Behörden Spiegel August 2022

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VIII / 38. Jg / 32. Woche

Berlin und Bonn / August 2022

www.behoerdenspiegel.de

Eine lernende Union

Verbrechen gegen das Menschenrecht

“Immer noch ein vollwertiger Schutzmann”

EU-Kommissar Johannes Hahn zu den Meilensteinen in der Cyber- und Informationssicherheit......Seite 5

Prof. Dr. Vasilka Sancin über die Kriegsverbrechen in der Ukraine ��������� Seite 40

Oskar Neda über seinen ungewöhnlichen Karriereweg bei der Polizei ..........................Seite 44

Verstärkte Krisen und Katastrophen

Neuer Höchststand (BS/lkm) Ende 2021 war der Staat mit 2,3 Billionen Euro verschuldet. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) stiegen die Staatschulden damit auf den höchsten jemals in der Schuldenstatistik gemessenen Schuldenstand. Der Anstieg ist Destatis zufolge insbesondere beim Bund, aber auch bei einigen Ländern weiterhin auf Maßnahmen zur Bewältigung der CoronaPandemie zurückzuführen.Beim Bund legte die Verschuldung im Vorjahresvergleich um mehr als zehn Prozent zu. Die Länder und Kommunen hatten mit 0,4 beziehungsweise 0,6 Prozent einen vergleichsweise geringen Schuldenanstieg zu verzeichnen. Die höchste Pro-Kopf-Verschuldung bei den Flächenländern wies das Saarland mit 14.811 Euro je Einwohner auf, gefolgt von Schleswig-Holstein mit 11.391 Euro. Am niedrigsten war die Länderverschuldung in Bayern mit 1.512 Euro und in Sachsen mit 1.554 Euro.

IT-Sicherheitsproblem Flakpanzer Gepard (BS/df/rup) Die Lieferung von schweren Waffensystemen an die Ukraine war eine lange bestehende Forderung aus Öffentlichkeit und Politik. Nun gingen unter anderem fünf Flakpanzer Gepard an die Ukraine, gewartet und zum Einsatz bereit. Experten aus dem deutschen IT-Security-Umfeld raufen sich die Haare, weil in diesen Systemen auch deutsche Kryptografie bei der FreundFeind-Kennung eine bedeutende Rolle einnimmt. Ein Problem sind die Schlüssel, die normalerweise – bei der Bundeswehr im Einsatz – täglich ausgetauscht werden. Diese Stecksysteme in genügender Anzahl sicher in die Ukraine zu bringen, ist eine Herausforderung, für die es nach Informationen des Behörden Spiegel noch keine Lösung gibt. Der gesamte Bericht befindet sich auf Seite 40 in dieser Ausgabe.

Adressfeld

G 1805

Resilienz und Resistenz fehlen (BS/Uwe Proll) Ob nun die aktuelle Hitzewelle, die andauernde Corona-Pandemie oder die eingetretene Gasmangellage – alle Lagen haben einen unterschiedlichen Ursprung, doch immer wieder fallen die mangelnde Resilienz und Resistenz auf. Die Herausforderung im Katastrophen- und Zivilschutz ist, dass der Zivilschutz seit 30 Jahren von Strukturen geprägt ist, die eigentlich nur leere Hüllen sind. In diesen Hüllen fehlt es an Struktur, Kompetenzen, an finanziellen Mitteln und, was für den Zivilschutz besonders wichtig ist, Übungspraxis. Wenn man diese Analyse teilt, wird die Schaffung von neuen Gremien keines der Probleme lösen. Neben dem Sondervermögen für die Streitkräfte brauchen wir eins für den Zivilschutz. Daneben muss die Frage gestellt werden: Wie widerstandsfähig ist die Gesellschaft? Gibt es einen Willen zur Widerstandsfähigkeit? Es gilt, die Gesellschaft mit einem positiven Diskurs in Resilienz und Resistenz zu üben. Resilienz ist dabei die Struktur und die Fähigkeit, Belastungen auszuhalten. Kommt es dennoch zu einer Katastrophe, muss die Gesellschaft auch Resistenz beweisen. Dabei stellen Gremien nur eine bürokratische Oberfläche dar. Das ist nicht nur eine strukturelle, sondern auch eine Mentalitätsfrage. Deswegen ist die Schaffung einer resilienten Gesellschaft eine der schwierigsten politischen Aufgaben, die es momentan zu bewältigen gilt. Dies ist aber nur ein Baustein. Die Trennung zwischen Ka­tas­trophen- und Zivilschutz

Standhaft gegen Krisen und Katastrophen? Es gibt noch viel beim Thema Widerstandfähigkeit in Deutschland zu tun. Foto: BS/lassedesignen, stock.adobe.com

ist desolat, wie die Parallelität zahlreicher Krisen aktuell bestätigt. Vor 20 Jahren ist das erste Grünbuch vom Zukunftsforum öffentliche Sicherheit Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit (ZOES) zum Thema Blackout erschienen. Doch bisher ist nichts passiert. Der Bundesnachrichtendienst (BND) sagte

2015/16 die Flüchtlingsbewegung exakt vorher. Wieder gab es keine Vorbereitung. Trotz der Erfahrungen mit Hitzewellen gibt es dennoch heute keine Hitzepläne. Die Liste ließe sich beliebig fortführen: Cyber-Angriffe auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS), demografischer Wandel, Fachkräftemangel. Diese sind per se keine Katastrophen, je-

doch die Folgen daraus. In allen Szenarien ist auf die eine oder die andere Weise der Katastrophenschutz gefordert. Die Krisen werden zwar vorher gedacht, aber erst, wenn sie eintreten, wird gehandelt. Aus dem nicht vorsorglichen Handeln entsteht immer die Katastrophe. Schuld ist die Katastrophen-Demenz. Ist die Katastrophe vorbei, ist

sie auch vergessen. Aus diesen Wahrnehmungen stellen sich folgende Fragen: Wie können wir uns vorbreiten und mehr aktiv als reaktiv handeln? Wie bekommen wir die Gesellschaft resilient? Schlussendlich stellt sich auch die Frage: Ist der gesellschaftliche Wandel weg von der Prävention, weg von Resilienz gewollt oder nur geduldet? Der Parameter Wohlstand und eine Mittelverteilung, die die Eigenverantwortung de facto aussetzt, haben eine nichtresiliente Gesellschaft geschaffen, die sich über 18 Grad Celsius im Wohnzimmer sorgt. Es wird kommen, wie es gekommen wird. Der Öffentliche Dienst wird das nach der Krise, in der Wirtschaft dann auch, wieder zu spüren bekommen. Null-Runden, Einstellungsstopps und dann wieder Personalabbau. Was war, wird bald wiederkommen. Statt einer konsequenten Digitalisierung der Aufgabenerledigung schwappt eine Einstellungswelle durch Staat und Kommunen. Das löst nicht die fehlende Effizienz, an der es neben Resilienz ebenfalls mangelt. Vorratsbeschlüsse bei der Personaleinstellung werden sich bei dem bevorstehenden Sparkurs rächen. Zumal sie wegen der Wellen-Einstellung bzw. dem Abbau zu einseitigen Personalstrukturen führen.

Kommentar

Zweifelhafter Zuwachs? (BS) Im DBB Beamtenbund und Tarifunion rumort es. Grund ist die Aufnahme der Vereinigung Cockpit (VC) als 41. Mitglied. Neben der Frage, was Piloten und Cockpitpersonal mit dem Öffentlichen Dienst gemein haben, geht es um die internen Strukturen und die strategische Ausrichtung des DBB. Die Luftfahrt mit all ihren Facetten von der Flugsicherung bis zur staatlichen Unterstützung einzelner Airlines ist zwar fest im Visier des Staates, doch Piloten und Cockpitpersonal gehören nicht zum Öffentlichen Dienst. Wozu also “Cockpit” in den DBB aufnehmen? Für die Vereinigung kann es nur darum gehen, im politischen Geschehen Vorteile zu generieren. Etwa bei gewerkschaftlich übergeordneten Themen wie dem Tarifeinheitsgesetz. Oder um im Ballsaal der Politik auf dem Parkett mehr wahrgenommen zu werden. Sich starke Partner zu suchen, ist legitim. Doch was hat der DBB davon? Es ist eine strategische Entscheidung. Mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bei der Bahn und der Kommunikationsgewerkschaft DPVKOM bei den Postnachfolgeunternehmen gibt es bereits

zwei Mitglieder in den Reihen des DBB, die im Verkehrs- und Logistiksektor aktiv sind. Mit der Vereinigung Cockpit kommt nun eine dritte Gewerkschaft hinzu, die nicht weniger umtriebig ist als die streikfreudige GDL. Der DBB will sich im Verkehrssektor breiter aufstellen. Das ist eine richtige Entscheidung, wenn man sich an dem Rudolf von Bennigsen-­F oerder zugeschriebenen Motto “Stillstand ist Rückschritt” orientiert. Aber die Entscheidung missfällt in den Reihen derer, die nicht streiken dürfen: den Beamtengewerkschaften. Deren Sorge ist unter anderem, dass Cockpit die Streikkasse des DBB beansprucht. Zumindest im ersten Jahr der Mitgliedschaft wird dies nicht geschehen. So lautet eine Bedingung für den Beitritt. Eine andere ist, dass Cockpit beim Gewerkschaftstag im November

noch keine stimmberechtigten Delegierten wird entsenden können. Doch wie werden die unterschiedlichen Interessen von Beamten und Tarifbeschäftigten im DBB künftig wahrgenommen? Die Entscheidung, beide Gruppen zu vertreten, fiel in den 90er-Jahren. Auf dem letzten Gewerkschaftstag 2017 wurde deshalb auch der Name offiziell in DBB Beamtenbund und Tarifunion geändert. Doch schon vor fünf Jahren sollte nach dem Willen einiger auf den Angestellten Klaus Dauderstädt als Bundesvorsitzenden ein Beamter folgen. Mit Ulrich Silberbach kam es dazu nicht. Doch der amtierende Vorsitzende ist ebenfalls nicht unumstritten. Bleibt abzuwarten, ob vor dem Gewerkschaftstag noch ein Gegenkandidat nominiert wird. Jörn Fieseler

Zuständigkeitsparade


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