und ergänzt die bisherigen Aktivitäten unseres KIKompetenzzentrums in Bonn. Wir haben bereits eine Verbindungsperson vor Ort, um uns zu vernetzen. Nach und nach bauen wir dort zwei Referate mit 30 Mitarbeitenden auf. Die Ergebnisse ihrer Arbeit bringen wir dann direkt beim digitalen Verbraucherschutz ein. Das wesentliche Stichwort für uns ist vertrauenswürdige KI. Es geht um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die entsprechenden Anwendungen. Dazu wollen wir zum Beispiel vertrauensbildende Maßnahmen im Sinne von Zertifizierungsverfahren befördern. Behörden Spiegel: Im letzten Jahr hatten Sie bereits einen zweiten Dienstsitz in Freital bei Dresden eröffnet. Wie steht es dort um den Aufbau? Dr. Schabhüser: Am Standort Freital profitieren wir von der Nähe des Innovationsstandorts Dresden und können damit Trends frühzeitig erkennen und unseren Beitrag zum Wissenstransfer im Bereich der Cyber-Sicherheit leisten. Wir haben ein großes Interesse, mit dem Freistaat Sachsen noch enger zusammenzuarbeiten. Gerne wollen wir ein integraler Bestandteil des Silicon Saxony werden. Wir befassen uns dort unter anderem mit der ITSicherheit im Zusammenhang mit 5G und wollen konkrete Handlungsempfehlungen entwickeln. Der Aufbau läuft sehr gut, wir haben Räumlichkeiten allokiert, um bis Ende des Jahres 100 Mitarbeitende und zum Ende 2022 alle 200

Behörden Spiegel / April 2021

Informatikerinnen, Techniker, Naturund Ingenieurswissenschaftlerinnen und Mathematiker – die machen auch ungefähr die Hälfte unserer Neueinstellungen aus. Wir haben aber auch sehr viele Verwaltungswissenschaftlerinnen, Wirtschaftswissenschaftler, Rechtswissenschaftlerinnen, aber auch Medien- und Kommunikationsexperten. Das ist ganz wichtig, um zum Beispiel technische Expertise auch zielgruppengerecht rüberzubringen. Was müssen die Mitarbeitenden noch mitbringen? Drei Dinge. Erstens Lernbereitschaft und Interesse an Neuem. Zweitens das Brennen für das Thema Informationssicherheit in der Digitalisierung. Und drittens gestalterischen Willen. Alles andere darum herum kann man lernen. Behörden Spiegel: Anlässlich des 30. Geburtstags des BSI würden wir gerne wissen, was Sie sich für die Zukunft des Bundesamtes wünschen. Dr. Schabhüser: Ganz einfach: Das BSI möge seine offene Diskussionskultur und hohe fachliche Kompetenz beibehalten. Ich will weiter Innovations-Hub bleiben und nicht unbedingt eine normale Behörde werden. Dazu gehört, dass wir unsere in dreißig Jahren erarbeitete Mitarbeitenden-Kultur weiterentwickeln und pflegen. Die brauchen wir nämlich, um unsere zentrale Rolle als Cyber-Sicherheitsbehörde des Bundes fortzuentwickeln.

Dr. Schabhüser: Wo das BSI aufgehängt wird, ist eine politische Frage, die wir nicht beantworten können. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig. Das BSI versteht sich als Behörde, die Informationssicherheit als Dienstleistung für alle Digitalisierungsvorhaben der Bundesverwaltung anbietet.

Als Sachbearbeiter im BSI stehe ich den Prüfstellen und IT-Sicherheitsdienstleistern als Ansprechpartner rund um das Thema Zertifizierung und Anerkennung zur Verfügung. Bereits während meines Studiums habe ich mich mit IT-Sicherheit beschäftigt und hiermit Berührungspunkte gehabt. Damit verbunden ist das BSI als die nationale Cyber-Sicherheitsbehörde für mich der ideale Arbeitgeber. Die Arbeit im BSI ist sehr vielfältig und sogar für mich als Betriebswirtschaftler gibt es unzählige Einsatzmöglichkeiten innerhalb der Behörde.

Behörden Spiegel: Es wird ja immer wieder diskutiert, ob das BSI als fachgebietsübergreifend arbeitende Behörde aus der Fachaufsicht Dr. Schabhüser: Wer an das des Bundesministeriums des Innern Bundesamt für Sicherheit in der herausgelöst werden sollte. In der Informationstechnik denkt, glaubt nächsten Legislaturperiode könnte wahrscheinlich, hier sitzen nur In- ein Digitalministerium geschaffen Aryan Tayefeh Noruzi, Referat SZ 12, Dr. Schabhüser: Das war tatsäch- formatiker, Elektrotechnikerinnen werden – wäre das BSI aus Ihrer Sicht Anerkennung und Zertifizierung von lich eine große Sorge, die sich aber oder Nachrichtentechniker. Das ist in so einem neuen Ressort besser Stellen und Personen Foto: BS/privat nicht bewahrheitet hat. Wir haben aber nicht so. Natürlich brauchen wir aufgehoben? es sehr gut geschafft, unsere Personalgewinnung auf virtuelle Formate umzustellen. Anfangs waren wir unsicher, ob das gut funktionieren kann, aber tatsächlich haben sich die Einstellungszahlen eher positiv fortentwickelt. Der OnboardingProzess gestaltet sich jedoch wirklich ein bisschen schwieriger. Wir hatten (BS/Dr. Guillaume Poupard) Es ist nicht mehr nötig, die Beständigkeit des Vertrauensvervorgesehen, die neuen Kolleginnen hältnisses, das Deutschland und Frankreich auf politischer, industrieller oder europäischer und Kollegen für eine EinarbeitungsEbene verbindet, zu belegen. Die Cyber-Sicherheit hat sich in jüngster Zeit als eine wesentliche phase zwischen zwei und sechs Mogemeinsame Herausforderung erwiesen und bietet ein besonders ergiebiges Feld für eine naten nach Bonn zu holen. Das ist Zusammenarbeit. aufgrund der Reisebeschränkungen und der Pandemie-bedingten Phi- Als führende Akteure auf dem Sicherheit eine wichtige Ebene und demie hat es darüber hinaus auch losophie, eher im Homeoffice zu Gebiet der Cyber-Sicherheit und einen unverzichtbaren Vektor reprä- ermöglicht, wichtige, von der ANSarbeiten, so nicht möglich gewe- Cyber-Abwehr auf beiden Seiten sentiert, setzen sich die ANSSI und SI in vollem Umfang unterstützte sen. Wir haben natürlich auch hier des Rheins stellen die ANSSI und das BSI häufig Seite an Seite für Themen voranzubringen, wie zum digitale Formate eingeführt und das BSI zahlreichen Nutznießern ihr die Förderung der Cyber-Sicherheit Beispiel die Cyber-Sicherheit der Video-Conferencing nicht nur für fundiertes Fachwissen und ihre ope- und die digitale Souveränität Eu- europäischen Institutionen oder dienstliche Zwecke, sondern auch rativen Fähigkeiten zur Verfügung. ropas ein. Dabei geht es vor allem die Überarbeitung der NIS-Richtfür den privaten Kontakt etabliert. Beide Organisationen eint dieselbe darum, zum Entstehen eines ver- linie. Auch die Veröffentlichung Aber das ist schon etwas anderes, Priorität: die Cyber-Sicherheit ihrer trauenswürdigen, sicheren und har- des dritten deutsch-französischen als wenn ich die Menschen direkt vor jeweiligen Nation durch den Schutz monisierten digitalen Ökosystems IT-Sicherheitslagebilds – Common Ort habe, weil so die Einarbeitung öffentlicher Akteure, Betreiber Kri- beizutragen. So wird gemeinsam Situational Picture – im Dezember und Integration in die BSI-Kultur tischer Infrastrukturen, aber auch daran gearbeitet, die mit der Lie- 2020 ist ein perfektes Beispiel für schwerer fällt. Den bisherigen Rück- der breiten Öffentlichkeit. Auf der ferkette verbundenen Risiken zu die Bündelung unserer Ressourcen meldungen der neuen Kolleginnen Grundlage der Symmetrie in ihren begrenzen, Cloud-Technologien und zum Zweck der Sensibilisierung. und Kollegen zufolge sind sie aber Rollen und unterstützt durch die 5G-Mobilfunknetze zu sichern, BeAn dieser Stelle möchte ich zum sehr zufrieden. Bande der deutsch-französischen treiber von kritischen Diensten zu Ausdruck bringen, wie stolz ich als Freundschaft pflegen das BSI und schützen etc. Generaldirektor der ANSSI bin, jeden Behörden Spiegel: Der Stellen- die ANSSI über das gesamte Spek­ Tag Hand in Hand mit allen Teams EU-Maßnahmen pool des BSI hat sich in wenigen trum ihrer Missionen eine besonders dieser großartigen Institution, des ­vorangebracht Jahren mehr als verdoppelt, im IT- fruchtbare Arbeitsbeziehung, sei es BSIs, zu arbeiten. Gemeinsames Sicherheitsgesetz 2.0 sind nun noch auf dem Gebiet der BedrohungsanaDie deutsch-französische Partner- Fachwissen und eine sehr ähnliche einmal mehrere hundert neue Stellen lyse, Vorfallsreaktion, beim Krisen- schaft hat bereits einen wesent- Sichtweise auf die digitale Technovorgesehen. Wie kann man Zuwachs management oder auch im Hinblick lichen Beitrag zur Definition von logie und die damit verbundenen in dieser Größenordnung überhaupt auf die Bewertung von Produkten Maßnahmen geleistet, welche die Sicherheitsfragen sind die Säulen stemmen? und Dienstleistungen im Bereich Europäische Union ergriffen hat, unserer Zusammenarbeit, die wir der Cyber-Sicherheit. um den Herausforderungen die- für alle Organe des BSI und der Dr. Schabhüser: Es wird ja immer Da sie die Erkenntnis teilen, dass ser Problematik zu begegnen, sei ANSSI, von den Einsatzkräften über gejammert, der Arbeitsmarkt für IT- die Europäische Union bei der all- es die Einführung eines europäi- die Unterstützungsdienste bis hin Fachkräfte sei abgegrast. Das stimmt gemeinen Verbesserung der Cyber- schen Zertifizierungssystems, die zu den Entscheidungsebenen, aufauch, aber nicht für das BSI. Nach Verabschiedung rechterhalten müssen. derzeitiger Planung werden wir fast 2021 ist ein entscheidendes Jahr für der Richtlinie zur alle Stellen inklusive des Haushalts Netz- und Infor- das BSI, das anlässlich des 17. Deut2020 bis Ende 2021 besetzt haben. mationssicherheit schen IT-Sicherheitskongresses sein Dr. Guillaume Poupard ist Davon abzuziehen ist eine Fluktuaoder – in jüngster 30-jähriges Bestehen feiern wird. Die Generaldirektor der Agence tionsrate von fünf bis zehn Prozent, Zeit – der Vorschlag ANSSI und alle ihre Vertreter schlienationale de la sécurité des die aber durchaus gewollt ist, weil für die 5G-Toolbox. ßen sich meinen Glückwünschen zu systèmes d‘information auch immer frische Talente dazuDie aktuelle deut- diesem Jubiläum an, das die Tür (ANSSI). Foto: BS/ANSSI kommen sollen. Warum haben wir sche EU-Ratsprä- zu dreißig weiteren Jahren enger, da keine Schwierigkeiten? Weil wir sidentschaft vor einzigartiger und unverzichtbarer superspannende Themen haben dem Hintergrund deutsch-französischer Zusammenund die Möglichkeit geben, aktiv zu der Covid-19-Pan- arbeit öffnet!

Auf beiden Seiten des Rheins ANSSI und BSI im Schulterschluss für die Cyber-Sicherheit


30 Jahre BSI

Behörden Spiegel / April 2021

In der Fläche stark Im Kampf für mehr Cyber-Sicherheit baut das BSI auf Kooperation (BS/Thomas Petersdorff) Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Technifizierung steigen die Qualität und Quantität von Cyber-Angriffen kontinuierlich. Und weil der Cyber Space schrankenlos ist, machen Gefährdungen der IT-Sicherheit nicht an den Grenzen von Bund und Ländern halt. Um auch in der Fläche gerüstet zu sein, hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Jahr 2017 das Nationale Verbindungswesen ins Leben gerufen. Dessen Ziel: Kompetenzen, Ressourcen und Fähigkeiten bündeln. Doch die Kooperation mit den Ländern geht noch weiter.

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ls Cyber-Sicherheitsbehörde des Bundes ist es eine der zentralen Aufgaben des BSI, die Bedingungen für ein einheitlich hohes IT-Sicherheitsniveau in Deutschland zu schaffen. Dafür bestehen heute auf strategischer, beratender und auch operativer Ebene erprobte Strukturen, mit denen das BSI seine zahlreichen Partner bundesweit unterstützt. Eine von ihnen ist das Nationale Verbindungswesen, das die Beziehung der Bundesbehörde zu den Mitstreitern auf Landesebene, mit Sicherheitsbehörden und weiteren Zielgruppen gestaltet. Alles begann damit, dass die Kompetenzen des BSI Mitte des letzten Jahrzehnts sukzessiv ausgeweitet wurden. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit (NIS-RL) am 30. Juni 2017 forcierte das BSI die engere Zusammenarbeit mit den Ländern. In diesem Zuge entstand auch das Nationale Verbindungswesen. Was im 2017 mit einem ersten Pilotbüro in den Räumlichkeiten des Bundeskriminalamtes (BKA) im Rhein-Main-Gebiet seinen Anfang nahm, hat heute – nur vier Jahre später – Ableger verteilt über das gesamte Bundesgebiet. Inzwischen zählt das Nationale Verbindungswesen sechs Dependancen mit Sitz in Berlin, Bonn, Freital bei Dresden, Hamburg, Stuttgart und Wiesbaden. Als zentraler Ansprechpartner für alle 16 Bundesländer agieren die Verbindungspersonen des BSI als Multiplikatoren der IT-Sicherheit in Deutschland. Den kurzen Draht zur EU-Ebene hält eine weitere Verbindungsperson in Brüssel aufrecht. Konkret besteht die Aufgabe der Verbindungspersonen darin, die Vernetzung des BSI voranzutreiben und die Kooperation des Hauses mit Stakeholdern aus Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu vertiefen. So sollen Doppelstrukturen auf Länderebene vermieden und ein einheitlicher IT-Sicherheitsstandard deutschlandweit etabliert werden. “Für mich ist klar, dass die Gestaltung von Cyber-Sicherheit in der Digitalisierung nur durch einen gemeinsamen Ansatz von Bund und Ländern zum Erfolg führen kann”, erklärt Horst Samsel, Leiter der für das Nationale Verbindungswesen verantwortlichen Abteilung Beratung für Bund, Länder und Kommunen im BSI. Für ihn steht fest: “Wenn wir wirksam Cyber-Sicherheit in Deutschland gewährleisten wollen, müssen wir eng zusammenarbeiten

Grafik: BS/B. Dach unter Verwendung von Porcupen, stock.adobe.com Quelle: BSI

Die Verbindungspersonen Michael Amler (Berlin), Michaela Neumann (West), Ariane Steinke (Nord), Philipp Gebhard (Süd), Lena Höfig (Rhein-Main) und Michael Le (Berlin) (v. l.) im Dialog, hier 2019 in der Dienstliegenschaft Godesberger Allee in Bonn. Foto: BS/BSI

müssen wir Kompetenzen, Ressourcen und Fähigkeiten bündeln.”

Gemeinsam erfolgreich sein Im föderalen Kontext der Bundesrepublik geschieht das zwangsläufig individuell und den teils sehr heterogenen Gemengelagen vor Ort angepasst: Aufgrund des regionalen Zuschnitts der Verbindungsstellen ist es dem BSI dabei möglich, die lokal unterschiedlich gelagerten Bedarfe zu erkennen und gezielt auf die Interessen seiner Zielgruppen einzugehen. Ein Beispiel: Der Freistaat Sachsen, wo die Themenbereiche digitaler Verbraucherschutz und Sicherheit beim Mobilfunkstandard 5G im Vordergrund stehen. Thomas Popp, Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung sowie CIO des Freistaates, lobt das BSI für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit: “Seit seiner Gründung vor 30 Jahren hat sich das BSI zu einem Kompetenzzentrum für Fragen der Informationssicherheit mit grenzüberschreitendem Renommee entwickelt. Das BSI steht auch dem Freistaat Sachsen als verlässlicher Partner im Kampf gegen die CyberKriminalität zur Seite und ist mit einem eigenen Standort in Freital direkt vor Ort vertreten. Hier sollen vor allem die Zukunftsthemen digitaler Verbraucherschutz und 5G-Sicherheit bearbeitet werden.

Wir im Freistaat Sachsen können stolz darauf sein.” Ähnlich positiv fällt die Resonanz auch in anderen Regionen aus. “Die Bedrohungen aus dem Cyber-Raum bedeuten vielschichtige Herausforderungen, denen wir uns über alle Länder- und Staatengrenzen hinaus gemeinsam und dynamisch stellen müssen”, betont der niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, dessen BSI-Kontakt die 2019 in Betrieb genommene Verbindungsstelle Nord in Hamburg ist. “Wir haben in Niedersachsen sehr gute Erfahrungen mit dem Nationalen Verbindungswesen des BSI gemacht und ich begrüße es sehr, wenn dieses ausgebaut wird. Mit dem BSI als starkem und kompetentem Partner an unserer Seite sehe ich uns für die Zukunft der Cyber-Sicherheit gut gewappnet.” Zustimmung kommt aus der Landeshauptstadt Stuttgart, deren Verbindungsstelle nur eine Woche nach der Niederlassung in der Hansestadt ihren Betrieb aufgenommen hat. Thomas Strobl, Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg, hatte sich seinerzeit selbst für die Einrichtung der Verbindungsstelle Süd in Stuttgart verwendet. “Wer viel hat, kann viel verlieren. Und je mehr wir digitalisieren, umso größer wird auch unsere Angriffsfläche im Cyber-Raum”, erklärt er. “Um Cyber-Angriffe effektiv

zu bekämpfen, vernetzen wir uns auf allen Ebenen. Darum habe ich mich für die Einrichtung der BSIVerbindungsstelle Süd in Stuttgart

III

eingesetzt. Und deshalb stellen wir in Baden-Württemberg eine eigene Cyber-Sicherheitsagentur auf, die eng und vertrauensvoll mit dem BSI zusammenarbeiten soll. Nur gemeinsam werden wir die Herausforderung meistern, Sicherheit auch im Cyber-Raum zu gewährleisten”, so Strobl. Dabei geht die enge Zusammenarbeit, die das BSI mit seinen föderalen Partnern unterhält, insbesondere mit den Ländern deutlich weiter. Sie schlägt sich auch in den Absichtserklärungen (“Memoranda of Understanding”) zur Kooperation nieder, die inzwischen mit elf Bundesländern geschlossen wurden. Dafür wurden Themen für die Zusammenarbeit gemeinsam identifiziert und entsprechende Projekte gemeinsam umgesetzt. Hierzu zählen z. B. Hospitationen in unterschiedlichen Bereichen des BSI oder die Durchführung von Penetrationstests bei besonders kritischen Anwendungen. Abgerundet wird das Portfolio durch umfassende Beratungsleistungen, beispielsweise beim Aufbau eines Informationssicherheitsmanagementsystems (ISMS), und konkrete Unterstützungsprojekte. Als gesamtstaatliche Aufgabe ist Cyber-Sicherheit eine Herausforderung für alle föderalen Partner und auf allen Ebenen. Darum will das BSI den kooperativen und komplementären Ansatz künftig noch weiter fortentwickeln.

Im August 2012 begann ich, beim BSI in Bonn zu arbeiten. Im Januar 2020 habe ich meinen Dienst- und Wohnort nach Freital verlagert, um den Aufbau des zweiten Dienstsitzes vor Ort zu koordinieren. Diese Chance, völlig neue, spannende Aufgaben in einer ganz anderen Stadt wahrzunehmen, hat mich sehr gereizt. Eine neue Dienstliegenschaft für 200 Mitarbeitende ist ein bedeutender Meilenstein für das immer größer werdende Aufgabenspektrum des BSI und zeigt die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten hier bei uns.

Joshu Wiebe, Stellvertretender Leiter der Projektgruppe Aufbaustab Standort Sachsen F oto: BS/headshots.de

Cyber-Sicherheit in der EU Bewusstsein schaffen, Fortschritte messen, Kompetenzen fördern (BS) 2019 hat die Agentur der Europäischen Union für Cyber-Sicherheit (ENISA) mit dem Cyber Security Act neue Kompetenzen und Mittel erhalten, um das Cyber-Sicherheitsniveau in der EU zu verbessern. ENISA-Direktor Juhan Lepassaar spricht über aktuelle Risiken, einen geplanten Index für Cyber-Sicherheit und kommende einheitliche Zertifizierungsschemata für die EU. Behörden Spiegel: Herr Lepassaar, was sind die aus Ihrer Sicht zurzeit dringlichsten Probleme im Hinblick auf Cyber-Sicherheit in der Europäischen Union und wie wird die ENISA zu ihrer Bewältigung beitragen? Lepassaar: Bei der Agentur der Europäischen Union für Cyber-Sicherheit stellen wir fest, dass sich die Cyber-Landschaft weiterentwickelt und komplexer wird. Die ENISA-Bedrohungslandschaft 2020 hat gezeigt, dass von Malware nach wie vor die größte Cyber-Bedrohung in der EU ausgeht, während die Anzahl der Phishing-Vorfälle, Identitätsdiebstahl und der Einsatz von Ransomware zugenommen haben. Die in der gesamten Wirtschaft stattfindende Digitalisierung hat sich während der Corona-Pandemie beschleunigt und in der Folge kam es verstärkt zu Angriffen auf Privathaushalte, Unternehmen, staatliche Einrichtungen und Kritische Infrastruktur. In den ersten Wochen der Gesundheitskrise verzeichneten wir eine Zunahme der Phishing-Angriffe um 676 Prozent. Während der Pandemie hat sich die Agentur für eine umfassendere Cyber-Hygiene und Cyber-Sicherheit eingesetzt: Sie hat ihren Partnern der Schärfung des Situationsbewusstseins dienende Berichte über Cyber-Zwischenfälle und -Angriffe zur Verfügung gestellt und Empfehlungen für den Schutz kritischer Bereiche wie z. B. des Gesundheitswesens gegeben. Eine zweite Frage, die sich ergeben hat, ist die Notwendigkeit der Messung des Cyber-Sicherheitslevels in der EU und ihren Mitgliedsstaaten. Dies ist keine leichte Aufgabe, aber unerlässlich für qualitative Erkenntnisse und vorausschauendes Handeln im Bereich Cyber-Sicherheit. Die ENISA entwickelt derzeit einen Index für Cyber-Sicherheit, der neben quantitativen und qualitativen Elementen auch Aspekte wie den Grad der Richtlinieneinhaltung, Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau, Mitwirkung an Forschungs-

heits-Zertifizierungsschemata erhöhen die Vertrauenswürdigkeit von IKT-Produkten und -Dienstleistungen. Die Verbraucher müssen in der Lage sein, das Sicherheitslevel der von ihnen genutzten Produkte und Dienstleistungen zu beurteilen. Eine wichtige politische Dimension des digitalen Binnenmarkts besteht darin, die europäischen Behörden an einen Tisch zu bringen, um den EU-Rahmen zu unterstützen. Zu den Vorteilen zählen neben Kostensenkungen durch gemeinsame Anstrengungen auch EU-weite Wachstumschancen im Hinblick Juhan Lepassaar ist Direktor der auf Konformitätsbewertung sowie Agentur der Europäischen Union Produkt- und Dienstleistungsentfür Cyber-Sicherheit (ENISA). wicklung. Foto: BS/ENISA Bislang hat die ENISA Anfragen im Zusammenhang mit drei Cyberund Entwicklungsaktivitäten sowie Sicherheits-Zertifizierungsschemata Investitionen in Netzwerk- und IT- erhalten: betreffend gemeinsame System-Sicherheit berücksichtigt. Kriterien und Cloud-Dienste im Jahr Schließlich werden geeignete Qua- 2020 und betreffend 5G 2021. lifikationen und Arbeitskräfte nicht nur für eine digitale Wirtschaft be- Behörden Spiegel: Wie gestaltet nötigt, sondern auch für den Aufbau sich die Zusammenarbeit zwischen von Cyber-Resilienz. Mangelnde der ENISA und den nationalen BeKenntnisse und Kompetenzen im hörden für Cyber-Sicherheit wie dem Bereich Cyber-Sicherheit machen BSI? sich in stärkerem Maße bemerkbar Lepassaar: Die Agentur der Euroals je zuvor. In diesem Zusammenhang konzentriert sich die ENISA auf päischen Union für Cyber-Sicherheit den Aufbau von Kapazitäten für ein arbeitet eng mit den nationalen breites Publikum durch Schulungen, Behörden für Cyber-Sicherheit Cyber-Übungen, Förderung von zusammen; ihr Verwaltungsrat Cyber-Sicherheitskompetenzen und setzt sich aus Vertretern der EUMitgliedsstaaten und der EuroAusbau des Bildungsangebots. päischen Kommission zusammen. Behörden Spiegel: Die EU möch- Seit ihrer Gründung im Jahr 2004 te einen gemeinsamen Zertifizie- hat die ENISA die Ehre, mit dem rungsrahmen für Cyber-Sicherheit BSI zusammenarbeiten zu dürfen. einführen. Inwiefern dient dies der Seitdem haben wir in vielen BereiErhöhung der Cyber-Sicherheit und chen, wie Informationssicherheit, welche Fortschritte wurden bislang Vereinheitlichung und europäischer erzielt? Monat der Cyber-Sicherheit, zusammengearbeitet. Wir freuen uns auf Lepassaar : Der europäische die weitere Zusammenarbeit mit Rechtsakt zur Cyber-Sicherheit aus dem BSI in den Bereichen Cyberdem Jahr 2019 übertrug der ENISA Sicherheitspolitik, Zertifizierung und neue Zuständigkeiten, u. a. für die zu vielen weiteren Themen, die dem Zertifizierung der Cyber-Sicherheit Aufbau von Vertrauen und Cybervon IKT-Produkten, -Prozessen und Sicherheit in Deutschland, Europa -Dienstleistungen. Cyber-Sicher- und der ganzen Welt dienen.


30 Jahre BSI

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Behörden Spiegel / April 2021

Gemeinsam für mehr Cyber-Sicherheit Allianz für Cyber-Sicherheit wächst weiter (BS/Benjamin Stiebel) Netzwerke schützen Netzwerke. So lautet der Grundgedanke der Allianz für Cyber-Sicherheit. Die Idee hinter der Initiative des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): Zusammen in einem starken Netzwerk für mehr Cyber-Sicherheit am Wirtschaftsstandort Deutschland zu sorgen, indem große und kleine Akteure ihr Know-how einbringen und von dem der anderen Teilnehmer profitieren. Basis der Kooperation sind Dialog und Vertrauen.

D

ie Allianz für Cyber-Sicherheit (ACS) steht IT-Anwendern und -Herstellern aller Größenordnungen offen, aber auch Verbänden, Vereinen, Behörden und Forschungseinrichtungen. Rund 5.000 Organisationen, Partner und Multiplikatoren haben sich dem Netzwerk inzwischen angeschlossen. Damit dürfte es sich um die größte öffentlich-private Kooperationsplattform für die Informationssicherheit in Europa handeln. Die Erfolgsgeschichte der Allianz begann mit einem Schulterschluss zwischen Verwaltung und Wirtschaft. Bereits 2012 gründeten das BSI und der Digitalbranchenverband Bitkom die ACS gemeinsam als Pu-

blic Private Partnership. Das Ziel: die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Cyber-Sicherheitsbehörde mit der deutschen Wirtschaft. Die Devise: nicht besser wissen, sondern gemeinsam besser machen.

Informieren, austauschen, dazulernen Die Zusammenarbeit in der ACS fußt auf drei Säulen: Informationen teilen, Erfahrungen austauschen und Kompetenzen vermitteln. Das BSI ist ein wichtiger, aber nicht der alleinige Anbieter von Wissen, Know-how und Bildungsangeboten. Zentral ist der vertrauensvolle Austausch zwischen den Mitgliedern. Der umfassende Informationspool enthält erprobte

Die Allianz für Cyber-Sicherheit ist nach meiner Einschätzung das größte europäische Netzwerk für Informationssicherheit als Public Private Partnership. Arne Schönbohm, BSI-Präsident

Die ACS bündelt die Erfahrungen ihrer Mitglieder mit der europaweit einzigartigen Expertise des BSI und macht sie in der Breite nutzbar. Ralf Wintergerst, CEO Giesecke+Devrient (ACS-Beiratsvorsitzender)

und aktualisierte Sicherheitsempfehlungen und Best Practices für viele typische Anwendungsfälle und technische Konstellationen. Dazu kommen Newsletter und regelmäßige Informationen zur aktuellen Cyber-Sicherheitslage: themenbezogene Lagebilder, Warnmeldungen und Hinweise zu wichtigen Sicherheitsupdates. Institutionen im besonderen staatlichen Interesse, das heißt Betreiber Kritischer Infrastrukturen und Unternehmen in der Geheimschutzbetreuung, können zusätzlich vertrauliche Dokumente erhalten und sich in den exklusiven Warnverteiler des BSI aufnehmen lassen. Dem gezielten Austausch dienen die im Rahmen der ACS organi-

Zehn Jahre Online-Ausweisfunktion

Grafik: BS/BSI

Mit meiner Aufgabe im BSI leiste ich einen wichtigen Beitrag zur IT-Sicherheit und zum Geheimschutz in Deutschland. Als Referentin berate ich alle Bundesbehörden und stelle dort sicher, dass die Anforderungen zum Schutz von Verschlusssachen im Bereich der IT berücksichtigt werden. Aktuell bin ich unter anderem in die IT-Konsolidierung der Bundesregierung eingebunden. Der Rückhalt, den ich von Kolleginnen und Kollegen erfahre, sorgt dafür, dass ich meiner Rolle als Vertreterin von teils unbequemen Vorgaben gerecht werden kann, ohne den Bedarf der Behörden aus den Augen zu verlieren.

Maike Grün, Referat BL 14, VSGrundlagen und -Beratung, materielle Sicherungstechnik Foto: BS/privat

(BS/BSI) Ein zentraler Baustein für sichere digitale Identitäten ist die Online-Ausweisfunktion. Sie ermöglicht, eine reale Identität in der digitalen Welt auf hohem Vertrauensniveau verlässlich nachzuweisen. Die Online-Ausweisfunktion bietet dabei sogar einen gegenseitigen elektronischen Identitätsnachweis. Diensteanbieter benötigen vorab ein staatliches Berechtigungszertifikat, um ihre Identität nachzuweisen. Im Gegensatz zu anderen Identi-

tätsnachweisen kann die OnlineAusweisfunktion hingegen als automatisierbarer Prozess von einem Diensteanbieter medienbruchfrei rund um die Uhr angeboten werden. Anwendern in Deutschland steht die Online-Ausweisfunktion seit knapp zehn Jahren über einen Personalausweis oder elektronischen Aufenthaltstitel mit Ausweischip zur Verfügung. Seit Jahresbeginn 2021 können auch Bürger und Bürgerinnen anderer EU-Mitgliedsstaaten eine soge-

sierten themenbezogenen Erfahrungsaustausch-Kreise. Hier heißt es “miteinander voneinander lernen”. In Experten-Kreisen kommen dagegen Hersteller, Anwender und weitere Stakeholder zusammen, um Cyber-Sicherheit aktiv gemeinsam zu gestalten. Eine echte Institution sind mittlerweile die Cyber-Sicherheits-Tage der Allianz für CyberSicherheit. Regelmäßig lädt das BSI gemeinsam mit ACS-Multiplikatoren an wechselnden Standorten im gesamten Bundesgebiet zum offenen Erfahrungsaustausch ein. Bis zu 250 Interessierte nehmen an Fachvorträgen, Workshops und Diskussionsrunden teil und nutzen die Gelegenheit zum Networking. Nach 30 Präsenz-Veranstaltungen

geht es in Pandemie-Zeiten nun auch virtuell: am 1. Oktober 2020 hat der erste vollständig digitale Cyber-Sicherheits-Tag stattgefunden – weitere werden folgen. Das ist nicht der einzige Bereich, in dem die Allianz kreative neue Formate etabliert. Informationssicherheit “to go” liefert der Ende 2020 gestartete Podcast „CYBERSNACS“ der ACS. Im monatlichen Turnus sprechen die Moderatorinnen mit Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft über aktuelle Entwicklungen in Digitalisierung und Cyber-Sicherheit. Da weiterhin keine Präsenzveranstaltungen durchgeführt werden können, hat die ACS zudem ein neues digitales Austauschformat entwickelt: den Cyber-Sicherheits-Web-Talk. In den zweistündigen Online-Seminaren werden aktuelle Themen der Cyber-

Ohne Data Security kann es keine Digitalisierung geben. Die ACS als BSI-Initiative ist dafür eine zentrale Institution dank ihres Wissens und der konkreten Empfehlungen für Unternehmen und Nutzer. Udo F. Littke, Leiter der Region Zentraleuropa bei Atos (BITKOM)

Sicherheit für die Wirtschaft behandelt und Fragen der Teilnehmenden beantwortet. Die nächste Folge mit dem Thema “Kritische Infrastrukturen schützen! – Gemeinsam für mehr Cyber-Sicherheit” findet Beiträge am 23. April 2021 statt. Komaus der Abteilung nannte eIDpetenzerwerb ermöglichen Cyber-Sicherheit in der Karte mit auch diverse Schulungen und Digitalisierung und integrierter Workshops. Die Partner der für elektronische Online-AusIdentitäten ACS bieten den Teilnehmern weisfunktion regelmäßig kostenfreie Plätze beantragen. Ab an. Auch Publikationen, die BeHerbst 2021 sollen reitstellung von Tools sowie PeneBürgerinnen und Bürger dann trationstest gehören zu den sog. “Partnerangeboten”. ihren Online-Ausweis direkt in

ihrem Smartphone speichern können. Damit wäre ein elektronischer Identitätsnachweis über die Online-Ausweisfunktion auch ohne Ausweiskarte möglich.

Das Netzwerk wächst

Digitalisierung und IT-Sicherheit im Handwerk (BS) Wo digitalisiert wird, muss die IT-Sicherheit von Anfang an mitgedacht werden, so Karl-Sebastian Schulte. Der Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) sprach mit Benjamin Stiebel darüber, vor welchen Herausforderungen gerade kleine Betriebe stehen und wie sie auf dem Weg zu mehr IT-Sicherheit unterstützt werden können.

Schulte: Zu denken, das Handwerk bliebe verschont, wäre ein Trugschluss. Wir sind in sehr vielen Bereichen schon weitgehend digitalisiert, und damit gehen leider auch Risiken einher. Das beginnt bei vernetzten Produktionsprozessen mit computergesteuerten Verfahren wie CNC. Viele Handwerksunternehmen arbeiten heute mit Trackingsystemen, d. h. das Management von Werkzeugen, Maschinen und dem Fuhrpark läuft oft schon digital. Nicht wenige sind Teil industrieller Lieferketten und als Zulieferer in digitale Kommunikationssysteme eingebunden. Auch der Umgang mit IT und Daten im Servicebereich nimmt zu. Ich denke da an Themen wie Gebäudeautomation und Predictive Maintenance, wo vernetzte Sensoren im Spiel sind. Auch die kleinsten Unternehmerinnen oder Unternehmer arbeiten mittlerweile im digitalen Büro mit Geschäfts-

Karl-Sebastian Schulte ist Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Foto: BS/ZDH, Boris Trenkel

oder Kundendaten, die geschützt werden wollen. Eigentlich gibt es kaum einen Betrieb, der nicht digitale Devices und Kanäle einsetzt. Entsprechend ist es ein enorm wichtiges Anliegen, diese IT-Strukturen und digitalen Ökosysteme sicher zu halten.

rausforderungen als industrielle Mittelständler. In der Regel gibt es keinen CIO oder einen speziell dafür zuständigen Sicherheitsfachmann, sondern die Aufgaben liegen bei der Inhaberin oder dem Inhaber. Und in diesen eher kleineren Betrieben muss sich teils auch erst einmal die nötige Sensibilität für Behörden Spiegel: Woran fehlt das Problem entwickeln. Manch es den Betrieben, um Ihre IT sicher einer glaubt, sein Unternehmen aufzustellen? wäre sowieso kein interessantes Ziel einer Cyber-Attacke und sieht keine Schulte: Mit Betriebsgrößen von Notwendigkeit, sich zu kümmern. häufig zwischen fünf und 50 Mit- Ist das Risikobewusstsein vorhanarbeiterinnen und Mitarbeitern den, liegt die Herausforderung nahaben wir natürlich andere He- türlich darin, mit begrenzten Res-

Gerade kleine und mittelständische Betriebe können besonders von den vielfältigen Angeboten profitieren. Koordiniert werden die Aktivitäten der Allianz für Cyber-Sicherheit durch die Geschäftsstelle im BSI. Unterstützt wird das Bundesamt durch den Beirat, dem führende Industrie- und Wirtschaftsverbände Deutschlands angehören. Er reflektiert die Arbeit des Netzwerkes und gibt Impulse für die zukünftigen Themenschwerpunkte und neue Formen der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und Forschung.

Im Jahr 2022 feiert die Allianz für Cyber-Sicherheit ihr zehnjähriges Jubiläum. Die Kooperationsplattform ist seit ihrer Gründung kontinuierlich gewachsen. Aktuell rund 5.000 Teilnehmer bilden bereits

Branchenspezifische Bedarfe decken

Behörden Spiegel: Herr Schulte, wenn von einer angespannten Cyber-Sicherheitslage für die deutsche Wirtschaft die Rede ist, denkt man vor allem an Unternehmen mit komplexen IT-Strukturen. Wie sehr ist das Handwerk in Deutschland betroffen?

ein großes Spektrum der deutschen Wirtschaft ab. Hinzu kommen über 150 Organisationen, die sich als Partner engagieren und regelmäßig eigene Expertise beisteuern, sei es in Form von Publikationen, Schulungskontingenten oder durch die Bereitstellung von Tools und Dienstleistungen rund um das Thema Cyber-Sicherheit. Schließlich erweitern 100 Multiplikatoren das Netzwerk, darunter Verbände, Kammern, Vereine, Initiativen oder Medienpartner. Sie tragen mit Kommunikationsmaßnahmen, gemeinsamen Veranstaltungen und regelmäßigen Informationen in ihren Communities dazu bei, die Reichweite der Allianz zu erhöhen. Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht, schließlich richtet sich die ACS grundsätzlich an alle IT-anwendenden Unternehmen in Deutschland.

typische Geschäftsprozessstruktur im Handwerk zeigen, wie man ein IT-Sicherheitskonzept konkret umsetzen kann. Wir organisieren außerdem über unsere Verbände und Kammern ein umfangreiches Beratungsangebot für den Bereich Digitalisierung und Transformation – da spielt Cyber-Sicherheit eine ganz zentrale Rolle. Was mich außerdem umtreibt, ist das Thema Notfallmanagement. Also was können kleine Betriebe tun, wenn Schadsoftware den Betrieb lahmgelegt hat? Da bräuchte es branchenübergreifend eine Art Notfallhilfe-Plattform, an die sich jeder Betroffene wenden kann.

sourcen IT-Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen. Dazu kommt die Frage, ob überhaupt die geeigneten Tools am Markt verfügbar sind, um branchenspezifische Bedarfe zu decken. Viele Unternehmen arbeiten auch mit IT-Dienstleistern und Beratern zusammen. Allerdings ist es nicht leicht, herauszufinden, welche Anbieter eigentlich die richtigen für kleine Unternehmen oder Behörden Spiegel: Was wünschen für bestimmte Branchen sind. Da Sie sich von staatlicher Seite, um das würde ich mir mehr Transparenz Niveau der Informationssicherheit im Handwerk nachhaltig erhöhen wünschen. zu können? Behörden Spiegel: Wie können Sie als Verband den Unternehmerinnen Schulte: Wir brauchen eine robusund Unternehmern unter die Arme te staatliche Cyber-Sicherheitsarchitektur, um das Thema insgesamt greifen? weiter voranzutreiben. Das BSI ist da Schulte: Es ist sehr wichtig, zu sen- ein entscheidender Nukleus, der in sibilisieren und aufzuklären, dabei Zukunft noch weiter gestärkt werden belassen wir es aber nicht. Wir legen sollte. Vor allem muss der Wirtauch ganz konkrete Dinge auf den schaft, aber auch der öffentlichen Tisch. In Kooperation mit dem BSI Hand noch eindringlicher vermittelt haben wir ein IT-Grundschutzprofil werden, dass Investitionen in die für unsere Betriebe erstellt. Dazu IT-Sicherheit absolut notwendig kommt ein sogenannter Routen- sind. Das muss Teil der Digitalisieplaner zur Cyber-Sicherheit vom rung von Geschäftsmodellen und Kompetenzzentrum Digitales Hand- Prozessen sein und sollte sich auch werk. Das sind ganz wichtige Ori- entsprechend deutlich in der Förderentierungshilfen, bei denen wir für kulisse für Digitalisierungsvorhaben unsere Betriebsgrößen und für eine widerspiegeln.



30 Jahre BSI

VI

Das Hase-und-Igel-Spiel Operative Cyber-Sicherheit im BSI (BS/Dr. Dirk Häger*) Die operativen Cyber-Einheiten des BSI starteten im Prinzip schon 1993 mit Gründung des BSI-CERT. Aber aus heutiger Sicht war das damalige Team mehr beratend tätig und weniger eine aktive Einheit in der Abwehr von Cyber-Angriffen. Dies muss natürlich vor dem Hintergrund gesehen werden, dass für einen Großteil der 90er-Jahre das Internet für die Bundesverwaltung eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat.

D

er Wandel in den Anforderungen erfolgte letztlich mit dem Regierungsumzug nach Berlin und der Schaffung des Informationsverbundes Berlin-Bonn (IVBB). Über diesen IVBB waren sehr viele Bundesbehörden untereinander und mit dem Internet gekoppelt. Ohne wirklich die betriebliche Verantwortung zu haben, bestimmte das BSI in großem Maße die implementierten Schutzmechanismen. Damit der IVBB ein Erfolg werden konnte, musste es seine Sicherheitsanforderungen selbst

gegenüber Umsetzbarkeit und Anwenderwünschen abwägen. Dies geschah mit der Folge, dass die Praxisnähe des BSI anstieg – und der Spruch “Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit” fand im BSI eine breitere Akzeptanz. Dadurch war der Ausbau der CERT-Aktivitäten nur folgerichtig und im Jahr 2001 wurde aus dem BSI-CERT das CERT-Bund mit Zuständigkeiten und Dienstleistungen für die ganze Bundesverwaltung. Der Anfang der 2000er-Jahre war jedoch, von wenigen Angriffen

auf die Verfügbarkeit und WebDefacements einmal abgesehen, von ungezielten Angriffen geprägt. In Erinnerung sind hier vor allem Loveletter und Code Red, bei den die Telefone im BSI kaum stillstanden, es aber vor allem um Opfer außerhalb der Bundesverwaltung ging. Aber auch erste gezielte Angriffe auf Bundesbehörden gab es 2004 – und sie verlangten andere Schutzmaßnahmen. Das wurde klar, als das BSI von einer befreundeten ausländischen Behörde gefragt wurde, wie es auf einen bestimm-

ten Angriff reagiert hätte. Von diesem Angriff gab es keine Kenntnis. Welcher Angriff? Wir wussten von nichts! Im Nachgang stellte sich heraus, dass sich die Bedrohungslage geändert hatte. Gezielte Angriffe fremder Staaten erfolgten nicht durch klassisches Hacking, sondern schwerpunktmäßig durch Social Engineering, indem passende E-Mails mit bösartigen ­Office-Anhängen verwendet wurden. Die Schutzmechanismen des IVBB sorgten dafür, dass nur bestimmte Kommunikationsprotokolle erlaubten waren, beschränkten sich in der Inhaltsprüfung aber auf den Schutz von Virenscannern, die bei gezielten Angriffen kaum halfen. Die zentralen Schutzmechanismen mussten dringend ausgebaut werden. In der Folge wurden im BSI eine Trojaner-Taskforce gegründet, Personal eingestellt und neue, selbst entwickelte Detektionsmechanismen in den IVBB eingebaut. Aber es wurden keine Angriffe gefunden, da nicht genau bekannt war, wie sie identifiziert werden konnten. Erst nachdem ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes im Jahr 2006 dem BSI forensische Images aus

Behörden Spiegel / April 2021

einer Botschaft, die als sehr wahrscheinliches Angriffsziel infrage kam, für eine Analyse zur Verfügung stellte und dort Angriffsprogramme gefunden und Rückmeldewege identifiziert werden konnten, konnte das sogenannte SchwachstellenErkennungs-System (SES) starten. Schon kurze Zeit später wurden fast täglich neue Angriffe identifiziert und abgewehrt. Aber wie üblich im Hase-undIgel-Spiel zwischen Angreifern und Verteidigern ging es weiter: Da die Angriffe über bösartige Anhänge durch die neuen Schutzmechanismen für die Angreifer immer ineffizienter wurden, schwenkten sie teilweise darauf um, Links in den E-Mails zu verwenden. Auch hier wurden Schutzmechanismen eingeführt, was wiederum zur Folge hatte, dass vermehrt verschlüsselte Verbindungen und Cloud-Dienste genutzt wurden. 2009 wurden die rechtlichen Grundlagen für den Schutz der Regierungsnetze und die Warnung der Öffentlichkeit erweitert. Der ­erste richtige Vor-Ort-Einsatz eines BSITeams fand aber erst 2015 im Bundestag statt.

In den Jahren 2015 und 2016 wurden die operativen Befugnisse des BSI auch hinsichtlich des Schutzes Kritischer Infrastrukturen ausgebaut, sodass nun Einsätze des CERT-Bund zur Abwehr von Cyber-Angriffen auch außerhalb der Bundesbehörden möglich sind. Dies ist in den letzten Jahren, insbesondere bei Vorfällen mit Ransomware, oft seitens der Wirtschaft genutzt worden. Nicht ganz unerwartet fand der Vorschlag “Dann ziehen wir einfach den Netzstecker” aus den 1990erJahren im Jahr 2015 bei den Abgeordneten wenig Anklang. *Dr. Dirk Häger ist Abteilungsleiter “Operative Cyber-Sicherheit” im BSI.

Von null auf fünfzig KRITIS-Sicherheit im Blick (BS/Isabel Münch) Exemplarisch für die rasante Entwicklung des BSI in den letzten dreißig Jahren ist die Geschichte des 1998 als Referat eingerichteten KRITIS-Fachbereichs, der sich mit der IT-Sicherheit in Kraftwerken, Kliniken und anderen Kritischen Infrastrukturen befasst.

Das Nationale IT-Lagezentrum des BSI behält aktuelle­ Vorkommnisse 24/7 im Blick, um auf bedrohliche Lagen frühzeitig reagieren zu können (hier 2011). Foto: BS/BSI

Im Jahr 1990 wurde im Bundesministerium des Innern (BMI) ein neues Referat für Informationssicherheit gegründet. Mitte der 1990er-Jahre kamen in den Industrieländern Diskussionen darüber auf, wie bedeutend verschiedene Institutionen sind, um wichtige gesellschaftliche Funktionen aufrechtzuerhalten. Der Begriff “Kritische Infrastruktur” entstand. In den USA und auf EU-Ebene nahm die Diskussion schnell Fahrt auf. 1995 stellte die Referatsleiterin Marit Blattner-Zimmermann im BMI das topaktuelle Thema “Schutz Kritischer Infrastrukturen unter IT-Aspekten” vor. Sie erläuterte die zunehmen-

mögliche Angriffe auf Kritische Infrastrukturen weiter in den Fokus. Das BSI gab sieben umfangreiche KRITIS-Studien mit einheitlicher Struktur in Auftrag, die im Jahr 2002 vorgelegt wurden. In diesem Zusammenhang wurden die bis heute in Deutschland verwendeten KRITIS-Sektoren definiert: Energie, Gesundheit, IT und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Wasser, Finanz- und Versicherungswesen, Ernährung, Medien und Kultur sowie Staat und Verwaltung. Wichtigstes Ergebnis der Auswertung dieser “Sektorstudien” war eine insgesamt 330 Punkte umfassende

für den physischen Schutz Kritischer Infrastrukturen und im BMI wurde ein Referat für den Schutz Kritischer Infrastrukturen gegründet. Die Weiterentwicklung des NPSI mündete im Jahr 2007 in den Umsetzungsplan KRITIS, eine Sammlung von Empfehlungen zum Schutz Kritischer Infrastrukturen.

KRITIS-Strategie und UP KRITIS

Im Juni 2009 verabschiedete das Bundeskabinett die Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie). Sie thematisiert Risiken und Gefährdungen für Informationsin­ frastrukturen, denen insbesondere durch die verstärkte Zusammenarbeit öffentlicher Stellen mit den überwiegend privatwirtschaftlichen KRITIS-Betreibern begegnet werden soll. Die länderübergreifende Krisenmanagementübung LÜKEX befasste sich Ende 2011 mit zielgerichteten Angriffen auf IT-Infrastrukturen. Sie war ein wichtiger Meilenstein, um auf das Thema KRITIS und die entscheidende Rolle des BSI aufmerksam zu machen. Die aus dem Umsetzungsplan Seit 1998 gibt es ein KRITIS-Referat im BMI. Heute widmet sich KRITIS hervorgegangene öffentlichdem Thema ein ganzer Fachbereich mit mehr als 50 Personen private Zusammenarbeit zum Schutz in fünf Referaten. Foto: BS/BSI/zhongguo, gettyimages.de Kritischer Infrastrukturen verwendet seit 2014 die Bezeichnung “UP de Bedeutung neuer Bedrohungen Liste der identifizierten Schwach- KRITIS” als Eigennamen. Ende 2020 wie Computerviren für die Funkti- stellen, die in einem Panzerschrank waren mehr als 700 Organisationen onsfähigkeit von Kraftwerken und sicher verwahrt wurde. Der hie­ Teilnehmer. anderen Kritischen Infrastrukturen raus abgeleitete Handlungsbedarf Meilenstein und “promotete” das neue Thema führte 2005 zur Entwicklung des IT-Sicherheitsgesetz unter der Bezeichnung “KRITIS”. In Nationalen Plans zum Schutz der den USA wurde 1996 die President‘s Informationsinfrastrukturen (NPSI), Im Juli 2015 trat das IT-SicherCommission on Critical Infrastruc- der unter anderem den Aufbau heitsgesetz (IT-SiG) in Kraft. Für ture Protection (PCCIP) eingerichtet. eines “Krisenreaktionszentrums IT” Betreiber Kritischer Infrastrukturen Sie definierte acht Sektoren, in de- im BSI vorsah. führte das IT-SiG die Pflicht zum Das 2004 gegründete Bundesamt regelmäßigen Nachweis ihrer ITnen sie Sicherheits-Schwachstellen für Bevölkerungsschutz und Katas- Sicherheit und eine Meldepflicht für untersuchte. Frau Marit Blattner-Zimmermann trophenhilfe (BBK) wurde zuständig erhebliche IT-Störungen gegenüber wechselte im Dezember 1997 vom dem BSI ein. Die BMI zum BSI, ihr Kollege Joachim mittlerweile mehr Weber folgte ihr im Januar 1998 als 50 Personen in und übernahm den Aufbau des neu den fünf Referaten gegründeten KRITIS-Referats. Die des KRITIS-FachIsabel Münch ist Fach­ Kolleginnen und Kollegen von BMI bereichsleiterin “Cyber-­ bereichs warten und BSI brachten sich gemeinsam gespannt auf die Sicherheit für Kritische auf europäischer Ebene ein und neuen Aufgaben, ­Infrastrukturen”. Foto: BS/BSI entwickelten das KRITIS-Thema die das “IT-Sicherinternational weiter. heitsgesetz 2.0” für Vor dem Hintergrund der Ereignisdas BSI mit sich se des 11. Septembers 2001 rückten bringen wird.


30 Jahre BSI

Behörden Spiegel / April 2021

VII

Bewährte Säule der Digitalisierung BSI zertifiziert Produkte, Stellen und Personen (BS/Dr. Markus Mackenbrock*) Seit seiner Gründung entwickelt das BSI gemeinsam mit Politik, Industrie und Interessenverbänden Sicherheitsanforderungen für IT-Produkte und -Systeme und gestaltet damit aktiv die Informationssicherheit für die digitale Gesellschaft. Mehr als 1.500 Produktzertifikate, zahlreiche Zertifikate im Bereich des Informationssicherheitsmanagements sowie im Bereich der Personenzertifizierung wurden in den letzten dreißig Jahren erteilt.

D

as BSI wendet sich mit seinem Zertifizierungsangebot an Anwender und Hersteller von Informationstechnik. Eine Zertifizierung weist nach, dass das Produkt die von Recht- oder Prüfvorschriften geforderten Eigenschaften oder Anforderungen in einem bestimmten Geltungsbereich erfüllt. Zielgruppen sind z. B. die öffentlichen Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen sowie Privatanwender und Unternehmen. Mit der Entwicklung von technischen Standards, nach denen elektronische Identifizierungsfunktionen genutzt werden können, wird so der Weg für die Digitalisierung von Geschäfts- und Verwaltungsprozessen vorbereitet. Der neue Personalausweis, der Reisepass und die Gesundheitskarte, aber auch Betriebssysteme, intelligente Messsysteme, Rechenzentren, Netzwerkprodukte, Serveranwendungen, Smartcards und digitale Tachografen sind nach Sicherheitsvorgaben des BSI zertifiziert. Zu diesem Zweck betreibt das BSI ein Qualitätsmanagementsystem, das wiederum für die Produktzertifizierung gemäß DIN EN ISO/ IEC 17065 akkreditiert ist.

Seit 2010 unterstützt das BSI im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie die Digitalisierung der Energiewende mit Anforderungskatalogen, Prüfvorschriften und Interoperabilitätsstandards an Smart-MeterGateways. An diesem Beispiel wird die interne Wertschöpfungskette des BSI deutlich: Wir entwickeln technische Standards, die dann in ein Zertifizierungsangebot münden. Das BSI hat bisher an vier Unternehmen ein Produktzertifikat für ein Smart-Meter-Gateway erteilt. Damit wird belegt, dass auch hohe Sicherheitsanforderungen, die seitens des BSI im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher aufgestellt wurden, erfüllt und umgesetzt werden können. Auf diese Weise unterstützt das BSI dabei, die Energieversorgung in Deutschland sicherer und effizienter zu machen (mehr dazu im Themenkasten auf dieser Seite).

mance zu erreichen sowie Kosten und Energieverbrauch zu senken. Funktionen, für die früher mehrere ICs benötigt wurden, sind heute auf einem einzigen Chip integriert, zum Beispiel CPU, Signalprozessor, Graphikprozessor, Sicherheitselement sowie verschiedene Breitbandmodems. Das BSI hat das Sicherheitselement SPU230 der Firma Qualcomm zertifiziert, das in eine mobile Platform integriert wird. Die Zertifizierung des aus Hardware, Firmware und Betriebssystem bestehenden Sicherheitselements erfolgte nach Common Criteria. Erstmalig wurde damit ein Sicherheitselement zertifiziert, das in einem Breitbandprozessor für mobile Endgeräte wie etwa Smartphones integriert ist. Damit steht mobilen Plattformen ein Sicherheitsanker zur Verfügung, dessen Sicherheitsniveau mit dem einer Smartcard vergleichbar ist. Common-Criteria-Zertifikate des BSI werden im Rahmen internationaler Anerkennungsvereinbarungen weltweit anerkannt und diese Zertifizierung – beantragt durch eine amerikanische Firma – ist eine

Vertrauenswürdig, unabhängig, verlässlich: gute Gründe für ein Zertifikat des BSI Foto: BS/BSI/Olivier Le Moal, stock.adobe.com

Bestätigung für die weltweit hohe konzepten nach IT-Grundschutz Reputation des BSI-Zertifizierungs- zu unterstützen, bei der Durchführung von Sicherheitsanalysen schemas. und Risikoanalysen auf der Basis IT-Sicherheitsdienstleister von IT-Grundschutz zu beraten, Im Rahmen der Zertifizierung interne Audits umzusetzen sowie von IT-Sicherheitsdienstleistern IS-Revisionen gemäß “Leitfaden für Systems-on-a-Chip überprüft das BSI Zuverlässigkeit, die InformationssicherheitsrevisiUnparteilichkeit, Fachkompetenz on auf Basis von IT-Grundschutz” Ein “System-on-a-Chip” (SoC) versowie Qualität der Dienstleistung. durchzuführen. einigt sämtliche Funktionen eines Diese Stellen sind damit berechtigt, Seit Herbst 2019 bietet das BSI Systems auf einem Chip, um kleinere bei der Erstellung von Sicherheits- zudem eine neue PersonenzertifizieBaugrößen und eine höhere Perforrung zur IT-Grundschutz-Beraterin bzw. zum IT-Grundschutz-Berater an. Diese können die Empfehlungen und Maßnahmen aus dem IT-Grundschutz fundiert und kompetent in der Praxis weitergeben. IT-Grundschutz-Beraterinnen und -Berater können so einen Beitrag für die Widerstandsfähigkeit der (BS/Dr. Günther Welsch*) Kommunikationsinfrastrukturen und informationsführende Systeme gegen Angriffe von außen

Datenflüsse im Griff

Krypto-Produkte als Basis einer modernen IT-Sicherheitsarchitektur

abzusichern, ist eine herausragende Aufgabe von Staaten, Unternehmen und Bürgern. Der Kampf zwischen Angreifern und Verteidigern ist dabei so alt wie die Nutzung von Kommunikationsinfrastrukturen selbst. Die breite Öffentlichkeit wurde erstmals in den 1980er-Jahren durch die ersten Einbrüche in Rechner des Internet-Vorläufers ARPAnet auf diesen Kampf aufmerksam. Die Antwort der Verteidiger auf die ersten Angriffe lautete: Abschottung und Härtung der Systeme sowie Verschlüsselung der Übertragungskanäle. Durch diese Strategie wurden abgesetzte IT-Systeme geschaffen, die durch einen sicheren Perimeter geschützt werden sollten. Die zentrale Idee der Sicherheitsstrategie war, dass sich alle Angreifer außerhalb des Perimeters befinden. Die Widerstandsfähigkeit des Perimeters bildete die Widerstandsfähigkeit des Gesamtsystems.

Kryptografische Absicherung und Abschottung Kurz vor der Jahrtausendwende wurden Produkte zur Realisierung von Virtuellen Privaten Netzwerken (VPN) entwickelt. Mithilfe eines VPNs wird ein sicherer kryptografi-

scher Kanal über ein potenziell unsicheres Transportnetz, wie beispielsweise das Internet, gelegt. Durch VPNs konnten große Entfernungen sicher überbrückt und abgesetzte IT-Systeme verbunden werden. Die Verfügbarkeit von VPNs brachte neue Möglichkeiten, Perimeter zu realisieren, da nun abgesetzte ITSysteme durch ein VPN zu einem größeren abgesetzten IT-System verbunden werden konnten. Die Kombination von VPN, Festplattenverschlüsselung und Schnittstellenkontrolle (beispielsweise zur Kontrolle von USB-Sticks) ermöglichte, sichere IT-Arbeitsplätze zu entwickeln. Sie waren Teil des sicheren Perimeters und brachten einen Zugang zu den abgesetzten IT-Systemen auf eine sichere Art und Weise für die Nutzer. Auch abgesetzte IT-Systeme müssen Daten mit anderen Systemen austauschen. Dabei sollen lediglich die beabsichtigten Daten ausgetauscht

Verschlüsselung und starke Authentisierung stellen weiterhin die zentralen Aspekte einer zeitgemäßen Sicherheitsarchitektur dar.

Foto: BS/BSI/Maksim Kabkou, stock.adobe.com

werden und es darf nicht zu einem unkontrollierten Datenabfluss kommen. Bei einem automatisierten Datenaustausch werden sichere Netzübergänge für die vertrauenswürdige Kopplung von abgesetzten IT-Systemen mit anderen Netzen verwendet. Durch den Einsatz von Netzübergängen wird der Perimeter sinnbildlich durch Tore aufgebrochen und die Abschottung etwas gelockert. Diese Tore stellen die einzige Verbindung der abgesetzten Systeme mit der Außenwelt dar und haben die Aufgabe, den eingehenden und ausgehenden Datenfluss zu kontrollieren. Das BSI prüft mit seinem Zulassungsprozess zum Schutz von geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Vertrauenswürdigkeit und Eignung von Krypto-Produkten, die zur Herstellung von Virtuellen Privaten Netzen, sicheren Arbeitsplätzen und sicheren Netzübergängen genutzt werden. Den Behörden stellt das BSI ein Portfolio an zugelasse-

nen Produkten bereit, mit denen sichere IT-Systeme realisiert werden können.

deutschen Wirtschaft sowie der öffentlichen Verwaltung im Bereich der Informationssicherheit leisten.

Zukünftige Zertifizierungen Unter dem europäischen Rechtsrahmen zur Cyber-Sicherheitszertifizierung (CSA) werden zurzeit verschiedene horizontale Schemata für die Zertifizierung angestoßen. Das BSI wird sich insbesondere in den Bereichen Common Criteria, 5G, Cloud-Systeme sowie Industrial Automation and Control Systems (IACS) an den europäischen Zertifizierungen beteiligen. *Dr. Markus Mackenbrock ist Referatsleiter “Anerkennung und Zertifizierung von Stellen und Personen” im BSI.

Nachweislich sicheres Smart-Meter-Gateway

Zukünftige Herausforderungen Durch zunehmend vernetzte ITSysteme und die stärkere Einbindung von Cloud-Infrastrukturen wird es zunehmend schwieriger, einen Perimeterschutz aufrechtzuerhalten. Moderne Funktionalitäten und Anwendungen umzusetzen, erfordert, die Sicherheitsprodukte und -architekturen kontinuierlich anzupassen. Unter dem Begriff “Zero Trust” wird vermehrt das Risikomodell des Internets auch auf die lokalen Firmen- und Behördennetze angewendet. KryptoProdukte übernehmen zunehmend auch innerhalb der internen Netze die Aufgabe, eine Verschlüsselung der Kommunikationsdaten und eine starke Authentisierung durchzusetzen. Ergänzt durch leistungsfähige Detektionskomponenten ergibt sich das neue Bild lokaler IT-Sicherheitsarchitekturen. Krypto-Produkte und Sicherheitsarchitekturen sind einem kontinuierlichen Veränderungsdruck unterworfen. Dieser Druck wird einmal durch die Notwendigkeit verursacht, neuartige Anwendungsfälle umsetzen zu können, zum anderen durch die Herausforderung, aktuelle Angriffe abwehren zu müssen. Verschlüsselung und starke Authentisierung stellen weiterhin die zentralen Aspekte einer zeitgemäßen Sicherheitsarchitektur dar. Sichere und geprüfte KryptoProdukte als Basis einer modernen Präventionsstrategie gewinnen stetig an Bedeutung und werden durch die Nutzer stärker nachgefragt. *Dr. Günther Welsch ist Abteilungsleiter “Krypto-Technik und ITManagement” im BSI.

Demonstrationsaufbau des intelligenten Mess-Systems mit Solarstromerzeuger, Smart-Meter-Gateway, Stromzähler für Einspeisung und Verbrauch, Stromverbraucher, Bedienungseinheit und Wasserzähler (v.l.o.). Foto: BS/BSI

(BS/BSI) Sowohl die digitale Transformation der Energiesysteme als auch die Integration von dezentralen und erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen in ein Smart Grid führen zu einer wachsenden Bedrohung durch Cyber-Angriffe. Das Smart Grid ist ein intelligentes Stromnetz. Ein Netz wird dann intelligent, wenn innerhalb des Netzes ein Informationsaustausch erfolgt, Messwerte automatisch übermittelt werden und mit deren Hilfe die Stromerzeugung, der Verbrauch und die Speicherung dynamisch gesteuert werden können. Das BSI entwickelt technische Standards für Datenschutz und Datensicherheit für das intelligente Mess-System, einer Schlüsseltechnologie

im Smart Grid. Diese Standards werden in enger Kooperation mit Fachexperten aus Branchenverbänden und Partnerbehörden entwickelt. Die Umsetzung der Vorgaben ist durch entsprechende Nachweise zu belegen. Das Smart-Meter-Gateway als zentrale Kommunikationsplattform des intelligenten Mess-Systems ermöglicht, vielfältige Anwendungsfälle in verschiedenen Einsatzbereichen sicher umzusetzen. Es verschlüsselt die Übertragung zum Schutz der Messwerte und sichert die Steuerung von Verbrauchsund ErzeugungsanBeiträge lagen vor aus der Abteilung MissCyber-Sicherheit in der brauch Digitalisierung und für elektronische ab. Identitäten


30 Jahre BSI

30 Jahre BSI – 30 Jahre Digitalisierung

5G

Künstliche Intelligenz

www.bsi.bund.de/zeitstrahl 2. BSIDienstsitz in Freital Nationales Verbindungswesen

Cyber-Angriff auf Uniklinik Deutsche EURatspräsidentschaft

2019 Präsident Dr. Dirk Henze

Elektronischer Reisepass

1996 Einführung des IT-Grundschutzes Gründung des BSI unter Dr. Otto Leiberich

1991

1991

Elektronische Gesundheitskarte

Common Criteria 1.0

1993

CERT Computer Emergency Response Team

1994

BSI für Bürger

Smart Meter Gateway

Cyber-Abwehrzentrum

Präsident Michael Hange

2005

IT-Sicherheitsgesetz tritt in Kraft

Zerschlagung der BotInfrastruktur Avalanche

2015

Digitaler Verbraucherschutz

2018 NIS-Richtlinie

CoronaWarn-App ACS: über 4.000 Teilnehmer 1. Cyber Security Directors’ Meeting

2002 Zentraler IT-Sicherheitsdienstleister des Bundes

Präsident Dr. Udo Helmbrecht

Novellierung BSI-Gesetz

Elektronischer Personalausweis

Cyber-Sicherheitsstrategie des Bundes

2001

2003

2009

2010

2011

1996

1999

2007

2010

2013

Gründung Allianz für CyberSicherheit (ACS)

2012

Präsident Arne Schönbohm

Modernisierung des IT-Grundschutzes

1.000 Mitarbeitende

2016

2017

2020

2017

2018

2019

2

D-Netz

und BSI-Jubiläum: über 8.000 Teilnehmende

IVBB

„Jahr 2000Problem“

iPhone

Stuxnet

NSA-Affäre

Ransomware WannaCry

Emotet

#Collection 1

2000 Geburt des WWW

Zeus LoveLetter-Wurm

Netze des Bundes

Neuer BSI-Standard 200-4

2021


30 Jahre BSI

X

Behörden Spiegel / April 2021

Schneller, höher, weiter 5G sorgt für moderne Telekommunikationsinfrastruktur (BS/BSI) Die neue 5G-Technologie wird gemeinhin als entscheidender Faktor für die positive Entwicklung des Standorts Deutschland in den kommenden Jahren angesehen. Sie soll schnellere Mobilfunk-Verbindungen, weniger Latenzzeit und höhere Datenraten ermöglichen. Aufgabe des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die 5G-Netze das höchstmögliche Niveau an Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität erreichen.

B

asis für den Aufbau sicherer 5G-Netze ist aktuell der Katalog von Sicherheitsanforderungen, den die Bundesnetzagentur (BNetzA) gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) auf Grundlage der Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) aktualisiert hat und der für die neu aufzubauenden 5G-Netze zur Anwendung kommen wird. Neben der Überarbeitung des Sicherheitskatalogs für Netzbetreiber und Diensteanbieter wurden auch erste Vorgaben zur Zertifizierung von kritischen Netzkomponenten erarbeitet und auf europäischer und internationaler Ebene diskutiert.

Das BSI schafft die Voraussetzungen für ein höchstmögliches Niveau an Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität in den 5G-Netzen. Foto: BS/denisismagilov, stock.adobe.com

5G: mehr Vernetzung, neue Möglichkeiten, höhere Risiken

Zusätzliche Anforderungen für sensible Netze Das TKG definiert die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Betreiber von Telekommunikationsnetzen. Für die IT-Sicherheit ist dabei vor allem § 109 Abs. 6 des TKG relevant, der die nationalen Sicherheitsanforderungen an die Telekommunikationsinfrastrukturen in Form des sogenannten Sicherheitskatalogs regelt. Er wird regelmäßig an die technischen und regulatorischen Rahmenbedingungen angepasst. Bei der letzten regelmäßigen Überarbeitung und Aktualisierung des Sicherheitskatalogs wurde vor allem dem neuen Mobilfunkstan-

Grafik: BS/BSI

dard 5G Rechnung getragen. Dafür wurde der Katalog um eine zweite Anlage mit zusätzlichen Sicherheitsanforderungen für öffentliche Telekommunikationsnetze und -dienste mit erhöhtem Gefährdungspotenzial ergänzt. Die neu erstellte Anlage des Sicherheitskatalogs thematisiert unter anderem, wie die Integrität von Komponenten über den gesamten Lebenszyklus abgesichert werden kann und welche Anforderungen bestehen, um den sicheren Betrieb von Netzen mittels Sicherheitsmonitoring und Schlüsselmanagement

aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus sind die Betreiber dazu verpflichtet, kritische Netzkomponenten einer Sicherheitszertifizierung zu unterziehen.

Zertifizierungsstrategie Das BSI erarbeitet derzeit in Absprache mit der Bundesnetzagentur eine Zertifizierungsstrategie für 5G. Sie soll es ermöglichen, in den unterschiedlichen Netzbereichen sowohl für Produkte als auch für Systeme unterschiedliche und aufeinander aufbauende Zertifizierungsschemata einsetzen zu

können. Dabei greift das BSI auf international anerkannte und etablierte Standards zurück, um den Aufwand für Hersteller und Betreiber zu minimieren. Ausgangspunkt ist das von der Global System for Mobile Communications Association (GSMA) entwickelte Prüf- und Auditierungsschema Network Equipment Security Assurance Scheme (NESAS) für Komponenten des Mobilfunknetzwerkes. Für die Embedded Universal Integrated Circuit Card wird hingegen das Security Accreditation Scheme (SAS) als Ausgangspunkt benutzt. Zusammen mit der GSMA entwickelt das BSI derzeit das NESASSchema weiter. Ziel ist, es als europäisches Zertifizierungsschema im europäischen Gesetzespaket zur Cyber-Sicherheit, dem Cybersecurity Act, zu verankern und weitere Prüfanforderungen wie etwa einen sicheren Produktlebenszyklus einschließlich Supply-ChainBetrachtung in den Standard zu integrieren. So könnte zu einem späteren Zeitpunkt die Produktzertifizierung um die Schemata Beschleunigte Sicherheitszertifizierung (BSZ) und Common Criteria (CC) ergänzt werden. Für ausgewählte kritische Netzfunktionen sollen geeignete Zertifizierungsvorgaben erarbeitet

Gesundheit wird digital (BS/BSI) Die Digitalisierung aller Lebensbereiche ist kaum irgendwo so spürbar wie im Gesundheitswesen: Stand noch vor wenigen Jahren der Aufbau der Telematikinfrastruktur im Fokus, um die Arztpraxen sicher zu vernetzen, werden heute be-

Grafik: BS/BSI

und europäisch harmonisiert bzw. standardisiert werden. Im Bereich der Systemzertifizierung erarbeitet das BSI Vorgaben im Rahmen von BSI-IT-Grundschutz bzw. ISO 27001 als Handreichung für die Netzbetreiber. Die im Rahmen der 5G-Zertifizierungsstrategie ausgewählten Schemata zur Produkt- und Systemzertifizierung sollen in einer Technischen Richtlinie des BSI zusammengefasst werden, auf die im Sicherheitskatalog verpflichtend verwiesen wird. Sie wird durch das BSI veröffentlicht und fortlaufend gepflegt.

Europäische Harmonisierung Auf europäischer Ebene wird die Einführung von Netztechnik der 5. Generation als wichtige Voraussetzung für künftige digitale Dienste in einem digitalen Binnenmarkt gesehen. Dabei empfiehlt die Europäische Kommission ein abgestimmtes Vorgehen bei der Sicherheit von 5G-Netzen und veröffentlicht in ihrer Empfehlung “Cyber-Sicherheit der 5G-Netze” (EU-2019/534 vom 26. März 2019) einen Fahrplan, um eine europaweite Toolbox von Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in 5G-Telekommunikationsnetzen zu erarbeiten. Auch in der am 16. Dezember 2020 veröffentlichen CyberSicherheitsstrategie der EU werden das Thema 5G und die nächsten Schritte zur Cyber-Sicherheit von 5G-Netzwerken behandelt. Zu den getroffenen Maßnahmen gehört insbesondere, eine Kooperationsgruppe einzurichten, eine koordinierte europäische Risikobewertung zu erstellen sowie einen harmonisierten Maßnahmenkatalog zur Bewältigung der identifizierten Risiken zu entwickeln.

BSI ist von Anfang an bei dieser Arbeitsgruppe beteiligt und setzt sich besonders dafür ein, geeignete Zertifizierungsschemata (z. B. basierend auf den oben genannten NESAS- und SAS-Schemata) als europäische Zertifizierungsschemata einzuführen. Dies ist ein Beitrag der “Task Force 5G” des BSI.

2005 bin ich vom Kommunikationsbereich einer Airline ins BSI gewechselt und habe u. a. “BSI für Bürger” mit aufbauen dürfen. Für mich war und ist es wichtig, dass ich mich mit meinem Arbeitgeber und den Aufgaben und Produkten identifizieren kann. Beim BSI war das von Anfang an der Fall und ist heute stärker denn je so: Mit meinem großartigen Team dazu beizutragen, das BSI durch eine moderne und zielgerichtete Personalentwicklung nicht nur zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen, sondern auch zukunftsfähig aufzustellen, ist eine tolle Aufgabe.

Arbeitsgruppe eingerichtet Eine Kooperationsgruppe zur Abstimmung und Planung des weiteren Vorgehens wurde bereits im April 2019 als Arbeitsgruppe zu 5G unter dem Dach der NIS Cooperation Group eingerichtet. Das

Anke Gaul, Leiterin Referat Z 9, Personalentwicklung und Employer Branding Foto: BS/privat

Beiträge aus der Abteilung Cyber-Sicherheit in der Digitalisierung und für elektronische Identitäten

Anwendungen reits elektronische hinaus ist eine Pa t i e n t e n a k t e n “Mobilisierung” mobil genutzt und von Gesundheitszukünftig elektroanwendungen spürnische Rezepte ohne bar. Zusammen mit der den Umweg über ein Papierdokument erstellt, eingelöst längst alltäglichen Nutzung von und abgerechnet. Über diese Smartphones werden immer mehr Apps und Wearables bereitgestellt, die der Gesunderhaltung, häufig in der Kombination mit Fitness-Anwendungen, dienen sollen. Bei der digitalen Pandemiebekämpfung dienen Anwendungen wie die Corona-Warn-App als zuverlässige Warninstrumente, um Infektionsketten zu unterbrechen. Mit Technischen Richtlinien und dem Angebot von Prüf- und Zertifizierungsdienstleistungen ist das BSI hier immer beteiligt, um bei allen neuen Anwendungen ein angemessenes Sicherheitsniveau zu gewährleisten.


30 Jahre BSI

Behörden Spiegel / April 2021

XI

Innovationen im Blick BSI-Kompetenzzentren gestalten Informationssicherheit (BS/Thomas Caspers*) Die 2019 neu eingerichtete Abteilung TK “Technik-Kompetenzzentren” im BSI bündelt zentral technische Expertise zu verschiedenen Themen und stellt diese verschiedenen Akteuren innerhalb und außerhalb des BSI bereit. Die Kompetenzzentren decken derzeit die Themen sichere Halbleitertechnologien, Betriebssysteme, Hard- sowie Softwareanalyse, Abstrahlsicherheit, Industrielle Steuerungs- sowie Automatisierungssysteme, Cloud Computing und Künstliche Intelligenz ab. Ergänzend nimmt das Themenfeld Technologie- und Forschungsstrategie eine gewisse Sonderstellung ein.

I

n ihren Technikfeldern ist die Abteilung innovativer Vorreiter systematischer Analyse- sowie Entwicklungstätigkeiten, bietet ein breites Lösungsangebot und sorgt mit ihrer Expertise für einen pragmatischen Wissenstransfer. Die Kompetenzzentren besetzen außerdem strategisch wichtige Themen mit nationalem und internationalem Führungsanspruch. Wichtige Ergebnisse in diesem Zusammenhang sind beispielsweise die im Jahr 2020 veröffentlichte Revision des international anerkannten Cloud-Kriterienkataloges C5 (Cloud Computing Compliance Criteria Catalogue) und der kürzlich publizierte Kriterienkatalog AIC4 (AI Cloud Service Compliance Criteria Catalogue) für KI-Dienste. Aber auch die sicherheitszentrische Mitwirkung in den großen Digitalisierungsprojekten des Bundes, die Erstellung von Anforderungsdokumenten, die Weiterentwicklung von Basistechnologien bis hin zur operativen

Die Technik-Kompetenzzentren des BSI entwickeln unter anderem Anforderungen für Basistechnologien wie KI. Foto: BS/BSI/Westend61, gettyimages.de

Unterstützung bei Sicherheitsvorfällen lässt die thematische Vielfalt erkennen. Die Abteilung TK nimmt somit eine grundlegend gestaltende Rolle

Europa: Vorreiter bei der Consumer-IoT-Sicherheit (BS/BSI) Immer mehr vernetzte Geräte, die zu Hause oder unterwegs verwendet werden, bilden zusammen das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT). Consumer-IoT-Geräte sind häufig unzureichend gegen Cyber-Angriffe geschützt. Nutzer können ausspioniert oder Botnetze aufgebaut werden. Mit der

europäischen Norm ETSI EN 303 645 wurde unter Beteiligung des BSI eine international ankerkannte Messlatte geschaffen, eine Art Urmeter für die Cyber-Sicherheit von Consumer-IoT-Geräten. Die zugehörige Prüfspezifikation ETSI TS 103 701 definiert, wie IoT-Produkte auf Konformität zu prüfen sind. In Deutschland soll

für die Informationssicherheit in der Digitalisierung wahr. Sie ist außerdem maßgeblich zuständig für die Technologie- und Forschungsstrategie des BSI, identifiziert früh-

zeitig bevorstehende technische Veränderungen und entwickelt dazu passende Lösungsansätze, um Informationssicherheit in der digitalisierten Welt zu gewährleisten. In den Kompetenzzentren werden daher auch Sicherheitsimplikationen von Zukunftstechnologien analysiert, wie beispielsweise Quantum Machine Learning.

die Norm für das geplante ITSicherheitskennzeichen verwendet werden, um IoT-Geräte zu Konzept bewährt sich – kennzeichnen, die über eine BaExpansion geplant sissicherheit verfügen. Überdies Die Resultate zeigen, dass wird in Europa diskutiert, sich das Konzept der Abein harmonisiertes IoTBeiträge teilung TK in den ersten Zertifizierungsschema aus der Abteilung zwei Jahren bewährt Cyber-Sicherheit in der zu etablieren, für mehr hat. Bisher waren die Digitalisierung und Sicherheit im IoT. Kompetenzzentren für elektronische Identitäten

ausschließlich am

Standort Bonn angesiedelt; in diesem Jahr expandiert die Abteilung geografisch: • Zum einen laufen die Planungen für den Aufbau eines Referats in Freital, welches zukünftig die Themen Software Defined Networks (SDN) und Datenbanken bearbeitet. Neben der sicherheitstechnischen Grundlagenarbeit wird eine wichtige Aufgabe des Referats die Einrichtung eines SDN-Testzentrums sein. • Zum anderen wird im Sommer ein neuer Stützpunkt im Saarland eröffnet. Hier sollen beispielsweise die Bedrohungen durch KI-Methoden im Bereich der IT-Sicherheit analysiert und passende Gegenmaßnahmen entwickelt werden. Hinsichtlich der Sicherheit von KISystemen wird der Schwerpunkt in Bonn weiterhin auf die Entwicklung von Prüfkriterien sowie -methoden gelegt. In Saarbrücken hingegen wird die Sicherheit von KI-Systemen aus technischer Sicht betrachtet. Hierbei werden Verfahren sowie Werkzeuge entwickelt, um Sicherheitseigenschaften von KISystemen technisch bewerten zu können und existierende Schwächen in KI-Systemen transparent aufzuzeigen. Das BSI wird die Ergebnisse zum Beispiel im Rahmen des digitalen Verbraucherschutzes einbringen, um Konsumierende hinsichtlich möglicher Risiken bei der Verwendung von KI-Systemen zu sensibilisieren.

France und Grand Est vor, mit dem Ziel, das Gebiet zur Herzkammer für KI und Cyber-Sicherheit in Europa zu entwickeln. Das BSI wird diese Standortvorteile nutzen, um die Informationssicherheit in der Digitalisierung in Deutschland und Europa, insbesondere hinsichtlich des Einsatzes von KI, aktiv zu gestalten. *Thomas Caspers ist Abteilungsleiter “Technik-Kompetenzzentren” im BSI.

Das BSI ist geprägt von motivierten und hilfsbereiten Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Begeisterung für die IT-Sicherheit Deutschlands einsetzen. Durch meine Tätigkeit hier kann ich einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten, was mich erfüllt. Hauptsächlich kümmere ich mich um die Weiterentwicklung von Prozessen und technischen Systemen im Nationalen IT-Lagezentrum – abhängig von der aktuellen IT-Sicherheitslage unterstütze ich die Kollegen dort auch direkt bei der operativen Arbeit.

(Europäische) Zusammenarbeit intensivieren Das BSI will die geografische Lage von Saarbrücken und die existierenden Strukturen vor Ort auch nutzen, um die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern zu intensivieren. Beispielsweise sieht die Frankreichstrategie 2020–2022 der saarländischen Landesregierung eine Partnerschaft des Saarlandes mit den französischen Regionen Ile-de-

Michael Nosbüsch, Referat OC 22, Nationales IT-Lagezentrum, Grundsatz und Meldestelle Foto: BS/privat


30 Jahre BSI

XII

Kernziele im digitalen Verbraucherschutz Risikobewusstsein, Beurteilungsfähigkeit, Lösungskompetenz (BS) Erfolgreiche Digitalisierung geht nicht ohne Informationssicherheit. Risiken im digitalen Raum zu erkennen und bewusst mit ihnen umzugehen, ist eine zunehmend komplexe Aufgabe für die Bürgerinnen und Bürger. Um sie besser unterstützen zu können, baut das BSI einen eigenen Fachbereich für den digitalen Verbraucherschutz auf. Im Interview erklärt die zuständige BSI-Abteilungsleiterin Nadine Nagel dem Behörden Spiegel, worauf es dabei ankommt. Behörden Spiegel: Frau Nagel, der digitale Verbraucherschutz ist eine neue Aufgabe für das BSI. Wie gehen Sie das Thema an? Nagel: Tatsächlich befasst sich das BSI als die Cyber-Sicherheitsbehörde des Bundes schon länger mit dem Thema. So sind in der Vergangenheit unter dem Dach “BSI für Bürger” vielfältige Angebote für die Zielgruppe der Privatanwender entstanden. Behörden Spiegel: Was für Angebote sind das? Nagel: Zu Beginn steht das aktive Zuhören, das heißt, wir gehen Fragestellungen nach, die sich mit den Erwartungen und Bedürfnissen in Bezug auf die Informationssicherheit im privaten Umfeld beschäftigen. Wir wollen noch besser verstehen, welche erlebten Hemmnisse oder auch technischen Hindernisse bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern bestehen. Dabei geht es auch um die Einschätzung von Risiken und präventive Maßnahmen in Eigenregie. Ein Instrument ist das Digitalbarometer – eine jährliche Verbraucherbefragung gemeinsam mit der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes rund um die Themen IT-Sicherheit und Cyber-Kriminalität. Aus diesen Analysen leiten wir Handlungsfelder ab und entwickeln konkrete Maßnahmen zur Information, Sensibilisierung, aber auch Befähigung von Privatanwendern, sich sicher im digitalen Raum bewegen zu

Nadine Nagel ist Abteilungsleiterin “Cyber-Sicherheit für Wirtschaft und Gesellschaft” im BSI. Foto: BS/privat

können. Das Spektrum ist dabei sehr groß. Als ein Erfolgsbeispiel möchte ich die “Cyberfibel” nennen, die als Nachschlagewerk für Informationssicherheit die Aufklärungsarbeit im privaten Kontext unterstützen soll. Dieses Produkt ist in Zusammenarbeit mit dem Verein “Deutschland sicher im Netz” entstanden. Idealerweise verbinden wir die genannten Aspekte des Zuhörens, der Maßnahmenentwicklung und der Evaluation. Dieser Dreiklang wird in einem Projekt mit dem Bundeskanzleramt zum Schutz von Online-Konten umgesetzt. Mit und für Bürgerinnen und Bürger werden Maßnahmen entwickelt, gemeinsam evaluiert und dadurch verbessert.

Nagel: Die Schwerpunkte ergeben sich aus der Dynamik und zugleich Komplexität des Themas mit seinen vielen Beteiligten. Der Spannungsbogen reicht dabei vom Verbraucher selbst über die Hersteller bis hin zu staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren. Diese Aspekte unter Beachtung von Markt- und gesellschaftlichen Trends umreißen komplexe Handlungsfelder, die wir als BSI unter dem Aspekt der Informationssicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland miteinander verknüpfen, koordinieren und aktiv gestalten wollen. Dazu bauen wir derzeit einen eigenen Fachbereich “Digitaler Verbraucherschutz, Cyber-Sicherheit für Gesellschaft und Bürger” auf, der sich neben Bonn, unserem Hauptstandort, in Freital bei Dresden konzentrieren wird.

gegen aktuelle Sicherheitsrisiken zu wappnen. So startete beispielsweise im März dieses Jahres unter dem Motto #einfachaBSIchern eine bundesweit angelegte Kommunikationskampagne, die im Kontext der oben genannten Ziele sowohl die Informationssicherheit im privaten Umfeld steigern als auch das BSI mit seinem breiten Angebotsspektrum bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern bekannter machen soll. Neben unseren eigenen Aktivitäten ist uns der kooperative Ansatz sehr wichtig, denn die Cyber-Sicherheit ist eine gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe. Das zeigt sich in der zu Beginn erwähnten Zusammenarbeit in gemeinsamen Projekten wie auch in Kooperationen zum Beispiel mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. oder dem Bundeskartellamt.

Behörden Spiegel: Frau Nagel, Behörden Spiegel: Welche kon- was wünschen Sie sich für die komkreten Ziele und Ansätze verfolgen menden 30 Jahre? Sie dabei? Nagel: Die sichere Anwendung Nagel: Unser Engagement rich- von digitalen Geräten und Anwentet sich auf drei Kernziele aus: Wir dungen im privaten Umfeld liegt wollen einmal bei den Verbrauche- uns sehr am Herzen. Daher ist das rinnen und Verbrauchern das Risi- Ziel für die weiteren Aufbaujahre kobewusstsein für die Gefahren im und darüber hinaus klar definiert: digitalen Raum erhöhen, wir wollen Wir wollen uns als BSI zu einem zum anderen ihre Beurteilungsfä- bedeutenden Akteur im digitalen higkeit beim Kauf vernetzter Geräte Verbraucherschutz entwickeln und oder bei der Nutzung digitaler An- mit unserer Expertise rund um die wendungen stärken und wir wollen Informationssicherheit dazu beitraBehörden Spiegel: Was verstehen drittens ihre Lösungskompetenz gen, dass die erfolgreiche DigitaliSie nun unter dem Begriff “digitaler steigern. sierung in all ihren Facetten gelingt. Verbraucherschutz” und wo liegen Im letztgenannten Punkt geht es die Schwerpunkte für die zukünftige um ganz konkrete Handlungsemp- Behörden Spiegel: Vielen Dank Entwicklung? fehlungen, sich selbstbestimmt für das Gespräch.

Behörden Spiegel / April 2021

EasyPASS – die automatisierte Grenzkontrolle (BS/BSI) Die Bundespolizei und das BSI arbeiten bereits seit 2009 eng bei der automatisierten Grenzkontrolle in Deutschland zusammen und treiben die Modernisierung und Digitalisierung der Grenzkontrollprozesse und -systeme kontinuierlich weiter voran. Ein gemeinsames Erfolgsprojekt dabei ist das EasyPASS-System. Automatisierte Schleusen lesen den Pass des Reisenden und überprüfen die Identität der Person biometrisch anhand des Gesichtsbilds. So wird eine schnelle, aber auch sichere

Grenzkontrolle an deutschen Flughäfen ermöglicht. Die technischen Anforderungen an diese EasyPASS-Systeme – insbesondere was die elektronische Prüfung von Pässen und den Einsatz von Biometrie betrifft – werden durch das BSI in Technischen Richtlinien spezifiziert, die von der Bundespolizei als Grundlage genutzt werden, um die Systeme zu beschaffen. Damit übt das BSI einen unmittelbaren und maßgeblichen Einfluss auf die Sicherheit und Effizienz der deutschen Grenzkontrolle aus.

EasyPASSGrenzverkehr 2020 im Vergleich

Beiträge aus der Abteilung Cyber-Sicherheit in der Digitalisierung und für elektronische Identitäten

Grafik: BS/BSI



30 Jahre BSI

XIV

Behörden Spiegel / April 2021

Verschlusssachen sicher ­verteilen

Gemeinsam Deutschland ein Stück sicherer machen

Kooperatives Arbeiten mit eingestuften Dokumenten

Datenaustausch in hochkritischen Umgebungen

(BS) Digitalisierung fördert Kooperation und Kollaboration – auch in Behörden und Industrie. Wo früher unzählige Papierausdrucke zur gemeinsamen Bearbeitung von sensiblen Daten oder Verschlusssachen (VS) nötig waren, schafft die VS-DokumentenmanagementLösung SINA Workflow heute vertrauliche digitale Räume. So erleichtert sie sowohl die organisationsinterne Kollaboration als auch die Kooperation zwischen Organisationen, z. B. von Behörden auf Landes- und Bundesebene. Die von secunet gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entwickelte Lösung macht es überflüssig, auf Sonderlösungen – oft ohne Zulassung – zurückzugreifen, die meist an irgendeiner Stelle im Arbeitsprozess noch Papierdokumente erfordern.

(BS) Seit 30 Jahren gestaltet das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Informationssicherheit in der Digitalisierung für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Seit seiner Gründung 1991 hat sich das BSI zu einem Kompetenzzentrum für Fragen der Informationssicherheit entwickelt. Wir, die INFODAS GmbH, sind stolz darauf, dass wir in der Vergangenheit und Gegenwart eine gute Zusammenarbeit gelebt haben und leben.

Mit SINA Workflow können Behörden die Verschlusssachen­ anweisung (VSA) umsetzen. Informationen lassen sich medienbruchfrei bearbeiten, verteilen und speichern – auf einem angemessen hohen und nachweisbaren Sicherheitsniveau. Im Dezember 2020 erhielt die Lösung die Zulassung bis zur Geheimhaltungsstufe GEHEIM durch das BSI. Ist SINA Workflow auf SINA Workstations und unter Berücksichtigung der jeweiligen Betriebsbedingungen (SecOps) implementiert, schützt die Lösung VS und andere hochsensible Daten von der Entstehung bis zur Finalisierung. SINA Workflow unterstützt die Nutzer u. a. dabei, Inhalte kollaborativ auszuarbeiten (Zuarbeit), interne Abstimmungsprozesse mit Mitzeichnungen umzusetzen sowie Inhalte sicher nach dem Prinzip

zu Registraturen oder die Beauftragung von Kurieren verteilen.

Sichere Verteilung auch ­außerhalb der eigenen ­Organisation Mithilfe des Kopfstellen-Modells kann SINA Workflow auch organisationsübergreifend einen digitalen VS-Datenaustausch sowie kollaboratives Arbeiten an Inhalten über Organisationsgrenzen hinweg realisieren. Eine Organisation kann damit finalisierte VS-Dokumente als Ausfertigung an eine andere Organisation senden – durchgängig digital, mit Nachweisführung und adäquatem Schutz.

B (der in diesem Fall als Nutzer der Domäne von Organisation A geführt wird) die Kenntnisnahme des Dokuments anbieten. Nimmt der Nutzer von B diese an, wird das Dokument geschützt an die SINA Workstation in Organisation B übertragen und kann dort gelesen und, wenn nötig, bearbeitet werden. Zusätzlich hat der Nutzer von B die Möglichkeit, die VS digital zu exportieren und sie so in anderen Systemen innerhalb der Organisation B weiterzuverwenden. Die Nachweisführung von SINA Workflow der Organisation A zeigt an, ab wann der Mitarbeiter von B die Kenntnisnahme angenommen hat und ob – und wenn ja, wann – eine digitale Kopie

Digitaler VS-Datenaustausch über Organisationsgrenzen hinweg Grafik: BS/secunet GmbH

“Kenntnis nur, wenn nötig” weiterzuleiten. Alle Funktionen und Workflows, die die Lösung anbietet, sind VSA-konform, kryptografisch gesichert und in eine umfassende Nachweisfunktion eingebettet – einschließlich eines VS-Bestandsverzeichnisses, so wie es die VSA fordert. Im Verbund mit SINA Workstations ermöglicht SINA Workflow durchgehend digitales Arbeiten mit VS. So lassen sich eingestufte Dokumente ganz ohne den Zutritt

Bei dem Kopfstellen-Modell wird eine SINA Workstation, die zu der Domäne (d. h. der SINA-Infrastruktur und der SINA-WorkflowRegistratur) von Organisation A gehört, mit SINA Workflow in Organisation B aufgestellt. Mitarbeiter von B bedienen diesen SINA-­ Workflow-Arbeitsplatz. Ist eine VS von Organisation A fertiggestellt und soll an Organisation B gesendet werden, kann ein berechtigter Mitarbeiter von A einem SINAWorkflow-Nutzer der Organisation

zur Verwendung außerhalb der SINA-Workflow-Domäne A erzeugt wurde. Insgesamt vereinfacht SINA Workflow die digitale VS-Bearbeitung in der deutschen Verwaltung stark, der Umgang mit eingestuften Informationen wird um ein Vielfaches beschleunigt. Auch Behörden anderer Länder können von der Lösung profitieren: SINA Workflow wurde von Anfang an mit dem Ziel der Internationalisierung entwickelt.

Als Anbieter von Hochsicherheitslösungen haben wir in jahrelanger Kooperation mit dem BSI unser Portfolio gemeinsam auf- und ausgebaut. Unsere Produktfamilie “Secure Domain Transition” (SDoT) bietet die umfassendste Cross Domain Solution (CDS) am Markt für Netzwerksicherheit und Data Loss Prevention (DLP) an. Die Produkte der SDoT-Familie sind perfekt aufeinander abgestimmt und ermöglichen die Ende-zu-EndeDigitalisierung in sensitiven oder hochkritischen Bereichen, und zwar mithilfe einer sicheren Verbindung über verschiedene Systeme und Sicherheits-Domänen hinweg. Hierfür wird für den Datenaustausch zwischen Netzen unterschiedlicher Einstufung zunächst unterschieden, ob es sich um unstrukturierte oder strukturierte Daten handelt.

Ende-zu-Ende-Digitalisierung in sensitiven oder hochkritischen Bereichen mit Secure Domain Transition Foto: BS/INFODAS GmbH, iStock-943067460

Eine zwischen den Netzen/Systemen geschaltete Cross Domain Solution kann dann anhand der Labels (unstrukturierten Daten) oder mit fest definierten Regelwerken (strukturierten Daten) darüber entscheiden, ob Daten das Netzwerk verlassen dürfen oder ob sie abgefangen im jeweiligen Netzwerk verbleiben müssen. Derartige Netzübergänge können für Klassifizierung den bidirektionalen Datentransfer Die Klassifizierung unstrukturierter mittels SDoT Security Gateway/ Daten erfolgt mit einem fälschungs- Security Gateway Express oder sicheren XML-Security-Label anhand lediglich für den unidirektionalen unseres “SDoT Labelling Service”. Transfer via SDoT-Diode konfiguUnabhängig von der System- und riert werden. Applikationslandschaft kann die Geprüfte Sicherheit Klassifizierung dank offener Schnittstellen in der gewohnten ArbeitsumAlle Produkte der SDoT-Progebung wie z. B. Microsoft Outlook duktfamilie sind vom BSI für den oder Word erfolgen. Die Labels er- Geheimhaltungsgrad GEHEIM füllen die NATO STANAG 4774 und sowie mit Unterstützung des BSI 4778 und können darüber hinaus für EU SECRET und NATO SECRET mit individuellen Metadatenfeldern geprüft, akkreditiert und zugelassen. Des Weiteren gehört die ergänzt werden.

INFODAS GmbH zu den wenigen Häusern, die durch das BSI als IT-Sicherheitsdienstleister in den Geltungsbereichen IS-Revision, Beratung und IS-Penetrationstests UP-Bund zertifiziert sind und über IT-Sicherheitsexperten sowie BSIAuditoren zur Beratung und Überprüfung von KRITIS-Betreibern gemäß § 8a Absatz 1 des BSIGesetzes (BSIG) verfügen. Die INFODAS GmbH gratuliert dem BSI herzlichst zu seinem Geburtstag und bedankt sich für die lange und gute Zusammenarbeit. Wir freuen uns auf viele weitere Jahre voller spannender und interessanter Themen. Gemeinsam machen wir Deutschland ein Stück sicherer.

Wegweiser für eine sichere IT “made in Germany” Informationssicherheit als Erfolgsfaktor der Digitalisierung (BS/Helko Kögel) Seit 30 Jahren prägt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die IT-Landschaft in Deutschland und darüber hinaus. Neben der Rolle als “Sicherheitsdienstleister” der Bundesverwaltung hat das BSI auch für Wirtschaft und Gesellschaft sein breites Portfolio an Dienstleistungen in dieser Zeit stetig erweitert. So fungiert es unter anderem als zentrale Stelle und Informationsdrehscheibe für die IT-Sicherheit in Kritischen Infrastrukturen und entwickelt Sicherheitsanforderungen für die zukünftigen 5G-Netze sowie Cloud-Infrastrukturen. Zudem werden praxisorientierte Mindeststandards für die IT-Sicherheit bereitgestellt. Die digitale Transformation von Staat (beispielsweise mit EGovernment-Gesetz, Onlinezugangsgesetz, IT-Konsolidierung), Wirtschaft (etwa Anforderungen an sichere Netzwerke, mobiles Arbeiten) und Gesellschaft (etwa elektronische Identitäten, Homeschooling) hat wesentlich an Dynamik gewonnen und braucht verlässliche und klare Wegweiser. Deren sichere Ausgestaltung ist Voraussetzung dafür, dass Digitalisierung souverän und zum Vorteil der Menschen in Deutschland gelingt. Dabei erfolgt dies nach den Prinzipien “Security by Design” und Messbarkeit – gerade bei dem verstärkten Einsatz “Künstlicher Intelligenz” sowie der “New Work” in der Corona-Zeit. Für ein führendes IT-Beratungshaus wie CONET, das ebenfalls auf einer drei Jahrzehnte langen Geschichte und Erfahrung aufbaut und seine Kunden in Verwaltung und Wirtschaft ebenso lange in ihrer fortschreitenden Digitali-

sierung begleitet, ist die Arbeit des BSI von zentraler Bedeutung: Eigene Leistungen und Lösungen an den Vorgaben des BSI auszurichten, gibt den Auftraggebern die Sicherheit, sich auf erprobte, wirksame und einheitliche Vorga-

So folgen im Bereich Cyber Security & Data Intelligence die Beratung ebenso wie die Lösungserstellung und die Managed Security Services von CONET den aktuell etablierten Industriestandards wie beispielsweise dem BSI-IT-Grundschutz, den BSI-Standards sowie den Anforderungskatalogen an sicheres Cloud Computing und den Betrieb von Angriffserkennungssystemen. In seiner aktuellen Version vom Februar 2021 adressiert das IT-GrundschutzKompendium des BSI wieder wegweisende Entwicklungen. Die Vernetzung von Bürger, Wirtschaft und Verwaltung ist längst Realität und die Integration von Helko Kögel ist Director Sicherheit in Prozessen, Systemen Cyber Security bei CONET. und Produkten nimmt weiter zu. Foto: BS/privat, CONET Als Partner des BSI, zahlreicher Bundesbehörden und Anwendern ben verlassen zu können. Zugleich ist sich CONET der Bedeutung stärken die Entwicklung und der der Informationssicherheit als Betrieb von IT-Architekturen und Erfolgsfaktor der Digitalisierung IT-Lösungen gemäß den BSI-Richt- bewusst. Gemeinsam gestalten linien das Vertrauen in eine sichere wir eine sichere digitale Zukunft IT “made in Germany”. für Deutschland.


30 Jahre BSI

Behörden Spiegel / April 2021

XV

Unter langfristiger Beobachtung Exchange-Hack noch nicht überwunden (BS/Paul Schubert) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) empfiehlt Behörden und Unternehmen, ihre Systeme auch langfristig auf Schadsoftware aufgrund des Exchange-Hacks zu prüfen. Derweil konnte die Zahl der verwundbaren Server um etwa 90 Prozent reduziert werden, teilte das Bundesamt mit.

A

m 17. März konnten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BSI ein wenig aufatmen. Die Behörde stufte die IT-Bedrohungslage im Zuge des Microsoft-Exchange-Hacks von der höchsten Warnstufe “4 / rot” auf “3 / orange” herab. Welche Tragweite der Vorfall hat, zeigt sich daran, dass nach 14 Jahren erneut die höchste Warnstufe ausgerufen wurde. 2007 wurde der Trojaner Zeus entdeckt, welcher vor allem zum Ausspähen von Privat- und Finanzdaten eingesetzt wurde Anfang März hat Microsoft zwar Sicherheitsupdates für mehrere Schwachstellen des Produktes “Exchange-Server” veröffentlicht, allerdings informierten bereits am 5. Januar Sicherheitsforscher des Unternehmens Devcore den TechGiganten über eine Schwachstelle im System. Microsoft reagierte zunächst schleppend, erklärte anfangs, dass mit dem regulären Patchday am 9. März die Lücke geschlossen werden sollte. Als sich langsam das Ausmaß des Sicherheitsvorfalls zeigte, richtete das Unternehmen am 3. März ein außerplanmäßiges Sicherheitsupdate ein. Somit ver-

gingen mit der ersten Meldung der Sicherheitslücke und dem Handeln Microsofts im März über zwei Monate. Nach Martina Schlögel, Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber (SPD), waren die betroffenen Systeme bis dahin wohl bereits kompromittiert. Kompromittiert meint in diesem Sinne, dass sich ein Angreifer unentdeckt einen weiteren Zugang in das System gelegt haben könnte, um ihn später für kriminelle Aktivitäten zu nutzen. Schlögel wies weiterhin darauf hin, dass Transparenz der Behörden ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Bewältigung von Datenschutzverstößen darstelle. Auch die Meldedisziplin, welche die Pressesprecherin bei den Bundesministerien als gut beurteilt, stelle die Basis für die Prävention von Sicherheitsrisiken da. Das BSI konkretisierte den Begriff “kompromittiert”. Hiermit sei nicht immer gemeint, dass die Schadsoftware, welche eingesetzt wurde, auch aktiv genutzt worden sei. Durch den Einbau einer “Hintertür” könnten die Hacker auch noch Monate nach dem Angriff aktiv werden. Auch zur Anzahl der betroffenen Ministerien

Aus- und ­Fortbildung So hilft die Cyber Akademie (BS/Lukas Schäfer*) Die Cyber Akademie ist ein eigenständiges Unternehmen der Behörden Spiegel-Gruppe und fokussiert mit ihrem Seminarportfolio die Aus- und Fortbildung von Fachkräften in den Bereichen IT-Sicherheit, Datenschutz und Business Continuity Management. Dabei spielt es keine Rolle, ob Interessenten aus dem öffentlichen oder privaten Sektor kommen und wie stark das Fachwissen bereits ausgeprägt ist. Denn die Kurse sind zielgruppen- und sektorenübergreifend, sowohl (Quer-)Einsteigende als auch Expertinnen und Experten werden mit speziell auf den Kenntnisstand zugeschnittenen Angeboten bedient. Ein weiterer Anspruch der Cyber Akademie liegt in der Aktualität des vermittelten Wissens. Neben “Klassikern”, zum Beispiel Aufbau und Pflege eines ISMS, beinhaltet das Curriculum Angebote wie systematische Recherchen im Darknet, die Integration von sogenannten Next-GenCyber-Security-Technologien oder datenschutzrechtliche Abwägungen bei der Nutzung von Cloud- oder KI-Diensten. Für individuell zugeschnittene Inhalte bietet die Cyber Akademie darüber hinaus eine breite Palette von Services an. Dazu gehören Inhouse- und HackerSchulungen, Awareness-Lösungen, IT-Notfallübungen sowie Pentests. Hier werden die Inhalte passgenau auf die Bedarfe des Kunden abgestimmt. In Anspruch genommen wurden diese Formate von zahlreichen Kunden aus der Kommunal-, Stadt- und Landesverwaltung, von

Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden sowie Klein- und Großunternehmen. Der Vorteil der Wahrnehmung der Aus- und Fortbildungsangebote liegt angesichts der fortschreitenden Digitalisierung auf der Hand: Durch die Anreicherung dieses zukunftskritischen Wissens erlangt Ihre Organisation digitale Souveränität. Sie sind den jetzigen und kommenden Herausforderungen des Cyber-Raums gewachsen und können selbstbestimmt Ihre Agenda setzen. Gleichzeitig ist die Cyber Akademie nicht nur ein Aus- und Fortbildungsunternehmen, sondern selbst Kompetenzträger: Gemeinsam mit dem Programmbeirat und dem Dozierenden-Netzwerk werden die aktuellen Bedarfe und Wissenslücken in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft analysiert und in der Programmentwicklung berücksichtigt. Das aktuelle Programm finden Sie unter www.cyber-akademie.de Anfragen zu Inhouse-Schulungen oder weiteren Services schicken Sie an info@cyber-akademie.de. Wir freuen uns auf Ihre Nachrichten! *Lukas Schäfer ist Leiter der Cyber Akademie.

Die Cyber Akademie bietet neben regulären (Online-)Seminaren individuelle Lösungen wie Inhouse-Schulungen oder IT-Notfallübungen an.

konnte die Behörde keine Angaben machen. Zu den Opfern zählen die Mail-Systeme des Umweltbundesamtes (UBA), der Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen (BAV) sowie des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Das PEI ist eines der bedeutendsten staatlichen Institutionen in der Durch die eingebaute Hintertür können Hacker noch lange nach dem Angriff Corona-Pandemie. Es gehört zum Daten abgreifen und die Geschädigten erpressen. Foto: BS/noshad ahmed, pixabay.com Geschäftsbereich von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und überwacht die Impfstoffsicherheit. nem Sicherheitsvorfall zum Löschen fektion zu untersuchen und dauer- stützt das BSI die Hilfesuchenden der Server und einer Neuinstallation. haft zu beobachten. unter anderem durch eine forensische Gefahr für das Staatswohl Insgesamt vermeldete das Bundes- Problematisch bleibt allerdings Datenanalyse. Eine SanktionsmögAllerdings wies das BSI auch darauf amt etwa 60.000 verwundbare MS- die Meldepflicht. Nach § 4 Gesetz lichkeit seitens des BSI besteht nicht, hin, dass “sich einige Verdachtsfälle Exchange-Instanzen, die Angriffe über das Bundesamt für Sicherheit allerdings teilte die Behörde mit, dass zudem als “false positive” (Fehla- erfolgten größtenteils mithilfe von in der Informationstechnik (BSIG) sie aktiv auf Nichtmelder zugeht. Wie larm) herausgestellt haben”. Mitt- Ransomware und Kryptominern. haben sich Bundesbehörden beim dieser Prozess genau vonstattengeht lerweile können kompromittierte Das BSI rät nicht nur dazu, die Si- BSI zu melden, wenn ein Angriff und wie das BSI erkennen will, dass Server mit einem Prüf-Skript von Mi- cherheitslücken zu schließen, son- erfolgt oder geplant wurde, wel- Bundesbehörden ihrer Meldepflichcrosoft ausfindig gemacht werden. dern auch langfristig die eigenen cher sich mit Sicherheitslücken ten nicht nachkommen, ließ die BeDa die Schäden bis dato noch nicht Netzwerke auf eine möglicherweise oder Schadprogrammen beschäf- hörde offen. Auskünfte dazu seien absehbar sind, rät das BSI bei ei- bereits erfolgte Schadsoftware-In- tigt. Erfolgt eine Meldung, unter- “eine Gefahr für das Staatswohl”.


30 Jahre BSI

XVI

Cyber-Diplomatie 2021 Das Primat der EU-Politik im CIR wahren (BS/Annegret Bendiek und Matthias C. Kettemann) 2021 ist ein entscheidendes Jahr für die Rolle Europas im Cyber- und Informationsraum (CIR). Die Bundestagswahl im Herbst und die vielen Länderwahlen bis dahin werfen ihre Schatten im Themenfeld der Digitalisierung und Cyber-Sicherheit voraus. Die Corona-bedingte Verlagerung vieler gesellschaftlicher Selbstvergewisserungs- und Meinungsbildungsprozesse in digitale Räume fordert die Sicherung der Stabilität und Funktionalität des Internets in Deutschland, der EU wie global heraus. Die rechtstaatliche Ausgestaltung der Plattformregulierung, die Normenbildung für staatliches Verhalten im CIR, die Multistakeholder-Prozesse in der Internet Governance sind nur einige wenige Handlungsfelder europäischer Cyber-Diplomatie. Auf EU-Ebene muss sich eine robuste Cyber-Außenpolitik noch aus den Fesseln der jüngsten EU-Strategie zur Cyber-Sicherheit befreien.

I

m Dezember 2020 hat die EU ihre neue Strategie zur CyberSicherheit vorgelegt, mit dem Ziel, Europas technologische und digitale Souveränität zu stärken. Um dafür Sorge zu tragen, dass die Politik in der Cyber-Sicherheit den Vorrang vor kriegerischen Mitteln hat, muss es die Aufgabe der Mitgliedsstaaten sein, der Diplomatie in Europa eine stärkere Stellung einzuräumen. Dazu sollte die EU-CyberDiplomatie schlagkräftiger werden. Vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen sind Voraussetzung für mehr Integrität, Verlässlichkeit und Verfügbarkeit von Daten, die für die globale Wirtschaft und für den digitalen Binnenmarkt zentral

schwerwiegende Cyber-Vorfälle in Europa. Den aktuellen Rahmen setzt die im Dezember 2020 von der EU-Kommission und dem Hohen Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik, Joseph Borrell, vorgestellte neue EU-Strategie für Cyber-Sicherheit und Resilienz. Diese ist eng mit anderen Initiativen der EU verbunden, etwa der digitalen Zukunft des Binnenmarktes, dem Konjunkturprogramm der Kommission und der Strategie der Sicherheitsunion 2020-2025. Eine “gemeinsame Cyber-Einheit” mit der Aufgabe, die IT-Fähigkeiten von “Verteidigungskreisen im Bereich der Cyber-Sicherheit” und der Strafverfolgungsbehörden

Dr. Annegret Bendiek ist Stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe EU/ Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Foto: BS/SWP

PD Dr. Matthias C. Ket­ temann, LL.M. (Harvard), ist Forschungsprogramm­ leiter am Leibniz-Institut für Medienforschung − Hans-Bredow-Institut (HBI) Forschungsgrup­ penleiter am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft und am Sus­ tainable Computing Lab der Wirtschaftsuniversität Wien. Foto: BS/SWP

sind. Die EU registrierte 2019 rund 450 Angriffe auf Kritische Infrastrukturen. Um ihr gesellschaftspolitisches Modell bewahren zu können, muss sich die EU in einem sicherheitspolitischen Umfeld behaupten, das von wechselseitigen Bedrohungswahrnehmungen und einem an Dynamik gewinnenden Technologie- und Rüstungswettlauf zwischen Staaten geprägt ist. Zur digitalen Selbstbehauptung Europas sollte der Europäische Auswärtige Dienst eine explizite Kompetenz in der EU-Cyber-Diplomatie erhalten.

Robuste Cyber-Sicherheit… Seit ihrer ersten Cyber-Sicherheitsstrategie von 2013 setzt die EU auf den Aufbau von resilienten Informations- und Kommunikationstechnologien, um die CyberAbwehr in der Inneren und Äußeren Sicherheit zu stärken. Seit 2020 konzentriert sie ihre Aktivitäten sogar zusammen mit den Mitgliedsstaaten auf den Aufbau operativer Kapazitäten zur Prävention, Abschreckung und Reaktion gegen

in Kooperation mit “zivilen und di­p lomatischen Gemeinschaften” zu stärken, befindet sich im Aufbau. Die EU soll ein “echtes Cyber-­Sicherheits-Schutzschild” erhalten, um Gefahren frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten, bevor Schäden entstehen. Zum Schutz Kritischer Infrastrukturen sollen geltendes EU-Recht und die NIS-Richtlinie von 2016 überarbeitet werden und KI stärker genutzt werden, um Angriffe gegen Versorgungseinrichtungen oder Verkehrsnetze zu erkennen. Zudem sollen im Rahmen der GASP Vorschläge für ein erweitertes “EUInstrumentarium für die CyberDiplomatie” unterbreitet werden, damit Attacken auf die Kritische Infrastruktur, Versorgungsketten und die demokratischen Institutionen und Prozesse besser begegnet werden kann. Die Vorschläge haben den Charakter einer Checkliste, die es in den nächsten Monaten und Jahren abzuarbeiten gilt. Ein genauerer Blick auf die Cyber-Diplomatie offenbart, dass die EU genau in

diesem Bereich einen Mehrwert für Diplomatie im Dienst der digitalen die Mitgliedsstaaten bieten kann. Souveränität der EU ist zweitens mit strategischer Handlungsfähig…erfordert Cyber-Diplomatie keit verbunden und setzt voraus, Eine zusammenwachsende Welt dass die EU ihre Vorstellungen von braucht gemeinsame Regeln und Datenschutz und -sicherheit auch einen verbindlichen Rechtsrahmen, international durchsetzen kann. Eine damit sich gemeinsame Märkte ent- europäische “Re -Souveränisierung” wickeln und das Sicherheitsdilem- im digitalen Zeitalter meint drittens ma abbauen kann. Cyber-Sicherheit die Einsicht, dass ein Mindestmaß darf nicht in Protektionismus und an Herrschaft bzw. Kontrolle über Autarkie enden, sondern sie ist an die notwendigerweise genutzten der Maxime einer “strategischen technologischen Ressourcen von Offenheit” des Binnenmarkts zu ori- Internetknotenpunkten über Cloudentieren. Die EU-Cyber-Diplomatie Infrastruktur bis hin zur internatiosollte hierzu erstens dazu beitragen, nalen Standardsetzung vonnöten dass Bürgerinnen und Bürger die ist. Dazu gehört, viertens, die ÜberSelbstbestimmung über ihre per- prüfbarkeit von Recht und Politik sönlichen Daten behalten. Cyber- der Digitalität vor der europäischen

Behörden Spiegel / April 2021

Gerichtsbarkeit. China und die USA beschränken sich bspw. in der Kritischen Infrastruktur bei der genutzten Hard- und Software aus Gründen der Cyber-Sicherheit im Wesentlichen auf einheimische Anbieter. Noch Ende 2020, als eine der letzten großen Initiativen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, hat das Auswärtige Amt Vorschläge für die Zukunft der EU-Cyber-Diplomatie entwickelt und gemeinsam mit Estland, Frankreich, Polen, Portugal und Slowenien in einem “Non-Paper” präsentiert. Geleitet von der deutschen Cyber-Botschafterin Regine Grienberger werden sich Deutschlands “Cyber-Diplomaten” für eine kohärente EU-Cyber-Diplomatie als Schlüssel zum Schutz und zur Stärkung der digitalen Souveränität Europas einsetzen. Handlungsfähig zu bleiben, setzt Know-how, Ressourcen und politischen Willen für vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen voraus. Gerade angesichts drohender Konfrontationen mit autoritär regierten Staaten ist der Schutz des Internets nicht durch, sondern auch vor Staaten ein wichtiges Anliegen einer inklusiven und parlamentarisch rückgekoppelten Multistakeholder-Governance. Digitale Technologie ist nicht wertneutral,

sie ist wirkmächtig und sollte eben nicht für undemokratische Zwecke in Europa oder weltweit missbraucht werden. Um Cyber-Diplomatie effektiv zu gestalten, brauchen wir supranationale Kompetenzen für den Europäischen Auswärtigen Dienst. Der von Bundespräsident Steinmeier mit China angestoßene bilaterale Cyber-Dialog und die 2021 noch zu intensivierenden kontinuierlichen bi- und multilateralen Cyber-Konsultationen mit Drittländern sollten, im wohlverstandenen Eigeninteresse Europas, europäischen Interessen und Werten im Cyber- und Informationsraum verpflichtet sein. Mehr zum Thema in SWP-Aktuell 2021/A 12, Februar 2021, Kurzlink: http://bit.ly/SWP21A12


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / April 2021

Aus dem Digitalmuseum direkt nach Digistan?

BfDI stellt Tätigkeitsbericht vor

Über Sinn und Unsinn eines Digitalministeriums (BS/Uwe Proll) In manchen Bundesländern schmückt eine Digitalisierungsministerin oder ein -minister das Rund des Kabinetts. In Bayern hat sich die Regierung für ein eigenständiges Ressort entschieden, die NRW-Landesregierung hat ähnlich wie die österreichische Bundesregierung in Wien die Digitalisierung mit Innovation und vor allem Wirtschaft verknüpft. Schon bei den Sondierungsgesprächen im November 2017 zu einer Jamaika-Koalition im Bund war das Digitalisierungsministerium ein Thema. Damals mit von der Partie der FDP-Bundestagsabgeordnete Manuel Höferlin. Er zog sogar schon ein fertiges Organigramm während der Verhandlungen aus der Tasche. Die Geschichte nahm ihren Lauf: kein Jamaika, kein Digitalisierungsministerium. Nun kursiert das Digitalisierungsministerium in den letzten Wochen durch die Debatte. Befürworter sehen in der Bündelung der wichtigsten Digitalisierungsaufgaben auf Bundesebene in einem Ressort die Möglichkeit, der Digitalisierung nicht nur mehr Gewicht zu geben, sondern sie auch durchsetzbarer zu machen. Doch mit der Durchsetzung ist es in einem vom Ressortprinzip gekennzeichneten Kabinett so eine Sache. Kein Minister wird sich von einem anderen ins eigene Ressort hineinregieren lassen. Es bedürfte also komplizierter Mechanismen, um einem möglichen Digitalisierungsministerium bei Finanzmitteln, Personal und dann auch in der Sache so viel Mitspracherecht zu geben, dass Digitalisierung aus einem Stück entstünde. Die CDU hat sich auf ihrem Leipziger Parteitag 2019 festgelegt: Es braucht ein Digitalministerium. Die Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär, sprach sich gegenüber dem Behörden Spiegel für ein Zukunftsministerium aus. Dahinter steckt offenkundig die Überlegung, dass ein Digitalisierungsministerium herkömmlichen Ressortzuschnitts eine Notwendigkeit der vorletzten oder gar vorvorletzten Legislaturperiode gewesen wäre. Digitalisierung von Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft ist heute vielmehr Teil einer Innovationsdynamik, die neues Arbeiten, neue Methoden und neue Wege beschreitet. Die Gegner des Digitalisierungsministeriums verweisen darauf, dass jedes Fachressort notwendigerweise Digitalisierungspolitik betreibe, sei es die Landwirtschaft 4.0, die digitale Schule und das digitale Gefechtsfeld. Ein Digitalisierungsministerium hätte so wenig Einfluss, dass

seine Existenz überflüssig wäre. Darüber hinaus würde es die Überkomplexität, z. B. in der Aufsicht über große IT-Projekte des Bundes und unübersichtliche Entscheidungsstrukturen, nicht auflösen, sondern womöglich noch weiter verkomplizieren.

Digitalisierungsministerium zu Hause sein. Sicherlich könnte auch die Agentur für Innovation in der Cyber-Sicherheit zu den Begehrlichkeiten gehören. Schwierig würde es werden, sollte das Ministerium einen Blick auf die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) werfen. Zwar wird hier neben dem Digitalfunk für die Sicherheitsbehörden mittlerweile auch das Großprojekt Konsolidierung der IT-Netze des Bundes gemanagt, also durchaus begründbar für ein neues Bundesressort, doch sitzen im Verwaltungsrat in der Mehrheit die Vertreter der Bundesländer – und die wollen keine Änderung.

Alternative: Digitalagentur? Schaut man in den vorletzten Koalitionsvertrag, entdeckt man im Text eine Digitalagentur. Diese könnte als koordinierender Ort mit eigener schlanker und schlagkräftiger Struktur sich den fragmentierten Zuständigkeiten stellen. Eine Agentur, möglicherweise als Anstalt des öffentlichen Rechts, als GmbH oder gemeinnützige Gesellschaft gegründet, wäre in der Lage, nicht nur Expertise – auch von außen – zu bündeln, sondern vor allem einem entscheidenden Hemmfaktor zu begegnen: viel zu langen Entscheidungs- und Realisierungsprozessen. Bei der dynamischen Entwicklung der Technologie spielt der Faktor Zeit die entscheidende Rolle. Es stellt sich die Frage, wo eine solche Agentur im nachgeordneten Bereich verortet werden könnte. Vielleicht in einem kleinen Ministerium, das die Rechts- und Fachaufsicht über die Digital­agentur führt, die Rechtsaufsicht allein und die Fachaufsicht durch ein Gremium, in dem alle anderen Ressorts sitzen. Letztlich müsste die endgültige fachliche Entscheidung aber beim Digitalministerium liegen. Neben der Digitalisierung von Verwaltung wären auch Fragen der Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft hier anzusiedeln. Das Ministerium führt dann den Diskurs über die notwendigen Innovationen einerseits, die notwendigen – rechtlichen und ethischen – Grenzen

Die Diskussion um ein Digitalisierungsministerium mag als griffiges Thema für den Wahlkampf dienen, für den operativen Politbetrieb birgt ein eigenständiges Digitalressort jedoch viele potenzielle Stolpersteine. Prominent ist dabei nicht zuletzt auch die Frage der Zuständigkeit. Grafik: BS/Hoffmann

andererseits. Auch die IT-Sicherheit könnte hier ressortieren. Es wäre dann im Sinne von Dorothee Bär ein Innovationsministerium.

Konsequenz: Neuordnung des nachgeordneten Bereichs In den nachgeordneten Bereichen des Bundesinnen-, Finanz-, Verkehrs-, Wirtschafts- und Verteidigungsministeriums herrscht wegen der Diskussion derzeit “Habt Achtstellung”. Käme es zu einem solchen Ministerium, stellt sich die Frage, welche derzeit anderen Ressorts nachgeordneten Behörden dann zum neuen wechseln würden. Am häufigsten genannt wird dabei wohl das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Bündnis 90/Die Grünen wünschen sich schon seit Langem, dass die IT-Sicherheitsbehörde aus dem aus ihrer Sicht “polizeilichen und nachrichtendienstlichen Umfeld”

des BMI rauskommt. Zwar wird auch immer der IT-Dienstleister der Bundeswehr, die BWI, genannt, doch ist ihr Verbleib im Gefüge der Bundeswehr derzeit nicht verhandelbar. Das ITZBund, das alle Ressorts der Bundesregierung derzeit mit Rechenleistung versorgt, gehört in den BMF-Bereich, deswegen, weil es aus dem Rechenzentrum des Finanzministeriums, dem ZIVIT, hervorgegangen ist und ein Großteil seiner Rechenkapazitäten derzeit der Finanz- und Steuerverwaltung dienen (Haushalt, Besoldung, Zoll). Wenn das ITZBund als Arbeitsmuskel für ein neues Ministerium infrage käme, würde die Organisation zerschlagen werden, befürchtet man dort. Die großen Massenverfahren in den Rechenzen­ tren sind nämlich zwingend der Steuerverwaltung zuzuordnen und die kann kaum in einem

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KNAPP

Kein Erkenntnisproblem Seit über einem Jahr leben wir in der Pandemie und diese hat viele Schwachstellen und Defizite in der Resilienz offengelegt. Nach einem Jahr ist aber auch klar: Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern ausschließlich ein Umsetzungsproblem. Nach einem Jahr ist die digitale Verfolgung von Infektionsketten nach wie vor nicht möglich. Deswegen ist die ganze Diskussion um ein Digitalisierungsministerium griffig für den Wahlkampf. Doch wie glaubwürdig kann und sollte die Forderung nach einem Digitalisierungsministerium vor dem Hintergrund eingeschätzt werden, dass in kaum einem anderen Bereich die digitalpolitischen Versprechen der letzten Jahre weit hinter den postulierten Ansprüchen zurückblieben? Bereits 2014 wollte die Bundesregierung Deutschland zum digitalen Vorreiter in Europa machen. Im Jahre 2021 dämmert jedem, dass wir statt in Digistan eher im Digitalmuseum gelandet sind.

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(BS/stb) Das Jahr 2020 war geprägt von Pandemie-bedingten Datenschutzfragen um Verarbeitung von Gesundheitsdaten, Bildungs-Clouds, und Videokonferenzen. Viel Verunsicherung brachte auch das bis heute nachwirkende Schrems-II-Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Bei der Vorstellung seines Tätigkeitsberichts hob der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Prof. Ulrich Kelber, auch Beispiele für positive Entwicklungen im Datenschutz hervor. So sei er besonders in der öffentlichen Verwaltung bei vielen Projekten früh in beratender Rolle hinzugezogen worden. Nachrichtendienste würden nach seinem Hinweis nun erfreulicherweise Bewerberinnen und Bewerber über die Ausnahmeregelungen nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz informieren, so Kelber. Im Jahr 2020 wurde der Bundesbeauftragte in 423 Rechtssetzungsverfahren um Stellungnahme gebeten. 2019 waren es noch 273 Fälle. Die beaufsichtigten Stellen in Bundesverwaltung sowie Telekommunikations- und Postbranche holten 7.212 Mal telefonische Beratung ein und wandten sich 4.897 Mal mit allgemeinen Anfragen an die Aufsichtsbehörde. Im Berichtszeitraum gingen beim BfDI insgesamt 7.878 Beschwerden und Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern ein. Außerdem wurden 10.024 Datenschutzverstöße gemeldet.

Cyberwehr-Förderung endet noch 2021

(BS/stb) In den Artikel “Freunde und Helfer im Cyber-Raum” (Behörden Spiegel März 2021, Seite 35) hatte sich ein Fehler eingeschlichen. Anders als dort angegeben, endet die Förderung des Landes Baden-Württemberg für die Cyberwehr bereits Ende 2021.

igitaler-staat.org

www.instagram.com/digitaler_staat Illustration: unter Verwendung von © funtap, stock.adobe.com; Fotos: Klaus Dombrowsky


Informationstechnologie

Seite 42

Z

um Hintergrund: Ab Sommer 2017 durfte ich für ein knappes Jahr den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) mit aufbauen. Meine Rolle war die des “Director Operations & Finance”. Gefragt war mein Profil als aktiver Reserveoffizier der Kampftruppe mit Beratungserfahrung bei Roland Berger. Ich konnte die Sicht “aus der Truppe” mit Expertise zu hochgradig effizienzgetriebenen und lösungsorientierten Strukturen kombinieren. In unserem Team kümmerten wir uns um alles, was Prozesse betraf, die ja gerade erst definiert wurden: vom Einkauf über Personalthemen, bis zu Budgetfragen. Wesentlicher Bestandteil waren auch Abstimmungen mit dem BMVg, mit der BWI GmbH als unserem wesentlichen Dienstleister und mit dem Kommando Cyber- und Informationsraum, dem damals wichtigsten Bedarfsträger. Unser Auftrag war es, den Innovationsteams die inhaltliche Arbeit

Behörden Spiegel / April 2021

Reservedienst einmal anders Als Infanterist im Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (BS/Major d.R. Sascha Soyk) Im Gebirgsjägerbataillon 231, in dem ich als Kompaniechef einer Kompanie der Reserve diene, ist mein Vorgesetzter Bataillonskommandeur Führer von etwa 850 Soldatinnen und Soldaten und im Dienstgrad Oberstleutnant. Als ich 2017 zum ersten Mal als Hauptmann für ein Meeting im Verteidigungsministerium (BMVg) war, wurde ein Oberstleutnant gebeten, “für die Herren Kaffee” zu holen. Für mich eine fremde Welt! die Zuständigkeiten sehr breit, die Verantwortung aber häufig schmal war – im Ergebnis für uns sehr aufwendige und langwierige Entscheidungen. Ich erinnere mich an Phasen, in denen in den Abstimmungs-Calls täglich neue Zuständige hinzukamen. Diesbezüglich ist es aus heutiger Sicht eine positive Entwicklung, dass der CIHBw nun “erwachsen geworden” ist und seit Anfang dieses Jahres als Abteilung in der BWI verankert ist. Zumindest liegt jetzt alles unter einem Dach (Anm. d. Red.: Hub-Leiter ist zwischenzeitlich Sven Weizenegger mit langjährigen Erfahrungen

immer die Identifikation der “Koalition der Willigen”. Mit diesen Soldatinnen und Soldaten, die etwas verändern wollen und die wirklich anpacken, geht dann aufgrund der Möglichkeiten im Hub auch schneller etwas voran – und genau das ist ja die Mission.

Wachsame Vergabe gegen Schnelligkeit Die wahrscheinlich größte Herausforderung bei der beschleunigten Innovationsfindung waren und bleiben die schwerfälligen Beschaffungsprozesse. Auch wenn es Gründe für einen wachsamen Vergabeprozess gibt, muss

zwischen öffentlichen Auftraggebern, denen es manchmal schwerfällt, innovative Produkte zu beschaffen, und Tech-Firmen, die Behörden als Kunden häufig gar nicht in Erwägung ziehen würden.

Fachliches Netzwerk In vorpandemischen Zeiten waren CIHBw-Alumni-Events natürlich noch häufiger möglich. Und mein nächster Besuch im Hub in Berlin ist längst überfällig. Die Zeit im Hub hat mich geprägt und immer noch stehe ich

im regelmäßigen Austausch mit den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen. Es sind ein paar richtig gute Freundschaften entstanden. Und darüber hinaus ist es als CIHBw-Alumnus bereichernd, ein fachliches Netzwerk bis ins Ministerium und in vielen Bereichen der Bundeswehr zu haben. Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungswelt ist klein. Vielleicht muss ich statt als Alumnus auch einfach mal wieder als RDL und aktives Teammitglied im Hub aufschlagen. Bedarfe und Aufträge sind ja weiterhin

reichlich vorhanden. Und Onund Offboardingprozesse dürften anders als noch in den Anfängen inzwischen Routine sein. Im März dieses Jahres nahm nun Florian Roth, studierender Offizier an der UniBwM, mit einem Kameraden am Demo Day der Smart Solutions Challenge 2021 des CIHBw teil und gehörte am Ende zu den Siegerteams. Florian war 2020 erster Praktikant bei GovRadar und ist heute weiterhin als Werkstudent bei uns an Bord. Schön, wenn sich der Kreis so schließt! Die Erfahrung Reservedienst im CIHBw kann ich allen, denen die Bundeswehr am Herzen liegt, nur wärmstens empfehlen. Mein Rat: Sich nicht von den Langsamen blockieren lassen, sondern mit einer vehementen Hartnäckigkeit die Willigen beschleunigen. Und ruhig auch mal zurücklehnen, wenn der Oberstleutnant den Kaffee serviert.

Erstes Open-RAN-5G-Mobilfunknetz Netz soll ohne die traditionellen Ausrüster errichtet werden (BS/Gerd Lehmann) Das Telekommunikationsunternehmen 1&1 Drillisch AG, Tochterunternehmen von United Internet, hatte im Jahr 2019 bei der milliardenschweren Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen für den neuen 5G-Standard mitgeboten und neben der Deutschen Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland einen Zuschlag für 2x10 MHz im 2-GHz-Band und für 50 MHz im 3,6-GHz-Band erhalten.

“Die Zeit im Hub hat mich geprägt.”

Major d. R. Sascha Soyk ist Gründer und Geschäftsführer von GovRadar. Foto: BS/privat

zu ermöglichen – ihnen also möglichst die Steine aus dem Weg zu räumen. Und die waren zu Beginn groß und zahlreich.

Neues Element für ­Innovationen Der CIHBw war als erste digitale Innovationseinheit im staatlichen Sektor ein völlig neues Konstrukt, Anfang 2017 ins Leben gerufen von der damaligen Ministerin Dr. Ursula von der Leyen. Wir sollten Innovationen schneller in die Truppe bringen, als die Prozesse das bislang vorsahen. Denn diese Prozesse waren für die Beschaffung von Kampfpanzern und Fregatten gemacht, nicht für digitale Innovationen. Das Neue und Unbekannte brachte mit sich, dass

aus dem Cyber-Security Bereich). Der Hub war von Beginn an geprägt durch die hohe Motivation aller Mitarbeitenden, also der Reservedienstleistenden sowie der zivilen Angestellten der BWI. Nach meiner Auffassung ist das bis heute die Konstante. Man ist umgeben von Menschen, die für die Bundeswehr etwas bewegen wollen, die bestehende Strukturen hinterfragen und damit auch durchaus mal anecken. In jedem Fall bringt der Hub frischen Wind in die Bundeswehr – und damit unsere Streitkräfte nach vorne. Auch wenn die Vorgehensweise gerade den Bedenkenträgern nicht immer gefällt. Neben der Überzeugungsarbeit bei dieser Gruppe war eine weitere Aufgabe

man sich immer fragen, wo Blockade und Ineffizienz durch zu viel Bürokratie entstehen. Um es mal salopp mit den Worten unseres damaligen Leiters zu sagen: “Warum kann ich das nicht einfach im Internet bestellen?” Die Lösung liegt wohl in der Balance: Beachtung gesetzlicher Vorgaben einerseits, Hinterfragen von Vorgehensweisen, die über Jahre entstanden sind und Verzögerungen bedeuteten, andererseits. Diese Erfahrungen konnte ich in meinen weiteren beruflichen Werdegang mitnehmen und lasse sie einfließen in mein eigenes Start-up GovRadar, das ich letztes Jahr gegründet habe. Die Passion für das Thema ist dabei geblieben. Wir agieren

Als deutschlandweit einziger virtueller Netzbetreiber hat 1&1 Drillisch über einen MBA-MVNOVertrag langfristig gesicherten Zugang zu bis zu 30 Prozent des Mobilfunknetzes von Telefónica Deutschland und kann dieses mit eigenen Produkten und Diensten nutzen. Damit hat 1&1 Drillisch eine Sonderstellung im deutschen Markt. Das Unternehmen deckt mit seinen unterschiedlichen Marken wichtige Kundensegmente ab. Neben reinen Mobilfunk- und Breitband-Produkten bietet das Unternehmen seinen Kunden auch Bundle-Produkte aus Mobilfunk und Festnetz – ergänzt um Produkte wie Heimvernetzung, Online-Storage, Video-onDemand oder IPTV. Nach der erfolgreichen Teilnahme an der 5G-Auktion beabsichtigt 1&1 Drillisch nun, mit den für 1,07 Milliarden Euro ersteigerten Frequenzen ein leistungsfähiges 5GNetz zu errichten.

Der steinige Weg zum Ziel Der Weg, sich als vierter Netzbetreiber in Deutschland zu positionieren, ist allerdings steinig. Da das Unternehmen über kein eigenes Mobilfunknetz verfügt, einige der ersteigerten Frequenz-blöcke erst in einigen Jahren bereitstehen und der Netzaufbau eines einigermaßen flächendeckenden Netzes einige Jahre in Anspruch nehmen wird, ist es auf die Unterstützung der etablierten Mobilfunkbetreiber angewiesen. Damit die eigenen Kunden außerhalb der Aufbauzone nicht ins Funkloch fallen, müssen Drillisch-Kunden die Netze der Konkurrenz nutzen können. Die Anmietung von Frequenzen im 2.600-MHz-Bereich von der Telefónica allein reicht für einen guten Start nicht aus. Der Neueinsteiger verhandelte deshalb lange mit allen drei alteingesessenen Netzbetreibern. Handelseinig wurde er sich bislang nur mit Telefónica. Mit der mit dem Münchener Konzern geschlossenen National-Roaming-Vereinbarung hat Drillisch einen Stolperstein auf dem Weg zum eigenen Netz aus dem Weg geräumt. Danach dürfen die Drillisch-Kunden in dem von Telefónica betriebenen 4G-Netz von O2 roamen. Einen Zugang zum 5G-Netz von Telefónica haben sie allerdings nicht. Die 5G-Versorgung der Kunden soll auf eigene Antennen gestützt werden, die Drillisch erst noch aufbauen muss. Die ersteigerte Lizenz sieht vor, dass bis Ende 2022 mindestens 1.000 5GBasisstationen von 1&1-Dri-

lisch aufgebaut und in Betrieb genommen werden müssen und bis Ende 2025 mindestens jeder vierte deutsche Haushalt (25 Prozent) mit schnellem Internet versorgt werden muss. Mit dem Netzaufbau muss im Sommer begonnen werden. Als erstes hat sich das Unternehmen schon mal den Anschluss an das Glasfasernetz der Deutschen Telekom gesichert, sodass ihre neuen 5GAntennen auch angeschlossen werden können. Aktuell laufen intensive Verhandlungen über Standort-Sharing auf Gebäuden und Antennenmasten. Eigene Antennenstandorte will Drillisch nicht selbst bauen und betreiben, die Aufgaben sollen einem externen Dienstleister übertragen werden.

Drillisch setzt auf Open RAN Der Vorstandsvorsitzende von United Internet, Ralph Dommermuth, bekräftigte jüngst die Absicht, das 5G-Netz auf der Basis von Open RAN (Open Radio Access Network) zu errichten. Auf die von der Antenne bis ins Kernnetz proprietäre Technik der traditionellen Ausrüster wie Huawei, ZTE, Samsung, Ericsson oder Nokia soll dabei komplett verzichtet werden. Vorbild ist der japanische Netzbetreiber Rakuten, der eines der ersten Open RAN-Mobilfunknetzwerke der Welt betreibt. Rakuten berät 1&1 Drillisch bei der Netzplanung. Von dem offenen Mobilfunkstandard Open RAN versprechen sich auch andere Netzbetreiber mehr Unabhängigkeit vom Oligopol dieser Netzausrüster, mehr Flexibilität beim Netzaufbau und deutliche Kostenvorteile. Über die Open-RAN-Aktivitäten der Telefónica Deutschland an ersten O2-Antennenstandorten im bayerischen Landsberg, die Pläne der Telekom in der mecklenburgischen Kleinstadt Neubrandenburg und die heikle Förderung der Weiterentwicklung des offenen Mobilfunkstandards mit rund zwei Milliarden Euro durch die Bundesregierung berichtete der Behörden Spiegel in der Februar-Ausgabe (Seite 5).

Vorsicht vor allzu viel ­Euphorie In Abgrenzung zu einem traditionellen RAN verfolgt der OpenRAN-Ansatz die Trennung von Hardware und Software. Hierzu setzt man ähnlich wie beim Cloud-Computing auf einen Software-definierten Ansatz. Dafür wird eine universell nutzbare Hardware vorausgesetzt: Bei-

spielsweise werden sogenannte General-Purpose-Prozessoren statt der bisherigen Single-Purpose-Prozessoren verbaut. Die gesamten Komponenten sollen modular und flexibel einsetzbar sein, um somit hersteller­ übergreifend die bestmöglichen Komponenten miteinander kombinieren zu können. Theoretisch sind damit aufwendige Umrüstungen der Basisstationen zukünftig nicht mehr notwendig: Die Infrastruktur muss nicht mehr ersetzt oder ausgetauscht werden, da eine Aktualisierung der Software ausreicht. Während bisher Hard- und Software aus einer Hand kommen, soll Open RAN im besten Fall ermöglichen, dass sich die Netzbetreiber die Komponenten – also Antennen, Software und Basisstationen – nach Belieben selbst zusammenstellen können. Derzeit hat Open RAN aber noch viele offene Baustellen. Dazu gehören unter anderem eine geringe Verbindungsqualität, ein hoher Stromverbrauch, aber auch fehlende Standards und technische Spezifikationen für die Schnittstellen, die es erst ermöglichen, dass verschiedene Einzelteile zusammengesetzt werden können. Bis zur Reife bedarf es noch erheblicher Inte­ grationsanstrengungen. Experten schätzen, dass Open-RAN etwa 2025 reif für den Produktiveinsatz ist. Ob aber mit Open RAN die Übertragungs- und Latenzzeiten und Energieeffizienz eines traditionellen RAN erreicht oder gar übertroffen werden können, muss sich ebenso wie die Erfüllung der sonstigen in die Technik gesetzten Erwartungen noch im realen Netzbetrieb erweisen. Erste Experimente zeigen Potenzial. Dennoch ist zu viel Euphorie nicht angebracht. Das gilt auch für die erwarteten Kostenvorteile. Rakuten war angetreten, das Mobilfunknetz in Japan auf Basis von Open RAN viel billiger zu bauen als mit etablierten Ausrüstern. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge werden die Kosten für den Netzaufbau etwa zwei Milliarden US-Dollar mehr betragen als ursprünglich veranschlagt. Drillisch geht mit dem OpenRAN-Ansatz ein großes Wagnis ein. Risikobehaftet sind nicht nur Aufbau, Design und Kosten des Netzes. Auch der Betrieb eines virtuellen Netzes mit Komponenten von unterschiedlichen Herstellern ist nicht trivial. Auf den Netzbetreiber kommt da einiges zu.


Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Behörden Spiegel / April 2021

Seite 43

Themenseite in Kooperation mit:

Erfolgreiche Verwaltungsdigitalisierung

in der Praxis Grafik: BS/Hoffmann unter Verwendung von adresiastock, stock.adobe.com

Das BAMF und sein besonderes elektronisches Behördenpostfach Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sah sich im Zuge der Flüchtlingskrise vor rund fünf Jahren mit einer stark gestiegenen Arbeitslast konfrontiert. Als Reaktion hierauf hatte die Nürnberger Bundesoberbehörde frühzeitig die Modernisierung und den Ausbau ihrer IT-Infrastruktur forciert. Heute zählt das BAMF mit ganzheitlich digitalisierten Geschäftsprozessen und seiner “Digitalisierungsagenda 2020” zu den digitalen Leuchtturmbehörden innerhalb der Bundesverwaltung. Die Flexibilität und Innovationskraft der Behörde im IT-Bereich zeigt sich beispielhaft bei der Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) in Asylsachen. Der Gesetzgeber hat den ERV zum Standard für die Kommunikation im Rahmen von Gerichtsverfahren erhoben. Deutlich wird dies unter anderem durch die ab dem kommenden Jahr flächendeckend geltende aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) für die Rechtsanwaltschaft. Auf Verwaltungsseite verkörpert das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) das Pendant zum beA und ermöglicht einen vollständig digitalisierten Postein- und -ausgangsprozess im gerichtlichen Asylverfahren. Im Zusammenwirken mit einer zunehmenden Umstellung auf elektronische Aktenhaltungssysteme in Justiz, Verwaltung und Rechtsanwaltschaft verspricht der Elektronische Rechtsverkehr für alle Kommunikationspartner eine spürbare Effizienzsteigerung durch die angestrebte medienbruchfreie Ende-zu-Ende-Digitalisierung. Die Potenziale und Kompetenzen, die durch die Modernisierung und den Ausbau der IT im Zuge der Flüchtlingskrise geschaffen wurden, kann das BAMF nun hervorragend für das asylrechtliche Klageverfahren im Rahmen der umfassenden digitalen Transformation seines Dokumentenmanagements nutzen.

Vollständig digitale Vorgangsbearbeitung in Asyl- und Dublinverfahren Im Zusammenspiel mit dem besonderen elektronischen Behördenpostfach ermöglicht das aktenführende Fachverfahren MARiS (Migrations-Asyl-Reintegrationssystem) den Beschäftigten des BAMF eine vollständig digitale Vorgangsbearbeitung in Asyl- und Dublinverfahren. Die elektronische Gerichtspost wird im beBPo automatisiert mithilfe einer KIKomponente für das Fachverfahren MARiS aufbereitet und der entsprechenden Asylakte zugeordnet. Das BAMF-beBPo ist in der Lage, aus dem bei elektronischen Nachrichten mitzugebenden Strukturdatensatz “XJustiz” zentrale At-

Deutschlandweite Anbindung der Gerichte und Rechtsanwälte

Abb. 1. verdeutlicht den bidirektionalen beBPo-Prozess (Posteingang bzw. -ausgang) und dessen Schnittstellenposition zwischen dem Fachverfahren MARiS einerseits und den Verwaltungsgerichten (VG), Oberverwaltungsgerichten (OVG) und der Rechtsanwaltschaft (RA) andererseits.

Grafiken: BS/BAMF

Abb. 2.1.: Zuordnung nach Akteurklassen im ERV: Oberverwal-

Abb. 2.2.: Zuordnung nach Anzahl der Absender in der jewei-

tungsgerichte (OVG), Verwaltungsgerichte (VG) und Rechtsan-

ligen Akteurklasse

waltschaft (RA)

Im Zuge der Asylkrise wurde die Posteingangsstrecke des BAMF-beBPo zügig aufgebaut, zunächst auf Basis von Softwarerobotern, die inzwischen durch die Einführung einer besonders effizienten und stabilen Microservices-Architektur abgelöst wurden. Durch die unabhängige Ausführbarkeit von Microservices kann der stark schwankenden Aus- bzw. Belastung des BAMF Rechnung getragen und im Falle eines hohen Arbeitsaufkommens die Flut an Aufgaben krisenfrei bewältigt werden. Letztendlich wird dadurch auch dem Ziel der “Digitalisierungsagenda 2020” des BAMF, eine “digitale, atmende Behörde” zu werden, entsprochen. Die grundsätzlich vollautomatisierte

Posteingangsstrecke des BAMF-beBPo enthält in wenigen Fällen eine “menschliche Komponente”, da bestimmte Nachrichten aus fachlichen (z. B. fehlendes Aktenzeichen) oder technischen Gründen (z. B. übergroßer Anhang) nicht automatisiert weiterverarbeitet werden können. Diese Fälle werden dann als sog. Klärvorgänge an das Clearingstellenteam des BAMF-beBPo ausgesteuert und manuell in einer hierfür vorgesehenen Software bearbeitet und tagesaktuell entweder für den unmittelbaren Import nach MARiS oder die Wiedereinspielung in den automatisierten Posteingangsprozess aufbereitet. Die derzeit genutzte Standardsoftware für das Clearing soll noch in diesem Jahr durch eine Eigenentwicklung des BAMF ersetzt werden, die eine effizientere und nutzerzentrierte Bearbeitung von Klärungsfällen aus dem beBPo sowie weiteren Fachverfahren ermöglichen wird. Auch der Postversand ist nahtlos an die bestehende Fachverfahrenslandschaft angeschlossen. So kann das Sachbearbeitungspersonal in den BAMF-Außenstellen direkt aus dem Fachverfahren MARiS den eigenen Nachrichtenversand an die Justiz anstoßen. Dieser erfolgt im Anschluss über einen vollautomatisierten Postausgangsprozess und entspricht den gesetzlichen Anforderungen an einen sicheren Übermittlungsweg.

IT-Forschung baut ein Netzwerk mit Kooperationspartnerinnen und -partnern aus Wissenschaft und Forschung sowie anderen Akteurinnen und Akteuren der IT-Innovationen auf und pflegt dieses. Die IT-Projekte werden so von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern begleitet und es fließt fortwährend auch externes, aktuelles Fachwissen ein. Die Kooperationsmöglichkeiten sind vielseitig: So bringt sich die IT-Forschung des Bundesamtes aktiv in die Lehre an Bildungseinrichtungen ein, indem Fachvorträge gehalten, Studierende zu Exkursionen eingeladen oder gemeinsame Seminare gestaltet werden. Auch das Schreiben von Abschlussarbeiten zu IT-Themen des Bundesamtes wird gefördert. Studierende erhalten Einblicke in die Arbeit des Bundesamtes

und profitieren durch die Möglichkeit, an aktuellen und relevanten Themen mitzuwirken. Außerdem entstand im Rahmen der IT-Forschung ein für die Bundesbehördenlandschaft einmaliges IT-Doktorandenprogramm. Promovierende forschen hier an aktuellen Forschungsfragen der IT-Abteilung des Bundesamtes, arbeiten in IT-Projekten mit und erhalten eine umfassende Förderung durch das Bundesamt. Für alle Interessierten erfolgt demnächst wieder eine Ausschreibung in einschlägigen Portalen! Darüber hinaus plant und organisiert die IT-Forschung Forschungskolloquien und gemeinsame Workshops zu aktuellen IT-Themen. Um den Austausch mit Wissenschaft und Forschung weiter zu fördern, unterstützt die IT-Forschung hausinterne Publikationswünsche von

tribute wie Absender, Klägername und Aktenzeichen maschinell auszulesen (sog. Indizierung) und Nachrichtenanhänge bei Bedarf direkt in das vorgeschriebene PDF/A-Format zu konvertieren. Die Indizierung der Nachrichtenanhänge leistet eine regelbasierte automatische Dokumentenerkennungskomponente. Aktuell ist diese Komponente in der Lage, etwa 90 Dokumenttypen (z. B. Eilanträge der Klageschriften) zu erkennen und zuzuordnen.

Vollautomatisierter Postein- und -ausgang

Deutschlandweit sind derzeit bereits 42 Verwaltungsgerichte (VG) und 14 Oberverwaltungsgerichte (OVG) aus 15 Bundesländern an die beBPo-Infrastruktur angeschlossen. Eine Ausnahme stellt bislang lediglich der Freistaat Bayern dar, allerdings ist vorgesehen, dass gegen Ende 2021 auch die sechs bayerischen Verwaltungsgerichte sowie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof flächendeckend elektronisch Nachrichten versenden können. Diesbezüglich steht das BAMF bereits seit einigen Monaten im engen Austausch mit der bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die kontinuierliche Harmonisierung der beBPo-Infrastruktur mit den Justizfachverfahren wird durch eine enge Abstimmung zwischen dem BAMF und der Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz (BLK) gefördert. Zudem werden die Vorgaben der BLK-Arbeitsgemeinschaft für IT-Standards sowie der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) konsequent umgesetzt. Während die Anbindung der Gerichte an das BAMF-beBPo bereits seit mehreren Jahren läuft, wurde die Anbindung der Rechtsanwaltschaft erst im Juli 2020 durch eine Kooperation zwischen dem Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Dr. Ulrich Wessels, der die beA-Infrastruktur verantwortet, und dem Präsidenten des BAMF, Dr. HansEckhard Sommer, initiiert. Vor diesem Hintergrund und zur weiteren Optimierung der digitalen Kommunikation mit der Justiz wurde auf operativer Ebene im BAMF das Projekt “beBPo 3.0” ins Leben gerufen. Die fachlich-technische Zusammenarbeit mit der BRAK fokussiert sich seither auf das Anforderungsmanagement zur Harmonisierung der Posteingangs- und Postausgangsstrecke, die anwaltsspezifische Erweiterung der Dokumentenerkennungskomponente und die Pflege von Kommunikationsverzeichnissen. Außerdem etablieren BLK, BRAK und BAMF übergreifende Prozesse zur schnellen Behebung von Betriebsstörungen. Insgesamt erfreut sich der ERV einer großen Beliebtheit. Wie in Abb. 2.1. dargestellt, wurden im Februar 2021 insgesamt knapp 41.000 Nachrichten von den Verwaltungsgerichten an das BAMF versendet, etwa 1.000 Nachrichten von Oberverwaltungsgerichten sowie fast 200 Nachrichten von der Rechtsanwaltschaft. Entsprechend Abb. 2.2. wurden diese Nachrichten von insgesamt 39 Verwaltungsgerichten, zehn Oberverwaltungsgerichten und 61 Rechtsanwälten

Autorin dieses Beitrags ist Sandra Scholtes, Regierungsrätin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg. Foto: BS/BAMF

und Rechtsanwältinnen elektronisch an das BAMF übermittelt. Im Jahr 2020 betrug das Gesamtnachrichtenvolumen im beBPo-Posteingang fast eine halbe Million elektronischer Nachrichten.

Fazit Insgesamt ist die akteurs- und anwenderzentrierte Einbindung über Organisationsgrenzen hinaus ein Leitgedanke des beBPo-Projekts, wovon alle Beteiligten in vielfacher Hinsicht profitieren. Auf diese Weise können etwa aufseiten aller Beteiligten die Systeme frühzeitig über Ende-zu-Ende-Testläufe aufeinander abgestimmt und ERV-Standards gemeinschaftlich eingehalten werden. Hierdurch wird wiederum Mehraufwänden im Echtbetrieb vorgebeugt. Nicht zuletzt erhöhen eine transparente Kommunikation und die Einbeziehung der Stakeholder in die entsprechenden Prozesse die Akzeptanz unter allen Beteiligten – ein zentrales Erfolgskriterium für digitale Transformationen. Doch auch über den Asylkontext hinaus betreibt das Projekt einen interbehördlichen Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer zur beA-Harmonisierung und zum ERV allgemein, um Wissenssilos in der Verwaltung aufzubrechen und Best Practices zu teilen. Das Gelingen des ERV stellt letztlich eine komplexe Gemeinschaftsaufgabe dar, die die gesamte Digitalisierung des öffentlichen Sektors betrifft. Der Erfolg des Projektes BAMF-beBPo stimmt zuversichtlich, dass durch die frühzeitige Modernisierung und den fortschrittlichen Ausbau der IT-Infrastruktur im BAMF die ambitionierten Ziele der “Digitalisierungsagenda 2020” zur Schaffung ganzheitlicher digitalisierter Geschäftsprozesse zeitnah erreicht werden können und das BAMF sich auch weiterhin als digitale Leuchtturmbehörde innerhalb der Bundesverwaltung etablieren kann.

IT-Forschung im BAMF Seit den 2015 stark gestiegenen Zuwanderungszahlen im Asylbereich erlebt das BAMF in den letzten Jahren eine in der Behördenlandschaft einmalige, digitale Transformation. Mit der Digitalisierungsagenda 2020 setzte es sich 2016 das Ziel, eine “digitale, atmende Behörde” zu werden. Dazu werden neue IT-Systeme und kreative Arbeitsmethoden erprobt sowie neue Technologien eingeführt. Um hier am “Puls der Zeit” und in einem aktiven Dialog mit Wissenschaft und Forschung zu bleiben sowie Synergieeffekte zu nutzen, wurde 2019 die IT-Forschung gegründet.

Interdisziplinäres Team Das Team ist mit sozial-, politik-, geistes-, wirtschaftswissenschaftlichem und informationstechnischem Hintergrund interdisziplinär aufgestellt. Die

der Themenfindung bis hin zur Einreichung. Auch gemeinsame Publikationen mit Kooperationspartnerinnen und -partnern stehen auf dem Programm.

Wissenaustausch auf Kongressen und Konferenzen Durch Fachvorträge auf Konferenzen wird das Wissen des Bundesamtes anderen Interessierten zugänglich gemacht und der Austausch weiter gefördert. Neben der Teilnahme an bundesweiten Veranstaltungen wie dem “Digitalen Staat” oder dem “Digitaltag” führt die IT-Forschung selbst Veranstaltungen durch. So fand im Februar 2021 der CIC-Thementag statt, bei dem über 90 Teilnehmende die Möglichkeit hatten, Einblicke in die Arbeit der IT-Forschung und ihrer Kooperationspartnerinnen und -partner zu gewinnen.

Durch das Netzwerk mit Partnerinnen und Partnern aus Wissenschaft und Forschung strebt das BAMF gemeinsame Innovationen für die Digitalisierung der internen Prozesse an. Die verschiedenen Formen von Forschungskooperationen geben den Beteiligten Einblicke in die Softwareentwicklungsprozesse einer modernen und agilen Behörde.

Teil des Netzwerks werden Interessenten, die auch Teil dieses Netzwerkes werden wollen, ein entsprechendes Forschungsvorhaben planen oder ihren Studierenden fundierte Einblicke in ein aktuelles Praxisfeld der Digitalisierung geben möchten, können Kontakt aufnehmen unter: it-forschung@bamf. bund.de Weitere Informationen unter: www.bamf.de/it-forschung


Informationstechnologie

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Digitale Souveränität …

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ie momentane Evolution durch die Digitalisierung führt dazu, dass sich die Gesellschaft rasant in Richtung einer Informations- und Wissensgesellschaft verändert und neue Formen digitaler Partizipation und neue virtuelle Lebensweisen entstehen. Die Menschheit hat schon immer bessere Werkzeuge erdacht, doch die jetzige Generation intelligenter Technologie wird Möglichkeiten eröffnen, menschliche Potenziale überproportional zu steigern (eine Art enge Symbiose zwischen Mensch und digitaler Technologie) oder uns in einigen Bereichen zukünftig nahezu vollständig zu ersetzen (Konkurrenz zwischen Mensch und Maschine).

Behörden Spiegel / April 2021

… und wie sie gelingen wird (BS/ Judith Greif/Thomas Bönig*) Digitale Souveränität, inzwischen ein Highlight politischer Diskussionen, obwohl der Themenkomplex noch nicht konkret definiert ist. Oft ist dabei Souveränität im IT-Bereich oder der Einsatz von Open Source gemeint, doch das Thema ist wesentlich komplexer. Es gibt viele Perspektiven auf die Digitalisierung wie Kulturwandel, intelligente Technologie, Soziale Medien, neue Formen gesellschaftlicher Partizipation und mehr. Digitalisierung ist nüchtern betrachtet jedoch dem Grunde nach vor allem eines: Die immer intensivere Nutzung intelligenter Technologie als hoch effizientes Werkzeug des Menschen, um leistungsfähiger zu werden, aber auch innovative, bisher nie dagewesene Potentiale zu eröffnen, die entweder autark durch intelligente Technik erbracht oder durch sie erst ermöglicht werden.

Digitalisierung ist nicht mehr oder bessere IT Hochwertige Technologie ist eine der notwendigen Grundlagen der Digitalisierung. IT für sich ist jedoch nur ein breites Spektrum an technischem Equipment, das Menschen in ihren persönlichen oder beruflichen Aktivitäten unterstützt und damit z. B. die Produktivität von Organisationen, oft auf der Ebene von Prozessen, verbessern kann. Wer jedoch davon ausgeht, mit immer mehr IT gleichzeitig digitaler zu werden, wird wohl falsch liegen. Für echte Digitalisierung muss neben Investitionen in moderne IT vor allem in hochgradig vernetzte und intelligente Ökosysteme bestehend aus Plattformen, KI, Cloud-Services usw. investiert werden, die Daten intelligent auswerten und effektiv damit arbeiten.

Digitalisierung wird alles verändern Eine engere Symbiose zwischen Mensch und digitaler Technologie ist geradezu zwangsläufig, da der Mensch aus seiner ureigensten Natur heraus danach strebt, besser zu werden. Man wird sogar so weit gehen können, dass zukünftig moderne Gesellschaftsformen von der verfügbaren Technologie und ihrer Beherrschbarkeit sowie den daraus resultierenden Potenzialen abhängig sein werden, so wie es bereits heutzutage beim Strom der Fall ist. Als Konsequenz daraus werden sich Mensch und Gesellschaft schnell verändern, anpassen und mit intelligenter Technologie in eine Art Koexistenz eintreten, die mit der Zeit zu einer nachhaltigen Informations- und Wissensgesellschaft führt.

Daten sind entscheidend für die Digitalisierung Der Mensch muss intelligenter Technologie Informationen in Form von Daten zur Verfügung stellen, welche diese dazu nutzt, in einem maschinellen Kontext zu denken, also zu analysieren, auszuwerten und Entscheidungen zu treffen. Mensch und Umwelt werden erst über Daten für digitale Technologie in einem maschinenspezifischen Sinne begreifbar. Computer denken nicht auf die gleiche Art und Weise wie der Mensch, oftmals rechnen sie einfach schneller oder besser und arbeiten iterativ. Die Koexistenz Mensch und Maschine wird für die Zukunft sehr effizient und vorteilhaft sein, weil sie sich ideal ergänzen. Dabei wachsen die gegenseitigen Abhängigkeiten jedoch kontinuierlich an, das eine wird es zukünftig ohne das andere ab einer gewissen Intensität nicht mehr geben können.

Digitale Souveränität ist etwas gänzlich Neues Die Bundesregierung definiert digitale Souveränität als die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Individuen und Institutionen, ihre Rollen in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können. Dem Grunde nach ist sie jedoch weitaus mehr: Sie muss als das

Vereinfachte Darstellung eines möglichen Modells der Vielschichtigkeit digitaler Souveränität. In jeder Ebene sind nur vier Beispiele ausgeführt, die exemplarisch für weitaus mehr Inhalte stehen. Grafik: BS/IT-Referat LH München

Potenzial verstanden werden, umfassend Daten in jeglicher Form und jeglichem Umfang zu erheben, um sie für die Nutzung durch intelligente Technologie zur Verfügung zu stellen und dabei jederzeit die vollständige Kontrolle und Transparenz über die eingesetzten Technologien oder deren Algorithmen zu haben, ohne sich dazu bei Technik, Ressourcen, Know-how, Skills, Kompetenzen oder anderen relevanten Faktoren in externen Abhängigkeiten zu befinden.

Evolution durch intelligente Technologie Digitalisierung basiert auf hochwertigen IT-Komponenten. Um jedoch “digital” zu sein, müssen auf dieser Basis komplexe, hoch integrierte Ökosysteme geschaffen werden, welche mit Daten effizient arbeiten und diese z. B. durch eine KI in einer Form aufbereiten, wie dies der Mensch nicht zu leisten vermag – jedoch nach völlig anderen Konzepten. Ab einer bestimmten Qualität einer KI kann so weit gegangen werden, dass zukünftig nicht mehr der Mensch bestimmte Entscheidungen trifft, sondern Technologie das eigenständig in besserer Qualität übernimmt, da sich Technik z. B. weder von Gefühlen oder Stimmungen leiten lässt und oft schneller oder systematischer reagieren kann. Somit ist es für echte digitale Souveränität unabdingbar, dass man sowohl die grundlegende Technologie, wie z. B. die ITKomponenten, als auch eine KI uneingeschränkt “beherrscht” und über eigene hochwertige Algorithmen verfügt bzw. diese selbst entwickeln kann.

Digitale Souveränität wirkt nicht nur in der IT In Zukunft werden intelligente Maschinen (Drohnen, Küchengeräte, Roboter …) in unserem Umfeld eigenständig kommunizieren und interagieren. Der Mensch wird darauf oft nur indirekten Einfluss nehmen können oder wollen, da diese Maschinen für ihn Dienstleistungen erbringen, die er vielleicht selbst nicht mehr leisten kann oder will. Nach welchen Regeln und Prinzipien intelligente Technologie agiert, muss genauso im Kontext digitaler Souveränität für Staat, Wirtschaft, aber auch die Gesellschaft betrachtet werden. Wer stellt diese Maschinen her, nach welchen Prinzipien funktionieren sie und wie kann man darauf Einfluss nehmen? Bei der Diskussion digitaler Souveränität muss es daher darum gehen, dass wir am Ende eine umfassende Kontrolle über die gesamte digitale Welt haben

und auch jederzeit ohne externe Abhängigkeiten ausüben können.

Was man tun muss, um echte digitale Souveränität zu erreichen Um digitale Souveränität erreichen zu können, müssen die Komplexität sowie die darin enthaltenen Abhängigkeiten detailliert betrachtet werden. In einem einfachen, sehr grob gehaltenen Modell kann man erkennen, dass vor der eigentlichen digitalen Souveränität umfassende Souveränitäten in anderen Feldern erforderlich sind. In diesem Modell kann man z. B. von vier Ebenen ausgehen, die systematisch aufeinander aufbauen. 1. Ebene: Souveränität bei klassischen Ressourcen wie Rohstoffen, Bildung usw., 2. Ebene: Industrielle Kapazitäten bzw. Abhängigkeiten in der Produktion, 3. Ebene: Souveränität in der IT mit Hard- und Software, IT-Infrastruktur usw., 4. Ebene: digitale Souveränität in den vernetzten, intelligenten digitalen Ökosystemen. Jede dieser Stufen muss für die digitale Souveränität beherrscht werden, ob allein oder in Kooperationen mit regionalen Partnern, wobei “regional” durchaus weiter gefasst werden kann. Aus obigem Modell ist ableitbar, dass Deutschland gar nicht in der Lage sein wird, echte digitale Souveränität als unabhängige Nation anzustreben, sondern von vornherein besser in einer europäischen Dimension denken sollte.

Ohne Daten ist intelligente Technologie nichts Die enorme Bedeutung von Daten höchster Qualität für intelligente Technologie ist im obigen Modell nicht berücksichtigt. In der Digitalisierung ist es unabdingbar, über qualitativ hochwertige Daten als Grundlage für das “Denken” und Agieren intelligenter Technologie zu verfügen. Wer zukünftig nicht über die notwendigen Daten verfügt, um z. B. eine KI zu trainieren, kann selbst mit der besten Technologie keine bedeutenden Mehrwerte schaffen. Daraus lässt sich ableiten, dass neben digitaler Souveränität ein umfassendes Potenzial bei der Bereitstellung von hochwertigen Daten benötigt wird.

Wer muss denn eigentlich digital souverän sein? Dass eine einzelne Nation oder auch die EU nach digitaler Souveränität strebt, ist einleuchtend, aber reicht das auch aus? Zu digitaler Souveränität muss in einem weiteren Kontext berück-

den Bund, da die kommunalen Institutionen selten über die nötige Marktmacht verfügen, um mit den Akteuren der globalen SoftJudith Greif ist ehrenamtliche ware-Industrie Stadträtin der Landeshauptauf Augenhöhe stadt München und Softwarezu verhandeln. Entwicklerin. Foto: BS/privat Häufig fehlt es auf der kommunalen Ebene auch an Problembewusstsein und den nötigen Ressourcen, um das abstrakte Thema der digitaThomas Bönig ist berufsmäßiger Stadtrat und IT-Referent len Souveränität sowie CIO und CDO der Lanin eine zukunftsdeshauptstadt München. fähige Strategie zu gießen und Foto: BS/privat mit Leben füllen zu können.

sichtigt werden, dass Menschen in einer digitalen Gesellschaft Zugriff auf leistungsfähige Tech-

nologien haben müssen. Wer als Person zukünftig keinen Zugang zu hochwertiger Hard- und Software hat, kann nicht an einer digitalen Gesellschaft partizipieren. Auch die Wirtschaft muss sich um digitale Souveränität bemühen, also jederzeit Zugriff auf die erforderliche Technologie, aber auch die notwendigen Daten haben, damit sie erfolgreich und unabhängig am Markt agieren kann. Zahlreiche Institutionen auf nationaler und europäischer Ebene haben sich dem Begriff der digitalen Souveränität angenähert, Konzeptpapiere verabschiedet, Projekte und Zukunftswerkstätten ins Leben gerufen. Dazu zählen so unterschiedliche Akteure wie die europäische Open Source Business Alliance, der IT-Planungsrat der Bundesregierung, der Deutsche Städtetag oder die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), aber auch Unternehmensberatungen wie z. B. PricewaterhouseCoopers (PwC). Diese bescheinigt der Bundesverwaltung in ihrer als “MicrosoftStudie” bekannt gewordenen, vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) beauftragten Untersuchung eine hohe Abhängigkeit von einzelnen Software-Anbietern, insbesondere Microsoft. Aus unternehmerischer Sicht wird zur Abhilfe meist eine “Multi-Vendor”- oder “Hybrid”-Strategie empfohlen, um eine langsame Auflösung der Abhängigkeiten zu erreichen, ohne währenddessen auf die bereits erreichten Fortschritte in der Digitalisierung verzichten zu müssen. Auf der kommunalen Ebene wird deutlich, dass Kooperationen mit anderen Städten oder Bundesländern unabdingbar sind, ebenso wie Anschub- und Schützenhilfe durch

Eine DSGVO 2.0 wird benötigt Rechtliche Regelungen, welche es zukünftig erschweren, Daten in der notwendigen Qualität zu erzeugen, zu verwenden oder in digitale Ökosysteme einzuspeisen, hemmen die digitale Souveränität einer Gesellschaft, Wirtschaft oder Nation und blockieren die Entwicklung einer innovativen Digitalwirtschaft. Datenschutz ist zwingend notwendig, vor allem im persönlichen Bereich, dieser muss jedoch so gestaltet werden, dass er Lösungen aufzeigt, die rechtskonform und technisch umsetzbar sind. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen über kurz oder lang eine Kooperation eingehen, welche digitale Souveränität nicht nur als ein politisches Programm versteht, sondern als eine Notwendigkeit, um digitale Gesellschaftsformen zu ermöglichen, also die Transformation hin zu einer modernen Informationsgesellschaft.

Open Source – eine effektive Komponente Open Source wird zukünftig ein überaus wichtiger Baustein in IT und Digitalisierung für mehr digitale Souveränität sein. Sie spielt eine entscheidende Rolle in den oben genannten Stellungnahmen des Deutschen Städtetags, der KGST, des IT-Planungsrates und auch in der “Microsoft-Studie”. PwC kommt zu dem Schluss, dass insbesondere in Deutschland Weiterentwicklung, Wartung, Pflege und Support von Open-SourceSoftware wichtige Stützpfeiler des mittelständischen Unternehmertums sind. Man denke nur an die Nürnberger Firmen SUSE und ownCloud oder die OpenXchange AG. Dazu kommt, dass gerade in Deutschland eine starke Vernetzung dieser Unternehmen mit der Open-Source-Community

besteht, was wiederum Mehrwert für die Unternehmen generiert. Die Nachfrage aus dem öffentlichen Sektor, der dieses Alleinstellungsmerkmal der digitalen Souveränität mehr und mehr erkennt, treibt die Entwicklung der quelloffenen SoftwareKomponenten weiter voran. Man könnte somit auch in Anlehnung an PwC sagen: Jeder Euro, der in Open Source investiert wird, sind zehn investierte Euro für den deutschen Mittelstand. Ebenso wichtig ist es jedoch, weltweit durchgehend akzeptierte offene Standards für Betriebssysteme, Datenstrukturen, Schnittstellen usw. zu haben, die zukünftig von jeder marktüblichen Technologie genutzt werden können. Vor allem im Bereich unstrukturierter Informationen (Mail, Dokumente, Kalkulationen, Präsentationen usw.), welche alle IT-Systeme und Plattformen gleichartig und ohne Inkompatibilitäten verarbeiten können. Oder, wie im FOSS-Konzept München 2020 formuliert, dass die Koalitionsvereinbarung der Münchner Stadtregierung mit Leben füllen soll: “Offene Standards und freie Software ermöglichen es, Software und Anbieter leicht zu wechseln und die digitale Souveränität wirtschaftlich zu sichern. Schon bei der Planung und Beschaffung soll daher Wert auf Modularität und offene Schnittstellen gelegt werden, sodass einzelne Softwarekomponenten leicht austauschbar sind. Bei freier Software kann der Service unabhängig vom Hersteller oder sogar in eigener Regie eingesetzt werden. Gute Softwarelösungen bestehen aus frei zugänglichen Komponenten, durch offene Schnittstellen zu einem funktionierenden Ganzen verbunden.”

Offene Standards – der einzige Weg Nur über offene Standards, welche für alle Anbieter verbindlich sind, kann gewährleistet werden, dass man in der IT-Versorgung oder bei der Digitalisierung nicht mehr nur von einigen wenigen Anbietern oder Monopolisten abhängig ist. Es muss daher vordringlich, neben dem verstärkten Einsatz von Open Source, auch der Bereich einheitlicher offener Standards in Europa forciert werden. Vorstellbar ist, dass zu einem bestimmten Stichtag in der EU in der Verwaltung nur noch IT-Systeme eingesetzt werden dürfen, welche offene Standards unterstützen. Ob man sich in der EU darauf einvernehmlich einigen kann, dürfte nach den bisherigen Erfahrungen unsicher sein – was jedoch wären denkbare Alternativen? Wie so oft wird es vermutlich einen mutigen Vorreiter benötigen, der eine Vorbildfunktion einnimmt und zeigt, dass es funktionieren wird. In München wird daher darüber schon intensiv nachgedacht und bereits an innovativen Lösungen gearbeitet.

Fazit Es ist nur schwer vorstellbar, dass digitale Souveränität in Europa erreicht wird, wenn diese nicht über Regularien systematisch eingefordert wird. In diesem kritischen Bereich in Deutschland und Europa wurde dies seitens der Politik bisher nicht ausreichend beachtet, entsprechend schwierig wird es sich gestalten, die sich daraus ergebenden Problemstellungen mittelfristig zu beheben. Dennoch ist davon auszugehen, dass es in Europa möglich sein wird, diesen unbequemen Weg erfolgreich zu gehen, wenn der politische Wille da ist sowie Unterstützung von Wirtschaft und Gesellschaft durch die Politik erfolgt. Im Idealfall wird Europa schon bald ein Zentrum digitaler Souveränität werden, dass weltweit Vorbildfunktion entfalten kann.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / April 2021

Einheitliche OZG-Plattform

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ie OZG-Verpflichtung erfordert eine ganzheitlichere Betrachtung: Die Verwaltungsprozesse müssen vom Antrag bis zum Bescheid durchgängig Ende zu Ende gedacht und aufgesetzt werden. Nicht das Verwaltungshandeln steht im Zentrum des Geschehens und bestimmt, in welcher Weise Bürgerinnen und Bürger bzw. Unternehmen partizipieren können. Vielmehr rückt die Sicht der Antragstellenden in den Fokus und hiermit die Frage, wie Verwaltungshandeln diese Erwartungen befriedigend auffangen kann. Dafür müssen Formulardaten im Back-End digital an die Fachverfahren und E-Akte-Systeme angebunden werden. Relevant sind auch Schnittstellen zu den digitalen Querschnittsservices der Verwaltung, wie zum Beispiel EPayment bzw. E-Rechnung, zu Nutzerkonten, zur elektronischen Signatur, zu den digitalen Personalausweisfunktionen und zur Siegelung. Eine Integration in

2021 muss Jahr der beschleunigten Umsetzung werden (BS/Dr. Alexander Fronk/Johannes Rosenboom*) Wollen Behörden die Umsetzungsfrist des OZGs einhalten, muss 2021 ein Jahr der beschleunigten OZG-Umsetzung werden. Das ITZBund und Materna stellen hierfür eine technische Lösungsplattform bereit, die den Digitalisierungsprozess systematisiert und mit der sich OZG-Dienste implementieren lassen. Portale und ein Datenaustausch mit Registern ist notwendig, um einen hohen OZG-Reifegrad zu erzielen, da für etwaige Nachweise das Once-Only-Prinzip anwendbar sein muss. Ebenso sind auch Rückkanäle zwischen den einzubindenden Fachverfahren und der OZG-Formularwelt entscheidend. In der OZG-Plattform des ITZBund verschmelzen konsolidierte IT-Services, sogenannte Basisdienste, zu einer interoperablen Gesamtlösung. Folgende Dienste arbeiten hier miteinander: • die Content-Management-Lösung Government Site Builder (GSB) als (Fach-)Portal,

Landesdatenschutz passé? Regelungs-Flickenteppich in der Kritik (BS/Paul Schubert) Der Datenschutz gerät, je länger die Pandemie dauert, immer mehr in Konkurrenz zum ebenso wichtigen Gesundheitsschutz. Grundrechte wie Berufsfreiheit, Bewegungsfreiheit und Demonstrationsfreiheit sind entweder komplett ausgehebelt oder stark eingeschränkt. Nur für das Grundrecht auf den Schutz der persönlichen Daten gilt das nicht. Dadurch sind auch viele Maßnahmen in der Pandemie wie die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Corona-WarnApp (CWA) nur Stückwerk oder gar unbrauchbar. Der Datenschutz hat sich konträr zum Gesundheitsschutz positioniert. Das Europaparlament hat aber längst eine Evaluierung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auf der Tagesordnung, der eine Novellierung folgen soll. Der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Delegation im EU-Parlament, Axel Voss, plädiert für weitreichende Änderungen an der DSGVO. Er moniert, dass der zweckorientierte Ansatz aus der DSGVO nicht ausreichend angewandt werde. Datenschutz würde über allen anderen Maßnahmen stehen. Die Problematik zeigt sich an der CWA und dem digitalen Impfpass. Bei der CWA habe man sich aus Datenschutzgründen für eine dezentrale Speicherung entschieden, welche einen Austausch mit den Gesundheitsämtern nicht vorsehe, so Voss. Auch beim digitalen Impfpass drohten ähnliche Bedenken. Von der eingeschränkten Nutzung der CWA profitiert jetzt Luca, die vor allem mit dem Werbegesicht Smudo (Mitglied der Fantastischen Vier) bekannt wurde. Mittlerweile nutzen Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Baden-Württemberg, SachsenAnhalt, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen und Thüringen die App oder planen, sie an die Gesundheitsämter anzubinden. Hier zeigt die Zahl der Nutzenden also stark nach oben. Es wäre nicht verwunderlich, wenn in einigen Wochen oder Monaten weitere Bundesländer die Kontaktverfolgungs-App implementieren würden. Doch auch bei Luca gibt es mittlerweile Kritik an der Datenschutzkonformität, die nun im weiteren Verfahren so weit wie möglich ausgeräumt werden sollten. In der Diskussion um die Pandemiebekämpfung erweist sich der Datenschutz nicht nur an dieser Stelle als hinderlich, weil Gesundheitsdaten nicht automatisiert an Gesundheitsämter weitergegeben werden können, sondern auch in seiner Differenziertheit, denn je nach Bundesland unterscheiden sich die Landesdatenschutzgesetze auch noch voneinander. Nur für Unternehmen gilt das Bundesdatenschutzgesetz, für Behörden gelten die Landesdatenschutzgesetze – und die weichen voneinander ab. Aber

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selbst kirchliche Krankenhausbetreiber wie Diakonie und Caritas machen noch Unterschiede im Umgang mit der Erfassung von Gesundheitsdaten ihrer Patienten in Krankenhäusern bzw. Alten- und Pflegeheimen. Ein Zustand, den Dr. Kay Ruge gerne ändern möchte und in einer Diskussion beim Digitalen Katastrophenschutzkongress des Behörden Spiegel einen entsprechenden Vorstoß machte. Um alles zu vereinfachen und zu standardisieren, fordert Ruge eine Abkehr von den unterschiedlichen Regelungen: “Ich denke nicht, dass wir angesichts des unmittelbar geltenden europäischen Rechts weiterhin Landesdatenschutzgesetze und -beauftragte brauchen.” Solche alten Zöpfe müsse man abschneiden. Vielmehr gehe es darum, den technologisch höchsten gemeinsamen Standard zu erreichen. Die Landesdatenschützer zeigen sich von der Forderung Ruges irritiert. Prof. Dr. Thomas Petri, Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, wirft Ruge Unkenntnis der grundgesetzlichen Aufgabenteilung vor: “Wir sind ein föderalstrukturierter Staat, eine Konsequenz daraus ist die Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern. Das ist ganz klar im Grundgesetz definiert.” Prof. Dr. Dieter Kugelmann, Datenschutzbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz, stellt vor allem den Vorteil der Aufgabenteilung klar: “Die Landesdatenschutzbeauftragten kennen die Landesbehörden am besten, hier ist die größtmögliche Bürger- und Sachnähe möglich.” Barbara Thiel, die niedersächsische Datenschutzbeauftragte, stimmt ihren Kollegen zu. Sie weist auch darauf hin, dass mit Blick auf die Geltung der Datenschutz-Grundverordnung im Rahmen der Datenschutzkonferenz schon eine Vereinheitlichung der Landesdatenschutzgesetze angestrebt worden sei. Da es allerdings von den einzelnen Ländern eigene Wünsche und Bestrebungen gegeben habe, hätten diese Überlegungen nicht umgesetzt werden können. Es bleibt abzuwarten, wie sich hier die weitere Debatte zwischen europäischen, Bundes- und Landesgesetzen entwickelt.

•d as Nutzerkonto Bund als Authentifizierungs- und Kommunikationskomponente, • die Plattform ePayBL als Bezahlmöglichkeit, • die Lucom Interaction Platform (LIP) als Formular-Managementsystem (FMS), • Chatbot- und digitale Bürger­ assistenz-Dienste für eine bessere Nutzerinteraktion und Verständlichkeit, • die E-Akte Bund auf der Bundescloud als Kern der Verwaltungsdigitalisierung, • die künftige Anbindung an Register und weitere Fachverfahren zur Leistungserbringung. Die OZG-Plattform ermöglicht durch das Zusammenspiel dieser Basisdienste die Umsetzung von OZG-Leistungen: Das ITZBund etabliert gemeinsam mit Materna hierauf einen Digitalisierungs-

prozess, also ein Vorgehen zur Umsetzung von OZG-Leistungen, über den viele OZG-Leistungen zeitgleich und aufwandsarm umgesetzt werden können. Zudem sind die eingesetzten IT-Lösungen auch einzeln nutzbar, quasi zur Erweiterung eines bereits bestehenden Fachportals oder zum (Neu-)Aufbau eines benötigten Fachportals einer Bundesbehörde. Sie bringt dazu interoperable Bausteine mit und bildet gemeinsam mit dem auf ihr fußenden Digitalisierungsprozess eine rasche Digitalisierungsmöglichkeit, die nicht auf der Seite der Bürgerinnen und Bürger endet, sondern direkt auch die Prozesse innerhalb der Verwaltung digital mitbetrachtet. Mit diesem Plattform-basierten Vorgehen entstehen Umsetzungsergebnisse schneller und nachhaltiger, als Behörden sie im

Alleingang oder auf nichtkonsolidierten Infrastrukturen schaffen, da sie in der Regel weder personell noch organisatorisch auf die parallele Umsetzung der von ihnen anzubietenden OZGLeistungen vorbereitet sind. Mithilfe der OZG-Plattform und des Digitalisierungsprozesses, die aufeinander abgestimmt sind, können Behörden kurzfristig, schnell und sicher OZG-Leistungen anbieten und mittel- bis langfristig die verwaltungsinterne Digitalisierung und Transformation weiter voranbringen. Eine Anbindung der OZG-Leistungen an das Verwaltungsportal Bund ist ebenfalls möglich. Implementiert auf Basis solch miteinander integrierter Dienste und Lösungen für elektronische Akten und Formulare wird jeder behördenspezifische Internet-Auftritt zu einem eigenen Fachportal,

das als interoperable Gesamtlösung die Ziele des OZG adressiert und für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Behörden selbst mehrwertig wird: Persönliche Daten der Antragssteller können über Single Sign-on automatisiert in Antragsformulare übernommen und Zahlungsvorgänge digital abgewickelt werden. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen können Verwaltungsleistungen über das Formular-ManagementSystem (Abrufbar über den FMSRahmenvertrag des Bundes) medienbruchfrei und vollständig digital beantragen. Es entsteht eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.

Materna auf dem Digitalen Staat Auch beim Digitalen Staat (www.digitaler-staat.org) vom 10. bis 12. Mai wird Materna zum Thema OZG im Hauptprogramm sowie im Fachforum 16 vortragen bzw. mitdiskutieren. Auch zum Thema GAIA-X ist Materna im Fachforum 18 vertreten. *Dr. Alexander Fronk und Johannes Rosenboom arbeiten beim IT-Dienstleister Materna im Geschäftsbereich Public Sector.

E-TRAINING: Personalbedarfsermittlung Kurz und knackig auf den Punkt gebracht

Planung und Durchführung von Projekten zur Stellenbemessung Durch dieses E-Training werden Sie in die Lage versetzt, ein Projekt zur Stellenbemessung durchzuführen. Dazu zählen zunächst die Planung des Projektes mit der adressatengerechten Information der Beteiligten und die Auswahl der passenden Methoden zur Datenerhebung. Dabei werden sowohl Methoden der Selbstaufschreibung, der Beobachtung und Schätzmethoden behandelt. Sie lernen deren Vor- und Nachteile sowie die Einsatzszenarien der verschiedenen Methoden kennen. Weiterhin sind die Auswertung und Aufbereitung der erhobenen Daten sowie die Präsentation der Ergebnisse Teil des E-Trainings. Dies beinhaltet auch die Wertung der verschiedenen Formeln der analytischen Stellenbemessung.

THEMENÜBERBLICK:

• Überblick über die Methoden zur Stellenbedarfsermittlung - Empirisches Verfahren - Politisches Verfahren - Analytisches Verfahren • Datenerhebungstechniken - Arbeitsaufzeichnungen, Laufzettel, Schätzen etc. - Ermittlung von mittleren Bearbeitungszeiten - Messzeitpunkte und -intervalle, Stichprobenumfänge • Ermittlung der Nettoarbeitszeit einer Normalarbeitsplatz • Einsatzszenarien und Anwendungsfälle für die jeweiligen Methoden und Techniken sowie deren Vor- und Nachteile • Präsentation der Ergebnisse der Personalbedarfsermittlung

Das E-Training besteht aus drei Teilen: • TEIL 1: 10.05.2021, 10:00 – 13:00 Uhr • TEIL 2: 12.05.2021, 10:00 – 13:00 Uhr • TEIL 3: 18.05.2021, 10:00 – 13:00 Uhr

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de; Suchwort „Personalbedarf“ Foto: ©Milan, stock.adobe.com


Informationstechnologie

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Daten aus dem All

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atellitenbilder werden seit Langem in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung eingesetzt. Man denkt dabei zunächst an den Sicherheitsbereich oder an Behörden aus den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft, Infrastruktur oder Katastrophenschutz. Weniger bekannt ist, dass auch Informationen zu demografischen oder wirtschaftlichen Fragestellungen aus dem All gewonnen werden können. Um herauszufinden, welche Behörden Fernerkundungsdaten bereits einsetzen oder dies planen oder ob schlicht Beratungsbedarf zum sinnvollen Einsatz besteht, hat das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) im Auftrag des Interministeriellen Ausschusses für Geoinformationswesen (IMAGI) eine ausführliche Bedarfsabfrage unter allen Bundesbehörden durchgeführt.

BMI und DLR vereinbaren enge Zusammenarbeit (BS/Vera Moosmayer) Daten der Fernerkundung, der Beobachtung der Erde aus dem All oder aus der Luft, werden immer besser, genauer und schneller verfügbar. Sie sind von zunehmender Bedeutung für viele Bereiche der öffentlichen Verwaltung – etwa im Verkehr, im Umweltmonitoring und der Krisenbewältigung. Der rasante Fortschritt der Satellitentechnologie und Analyseverfahren ermöglicht die Nutzung von Fernerkundungsdaten auch in Bereichen, die bisher nicht die Fernerkundung im Blick hatten. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) hat mit terstützt potenzielle Nutzer, die dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) einen für alle Bundesbehörden offenen Rahmenvertrag abgeschlossen, mit dem neueste Möglichkeiten der FernerkunForschungsergebnisse für den Einsatz in der Verwaltung identifiziert und in praktische Verfahren transformiert werden. dung auszuloten und Bedarfe Fernerkundung international an der Spitze der Forschung. Es hat erfolgreich neue satellitengestützte Verfahren für die Verwaltung entwickelt, z. B. für Ermittlungen bei Umweltstraftaten. Das DLR entwickelt in diesem äußerst dynamischen Forschungsgebiet auch dank des Fortschritts der Satellitentechnologie und des Einsatzes neuester Auswertungsmethoden – auch mit Künstlicher Intelligenz – laufend neue Möglichkeiten zur Nutzung von Fernerkundungsdaten in nahezu allen Lebensbereichen.

Bedarf der Behörden wächst Von den einhundertdreißig teilnehmenden Behörden hat etwa ein Drittel angegeben, Satellitendaten bereits zu nutzen, ein weiteres Drittel kann sich eine Nutzung vorstellen und hat Beratungsbedarf angemeldet. Der Präsident des BKG, Prof. Paul Becker, freut sich über die hohe Resonanz: “Es zeigt sich, dass es der richtige Weg war, das BKG als zentralen Geodatendienstleister des Bundes zu positionieren. Wir bleiben weiter auf Kurs und werden unseren Satellitengestützten Krisen- und Lagedienst (SKD) und unsere Servicestelle Fernerkundung jetzt noch passgenauer weiterentwickeln.” Die Anfragen und Aufträge, die das BKG entgegennimmt, kön-

Behörden Spiegel / April 2021

Richtungsweisender ­Rahmenvertrag In Luft- und Satellitenbildern sind viele Informationen enthalten, die für Laien nur schwer erkennbar sind. In Kombination mit weiteren Geodaten wird eine 3D-Ansicht erzeugt, die die Informationen für jedermann sichtbar macht. In diesem Fall sollen Veränderungen einer Halde untersucht werden. Foto: BS/BMI

nen weit überwiegend mit der hauseigenen Expertise bearbeitet werden, von der Beschaffung von Rohdaten bis zu komplexen Analysen von Zeitreihenaufnahmen. Satelliten- und Luftbilder enthalten viele wesentliche Informationen, die für Laien kaum erkennbar sind. Daher braucht es die professionelle Analyse durch erfahrene Fernerkundungsspezialisten, die gleichzeitig auch auf weitere Geodaten zugreifen

können. So wird zum Beispiel aus dem Luftbild einer Halde in Kombination mit Daten aus dem Digitalen Oberflächenmodell des Bundes und der Länder (DOM) eine 3D-Ansicht erzeugt, mit der die fachliche Nutzung der Daten problemlos möglich ist. Es kommen jedoch auch Anfragen herein, für deren Lösung es noch keine ausgereiften Verfahren gibt, um spezielle Daten aus dem immensen Datenschatz der

Fernerkundung zu extrahieren. Für solche Fälle hat das BMI nun mit dem Deutschen Fern­ erkundungsdatenzentrum des DLR in Oberpfaffenhofen einen Rahmenvertrag abgeschlossen, den “IF-Bund” (Innovative Fernerkundung für die Bundesverwaltung). Mit dem IF-Bund wird die Spitzenforschung mit der Praxis und den Bedarfen der Verwaltung zusammengebracht. Das DLR steht im Bereich der

Für das DLR ist der neue Rahmenvertrag IF-Bund richtungweisend. “Dadurch wird es für uns auf institutioneller Basis möglich, Ergebnisse der Forschung im DLR zielgerichtet in die Praxis der Behörden zu überführen und somit Technologie- und Wissenstransfer zu leisten”, sagt Prof. Dr. Stefan Dech, Direktor des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums. Dr. Monika Gähler, Ansprechpartnerin im DLR für den Vertrag, ist überzeugt: “Die Sensoren der Erdbeobachtung entwickeln sich rasant weiter und das Potenzial in der behördlichen Anwendung ist noch nicht ausgeschöpft. Wir freuen uns, den Wissenstransfer von der Forschung in die Fernerkundungsprodukte für Behörden weiterhin durch Innovationen und Beratung mitzugestalten zu können.” Mit dem neuen Rahmenvertrag wird die etablierte Verbindung zwischen Verwaltung und Wissenschaft weiter intensiviert. Die Vereinbarung sieht vor, dass beim DLR auf der Basis von konkreten Bedarfen der Bundesbehörden Projekte aufgesetzt werden, in denen aktuelle Forschungsergebnisse genutzt werden, um passgenaue Lösungen zu entwickeln. Neue Verfahren können dann in den Behörden erprobt werden – von Anpassungen bestehender Verfahren bis hin zu großen Machbarkeitsstudien und Pilotprojekten. Auch die Einführung erfolgreicher Piloten für Standardverfahren in den Behörden kann durch die Experten des DLR über den IF-Bund begleitet werden. Die Erfahrungen der engen Kooperation von DLR und BKG in den letzten Jahren haben gezeigt, dass eine zielgerichtete Beratung von behördlichen Nutzern durch die Fernerkundungsexperten zu sehr guten Lösungen führt. Das BKG hat sich hier als Geodienstleister auch in der Beratung gut aufgestellt und un-

klar zu formulieren, in Aufträge zu übersetzen und zu begleiten, um passgenaue Lösungen zu entwickeln. Umgekehrt profitiert die Wissenschaft von der Möglichkeit, Innovationen zu entwickeln und in der Praxis zu erproben. Ein regelmäßiger Informationsaustausch sowie Technologieberatungen und Schulungen sowie ein Newsletter des DLR stellen den engen Kontakt sicher. Prof. Becker: “Wenn wir erkennen, dass eine Anfrage so speziell ist, dass sie nicht durch die eingeführten Verfahren gelöst werden kann, prüfen wir mit dem BMI und dem DLR, ob dies ein Fall für Oberpfaffenhofen ist.” Dr. Markus Kerber, Staatssekretär im BMI: “Durch den IF-Bund wird der regelmäßige Transfer von wissenschaftlicher Expertise in die Verwaltungspraxis von der Idee bis zur Umsetzung gefördert, um einen zeitgemäßen Einsatz von Fernerkundung in der Bundesverwaltung zu ermöglichen. Das stellt sicher, dass Innovationen schnell Eingang in die Verwaltungspraxis finden.” Er begrüßt die Fortsetzung der engen Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Wissenschaft. “Mit der neuen Vereinbarung wird die Tür zur Fernerkundung

Vera Moosmayer, Leiterin der Unterabteilung H III Raumordnung, Regionalpolitik und Landesplanung im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Foto: BS/privat

auch für Behörden aufgestoßen, die bisher weniger an die Nutzung von Daten aus dem All gedacht haben. Für unser Haus ist die Nutzung von Fernerkundungsdaten im Sicherheitsbereich und Katastrophenschutz gute Praxis. Auch für unsere Abteilungen Stadtentwicklung und Heimat sehe ich Anknüpfungspunkte, etwa bei der Beobachtung der Siedlungsentwicklung und dem Flächenmonitoring aus der Perspektive gleichwertiger Lebensverhältnisse. Ich bin sicher, dass auch in anderen Behörden neue Ansatzpunkte identifiziert werden. Der IF-Bund ist ein Beitrag für moderne Verwaltung.” Ansprechpartner für den Rahmenvertrag sind im BMI das Referat Geoinformationswesen (HIII5@bmi.bund.de) und beim DLR das Zentrum für Satellitengestützte Kriseninformation (ZKI@ dlr.de). Alle fachlichen Fragen rund um das Thema Fernerkundung beantwortet die Servicestelle Fernerkundung des BKG (Fernerkundung@bkg.bund.de).

IT als Treiber der Verwaltungsmodernisierung: Der Newsletter E-Government, Informationstechnologie und Politik des Behörden Spiegel

Anmeldung: www.behoerdenspiegel.de newsletter@behoerdenspiegel.de


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / April 2021

N

ach gut zehn Jahren Lauf­ zeit zogen sowohl die Me­ tropolregion als auch ihre drei Trägerländer eine positive Bilanz und beschlossen daher die Ver­ stetigung des Modellvorhabens. In dessen Fokus sollen auch zukünftig die Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Ver­ waltung stehen. Angesichts der derzeit auf Hochtouren laufen­ den Umsetzung des Onlinezu­ gangsgesetzes (OZG) sehen die Beteiligten gerade in diesem Bereich besonderes Potenzial für die Erschaffung und Hebung von Synergien.

Innovation und Vernetzung intensivieren Durch die Fortsetzung und die weitere Intensivierung der ebenen-, länder- und fachüber­ greifenden Zusammenarbeit sollen der Aufbau einer noch stärker vernetzten Verwaltung und die Entwicklung koopera­ tiver E-Government-Lösungen gemeinsam weiter vorangetrieben werden. Dabei reicht das Spekt­ rum von der Genehmigung von Baumaßnahmen über die digitale Bereitstellung raumbezogener Daten bis zur Einbindung von ausländischen Fach- und Füh­ rungskräften. Das Modellvorhaben soll den Partnern auch in Zukunft als In­ novations- und Erprobungsraum dienen, um ebenenübergreifend entwickelte Infrastrukturkom­ ponenten und Standards fach­ übergreifend in der Praxis zu testen und deren Mehrwert zu erproben. Beispielhaft sei hier

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Kooperatives E-Government Modellvorhaben in der Metropolregion Rhein-Neckar wird fortgesetzt (BS/Guido Gehrt) Innovative Vorgehensweisen brauchen oftmals einen Raum, in dem sie entwickelt und erprobt werden können. Vor diesem Hintergrund wurde bereits Ende 2010 von den Ländern Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie seinerzeit dem Bund gemeinsam mit der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) das Modellvorhaben “Kooperatives E-Government in föderalen Strukturen” ins Leben gerufen. Dieses über die Region bekannte und bundesweit viel beachtete Modellvorhaben soll nun mindestens bis 2025 fortgesetzt werden. Darauf verständigten sich nun die beteiligten Länder gemeinsam mit der MRN. der Aufbau von regionalen Da­ teninfrastrukturen genannt, um notwendige Baumaßnahmen im Straßenraum besser aufeinander abstimmen zu können. Man will die Erkenntnisse aus dem Modellvorhaben möglichst breit kommunizieren, um so die Entwicklung eines kooperativen E-Governments in föderalen Strukturen in anderen Regionen Deutschlands zu fördern. Im Zuge der Unterzeichnung der Fortführungsvereinbarung durch Vertreter des Lenkungskreises des Modellvorhabens freute sich Stefan Dallinger, Vorsitzender des Verbands Region Rhein-Neckar und Vorsitzender des Lenkungs­ kreises, über bisherige Unter­ stützung und die gute Zusam­ menarbeit. “Als Metropolregion Rhein-Neckar sind wir wirklich sehr stolz auf die in dieser Dimen­ sion deutschlandweit einzigartige Form der länderübergreifenden Zusammenarbeit”, so Dallinger. Er dankte den drei Bundeslän­ dern und auch dem Bund bzw. dem Bundesinnenministerium, dass diese gemeinsam mit der MRN den Grundstein dafür gelegt hätten, Innovations- und Trans­

ber 2020 mit der OZG-Leistung zur Beschleunigung des Breit­ bandausbaus den Prozess im Themenfeld Bauen und Woh­ nen online schalten”, befand er weiter.

Datenbasierte Wirtschaft und Gesellschaft gestalten

Virtuelle “Unterzeichnung” der Fortführungs-Vereinbarung. Im Vordergrund (v. l.): Stefan Dallinger, Vorsitzender des Verbands Region Rhein-Neckar, Dr. Christine Brockmann, Geschäftsführerin der MRN GmbH, und Ralph Schlusche, Verbandsdirektor des Verbands Region Rhein-Neckar. Auf dem Bildschirm im Hintergrund: Die Landes-CIOs Patrick Burghardt (Hessen, links oben) und Randolf Stich (Rheinland-Pfalz, rechts oben) sowie Stefan Krebs (Baden-Württemberg, unten) Foto: BS/MRN GmbH/Rittelmann

formationsprozesse im Bereich der öffentlichen Verwaltung aktiv zu fördern.

Bestehende Strukturen ­unterstützen OZG-Umsetzung Für Randolf Stich, Innenstaats­ sekretär und IT-Beauftragter des Landes Rheinland-Pfalz, lässt

Perso & Co aufs Smartphone

sich anhand der Umsetzung des OZG sehr konkret erkennen und nachweisen, welchen Nutzen das länderübergreifende Modellvor­ haben für die staatliche Moder­ nisierung hat. “Nur auf der Basis der bestehenden institutionellen Strukturen und der über Jahre aufgebauten Kompetenzen im Bereich E-Government konnten wir mithilfe der Metropolregion Rhein-Neckar bereits im Dezem­

Baden-Württembergs CIO/CDO Stefan Krebs lenkte seine Aus­ führungen insbesondere auf die branchenorientierte Ausrichtung des länderübergreifenden Modell­ vorhabens. “Viele Expertinnen und Experten sind sich einig, dass wir sowohl im Bereich der Wirtschaft, aber auch in der öf­ fentlichen Verwaltung erst am Anfang wirklich fundamentaler Veränderungen stehen. Umso wichtiger ist es, dass wir in einer so starken Wirtschaftsregion wie Rhein-Neckar gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft daran arbeiten, unsere zuneh­ mend datenbasierte Wirtschaft und Gesellschaft aktiv zu gestal­ ten”, so Krebs. Die Mitglieder des Lenkungs­ kreises bekräftigten insgesamt die herausragende Bedeutung neuer Formen und Methoden der Zusammenarbeit. Dieser Trend lasse sich innerhalb der Verwal­ tung an einer steigenden Zahl

von Innovations- und Digitali­ sierungslaboren, digitalen Hubs oder Coworking-Spaces ablesen.

Kompetenzen auf- und ­ausbauen In diesem Kontext wies Patrick Burghardt, Digitalstaatssekretär sowie CIO der Landesregierung Hessen, auf die sich aktuell sehr schnell verändernden Anforde­ rungen an entsprechende Kom­ petenzen hin. Umso erfreulicher sei es, dass die Metropolregion Rhein-Neckar erst kürzlich im Rahmen des Modellvorhabens auch diesbezüglich ein vielver­ sprechendes länderübergreifen­ des Projekt habe auf den Weg bringen können: “Der “Kommu­ nalCampus” soll zur wichtigsten Anlaufstelle für den Erwerb und den Ausbau von Digitalkom­ petenz auf kommunaler Ebene werden”, erklärte Burghardt. Die Zusammenarbeit mit Hochschu­ len und Universitäten, Kammern und Verbänden sowie etablier­ ten und neuen Akteuren der beruflichen Aus- und Weiterbil­ dung ermögliche es, dass Wei­ terbildungsangebote auf einer internetbasierten Plattform und individuell zugeschnitten den Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ tern in der öffentlichen Verwal­ tung angeboten würden, so der hessische CIO.

15 Jahre Pionierarbeit Die Metropolregion Rhein-Ne­ ckar gehört bereits seit 2006 deutschlandweit zu den Pionie­ ren der interkommunalen und ebenenübergreifenden Zusam­ menarbeit im Bereich Verwal­ tungsmodernisierung, Digita­ lisierung und E-Government.

Die neue Arbeitswelt

Fördermittel für digitale Identitäten

(BS/pet) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) will Personalausweis, Führerschein und andere Dokumente aufs Smartphone bringen. Mit über 50 Millionen Euro fördert das Haus unter der Ägide von Richtig mit den Veränderungen umgehen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im Rahmen des Innovationswettbewerbes “Schaufenster Sichere Digitale Identitäten” bis zu vier Schaufensterprojekte. (BS/ml/gg) Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt in den Organisationen der öffentlichen Verwaltung schlagartig und tiefgreifend verändert. Wo früher eine strenge Anwesenheitspflicht im Büro galt, konnte und Ziel des Wettbewerbes ist es, realisieren. Dafür will das BMWi Über IDunion hinaus sollen musste nun auf einmal flexibel von zu Hause gearbeitet werden. Die große Herausforderung ist es nun, diese die Vorteile und Möglichkeiten Gelder von rund 15 Millionen noch bis zu drei weitere Schau­ Veränderungen in den Arbeitsabläufen weiter zu optimieren und auch für die Zeit nach der Pandemie effizient einer digitalen Ausweisfunktion Euro bereitstellen. fenster gefördert werden, die ab anwendbar zu machen.

auf dem Smartphone in den be­ teiligten Städten und Regionen aufzuzeigen. Im Sinne alltags­ tauglicher Anwendungen sollen dabei von Beginn an Kommunen und Landkreise sowie Bürgerin­ nen und Bürger in die geplanten Entwicklungen mit einbezogen werden. Den Auftakt macht das Projekt IDunion, in dessen Rah­ men etwa ein offenes Ökosystem für die dezentrale Identitätsver­ waltung errichtet werden soll. Das Vorhaben, das von der Main Incubator GmbH geleitet und in der Rechtsform einer Genos­ senschaft aufgebaut wird, soll an verschiedenen Standorten Anwendungsbeispiele in den Be­ reichen E-Government, Bildung, Finanzwirtschaft, Industrie, In­ ternet of Things (IoT), E-Com­ merce, Mobility, Identity Access Management und Gesundheit

“Wir sehen zunehmend, dass amerikanische Plattformen mehr und mehr Identifikationslösun­ gen in den Markt drücken. Ich finde es wichtig, dass es auf dem Smartphone eine vom Staat ab­ gesicherte Möglichkeit der Iden­ tifizierung gibt, die insbesondere auch ohne kommerzielle Hin­ tergedanken in Bezug auf Nut­ zerdaten funktioniert”, erläutert Thomas Jarzombek, Beauftragter des BMWi für die digitale Wirt­ schaft und Start-ups, den Hin­ tergrund der Fördermaßnahme. Vorhaben des Staates hätten in der Vergangenheit zu wenig Nut­ zerorientierung gezeigt und seien meist zu kompliziert gewesen. Ziel müsse es sein, ein Angebot zu schaffen, das auch von Un­ ternehmen mitgenutzt werden könne und einen festen Platz im Alltag der Menschen erreiche.

Mai dieses Jahres starten. Die Projekte wurden unter Beglei­ tung einer Fachjury aus zehn eingereichten Konzepten aus­ gewählt. Zudem hat das BMWi angekündigt, eine aktive Rolle in dem vom Bundeskanzler­ amt und dem Bundesministe­ rium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) angestoßenen Projekt “Digitale Identitäten” übernehmen zu wollen. In Er­ gänzung zu “Sichere Digitale Identitäten” sollen hier ausge­ wählte Anwendungsfälle und Demonstratoren entwickelt und ein Netzwerk aus eID-Anbietern und Anwender-Unternehmen aufgebaut werden. “Wir müssen hier ein deutlich höheres Tempo bei der Umsetzung an den Tag legen und werden als BMWi hier die Entwicklung pushen”, so Jarzombek.

Neuer Service gestartet Digitaler Wohngeldantrag in Berlin online (BS/pet) Die Bundeshauptstadt Berlin stellt ihren Bürgerinnen und Bürgern ab sofort einen Online-Wohngeldantrag zur Verfügung. Dieser wurde in enger Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, die das Projekt mitfinanziert hat, in das Service-Portal des Landes, Berlin.de, integriert. Ob ein Miet- oder Lastenzuschuss bei Eigentum – nun können Berlinerinnen und Berliner auf Berlin.de den Wohngeldantrag online ausfüllen und benötigte Anlagen und Dokumente digital einreichen. Mit dem Service sei es gelungen, einen komplexen Prozess digital zu vereinfachen, bestätigt Sabine Smentek, Staats­ sekretärin für Informations- und Kommunikationstechnik in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Ab sofort würden Antragsstellende durch ein in­ telligentes Formular geleitet, was den zeitlichen Aufwand beim Ausfüllen erheblich verringere.

Auch bei Behörden selbst: Der digitale Service ergänze nicht nur das Angebot, sondern sorge für schnellere Bearbeitungszeiten, betont Wenke Christoph, Berliner Staatssekretärin für Wohnen.

Rund 68.000 Wohngeldanträge pro Jahr “Allein im vergangenen Jahr wurden durch die bezirklichen Wohngeldstellen rund 68.000 Anträge bearbeitet; der Bedarf an finanzieller Unterstützung ist weiterhin hoch. Das neue Angebot soll den Zugang zu Hilfen erleichtern und so dazu beitragen, dass sich gerade in

Corona-Zeiten keine Berlinerin und kein Berliner Sorgen um ein sicheres Zuhause machen muss”, so Christoph weiter. Ergänzt wird der Online-Wohn­ geldantrag durch den Wohngeld­ rechner, der einen Überblick über die zu erwartende Höhe des Zu­ schusses gibt. Der technische Betrieb des Basisdienstes wird vom ITDZ Berlin als zentralem IT-Dienstleister des Landes Ber­ lin gewährleistet. Es betreibt die erforderliche Server-, Netz- und IT-Sicherheitsinfrastruktur in der privaten BerlinCloud des vom BSI zertifizierten Hochsicherheitsre­ chenzentrums.

Mit derartigen Fragestellungen beschäftigen sich Firmen wie der Enterprise Service-ManagementAnbieter-ServiceNow, der Lösun­ gen für die Rückkehr an den Arbeitsplatz und die Gestaltung zeitgemäßer Arbeitsmodelle zur Verfügung stellt. Dabei geht es um Lösungen, die Arbeitgebern den pragmatischen Umgang mit Hygieneschutzvorschriften, aber auch zum Beispiel die Wiederein­ gliederung von Arbeitnehmerin­ nen und Arbeitnehmern in den Büroalltag erleichtern sollen. Im Mittelpunkt steht dabei die Erkenntnis, dass auf aktuelle Entwicklungen möglichst flexibel reagiert werden muss.

Kommunikation als zentraler Faktor Kommunikation ist beim dezen­ tralen Arbeiten bzw. beim Arbei­ ten in wechselnden Schichten wichtiger denn je. Informationen des Arbeitgebers müssen jeder­ zeit von jedem Ort von den Mit­ arbeiterinnen und Mitarbeitern abgerufen werden können. Dies gilt etwa auch für Hygieneanwei­ sungen und andere Vorschriften (wie Bürobelegungspläne), die leicht auffindbar, transparent und flexibel an neue Gegeben­ heiten anpassbar sein müssen. Zudem ist es in der virtuellen Zusammenarbeit von großer Be­ deutung, dass die Beschäftigten auch hier die Möglichkeit bekom­ men, schnell und unkompliziert Feedback geben zu können. Neben den erhöhten Anforde­ rungen an die Kommunikation kommt es für die Zufriedenheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch darauf an, diesen ein möglichst hohes Maß an Selbstbestimmung bzw. Ei­ genverantwortlichkeit zu ermög­ lichen. Wichtig ist es zudem, den

Arbeitnehmern ein Gefühl von Sicherheit vermitteln zu können. Die Pandemie hat dieses Sicher­ heitsgefühl bei vielen Beschäf­ tigten beeinträchtigt. Deswegen müssen auch die Behörden und sonstige öffentliche Institutionen darauf achten, einen Coronasicheren Arbeitsplatz zur Ver­ fügung zu stellen, verlässliche Obergrenzen für in Gebäuden anwesende Personen aufzustel­ len, Gesundheitsüberprüfungen durchzuführen und Besucher­ kontrollen einzurichten. Diese Maßnahmen sind insbesondere auch für den Zeitpunkt der Er­ möglichung einer Rückkehr an den Arbeitsplatz zentral, damit die Mitarbeiterinnen und Mitar­ beiter darauf vertrauen können, dass ihr Arbeitsplatz auch in dieser Hinsicht sicher ist.

Safe-Workplace-Apps Um den Arbeitgebern diese Aufgaben zu erleichtern, bietet ServiceNow unter dem Dach der “Safe-Workplace-Apps” Lösungen an. Die Apps für einen sicheren Arbeitsplatz stellen Möglichkeiten bereit, um die Kommunikation zu verbessern und die Sicher­ heit eines Arbeitsplatzes, zum Beispiel im Hinblick auf Corona, zu bewerten. So ist es mit Apps von Service­ Now zum Beispiel möglich, durch Umfragen die Bereitschaft der Mitarbeiter zu messen, ins Büro zurückzukehren. Des Weiteren kann der Gesundheitszustand der Mitarbeiter protokolliert wer­ den. Über Kontakterfassung er­ möglichen es die Tools, einen Corona-Ausbruch schnell zu erkennen und einzudämmen, indem entsprechende Kontakt­ personen identifiziert werden. Auch die Raumplanung und Reinigungspläne können mittels

der Apps erstellt werden. Dies hilft dabei, Hygieneschutzvor­ schriften einhalten zu können. Arbeitgeber erhalten darüber hinaus die Möglichkeit, den Be­ stand und Bedarf an persönlicher Schutzausrüstung wie Masken und Desinfektionsmittel zu kon­ trollieren. Die Programme von ServiceNow sind jedoch nicht nur auf Hil­ fen zur Umsetzung von CoronaSchutzmaßnahmen ausgerich­ tet. Sie dienen auch dazu, die Kommunikation am Arbeitsplatz zu vereinfachen und bestimmte Abläufe effizienter zu gestalten. Dabei geht es zum Beispiel da­ rum, den Mitarbeitern ein ein­ heitliches Service-Center zur Verfügung zu stellen, über wel­ ches verschiedene Abteilungen kommunizieren, aber einzelne Mitarbeiter auch gezielt Hilfe suchen können. Des Weiteren ist es möglich, bestimmte Ab­ läufe zu standardisieren. Auch bieten die Apps die Möglichkeit, verschiedene Informationen auf einen Blick sichtbar zu machen. All diese Programme sollen es Organisationen ermöglichen, flexibler zu werden, Prozesse zu vereinfachen und mit den He­ rausforderungen der CoronaPandemie umgehen zu können. Dadurch werden die positiven Effekte der Pandemie-bedingten Veränderungen der Arbeitswelt nutzbar gemacht. “Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt im öffentlichen Sektor einschneidend und nachhaltig verändert. Mit unseren Tools können und wollen wir einen Beitrag leisten, diesen Wandel für die Beschäftigten gleichermaßen effizient, effektiv und komfortabel zu gestalten”, so Stefan Fischer, Bereichsleiter Public Sector bei ServiceNow Deutschland.


Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / April 2021

Qualität mit Fokus auf Nachhaltigkeit Behörden profitieren von Original-HP-Tonerkartuschen (BS) Der Dienst am Bürger steht bei den Mitarbeitern in Behörden im Mittelpunkt. Täglich müssen sie für die unterschiedlichen Anliegen aber auch eine Vielzahl von Formularen ausfüllen, drucken und archivieren. Diese Berichte sollen nicht nur beim Bürger einen positiven Eindruck hinterlassen, was die Professionalität der Behörde und die Qualität der Ausdrucke angeht. Gleichzeitig stellen sie bei einer Ausschreibung eine Reihe weiterer Anforderungen. So spielen neben der Qualität auch die Kosten und die Nachhaltigkeit der Produkte oder Lösungen eine Rolle. Dabei ist es egal, ob es sich um die Büroausstattung, Technologie oder Verbrauchsmaterialien handelt. Dazu gehören zum Beispiel auch Drucker und Tonerkartuschen, die in Behörden zum Einsatz kommen.

Faktor Nachhaltigkeit: Schon seit vielen Jahren setzt HP auf das Recycling seiner Tonerkartuschen und Tintenpatronen. Im Rahmen des HP-Planet-Partners Programms wurden so beispielsweise seit dem Jahr 2000 über 116.000 Tonnen recyceltes Plastik in knapp 4,6 Milliarden neuen Tonerkartuschen und Tintenpatronen wiederverwertet.

B

ehörden versenden eine Vielzahl von Formularvordrucken oder Berichten an Bürger und Unternehmen, die ihr externes Image unterstreichen. Die Qualität dieser Materialien spielt eine wichtige Rolle, um einen positiven ersten Eindruck zu vermitteln. Das Thema Budget steht oft im deutlichen Gegensatz dazu: Hier wird auf jeden Cent geachtet. Deswegen nutzen Behörden oft vermeintlich günstigere, wiederaufbereitete oder nachgebaute Tonerkartuschen – doch sind diese im Endeffekt wirklich die bessere Entscheidung? Die Anwender selbst sind häufig anderer Meinung. Eine Studie von Spencerlab bestätigt dies: 36 Prozent der getesteten No-Name-Kartuschen funktionierten entweder bereits zu Beginn des Tests nicht oder fielen vorzeitig aus. Bei der von HP 2019 in Auftrag gegebenen und von SpencerLab durchgeführten Studie zur Zuverlässigkeit beim Farbdruck wurden Original HP LaserJet Farbtonerkartuschen mit sechs Marken anderer Hersteller verglichen, die in Europa, dem Nahen Osten und Afrika für den HP LaserJet Pro 400 Farbdrucker M451 erhältlich sind; CE410A/X, CE411A/12A/13A Tonerkartuschen (Weitere Informationen finden Sie unter www.spencerlab.com/reports/ HP-CLR-Reliability-EMEA-2019. pdf). Die von HP 2019 in Auftrag gegebene und von SpencerLab durchgeführte Studie für

Schwarzweißdruck bewertete Original HP Tonerkartuschen im Vergleich zu Produkten 12 anderer Marken, die für die Drucker HP LaserJet Pro M402 und Pro 521 erhältlich sind: HP 26A und 55A Tonerkartuschen (siehe www.spencerlab.com/reports/ HPReliability-EMEA-2019.pdf). Dies unterstreicht, dass nicht nur der Einkaufspreis ausschlaggebend sein sollte, sondern auch die Folgekosten: Mehrfache Ausdrucke aufgrund eines schlechten Druckbildes oder verwaschener Farben resultieren am Ende nicht nur in höheren Gesamtkosten, sondern auch in einem gestiegenen Zeitaufwand. Gerade für die Mitarbeiter in Behörden, ist dies außerdem ein zusätzlicher Stress-Faktor. Fallen die Geräte aufgrund fehlerhaft wiederaufbereiteter oder nachgebauter Tonerkartuschen aus, können die Konsequenzen signifikant sein. Dazu gehören beispielsweise unterbrochene Workflows sowie ein Produktivitätsverlust der Mitarbeiter. Ebenso schwerwiegend können aber auch erfolgreiche Angriffe durch Cyber-Kriminelle sein, bei denen Schwachstellen bei Druckern und Tonerkartuschen ausgenutzt werden.

Sicherheit darf nicht vernachlässigt werden Der Blick auf Kosteneffizienz sollte allerdings nicht so weit gehen, dass Security-Maßnahmen außer Acht bleiben. In vielen Be-

hörden und Unternehmen wird Druckern in puncto Sicherheit kein hoher Stellenwert eingeräumt. Dabei sind die Geräte wie Notebooks oder Server Teil des Netzwerks und somit ein attraktives Ziel für Hacker. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie der NCC Group (Quocirca, Global Print Security Landscape, Februar 2019), einem auf Cyber-Security spezialisierten Beratungsunternehmen, veranschaulichen dies: Elf Prozent aller Sicherheitsvorfälle betreffen Drucker. Das Ergebnis ist eine um 40 Prozent reduzierte Produktivität sowie 34 Prozent weniger Umsatz. Für Cyber-Kriminelle sind Drucker ein beliebtes Einfallstor und die Zahlen der NCC-Group Studie sprechen für sich. Zu den größten Risiken gehören das Einschleusen von Malware (70 Prozent), Schwachstellen der Hardware-Firmware (57 Prozent) und externe Attacken über den Drucker (60 Prozent).

Zertifizierungen betonen Qualität und Nachhaltigkeit Zertifizierungen sind auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Original-HP-Tonerkartuschen extrem wichtig. Viele HP-Drucker und die darauf abgestimmten Tonerkartuschen sind mit dem Blauen Engel zertifiziert. Das Blauer-Engel-Siegel ist das älteste und etablierteste Umweltzertifikat in Deutschland. Produkte werden hinsicht-

lich einer Reihe von strengen Kriterien getestet, bevor der Blaue Engel vergeben wird. Dazu gehören eine umweltschonende Produktion, Recyclingfreundlichkeit, Energieeffizienz, Schadstoffarmut, geringe Lärmemissionen sowie Reparierbarkeit. Aber auch die Langlebigkeit der Produkte sowie der Einsatz von umweltverträglichen Bauteilen werden begutachtet. Besonders wichtig, um eine holistische Einschätzung zu treffen: Die HP-Drucksysteme sind immer als gesamte Einheit zertifiziert, bestehend aus Drucker und HP-OriginalTonerkartusche. Somit werden die Drucker ausschließlich mit HP-Original-Tonerkartusche bewertet. Ansonsten lässt sich eine Einhaltung der entsprechenden Kriterien nicht gewährleisten – und damit auch nicht die Qualität der Ausdrucke. Dies ist besonders wichtig, wenn es um Ausschreibungskriterien bei Behörden geht. Werden beispielsweise die Verbrauchsmaterialien verändert, führt dies zu Einschränkungen bei der Erfüllung der Kriterien des Blauen Engels. Auch in puncto Energieeffizienz sind viele der HP-Drucker (94 Prozent) zertifiziert – und zwar mit dem renommierten EnergyStar (Quelle: HP Sustainable Impact Report 2019: https://www8.hp.com/ h20195/v2/GetPDF.aspx/

c06601778.pdf). Der Energy Star bescheinigt elektrischen Geräten, dass sie die strengen Stromsparkriterien der US-Umweltschutzbehörde EPA und des US-Energieministeriums erfüllen. Dank ihres niedrigen Stromverbrauchs weisen die HP-Geräte nicht nur einen niedrigeren CO2-Fußabdruck auf, sondern sparen auch signifikant Kosten ein.

Nachhaltigkeit: ein Entscheidungskriterium HP setzt sich kontinuierlich neue, herausfordernde Ziele hinsichtlich Recycling und Nachhaltigkeit. Nur so ist sichergestellt, dass die wichtigen Umweltkriterien eingehalten werden. Ein Beispiel: HP setzt bereits seit Jahren auf das Recycling seiner Tonerkartuschen und Tintenpatronen. Im Rahmen des HP-Planet-Partners Programms wurden seit dem Jahr 2000 über 116.000 Tonnen recyceltes Plastik in knapp 4,6 Milliarden neuen Tonerkartuschen und Tintenpatronen wiederverwertet (HP, HP Workforce Sustainability Survey Global Insights Report, April 2019). Im Rahmen des Programms werden verbrauchte Tonerkartuschen und Tintenpatronen gesammelt, in ihre Einzelteile zerlegt und mit geschredderten Plastikflaschen und anderem Altplastik gemischt. Daraus werden dann neue HP-Verbrauchsmaterialien hergestellt.

Nachhaltigkeit ist somit Teil der HP-DNA und des gesamten Entwicklungszyklus der Produkte – dazu gehört auch das umfangreiche Angebot an HPDruckerpapieren. HP ist auch seinem Ziel “Null-Entwaldung” hinsichtlich der HP-Papiere wieder ein Stück nähergekommen: Das HP-Papier stammt vollständig aus zertifizierten Recycling-Quellen. (Weniger als zwei Prozent des Papiers nach Tonnage ist nicht als zertifiziert gekennzeichnet, stammt aber trotzdem aus zertifizierter Faser. Recycling-Faser für Papierprodukte ist im FSCzertifizierten Wert enthalten.) Im Jahr 2019 überstieg die Menge der vom Forest Stewardship Council (FSC®) zertifizierten Fasern in HP-Papieren 55 Prozent.

Zahlreiche Vorteile durch HP-Verbrauchsmaterialien Behörden und ihre Mitarbeiter erhalten somit drei Vorteile, wenn sie sich für HP-Drucker und Verbrauchsmaterialien entscheiden: eine exzellente Qualität aller Ausdrucke, eine hohe Kosteneffizienz sowie die Gewissheit, dass alle Produkte mit einem Fokus auf Innovation und Nachhaltigkeit entwickelt und produziert wurden. Sie können darauf vertrauen, dass sie ihre Bürger bestens betreuen und gleichzeitig die Umwelt schützen.

Nicht nur der Einkaufspreis ist entscheidend: Gerade für die Mitarbeiter in Behörden sind unterbrochene Workflows durch mehrfache Ausdrucke ein vermeidbarer Stressfaktor. Fallen Geräte aufgrund fehlerhaft wiederaufbereiteter oder nachgebauter Tonerkartuschen aus, können die Auswirkungen enorm sein. Darum ist es wichtig, neben dem Einkaufspreis auch weitere Konsequenzen wie Folgekosten und Produktivität im Blick zu behalten.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / April 2021

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Frühjahrssitzung

Brennglas Corona-Krise

IT-Planungsrat tagte zum 34. Mal

Versäumte Digitalisierung des öffentlichen Sektors

(BS/pet) Unter Vorsitz der Freien und Hansestadt Hamburg hat der IT-Planungsrat diese Woche zum 34. Mal getagt. Im Mittelpunkt der Sitzung standen neben der Nutzung von Mitteln aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung auch der länderübergreifende Einsatz von Online-Verwaltungsdiensten sowie die Modernisierung der Registerlandschaft in Deutschland.

(BS/Katja Herzog) Die Corona-Pandemie stellt unsere Gesellschaft vor ungewohnte Herausforderungen und verdeutlicht nicht nur den digitalen Rückstand des öffentlichen Sektors, sondern auch aller Lebensund Arbeitsbereiche. Breitband, Wege in die Cloud und allgegenwärtige WLANs sind nur unzureichend ausgebaut. Weder die Internetzugänge zu Hause noch die Kapazitäten in den Schlagadern der Weitverkehrsnetze reichen aus, um die heute so wichtigen Anwendungen wie Videokonferenzen oder Kollaborationssoftware zuverlässig nutzen zu können. Das vielbeschworene Allheilmittel 5G ist mehr Hoffnung denn Realität, eine flächendeckende UMTS-Infrastruktur mit hoher Bandbreite noch ausstehend. Doch woran mangelt es konkret und vor allem: Mit welchen Maßnahmen lässt sich die digitale Transformation in der öffentlichen Verwaltung, im Bildungssektor sowie im Gesundheitswesen trotz dieser Hindernisse beschleunigen?

Um den Mittelabfluss aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung zu beschleunigen, hat der IT-Planungsrat jetzt die Maßnahmen konkretisiert, die für eine Finanzierung infrage kommen. Unterstützt werden sollen dabei insbesondere solche Vorhaben, die der unmittelbaren Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) dienen. Neben der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen explizit mit eingeschlossen sind Digitalisierungslabore zur Vorbereitung hochfrequentierter Services wie etwa des Wohngeldes, der Baugenehmigung oder BAföG. Darüber hinaus sollen weitere Mittel für die Entwicklung neuer bzw. die Weiterentwicklung schon bestehender Infrastrukturkomponenten bereitgestellt werden.

RegMog: “Die Weichen sind gestellt” Nachdem Bundestag und Bundesrat dem Gesetz zur Registermodernisierung (RegMog) ihre Zustimmung erteilt haben, war die Realisierung des Vorhabens zentrale “Bürger-ID” ein weiteres Thema der Sitzung. Um die Umsetzung zeitnah aufnehmen zu können, wurde dabei ein Projekt mit dem Auftrag eingerichtet, bis zur nächsten Tagung einen Vorschlag zu erarbeiten, wie die Ausführung des Gesetzes auf den verschiedenen staatlichen Ebenen und ressortübergreifend sichergestellt werden könne. “Die Weichen sind gestellt, um mit der

für Geschwindigkeit sorgen soll. Mehr rechtliche Klarheit bei Fragen der Nachnutzung soll künftig der unter Federführung der Föderalen IT-Kooperation (FITKO) entstandene “FIT-Store” bieten. Dafür hat der IT-Planungsrat jetzt die standardisierten Vertragsbedingungen – Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsmuster – für eine Nachnutzung von Software as a Service (SaaS) verabschiedet.

FIT-Store als wichtiger Baustein für OZG-Umsetzung Nach Übernahme des Vorsitzes zum Jahreswechsel leitete der Chef der Hamburger Senatskanzlei, Staatsrat Jan Pörksen, die erste Sitzung des ITPlanungsrates im Jahr 2021. Foto: BS/Senatskanzlei Hamburg, Daniel Reinhardt

Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland entscheidende Schritte voranzukommen”, erklärt dazu der Vorsitzende des IT-Planungsrates und Chef der Hamburger Senatskanzlei, Staatsrat Jan Pörksen. Man habe den rechtlichen Rahmen, die finanziellen Mittel sowie den politischen Durchsetzungswillen bei allen Beteiligten, um zügig zur Umsetzung zu kommen. Nun gelte es, die damit verbundenen Potenziale zu heben.

Mehr Rechtssicherheit bei EfA Weitere Bestimmungen des ITPlanungsrates treffen das Prinzip “Einer für alle” (EfA), das im Rahmen der OZG-Umsetzung

Der FIT-Store sei ein wichtiger Baustein für eine zügige und nicht zuletzt auch kostengünstige OZG-Umsetzung, kommentiert Dr. Annette Schmidt, Präsidentin der FITKO. “Mit den heutigen Beschlüssen wurde eine erste wichtige Grundlage für die rechtssichere Gestaltung von EfA-Kooperationen geschaffen”, betont Schmidt. Beschlossen wurde darüber hinaus die “Strategie zur Stärkung der digitalen Souveränität für die IT der deutschen Verwaltung”. Mit der Koordination der im Strategiepapier aufgeführten Maßnahmen betraut wurde die Arbeitsgruppe “Cloud Computing und Digitale Souveränität”.

Weitere Informationen zu den ITPLR-Beschlüssen Die Beschlüsse der vergangenen Sitzung stehen auf der Website des IT-Planungsrates (www.itplanungsrat.de) zum Download bereit.

Erst die IT-Infrastruktur

MELDUNG

NRW beschließt E-Government-Check für neue Gesetze (BS/gg) Die NRW-Landesregierung hat eine Digitalisierungsprüfung für neue Gesetze beschlossen. Mit dem sog. EGovernment-Check soll künftig bei jedem Gesetzesvorhaben geprüft werden, inwiefern es digital umsetzbar ist. Verankert ist der E-Government-Check in der Gemeinsamen Geschäftsordnung (GGO) für die Ministerien des Landes. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung, die Gesetzesentwürfe erarbeiten,

Immer häufiger sind Termine für Bürgerdienste in der öffentlichen Verwaltung ausgebucht, stellenweise für mehrere Monate. Das verdeutlicht vor allem ein personelles und organisatorisches Defizit sowie auch ungenügende Fortschritte bei der digitalen Abwicklung von Verwaltungsangelegenheiten. Dabei bleibt nur noch wenig Zeit: Bis Ende 2022 verpflichten sich Bund, Länder und Kommunen, zentrale Verwaltungsleistungen über entsprechende Portale auch digital anzubieten. Die Marschroute, die durch das E-GovernmentGesetz vorgegeben und durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) in einem Umsetzungskatalog inhaltlich wie zeitlich beschritten werden soll, scheitert aktuell jedoch am Prüfstein Corona-Krise. Das aus gutem Grund: Im letzten Jahr mussten zahlreiche Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes in den Remote-Betrieb schalten. Mangelte es bereits an der digitalen wie auch personellen Ausstattung im Gemeindeamt vor Ort, so scheiterte die effektive Bearbeitung von Anträgen häufig allein an der Möglichkeit, von zu Hause aus auf die notwendigen Anwendungen zuzugreifen. Zumal die dafür notwendige Durchgängigkeit der Verwaltungsverfahren häufig nicht gegeben war.

sollen künftig direkt zu Beginn eines Gesetzgebungsprozesses prüfen, inwieweit der Inhalt eines Gesetzes digital umsetzbar ist. Beispielsweise ist zu klären, ob bei einem Anliegen noch ein persönliches Erscheinen in der Behörde erforderlich ist oder ob man sich mit der elektronischen Identität (e-ID) ausweisen kann. Kann eine Antragstellung online erfolgen? Können verschiedene Stellen digital beteiligt werden? Inwieweit wirkt sich der Gesetzesinhalt auf bereits bestehende

digitale Angebote und auf weitere Prozesse aus? Bestehen Bezüge zu digitalem Fachrecht? Mit dem E-Government-Check soll verhindert werden, dass Digitalisierungsaspekte erst nachträglich und durch aufwendige Korrekturen berücksichtigt werden. Bislang wird bei neuen Gesetzesvorlagen bereits untersucht, wie sie sich u. a. auf den Haushalt, auf Aspekte der Nachhaltigkeit oder finanziell auf Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger auswirken.

Die versäumte Digitalisierung des öffentlichen Sektors lässt sich Post-Corona nur aufholen, wenn es gelingt, die dafür notwendige technische Ausstattung und IT-Architektur bereitzustellen – sowohl vor Ort in den Behörden, öffentlichen Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen als auch mobil einsetzbar für den Fernzugang ihrer Mitarbeiter/-innen. Der OZG-Umsetzungskatalog stellt die Anwendererfahrung, also die Akzeptanz der digitalen Verwaltungsleistungen von Bürger(inne)n, ins Zentrum.

Der Erfolg digitaler Anwendungen und der zugehörigen Transformationsprozesse der Ressorts wird sich an der Zufriedenheit der Bürger/-innen mit diesen messen lassen müssen: Anwender erwarten schlanke und intuitive Softwarelösungen und digitale Angebote für eine latenzfreie und effiziente Nutzererfahrung. Voraussetzung für eine reibungslose Digitalisierung

setzt, die digitale Transformation voranzutreiben. Auf diese Weise können sich öffentliche Einrichtungen auf ihre Aufgabenbereiche wie beispielsweise die Antragsabwicklung fokussieren und gleichzeitig sicher sein, dass die dafür notwendige ITInfrastruktur den unterschiedlichsten IT-Betriebskonzepten entspricht. Klar ist auch: Die Digitalisierung des öffentlichen Sektors ist ein LangfristVorhaben, das auch unter dem Gesichtspunkt Katja Herzog ist Sales Director Public Sector Germany bei der ArbeitsplatzAruba, einem Unternehmen attraktivität geseder Hewlett Packard Enter­ hen werden muss. prise Die Personallücke Foto: BS/HPE im öffentlichen Dienst kann nur geschlossen werden, wenn sich von öffentlichen Einrichtungen die Kommunen als attraktiver ist jedoch zuallererst eine stabile Arbeitgeber zeitgemäß aufstelund effektive Netzabdeckung. len: Der Mitarbeiter im ÖffentIhre Umsetzung steht und fällt lichen Dienst von morgen ist dabei mit einer zuverlässigen zwangsläufig ein Digital Native Netzwerkinfrastruktur und, da- und erwartet von seinem Arbeitmit verbunden, einem nahtlosen geber eine entsprechend digitale und leistungsstarken WLAN- Arbeitsplatzumgebung. Empfang in allen öffentlichen Fazit Einrichtungen und zu Hause. Um die Chancen und PotenDigitale Versäumnisse ziale einer effizienten digitalen ­nachholen Verwaltung für Mitarbeitende Dieses IT-Fundament muss und Bürger/-innen zu reali­ für eine langfristige und nach- sieren, muss zuerst einmal haltige Digitalisierung richtig die IT-Infrastruktur stehen. gelegt werden. Die Einrichtung Poli­tische Digitalisierungskaeiner schnellen, interoperati- taloge können nicht einlösen, ven, datenschutzkonformen und was die Technik nicht hält: vor allem sicheren Infrastruktur Die Kommunen sind hier in lässt den Wunsch nach einem der Pflicht, die Netzwerkausverlässlichen Partner entste- stattung über alle öffentlichen hen, der nicht nur die initiale Behörden wie beispielsweise Einrichtung schnell abschließt, Verwaltung, ­Bildung und Gesondern über die gesamte Dauer sundheit hinweg zu gewährleisdes Netzbetriebs zuverlässig zur ten, was weit über die AusstatSeite steht. Aruba, ein Unter- tung ihrer Mitarbeiter/-innen nehmen der Hewlett Packard mit End­g eräten hinausgeht. Enterprise, versteht sich hier Wenn Bund und Länder an eials kooperativer Partner, der nem Strang ziehen, werden in den öffentlichen Sektor mit einer Zukunft keine Engpässe und leistungsstarken und sicheren Wartezeiten von Monaten mehr Netzwerklösung in die Lage ver- entstehen.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / April 2021

Zu lange im Windschatten

KNAPP Bodycams künftig landesweit

BBK soll in Zukunft als wertvoller Dienstleister verstanden werden

(BS/Marco Feldmann/Bennet Klawon) Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wird strukturell neu aufgestellt. Der Prozess steht unter dem Motto “vernet- (BS/mfe) In Sachsen soll in zen, Koordinieren und beraten”. Hier dürfte aber noch einiges zu tun sein. Denn: Das BBK sei “zu lange im Windschatten” unterwegs gewesen, meint der neue Präsident, Armin Schuster. Zukunft jede Besatzung eines Er zielt auf einen Bewusstseinswandel bei Bund und Ländern ab. Streifenwagens im Dienst der Das BBK soll in Zukunft als wertvoller Dienstleister verstanden werden, “Wir wollen uns unentbehrlich machen”, so Schuster. Das BBK fungiere gerne als “Arbeitsmuskel” und Servicedienstleister für andere Bundesressorts, die keine vergleichbare KrisenmanagementBehörde in ihrem Geschäftsbereich hätten. Konkret denkt der BBK-Chef hier zum Beispiel an das Bundesgesundheits-, das Bundesumwelt- oder das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Mit einigen dieser Häuser findet bereits eine Kooperation statt. So arbeiten BBK und BMEL etwa bei der Ernährungsvorsorge zusammen. Mit dem Bundesumweltministerium bestehen enge Kontakte im Zusammenhang mit der Länder- und Ressortübergreifenden Krisenmanagementübung (LÜKEX). Diese beiden Bundesressorts zeigen sich auch offen für eine Fortsetzung oder gar Vertiefung der Zusammenarbeit. Interessant in diesem Zusammenhang: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kann oder will keine Angaben über eine möglicherweise intensivierte Kooperation mit dem BBK machen. Und das, obwohl das BBK und das Robert Koch-Institut (RKI), das zum Geschäftsbereich des BMG gehört, bereits die CoronaPandemie gemeinsam evaluieren wollen. Außerdem unterstützt das BBK das BMG bereits beim Aufbau der Nationalen Reserve Gesundheitsschutz (NRGS). Eine statistische Erfassung, wie oft das BBK andere Bundesbehörden unterstützt, findet laut Bundesinnenministerium (BMI) aber nicht statt.

Kompetenzzentrum als Novum Dem neuen BBK-Präsidenten Schuster geht es aber nicht nur darum, das BBK als Dienstleister

Im Windschatten – und das gilt nicht nur für (Renn-)Radfahrer – lassen sich Kräfte schonen. Aber irgendwann muss dieser Platz verlassen und selbst die Führung übernommen werden. Für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn ist dieser Zeitpunkt – geht es nach seinem neuen Präsidenten – nun wohl gekommen. Foto: BS/wesel, stock.adobe.com

und gefragten Ansprechpartner – sowohl für andere Behörden und KRITIS-Unternehmen als auch für die Bevölkerung – zu etablieren. Darüber hinaus ist es ihm ein Anliegen, das Ehrenamt noch stärker zu fördern und Spontanhelfer künftig besser einzubinden. Zudem plädiert Schuster für die Wiederaufnahme der Pflegehelferausbildung und die Einrichtung eines neuen Kompetenzzentrums Bevölkerungsschutz. In diesem sollen die Länder, alle wichtigen Akteure der Hilfsorganisationen, das THW, die Bundeswehr und weitere Bundesbehörden zusammenarbeiten. Eine Aufgabe soll die Erstellung eines 360-Grad-Lagebildes sein. Das Zentrum, in dem idealerweise auch Kommunen vertreten wären, soll jedoch keine Lenkungsfunktion oder gar direktionale Führungsrolle übernehmen. Schuster schwebt eher eine Vernetzungs- und Koordinierungsfunktion der neuen Einrichtung vor, deren Konzeptionierung zusammen mit allen Partnern erfolgen soll. Ob es für

das geplante Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz, für welches das vorhandene Gemeinsame Melde- und Lagezentrum (GMLZ) im BBK möglicherweise den Nukleus bilden könnte, oder andere Maßnahmen zur Neuausrichtung des BBK rechtlicher Anpassungen bedarf, scheint nicht abschließend geklärt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) möchte insbesondere Kompetenzverschiebungen vermeiden, die eine Grundgesetzänderung erfordern.

Tatsächliche Bundes-WarnApp fraglich Beschlossene Sache ist hingegen bereits die Stärkung des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes unter anderem durch die Unterstützung des federführenden BMG beim Aufbau der NRGS. “Die Reserven, die bisher vorhanden waren, waren verschwindend gering. Damit konnte dem Millionen-Bedarf in der Pandemie nicht begegnet werden”, meint auch Seehofer. Die Transformation der Akademie für Krisenmanagement,

Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) zu einer Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ) ist ein weiterer Bestandteil der Neuausrichtung des Amtes. Die Lehrgangsplätze sollen massiv ausgebaut werden. Im Zuge des Ausbaus soll die Einrichtung eines zweiten Standorts im Osten Deutschlands – wahrscheinlich in der Nähe Berlins – geprüft werden. Problematischer könnte der angedachte Ausbau der BBKWarn-Applikation NINA zu einer Bundes-Warn-App werden. Denn beim Deutschen Wetterdienst (DWD), der die WarnWetter-App betreibt, ist derzeit keine Inte­gration der Anwendung in NINA geplant. Dort wird befürchtet, dass anderenfalls möglicherweise Informationen für den Nutzer verloren gehen könnten und eventuell zu spät gewarnt wird. Denn die Nutzer der WarnWetter-App erhalten bereits auf niedrigeren Warnstufen Informationen und Gefahrenmeldungen als dies im meteorologischen Bereich bei NINA der Fall ist.

Opposition skeptisch Im politischen Raum stoßen die Ideen zur BBK-Reform auf ein geteiltes Echo. So meint der Bundestagsabgeordnete Dr. André Hahn (Linke), der in seiner Fraktion für die Bereiche Katastrophen- und Bevölkerungsschutz zuständig ist: “Der missglückte Warntag vom September vergangenen Jahres hat deutlich vor Augen geführt, dass die Kommunikationskanäle zwischen dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und den Katastrophenschutzeinrichtungen der Länder und Kommunen äußerst mangelhaft ausgestaltet sind. Dieser Informationsfluss muss dringend verbessert werden – strukturell

wie organisatorisch.” Hierfür brauche es aus seiner Sicht keine neuen Kompetenzen für das BBK, sondern eine bessere Umsetzung bereits zugewiesener Aufgaben im Bereich der Katastrophenhilfe: “Denn eine generelle Steuerungsund Koordinierungskompetenz des Bundes bei länderübergreifenden Unglückfällen, die derzeit auch diskutiert wird, wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und mit Blick auf die föderal strukturierte Gefahrenabwehr, die sich im Prinzip bewährt hat, eine bedenkliche Kompetenzverschiebung zulasten der Länder”, meint Hahn. Die Innenpolitische Sprecherin der Grünen im Deutschen Bundestag, Dr. Irene Mihalic, fordert eine gesetzliche Grundlage für das geplante Kompetenzzen­trum Bevölkerungsschutz. Idealerweise müsste hierfür das Grundgesetz angepasst werden. Ebenfalls gesetzlich geregelt werden – und nicht mehr nur auf Freiwilligkeit basieren – sollte aus ihrer Sicht die Zusammenarbeit von Bund und Ländern beim Katastrophenschutz. Hingegen verlangt Mihalic, “dass das BBK mit einer Zentralstellenfunktion ausgestattet wird, wie wir sie im polizeilichen Bereich vom Bundeskriminalamt kennen”. Gegen eine Grundgesetzänderung ist die Union. Aus der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion ist zu vernehmen, dass es vielmehr einer besseren Kooperation und Datenvernetzung zwischen Bund und Ländern bedürfe. Sandra Bubendorfer-Licht von den Freien Demokraten schließlich sagt: “Besonders die Tatsache, dass das BBK nun zu einem Kompetenzzentrum ausgebaut werden soll, ist zwingend notwendig, denn nur wer für den Ernstfall vorbereitet ist, ist für den Ernstfall gerüstet.” Entscheidend sei, dass die Umsetzung nun schnell erfolge.

Provisorien beim Projekt “Polizei 2020” Maximal vier Interims-Vorgangsbearbeitungssysteme (BS/mfe) Im Rahmen des Programms “Polizei 2020” wird weiter am Zielbild eines zentralen Datenhauses festgehalten. Allerdings ist nach der jüngsten Sondersitzung des Verwaltungsrates des Programms eine Anpassung des Vorgehens erforderlich. Denn es entfällt die Notwendigkeit der Vergabe eines Vorgangsbearbeitungssystems. Vielmehr wird auf mehrere Interims-Lösungen (iVBS) gesetzt. Dies geht aus der Beschlussniederschrift der außerplanmäßigen Verwaltungsratssitzung hervor, die dem Behörden Spiegel vorliegt. Demnach scheidet die Bereitstellung nur eines Vorgangsbearbeitungssystems aus, da diese Variante deutlich unwirtschaftlicher wäre als die nun favorisierte. Dieser zufolge stellen die sogenannten Themenführer Bayern, Nordrhein-Westfalen/ Berlin und Schleswig-Holstein Interims-Vorgangsbearbeitungssysteme zur Verfügung. Die Eignung des sächsischen Vorgangsbearbeitungssystems soll zeitnah geprüft werden. Die Mitglieder des Verwaltungsrates des Programms “Polizei 2020” verlangen zudem die unverzügliche Durchführung eines angepassten und im Umfang reduzierten Vergabeverfahrens für einen Generalunternehmer. Ein solcher “soll insbesondere

so schnell wie möglich die Umsetzung von Transformationsund Integrationsleistungen zur Erreichung des gemeinsamen Zielbildes verantwortlich gewährleisten”, heißt es in dem Papier. Zudem wird dort die “Vorbereitung einer zu schließenden Vereinbarung zwischen dem Generalunternehmer und den iVBS-Themenführern zur Gewährleistung der gemeinsamen Transformation und der Integrationsleistungen ins Zielbild sowie die Ermöglichung der Integration von Modulen anderer Teilnehmer zur Vervollständigung des Funktionsumfangs im Zielbild” verlangt.

Einführung muss spätestens 2024 starten Des Weiteren hat der Verwaltungsrat den Gesamtprogrammleiter beauftragt, sicherzustellen, dass der Betrieb der Interims-

Vorgangsbearbeitungssysteme bis zum Abschluss der Transformation ins Zielbild und für diese selbst garantiert werden kann, um eine langfristige Planungssicherheit zu gewährleisten. Nun müssen Bund und Länder zeitnah entscheiden, welche InterimsVorgangsbearbeitungssysteme sie einführen beziehungsweise nutzen wollen. Weiterentwicklungen von Bestandssystemen bleiben dabei möglich. Die Einführung eines InterimsVorgangsbearbeitungssystems muss spätestens 2024 gestartet werden. Ausgenommen von dieser Pflicht zur Entscheidung ist das Bundeskriminalamt (BKA), da dieses, so heißt es jetzt, kein Vorgangsbearbeitungssystem im Sinne des Verwaltungsratsbeschlusses betreibt. Übrigens: Baden-Württemberg enthielt sich im Rahmen der Beschlussfassung des Verwal-

tungsrats zur Anpassung des Programmvorgehens. Die dortigen Verantwortlichen hielten den Themenkomplex der Interims-Vorgangsbearbeitungssysteme noch nicht für umfassend aufgearbeitet und daher auch nicht entscheidungsreif. Eine Entscheidung sollte er auf valider Datenbasis beziehungsweise erst nach abgeschlossener externer Prüfung erfolgen. Insbesondere die Themenbereiche Vergabe, Wirtschaftlichkeit und Datenschutz seien demnach nicht hinreichend geprüft worden.

Protokollnotiz aus BadenWürttemberg Zudem berge eine direkte Transformation von mehreren InterimsVorgangsbearbeitungssystemen in das Zielbild fachlich das hohe Risiko, dass sich die unterschiedlichen Systeme letztendlich als inkompatibel erwiesen, befürch-

tet man im Ländle und gab deshalb eine Protokollnotiz ab. Mit der Anpassung des komplexen Programmvorgehens ergäben sich umfangreiche Fragestellungen hinsichtlich der Vergabe, der technischen Umsetzung, der zeitlichen und der datenschutzrechtlichen Auswirkungen. Diese seien aus Sicht Baden-Württembergs nicht vollständig geklärt, heißt es zur Begründung aus dem Stuttgarter Innenministerium. Ungeachtet dessen wird sich Baden-Württemberg an dem angepassten Programmvorgehen beteiligen und weiter auf das gemeinsam vereinbarte Zielbild hinarbeiten. Das schließt auch die Nutzung eines der bereitgestellten Interims-Vorgangsbearbeitungssysteme ein. Im Projekt “Polizei 2020” hatte es immer wieder Probleme gegeben, weshalb eine Sondersitzung des Verwaltungsrates stattfinden musste.

Polizeireviere mit einer Körperkamera ausgestattet werden. Dazu werden bis Ende Juni 1.500 Geräte angeschafft. Auch bei den Einsatzeinheiten der sächsischen Bereitschaftspolizei und den Beamtinnen und Beamten der Verkehrspolizeiinspektionen werden die Bodycams zum Einsatz kommen. Einsatzkräfte, die eine solche Kamera tragen, sind entsprechend gekennzeichnet. Genutzt werden Geräte des Herstellers Axon vom Typ “Body 2”. Vorausgegangen waren Trageversuche zwischen November 2017 und Dezember 2019. Dabei waren zwei verschiedene Gerätetypen in jeweils zwei Polizeirevieren in Dresden und Leipzig erprobt worden. Anschließend fand eine wissenschaftliche Evaluation der Erprobungen statt. Sachsens Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller (CDU) erklärte nun zu der Anschaffungsentscheidung: “Vorrangig sollen die Kameras Übergriffe auf Polizeibedienstete verhindern. Die Bodycams besitzen hier eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Gewalttäter. Bei Straftaten, auch bei solchen gegen unsere Einsatzkräfte, erhalten wir somit auch gerichtsverwertbare Audiound Videobeweise in sehr guter Qualität.” In der Praxis werden die Geräte im täglichen Dienst im ausgeschalteten Zustand mitgeführt und anlassbezogen in den Standard-Modus gesetzt (Pre-Recording).

Kampfunterstützungsverband nach Sachsen (BS/df) Ende März verabschiedeten das Bundesministerium der Verteidigung und der Freistaat Sachsen eine gemeinsame Erklärung. “Wir wollen einen Kampfunterstützungsverband in die Region bringen, mit bis zu 1.000 Mann”, sagte die Verteidigungsministerin gegenüber dem MDR AKTUELL. “Die Stationierungsentscheidung soll 2023 geschehen und dann vollzogen werden bis ins Jahr 2031.” Hierfür müsse der Freistaat Sachsen nun die notwendige Infrastruktur aufbauen. Kritik an dem Vorhaben kam vonseiten der Personalvertretungen der Bundeswehr, da es für die Soldatinnen und Soldaten und besonders deren Familien kaum attraktiv sei, wenn die Bundeswehr ständig als Entwicklungshilfe in strukturschwachen Regionen verortet würde.

Super-Recogniser für BaWü (BS/fs) Baden-Württembergs Polizei möchte in Zukunft vermehrt auf Super-Recogniser setzen. Dabei handelt es sich um Menschen, die über überdurchschnittliche Einprägungs- und Erkennungsfähigkeiten für menschliche Gesichter verfügen. Um diese Begabung zu identifizieren, soll die Hochschule für Polizei BadenWürttemberg nun ein dreistufiges Testverfahren etablieren. Bewerber werden dabei auf ihre Fähigkeiten der Gesichtserkennung in Bereichen wie Kurzzeit, Langzeit, Gesichtsvergleich oder der Identifikation von Gesichtern in Menschenmengen getestet.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / April 2021

Weniger Kriminalität im Jahr 2020

E

inen überdurchschnittlichen Rückgang der Kriminalität im Jahr 2020 meldeten das Saarland (minus 8,5 Prozent) sowie die Länder Baden-Württemberg (minus 6,1 Prozent), Hessen (ebenfalls minus 6,1 Prozent) und Brandenburg (minus 5,1 Prozent). Kriminalitätszuwächse verzeichneten lediglich die Länder Bremen (plus 3,4 Prozent), Sachsen-Anhalt (plus 2,6 Prozent) und Thüringen (plus 9,8 Prozent). Mit einem Anstieg von lediglich 0,3 Prozent bewegte sich das Kriminalitätsgeschehen in Sachsen nahezu auf dem Niveau des Vorjahres. Der relativ hohe Anstieg der Kriminalität in Thüringen entspricht vermutlich nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Bei der Umstellung des Polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystems ComVor sollen 2019 rund zehn Prozent der Straftaten nicht in die Statistik eingeflossen sein. Die zur Eingrenzung der Corona-Pandemie getroffenen Maßnahmen haben die Kriminalitätsentwicklung zahlenmäßig nur mäßig beeinflusst. Einige Deliktsformen weisen zwar signifikante Corona-bedingte Rückgänge auf, dafür boomen aber andere. Auffallend sind zahlreiche neue Spielarten bestimmter Delikte und die vielfache Verlagerung der Kriminalität in die digitale Welt. Neben der tatsächlichen Kriminalitätslage gab es massenweise Falschmeldungen im Zusammenhang mit Corona, die sich schnell über Soziale Netzwerke und Messengerdienste verbreiteten.

Weniger Wohnungseinbrüche und Gewaltkriminalität Die Corona-Pandemie stellte nicht nur Bürger und Sicherheitsbehörden vor neue Herausforderungen, sondern auch so manches kriminelle Milieu. Mit den stetigen Veränderungen der Infektionslage und der damit einhergehenden Fragmentierung der Gegenmaßnahmen war die Lage auch für kriminelle Akteure zeitweise recht unübersichtlich. Sicher ist, dass Lockdowns, Homeoffice, Kontaktund Reisebeschränkungen sowie Grenzschließungen Einbrechern, Dieben, Räubern und Schlägern das Geschäft erschwerten und auch vermasselten. Viele Menschen arbeiteten von zu Hause aus. Das machte Wohnungseinbrüche riskant. Die Statistik spiegelt dies überzeugend wider. Mancherorts halbierte sich die Zahl der Wohnungseinbruchsdiebstähle. Bundesweit sind Rückgänge im zweistelligen

Im Fahndungsmodus erfasst KESY das rückwärtige Kennzeichen eines jeden passierenden Kraftfahrzeugs und gleicht es mit den in einer Fahndungsdatei gespeicherten Kennzeichen ab. Ergibt der Abgleich keinen Treffer, werden die Daten aus dem Speicher gelöscht. Im Aufzeichnungsmodus erfasst und speichert KESY unter anderem das rückwärtige Kennzeichen verbunden mit Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung. Die Datenbestände können unter verschiedenen Parametern durchsucht und ausgewertet werden. Die Halter erfasster Kraftfahrzeuge werden regelmäßig nicht darüber informiert. Der nunmehr erfolgreiche Verfassungsbeschwerdeführer beantragte beim Amtsgericht Frankfurt an der Oder die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) veranlassten automatischen Kennzeichenerfassungen. Das Amtsgericht lehnte den Antrag als unzulässig ab, weil der Beschwerdeführer weder Zielperson noch Person, deren personenbezogene Daten gemeldet worden seien, noch

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Pandemie: Weniger Schläger und Räuber (BS/Gerd Lehmann) Im Jahr 2020 wurden von der Polizei in Deutschland insgesamt 5.310.622 Straftaten registriert. Das waren 125.779 Straftaten weniger als im Vorjahr. Mit dem Rückgang von 2,4 Prozent setzte sich der Trend des Kriminalitätsgeschehens der letzten Jahre fort. Gleichzeitig stieg im Vergleichszeitraum die Aufklärungsquote von 57,5 Prozent auf 58,4 Prozent. Kriminalität 2020

Bundesland

Straftaten

Veränderung gegenüber 2019 (in Prozent)

Häufigkeitszahl

Aufklärungsquote (in Prozent)

BW

538.566

-6,1

4.852

64,0

BY

594.243

-1,5

4.528

68,1

BE

504.142

-1,8

13.739

46,1

BB

162.941

-5,2

6.461

46,4

Foto: BS/Tim Reckmann, pixelio.de

Prozentbereich zu verzeichnen. Bei geschlossenen Geschäften, verwaisten Straßen und Plätzen und abgesagten Veranstaltungen mangelte es Laden-, Taschenund Trickdieben und auch manchem Räuber an Tatbegehungsmöglichkeiten. Indiz dafür sind bundesweit rückläufige Fallzahlen teils im zweistelligen Bereich bei Laden-, Taschen-, Fahrradund Fahrzeugdiebstählen. Geschlossene Kneipen, Amüsierviertel und Biergärten entzogen Streithähnen, Räubern und Schlägern das Betätigungsfeld. Dies zeigt der deutliche Rückgang der Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit zumindest dort, wo entsprechende Einschränkungen des öffentlichen Lebens angeordnet waren und auch durchgesetzt wurden. Rückläufige Fallzahlen wurden beispielsweise auch beim Überweisungsbetrug, dem Tankbetrug, der Veruntreuung und der Unterschlagung registriert. Während die Fälle der Wohnungseinbrüche und Gewaltkriminalität 2020 stark zurückgingen, nahmen die Einbrüche in Dienst- und Büroräume sowie in Boden- und Kellerräume deutlich zu. Höhere Zahlen verzeichneten auch die Sprengung von Geldautomaten, Sachbeschädigungen an Kraftfahrzeugen und Diebstähle an und aus Kraftfahrzeugen.

Betrugsdelikte erlebten Hochkonjunktur Bereits nach der ersten Welle der Ausbreitung der CoronaPandemie dauerte es nicht

lange, bis eine Zunahme von Straftaten, allen voran illegale Geschäftspraktiken, zu verzeichnen war. Schlagzeilen machten vor allem der Handel mit gefälschten Schutzmasken, Desinfektionsmitteln oder TestKits und der Betrug mit vermeintlichen Behandlungs- oder Impfstoffen gegen das CoronaVirus. Auch die schnelle und häufig unbürokratische Ausschüttung von Hilfszahlungen und die starke Zunahme digitaler Transaktionen standen im Fokus krimineller Akteure. Mit verschiedenen Betrugsmaschen versuchen Kriminelle, sich die von Bund und Ländern bereitgestellten Corona-Soforthilfen zu erschleichen. Größere Coups im Zusammenhang mit der Corona-Krise landeten Kriminelle in Berlin und NordrheinWestfalen. Betrüger kopierten dort die offizielle Homepage des Soforthilfeprogramms. Hunderte Anträge auf Soforthilfe für Unternehmen mit fingierten Adressen und Firmennamen, die häufig arabischen Clans zugeordnet werden konnten, führten zu Verlusten in Millionenhöhe. Insgesamt weisen aber alle Facetten des Betruges bundesweit eine erhebliche Zunahme der Fallzahlen im Jahr 2020 aus. Auch die Organisierte Kriminalität (OK) mischte bei Betrugsdelikten eifrig mit. Im Fokus standen der Online-Kreditkartenbetrug, der Handel mit minderwertigen und gefälschten Medizinprodukten und die

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Grundrechte verletzt Gerichte müssen Rechtmäßigkeit von KESY-Überwachung prüfen (BS/Marco Feldmann) Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat entschieden, dass die ordentliche Gerichtsbarkeit zur Überprüfung der Anordnungen der Staatsanwaltschaft zum Betrieb der Anlagen des automatischen Kraftfahrzeug-Kennzeichenerfassungssystems “KESY” verpflichtet ist. Um das System, das unter anderem an Autobahnen installiert ist, hatte es erheblichen Streit zwischen verschiedenen Ministerien gegeben. Nun war eine Verfassungsbeschwerde erfolgreich.

Strafprozessordnung zu eng ausgelegt

Im Streit um die automatisierte Kennzeichenerfassung in Brandenburg hat nun das Landesverfassungsgericht entschieden. Foto: BS/Timo Klostermeier, pixelio.de

erheblich mitbetroffene Person oder Betroffener im Sinne der Vorschriften der Strafprozessordnung sei. Für Personen, de-

ren Daten nur zufällig miterfasst würden, gelte weder eine Benachrichtigungspflicht noch sehe der Gesetzgeber ein Rechtsschutzbe-

Weniger häusliche Gewalt als befürchtet

Die Pandemie stellt viele Familien und Partnerschaften HH 203.526 -3,5 11.018 47,7 vor große Herausforderungen. Einschränkungen im Alltag und HE 342.423 -6,1 5.446 65,5 ungewohnte Tagesabläufe sowie MV 105.932 -4,8 6.587 62,9 Unsicherheit sorgen für AnspanNI 497.163 -1,9 6.219 64,3 nung. Auch Zukunftsängste und finanzielle Sorgen verstärken den NW 1.215.763 -1,0 6.774 52,8 Stress. So kommt es häufiger RP 230.304 -4,6 5.626 66,2 zu Streit, Aggressionen oder GeSL 68.400 -8,5 6.931 57,8 waltausbrüchen. Dennoch hat sich die allgemeine Befürchtung, SN 272.588 +0,3 6.694 58,7 Lockdown, Homeschooling und ST 177.900 +2,6 8.106 54,1 Ausgangssperren würden die SH 173.929 -5,2 5.990 55,8 häusliche Gewalt explodieren lassen, nicht bewahrheitet. Während TH 141.933 +9,8 6.653 63,5 Bayern 2020 einen Rückgang 5.310.622 -2,4 6.386 58,4 Bundesgebiet dieser Delikte von rund zwei Proinsgesamt zent registrierte, schwankt die Zunahme der Straftaten in andeDie Aufklärungsquoten zwischen den Bundesländern unterscheiden sich erheblich. ren Bundesländern im Vergleich Während in Hamburg bei nicht einmal der Hälfte aller Straftaten Tatverdächtige ermit- zum Vorjahr zwischen zwei und telt werden konnten, war dies in Bayern bei mehr als zwei Dritteln der Delikte der Fall. acht Prozent. Allerdings dürfte die Grafik: BS/Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes und der Länder Dunkelziffer dieser Taten relativ hoch sein. Fälschung von Webseiten, um gitalisierung und Nutzung des Spenden abzugreifen. Andere Internets verlagerten sich zu- Deutlich mehr Fälle von PMK Betrüger nutzten die Corona- gleich zahlreiche Straftaten von Für den Bereich der Politisch moKrise, um alte Betrugsmaschen der realen in die virtuelle Welt. tovierten Kriminalität (PMK) wurumzuwandeln und neue zu er- Die Fallzahlen für Cyber-Krimi- den im abgelaufenen Kalenderjahr finden. Die Varianten der Be- nalität (in der PKS unter dem bundesweit erheblich mehr Straftrügereien im Zusammenhang Summenschlüssel “Computer- taten registriert als im Vorjahr. mit Corona waren zahlreich und kriminalität” abgebildet) stiegen Am stärksten nahmen Straftaten perfide. Als markante Beispie- 2020 stark an. Von Fake-Shops, im Bereich der PMK links zu. In le machten der abgewandel- Onlinebetrug, Phishing oder einigen Deliktfeldern haben sich te Enkeltrick, Haustür- und Angriff mit Schadsoftware zur die Fallzahlen im Jahresvergleich Nachhilfetricks sowie falschen Lösegelderpressung hörte man mehr als verdreifacht. Besonders deutlich angestiegen sind GewaltGewinnversprechen Schlagzei- fast täglich. Starke Zuwächse verzeichnen taten und Sachbeschädigungen. len. Besonders häufig waren falsche Polizisten sowie falsche auch Drohungen und Beleidi- Weitere Schwerpunkte bildeten Mitarbeiter von Banken und gungen im digitalen Raum. Volksverhetzungen und BeleiGesundheitsämtern unterwegs. Ebenso deutlich zugenommen digungen. haben Straftaten gegen die seMan muss wahrlich kein Prophet Kriminelle Aktivitäten im xuelle Selbstbestimmung, Fäl- sein, um vorauszusagen, dass virtuellen Raum le von sexuellem Kindesmiss- sich die Entwicklung von 2020 Die Pandemie hat große Tei- brauch im Internet und die im laufenden Jahr weitgehend le des gesellschaftlichen und Verbreitung von Kinderporno- fortsetzen wird. Bei der Cyberwirtschaftlichen Lebens in grafie und sonstigen pornogra- Kriminalität ist mit Steigerungen das Internet verlagert. Online- fischen Schriften. Täter such- zu rechnen. Mehrere in jüngster Shopping, Videokonferenzen ten nicht nur vermehrt nach Zeit verübte Cyber-Angriffe auf und -streaming, Homeschooling Material, sondern versuchten Kritische Infrastrukturen (KRITIS) und Gaming feierten Rekord- auch verstärkt, Kinder über das dürften Vorboten einer neuen Cyber Crime-Welle sein. werte. Mit der verstärkten Di- Internet zu kontaktieren. HB

Die Zahl der Wohnungseinbrüche ging zuletzt deutlich zurück. Dies dürfte auch damit zu tun haben, dass Corona-bedingt deutlich mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten und dadurch das Entdeckungsrisiko für die Kriminellen steigt.

Die Pandemie stärkte auch den Handel mit und Schmuggel von Rauschgift. Bundesweit sind deutlich mehr Fälle im Vergleich zum Vorjahr registriert worden. Bei der Cyber-Kriminalität zeigt sich deutlich der Corona-Effekt auf die Kriminalstatistik. Die bereits seit einigen Jahren beobachtete Zunahme der Gewaltdelikte gegen Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte hat sich auch 2020 in Zeiten von Corona fortgesetzt. Die Gewaltbereitschaft gegenüber Einsatzkräften erreichte im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand.

dürfnis für die Überprüfung der Maßnahmen, so die Richter. Das Landgericht Frankfurt an der Oder bestätigte dies.

Das Landesverfassungsgericht hat die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Es sah den Beschwerdeführer in seinem aus der Brandenburger Landesverfassung folgenden Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Danach steht jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Durch die Erfassung und Speicherung der Daten mittels KESY werde in das Grundrecht auf Datenschutz auch gegenüber Dritten – wie dem Beschwerdeführer – eingegriffen. Durch diese Feststellung dürfte sich der Polizeiabteilungsleiter im Potsdamer Innenministerium, Ministerialdirigent Dr. Herbert Trimbach, in seiner bereits lange vertretenen Rechtsauffassung bestätigt sehen und andere Verantwortliche

nun unter Rechtfertigungsdruck geraten. Auch dem Beschwerdeführer gegenüber stelle die Erhebung, der Abgleich und die Speicherung der Daten einen erheblichen Eingriff dar. Er habe daher einen Anspruch auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, entschieden die Verfassungsrichter. Die Gerichte hätten mit ihrer engen Auslegung der Vorschriften der Strafprozessordnung, wonach der Beschwerdeführer keine Antragsberechtigung zur Überprüfung der Maßnahmen habe, die gebotene wirksame, fachgerichtliche Kontrolle der Datenerfassung und -verarbeitung verwehrt.

Reform in der Diskussion Es könnte im Übrigen sein, dass die automatisierte Kennzeichenerfassung im öffentlichen Verkehrsraum zu Fahndungszwecken künftig explizit in die Strafprozessordnung aufgenommen wird. Hierzu hat bereits eine Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages stattgefunden. In Brandenburg wird das entsprechende System derzeit nur noch auf ausdrückliche staatsanwaltschaftliche Anordnung hin verwendet.


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Digitaler Katastrophenschutz-Kongress

“W

Erste Erfahrungen aus der Corona-Krise

ir wären bisher nicht so gut durch die Pandemie gekommen, hätte es nicht die tausenden ehren- und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer des Katastrophenschutzes gegeben”, zeigt sich Stephan Mayer (CSU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenminister, überzeugt. Als eine wichtige Konsequenz aus der Pandemie sieht er die Neuausrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). “Nichts ist so gut, dass es nicht verbessert werden kann”, so Mayer. Besonders die Stärkung des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes sei maßgeblich. Dort seien Vorhaltungen im Hinblick auf kommende Pandemien zielführend. Bisher war das BBK nur dem Namen nach für den Bevölkerungsschutz zuständig, stimmte Dr. Thomas Herzog, Vizepräsident des Amtes, zu. Dies werde mit der Neuausrichtung korrigiert. Ebenso bezeichnet der Staatssekretär den Abbau der Sireneninfrastruktur in den Neunzigern als großen Fehler. Die Warnung müsse besser werden. Momentan sei das alles entscheidende Thema jedoch die Impforganisation. Diese würde allen Unkenrufen zum Trotz gut laufen. Mayer ist sich sicher, dass ab Mai die Impfaktion an Geschwindigkeit gewinne.

Je komplexer, desto anfälliger “Schwarze Schwäne sind Realität”, sagt Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Der Begriff stammt von Nassim Nicholas Taleb und beschreibt unvorhersehbare und seltene Ereignisse mit extremen Auswirkungen, wie eben die Corona-Pandemie. “Corona ist auch eine Warnung für die Zukunft. Je komplexer ein System ist, desto anfälliger ist es”, sagt Lukas zu den Entwicklungen in der

Behörden Spiegel / April 2021

Digitaler Austausch in der Pandemie (BS/Bennet Klawon) Zwar ist es für “Lessons Learned” noch zu früh, aber erste Erfahrungen lassen sich nach 14 Monaten Corona-Pandemie identifizieren. Die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr konnte in der momentanen Lage vieles erfolgreich umsetzen, jedoch besteht an der einen oder anderen Stelle Handlungsbedarf. Pandemie. Auch das BMBF müsse kritisch reflektieren, was seine Bemühungen im Katastrophenschutz angehe. Die Entwicklung von PCR-Tests und Impfstoffen in Deutschland hätten gezeigt, dass die Forschungsbemühungen sehr erfolgreich gewesen seien und man sich auf die Vorarbeiten habe stützen können, dennoch gebe es Verbesserungspotenzial. Das Problem aus Sicht von Lukas ist folgendes: Die guten Forschungsergebnisse im Katastrophenschutz kämen nicht in der Fläche an. Es brauche eine viel bessere Koordination zwischen den Kommunen, den Ländern und dem Bund. Die Umsetzung der Ergebnisse scheitere häufig an der Finanzierung und an der fehlenden Skalierung. Dies habe zur Folge, dass sich häufig nur Partner an Projekten beteiligten, die sie auch mitentwickelt hätten. Die Lösung sieht der Staatssekretär in einer früheren Einbindung der Anwender in die Forschung. Die Sicherheitsforschung müsse weiterentwickelt werden. “Es geht nicht nur um die Umsetzung der Forschung, sondern auch um die flächendeckende Umsetzung in Deutschland”, so Lukas.

Pandemie offenbart Schwachstellen Man könne eher von “Lessons Identified” sprechen, meint Sabine Lackner, Vize-Präsidentin des Technischen Hilfswerks (THW). Das THW kenne zwar Krise, aber die Pandemie stelle andere Anforderungen, wie den

Rainer Schwierczinski, Vizepräsident a. D. der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), moderierte den Digitalen Katastrophenschutzkongress mit über 500 Expertinnen und Experten. Foto: BS/Giessen

Schutz der Kräfte und die digitale Ausbildung, an die Organisation. Die Pandemie habe zwar eine disruptive Wirkung gehabt. Sie habe dennoch zu großer Kreativität in den Ortsverbänden geführt. Aber nicht nur in Deutschland kamen die Stärken und Schwächen in der Pandemie ans Licht. Auch in der Schweiz geriet das Hilfeleistungssystem an seine Grenzen. Die Koordination zwischen den einzelnen Kantonen und der schweizerischen Bundesführung habe sich langwierig gestaltet, berichtet Staatsrat Norman Gobbi, Präsident der Regierungskonferenz für Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF). Die Plattformen zum Austausch und zur Koordination müssten stark verbessert werden. Die Idee ei-

ner organisationsübergreifenden Plattform zur besseren Koordination und einer Bündelung von funktionierenden Konzepten hat man auch bei der deutschen Bundeswehr aufgegriffen. Die rund 12.000 Soldatinnen und Soldaten leisteten in mehr als 5.000 Einsätzen als “Helfende Hände” Amtshilfe. Auch beim Aufbau von Impfzentren wurden die Bundeswehrangehörigen tätig. Bei seinen Besichtigungen der Zentren stellte Generalmajor Carsten Breuer, Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (KdoTerrAufgBw), fest, dass alle Zentren zwar gut aufgebaut, aber alle unterschiedlich gewesen seien. “Jedes Mal wurde das Rad neu erfunden”, so Breuer. Als Konsequenz baut die Bundeswehr

deshalb einen “Territorial Hub” auf. Dabei handelt es sich um eine Plattform, auf die alle Akteure des Bevölkerungsschutzes zugreifen sollen und funktionierende Lösungen austauschen können, damit nicht immer bei Null angefangen werden muss.

“Der Markt richtet es alleine nicht” Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) konnte in der Pandemie Erfahrungen aus der Vergangenheit nutzen. Jedoch gebe es schon jetzt weitere “Lessons Learned”, sagt Björn Stahlhut, kommissarischer Teamleiter Gesundheitlicher Bevölkerungsschutz beim DRK. Schon bei der Ebola-Epidemie in Teilen Afrikas habe die Erfahrung gemacht wer-

den können, dass die Fokussierung auf nur eine Erkrankung zu weiteren Problemen bei der Gesundheitsversorgung führe. Es müsse deswegen das gesamte Gesundheitssystem wesentlich resilienter aufgestellt werden. So müssten die Katastropenschutzbevorratungen stärker auf die Thematik der pandemischen Lagen mit nationaler Tragweite aufgestellt werden. Die CoronaPandemie zeige, dass diese Lagen wesentlich länger als andere Katastrophenlagen seien. Bisher sei der deutsche Katastrophenschutz nur auf kurze Einsatzlagen von wenigen Tagen vorbereitet gewesen. Es reiche nicht, medizinisches Material erst anzuschaffen, wenn die Lage da sei. “Der Markt richtet es alleine nicht”, betont der Rotkreuzler. Es drohe in langen Lagen eine Überlastung der Märkte, wie im Frühjahr 2020 geschehen. Stahlhut befürchtet sonst bei zukünftigen Pandemien: “Sonst werden wir wieder nur Zuschauer sein.” Ebenso müssten die Krankenhausstrukturen gestärkt würden, damit Intensivstationen entlastet werden. Dies beinhalte Planungen für die Quarantäne von größeren Menschengruppen sowie Patientenverlegungskonzepte. Dies müsse geplant und auch geübt werden. Als weitere Lehre müsse die Einbeziehung der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kräfte der Hilfsorganisationen in langen Lagen gesetzlich abgesichert und vereinfacht werden. Dies könne durch eine Verbesserung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, den Abbau von bürokratischen Hürden und die Helfergleichstellung geschehen. Schlussendlich könnten Hilfsorganisationen jedoch nicht alles leisten. Es brauche eine Stärkung der Resilienz der Bevölkerung. Dies umfasse die Bevorratung von Lebensmitteln und die Fähigkeit zur erweiterten Ersten Hilfe.

Zu wenig Umsetzung in die Praxis

Potenzial da, aber noch nicht genutzt

Forschungsergebnisse werden selten wirklich realisiert

Digitale Einsatztechnologien als Arbeitserleichterung

(BS/Marco Feldmann) Ergebnisse von Forschungsprojekten werden noch zu selten tatsächlich in die Einsatzpraxis der nichtpolizeilichen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) überführt. Hier braucht es mehr Praxisnähe und -erprobung. Nach dem Ende der finanziellen Förderung von Forschungsprojekten darf nicht nur ein Abschlussbericht verfasst werden, der dann im schlimmsten Fall schlicht in einer Schublade verschwindet.

(BS/sp) Im Zuge der Corona-Krise haben IT-Angriffe auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS) zugenommen. Alle Institutionen, die nicht unter das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 fallen, können die Angriffe dafür “selbst lösen”. In der Moderationsrunde “IT in der Infektionsschutzlage” plädierte Holger Berens, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes für den Schutz Kritischer Infrastrukturen e. V. (BSKI), für eine höhere Aufmerksamkeit der IT-Sicherheit, vor allem im Hinblick auf die aktuell bestehende Infektionsschutzlage.

Das meint auch Klaus-Dieter Kühn. Der Bundesvorsitzende des Verbandes der Arbeitsgemeinschaften der Helfer in den Regieeinheiten/einrichtungen des Katastrophenschutzes in der Bundesrepublik Deutschland (ARKAT) verlangt zudem eine stärkere Einbeziehung der Sicherheitswirtschaft in derartige Forschungsvorhaben. Denn eine moderne und sichere Ausrüstung sei für die Einsatzkräfte sowie die Attraktivität des Ehrenamtes von erheblicher Bedeutung. Hierfür müsse man allerdings wegkommen von Einzellösungen. Es brauche vielmehr eine bessere, flächendeckende Ausstattung. Diesbezüglich sieht Kühn das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) stärker als bislang in der Pflicht. Um dieser nachkommen zu können, brauche die Behörde jedoch mehr Personal und höhere Finanzmittel. Mit maßgeschneiderten mobilen Lösungen für BOS-Kräfte ließen sich etwa Reaktionszeiten verringern, ergänzt der Senior Account Manager New Markets – DACH der Zebra Technologies Germany GmbH, Michael Fertig. Für entscheidend hält er zudem die Robustheit der Geräte, zu denen neben Tablets und mobilen Computern auch Smartphones sowie mobile Scanner und Drucker gehörten. Sie müssten etwa eine hohe Fallfestigkeit, Schutz gegen Wasser sowie eine lange Lebensdauer aufweisen, um einen Mehrwert für die BOS zu haben. Auch dürfe es keine Me-

Die Leiterin des BSKI Nord, Miriam Schnürer, bestätigt die Entwicklung und warnt vor weiteren IT-Angriffen auf Kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser. Sie benötigten besondere Vorbereitung beim IT-Schutz. Beispielhaft nennt Schnürer den Cyber-Angriff auf die Uniklinik Düsseldorf im September 2020. Krankenhäuser sind für Hacker besonders interessant, weil sie besonders schützenswerte und sensible Daten speichern. Nach Schnürer sind diese oft im Darknet mehr wert als Kreditkarteninformationen. Weiterhin problematisch sei die Kommunikation zwischen Pflegepersonal und IT-Spezialisten. Hier solle die Zusammenarbeit gestärkt werden. Besonders Ärztinnen und Ärzte würden mitunter in die IT-Arbeit eingebunden und fühlten sich in dieser Aufgabe überfordert, so die Leiterin des BSKI Nord. Stefan Bächer, Gründer des Tech-Unternehmens digitalDefense, kritisiert vor allem die Ausschreibungsverfahren bei der IT: “Die Expertisen sind hier nicht klar definiert. Bei Unklarheiten entstehen oft viele Rückfragen, die aufgrund des Zeitdrucks nicht ausreichend beantwortet werden können, und mit dem Kostendruck wird sich für eine Lösung entschieden, die von der IT nicht favorisiert wird.” In diesem Kontext fordert er eine bessere Verzahnung von Politik, Beschaffung und der IT-Landschaft. Eine Möglichkeit, wie der

dienbrüche geben, unterstrich Fertig auf dem Digitalen Katastrophenschutzkongress des Behörden Spiegel. Helfen könnten den BOS auch Drohnen. Denn die unbemannten Systeme haben zahlreiche Vorteile. Das gilt auch für den nichtpolizeilichen Bereich. Allerdings stößt die Nutzung dieses Einsatzmittels auch an Grenzen. Und ganz ohne menschliche Unterstützung geht es (noch) nicht. Schließlich könnten die Geräte derzeit noch nicht selbst aktive Hilfe leisten. Dafür braucht es immer eine Einsatzkraft. Zudem seien sie nicht an allen Stränden und Gewässern einsetzbar, gibt der Projektleiter Drohnen des Bundesverbandes der Deutschen Lebens-RettungsGesellschaft (DLRG), Alexander Kille, zu bedenken. Dennoch seien die Geräte für seine Organisation ein attraktives Einsatzmittel und bei der DLRG-Wasserrettung auch schon länger im Einsatz. Denn durch sie würden ein senkrechter Blick ins Wasser sowie eine Übersicht aus großer Höhe ermöglicht. Außerdem schafften die Drohnen eine neue Perspektive für die Helfer und ermöglichten das systematische Absuchen von Gewässern, ohne auf Faktoren wie Strömungen oder Wellengang Rücksicht nehmen zu müssen, erläuterte Kille. Der bayerische DLRG-Landesverband erprobe derzeit sogar den Einsatz der Geräte unter Wasser. Wichtig sei zudem, dass die Drohnen möglichst autonom

und automatisiert agierten, unterstrich Dr. Christina Eisenberg, Netzwerkmanagerin beim Verein CURPAS, der an zahlreichen Drohnenprojekten beteiligt ist. Es dürfe möglichst kein zusätzliches Personal durch ihre Nutzung gebunden werden. Hier könnten auch Minidrohnen mit einem Startgewicht von weniger als 250 Gramm helfen, ist Prof. Dr. Uwe Här, Inhaber der Professur für quantitative Methoden am Institut für Operations Research & Statistik der NBS Northern Business School, überzeugt. Diese Geräte seien preiswert zu beschaffen, unkompliziert zu bedienen und unterstützten die BOS-Kräfte bei der Einsatzvor- und -nachbereitung. Einen anderen Ansatz verfolgen die Verantwortlichen in Dortmund. Am dortigen Deutschen Rettungsrobotik-Zentrum (DRZ) sei ein Robotikleitwagen entwickelt worden. Damit könnten sowohl luftgestützte als auch bodengebundene unbemannte Systeme zu Einsatzstellen transportiert werden, erläuterte Dirk Aschenbrenner. Das Fahrzeug sei auch schon für die städtische Feuerwehr im Einsatz gewesen, so der Direktor der Feuerwehr Dortmund, Vorstandsvorsitzender des DRZ und Präsident der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb). Es zeigt sich also, dass es zwar verschiedene Ansätze und Methoden gibt, Drohnen bei den BOS aber weiterhin auf dem Vormarsch sind.

digitale Einsatz in Kliniken verbessert werden kann, liefert die Künstliche Intelligenz (KI). Hier sind vielseitige Einsatzmöglichkeiten vorstellbar. Bereits jetzt nutzt die Diagnostik KI zur Bilderkennung, um beispielsweise Corona-Symptome zu erkennen. Ein anderer Erkenntnisgewinn ist die Zusammenlegung von Krankenberichten, um Muster und Zusammenhänge frühzeitig analysieren zu können. Maximilian Rückert, Referatsleiter für Digitalisierung und Politik der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS), weist darauf hin, dass das Potenzial zwar da sei, aber noch nicht ausreichend genutzt werde. Auch im Bereich der Pandemiebekämpfung hat sich die KI als probates Mittel erwiesen. So können Übertragungswege nachvollzogen und Mobilitätsmuster entwickelt werden.

KI-Einsatz nicht immer ­komplex Aber KI ist nicht immer derart komplex: “Bereits einfache Chatbot-Anwendungen, die zeitgleich Fragen beantworten können, nutzen Künstliche Intelligenz. Bisher werden die aber nur in verschwindend geringem Maße eingesetzt”, so Rückert. Aleksander Stojanovic, Vorstandsvorsitzender des ITDienstleisters AVA, sieht weitere Nutzungsmöglichkeiten. So habe man in Abwasserleitungen Rückstände der RNA von Coronaviren feststellen können, die eine Clusteranalyse ermöglich-

ten und eine Isolation zielgerichteter gestalten könnten. Auch Marktverläufe könnten durch KI analysiert werden: “Wenn der Verkauf von Waffen oder meinetwegen auch Masken in einer Region zu- oder abnimmt, können Rückschlüsse auf Konfliktregionen oder Versorgungslagen getroffen werden, das ist schon hilfreich”, so Stojanovic.

Bewährte und einfache Prozesse benötigt Ein Bereich, in der die Nutzung von KI noch verbesserungswürdig ist, ist die Feuerwehr. Jochen Stein, Leitender Städtischer Branddirektor der Stadt Bonn und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutschland (AGBF Bund), sieht die Feuerwehr immer noch in einem analogen Arbeitsumfeld, “und dabei wird es auch bleiben”. Auch wenn die rettungsdienstliche Versorgung durch digitale Techniken unterstützt werde und die Leitstellen digitalisierten worden seien, gebe es “trotzdem noch Telefone und Papierlösungen für die Rückfallebene”. Stein ist bei der Nutzung von KI lieber etwas vorsichtiger: “Feuerwehren, Rettungsdienste und Katastrophenschutz brauchen bewährte und einfache Prozesse und Technologien. Sie müssen immer funktionieren.” Nichtsdestotrotz weiß der Brandleiter um die Vorteile der Digitalisierung. Davor möchte er sich auch nicht verschließen.


Drohnen

Behörden Spiegel / April 2021

Die Welt mit Drohnen

D

as amerikanische Medium “The National Interest” berichtete Anfang April, dass die russische Marine demnächst die ersten strategischen Drohnen mit Atomantrieb und Nuklearbewaffnung in Dienst stellen wird. Diese Drohnen namens Poseidon sollen von eigens dafür konstruierten U-Booten starten. Auch die Drohnen sind U-Boote mit einer atomaren Nutzlast von zwei Megatonnen, so der Bericht. Der Sprengkopf könne demnach Tausende von Metern unter der Oberfläche gezündet werden und solle “einen radioaktiven Tsunami erzeugen, der in der Lage ist, alles innerhalb eines erheblichen Wirkungsbereichs zu verseuchen”, schreibt The National Interest. “Poseidon ist in der Lage, große Küstenstädte zu zerstören und stellt eine offensichtliche strategische Bedrohung für die U.S- Infrastruktur dar. Mit einer angeblichen Reichweite von zweihundert Kilometern und einer maximalen Tiefe von einem Kilometer ist Poseidon nach Ansicht des Kremls zu schnell und zu tief, um zuverlässig abgefangen zu werden; außerdem kann sie dreidimensionale Ausweichmanöver ausführen, um ihre Überlebensfähigkeit weiter zu erhöhen.” Im Landbereich erprobt Russland ebenfalls seit Längerem bewaffnete unbemannte Systeme. Das unbemannte Kampfsystem Uran-9, das als Bewaffnung unter anderem eine 30-mm-Kanone und Panzerabwehrraketen besitzt, wurde 2018 eingeführt und bereits im Syrien-Einsatz “getestet”.

China Chinas Fähigkeiten bei der Entwicklung von Drohnen und besonders der Steuerung von Drohnenschwärmen sind bekannt. Bereits 2018 ließ China zum Neujahrsfest ein Lichtspektakel durch einen Drohnenschwarm, der aus über 1.400 Flugsystemen bestand, an den Himmel zaubern. Auch wenn es sich “nur” um eine Art Feuerwerk mit Drohnen handelte, waren die dabei gezeigten Fähigkeiten enorm. Deutschland – und wahrscheinlich auch die USA – wären nicht in der Lage, einen solchen Schwarm einzelner Systeme mit dieser Präzision zu fliegen, da die Drohnen diese Show nur autonom bewältigen konnten. Die Bewaffnung solcher Drohnen ist vergleichsweise einfach. Neben dieser Schwarmfähigkeit besitzt China größere bewaffnete Drohnen, die in den Ausmaßen der Heron bzw. dem Predator ähneln. Diese entwickeln sich bereits zu Exportschlagern. So kaufte Serbien 24 chinesische Drohnen vom Typ CH-92 A, die mit jeweils zwei Lenkflugkörpern bestückt werden sollen. Die erste Drohne traf im vergangenen Jahr in Serbien ein. Neben den chinesischen Drohnen besitzt Serbien auch aus eigener Produktion stammende Kampfroboter namens Mali Miloš, die vorerst nur mit einem 7,62mm Maschinengewehr bewaffnet

Militärische Konflikte der Zukunft (BS/Dorothee Frank) In früheren Zeiten waren Konflikte einfacher, Einsätze eindeutiger. Die Gegner standen sich gegenüber, der Kampf fand zwischen eindeutig gekennzeichneten Kontrahenten statt – die Plünderungen und dass der Krieg sich vom Lande ernährte bleiben besser unerwähnt. In dieser Zeit gab es keine Maschinen, die schneller reagieren konnten als Menschen. Keine Sensoren, die mehr sahen, und keine IT, die mehr Informationen analysierte. Drohnen sind zum Symbol dieser neuen Ära geworden. Manche deutschen Politiker wollen ihren Einsatz stark einschränken, sie auf keinen Fall bewaffnen. Währenddessen erforscht der Rest der Welt die beste Nutzung dieser neuen Technologie.

Das russische unbemannte Fahrzeug Marker fuhr im Dezember vollkommen autonom über eine Strecke von 30 km. Foto: BS/Russian Foundation for Advanced Research Projects

sind. Für die Zukunft sind auch Flugkörper und Panzerabwehrsysteme geplant.

Bergkarabach Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach geht als einer der ersten Drohnenkriege in die Geschichte ein. Laut Informationen der Bundesregierung kamen dabei auf armenischer Seite neben Orlan-10-Aufklärungsdrohnen aus russischer Herstellung ausschließlich eigenproduzierte Drohnen zum Einsatz, wobei der Einsatz der einzigen bewaffneten Drohne ungewiss ist, da deren technologischer Stand als noch nicht ausgereift genug gilt. Aserbaidschan hatte hingegen ausländische Drohnen im Bestand. Dies waren die türkische Bayraktar TB2, eine mit leichter Munition bewaffnete Drohne mit einer Stehzeit von bis zu 24 Stunden. Hinzu kam die israelische Loitering Munition Harop, die zur Bekäm­p fung von Flugabwehr entwickelt wurde und bis zu sechs Stunden in der Luft bleiben kann. Zum Bestand Aserbaidschans zählte außerdem die ebenfalls israelische Loitering Munition Orbiter 1K, die mit ihrer Zwei-kg-Kampfmittel-Payload bis zu drei Stunden Stehzeit besitzt. Loitering Munition sind Lenkwaffen, die über einem bestimmten Gebiet Patrouille kreisen. In dem Konflikt setzte Armenien also nur Aufklärungsdrohnen ein, während Aserbaidschan bewaffnete Drohnen in den Kampf schickte. Aserbaidschan gewann.

Europa Nun könnten böswillige Zungen behaupten, dass keines dieser Länder Deutschland unbedingt als Vorbild in Sachen Humanität und Menschenrechte dienen sollte. Europa ist doch sicher geschlossen gegen den Einsatz von Drohnen? Zumindest unsere belgischen und niederländischen Nachbarn sind bisher über je-

MELDUNG

Verzögerung der Heron TP (BS/df) Die Einführung des unbemannten Aufklärungssystems Heron TP in die Bundeswehr verzögert sich weiter. Nach ursprünglichen Planungen sollten die ersten vier Heron TP ab dem 19. März 2021 der Bundeswehr in Tel Nof zur Verfügung stehen. Ein weiteres UAS sollte Mitte Mai 2021 zulaufen. Dies wäre dringend notwendig, da die aktuell benutzten Heron nicht mehr voll einsatzfähig sind. Seit einigen Wochen fliegt sogar nur noch eine einzige Heron für Deutschland über Afghanistan. Dieser Zeitplan zur Aufnahme des Grundbetriebs der deutschen Heron TP in Tel Nof

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durch die Betreiberfirma Airbus DS Airborne Solutions verzögert sich “aufgrund der anhaltenden Covid-19-Pandemie bis zum Anfang des dritten Quartals 2021”, so die Auskunft des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Silberhorn auf eine entsprechende Frage von MdB Tobias Pflüger (Die Linke). Silberhorn führte weiter aus: “Aufgrund der aktuellen Lage in Afghanistan wird ein einzelnes Luftfahrzeug Heron 1 als nicht ausreichend für das Einsatzkontingent in Afghanistan bewertet. Es wurde daher ein weiteres Luftfahrzeug Heron 1 nach Masar-e Scharif verbracht.”

den Verdacht erhaben, etwas gegen die Würde des Menschen zu haben. Die beiden Länder entwickeln gemeinsam im Rahmen des Mine Counter Measures

Vessels (MCMV) Programms neue Minenjäger, die vor allem durch ihren hohen Automatisierungsgrad und die Vielzahl der Drohnen hervorstechen, die zu dem Gesamtsystem gehören. Jeder dieser Minenjäger wird bis zu 100 Drohnen mitführen, die in einer “Pool” genannten Toolbox verwaltet und je nach Anforderung genutzt werden. Bei diesen Drohnen handelt es sich um die Unterwasserdrohne A18M AUV (Autonomous Underwater Vehicle) zur Minensuche; die Remotely Operated Vehicles (ROV) SEASCAN MK2 und K-STER zur Minenerkennung und -neutralisierung; sowie die ÜberwasserMarinedrohne INSPECTOR 90 USV. Hinzu kommen ein “Command and Control (C2) Container”, der mit einem Datenzentrum

für die Minenbekämpfung und Bedienkonsolen ausgestattet ist; ein fortschrittliches Softwarepaket (UMISOFT und SMMD); ein Schwimmdock für das Aussetzen und Einholen des USV; Start- und Bergungssysteme (L&R), sowie Unterstützungsausrüstung einschließlich Wartungs- und Lagercontainern, Ersatzteilen und Spezialwerkzeugen. Demgegenüber wirken die deutschen Vorhaben, wo bei neuen Schiffen höchstens mal eine Drohne als Ersatz des Bordhubschraubers den Weg in die Planungspapiere findet – und deren Beschaffung sich über Jahre verzögerte – wie Berichte aus einer anderen Welt. Wie der letzte Kampf der Samurai gegen die Feuerwaffen des japanischen Kaisers.

Auch beim deutsch-französischen Projekt Future Combat Air System (FCAS) geht Frankreich wie selbstverständlich von bewaffneten Drohnen aus, die das bemannte Flugzeug begleiten. Ein Punkt, der bisher bei den Verhandlungen immer wieder vertagt wurde, wie der Behörden Spiegel erfahren konnte. Sollten sich die beiden Länder allerdings über die Anteile geeinigt haben, den die jeweiligen nationalen Industrien an dem Projekt erhalten, wird die Drohnen-Frage sicherlich erneut auf den Tisch kommen. Bisher verhinderte Deutschland alle eigenen größeren Drohnenprojekte mit dem Argument der Sicherheit. Flugsicherheit, Verkehrssicherheit, Bediensicherheit, Ausfallsicherheit – und nun kommt noch die Sicherheit des Gegners hinzu, damit er nicht von Maschinen verletzt oder getötet werde. Die Welt dreht sich, ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten. Die Bundeswehr wird in den Kriegen der Zukunft bestehen müssen und in diesen werden sie auf bewaffnete Drohnen treffen. Die deutsche Politik hat dafür zu sorgen, dass dann niemand sagt: “It is magnificent, but it is not war. It is madness.”


Wehrtechnik

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Luftverteidigung in der Bundeswehr Nah- und Nächstbereichsschutz für die Landstreitkräfte

Behörden Spiegel / April 2021

MELDUNGEN

Heimatschutz mit Kurzausbildung

(BS/Dorothee Frank) Das Vorhaben Nah- und Nächstbereichsschutz (NNbS) soll Systeme beschaffen, die in der Zukunft die Luftverteidigung mitt- (BS/df) “Heute, am 6. April 2021, dienstleistungen bzw. der dalerer und kurzer Reichweite für die Landstreitkräfte bieten. Mit der Ausschreibung des ersten Teilprojektes wird im kommenden Jahr gerechnet. treten die ersten Rekrutinnen hinter stehende Begriff des HeiDie Systeme sollen unter anderem die bereits ausgemusterten Gepard und Roland ersetzten, dabei aber deutlich erweiterte Fähigkeiten bieten. und Rekruten des Freiwilligen matschutzes noch ein wenig Ziel von NNbS ist der Schutz der Landstreitkräfte vor Bedrohungen aus der Luft mit mobilen, beweglichen Lösungen. Beim PatriotCluster handelt es sich schließlich um riesige Fahrzeuge, die eine gewisse Infrastruktur erfordern, um die Verbände begleiten zu können. Sollte das Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) realisiert werden – woran aktuell noch nicht einmal die Herstellerfirma so richtig glaubt – wären auch diese Fahrzeuge nur geringfügig kleiner. Es braucht also eine Lösung, die mit den Heeresverbänden eingesetzt werden kann. Die klein und mobil genug ist. Das vorhandene Leichte Flugabwehrsystem (LeFlaSys) Ozelot auf Wiesel-2-Basis kann dies nur bedingt leisten, da weder die Sensorik noch die mitgeführten Stinger-Abwehrraketen auf technologisch hochstehende Bedrohungen ausgelegt sind. Des Weiteren besitzt die Bundeswehr zur Luftverteidigung nur noch Mantis, das nicht mobil ist, sowie schultergestützte Systeme. Beim Heer gibt es zudem das Programm zur qualifizierten Fliegerabwehr, um vor allem die Fähigkeitslücke zur Abwehr von Drohnen (UAV) zu schließen. Hierfür unterzeichnete das BAAINBw Ende 2019 einen Vertrag über Protector-Waffenstationen von Kongsberg, die gemeinsam mit einem Hensoldt-Radar auf BoxerBasis eine Erstbefähigung zur Drohnenabwehr liefern sollten. Die Auslieferung der zehn Systeme sollte innerhalb von zwei Jahren nach Vertragsschluss geschehen, damit diese für die NATO-Speerspitze VJTF 2023 zur Verfügung stehen. Allerdings kommt es zu Verzögerungen. So schrieb der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, im Januar dieses Jahres zu den Planungen des Heeres: “Fest eingeplante Projekte, wie die qualifizierte Fliegerabwehr zur Abwehr unbemannter Luftfahrzeuge (Unmanned Aerial Vehicle – UAV) sowie das Projekt HUSAR (Hocheffizientes Unbemanntes System zur Aufklärung mittlerer Reichweite) zur Verbesserung der Aufklärungsfähigkeit, werden voraussichtlich nicht mehr zeitgerecht zu Beginn des VJTFAuftrages zur Verfügung stehen. Die unverändert ausstehende Abwehr der Bedrohung durch Klein- und Kleinstdrohnen ist dabei besonders kritisch.” Es bleibt also NNbS als aktuelles Programm zur Luftverteidigung. Da die Flugabwehr mittlerweile der Luftwaffe untersteht, ist auch NNbS ein Luftwaffenprogramm. Es war ursprünglich in drei Teilprojekte aufgeteilt, die Laserentwicklung (Teilprojekt 2) wurde allerdings zwischenzeitlich herausgenommen und ging als Marineprojekt bereits unter Vertrag.

Teilprojekt 1 NNbS Innerhalb des Teilprojektes 1 “Erstbefähigung Land” steht die Beschaffung von Fahrzeugen zum Schutz vor Drehflüglern, Starrflüglern, Lenkflugkörpern, Raketen, Marschflugkörpern und unbemannten Fluggeräten an. Die Ausschreibung erfolgt voraussichtlich 2022. Die Luftwaffe hat sich auf Lenkflugkörper-Lösungen für das Teilprojekt 1 festgelegt. Vorgesehen sind vier Feuereinheiten, die aus einem Zug mittlerer Reichweite und zwei Zügen kurzer Reichweite bestehen. Der Zug mittlerer Reichweite soll zwei Startfahrzeuge (Launcher), ein Mittelbereichsradar sowie einen verlegbaren Gefechtsstand besitzen. Ein Zug kurzer Reichweite besteht aus drei Startfahrzeugen (Launcher) sowie einem taktischen Führungsfahrzeug

Im Hintergrund das bereits im Export erfolgreiche Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM, im Vordergrund die Ende letzten Jahres von Diehl Defence vorgestellte SHORAD(Short-Range Air-Defence)-Lösung, für die IRIS-T SL auf einen Eagle von General Dynamics European Land Systems (GDELS) montiert wurde. Bild: BS/Diehl Defence

(Operation Center). Jede dieser vier vorgesehenen Feuereinheiten besteht also – inklusive Verbindungs- und Logistikfahrzeugen – aus 20 bis 25 Fahrzeugen. Hierdurch soll ein überlagerter Raumschutz für einen Bereich von 20 x 20 km geschaffen werden, was laut Bundeswehrplanungen dem Schutz des Kampfraumes einer Brigade entspricht. Die Beschaffung des Teilprojekts 1 wird 600 bis 700 Millionen Euro kosten. Als Gesamtkosten werden 1,3 Milliarden Euro geschätzt, wobei hier die Lebenszykluskosten mit enthalten sind.

Lösungsansatz Teilprojekt 1 Um eine Vorstellung von NNbS zu erhalten, bietet es sich an, die mögliche Lösung zu betrachten. Im März unterzeichneten Rheinmetall, Diehl und Hensoldt eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE), um sich gemeinsam für NNbS-Teilprojekt 1 zu bewerben. Dieses Angebot sieht für die Züge mittlerer Reichweite das System IRIS-T SL (Surface Launched) M (Medium Range) sowie

zweitverwerten. Die Lenkflugkörper haben schließlich nur eine begrenzte Standzeit am Flugzeug. Es spricht allerdings nichts dagegen, sie danach für die bodengebundene Luftverteidigung weiterzuverwenden. Somit wäre die Beschaffung von teuren Effektoren nur in geringem Maße notwendig. Dieselbe kostengünstige Zweitverwertung des Lenkflugkörpers ist auch für die Züge kurzer Reichweite vorgesehen. Hierfür sollen die IRIS-T SL auf einen Eagle montiert werden. Die Festlegung auf eine Lenkflugkörperlösung besitzt allerdings zumindest bei den Zügen kurzer Reichweite durchaus Nachteile. Eine IRIS-T wiegt schließlich rund 90 kg bei etwa drei Meter Länge, wodurch sie beispielsweise zu schwer für den Boxer ist. Der Eagle 6x6 soll zwei IRIS-T SL durch eine extra Rahmenkonstruktion tragen können. Die vom Heer als Maß der Mobilität angesehene Grabenüberschreitfähigkeit ist dementsprechend gering. Von IRIS-T SLM existiert bereits die für TLVS entwickelte Proto-

Rheinmetall stellte mit dem mobilen Flugabwehrsystem Oerlikon Skyranger bereits 2018 eine Kanone auf Boxer-Basis vor. Foto: BS/Rheinmetall

für die Züge kurzer Reichweite IRIS-T SL auf einem Eagle 6x6 von General Dynamics European Land Systems (GDELS) vor. IRIS-T SLM wurde im Rahmen von MEADS (später TLVS) entwickelt und bereits erfolgreich in einer angepassten Version – IRIS-T SLS (Surface Launched Short Range) – nach Schweden exportiert, wo es seit 2020 in der Truppe eingesetzt wird. Es handelt sich um ein höchst modulares System, bei dem im Grunde alle Elemente – bis auf die Lenkflugkörper sowie die dahinterliegende IT – durch andere nationale Lösungen ersetzt werden können. Da es in Containerlösungen realisiert wurde sind sogar die Trägerfahrzeuge austauschbar. Ein weiterer großer Vorteil besteht darin, dass es sich bei den genutzten Lenkflugkörpern um jene IRIS-T handelt, die auch in der Luftwaffe vorhanden sind. Diese ließen sich für die Luftverteidigung

typenlösung, die noch serienreif gemacht werden müsste. Von der Eagle-Lösung existiert hingegen bisher nur das Konzept, sie wäre also noch vollständig zu entwickeln.

Teilprojekt 2 NNbS Der Vollständigkeit halber sei hier noch das Teilprojekt 2 NNbS genannt, das die Entwicklung eines Lasereffektors zur Luftverteidigung beinhaltete. Der Lasereffektor wurde zwar vollständig und erfolgreich entwickelt, es zeigte sich allerdings, dass er eher als zusätzliche Bewaffnung für Marineeinheiten statt zur Luftverteidigung geeignet ist, weshalb dieses Vorhaben aus NNbS herausgelöst wurde. Die Waffensysteme für die Marine gingen Anfang 2021 unter Vertrag.

Teilprojekt 3 NNbS Das Teilprojekt 3 “Folgebefä­ higung Land” sieht verschie-

denste Luftverteidigungssysteme auf Boxer-Basis vor. Die Ausschreibung ist für 2026 vorgesehen. Nach bisherigen Erkenntnissen sollen im Teilprojekt 3 zehn Feuereinheiten beschafft werden, wobei eine Feuereinheit aus einem Effektorenmix auf Boxer-Basis besteht. So sind etwa ein Boxer mit Kanone, aber auch Hochenergielaser plus weitere Lenkflugkörperlösungen denkbar. Einige dieser BoxerVarianten existieren bereits, zumindest als Demonstrator. Sechs Effektoren- plus ein Führungsfahrzeug könnte so eine Feuereinheit beinhalten, bei einem Stückpreis von zehn bis 12 Millionen pro Boxer.

Fähigkeitslücke ­Drohnenabwehr Erst mit dem Teilprojekt 2 würde die Fähigkeitslücke bei der Abwehr von Klein- und Kleinstdrohnen geschlossen, die Generalleutnant Mais als “besonders kritisch” bezeichnete. Die Lenkflugkörperlösungen aus dem NNbS-Teilbereich 1 sind schließlich zwar zur Abwehr von Großdrohnen, nicht aber von Drohnenschwärmen geeignet. Klein- und Kleinstdrohnen lassen sich nur durch Kanonen oder Flächenwirkmittel – wie Jammer oder Wasserwerfer – effektiv bekämpfen. Dass die Abwehr von Klein- und Kleinstdrohnen nicht im Teilprojekt 1 enthalten ist, liegt an der Langsamkeit der Beschaffungsprozesse. Als die ersten Papiere für NNbS geschwärzt wurden, stand die Drohnenabwehr noch nicht im Fokus. Fünf Jahre sind wiederum von der Initiative bis zum jetzigen Zeitpunkt vergangen. Die Leistungsbeschreibung ist aktuell zwar fertig, die Mittel allerdings noch nicht bereitgestellt. Es ist zu hören, dass die Schließung der Fähigkeitslücke bei der Drohnenabwehr priorisiert und vorgezogen, also vor dem Teilprojekt 3 realisiert werden soll. Bereits vorgestellte Systeme, wie etwa der Skyranger-Boxer mit Kanone, ließen sich durchaus innerhalb weniger Monate liefern. Dass sich ein Vertrag innerhalb weniger Monate realisieren lässt, scheint hingegen eher unwahrscheinlich. So zeigt auch NNbS, dass die deutschen Beschaffungsprozesse für die technologischen Entwicklungszyklen der heutigen Zeit nicht mehr sinnvoll sind. Während das Militär bereits Bergkarabach analysiert, muss es mit Technologien umgehen, die Bedrohungen von vor zwanzig Jahren bekämpfen. Die Welt dreht sich und Deutschland kommt mit seinen Prozessen und Verfahren wieder einmal nicht hinterher.

Wehrdienstes im Heimatschutz (FWD) ihren Dienst in unseren Grundausbildungseinheiten der Streitkräftebasis und der Luftwaffe an”, schrieb General Eberhard Zorn im Tagesbefehl des Generalinspekteurs. “Mit der Aufstellung von fünf Heimatschutzregimentern werden wir den Heimatschutz bis 2025 auch strukturell weiter stärken. Die Heimatschutzregimenter werden als Verbund den Kern der Territorialen Reserve darstellen und die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien führen.” Unter dem Motto “Dein Jahr für Deutschland” startete das Pilotprojekt des Freiwilligen Wehrdienstes im Heimatschutz. Beim FWD erhalten die Rekruten zunächst eine sieben Monate dauernde soldatische Grundausbildung. Im Anschluss folgen regelmäßige Reserveübungen und -einsätze über einen Zeitraum von sechs Jahren, die sich in diesem Zeitraum auf insgesamt fünf Monate addieren. Der Soldat leistet also erst mal sieben Monate am Stück Dienst für Deutschland und danach weitere fünf Monate in kürzeren Übungen verteilt über sechs Jahre. Wobei diese Reserve-

ungenau definiert sind. Klar ist, die Reserveübungen sollen heimatnah geleistet werden können. Der Generalinspekteur schrieb in seinem Tagesbefehl: “Gerade mit Blick auf die hybriden Szenarien der Landes- und Bündnisverteidigung brauchen wir zum Schutz verteidigungswichtiger Infrastruktur starke Heimatschutzkräfte. Aber auch im Rahmen der Amtshilfe, bei Naturkatastrophen, bei besonders schweren Unglücksfällen oder wie derzeit im Rahmen der Pandemie setzen wir künftig auf starke und handlungsfähige Heimatschutzverbände.” Die Informationsseite der Bundeswehr ergänzt: “Die dafür erforderliche Grundausbildung umfasst neben der militärischen Ausbildung an Handwaffen u. a. auch eine Sanitätsausbildung. Es folgt eine Spezialisierung für die Aufgaben, die der Bundeswehr in Deutschland übertragen werden können. Dazu gehört u. a., bei Naturkatstrophen oder Großschadenslagen, Pandemien und anderen Ereignissen, die der Anstrengung unseres gesamten Landes mit allen Behörden, staatlichen Institutionen und der Bevölkerung bedürfen, mitzuwirken.”

Sprung im Automatik-Verfahren aus der A400M (BS/df) Die lang erwartete Einsatzbereitschaft der A400M für die Fallschirmjäger ist nun Realität. An der Wehrtechnischen Dienststelle für Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät der Bundeswehr (WTD 61) sprangen Ende März erstmals Fallschirmjäger im Automatik-Verfahren aus dem Transportflugzeug. Die um das Flugzeug wirbelnden Luftströmungen hatten die Abnahme dieser Fähigkeit verzögert, da die Gefahr bestand, dass die Fallschirmjäger sich hinter dem Flugzeug entweder gegenseitig treffen oder gegen die Maschine geschlagen werden. Diese Besonderheit der A400M hatte sich

bereits negativ auf diverse Selbstschutzmaßnahmen ausgewirkt und die taktische Einsatzfähigkeit verzögert. “Für den Sprung aus den Seitentüren der A400M ist eine genaue Gesamtlänge von Aufziehleinen inklusive Haken und Verpackungssack vorgegeben”, erläuterte Sprungausbilder Hauptfeldwebel Patrick Reiser. Neu sei auch, dass der Sprung von der sogenannten “Integrated Jump Platform” erfolge, die sich außerhalb des Luftfahrzeugs befinde. “Daran müssen sich die Springer jetzt gewöhnen”, sagte Reiser. Eine weitere Neuerung sei, dass die Absetzkommandos von nun an auf Englisch erfolgten.

Abnahme der “Sachsen-Anhalt” (BS/df) Das BAAINBw hat die dritte von insgesamt vier Fregatten der Klasse F125 abgenommen. “Die Deutsche Marine bekommt mit einer weiteren Einheit der Klasse F125, der Sachsen-Anhalt, Zuwachs”, sagte der Projektleiter im BAAINBw, Marc Steffens, anlässlich der Abnahme. “Die Leistungsmerkmale der F125-Klasse, wie etwa der hohe Automatisierungsgrad, die speziellen Fähigkeiten auf dem Gebiet maritimer Stabilisierungsoperationen oder die Unterstützung von Spezialkräften,

sind in der Marine einzigartig.” Im Mai soll das Schiff in Dienst gestellt werden. Die Abnahme des letzten Schiffs der Klasse F125, Rheinland-Pfalz, soll ebenfalls noch in diesem Jahr geschehen. Die Fregatten werden dem 4. Fregattengeschwader in Wilhelmshaven angehören. Aktuell besteht das 4. Fregattengeschwader aus zwei Fregatten der Baden-Württemberg-Klasse (F125) sowie einer Fregatte der Bremen-Klasse (F122), welche durch die nun bald kommenden Neuzugänge ersetzt wird.

Deutsch-norwegische U-Boot-Beschaffung (BS/df) Ende März meldete das norwegische Verteidigungsministerium die Einigung über den gemeinsamen U-Boot-Beschaffungsvertrag: “Die Rüstungsorganisationen Norwegens und Deutschlands, NDMA und BAAINBw, haben sich mit ThyssenKrupp Marine Systems auf einen Vertrag über neue, identische U-Boote geeinigt. Neben der gemeinsamen Entwicklung der Future Naval Strike Missile besteht auch Einigkeit über eine gemeinsame Beschaffung von Flugkörpern.” Somit steht die im Jahr 2017 gestartete Kooperation nun kurz vor dem endgültigen Abschluss. Vor der Unterzeichnung bedarf der deutsche Part noch der parlamentarischen Zustimmung, die bald erfolgen soll. Das der

U212 CD (Common Design) zugrunde liegende Design der 212A hat sich bereits in der deutschen und italienischen Marine bewährt. Laut dem Hersteller ThyssenKrupp Marine Systems (tkMS) kann der Bau des ersten U-Bootes 2023 beginnen. Die Auslieferung des ersten U-Boots für die norwegische Marine wird ab 2029 erwartet, während die Auslieferung der beiden Boote für die deutsche Marine für 2031 und 2034 geplant ist.Insgesamt sind vorerst sechs U212 CD geplant, zwei für Deutschland, vier für Norwegen. Im deutschen Haushalt sollen knapp drei Milliarden Euro für das Gemeinschaftsprojekt vorgesehen werden, der norwegische Anteil soll bei rund 4,5 Milliarden Euro liegen.


Die letzte Seite

Behörden Spiegel / April 2021

“W

ir tagen nicht mehr im Plenarsaal in der Steinhalle des Mainzer Landesmuseums, sondern weichen wegen des größeren Platzes in die Rheingoldhalle aus. Das sind ungefähr 15 Minuten Fußmarsch,” sagt Weichselbaum. Und Geißler ergänzt: “Ein komplett anderes Lebensgefühl hat uns das Virus gebracht. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Hauptsächlich in Videokonferenzen kommen nun die Ausschüsse zusammen. Das ist eine gänzlich neue Perspektive und Arbeitsweise für uns.”

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Hüter/-innen des gesprochenen Wortes Sitzungsdokumentare des Landtages RLP protokollieren Politikbetrieb (BS/Michael Harbeke) Anja Geißler und Dr. Philipp Weichselbaum sind Sitzungsdokumentare im rheinland-pfälzischen Landtag. Sie begleiten und protokollieren die politischen Debatten in der Landeshauptstadt Mainz. In Normalzeiten sitzen sie direkt vor dem Rednerpult und verfolgen die Plenarsitzungen vor Ort. Aber auch Ausschusssitzungen und Sitzungen von Untersuchungsausschüssen sowie Enquete-Kommissionen müssen dokumentiert werden. Vor Corona wurden diese ausschließlich im Präsenzbetrieb durchgeführt. Hygiene- und Abstandsregeln beherrschen nun den Alltag des Parlaments. Videokonferenzen halten Einzug. Eine große Herausforderung – insbesondere auch bei der Landtagswahl im März 2021.

Superwahljahr 2021 Gerade in diesen Monaten kommt einiges auf die beiden zu, denn RLP wählt Mitte März (A. d. V.: das Gespräch fand im Januar statt). Genauso wie ihre acht Kolleginnen und Kollegen müssen Geißler und Weichselbaum eine Vielzahl von Plenar- und Ausschusssitzungen dokumentieren. Sitzungen von Enquete-Kommissionen und weitere Veranstaltungen ergänzen den durchgetakteten Tagesablauf. Angesiedelt ist der Sitzungsdokumentarische Dienst in der Abteilung Parlament. Da die Gesundheit der Volksvertreter und Mitarbeiter des Landtages im Vordergrund steht, herrscht nun pandemiebedingt Ausnahmesituation. Hohe Auflagen sind einzuhalten. Der politische Betrieb muss trotz der Krise störungsfrei weitergehen. “Wegen Corona ist ein Großteil der Sitzungen in den nächsten Wochen virtuell anberaumt. Da der Wahlkampf nicht wie gewohnt draußen vor Ort, direkt bei den Bürgerinnen und Bürgern stattfindet, sind diese zum Teil länger als sonst. Es wird umfänglicher und leidenschaftlicher debattiert,” sagt die Regierungsrätin im Stenographischen Dienst Anja Geißler (Jahrgang 1970). Sie arbeitet schon seit 26 Jahren im rheinland-pfälzischen Landtag und wird nach Beamtenbesoldungsrecht vergütet.

Regierungsrätin Anja Geißler ist blind. Sie besitzt als Stenographin ein feines Gehör. Seit über einem Vierteljahrhundert ist sie beim Landtag Rheinland-Pfalz beschäftigt. Dr. Philipp Weichselbaum vertritt die neue Generation der Sitzungsdokumentare, die moderne Arbeitstechniken anwenden und über ein fundiertes politisches Wissen verfügen. Foto: Landtag Rheinland-Pfalz

Hüter des gesprochenen Wortes und wichtige Säulen für die Funktionsfähigkeit der legislativen Gewalt. Denn sie sorgen mit ihrem Tun für mehr Transparenz.

Stenografie – eine aussterGeißler, die den Beruf der Par- bende Zunft?

Von Geburt an blind

lamentsstenografin von der Pike auf gelernt hat, ist eine bemerkenswert starke Frau. Denn sie kann nicht sehen. “Ich bin von Geburt an blind, doch das ist in meinem Job der Sitzungsdokumentation kein Nachteil. Für mich ist es faszinierend, mit so vielen Politikfeldern und interessanten Persönlichkeiten in Berührung zu kommen. Ich möchte täglich meinen sprachlichen Ausdruck perfektionieren.” Neben einem speziellen technischen Equipment, von dem noch die Rede sein wird, hilft ihr die Fähigkeit, besser als andere Menschen zu hören. Auf Geißlers feines Gehör ist immer Verlass. Denn damit kompensiert sie ihr fehlendes Augenlicht. Als Teil des gut eingespielten Teams des Sitzungsdokumentarischen Dienstes bringt Geißler ihre Stärken ein, aber auch die Kollegen unterstützt sie bei Bedarf mit Rat und Tat. Teamplay ist eben alles: „Ich orientiere mich an den Stimmen der Landtagsabgeordneten und kann sie weitestgehend rein nach Gehör erkennen und unterscheiden. Wenn im Plenarsaal lauthals debattiert wird, viele Zwischenrufe kommen und die Sitzung an Fahrt aufnimmt, muss man hellwach sein. Ich filtere den Geräuschpegel und stenografiere sicher.“ Ihre Sprachaffinität konnte die Regierungsrätin nach dem Abitur mit Absolvieren einer Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin an der Akademie für Bürokommunikation und Welthandelssprachen stetig ausbauen. Das erworbene Fachwissen bildet die Basis für ein wertedemokratisches und beurkundendes Berufsbild, das dem Wort – und dessen getreuer Verwendung – höchste Priorität einräumt. Geißler und Weichselbaum sind

Geißlers Kollege, der 35-jährige Sitzungsdokumentar Dr. Philipp Weichselbaum, steht mir im Doppelporträt ebenfalls Rede und Antwort. Im Gegensatz zur Regierungsrätin ist er nicht verbeamtet, sondern beim rheinlandpfälzischen Landtag angestellt. Sein Berufsbild unterscheidet sich zwar nicht in der Sache, aber doch in der Methodik. So kommt Weichselbaum, der Amerikanistik und Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz studierte und zu einem Thema der Politischen Kommunikation promovierte, ohne stenographischen Kenntnisse aus: “Zur Protokollierung benutze ich ein gewöhnliches Diktiergerät, das die Sitzungen aufzeichnet. Ich nehme zur Sicherheit immer zwei mit, damit im Falle eines Falles wenigstens eine Tonspur vorliegt. Aber Zettel und Block sind unverzichtbare Utensilien eines Sitzungsdokumentars. Während der Sitzungen notiere ich mir wichtige Punkte als Gedächtnisstütze und strukturiere vor.” Da stenografischer Nachwuchs zwar händeringend gesucht, doch oftmals einfach nicht mehr zu finden sei, finde nun ein Wandel dieser alten Berufskunst statt.

Breites Wissen ist Voraussetzung Trotz ihrer Beeinträchtigung kann sich die Regierungsrätin Geißler völlig autark auf ihren mitunter hektischen Arbeitsalltag einlassen. Spezielles Equipment hilft ihr dabei. So verwendet sie bei der Arbeit eine am Computer angeschlossene elektronische Zeile mit Braille-Schrift – so heißt die aus sechs erhabenen Punkten bestehende Blindenschrift, die durch das Ertasten mit den Fingern gelesen wird. Mit ihr recherchiert Geißler an ihrem Dienst-PC

für die anspruchsvollen Themen der Ressorts im Internet: “Wir Sitzungsdokumentare müssen uns in komplexe Gebiete einlesen. Haushalt, Finanzen, Landwirtschaft, Kultur und Familie etc. gehören dazu. Wir haben den Anspruch, uns ein fundiertes Bild über die Sachstände gegenwärtiger Politik zu machen.” Gutes Protokollieren gelingt nur durch gewissenhafte Beschäftigung mit dem politischen Kontext. Auch in der Bibliothek des Landtags informieren sich Geißler und Weichselbaum über komplizierte Fragen. Denn sie müssen zu jeder Zeit auf der Höhe der politischen Diskussion bleiben.

Durchhaltevermögen und Konzentration “Als Nichtsehende benutze ich zum Stenografieren im Plenarsaal nicht Stift und Block, sondern ein spezielles Notizgerät mit acht Tasten zum Schreiben des Systems der Blindenstenografie. Später werden die Protokolle auf Grundlage der Stenogramme entweder per Spracherkennungssoftware diktiert oder von einer Schreibkraft erfasst und dann von mir überarbeitet.” Doch diese Hilfsmittel sind nicht genug, um erfolgreich in diesem Job zu sein. Viel wichtiger sind basale Kompetenzen und Neigungen, die alle Mitarbeitenden des Sitzungsdokumentarischen Dienstes beherrschen müssen. Eine sehr schnelle Auffassungsgabe, hohe Konzentrationsfähigkeit sowie ein intensives Interesse an Politik gehören zu den Grundtugenden. Doch manchmal kommt auch Geißler an ihre Grenzen; dann nämlich, wenn PowerPoint-Präsentationen und andere Dokumente nicht den barrierefreien Maßstäben genügen: “Wenn der Inhalt von Bildern oder Grafiken im Protokoll verdeutlicht werden muss, bin ich schnell aufgeschmissen. Ich brauche unbedingt eine OCR-taugliche Version. Kurze Textbeschreibungen erläutern Inhalte, die ich nicht sehen kann. Leider ist das nicht immer der Fall.”

Durchhaltevermögen ist in dem Job zwingend erforderlich. Es kommt auf die Kondition an: Wenn Ausschusssitzungen über mehrere Stunden andauern und der Toilettengang oder der kleine Hunger zu einem Problem werden, brauche man Geduld. “Normalerweise werden die großen Plenarsitzungen von uns im Rotationssystem abgehalten. Protokolliert wird in einem 15-minütigen Rhythmus. Dann wird gewechselt. Doch in CoronaZeiten wurde der auf eine halbe Stunde erhöht, was nicht ohne ist”, ergänzt Weichselbaum. Wegen des längeren Weges zur Rheingoldhalle, wo das Parlament übergangsweise tagt, war diese Entscheidung unumgänglich. “Eine Ausschusssitzung kann aber auch mal über fünf Stunden dauern”, bemerkt Geißler, “da sind dann besondere Ausdauer und Konzentration gefragt.”

Debatten. So wird Politik nachvollziehbarer. Was schwarz auf weiß in den Protokollen steht, hat einen urkundlichen Wert.”

Das Parlament als Orchester Bei Plenarsitzungen sind immer zwei Mitarbeitende zur Dokumentation des Sitzungsverlaufes im Plenarsaal anwesend. Sie wechseln sich bei der stenografischen Aufnahme der Sitzung ab. Die Abstimmung des Wechsels erfolgt durch Blickkontakt oder durch Antippen.Verschiedene Protokollarten muss ein Sit-

zungsdokumentar aus dem Effeff beherrschen. So wird bei einer Plenarsitzung zumeist ein redigiertes Wortprotokoll verfasst. Dieses orientiert sich sehr nah am gesprochenen Wort, wird aber geglättet. Bei Untersuchungsausschüssen wird hingegen ein unredigiertes Wortprotokoll erstellt. Es enthält zum Beispiel alle Füllwörter und Redundanzen. Weichselbaum stellt lachend fest: “Das ist dann der O-Ton vom O-Ton.” Das analytische Protokoll ist bei Ausschusssitzungen die Regel. Diese Form gibt den Protokollanten zwar mehr Spielraum in der Darstellung – nicht aber in der Interpretation des Gesagten: ” Egal was und wie es formuliert wird: Wir sind stets der Neutralität verpflichtet. Auch verbale Entgleisungen und extremistische Positionen finden im Protokoll ohne Wenn und Aber Aufnahme. Doch zum Glück heben auch humorvolle Beiträge die Debattenkultur. Das versüßt unseren Alltag,“ betont Geißler. Überhaupt gibt sich das Parlament als großes Orchester mit theatralischen Zügen. Wie damals im römischen Senat wird gestikuliert, grimassiert und Politik leidenschaftlich inszeniert. Das gehört einfach dazu, ist Teil der parteipolitischen Räson. Alle Stimmungen und Schattierungen einer Sitzung protokollarisch einzufangen, gleicht einer Sisyphos-Arbeit. Um die Emotionalität der Debatte objektiv wiederzugeben, bedient sich der Sitzungsdokumentarische Dienst einer breiten Palette bewährter Formulierungen. “Zwischentöne ohne Interpretation darzustellen, ist schwierig. Doch Aussagen wie “tritt dem entschieden entgegen” oder “korrigiert die Aussage seines Vorredners”, helfen uns bei der Gewichtung,” führt Geißler aus, die in ihrer Freizeit gerne spazieren geht und sich ehrenamtlich für andere blinde Menschen einsetzt. Auf die Frage, ob die hohe Verantwortung des Sitzungsdokumentarischen Dienstes eher Belastung oder doch Triebfeder sei, antwortet Weichselbaum: “Wir arbeiten auf Grundlage der Geschäftsordnung des rheinlandpfälzischen Landtages. Indem wir uns auf diese stützen, sichern wir uns ab, das Richtige zu tun. Von uns wird gefordert, die politische Debatte getreu abzubilden. Deshalb auf jeden Fall: Triebfeder!”

Barrierefreiheit für Sehbehinderte im rheinland-pfälzischen Landtag

“Ich möchte die Demokratie bewahren.” Weichselbaum, der nach seiner Zeit an der Universität im Jahr 2016 seine berufliche Karriere im Mainzer Landtag startete, sieht die Stelle als Sitzungsdokumentar als eine glückliche Fügung an. Der literatur- und kunstbegeisterte Akademiker interpretiert es als Wink des Schicksals, dass er im Landtag anfangen durfte: “Ich habe ganz in der Nähe vom Landtag mein Abitur gemacht und auch in Mainz studiert. Im Rahmen eines Stipendiums durfte ich das Leben in den USA kennenlernen. Doch nun freue ich mich, wieder hier in Mainz zu sein.” Seine Ausbildung zum Sitzungsdokumentar erfolgte nach dem Prinzip “Learning by Doing.” Weichselbaum wurde durch erfahrene Kollegen unterstützt, denen er im Plenarsaal über die Schulter schauen durfte. Ihn fasziniert an seinem Beruf, dass er bei der Gestaltung gelebter Demokratie aktiv mitwirkt: “Ich möchte demokratische Werte bewahren. Dazu gehört auch die genaue Dokumentation der politischen

Der Plenarsaal des Mainzer Landtags ist derzeit eine Baustelle. Das Historische Deutschhaus wird noch bis Mitte 2021 saniert – das Parlament tagt wegen Corona in der Rheingoldhalle. Foto: BS/Landtag Rheinland-Pfalz/Torsten Silz

(BS/har) Der rheinland-pfälzische Landtag fördert die Inklusion von Menschen mit Handicaps. Barrierefreiheit soll sowohl für die Belegschaft als auch für die Gäste des Hohen Hauses Standard sein. Bei der Renovierung des Plenarsaals im Historischen Deutschhaus wird darauf genauso Wert gelegt wie im angrenzenden Verwaltungsgebäude. Ein Stenografenplatz für Blinde wird es Anja Geißler im sanierten Plenarsaal ermöglichen, durch Vibration das Signal zu erhalten oder zu senden, dass eine Ablösung ansteht. Die Brailleschrift ist als Beschriftung an markanten Räumlichkeiten und Orten neben der für Sehende aufgebracht. Hinweisschilder, Türschilder und Stockwerksbezeichnungen lassen sich für sie so erkennen. Sehbehinderte Mitarbeitende finden ein DIN-genormtes, ertastbares Bodenleitsystem vor, welches ein Höchstmaß an Orientierung schafft. Im Bodenbelag befinden sich Rillen- oder Noppenplatten, die mit einem Pendel- oder Blindenstock erfühlt werden können. Das Leitsystem des Landtages baut auf dem der Stadt Mainz auf, sodass sich sehbehinderte Menschen in ihm und außerhalb des Gebäudes barrierefrei bewegen können.


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