Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. II / 38. Jg / 6. Woche
Berlin und Bonn / Februar 2022
Zunehmend von Extremisten dominiert Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius über die Corona-“Spaziergänge” �������������������������� Seite 7
Übertragung nicht ohne Weiteres möglich
(BS/mfe) Das Land SachsenAnhalt darf Bundesaufgaben nur dann an die Kommunen über tragen, wenn die Mehrkosten vorher ermittelt und ihre De ckung geregelt wurden. Das gilt sowohl für neue Aufgaben als auch für Änderungen bei be reits übertragenen Aufgaben. Darauf hat sich die Magdebur ger Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden geeinigt. Durch die sogenannte Konsultationsvereinbarung ist nun eindeutig geregelt, dass der sogenannte Konnexitätsgrund satz der Landesverfassung auch für übertragene Bundesaufgaben angewendet wird. Damit gilt der Grundsatz: Wer eine Leistung bestellt, muss diese auch bezah len. Die Konsultationsvereinba rung existiert bereits seit 2007 und wurde seither immer wieder erneuert und fortgeschrieben. Das wichtigste Gremium, das dort festgeschrieben ist, ist die Finanzstrukturreform.
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Digitalpakt beschleunigen
Langfristig geplant
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zur digitalen Revolution ���������������������������� Seite 14
Peter Stuckmann zu seiner Arbeit als Referatsleiter bei der EU-Kommission ������������������������������ Seite 47
Als Staatsdiener vorangehen
Taskforce eingerichtet
(BS/mfe) Im Bundeskriminalamt (BKA) ist eine neue Taskforce zum Vorgehen gegen den Mes sengerdienst Telegram geschaffen worden. Denn die Diskussionen auf dieser Plattform werden im mer radikaler. Es gibt Bedro hungen und sogar Mordaufru fe. Mithilfe der Taskforce sollen solche strafrechtlich relevanten Taten künftig besser aufgeklärt und Tatverdächtige effektiver identifiziert werden. Das erfolgt in enger Abstimmung mit den Länderpolizeien sowie der Zen tralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Ge neralstaatsanwaltschaft Frank furt am Main. Zudem erhebt das BKA gemeinsam mit den Lan deskriminalämtern das Koope rationsverhalten von Telegram bei Löschungsanregungen sowie bei Bestandsdatenabfragen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität. Hier zeigten sich die Telegram-Betreiber bislang sehr zurückhaltend und verweigerten oftmals die Zusammenarbeit mit den Behörden.
G 1805
Impfpflicht gegen Corona aber auch im Öffentlichen Dienst umstritten (BS/Marco Feldmann/Uwe Proll) Kein Thema wird derzeit so kontrovers diskutiert wie eine allgemeine Impfpflicht. Es ist ein heißes Eisen, auch im Öffentlichen Dienst. Dabei gab und gibt es allgemeine Pflichten, wie etwa die Wehrpflicht. Und auch beim Impfen gibt es eine Verpflichtung: gegen Masern. Dass jetzt aber Personalvertretungen massiv unter Druck geraten, weil sie für Teilbereiche eine Impfpflicht empfehlen, ist inakzeptabel. Denn die Angehörigen des Öffentlichen Dienstes müssen eine Vorbildfunktion einnehmen. Als Diener des Staates erfüllen Beamte ein Treueverhältnis auf Lebenszeit. Außerdem obliegt jeder und jedem von ihnen eine individuelle Gesunderhaltungs pflicht. Im Gegenzug können sie gegenüber ihrem Dienstherrn eine besondere Fürsorgepflicht geltend machen. Und das nicht nur im Krankheitsfall oder im Alter. Aus diesem Grunde ist es mehr als verwunderlich, dass Mitgliedern von Personalvertre tungsgremien im Bundesinnen ministerium (BMI) innerhalb ihrer eigenen Organisation Hass und Wut begegnen, wenn sie dem frü heren Ressortchef Horst Seehofer (CSU) per Mehrheitsbeschluss die Einführung einer Impfpflicht für die Vollzugsbeamten der Bundes polizei empfahlen. Es ist doch ge nau diese Gruppe, die besonders gefährdet ist, da sie tagtäglich im engen Kontakt auch mit dem polizeilichen Gegenüber ist. Dabei kommt es teilweise auch zu kör perlichen Auseinandersetzungen. Den Polizistinnen und Polizisten kann nie vorab klar sein, ob das Gegenüber geimpft, genesen oder womöglich hoch ansteckend ist. Umgekehrt dürfen Personalräte wegen einer möglichen Impfpflicht aber auch nicht in totale Oppo sition zu ihrer Behördenleitung gehen, wie es derzeit aus dem Feuerwehrbereich zu vernehmen ist. Wenn eine Impfpflicht einge führt wird, muss der Öffentliche
Noch existiert – auch für den Öffentlichen Dienst – keine Impfpflicht gegen das Corona-Virus. Auch wenn die Thematik äußerst umstritten ist, sollten die Beamtinnen und Beamten sowie die Tarifbeschäftigten mit gutem Beispiel vorangehen. Entscheidend ist zugleich aber auch eine zentrale Impfdatenbank. Österreich hat damit bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. Foto: BS/Ralf, stock.adobe
Dienst Vorbild sein. Zudem ist eine Impfpflicht trotz hoher Im munisierungsquoten gerade im Öffentlichen Dienst mit viel “Kun denkontakt” besonders sinnvoll. Daran ändern auch die derzeit hohen Immunisierungsanteile bei den Behörden und Organisa tionen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) nichts. Die Bundespolizei weist bereits heute eine Immuni
sierungsquote von 93 Prozent auf. Beim Zoll sind es rund 85 Prozent, bei der hessischen Polizei etwa 90 und bei Bayerns Polizei sogar 93 Prozent. Und Bundeswehrsol daten müssen sich wegen der Duldungspflicht generell gegen Corona impfen lassen. In der Ge samtbevölkerung sind laut Robert Koch-Institut (RKI) hingegen nur etwa 75 Prozent der Bürgerinnen
und Bürger mindestens einmal geimpft. Der Anteil der Geboos terten liegt derzeit sogar nur bei etwas über 52 Prozent (Stand Anfang Februar). Eine einrichtungsbezogene Impf pflicht, wie sie demnächst etwa im Rettungsdienst gilt, könnte auf den gesamten Öffentlichen Dienst übertragen werden. Andere eu ropäische Länder wie Frankreich
oder Italien haben es vorgemacht. Bei der Bundespolizei rechnet man intern mit höchstens 500 Mitarbeitern, also einem Prozent der Gesamtbelegschaft, die sich auch bei einer Impfpflicht der Vakzinierung verweigern wür den. Gegen diesen Personenkreis könnte der Dienstherr aufgrund der bereits erwähnten Gesund erhaltungspflicht gut vorgehen. Zudem wird es sich bei der all gemeinen Verpflichtung nur um eine Impfnachweispflicht handeln können. Das würde also bedeu ten, dass gegenüber dem Dienst herrn der vollständige Impfschutz innerhalb einer angemessenen Frist nachzuweisen wäre, um eventuellen disziplinarrechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Hinzu kommt, dass eine all gemeine Impfpflicht nur dann wirklich effektiv und sinnvoll ist, wenn auch eine zentra le Impfdatenbank existiert. In Österreich gibt es ein solches Register, das trotz massiver da tenschutzrechtlicher Bedenken bislang gute Dienste erbracht hat, bereits. In Deutschland ist das nicht der Fall. Damit soll den Impfverweigerern – auch im Öffentlichen Dienst – nicht Recht gegeben werden. Doch solange die Bundesrepublik versucht, die Pandemie ohne Datenbasis in den Griff zu bekommen, bleibt das gesamte Unterfangen für viele fragwürdig.
Kommentar
Zuständigkeiten sind eine feine Sache (BS) Das Bundeskanzleramt wird kleiner – zumindest in der Zuständigkeit. Der Posten von Dorothee Bär (CSU) als Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung wurde nicht nachbesetzt und auch der Nationale Normenkontrollrat (NKR) wird nun dem Bundesjustizministerium (BMJ) zugeordnet. Ist das nun politisches Kalkül oder eine dringend notwendige Korrektur? Zuständigkeiten sind das zen trale Element im öffentlichen Recht. Welche Behörde zu ho heitlichem Handeln ermächtigt oder verpflichtet ist, wird über Zuständigkeiten geregelt. Wer zuständig ist, ist verantwortlich. Umgekehrt gilt genauso: keine Zuständigkeit, keine Verant wortung. Gibt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Zuständigkeiten für die wichtigen und richtigen Quer schnittsthemen Klimaschutz, Digitalisierung und Bürokra tieabbau damit ab? Unmittelbar ja. Das ist vordergründig nicht falsch, ist das Bundeskanz leramt doch vor allem bei der Ressortkoordinierung gefragt. Fachpolitisches gehört in die Bundesministerien. Was wo
genau landet, tarieren die Ko alitionsparteien im Rahmen der Regierungsbildung aus. Im Bundesinnenministerium (BMI) ist man beruhigt, dass kein eigenes Digitalministeri um gegründet wurde und die Zuständigkeit für die Digitali sierung der Verwaltung im ei genen Haus geblieben ist. Das heißt aber auch: Das BMI ist in erster Linie verantwortlich. Scheitert die Digitalisierung der Verwaltung, geht dies politisch primär zulasten von Innenmi nisterin Nancy Faeser (SPD) und natürlich Volker Wissing (FDP) der als Digitalminister in koordinierender Funktion tätig ist (vgl. S. 26). Gleiches gilt nun für den Bürokratieabbau. Dieser ist mit dem Organisationserlass
der Bundesregierung und der Verschiebung des NKR alleinige Aufgabe von Bundesjustizminis ter Dr. Marco Buschmann (FDP). Und für den Klimaschutz steht Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) als Bundeswirtschaftsund Klimaschutzminister in der Pflicht. Querschnittsaufgaben erfor dern jedoch ein hohes Maß an Koordinierung. Und damit ist das Bundeskanzleramt in der Pflicht und gerade bei diesen Themen gefordert. Denn letztlich bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik und trägt für diese auch die Verantwor tung. Trotz des Ressortprinzips ist er damit ebenso zuständig.
Jörn Fieseler
Showmaster