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Sicherheit & Verteidigung

Die Scheuklappen ablegen

Rechtsextremismus bei Feuerwehr und Polizei muss ernst genommen werden (BS/Jonas Brandstetter) Sie kommen in größter Not: Feuerwehr und Polizei stehen den Bürgerinnen und Bürgern in den misslichsten Lagen bei. Es fällt deshalb oft schwer, Probleme innerhalb der Organisationen anzusprechen. Doch eine Schweigekultur darf es nicht geben. Auch die Sicherheitsbehörden müssen sich Extremismus als Problem stellen. Nicht zum ersten Mal werden extremistische Bestrebungen, vor allem aus dem rechten Spektrum, bei Polizei und Feuerwehr publik. Bundesweite Aufmerksamkeit erzielten verschiedene Chatgruppen von Mitgliedern der Polizei und Feuerwehr, in welchen menschenverachtende Aussagen getätigt wurden.

Gegen die Initiatoren einer Chatgruppe der Bremer Berufsfeuerwehr nahmen die Strafverfolgungsbehörden aus diesem Grund Ermittlungen auf. Darüber hinaus befasste sich das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Bremen mit dem Fall. Die Betroffenen müssen sich wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten. Im Rahmen der Ermittlung wurden Räumlichkeiten des Hauptbeschuldigten durchsucht und Handys sowie Computer beschlagnahmt. Von den Aktivitäten des mittlerweile suspendierten Hauptbeschuldigten erfuhr die Bremer Feuerwehr durch drei Kollegen.

Ähnlich geartete Vorfälle, nicht nur bei der Feuerwehr, sind aus Berlin und Thüringen bekannt.

Einzigartig machen den Bremer Fall jedoch die umfassenden Aufklärungsbestrebungen. Unter der Leitung Karen Buses entstand ein Untersuchungsbericht, der rechtsextreme, sexistische und rassistische Einstellungen und Haltungen im Detail in den Blick nimmt. Buse, die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen war, bilanziert zwar kein strukturelles Extremismusproblem, erkennt aber großen Nachholbedarf bei der internen Aufarbeitung und der Fähigkeit, Probleme auszumachen. Als “männlich, hierarchisch, traditionsverbunden und widerstandsfähig gegenüber Veränderungen” charakterisiert Buse die Organisationsstruktur im untersuchten Fall. Aufgrund dieser heteronormativen und meinungshomogenen Haltung, welche insbesondere auf der Führungsebene anzutreffen sei, mangele es an der Fähigkeit, Probleme und Risiken zu identifizieren. Begrüßenswerterweise sei man zwar bemüht, dieses Problems durch Personalveränderung Herr zu werden, die Transformation verlaufe aber schleppend.

Wie reagieren Gewerkschaft und Verband?

Die Deutsche Feuerwehrgewerkschaft (DFeuG) sieht keinen gest ei gerten Handlungsbedarf.

“Wir kommen immer dann, wenn Menschen Hilfe brauchen. Egal, wer die hilfsbedürftige Person ist. Menschen, die mit diesem Einsatzauftrag ein Problem haben, werden nicht in einer Feuerwehr tätig”, so der Bundesvorsitzende Siegfried Maier. Er gesteht zwar Probleme ein, extremistische Haltungen seien bei den 1,3 Millionen Mitgliedern aber eindeutig in der Minderheit. Dennoch wolle man in Aus- und Fortbildungsseminare zu interkulturellen Kompetenzen investieren. Auch der Deutsche

Feuerwehrverband (DFV) musste sich Vorwürfen sexistischer und diskriminierender Praxen stellen. Die ehemalige DFV-Bundesgeschäftsführerin, Dr. Müjgan Perçin, bemühte ein Verfahren gegen ranghohe Vertreter ihres Arbeitgebers. Die promovierte Juristin warf u. a. dem Vizepräsidenten, Hermann Schreck, Mobbing und sexuelle Belästigung vor. Die Parteien einigten sich außergerichtlich in einem Vergleich. Der ehemalige DFV-Präsident, Hartmut Ziebs, der Perçin ins Amt berief, musste nach internen Querelen bereits im Dezember 2019 seinen Hut nehmen. Seinen Personalentscheidungen wurden von Beginn an mit viel Unmut begleitet. Nicht nur bei den Feuerwehren leben Personen ihre extremistischen Positionen aus, auch in der Polizei sind derartige Fälle anzutreffen. Besonders die Spezialkräfte zeigen nach Meinung mehrerer Experten eine deutlich höhere Affinität zu rassistisch-rechtsex- tremen Mustern. Die gesteigerte Identifikation mit extremistischen Haltungen begründe sich aus den besonderen Aufgaben- und Organisationsstrukturen, denen die Spezialkräfte unterlägen.

Die Abgrenzung zum Rest der Umwelt, aber auch zu Kolleginnen und Kollegen, sowie der mit Gewalt verknüpfte Berufsalltag schafften einen besonderen Zusammenhalt. Man empfinde sich als Elite in einem erbarmungslosen Wettbewerb. Diesem von Dominanzgebaren und Hierarchien geprägten Umfeld werde nur unzureichend Anti-Rassismus und echte demokratische Diskussionskultur entgegengestellt.

Die Suche nach dem scharfen Schwert Um bei eindeutigen Fällen von Extremismus die betroffenen Personen möglichst schnell aus dem, Dienst zu entfernen, arbeitet die Bundesregierung an einer Novelle des Beamtendisziplinarrechts.

Bisher kann ein Disziplinarverfahren bis zu vier Jahre in Anspruch nehmen. Das erschien den Regierungsparteien bereits während der Koalitionsverhandlungen zu lang und motivierte sie, die Beschleunigung der Verfahren bereits im Koalitionsvertrag zu fixieren. Vorgesehen sind deshalb, eine Verschärfung bei der Entfernung aus dem Dienst im Zusammenhang mit Freiheitsstrafen sowie die Abschaffung der Disziplinarklage.

Doch der DBB Beamtenbund und die Deutsche Polizei Gewerkschaft (DPolG) üben Kritik an diesem Vorhaben. Sie bezweifeln eine nennenswerte Beschleunigung der Verfahren durch die Aufgabe der Disziplinarklage. Darüber hi naus monieren sie, dass die Novelle einen unverhältnismäßigen Generalverdacht gegen alle Beamtinnen und Beamten der Polizei unterstelle.

Fakt ist, dass auch der umgestaltete Prozess mit einem Klageverfahren einhergeht. Dieses Verfahren kann sich ebenfalls über mehrere Jahre und Instanzen ziehen. Es bleibt also zu bezweifeln, dass die angedachte Novelle das gesuchte scharfe Schwert gegen Extremismus bei Polizei und Feuerwehr ist.

Raum für Debatte Vom 28. bis 30. März 2023 besteht auf der Fachtagung “Wenn wir auf dem rechten Auge blind sind …“ umfassend Möglichkeit, dieses dringliche und komplexe Thema zu diskutieren. “Bei der Konferenz sollen zunächst einmal Erkenntnisse zusammentragen werden, die wir aus unterschiedlichen Verwaltungen und Organisationen — auch international — haben“, so Hermann-Josef Borj ans vom Bund Deutscher Kriminalbeamter Bonn. Im zweiten Schritt gehe es darum, die Situation zu bewerten und abschließend gezielt Präventionsund Bekämpfungsansätze zu erarbeiten.

Knapp

Berliner Rettungsdienst erhält Zulage

(BS/bk) Die Tarifbeschäftigten im Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr erhalten zukünftig eine Zulage. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) folgt damit einer Initiative des Landes Berlins. Die Rettungsdienstbeschäftigten können sich auf bis zu 450 Euro monatlich im Jahresdurchschnitt zusätzlich zum Gehalt freuen. Die Regelung gilt rückwirkend ab dem 1. Dezember 2022 und ist befristet bis zum 31. Dezember 2025. Eine erste Initiative seitens des Landes wurde von der TdL abgelehnt. Nun konnte jedoch eine Einigung erzielt werden. Die Höhe der Pauschale entspräche nach Berechnungen der Senatsinnenverwaltung dem Betrag, den beamtete Dienstkräfte durchschnittlich erzielen. Im Rettungsdienst arbeiten derzeit 110 Tarifbeschäftigte. Eine ähnliche Regelung gibt es bereits für beamtete Einsatzkräfte im Rettungsdienst. Diese gilt auch seit Ende 2022. Im Zuge dieser Regelung erhalten diese Kräfte einen Betrag von fünf Euro pro berichtspflichtiger Alarmierung.

Über 600 Einsätze für Polizeihubschrauber (BS/mfe) ) Die Polizeihubschrauberstaffel Sachsen-Anhalt war im vergangenen Jahr rund 630 Mal im Einsatz. Dafür waren die Hubschrauber knapp 900 Stunden in der Luft. Das Einsatzspektrum reichte von der Suche nach Vermissten bis hin zur Unterstützung bei Großveranstaltungen, wie z. B. beim jüngsten G7-Gipfel. Am häufigsten war die Hubschrauberstaffel im Einsatz, um Vermisste zu suchen. Darauf entfielen 2022 über 300 Einsätze. Bei der sachsen-anhaltinischen Polizeihubschrauberstaffel arbeiten de r zeit 21 Bedienstete. Eine Hubschrauberbesatzung besteht grundsätzlich aus einem Piloten, mindestens einem Flugtechniker und einem Systemoperator.

Behörden Spiegel: Frau Ministerin, Sie sind jetzt seit Sept em ber 2021 im Amt. Was haben Sie schon erreicht?

Dr. Tamara Zieschang: In den ersten Wochen und Monaten meiner Amtszeit waren wir noch sehr durch die Corona-Pandemie gefordert. Damals galt es etwa, das Demonstrationsgeschehen zu bewältigen und die bundesweiten Verlegungen von CovidIntensivpatienten im Rahmen der sogenannten Kleeblattstruktur zu organisieren. Nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine waren wir als Innenministerium stark gefordert, gemeinsam mit den Kommunen die Unterbringung von Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet sicherzustellen. Neben dieser vielfach tagesaktuellen Arbeit konnten wir außerdem zahlreiche konzeptionell bedeutsame Themen vorantreiben.

Behörden Spiegel: Welche waren das?

Zieschang: Wir haben einiges in Angriff genommen, um die interkulturelle Kompetenz der Bediensteten unserer Landespolizei weiter zu stärken. Seit Sommer 2022 gibt es bei uns im Land zum Beispiel einen Polizeirabbiner. Sachsen-Anhalt ist neben BadenWürttemberg das zweite Bundesland, das einen Polizeirabbiner in die Aus- und Fortbildung an der Fachhochschule der Polizei aktiv einbindet. Er kann authentisch über jüdisches Leben berichten und damit auch den Blick für das konsequente Vorgehen gegen Antisemitismus nochmals schärfen.

Behör den Spi egel: Um was ging es noch?

Zieschang: Auch im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes haben wir einiges umgesetzt, etwa mit Blick auf die begonnene Beschaffung von 130 neuen Feuerwehrfahrzeugen Ende des letzten und Anfang dieses Jahres. Des Weiteren haben wir die Arbeitgebermarke “Mittendrin” entwickelt, mit der die Landesverwaltung als größter Arbeitgeber im Land erstmals ressortübergreifend und gemeinsam um Nachwuchskräfte wirbt.

Behörden Spiegel: Was wurde im Polizeibereich noch erreicht?

Zieschang : Zudem bin ich sehr froh, dass die vierte Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei in Halle an der Saale eine neue Liegenschaft beziehen konnte. Dadurch ha-

Denn die dort beschäftigten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte könnten Attacken auf Polizistinnen und Polizisten nachhaltig, einheitlich und fokussiert bearbeiten und verfolgen, meint Kölns Polizeipräsident Falk Schnabel, der 2018 als Leiter der Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein solches Sonderdezernat dort eingerichtet hatte So werde eine einheitliche Strafverfolgung gesichert. Allerdings existieren solche Sonderdezernate seiner Kenntnis nach noch nicht bei allen Staatsanwaltschaften. Sie seien aber äußerst sinnvoll und sollten weitere Verbreitung finden, so Schnabel . Inzwischen sieht eine Verwaltungsvorschrift in Nordrhein-Westfalen fakultativ derartige Einheiten ausdrücklich vor. Bei der Polizei Köln habe sich die Bündelung solcher Vorgänge in einem eigenen Kommissariat seit Jahren gut bewährt.

Der Kölner Polizeipräsident regt an, in Zukunft bei Angriffen auf Vollzugskräfte noch genauer hinzuschauen, um eine zügige und nachdrückliche Strafverfolgung z u g ewährleisten. “Die Strafe muss auf dem Fuße folgen”, un-

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