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Digitaler Staat

Datengrüße aus Afghanistan

Knapp

Gerlach übernimmt D16-Vorsitz

die Taliban die Daten nutzen können, um festzustellen, ob eine Person mit den bzw. für die NATO-Truppen gearbeitet hat.”

Zweifel am Nutzen für die Taliban

Hintergründe zur Recherche des Chaos Computer Clubs (BS/Matthias Lorenz) Stellen Sie sich vor, Sie wollen für Ihren täglichen Gebrauch ein mobiles Gerät zur Erfassung biometrischer Daten erwerben. Spaßeshalber schauen Sie auch online auf einer Plattform für Gebrauchtwaren. Womit Sie nicht gerechnet haben, ist, dass Sie tatsächlich fündig werden. Als das Gerät bei Ihnen zu Hause ankommt, merken Sie nicht nur, dass Geräte dieses Typs bereits vom US-Militär genutzt wurden – nein, es befinden sich auch noch jede Menge biometrische Daten darauf. Was wie ein schlechter Witz klingt, ist Mitgliedern des Chaos Computer Clubs (CCC) gelungen. Bereits Ende Dezember 2022 teilte der Verein mit, man habe insgesamt sechs Biometrie-Geräte in einem Online-Auktionshaus erworben. Darauf fanden die CCC-Mitglieder mit “wenig Aufwand” eine Datenbank mit biometrischen Daten von 2.632 Personen – also Namen, Fingerabdrücke, Iris-Scans sowie weitere Fotos. Dabei handelt es sich um Daten, die vom US-Militär in Afghanistan gesammelt wurden. Die Geräte wurden offensichtlich, wie jede Menge anderes militärisches Equipment, beim überhasteten Abzug der westlichen Truppen im Sommer 2021 aus Afghanistan zurückgelassen. Unter Umständen sind auch Daten der Bundeswehr betroffen. Damit wäre eine wichtige Vereinbarung, die zwischen Deutschland und den USA im Jahr 2011 getroffen wurde, nicht eingehalten worden. Auch die Bundeswehr sammelte Daten

Damals einigten sich beide Parteien in einem Memorandum of Understanding (MoU), dass sich auch die Bundeswehr an der Erfassung von biometrischen Daten in Afghanistan beteiligt. Begründet wurde dies insbesondere mit der Bekämpfung von Aufständischen, dem Schutz der eigenen Kräfte und mit Operationen gegen den Einsatz behelfsmäßiger Sprengvorrichtungen. Hierfür könnten die Erfassung und der Abgleich biometrischer Daten einen wichtigen Beitrag leisten. In diesem MoU vereinbarten beide Nationen auch, dass “sämtliche von der Bundeswehr an das US-Verteidigungsministerium übermittelten Daten (…) bei Beendigung der ISAF-Mission gelöscht werden”. Ob dies wirk- lich geschehen ist, bleibt unklar. Im September 2021 teilte der damalige BMVg-Staatssekretär Thomas Silberhorn (CSU) der Linken-Abgeordneten Anke Domscheit-Berg auf eine Schriftliche Frage mit, der Bundesregierung lägen keine Anhaltspunkte vor, dass diese Löschung nicht erfolgt sei. Neuere Erkenntnisse hierzu hat die Bundeswehr nach eigenen Angaben nicht. Allerdings war einer der Datensätze, auf die der CCC bei der Untersuchung der Geräte stieß, mit der Abkürzung “GER” als Grund für das Erheben der Daten gekennzeichnet. Deutsche Daten hätten jedoch eigentlich mit einem deutlich detaillierterem Sperrvermerk gekennzeichnet werden müssen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion aus dem Jahr 2011 hervorgeht. Da sich das US-Verteidigungsministerium bis Redaktionsschluss gegenüber dem Behörden Spiegel nicht zu den Rechercheergebnissen des CCC äußerte, bleibt vorerst unklar, ob auch deutsche Daten von der Panne betroffen sind. Der CCC teilt mit, man könne weder mit Sicherheit ausschließen noch bestätigen, dass man an von der Bundeswehr gesammtelte Daten gelangt sei.

Auch der Hersteller der Geräte, die Firma “HID Global”, reagierte nicht auf eine Anfrage des Behörden Spiegel. Offensichtlich hat diese nicht für einen ausreichenden Schutz der Daten auf den mobilen Geräten gesorgt. Genau diese Absicherung gegen unberechtigte Zugriffe war aber zwischen Deutschland und den USA vereinbart worden. Hiermit gelangt man zum zweiten Problem, das sich hinter der Causa verbirgt. Der Schutz gegen unberechtigte Zugriffe existierte offenbar nur rudimentär. Da die Geräte online erworben wurden, ist davon auszugehen, dass sie auch in die Hände von Akteuren gelangt sein könnten, die besser nicht in den Besitz der sensiblen Daten gekommen wären. Beispielsweise die Taliban, die seit dem Rückzug der ISAF-Truppen in Afghanistan an der Macht sind. Immer wieder wurde berichtet, die Taliban seien in den Besitz biometrischer Daten, beispielsweise von Ortskräften der westlichen Armeen, gekommen. Zwar lägen der Bundeswehr keine Erkenntnisse vor, dass ehemalige Ortskräfte einer systematischen Bedrohung durch die Taliban aufgrund ihrer Tätigkeit für die Bundeswehr unterlägen, erklärt ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums. Matthias Marx, der an den CCC-Untersuchungen mitgewirkt hat, beschreibt jedoch die Auswirkungen, sollten die Geräte in die falschen Hände geraten: “Die schwerwiegendste Folge ist, dass

Ob die Geräte den Taliban wirklich nützen, ist allerdings umstritten. Zwar gab es schon kurz nach dem Abzug der ISAF-Truppen immer wieder Berichte darüber, dass sich die Terrorgruppe biometrische Daten erbeutet hätte. Dr. Reinhard Erös entgegnet jedoch: “Das Thema interessiert in Afghanistan wirklich niemanden.” Die von ihm gegründete Initiative “Kinderhilfe Afghanistan” ist seit 1988 in dem Land aktiv und betreibt dort unter anderem Schulen und eine MutterKind-Klinik. Das Land sei mit viel gravierenderen Problemen konfrontiert. Es herrsche eine akute Hungersnot. Wahrscheinlich verhungerten jeden Tag an die hundert Kinder. Dazu kämen massenhafte Erfrierungen. Selbst wenn die Taliban momentan daran arbeiteten, Ortskräfte der ehemaligen ISAF-Truppen zu identifizieren: “Sie haben ganz andere Informationsquellen”, so Erös. Ortskräfte seien sehr privilegiert gewesen. Beispielsweise hätten sie ein Vielfaches des afghanischen Durchschnittseinkommens verdient und diesen Reichtum meist entsprechend zur Schau gestellt, indem beispielsweise ein neues Haus gebaut worden sei. Deswegen sei in jedem Dorf sofort bekannt gewesen, wer als Ortskraft gearbeitet habe. Biometrische Daten brauche es da nicht, meint der ehemalige Bundeswehr-Arzt. Es handele sich um eine deutsche, auch von den Medien geführte Debatte, die an den wirklichen Problemen des Landes vorbeigehe.

(BS/lma) Seit 2019 gibt es das D16-Format. In diesem treffen sich in der Regel zweimal jährlich die für die Digitalisierung zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren sowie Staatssekretärinnen und Staatssekretäre der Bundesländer. Zum neuen Jahr hat Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach den Vorsitz des Gremiums übernommen. Für den Vorsitz habe sich Bayern vor allem vorgenommen, Projekte und Initiativen voranzutreiben, die den Ausbau der digitalen Verwaltung beschleunigten, dem IT-Fachkräftemangel entgegenwirkten und verbesserte Entscheidungsgrundlagen voranbrächten, erklärt das Bayerische Staatsministerium für Digitales. “Wir wollen die Digitalisierung in Deutschland vorantreiben und so unsere digitale Heimat ausbauen. Egal ob Stadt oder Land – Digitalisierung kann Brücken bauen und so verschiedene Regionen zusammenbringen”, betont die Ministerin.

Neue Beteiligung bei GovData (BS/lma) Das bundesweite Metadatenportal GovData, welches seit 2023 ein Produkt der Föderalen IT-Kooperation FITKO ist, erhält ein weiteres Mitglied. Wie das Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes SachsenAnhalt mitteilt, ist das Land der Verwaltungsvereinbarung zum Betrieb des Portals beigetreten. “Damit bekennt sich Sachsen-Anhalt zu grundsätzlichen Prinzipien der Informationsfreiheit”, erklärt Bernd Schlömer, Staatssekretär im Ministerium für Infrastruktur und Digitales sowie Beauftragter der Landesregierung für Informations- und Kommunikationstechnologie (CIO). Offene Daten seien eine grundlegende Voraussetzung dafür, datengetriebene Geschäftsmodelle zu etablieren. Die Verfügbarkeit offener Daten brauche umfangreiche Vorarbeiten, unter anderem in rechtlicher Hinsicht.

Es ist ein Anblick, wie er sich in vielen deutschen Behörden bietet. Boten schieben Wagen mit Aktenstapeln durch die Gänge. Die Regale reichen nicht aus, um der Papierflut Herr zu werden und sehr viele Ordner füllen säulenartig auf dem Fußboden die Ecken der Räume. Für Menschen, die das moderne Arbeiten gewohnt sind, scheint das Amtsgericht Rheinbach ein Ort aus einer anderen Welt zu sein. Dabei verzichten die dortigen Beamtinnen und Beamten nicht freiwillig auf die Errungenschaften der digitalen Zivilisation, die deutschen Gesetze lassen vielmehr oftmals nichts anderes zu, als alles analog aktenkundig zu gestalten.

Szenenwechsel zu einer Panzerkompanie der Bundeswehr. Auf den modernen Kampfpanzern ist mittlerweile ein Battle Management System aufgespielt, auf genügend Altmodellen weiterhin nicht. Was allerdings immer noch fehlt, sind moderne Funkgeräte, mit denen die Informationen auch übertragen werden könnten. Und so bleibt die Übermittlung sogar der bereits digital vorhandenen Informationen weiterhin analog. Der Bote aus dem Amtsgericht findet hier seinen militärischen Bruder.

Dritte Welle der Künstlichen Intelligenz

Daneben erreichen einen Botschaften aus der Industrie. Die Technologie sei bereit für die “dritte Welle der Künstlichen Intelligenz”.

Nach der ersten Welle, bei welcher der Mensch die Algorithmen programmierte und die Künstliche Intelligenz (KI) diese nur anwendete, und der zweiten Welle, bei welcher der Mensch die KI mit Daten fütterte und diese selbst statistische Zusammenhänge herstellte, zielt die dritte Welle auf die Entwicklung einer KI ab, die nicht auf einen bestimmten Bereich beschränkt ist, sondern bei der Lösung vieler verschiedener Aufgaben erfolgreich sein könnte. Erste Implementierungen dieser neuen Gene-

Identität in der digitalen Welt

Die Schere zwischen Bewährtem und Effizientem (BS/Dorothee Frank) Deutschland ist Technologiestandort mit Patentanmeldungen, die weltweit immer noch mit zur Spitze zählen. Nicht mehr ganz so zur Spitze wie noch vor zwanzig oder dreißig Jahren, aber abgehängt ist die deutsche Industrie noch nicht. Auch im zivilen Bereich greifen die Bürgerinnen und Bürger auf Technik zurück, die einen Vergleich mit anderen Spitzennationen nicht zu scheuen braucht. Problematisch wird es im Grunde erst, wenn der deutsche Staat mit ins Spiel kommt.

ration von KI sind bereits erfolgt. So vereinbarten etwa der SensorHersteller Hensoldt und das KIUnternehmen 21strategies eine strategische Zusammenarbeit. Ziel ist es, gemeinsam die Entwicklung von KI der nächsten Generation für wehrtechnische Systeme voranzutreiben. Zu diesem Zweck beteiligt sich Hensoldt an der Finanzierungsrunde von 21strategies, um die Zusammenarbeit auf ein solides Fundament zu stellen. Denn mit neuen KIAnsätzen der dritten Welle, wie beispielsweise kognitiver KI, lassen sich Entscheidungen in Gefechtssituationen und Reaktionen auf unbekannte Bedrohungen entscheidend beschleunigen.

In einzelnen Bereichen – meistens bei Luftfahrzeugen und Marinesystemen – können die Soldatinnen und Soldaten sich also auf Technologien der neuesten Generation freuen, während es beispielsweise beim Heer immer noch an der Funkverbindung zwischen den einzelnen Fahrzeugen hapert.

Neubeginn als Digitalisierungschance

Doch woran scheitert die Digitalisierung in Deutschland? Ein Grund könnte darin liegen, dass es sich um ein funktionierendes System handelt. Es funktioniert nicht schnell und nicht effektiv, es besitzt deutliches Optimierungspotential – z. B. die Suchfunktion beim PDF gegenüber dem in der Ecke stehenden Aktenstapel – aber es funktioniert. Und es entspricht den deutschen Gesetzen, die ebenfalls erprobt funktionieren. Ein Rechtsstaat muss schließlich vor allem Rechtssicherheit produzieren, keine Geschwindigkeit.

Anders sah es etwa in den ehemaligen Sowjetrepubliken aus, deren Neuanfang mit den Anfängen der Digitalisierung zusammenfiel. So definierte beispielsweise Estland, einer der Vorreiter beim eGovernment, eher Chancen statt Bedenken. Der Schlüssel zur estnischen Digitalisierung ist die elektronische Identität, mit der vom Wählen bis zum Bankgeschäft alles möglich ist. Die ältere Bevölkerung erhielt Schulungen und wurde – teilweise mit familiärer Unterstützung – ebenfalls in die Cyber-Welt integriert.

An die anhaltenden russischen Cyber-Angriffe habe man sich gewöhnt, ist von estnischen Vertretern zu hören. Bei schwereren Fällen schickt die Regierung eine

Über kurz oder Lang

– Für ein digitales Deutschland –

Never change a running system?

Eine Kolumne von Christina Lang

Nichts ist so beständig wie der Wandel. Das wusste bereits der griechische Philosoph Heraklit. Seine 2.500 Jahre alte Erkenntnis wirkt in der heutigen Zeit aktueller denn je. Die Möglichkeiten im digitalen Raum nehmen immer schneller zu und mit ihnen verändern sich die Gewohnheiten und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger. Wer wirkungsvoll sein und vor allem bleiben will, muss diese Veränderungen mitgehen.

Beim DigitalService stellen wir uns immer wieder die Frage:

Wie schaffen wir es als Organisation, notwendige Veränderungen anzustoßen, diese zu begleiten und am Ende auch zu verstetigen? Und wie schaffen wir es, dabei selbst anpassungsfähig zu bleiben und in unserer Arbeit offen für Veränderung zu sein?

Tech4Germany war 2018 unser allererstes Fellowship. Es hat seit seinem Start die Basis geschaffen für alles, was wir heute als DigitalService machen. Ein Erfolg, der damals nicht absehbar war.

Motivierte Ministerialmitarbeitende und engagierte Digital-Talente beweisen in dem dreimonatigen Fellowship, dass auch in der Verwaltung agile, nutzerzentrierte Software-Entwicklung und interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich sind. Über 100 Mitarbeitende aus nahezu allen Bundesministerien haben in den letzten fünf Jahren am Fellowship teilgenommen und wir haben mehr als 30 vielversprechende Projekte begleitet. Besonders schön: Mit den Fellowships ist Deutschland immer noch ein Vorreiter. Andere Länder suchen den Austausch und etablieren ähnliche Initiativen, zuletzt das Officine Italia für den öffentlichen Sektor in Italien.

Auch mit den Bundesländern stehen wir im Austausch. In Bayern zum Beispiel entstand mit der Digitalschmiede ein vergleichbares Angebot. Dies zeigt jedoch auch, dass sich die Landschaft, in der wir uns bewegen, weiterentwickelt. Auch andere innovative und kollaborative Formate wie die OZG-Labore, Innovation Hubs und kürzlich das GovLabDE sind entstanden. Der Dialog über Verwaltungsdigitalisierung wird sowohl in den Ministerien als auch in der Öffentlichkeit heute insgesamt

Christina Lang ist Chief Executive Officer (CEO) des DigitalService. Foto: BS/DigitalService ganz anders geführt. Prinzipien wie Bürgerzentrierung, Nutzerfreundlichkeit oder iteratives und agiles Arbeiten gehören mehr und mehr zum Sprachgebrauch. Nicht zuletzt haben wir uns als DigitalService selbst weiterentwickelt. Durch die eigene Entwicklung und den Betrieb von Software-Produkten mit der Verwaltung haben wir viel gelernt über die spezifischen Herausforderungen sowie die Bedingungen und Erfolgsfaktoren für nutzerzentriertes, agiles Arbeiten in öffentlichen Strukturen.

Tech4Germany ist weiterhin ein gefragtes Angebot und wir könnten vermutlich noch ein paar Jahre so weitermachen wie bisher. Doch das entspricht nicht unserem Selbstverständnis. Alles, was wir tun, um zu einem digitalen Staat beizutragen, der das Leben der Men-

Von der digitalen Identität hängen alle eGovernment-Möglichkeiten ab.

Foto: BS/Apichet, stock.adobe.com

SMS an die Bevölkerung, um sie zu informieren, dass beispielsweise die Banken aktuell betroffen sind. Estland nutzt also seit Jahren Cellbroadcasting zum Kontakt zwischen Regierung und Bevölkerung, während Deutschland die Technologie erst im Herbst 2022, im Nachgang der Flutkatastrophe, für sich entdeckte. Und eigentlich immer noch viel lieber auf Sirenen setzen würde. Wünsche nach eGovernment Es gab sie, die großen deutschen Digitalisierungsprojekte, die sogar sehr moderne Ansätze verfolgten. Fragt man bei den damals Verantwortlichen nach, was denn aus den deutschen digitalen Identitäten – und damit verbunden DeMail und neuer Personalausweis (nPA) – geworden sei, lautet die Antwort, der Bürger habe sie nicht angenommen. Vielleicht, weil es zu kompliziert war und im Grunde keine praktische Anwendung gab. Dabei wollen die Menschen eGovernment. So wünschen sich laut der jüngsten Bitkom-Umfrage 91 Prozent der Deutschen ein zentrales Anmeldeportal für Kitas und

Schulen. “85 Prozent befürworten automatische Vorschläge für einen Kitaplatz, um den Aufwand der Anmeldung zu minimieren. Und 54 Prozent hätten Kindergeld in der Vergangenheit gern online beantragt bzw. würden dies künftig gern online tun”, beschreibt der Digitalverband. “56 Prozent sagen dies über die Beantragung einer Geburtsurkunde. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung unter 1.004 Menschen in Deutschland ab 18 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Demnach sagen auch 86 Prozent: Ämter brauchen prinzipiell zu lange, um meine Anliegen zu bearbeiten.”

Alles im Grunde einfache Wünsche und einfache Anwendungen, die allerdings eine digitale Identität erfordern, wie sie in den meisten europäischen Ländern bereits vorhanden ist. Es gibt allerdings auch Lichtblicke, besonders in den Bundesländern oder Kommunen, beispielsweise in der Finanzverwaltung Bremen, in den Polizeien oder im Fraunhofer. Es gibt Projekte, sogar sehr gute Projekte, nur leider nicht flächendeckend oder auf Bundesebene. Und statt sich auf die Weichenstellung mittels Gesetze oder Vorschriften zu konzentrieren, war das Kanzleramt mit dem Bau einer App beschäftigt. Über die man leider keine Impftermine buchen konnte, aber das ist eine andere Geschichte.

Neues DIN-Whitepaper

Standards und Normen gefordert schen erleichtert, stellen wir regelmäßig auf den Prüfstand. Wir hinterfragen unsere Angebote, Prozesse und Methoden kritisch. Jedes Jahr nutzen wir deshalb auch die kurze Pause zwischen dem Abschluss eines Tech4Germany Jahrgangs und der Ausschreibung der nächsten Bewerbungsphase für die iterative Weiterentwicklung der Formate und Ziele des Fellowships. 2023 möchten wir uns intensiv Zeit nehmen, um grundlegend die inneren wie äußeren Entwicklungen zu reflektieren. Wir wollen aus den Erfahrungen von fünf Jahren Fellowship lernen, fragen aktiv nach Feedback und möchten aktuelle Herausforderungen für die Verwaltung berücksichtigen, um darauf basierend unsere Aktivitäten anzupassen. Darum pausieren wir Tech4Germany für ein Jahr. Denn wir möchten nicht nur Veränderungen anstoßen, sondern auch selbst veränderte Rahmenbedingungen aufgreifen. Unser Ziel: vorausschauend und proaktiv zu handeln und nicht erst zu reagieren, wenn die Veränderungen uns dazu zwingen. Das ist etwas, das uns im Verwaltungskontext an vielen Stellen gelingen muss, obwohl es hier besonders schwer ist, wenn parallel der Regelbetrieb aufrecht zu erhalten ist. Never change a running system? Doch. Wir sind überzeugt, dass es möglich –und oft sogar notwendig – ist.

(BS/lma) Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat sich in einem Whitepaper mit der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland beschäftigt. Zentral geht es dabei um die Standardisierung und Normung. Fehlende Standards sieht das DIN als einen der Gründe für das langsame Voranschreiten der Verwaltungsdigitalisierung an. Unter anderem deswegen sei es nicht gelungen, die Frist zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) einzuhalten.

Ein Problem sei beispielsweise, dass es keine einheitliche und verbindliche Vorgabe gebe, wie Standards erstellt, verabredet, beschlossen und kommuniziert würden, heißt es in dem Whitepaper. Ansätze, wie und durch wen Standards entworfen und eingeführt würden, wichen teils erheblich voneinander ab. Aus diesem Grund empfiehlt das DIN, ein Ökosystem der Normung und Standardisierung zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung zu schaffen. Dafür solle es eine leistungsfähige Standardisierungsorganisation geben, die mit einem mehrjährigen Budget ausgestattet und vom IT-Planungsrat mandatiert werde.

Mehr Transparenz

Einen weiteren Fokus legt das Whitepaper auf Transparenz. Bereits zu Beginn eines Normungsund Standardisierungsvorhabens müsse dieses auf einer zentralen Plattform veröffentlicht werden, damit Betroffene und interessierte Kreise davon Kenntnis erlangen könnten. Darüber hinaus müsse darauf geachtet werden, dass sich alle Betroffenen beteiligen könnten. Also brauche es ein umfassendes und repräsentatives Beteiligungsverfahren.

Immer wieder müssten Zwischenergebnisse veröffentlicht werden.

Auch um eine solche Veröffentlichungs-Plattform soll sich der IT-Planungsrat kümmern.

Dr. Michael Stephan, Mitglied der DIN-Geschäftsleitung, erklärt, es gebe auch in der öffentlichen Verwaltung bereits erste Erfolgsbeispiele für eine Standardisierung. Er nennt an dieser Stelle die X-Standards für den elektronischen Datenaustausch. “Doch darüber hinaus sind noch einige Unklarheiten auf dem Weg zum digitalen Staat auszuräumen”, mahnt der Normierungsexperte. Viel Beteiligung

An der Erstellung des Whitepapers beteiligten sich neben verschiedenen Firmen auch Vertreterinnen und Vertreter öffentlicher Organisationen wie des Deutschen Landkreistags, des Deutschen Städte- und Gemeindebunds oder der KGSt. Viele kommunale IT-Dienstleister beteiligten sich ebenfalls. Auch mehrere Verbände wie VITAKO oder DATABUND unterstützen die Positionen des Whitepapers. “Wir brauchen EGovernment-Lösungen, die sich am Nutzen und an den Bedürfnissen der Bürgerschaft und Wirtschaft orientieren. Das gelingt wiederum nur mit maßgeschneiderten Normen und Standards”, erklärt Sirko Scheffler, Vorstandsvorsitzender des DATABUND.

Verstehen wir uns? Damit die Verwaltungsdigitalisierung gelingt, braucht es einheitliche Standards und Normen. Ansonsten funktionieren Datenaustausch und Kommunikation nicht. Foto: BS/Susanne Jutzeler, pixabay.com

Behörden Spiegel: Worum handelt es sich beim CityLAB Berlin?

Seibel: Das CityLAB ist Berlins öffentliches Innovationslabor. Uns gibt es seit 2019 und wir engagieren uns für eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung hier in Berlin. Wir begleiten die öffentliche Verwaltung bei Innovationsprozessen, sind aber auch im ständigen Austausch mit der Stadtgesellschaft. Wir experimentieren mit den Möglichkeiten, die die Digitalisierung uns bietet, um das Zusammenleben in der Stadt zu verbessern und die Verwaltung zu modernisieren. Dazu entwickeln wir auch eigene Softwareprodukte und Prototypen. Das CityLAB wird betrieben von der Technologiestiftung Berlin und gefördert durch die Berliner Senatskanzlei.

Behörden Spiegel: Wo steht Berlin bei der Digitalisierung?

Seibel: Berlin ist lange nicht so schlecht, wie es manchmal dargestellt wird. Die Verwaltung stößt notwendige Infrastrukturprojekte an. Die Bürgerinnen und Bürger können immer mehr Anträge digital stellen, auch mit der E-Akte geht es voran. Beim Thema Open Data ist Berlin schon lange ganz vorne mit dabei. Aber natürlich ist noch sehr viel mehr möglich. Wir sind nach wie vor zu bürokratisch bei der Digitalisierung, zu wenig experimentierfreudig und laufen dann den Möglichkeiten manchmal hinterher. Das gilt allerdings für ganz Deutschland. Genau deswegen gibt es Innovationslabore wie unseres, die nah dran sind an den Entwicklungen der Digitalisierung.

Behörden Spiegel: Wo setzen Sie da als Innovationslabor genau an?

Seibel: Die Verwaltung kann mit einem konkreten Problem zu uns kommen. Es ist zum Teil aber auch so, dass wir eigene Projekte initiieren, beispielsweise mit der Zivilgesellschaft, Unternehmen oder Wissenschaftseinrichtungen.

Wir sind immer auf der Suche nach spannenden Datensätzen oder nach Inputs von Menschen, die hier in der Stadt leben und gute Ideen haben. Zum Beispiel haben Berlins Stadtbäume seit Jahren ein Problem mit Trockenheit. Vor einer Weile haben wir die Anwendung “Gieß den Kiez” entwickelt, die es Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, alle Bäume auf einer Karte anzuschauen und dabei zu helfen, diesen Bäumen Wasser zu geben. Hier engagieren sich bereits viele tausend Berlinerinnen und Berliner.

Behörden Spiegel: Ein Großprojekt, welches vor Kurzem vorgestellt wurde und an dem das CityLAB maßgeblich mitwirkt, ist die neue Digitalstrategie der Stadt, “Gemeinsam Digital: Berlin”. Was kennzeichnet die Strategie?

Seibel: Wenn man viele Digital- oder Smart City-Strategien betrachtet, die es auch in Berlin früher gab, handelt es sich vor allem um eine Liste von Zielen oder Vorhaben, die man gerne umsetzen möchte. Deutschland hat aber kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Deswegen muss ganzheitlicher gedacht werden.

Wir müssen Prozesse definieren, wie wir schneller und pragmatischer, aber auch bürgernäher und partizipativer werden können. Es geht um einen Kulturwandel – und eben dieser soll mit der Strategie “Gemeinsam Digital: Berlin” angestoßen werden. Dafür skizzieren wir einen Prozess, wie Projekte auch partizipativ angegangen werden sollen, um diese mittelfristig zu verbessern. Daneben können Projekte laufend in den Strategieprozess hineingegeben werden. So gesehen ist die Strategie kein abgeschlossenes Dokument, sondern eine lernende Strategie, die

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