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Mehr als eine Projektliste

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Digitaler Staat

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Berlins neue Digitalstrategie

(BS) In Berlin ist alles schlecht? Bei Weitem nicht, sagt Dr. Benjamin Seibel, Leiter des städtischen Innovationslabors CityLAB Berlin. Trotzdem gebe es bei der Digitalisierung noch Luft nach oben. Um besser zu werden, verabschiedete der Berliner Senat Ende Dezember eine neue Digitalstrategie. Über den Entstehungsprozess des Papiers, seine Kerninhalte und weitere Projekte des Innovationslabors spricht Seibel im Interview mit Matthias Lorenz.

“Die Strategie ist so aufgebaut, dass sie nicht komplett verwaltungszentriert ist, sondern die Vielfalt der Akteure berücksichtigt” immer wieder erweitert und aktualisiert wird. Aber im Grunde wollen wir mit der Strategie neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und den Menschen in der Stadt ausprobieren. Entsprechend ist sie mit dem Prozessmodell, einem Wirkungsmessungsmodell und einer Governance-Struktur aufgestellt.

Behörden Spiegel: Ist das genau dieser Kulturwandel?

Seibel: Ja. Noch sind wir oft zu langsam, weil wir es gewohnt sind, Digitalprojekte sehr, sehr gründlich zu planen und erst, wenn alles perfekt ist, mit der Umsetzung zu beginnen. Diese Praxis wollen wir ändern; viel schneller und früher mit der Umsetzung anfangen und die Projekte immer wieder an die Realität anpassen. Dabei ist es sehr wichtig, neben den eigenen Erfahrungen das Feedback der Menschen in der Stadt frühzeitig miteinzubeziehen. Daran muss sich insbesondere die öffentliche Verwaltung noch gewöhnen.

Behörden Spiegel: Sind die Mitarbeitenden in der Verwaltung bereit, diesen Kulturwandel mitzugehen?

Seibel: Das Interesse an der Strategie ist sehr groß. Man kann die Verwaltung natürlich nie über einen Kamm scheren. Aber es gibt zunehmend mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zu uns kommen und sagen: Ihr habt recht, so wie es jetzt ist, kann es nicht mehr bleiben. Sie wollen mehr gestalten, die Motivation ist sehr hoch. Jetzt müssen die mitunter noch bestehenden bürokratischen Hürden dahingehend geprüft werden, warum Digitalprojekte viel teurer und zeitaufwendiger werden als eigentlich geplant. Hier müssen Vorschriften auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls verschlankt werden.

Behörden Spiegel: Welche Rolle spielte das CityLAB bei der Erstellung der Strategie?

Seibel: Wir haben in erster Linie den Beteiligungsprozess organisiert. Wir waren die Schnittstelle zwischen der Verwaltung und der Stadtgesellschaft. Eine Kernidee der Strategie war, dass sie nicht hinter verschlossenen Türen in der Verwaltung, sondern in der Stadt entstehen soll. Dafür war es wichtig, unterschiedlichste Menschen aus der Stadt von Anfang an mit einzubeziehen. Mit ihnen haben wir ganz vorne angefangen und nach ihrer Vorstellung von der Stadt der Zukunft gefragt. Wir haben dabei ganz gezielt auch solche Menschen aus sogenannten stillen Gruppen angesprochen. Das sind Gruppen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen normalerweise nicht be- teiligen. Man kann da an Kinder und Jugendliche denken, aber zum Beispiel auch an Menschen ohne festen Wohnsitz oder an Geflüchtete. Menschen, die in dieser Stadt leben und arbeiten, aber nur selten nach ihrer Meinung gefragt werden. Dann haben wir uns Schritt für Schritt vom Allgemeinen immer weiter zum Konkreten vorgearbeitet, und zwar immer im Wechselspiel zwischen Digitalisierungsexperten aus der Verwaltung und Wirtschaft und den Bürgerinnen und Bürgern, um so zu vermeiden, dass es zu einem reinen Expertenthema wird. Ein besonderer Aspekt war die Einberufung eines Stadtgremiums. Dieses setzte sich aus 70 Menschen zusammen, die repräsentativ aus dem Melderegister gelost wurden. Die Personen haben wie in einem kleinen Parlament Vorschläge diskutiert, hinterfragt und damit einem Realitäts-Check unterzogen. Das war eine sehr gute Erfahrung, weil ganz gewöhnliche Bürgerinnen und Bürger auch mal völlig zurecht fragen, was sie von konkreten Maßnahmen genau hätten. stehen. Beispielsweise entwickeln wir ein mobiles CityLAB-Angebot, welches in die Kieze fährt. Hier können wir dann gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Austausch kommen. führen. Aus der Box können Sie sich die passende Methode in Form einer Spielkarte nehmen und sich zusammen mit Ihrem Team spielerisch durch den Prozess bewegen. Wer mit uns ein Kooperationsprojekt eingeht, wird eine solche Box bekommen. Sie trägt hoffentlich dazu bei, dass sich das Wissen über agile Methoden noch weiterverbreitet.

Behörden Spiegel: Was erwarten Sie von der öffentlichen Verwaltung, damit die Ziele der Strategie erreicht werden können?

Seibel: Die Strategie ist so aufgebaut, dass sie nicht komplett verwaltungszentriert ist, sondern die Vielfalt der Akteure berücksichtigt. Aber die Verwaltung muss natürlich mitziehen. Das bedeutet zum einen, dass sie entsprechende Kapazitäten benötigt. Outsourcing allein reicht nicht im Digitalbereich, wir brauchen eine kompetente Steuerung aus der Verwaltung selbst. Dafür muss es entsprechend qualifiziertes Personal geben. Zweitens muss sich die Verwaltung auf neue Formen der Zusammenarbeit einlassen. Das bedeutet, experimentierfreudiger zu werden und Projekte schon zu beginnen, wenn noch nicht alle Fragen beantwortet sind. Natürlich ist dies für die Verwaltung ungewohnt, aber unserer Erfahrung nach werden einem durch eine ehrliche Kommunikation Fehler verziehen. Wenn aus Fehlern ein Lernprozess entsteht, findet das Anerkennung.

Behörden Spiegel: Bedeutet Kulturwandel also auch eine veränderte Fehlerkultur?

Seibel: Ich bin kein Fan des Worts Fehlerkultur. Es klingt immer so, als sei es toll, Fehler zu machen, was natürlich nicht stimmt und niemandem Spaß macht. Wir betreten Neuland, wo Dinge ausprobiert werden und daraus gelernt wird. Dabei kann man sich hier und da eine blutige Nase holen. Dann ist es aber auch wichtig, dass man darauf reagiert und es beim nächsten Mal besser macht.

Behörden Spiegel: Ein weiteres Projekt, an dem Sie gerade arbeiten, ist die Methodenbox. Was genau hat es damit auf sich?

Behörden Spiegel: Können denn auch andere Kommunen auf die Box zugreifen?

Behörden Spiegel: Wie ist die Strategie mit anderen Projekten verzahnt, die Sie als CityLAB momentan durchführen?

Seibel: Wir verfolgen schon lange den Prototyping-Ansatz, also sehr praxisnah, agil und experimentierend zu arbeiten. Genau das macht im Grunde den Kern der Strategie aus. Die Art und Weise, wie wir hier arbeiten, kann in der Hinsicht auch ein Stück weit wegweisend sein für andere Projekte. Deswegen wollen wir die Umsetzung der Strategie begleiten. Wir bieten sowohl Methodentrainings als auch unsere technische Expertise an. Wir haben ein eigenes Software-Entwicklungsteam, welches beraten kann, wenn es um die Entwicklung digitaler Anwendungen geht. Darüber hinaus führen wir eigene Projekte durch, die im Zusammenhang mit der Strategie

Seibel: Wir haben schon vor knapp drei Jahren angefangen, die Methoden, die wir hier einsetzen, zunächst in einem Handbuch zu dokumentieren, weil wir das Gefühl hatten, es gebe zu wenig Methodenwissen in der Verwaltung. Gute Digitalisierung hat aber viel damit zu tun, dass man gute Methoden einsetzt. Wie organisiert man ein produktives Meeting? Was bedeutet es eigentlich, Nutzerforschung zu betreiben? Dazu gab es so gut wie kein Wissen in der Verwaltung. Also haben wir das “Handbuch öffentliches Gestalten” geschrieben, welches inzwischen in der dritten Auflage i st. Die Methodenbox wird demnächst erscheinen und ist eine spielerische Weiterentwicklung des Buchs. Dabei handelt es sich tatsächlich um eine Box, welche Methodenkarten für verschiedene Phasen eines Projektes enthält. Stellen Sie sich vor, Sie möchten gerade in Ihrer Behörde oder Organisation ein Innovationsprojekt durch-

Seibel: Grundsätzlich sind wir keine Freunde von Exklusivität. Je weiter sich unser Wissen verbreitet, desto besser. Das Handbuch haben wir inzwischen im ganzen deutschsprachigen Raum verteilt. Die Box wird erst einmal in recht kleiner Stückzahl produziert, weil sie in der Herstellung nicht ganz billig ist. Deswegen kann es sein, dass sie zunächst nicht so breit verfügbar sein wird, aber wir freuen uns natürlich immer über Interesse und werden schauen, was möglich ist.

Behörden Spiegel: Warum dann ein physisches und kein digitales Produkt?

Seibel: Haptische Produkte erfahren oft nochmal eine andere Wertschätzung. Gleichzeitig wird es all diese Sachen auch digital geben. Auf unserer Website steht der Wissensspeicher “Digitale Verwaltung” zur Verfügung, in dem wir Methoden online dokumentieren. Man kann sich alles runterladen oder selbst im Büro ausdrucken. Aber auch als Digitalisierungsexperte kann es sich lohnen, den Rechner zuzuklappen, seinem Gegenüber ins Gesicht zu schauen und gemeinsam mit Stift und Papier zu arbeiten.

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Behörden Spiegel: Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes dauert weiter an. Andere Bundesländer schauen neidisch auf Hamburgs Digitalfortschritt. Sind Sie mit der Umsetzung zufrieden und welche Lessons Learned ziehen Sie aus dem bisherigen Prozess?

Riedel: Wir haben bei der OZGUmsetzung erreicht, was man bei realistischer Betrachtung erreichen konnte. Es ist uns in den letzten fünf Jahren gelungen, ein Zusammenarbeitsmodell zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufzubauen, bei dem wir gemeinsam die Probleme lösen. Das halte ich für den wesentlichsten Sprung nach vorne. EfA ist ja nicht nur eine Abkürzung für Einer für alle, sondern eine strategische Orientierung, etwas nicht 16-mal oder – bei kommunalen Verfahren –11.000-mal in Deutschland zu machen.

Pfromm : Was im Umkehrschluss heißt, dass viele digitalisierte Verwaltungsleistungen aus anderen Ländern kommen. Der Gesamterfolg hängt somit auch davon ab, wie gut man in Projekten anderer Länder mitarbeitet, wie gut die Software oder Prozesse sind, die dort angeboten werden und wie gut man sie implementiert. Das ist aus meiner Sicht eine neue Dimension von Verwaltungsdigitalisierung, der wir uns stellen. Wenn die ersten Anfangsschwierigkeiten überwunden sind, entsteht eine sehr positive Motivation in der Verwaltung und diese befruchtet wiederum erneut die Zusammenarbeit der Länder.

Eine neue Dimension

Aufbau eines neuen Kooperationsmodells zwischen Bund, Ländern und Kommunen

(BS) Obwohl die Frist zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) mittlerweile verstrichen ist, liegt aktuell immer noch ein Teppich laufender OZG-Projekte über dem Land. Über bisherige Lehren und Erfahrungen aus der Implementierung des OZG sowie des EfA-Prinzips sprach Dr. EvaCharlotte Proll mit Christian Pfromm, CDO der Freien und Hansestadt Hamburg, und dem dortigen CIO, Jörn Riedel.

“Die ‘Killer-Hindernisse’ liegen in den verwaltungsrechtlichen und fachrechtlichen Regelungen.”

Behörden Spiegel: Flächenländer beklagen, dass EfA-Leistungen teurer sind. Kommunen bemängeln, dass statt landesweiter Nachnutzung oftmals nachgebaut wird, obwohl diese Länder an der EfA-Dienstentwicklung beteiligt waren.

Riedel: Fangen wir mal bei den Preisen an. Bislang ist jeder, der das behauptet hat, den Nachweis schuldig geblieben. Wir haben als Nordländer ein umfassendes Preismodell entwickelt und dieses für einen Beschluss des IT-Planungsrates ausgearbeitet. Dabei kostet die Masse der Dienste für eine kleinere oder mittlere Kommune deutlich unter 1.000 Euro pro Jahr. Mit Blick auf Hamburg und unsere Bevölkerungszahl gibt es keinen Dienst, bei dem es uns annähernd gelingen würde, ihn zu den gleichen Kosten herzustellen. Bestimmte Hersteller geben zwar an, sie könnten dies ebenfalls leisten, dies ist aber in Wirklichkeit keine OnlineAnwendung, die über standar- disierte Datensätze Informationen an beliebige Fachverfahren weiterleitet, sondern es sind i.d.R. Lösungen, die nur mit einer Fachanwendung zusammenarbeiten. Und der andere Punkt: Es ist eine weise Entscheidung seitens des BMI, “flächendeckend” als neun Länder und 50 Prozent der relevanten Population zu definieren. Immer 100 Prozent zu erreichen, ist unrealistisch. Es gibt immer irgendeinen, der meint, in seinem Land ist alles besser und schöner. Aber die Debatte muss jeder in seinem Verantwortungsbereich führen.

Pfromm : Eine weitere weise Entscheidung ist es, jede EfALeistung nur einmal zu bezahlen. Wer also meint, er müsste einen eigenen Verwaltungsvorgang, der als EfA-Leistung zur Verfügung steht, selbst digitalisieren, kann das tun. Dann muss er es aber auch selbst bezahlen und darf es nicht als OZG- oder EfASchwäche auslegen. Es handelt sich dann um eine dezentrale Managemententscheidung, die buchstäblich ihren Preis hat. Aber genau das ist für die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen, die die digitalisierten

Verwaltungsleistungen nutzen, eigentlich gar nicht wichtig: es ist nicht schlimm, dass die Services nicht gleich aussehen und sie sind ja froh, dass sie sie nutzen können. Wie hakelig die Services zustande gekommen sind – wenn es dann funktioniert – ist kein entscheidendes Kriterium.

Behörden Spiegel: Wie geht es jetzt weiter?

Pfromm: Wir schauen nach vorne. Das BMI hat hierzu einen sehr belastbaren und transparenten Plan vorgelegt. Aus dem OZG und aus EfA haben wir gelernt, beides sinnvoll weiterzuentwickeln, sodass wir es auf die nächste Stufe heben können.

Riedel: Die Planung sieht eine parallele Anhörung der Länder zu der Ressortanhörung im Bund vor. Mehr kann der Bund bei einem Bundesgesetz in der Tat an Beteiligung nicht machen. Das BMI hat vorher informell diese und jene Idee in interessierten Kreisen diskutiert. Das ist mehr, als es üblicherweise Bundesfachministerien in der Vorbereitung von Gesetzen machen. Und nicht jeder kann mit so einem informellen Prozess umgehen – so ist mein Eindruck. Wenn es ein offenerer Prozess ist, dann ist er natürlich auch weniger formell. Das zu beklagen, ist ungerecht. Jetzt findet der im Verfassungs- und Verwaltungssetting zwischen Bund und Ländern vorgesehene Prozess in größtmöglicher Offenheit statt. Eine “Informelle Stellungnahmefrist” ist kommuniziert. Dann geht es in die entsprechende Kabinettsbefassung, Verbändeanhörung, Bundesratsbeteiligung Runde eins, Kabinettsbeschluss, Parlament, Bundesrat Runde zwei. Und wie einig oder uneinig man sich dann ist und ob das Gesetz zustimmungspflichtig ist, wird man am Ende sehen. Mit ein bisschen Gelassenheit kommen wir dann zu einem guten Ergebnis. In dem Moment, wo man sich in die Fachdiskussion begibt, sind Bund und Länder relativ nahe beieinander. Denn auch das ist eine Erkenntnis des OZG-Prozesses: Wir haben lösbare technische Probleme, aber die eigentlichen “Killer-Hindernisse” liegen jeweils in den verwaltungsrechtlichen und fachrechtlichen Regelungen. Und das ist der eigentliche Knackpunkt, den das OZG-Nachfolgesetz lösen muss.

Behörden Spiegel: Hamburg hat für seine OZG-Projekte einen hohen Mittelabruf. Im Themenfeld Unternehmensführung und Entwicklung haben Sie von einem geschätzten Budget von über 77 Millionen Euro einen Großteil abgerufen. Bei der Umsetzung anderer Leistungen liegt der Abrufanteil geringer, beispielsweise im Themenfeld Bürgerbeteiligung und Information. Wie kommen die Differenzen zustande?

Riedel: Im Themenfeld Unternehmensführung und Entwicklung beanspruchen wir die Mittel nicht allein, sondern mit Bremen und Nordrhein-Westfalen gemeinsam. Das Themenfeld verfügt über viele Antragsprozesse, die technisch gleichartige Abläufe vorweisen, sodass wir viel parallelisieren können. Wir haben einen hohen Aufwand, ca. 20-30 Prozent, in die Herstellung der gemeinsamen Infrastruktur gesteckt, die alle Dienste nutzen sollen, um schnell skalieren zu können. Deswegen waren im September 2022 in Hamburg alle

Dienste fertig. Entsprechend ist ein Großteil der Gelder geflossen, weil die Fachlichkeit nicht neu “gedacht” werden musste. Im Bereich der Bürgerbeteiligung sind wir für den Mittlabruf gut im Plan, aber es gab eine viel längere Phase, in der die politische Ausrichtung festgelegt werden musst e. Bürgerbeteiligung im Allgemeinen ist nicht so stark reglementiert – bei einer Mutterschutzmeldung weiß ich, wenn ich das Gesetz gelesen und mit dem Beteiligten geredet habe, schnell, worum es geht. Dann muss ich die Prozesse im Backoffice oder in den Fachverfahren analysieren und die richtigen Schnittstellen herstellen. Das ist ein auf dem Papier lange geübter Prozess. Bei einer Bürgerbeteiligung kann man den, im Kern auf Papier, aufwendigen Prozess nicht einfach abbilden. Da muss man einen neuen Prozess konzeptionell “erfinden” – unter Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung. Das verbraucht erst mal nicht so viel Geld. Die technische Entwicklung folgt. Für dieses Jahr sind wir zuversichtlich, die Dienste fertigzustellen.

“Der Gesamterfolg hängt auch davon ab, wie gut man in Projekten anderer Länder mitarbeitet.”

Behörden Spiegel: Der eGovernment-Monitor der Initiative D21 zeigt, dass bei der Nutzung von Verwaltungsleistungen Luft nach oben ist. Wie sehen die Zahlen für Hamburger Leistungen aus und was tun Sie auch dafür, um die Nutzungszahlen zu erhöhen?

Pfromm: Wir sind mit den Nutzungszahlen zufrieden, weil wir kontinuierlich sowohl eigene O ZG-Leistungen als auch die EfA-Leistungen ausrollen. Wir haben 165 Online-Dienste in Hamburg am Start. Diese standen natürlich nicht alle zeitgleich zur Verfügung. Es liegt an der Kultur der Verwaltung, dass damit bisher keine Werbung gemacht wurde. Das werden wir ändern und Verwaltungsleistungen künftig offensiver vermarkten. Und, das darf man nicht vergessen, die Nutzung von Online-Diensten steht und fällt grundsätzlich mit der Qualität: Wenn die Services gut sind und auf Akzeptanz stoßen, steigen auch die Transaktionszahlen.

Riedel: Wenn man ständig ein und dasselbe Produkt verkauft, kann man regelmäßig Reklame dafür machen. Wenn man aber, wie die Verwaltung, einen OnlineDienst “Ummeldung” etablieren will, erreicht man in den seltensten Fällen seine Kunden direkt. Unsere wesentliche Herausforderung ist immer, dass die Nutzenden von dem Dienst wissen, wenn sie ihn tatsächlich brauchen. Deshalb setzen wir darauf, dass wir bei jedem Kontakt, den Bürgerinnen und Bürger mit der Verwaltung haben – ob schriftlich oder vor Ort – auf unsere digitalen Angebote hinweisen. Begleitet wird dies durch Imagekampagnen. Bei Unternehmensdiensten sind die nutzenden Personen in der Regel die gleichen, etwa die Personalabteilung. Wir suchen dahingehend immer wieder nach Lösungen. So haben wir neulich überlegt, unseren funktionierenden Terminvereinbarungsdienst so anzupassen, dass der Nutzende vor jeder Terminvergabe gefragt wird, ob er wirklich den Termin will oder es nicht online erledigen will. Im Zusammenhang mit dem OZG würde ich mir einen politischen Konsens in Deutschland wünschen, dass für Unternehmen digitale Services Pflicht werden.

Bundesfinanzminister Lindner setz. B.F-intern den politischen Schwerpunkt auf Geldwäsche und illegale Finanzströme. So soll die B9-IT-AL-Stelle für die Attraktivitätssteigerung der Leitung der Financial Intelligence Unit (FIU) zum Einsatz kommen, denn an eben dieser fehlt es der Kölner Dienststelle. Rund 100.000 unbearbeitete Kontrollmeldungen stapeln sich so hoch wie der Dom. Später soll die FIU dann – entsprechend der Schwerpunktsetzung des Ministers – in ein neues Bundesamt überführt werden, eine Art Bundeskriminalamt für Geldwäsche, also Finanzpolizei. Die Abteilung VI hatte im BMF eine zentrale Bedeutung. Die Automation der Steuerverwaltung und die Dienstaufsicht über den zentralen IT-Dienstleister des Bundes, das ITZBund, und damit auch die betriebliche IT-Konsolidierung des Bundes, oblagen ihr. Der IT-Abteilung des BMF kam darüber hinaus eine Schlüsselrolle für die mittlere IT-Zukunft der gesamten Bundes- und eben nicht nur der Finanzverwaltung zu. Die Abteilung, vorneweg Abteilungsleiter Joos,waren die Ideengeber und wichtigsten Begleiter des Planungsprozesses in Sachen Cloud, insbesondere der im Koalitionsvertrag der Ampel festgelegten Multi-CloudStrategie. Da es ohne Cloud zukünftig nicht mehr gehen wird, wurde hier zusammen mit dem BMI-Staatssekretär Dr. Markus

Richter das multiple Konzept entwickelt, das es den Behörden zukünftig freistellen soll, aus einem Angebot verschiedener Cloud-Lösungen zu wählen.

Dabei kann zwischen Angeboten der sogenannten Hyperscaler und weiteren nationalen kommerziellen Anbietern wie auch einer auf Basis öffentlicher IT-Dienstleister betriebenen Open-Source-Cloud ausgewählt werden. Das sogenannte Cloud-Shopping.

Ob die Vorfreude der Behörden auf die angedachte ShoppingTour aufrechterhalten bleibt, hängt nun davon ab, welchen Stellenwert die neue IT-Unterabteilung im BMF spielen wird. Aber nicht umsonst heißt es ja “Unter”-Abteilung.

Gradmesser Cloud-Ausschreibung

Der erste Meilenstein wird die angedachte zeitnahe Ausschreibung für Cloud-Dienstleistungen bzw. Nutzung sein, die zuständigkeitshalber im BMI ressortiert bzw. durch das Beschaffungsamt des BMI (BeschA) ausgeführt werden soll. Bisher verstand sich die IT-Abteilung des BMF als Treiber dieses Prozesses, obwohl dieser im BMI stattfand. Im ersten Quartal sollte die Ausschreibung veröffentlicht werden, welche die Cloud- Dienstleistung verschiedener Anbieter für bis zu vier Jahren vertraglich fixieren sollte.

MELDUNG

Kampf um die Cloud

Ring frei zur dritten Runde

(BS/Uwe Proll) Was wie eine Nebensächlichkeit im Brief von Bundesfinanzminister Christian Lindner an die “Lieben Kolleginnen und Kollegen” daherkommt, könnte in der Sache gravierende Auswirkungen haben. Die Rede ist von der Auflösung der eingliedrigen Abteilung VI (Informationstechnik; IT-Beauftragter für die Bundesfinanzverwaltung/CIO BFV) bzw. ihrer Verfrachtung – als weitere Unterabteilung – in die jetzt schon dreigliedrige Abteilung Z. Damit verbunden kündigte Lindner an, dass die weitere Verwendung des Abteilungsleiters VI, Harald Joos, der unter dem damaligen Finanzminister und heutigem Bundeskanzler Olaf Scholz ins BMF kam, ausläuft. In der nun vergrößerten Abteilung Z muss die Abteilungsleiterin MDin Dr. Martina Stahl-Hoepner in den vorläufigen Ruhestand. Dr. Oliver Lamprecht wird neuer Leiter der Zentralabteilung. Er war über zehn Jahre Unterabteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Ob MDg Hans-Jörg Schäper, der bisherige ständige Vertreter von Harald Joos, dessen Aufgaben übernimmt, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest.

Mit der Einführung eines Multi-Cloud-Angebots in der öffentlichen Verwaltung steht das nächste große Modernisierungsprojekt für die Behördenlandschaft in Deutschland an. Foto: BS/stock.adobe.com, Leo Lintang

In der Vergangenheit war es gerade bei komplexen IT-Ausschreibungen beim BeschA zu zeitlich signifikanten Verzögerungen gekommen, weswegen eine hierfür gedachte Zentralstelle eingerichtet wurde, die es bessern sollte. Wenn es zu Verzögerungen kommt, so befürchten IT-Mitarbeitende, könnte der Widerstand gegen eine generelle Nutzung von Cloud-Lösungen der großen USAnbieter wieder wachsen. Immer wieder sind Stimmen aus dem BMI zu hören, die genau davor warnen und stattdessen auf eine verwaltungseigene Open-Sourcebasierte Cloud als einziger Lösung setzen, obwohl es neben den US-Anbietern auch deutsche und französische kommerzielle Cloud-Anbieter (u.a. Schwarz IT, IONOS oder plusserver) gibt. Daneben sind auch noch das Hybrid-Unternehmen Delos, das Microsoft-Technologie (just Microsoft für die US GovernmentCloud eine sichere Version von MS Office 365 zur Verfügung gestellt) im gewissen Sinne unter deutscher Aufsicht (SAP) kapselt und die Deutsche Telekom mit Google auf diesem Felde aktiv. Im bisherigen Multi-Cloud-Konzept wäre auch für die verwaltungseigene Open-Source basierte Cloud neben all den anderen genannten Platz gewesen.

Treiber auf dem Weg der öffentlichen Verwaltung finden sich aktuell insbesondere aufseiten der Länder und Kommunen, auch, weil im Bereich des Bundes, etwa beim ITZBund (Bundes-Cloud), bei der Bundeswehr (durch die BWI betrieben) oder im Bereich des Bundeskriminalamtes bereits Cloud-Lösungen im Einsatz sind. Im IT-Planungsrat gibt es dem Vernehmen nach aktuell zwei Lager. Eines, das die Nutzung der

Map on demand für Bundesbehörden (BS/lma) Über einen Webservice können Bundesbehörden ab sofort druckfertige Karten und Kartenausschnitte erzeugen. Das Tool “Web on Demand für Bundesbehörden” wird vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) zur Verfügung gestellt.

Dabei handelt es sich um eine Erweiterung des Open Data-Angebots des Amts, welches seinen Sitz in Frankfurt am Main hat. Das Open Data-Angebot kann auch von Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft oder Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft genutzt werden.

Im Gegensatz zu letzterer Variante umfasse das neue Angebot eine größere Kartenauswahl, erklärt das BKG. Für das deutsche Staatsgebiet stünden die topo-

Hyperscaler befürwortet und eines, welches dieser ablehnend gegenüber steht. Unter dem Strich wird auch die Einführung eines

Multi-Cloud-Angebotes – ähnlich wie die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes – schwerpunktmäßig ein Koordinierungsprojekt, dessen Potenziale nur dann effizient genutzt werden können, wenn Bund und Länder hier intensiv zusammenarbeiten.

Wegen dieser zu erwartenden Herausforderungen gibt es auch einen Plan B. Die Genossenschaft govdigital könnte anstelle einer Ausschreibung des Bundes die vertraglichen Vereinbarungen mit verschiedensten Cloud-Anbietern treffen und die Behörden wiederum – entweder als Mitglieder der Genossenschaft oder anderweitig – dort ihr Cloud-Shopping betreiben. Vor diesem Hintergrund wurde hier in Windeseile eine Koordinierungsstelle für das Konzept Deutsche VerwaltungsCloud aufgebaut. Dies wäre der zweite Weg in die Cloud. Alle Beteiligten hoffen, dass nicht aller schlechten Dinge drei werden. Der milliardenschwere Ansatz zur umfassenden Betriebs- und DiensteKonsolidierung des Bundes ist auf ein dauerhaft unscheinbares Projekt zurückgeschmolzen worden. Die OZG-Umsetzung startet erneut erst wieder 2024. Von einem krachenden Scheitern des mit Milliarden aus CoronaKonjunkturmitteln finanzierten Projekts will bei Bund, Ländern und Kommunen niemand reden. Nun geht es in die dritte Runde dieser Riesenprojekte, und keiner will sich erneut in einer Nacht des Schreckens wiederfinden.

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