Behörden Spiegel Februar 2024

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Leitmedium für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. II / 40. Jg / 6. Woche

Berlin und Bonn / Februar 2024

G 1805

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Verwaltung neu denken! Innovative Methoden bringen frischen Wind in spröde Strukturen. Spielerische oder hierarchiefreie Vorgehensweisen werden nicht nur von jüngeren Mitarbeitenden begrüßt. Kreativität bringt die Verwaltung voran, setzt neue Impulse und trägt zur Modernisierung des Staatsdienstes bei. Mehr dazu auf Seite 2.

Grafik: BS/ Marvin Hoffmann unter Verwendung von Viktoriia, Kay, Pablo Syvak, mast3r, d1sk, pakoefoto, barberry, Torontotokio; stock.adobe.de

Das Leid mit den Fristen OZG 2.0 lässt auf sich warten. SDG-Verordnung wurde nicht erfüllt. Sanktionen sind nicht zu erwarten. (BS/Benjamin Hilbricht) Das Onlinezugangsgesetz (OZG 2.0) ist immer noch nicht beschlossen. Damit ist das Gesetz seit vierzehn Monaten überfällig. Die abschließende Lesung im Bundestag ist bisher nicht terminiert. Außerdem hat die Bundesrepublik gerade eine weitere Digitalisierungsfrist verfehlt.

Ein Datum macht aus einer Vision einen Plan. Es baut Druck auf, es lässt sich gut kommunizieren. Nur, wenn die Betroffenen die Frist nicht einhalten, kann das jeder sehen. Eine Frist dient der Kontrolle. Der Staat ist gerade nicht gut darin, Fristen einzuhalten – zumindest in der aktuellen Digitalpolitik. Seit über einem Jahr ist das OZG 2.0 überfällig. Die Zweite und Dritte Lesung im Bundestag sollten eigentlich im Dezember erfolgen. Bislang ist aber immer noch kein Termin bekannt. Nach dem Beschluss im Parlament wäre noch die Zustimmung des Bundesrates erforderlich – eine weitere Verzögerung. Bis dahin bleibt die Verwaltungsdigitalisierung in einem diffusen Post-OZG-Zustand.Das zeigt sich Adressfeld

auch an anderer Stelle. Im Jahr 2018 – ein Jahr nach dem OZG 1.0 – beschloss die Europäische Union ihren Digitalisierungs-Fünf-Jahres-Plan, die Single-Digital-Gateway-Verordnung (SDG-Verordnung). Bis Dezember 2023 sollten 21 Leistungsbündel in allen Mitgliedsstaaten digitalisiert und miteinander kompatibel sein. Es war die OZG-Frist nach der Frist, Deutschlands Chance, es besser zu machen. Laut dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) muss Deutschland 18 SDG-Leistungsbündel digitalisieren. Davon ist jedes dritte in Deutschland nicht flächendeckend verfügbar. Dazu gehören wesentliche Leistungen wie die Meldung einer Adressänderung. Dazu gehört auch die i-Kfz, also die digitale Zulassung eines Kraftfahrzeugs. Nebenbei: Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) schaltete laut einem Sprecher bei jeder zehnten Zulassungsstelle zum Jahreswechsel die i-Kfz wieder ab – zumindest vorübergehend. Die entsprechenden Kommunalverwaltungen erfüllten nicht die Mindestanforderungen an die IT-Sicherheit (siehe Seite 28). Das BMI hat die Schuldigen ausgemacht: Grundsätzlich liege die Verantwortung für die SDG-Umsetzung bei den für diese Leistungen zuständigen Behörden. Die nur teil-

Das Instrument des Vertragsverletzungsverfahrens droht zwar immer, die Kommission macht davon auch durchaus Gebrauch, es bleibt aber letztlich ein zahnloser Tiger.“ Dr. Ariane Berger, Deutscher Landkreistag

weise verfügbaren Leistungen seien föderal. Sprich: Manche Kommunen und Länder hätten die Frist nicht eingehalten. Die Länder müssen sich laut Behörden Spiegel-Informationen sogar gegenüber dem Kanzleramt rechtfertigen. Anfang Februar sollen die Digitalverantwortlichen im Bundeskanzleramt erklären, warum sie trotz zusätzlicher Finanzmittel aus dem Konjunkturpaket die OZGFokusleistungen noch nicht umgesetzt haben. Aber vielleicht sind wir Deutschen wenigstens nicht allein mit unse-

rer Digitalisierungsaufschieberitis? Die EU-Kommission müsste wissen, wie weit ihre Mitgliedsstaaten sind. Doch sie hält sich mit solchen Informationen zurück: „Eine systematische Bewertung der Umsetzung in den Mitgliedsstaaten wurde bisher nicht vorgenommen“, sagt eine Sprecherin. Gibt es Konsequenzen für die Säumigen? Die Kommission beabsichtige, bis Ende dieses Jahres einen Bericht über die Umsetzung des Single Digital Gateways durch die Mitgliedsstaaten vorzulegen, erklärte die Sprecherin weiter. Mit Blick auf Strafen der EU sei sie „relativ gelassen“, sagt Dr. Ariane Berger, die Digitalisierungsbeauftragte des Deutschen Landkreistages. „Das Instrument des Vertragsverletzungsverfahrens droht zwar immer, die Kommission macht davon auch durchaus Gebrauch, es bleibt aber letztlich ein zahnloser Tiger“, sagt Berger. Auf selbst auferlegte Pflichten, an die er sich nicht hält, kann der Staat verzichten. Insbesondere dann, wenn es keine Sanktionen gibt. Deswegen machen sich Grüne und CDU/CSU derzeit für einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistungen stark. Wer nicht digitalisiert, wird verklagt, so die Idee. Ob das helfen würde? Wer weiß. Der Staat sollte sich jedenfalls nur Fristen setzen, die er einhalten kann und will.

Europäische Vorbilder Der Bund sucht nach neuen Finanzierungsoptionen für die Sanierung der Deutschen Bahn. Seite 7

E-Rezept: erste Bilanz Die Etablierung des E-Rezepts ist vorerst gelungen. Doch es gibt auch Hindernisse. Seite 23

Illusion als Hilfsmittel Hauptfeldwebel Andreas Steinkat sucht in der Kunst einen Weg, um Kriegstraumata zu verarbeiten. Seite 34


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Februar 2024

Bauklötze und Beamte staunen lassen

Mit LEGO® SERIOUS PLAY® Problemlösungen effektiv angehen ���������������������� Seite 4

Start-up Bauhof

Der Vier-Wochen-Mann von Herrenberg ������������������������������������������������������� Seite 12

Einigkeit in Bonn

Sechs Bundesbehörden gründen „Digital Cluster Bonn“ ����������������������������� Seite 21

Visionär für den Staat

Rafael Laguna de la Vera sucht Erfindungen, die alles verändern ����������������� Seite 36

Folgen Sie diesem Icon: Dieses Icon finden Sie auf mehreren Seiten der aktuellen Ausgabe. Es zeigt an, dass es sich bei dem jeweiligen Beitrag um einen Schwerpunktartikel zum Thema „Verwaltung neu denken!“ handelt.

Geheimwaffe

Kommentare

Wehrhaft in der Debatte (BS) Die Demokratie gilt als gefährdet und die Verfassung als bedroht. Wer so in den Wald hi­neinruft, dem schallt es gleichsam entgegen. Unternimmt man eine Bestandsaufnahme, stellt man einerseits fest: Sowohl die Schuldenbremse als auch die Kompetenzverteilung von Bund und Ländern in der Cyber-Sicherheit sind reformbedürftig. Andererseits grassiert die Angst, den Entzug der Grundrechte nach Artikel 18, wie das z. B. passive Wahlrecht, als zu scharfes Schwert zu nutzen, um die AfD zu verbieten. Das Gezerre und Gezeter um die Verfassung rückt jene in den Mittelpunkt, die nach ihr rufen, nicht jene, die mit ihr brechen. Es klingt aber wie ein stummer Ruf nach Gerechtigkeit, nach Recht, nach Freiheit, nach Sicherheit und Ordnung. Das Grundgesetz soll richten und Recht walten lassen, wo es vorher keinem anderen gelang. Aber die Verfassung erhört nicht. Politik und Gesellschaft könnten den Schrei hören, aber sie sind ertaubt in ihren gruppen- oder individualbezogenen Welten. Jedes Grüppchen pocht auf sein Recht, Subventionen oder Förderungen zu bekommen, der andere hat erst mal unrecht. Der Bauer arbeitet nicht so hart wie der Gastronom, wie der Lokführer, der Arzt oder die Pflegekraft oder wieder der Bauer. Auch wenn Hunderttausende für die Demokratie auf die Straße gehen – was folgt? Vor zwei Jahren galten sachliche Debatten mit der AfD noch als ausgeschlossen. Jetzt kommt man

nicht daran vorbei. Ignoranz hat das Gegenteil bewirkt. Auch in anderen europäischen Ländern wählen die Bevölkerungen rechte Parteien. Und in ein paar Wochen wird der Eskapismus einer Remigration von der nächsten Krise eingeholt. von Dr. Eva-Charlotte Proll Was sich über Jahre am vermeintlichen rechten Rand gesammelt hat, ist eine Folge dessen: Achtung AfD – mit denen will das Establishment nichts zu tun haben. Volksvertreter sind aber dazu gewählt, Debatten auszutragen. Stattdessen hat sich bei einigen eingeschlichen, aufzustehen um sich der Auseinandersetzung zu entziehen. Politik geht anders. Die AfD nutzt die simulierte Aufgeregtheit als Dauerzustand, um zu polarisieren. Sie könnte in Thüringen – laut Umfragen – die absolute Mehrheit erringen, wenn FDP und Grüne an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Es wäre vermessen, all diese Wählerinnen und Wähler als rechtsradikal zu titulieren. Genau so wurde die AfD zum Märtyrer. Aber ebenjene Wählerinnen und Wähler brauchen Antworten und klare Signale. Hier haben jene Verantwortung, die Gesetze machen, die sie vollziehen, die Missbrauch ahnden und die darüber berichten. Die Verantwortung schöpft sich aber nicht aus einem Verbotslamentieren. Denn das wird vermutlich genau zum Gegenteil einer wehrhaften Demokratie führen. Selbige beginnt bei der Debatte.

Verfehlte Finanzpolitik Bildnachweise Seite 1: BS/Deutsche Bahn AG, Stefan Wildhirt; BS/Alexander, stock.adobe.com; BS/privat; Seite 2: BS/ Marvin Hoffmann unter Verwendung von Viktoriia, Kay, Pablo Syvak, mast3r, d1sk, pakoefoto, barberry, Torontotokio; stock.adobe.de

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. Herausgeberin und Chefredakteurin Dr. Eva-Charlotte Proll Stellvertretender Chefredakteur Guido Gehrt Leiter des Berliner Büros Ralph Kotsch Aktuelles Öffentlicher Dienst Ann Kathrin Herweg, Sven Rudolf, Hans-Jürgen Leersch, Anne Mareile Walter Kommune Marlies Vossebrecker, Scarlett Lüsser Digitaler Staat Christian Brecht, Benjamin Hilbricht, Paul Schubert, Anna Ströbele Sicherheit & Verteidigung Bennet Biskup-Klawon, Jonas Brandstetter, Thomas Hönig, Lars Mahnke, Klaus Pokatzky Sonderkorrespondenten BOS Dr. Barbara Held, Gerd Lehmann Online-Redaktion Tanja Klement Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Zentraler Kontakt Verlag/Redaktion/Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Tel. 0228/970 97-0 Verlag Berlin 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0

www.behoerdenspiegel.de Geschäftsführung Dr. Fabian Rusch Anzeigenleitung Dr. Fabian Rusch Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Maximilian Spuling, Karin Vierheller Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Weiss-Druck GmbH & Co. KG, Hans-Georg-Weiss-Straße 7, 52156 Monschau Herausgeber- und Programmbeirat Uwe Proll (Vorsitz) Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch IVW (www. ivw.de). Jahresabonnement 9,80 Euro (12 Ausgaben inkl. Porto und MwSt.) Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Altpapieranteil 100 Prozent

Für Bezugsänderungen:

(BS) Streikende Lokführer, unpünktliche Züge und ein marodes Schienennetz. Die Deutsche Bahn hat aktuell viele Baustellen. Allen voran die Finanzierung: Nachdem das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts Mitte November den bisherigen Finanzierungsplan zur Modernisierung der Bahn-Infrastruktur zum Einsturz brachte, sind neue, kreative Wege zur Beschaffung der nötigen Gelder gefragt. Der geplante Verkauf von Bundesanteilen bei Deutscher Post und Deutscher Telekom dürfte zwar den gewünschten Effekt entfalten und das Eigenkapital bei dem angeschlagenen Staatskonzern erhöhen, ein langfristiger, stabiler Finanzierungsplan sieht dennoch anders aus. Bei der nun notwendigen Suche nach alternativen und gleichzeitig soliden Finanzierungsstrategien lohnt der Blick über den Tellerrand. Europäische Nachbarn machen es besser. Beispiel Schweiz: Das Nachbarland finanziert Betrieb,

Substanzerhalt und Ausbau seines Schienennetzes über einen Bahninfrastrukturfonds (BIF). Dadurch sind alle Ausbauprojekte bis 2035 verbindlich finanziert. Österreich hat seine Sanierungs- und Ausbauvorhaben qua Vertrag mit der Bundesbahn für jeweils sechs Jahre im Voraus finanziell abgesichert. von Anne Mareile Walter In Deutschland hingegen wird Jahr für Jahr aufs Neue über das Budget diskutiert, Fondslösungen und mehrjährige Finanzierungssicherheit existieren nicht. Dass der Ausbau des Schienennetzes derart schleppend vorankommt, ist die logische Konsequenz einer verfehlten Finanzpolitik. Um die Mobilitätswende nachhaltig in Schwung zu bringen, muss die Ampel andere Wege einschlagen. Mehr zum Thema lesen Sie auf Seite 7.


Aktuelles Öffentlicher Dienst

Behörden Spiegel / Februar 2024

Neue Runde, neuer Blick

D

ie fiktive Republik Fremdistan ist Schauplatz des Live Escape Rooms UNbekanntes UNbehagen – ein Projekt der Flüchtlingshilfe Bonn e. V. Die Teilnehmenden schlüpfen in die Rolle Asylsuchender, die die ersten Stunden in einem fremden Land meistern müssen. Damit das Erlebnis möglichst realitätsnah ist, wurde das Skript durch junge Flüchtlinge erstellt. Von unklaren Ausfüllhilfen im Amt über den Versuch, sich nachts an einer dunklen Bushaltestelle zurechtzufinden bis hin zur Ankunft in der Erstaufnahmeeinrichtung – alle Situationen, die die Spielerinnen und Spieler meistern müssen, haben die jungen Flüchtlinge selbst erlebt. Über 2.000 Menschen haben den Escape Room bereits durchgespielt. Darunter auch viele Mitarbeitende aus kommunalen Ämtern und Behörden. „Ich bin mit einer gewissen Neugier herangegangen, was die Verknüpfung der Methode mit dem Thema anbelangt. Ein vergleichbares Projekt war mir nicht bekannt und ‚UNbekanntes UNbehagen‘ hat einen durchaus innovativen Charakter“, berichtet Cornelia Löwe, Sozialamtsleiterin der Stadt Bornheim.

Vertauschte Welten Besonders für Mitarbeitende aus Sozialamt, Jugendamt oder Kommunalem Integrationsmanagement stellt der Escape Room eine praxisnahe Fortbildung dar. „Der Perspektivwechsel ist sehr wertvoll, denn im Alltag kann man schon mal die individuellen Geschichten und Probleme der einzelnen Menschen vergessen“, resümiert eine Mitarbeiterin des Bonner Amtes für Soziales und Wohnen. Eine Sozialarbeiterin wünscht sich Fremdistan als Pflichtprogramm für Mitarbeitende der Stadt. „Uns war von Anfang an klar, dass das Projekt großes Potenzial hat“, erklärt Sabine Kaldorf, Vorstandsvorsitzende und ehrenamtliche Geschäfts-

Gamification im Öffentlichen Dienst (BS/Ann Kathrin Herweg) Es ist später Nachmittag, fünf Leute stehen in einem kleinen Raum und schauen sich um. Vor ihnen liegen Formulare, in die sie ein paar persönliche Daten eintragen sollen. Eine alltägliche Aufgabe, doch die Gruppe tut sich schwer. Die Schriftzeichen auf dem Papier entstammen nicht dem ihnen vertrauten lateinischen Alphabet. Auch der Mann, dessen Foto überall zu sehen ist, ist ihnen gänzlich unbekannt. Und warum musste die Gruppe bei ihrer Einreise grüne Badelatschen anziehen? Alles ist so anders in Fremdistan. führerin der Flüchtlingshilfe Bonn. Dass das UNbekannte UNbehagen die Teilnehmenden nachhaltig berührt, begründet sie damit, dass man Fremdistan mit allen Sinnen erleben kann. Die Situation sei in jeder Hinsicht unbehaglich. „So fühlt es sich eben an, wenn man in einem fremden Land ankommt und sich nicht auskennt.“

Bunt gemischt Auch Arne Schneider, Haushaltsdirektor der Freien und Hansestadt Hamburg, ist überzeugt davon, dass spielerische Herangehensweisen die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung nachhaltig verbessern können. Er hat das Kartenset „Stadt | Staat | Strategie“ entwickelt, dass dabei hilft, die Ziele von Städten, Gemeinden und staatlichen Einrichtungen transparent darzustellen und individuelle, praxisnahe Entscheidungen zu treffen. „Das Kartenset nehmen die Leute sofort in die Hand“, berichtet Schneider. „Das ist wie damals beim Autoquartett im Schulbus: Jeder will die Karten anfassen und verteilen.“ Das liege nicht an den Inhalten, sondern vielmehr an der Haptik, erläutert der Haushaltsdirektor. Listen lösten bei den Mitarbeitenden meist Hemmungen aus, das Spiel hingegen könne Hemmungen nehmen. Oft müsse er das Kartenset gar nicht erklären. Die Menschen fingen einfach an, die Karten zu legen. „Früher hätte man erst mal lange diskutiert.“ Das Kartenset ermöglicht den Spielerinnen und Spielern, in wenigen Schritten eine eigene Strategie für den

Arne Schneider legt der Stadt die Karten – mit dem von ihm entwickelten Spiel „Stadt | Foto: BS/Werner Staat | Strategie“.

Umgang mit einem konkreten Problem zu entwickeln. Man kann das Spiel kurzfristig für einen einzelnen Anwendungsbereich durchspielen oder sich über Tage damit befassen. Schneider ergänzt gerne kleine Figuren zum Set, mit denen sich die Mitspielenden dort positionieren können, wo sie ihre Aufgaben innerhalb der Strategieumsetzung sehen. „Vielleicht liegt der Vorteil dieser Herangehensweise auch darin, dass das Ergebnis wieder verschwindet, sobald man die Karten wieder in die Verpackung zurückräumt. Die Methode ermöglicht einen leichteren Zugang zum Thema, denn es werden nicht gleich statisch Ergebnisse festgehalten“, erklärt Schneider.

Die App ist der Weg Vom digitalen Spielen kann besonders die Stadtplanung profitieren. Wel-

Situation des Beamtentums (BS/Ralph Kotsch) 1,3 Millionen Beamtinnen und Beamte scheiden demnächst aus dem Öffentlichen Dienst aus. Schon jetzt gibt es einen großen Personalmangel. Die Lage wird sich noch weiter verschlechtern. Beamten durch die Bürokratie. Es kämen immer neue Aufgaben hinzu. Aber: „Wer neue Aufgaben schafft, muss auch in anderen Bereichen streichen.“ Dabei komme dem Berufsbeamtentum nach Seif eine besondere Bedeutung zu: „Man müsste es erfinden, wenn es das nicht schon gäbe. Es ist eine Garantie dafür, dass der Laden läuft. Verlässliche Behörden brauchen verlässliche Menschen, die ihr Leben in den Dienst der Sache stellen.“ Viele Bürgerinnen und Bürger hätten eine große Anspruchshaltung gegenüber dem Staat. Das sei fatal. Auch eine Fehlerkultur würde gebraucht. Ohne diese kämen noch mehr Klagen und noch mehr Bürokratie. Kuhle sieht die Sache gelassener. Das

Viele Beamtinnen und Beamte klagen über den großen Personalmangel. Schon heute Foto: BS/contrastwerkstatt, stock.adobe.com können nicht alle Stellen besetzt werden.

App auch als digitales Tool für Beteiligungsprozesse eingesetzt werden, erläutert Doll. Außerdem könnten durch den spielerischen Ansatz zukünftige Fachkräfte an das Thema nachhaltige Mobilität herangeführt werden. Die aktuell verfügbare Version der Mobile­City-App ist ein Demonstrator für die Stadt Karlsruhe. Innerhalb der nächsten Jahre soll sie zu einem praxistauglichen Instrument für viele Gemeinden in Deutschland und Europa weiterentwickelt werden.

Ehrgeizige Spiele

Verlässliche Menschen, verlässliche Behörden

Detlef Seif (CDU) diskutierte auf der Jahrestagung des DBBs in Köln mit den Bundestagsabgeordneten Konstatin Kuhle (FDP) und Marcel Emmerich (Bündnis 90/Die Grünen). Die Botschaften der drei Politiker ähneln sich. 80 Prozent der Beamtinnen und Beamten würden lieber in die freie Wirtschaft gehen. Was kann man dagegen tun? „Die Arbeitgeber müssen die Arbeit schmackhaft machen. Das ist eine Aufgabe des Staates.“ Kuhle schlug in dieselbe Kerbe. Das Bild der faulen Beamtin oder des faulen Beamten sei falsch. „Die Erwartungen an den Staat wachsen eher als dass sie abnehmen. Die Beamten könnten besser sein, wenn sie ausreichend bezahlt würden“, behauptete er. Seif hingegen sieht eine Behinderung der Beamtinnen und

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Berufsbeamtentum sei verbürgt, die Abschaffung nur eine intellektuelle Debatte. Er sei ein Fan des Beamtentums, der Staat habe eine Alimentationspflicht. Der Dienstherr müsse den Beamtinnen und Beamten einen angemessenen Lebensunterhalt gewähren, auch bei Invalidität und im Alter. „Man muss Einstehen wollen für diesen Staat“, sagt auch Seif. „Dieser Korpsgeist ist etwas Besonderes.“ Hier griff allerdings der DBB-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach ein. „Wir sind den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet, nicht den Beamtinnen und Beamten. Der Öffentliche Dienst hat keinen Korpsgeist!“

Bürokratie für die Demokratie Die Wochenarbeitszeit zu senken, sei derzeit nicht machbar, sagte Kuhle. Bei Fachkräften wären aber 38 oder 41 Stunden nicht wirklich entscheidend. Man solle nicht so tun, als wäre die Situation in Deutschland besonders schlecht, so Kuhle. Viele totalitäre Systeme hätten mit Korruption zu kämpfen. Umfragen in Deutschland machten allerdings auch Sorgen. Ein Drittel der Bevölkerung sei der Meinung, dass die Demokratie nicht wirke. Es herrsche Misstrauen gegenüber der Regierung. Seif zufolge mangele es dieser an einer Strategie und einem Fahrplan. Gleichzeitig hänge die Unabhängigkeit der Verwaltung nicht am Berufsbeamtentum. Wesentliches Element sei die Funktionsfähigkeit des Staates. Und das sei eine dauerhafte Bindung.

che Auswirkungen der Bau von Radschnellwegen für den Stadtverkehr hat und wie die Erhöhung von Parkgebühren die Entwicklung der Stadtfinanzen, aber auch die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger beeinflusst, lässt sich mit der MobileCityApp von Fraunhofer ISI simulieren. „Städte entscheiden unter Unsicherheit und in Abwägung verschiedener Interessen über politische Strategien“, erklärt Projektleiter Dr. Claus Doll. Mit der MobileCity-App können verschiedene Strategien entlang der Dimensionen Zeit, regionaler Ausgleich, Klima, Lebensqualität und Finanzen spielerisch getestet und verglichen werden. Die App bietet aber nicht nur Anregungen und Entscheidungshilfen bei der Stadtentwicklung, grafische Ergebnisse simulierter Szenarien können auch in der Politikkommunikation eingesetzt werden. Durch die einfache Art, Szenarien zu definieren und deren Wirkung zu verfolgen, könne die

So abwechslungsreich wie die Methoden im Bereich Serious Games und Gamification, so vielseitig sind die Anwendungsbereiche. Roger Walk, Professor für Interaction Design an der Fachhochschule (FH) Dortmund, rät dem Öffentlichen Dienst, in Zukunft stärker in diesen Bereich zu investieren. „Die größte Herausforderung dürfte hier, neben den nicht unerheblichen Kosten und dem Ressourcenbedarf, die Implementierung einer geeigneten technischen Infrastruktur sein“, so Walk. „Aber ich denke, dass mittel- und langfristig die Vorteile überwiegen werden.“ Um den gesteigerten Bedarf im Bereich Serious Games zu bedienen, soll zum kommenden Wintersemester an der FH Dortmund ein neuer, in Deutschland bislang einzigartiger Bachelorstudiengang „Serious Games & Digital Knowledge“ starten.

Für mehr Vielfalt in der Verwaltung Das Land Berlin befragt seine Beschäftigten zum Migrationshintergrund (BS/Katarina Niewiedzial*) Zwischen dem 29. Januar und dem 26. Februar 2024 findet zum ersten Mal die freiwillige, anonyme und digitale Befragung aller 132.000 Beschäftigten im unmittelbaren Landesdienst Berlins statt. Mit der Befragung soll ermittelt werden, wie hoch derzeit der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund im Öffentlichen Dienst ist. Berlin ist eine diverse Stadt, rund 38 Prozent der Berlinerinnen und Berliner haben einen Migrationshintergrund. Diese Vielfalt soll sich auch im Öffentlichen Dienst stärker widerspiegeln. Hinter dem Vorhaben steht das Gesetz zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft des Landes Berlin – Partizipationsgesetz (PartMigG). Um dem Personalmangel in der Berliner Verwaltung entgegenzuwirken und Chancengleichheit bei der Besetzung offener Ausbildungs- und Arbeitsplätze sicherzustellen, ist es wichtig, eine aktuell noch nicht überall stark vertretene Personengruppe zu gewinnen. Mit Blick auf den demografischen Wandel und die zunehmend fehlenden Fachkräfte im Öffentlichen Dienst ist dies für eine funktionierende Verwaltung eine der zentralen Zukunftsfragen unserer Stadt. Für die Befragung, die vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg durchgeführt wird, werden Beschäftigte mit und ohne Migrationshintergrund gleichermaßen um die Teilnahme gebeten. Die Angaben sind nicht auf einzelne Personen zurückzuführen. Die Auswertung der Ergebnisse wird für die zweite Jahreshälfte 2024 erwartet.

Auf Grundlage der Ergebnisse werden Förderpläne zur Personalplanung, -gewinnung und -entwicklung erstellt. Dazu gehören neben einem gezielten Personalmarketing, beispielsweise in Kooperationen mit Schulen, Hochschulen und Mi­ grantenorganisationen, konkrete Fördermaßnahmen, z. B. Bewerbungstrainings, Mini-Praktika und Hospitationen. Spezielle Qualifizierungsprogramme sollen den Quereinsteigenden den Weg in die Verwaltung erleichtern. Beschäftigte mit Migrationshintergrund sollen sich auch stärker in Führungspositionen wiederfinden. Helfen soll dabei die Gründung eines Netzwerks, das neben dem Regenbogennetzwerk und den Frauennetzwerken der Berliner Verwaltung die Teilhabe stärken soll. Das PartMigG möchte nicht nur Türen öffnen, um den Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund im Öffentlichen Dienst zu erhöhen, sondern auch das Verwaltungshandeln insgesamt auf die Bedürfnisse der Migrationsgesellschaft ausrichten. *Katarina Niewiedzial ist Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration.


Bund

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Ein Realitätscheck

I

n der heutigen Zeit, geprägt von raschen Veränderungen und einem stetigen Wandel der Arbeitswelt, ist der effektive Umgang mit Wissen von entscheidender Bedeutung. Durch die umfangreiche Einführung von Homeoffice und die damit einhergehende dezentrale Zusammenarbeit hat Wissensmanagement einen noch höheren Stellenwert erreicht. Zur Aufgabenerledigung nutzt die öffentliche Verwaltung Wissen als zentrale Ressource. Daher sollte Wissensmanagement längst im Alltag deutscher Behörden angekommen sein. Doch trotz der offensichtlichen Notwendigkeit sind die Behörden zögerlich, wenn es um die Umsetzung geht. Ein Hauptgrund für die Dringlichkeit von Wissensmanagement in der öffentlichen Verwaltung ist der ständige Mitarbeiterabgang. Durch Pensionierungen, berufliche Veränderungen und demografischen Wandel geht den Behörden wertvolles Wissen verloren. Dieser Verlust an Erfahrung und Fachkenntnissen kann ernsthafte Auswirkungen auf die Effizienz und Qualität der Verwaltungsprozesse haben. Die Frage ist also nicht, ob Wissensmanagement benötigt wird, sondern wie es erfolgreich implementiert werden kann. Leider zeigt sich in vielen Verwaltungen eine enorme Diskrepanz zwischen der Ernsthaftigkeit, mit der das Thema betrachtet wird, und der tatsächlichen Umsetzung von Wissensmanagement. Einer der Hauptgründe ist die mangelnde Handlungsfähigkeit und die Geschwindigkeit, mit der die öffentliche Verwaltung agiert. Projekte und Veränderungen benötigen Zeit, die oft nicht zur Verfügung steht. Zudem verlangsamen bürokratische Strukturen und die Abwehrhaltung gegenüber Veränderungen den Implementierungsprozess erheblich. Ein weiteres Hindernis ist das FehAntonia Börner ist als Dipl.-Verwaltungswirtin bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) tätig, Absolventin des Studiengangs „Master of Public Administration“ (Universität Kassel) und beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit mit den Anforderungen virtueller Teams an das Wissensmanagement in der Foto: BS/privat öffentlichen Verwaltung.

Wissensmanagement in der öffentlichen Verwaltung (BS/Antonia Börner) Wissen stellt die Basis aller Dienstleistungen in der öffentlichen Verwaltung dar. Die Anerkennung von Wissen als strategische Ressource hat den Grundstein für den managementbasierten Umgang mit Wissen gelegt. Das Wissensmanagement spielt demnach für die Dienstleistungsqualität und die Effizienz der öffentlichen Verwaltung eine zentrale Rolle. Doch warum ist Wissensmanagement noch nicht im deutschen Behördenalltag angekommen?

Behörden benötigen gutes Wissensmanagement, doch es scheitert oft an der Umsetzung. Foto: BS/Treecha, stock.adobe.com

len von Fachwissen in den Behörden, wenn es um die konkrete Umsetzung von Wissensmanagement geht. Viele Mitarbeitende erkennen die Notwendigkeit von Wissensmanagement in ihrem Alltag, jedoch fehlt es an einem klaren Leitfaden und der notwendigen Expertise, um Wissensmanagement effektiv zu etablieren. Das Thema erscheint oft zu groß und zu komplex, um es in Angriff zu nehmen, und so verbleibt es auf der To-do-Liste, ohne tatsächlich in die Praxis umgesetzt zu werden.

sen führen, die vermieden werden könnten, wenn es klare Standards für das Wissensmanagement gäbe. Es ist bemerkenswert, dass trotz der drängenden Notwendigkeit und der offensichtlichen Gefahren viele Geschäftsführungen in der öffentlichen Verwaltung das Thema Wissensmanagement nicht als ihre Aufgabe betrachten. Es kommt zu einem Teufelskreis: Wenn in der obersten Leitungsebene das Bewusstsein und die Verantwortung für Wissensmanagement nicht vorhanden sind, springen Teamleite-

rinnen und Teamleiter oft ein und managen das Wissen auf ihrer Ebene. Dies führt zu einer fragmentierten und inkonsistenten Umsetzung von Wissensmanagementpraktiken, was letztendlich nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen kann. Viele Teamleitungen haben längst erkannt, dass ihre Teams ohne Wissensmanagement nicht mehr arbeitsfähig sind. Daher nutzen sie bei fehlender Wissensmanagementstrategie neben informellen Besprechungen zum Wissensaustausch auch eigene Ablagestrukturen und bauen individuelle und zugangsbeschränkte Datenbanken auf. Alle Auswirkungen sind bereits jetzt im Alltag der Behörden spürbar. Täglich kämpfen engagierte Mitarbeitende gegen den Wissensverlust und entwickeln oft instinktiv eigene Wissensmanagementstrategien, um die negativen Auswirkungen abzuwenden.

Wissensmanagement ist Führungsaufgabe Es ist somit festzuhalten, dass Wissensmanagement eine Führungsaufgabe darstellt. Die oberste Leitungsebene muss die Verantwortung für die Implementierung und

Aufrechterhaltung von effektivem Wissensmanagement übernehmen. Dies erfordert nicht nur ein Bewusstsein für die Dringlichkeit des Themas, sondern auch die Bereitschaft, Ressourcen und Fachkenntnisse dafür zur Verfügung zu stellen. Die Einführung von Feedback- und Evaluationsschleifen stellt neben der Zusammenführung von Tools, der Integration von Personalentwicklungsstrategien in das Wissensmanagementzielbild und einem gezielten Change-Management-Prozess einen wichtigen Handlungsschritt dar. Es geht nicht nur darum, Wissen zu speichern, sondern es aktiv zu managen, zu teilen und weiterzuentwickeln, um den ständigen Veränderungen gerecht zu werden. Um den Teufelskreis zu durchbrechen und Wissensmanagement erfolgreich in der öffentlichen Verwaltung zu implementieren, müssen klare Leitlinien erarbeitet und Schulungen für die Führungsebene angeboten werden. Es ist entscheidend, dass die oberste Führung das Bewusstsein für die Auswirkungen des Wissensmanagements auf die Effizienz, Qualität und Innovationsfähigkeit schärft. Nur wenn die Führung das Thema aktiv vorantreibt, können die notwendigen Veränderungen in den Strukturen und Prozessen implementiert werden. Es liegt in der Hand der Führungsebene, diesen Wandel einzuleiten und sicherzustellen, dass die öffentliche Verwaltung nicht nur wissensbasiert denkt, sondern auch handelt.

Gefährliche Auswirkungen Die Gefahren, die mit dem Versäumnis der Umsetzung von Wissensmanagement einhergehen, sind beträchtlich. Eine der Hauptgefahren ist die sogenannte Silobildung von Wissen. Wenn Informationen und Fachkenntnisse nicht systematisch erfasst und geteilt werden, entstehen in den verschiedenen Abteilungen isolierte Wissensinseln. Dies führt nicht nur zu Ineffizienzen, sondern behindert auch die Zusammenarbeit und den Informationsfluss zwischen den Abteilungen und innerhalb von Teams. Ein weiteres Problem ist das Fehlen eines einheitlichen Vorgehens beim Umgang mit Wissen. Jedes Team entwickelt seine eigenen Methoden und Tools, was zu einer Fragmentierung und Inkompatibilität von Informationen führt. Dies kann nicht nur die Arbeit behindern, sondern auch zu Fehlern und Missverständnis-

Konzepte für heute und morgen Damit Public Corporate Governance gelingt (BS/akh) Zeitnah auf Veränderungen reagieren und gleichzeitig langfristig, zukunftsgerichtet und proaktiv Weichen stellen – das ist eine Herausforderung, der sich öffentliche Unternehmen stellen müssen. Es gilt, das eigene Unternehmen kompetent zu steuern und Chancen für Städte und Kommunen sowie Bund und Länder auszuschöpfen. Unternehmen finden sich häufig in einem Spannungsfeld zwischen politischem Wollen und haushalterischem Können wieder. Besonders betroffen sind, die vielfältigen Unternehmen der öffentlichen Hand. Zunehmende Regulierungen grenzen den Handlungsspielraum der Unternhemen immer stärker ein. Eine gute Public Corporate Governance ist gefragt. Sie erfordert zukunftsträchtige Konzepte und Ideen, die es den verantwortlichen Akteuren ermöglichen, Veränderungen zügig zu begegnen und gleichzeitig zukünftige Ereignisse zu antizipieren. Mit der Leitung und Steuerung öffentlicher Unternehmen befasst sich die elfte Speyerer Tagung zu

Behörden Spiegel / Februar 2024

Public Corporate Governance. Auf der Agenda stehen u. a. die Nachhaltigkeitsberichterstattung für öffentliche Unternehmen mit Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), softwaregestützte Beteiligungssteuerung sowie Compliance-Anforderungen für öffentliche Unternehmen und ihre Umsetzung. Die Tagung findet am 15. und 16. April an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer statt. Der Behörden Spiegel ist Partner der Veranstaltung. Mehr Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden sie unter www.uni-speyer.de/weiterbildung/ weiterbildungsprogramm-/-onlineanmeldung

Bauklötze und Beamte staunen lassen Mit LEGO® SERIOUS PLAY® Problemlösungen effektiv angehen (BS/Björn Unte) Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, wie es wäre, wenn in der Welt der Verwaltung nicht nur die Gesetze und Vordrucke, sondern auch die LEGO® -Steine regieren würden? Klingt absurd? Tatsächlich könnte die, zumindest in deutschen Amtsstuben, ungewöhnliche Methode namens LEGO® SERIOUS PLAY® genau das fehlende Element sein, um die Verwaltung aus dem manchmal grauen Alltag zu befreien und mit bunten Ideen zu füllen. Große, erfolgreiche Unternehmen tun dies bereits weltweit, aber auch Behörden in Großbritannien, Skandinavien oder in der Türkei. Im Behördenalltag, der oft so ernst und strukturiert ist wie eine LEGO®-Bauanleitung, kommt eine Prise Kreativität oft zu kurz. Doch was passiert, wenn wir den Konferenztisch mit Bauplatten bedecken und die Mitarbeitenden auffordern, mit bunten Klötzchen ihre Gedanken zu gestalten? Voilà, LEGO® SERIOUS PLAY® entfaltet seine zauberhafte Wirkung! Stellen Sie sich vor, Ihre nächste Besprechung wäre nicht von endlosen PowerPoint-Folien geprägt, sondern von einem Meer bunter Steine, die auf kreative Art und Weise die Herausforderungen Ihrer Behörde repräsentieren. Die Welt der Verwaltung wird plötzlich zum Spielfeld und die Mitarbeitenden zu Baumeisterinnen und Baumeistern ihrer eigenen Lösungen, Denken mit den Händen wird Realität. Trotz der sehr haptischen Ausrichtung der Methode sind auch Onlineworkshops durchführbar, in Zeiten mobiler und flexibler Arbeitsmodelle nicht unwesentlich. Das Geniale an LEGO® SERIOUS PLAY® liegt in seiner Fähigkeit, steife Strukturen aufzubrechen, eine lockere, spielerische Atmosphäre zu schaffen und alle aktiv zu beteili-

„Baut ein gemeinsames Modell, das widerspiegelt, wofür euer Team in zwölf Monaten berühmt sein wird“, so lautete die Aufgabe für das SERIOUS PLAY® von Björn Untes Team. Foto: BS/Unte

gen. Während sonst die Hierarchie oft wie ein riesiger Turm erscheint, bei dem die obersten Steine den Ton angeben, ermöglicht diese Methode eine demokratische Baustellenatmosphäre. Hier sind die Führungskräfte genauso im Einsatz wie der Praktikant – und jeder LEGO®-Stein trägt dazu bei, eine einzigartige Perspektive auf die Probleme der Verwaltung zu bieten. Eine einheitliche Workshop-Etikette wie auch ein immer wiederkehrender klarer Prozess (Aufgabe stellen, bauen, teilen, reflektieren) erleichtern den Teilnehmenden das Vorgehen. Apropos Teilnehmende: sechs–acht aktiv beteiligte Menschen bilden die ideale Größe eines jeden Workshops, wobei immer der Grundsatz „Jeder baut, jeder teilt“ gilt. Aber Vorsicht – LEGO® SERIOUS PLAY® ist keine kindische Ablenkung, sondern eine ernsthafte Methode zur Förderung von Kreativität, Kommunikation und Teamarbeit. Es erfordert Mut, die

gewohnten Denkmuster zu durchbrechen und sich auf eine Welt voller bunter Möglichkeiten einzulassen. Wichtig ist, immer eine ausgebildete Person als Facilitator zu haben, die durch den Prozess leitet. In einer Zeit, in der die Verwaltung oft als trocken und überbürokratisch wahrgenommen wird, könnte LEGO® SERIOUS PLAY® ein Teil der Lösung in Form eines kreativen Bauklötzchen-Wunders sein. Also, liebe Leserinnen und Leser des Behörden Spiegel, lassen Sie uns gemeinsam die LEGO® -Steine der Kreativität zum Rollen bringen und die Verwaltung zu einem Ort machen, an dem nicht nur Gesetze, sondern auch Ideen regieren. Björn Unte ist Teamleiter in der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt in Berlin. Foto: BS/privat


Zahlen & Daten

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Nachwuchs und Ansehen des Öffentlichen Dienstes Anteil der unter 25-Jährigen im Öffentlichen Dienst (in Prozent) 4 3,8 3,5

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3,4

3,3

(BS) Polizeimotorrad und Feuerwehrauto dürfen auf keinem Kinderkarussell fehlen. Bis der Nachwuchs seinem beliebten Traumberuf nachgehen kann und daraus Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes werden, vergehen einige Jahre. Trotz Überalterung im Öffentlichen Dienst hat der Anteil der jungen Beschäftigten (U25) in den letzten Jahren zugenommen. Der Anteil von Auszubildenden an der Gesamtbeschäftigtenzahl stagniert hingegen vielerorts. Eine Rolle spielt hier vermutlich auch, dass nicht jeder Bereich des Öffentlichen Dienstes so beliebt ist wie Feuerwehr und Polizei. Gerade wegen der akuten Personalnot muss der Öffentliche Dienst hier besser werden.

3,9 3,1

2,5

2,3

3

2,6

2,3

1,9

2

2014

2016

2018

Bund

Länder

Kommunen

1

0

2020

2022

insgesamt

Anteil der Auszubildenden an der Gesamtzahl (in Prozent) Während der Anteil der Auszubildenden insgesamt stabil bleibt, gibt es zwischen den Ländern auf Ebene derselben und den Kommunen deutliche Unterschiede und Veränderungen im Jahresvergleich. So hat Baden-Württemberg einen besonders hohen Anteil an Auszubildenden, während Thüringen in beiden Kategorien den niedrigsten Anteil der Auszubildenden hat.

8

7,7

8

Länder

7,1 6,2

6

5,8

7,7

7,5

Kommunen

6,8 5,5

5,2

6

6

5,2

5,8 5,2 4,6

4,6

4

4

2

2

0

BW

BE

HH

NW

SL

SH

SN

0

TH

BW

BY

BB

MV

NW

SN

TH

Ansehen einzelner Berufsgruppen (in Prozent) Anteil der Befragten des Monitors des Öffentlichen Dienstes, die eine hohe Meinung von dem jeweiligen Beruf oder Berfufsfeld haben.

Justizvollzugsbeamtin/-beamter

Feuerwehrfrau/-mann 94

Soldatin/Soldat 60

100

52

80 60

Lehrerin/Lehrer 64

40

Steuerbeamtin/ -beamter

20

Politikerin/ Politiker 14

23

65

Polizistin/Polizist 78 32

Richterin/Richter

Beamtin/Beamter Quelle: BS/Monitor des Öffentlichen Dienstes 2024 des DBB Beamtenbunds und Tarifunion, Stand: 30. 06. 2022 Grafik: BS/Hoffmann & Spuling unter Verwendung von Tartila, AryanRaj, Good Studio; stock.adobe.com


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Länder

B

In Rechnung stellen

ehörden Spiegel: Frau Ministerin, in Nordrhein-Westfalen hat man gerade festgestellt, dass mit der Bewerberzahl auch die Bewerberqualität bei der Polizei abnimmt. Wie kann man genügend qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für die Polizei gewinnen? Daniela Behrens: Wir haben derzeit fast 20.000 Polizeivollzugsbeamte in Niedersachsen, so viele wie noch nie. Diese Zahl wollen wir auch halten und dafür brauchen wir junge Menschen, die diesen anspruchsvollen Beruf ausüben können. Dazu gehören unabdingbar physische, aber auch psychische Voraussetzungen, die Bewerberinnen und Bewerber einfach mitbringen müssen. Die Absenkung dieser Anforderungen ist nicht der Weg, den wir gehen werden, um junge Menschen zu erreichen. Vielmehr müssen wir zusehen, dass wir die richtigen Leute für den Polizeiberuf begeistern und dann auch für uns gewinnen. Das tun wir, indem wir uns als Polizei noch mehr öffnen und aktiv für diesen tollen Beruf werben. So ist es uns bisher trotz der etwas geringeren Zahl an Bewerbungen immer gelungen, alle Plätze für Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter zu besetzen. Damit das auch in Zukunft so bleibt, müssen wir unsere Arbeits- und Rahmenbedingungen an den modernen Arbeitsmarkt anpassen. Die Polizei Niedersachsen ist mittendrin in diesem Prozess und daher bin ich auch zuversichtlich, dass wir auch dann noch die benötigten jungen Menschen erreichen, wenn wir ab 2025 jedes Jahr rund 500 Stellen besetzen müssen. Behörden Spiegel: Eine zweite wichtige Aufgabe ihres Hauses ist der Katastrophenschutz. Sie haben im Sommer 2023 über das EU-Programm rescEU mehrere Löschflugzeuge in Niedersachsen stationiert. Kommen diese Flugzeuge in diesem Jahr wieder?

N

och am sechsten November 2023 haben sich der Bundeskanzler und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder getroffen, um über Maßnahmen zum Thema Migration zu sprechen. Ein Ergebnis der gemeinsamen Beratung war die Prüfung und Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber, welche die bisherigen von Kommunen durchgeführten Bargeldauszahlungen ersetzen soll. Durch die Übermittelung der Gelder an Banken statt einer direkten Auszahlung wird der Verwaltungsaufwand für Kommunen reduziert – es scheint zunächst einmal also ein logischer Schritt hin zur Entlastung der kommunalen Verwaltung zu sein. Der Umstieg auf eine Bezahlkarte stellt ebenfalls einen Schritt weg von Geld- hin zu Sachleistungen dar. Tatsächlich ist der Gedanke bei der Diskussion zwischen Bund und Ländern aber noch ein anderer: Es geht um die Sicherheit bei der Verwendung der zur Verfügung gestellten Gelder. Vor allem die Übermittlung der Gelder an Familienangehörige in den jeweiligen Heimatländern soll erschwert werden.

Mehr als eine Zahlungsart Ein einheitliches Konzept für die Umsetzung der Bezahlkarte wollten Bund und Länder bis Ende Januar 2024 präsentieren (zum Redaktiosschluss lagen noch keine Ergebnisse vor). Damit wäre zwar das Kernziel der aktuellen Bestrebungen erreicht, allerdings würde die Chance, die eine solche Kar-

Behörden Spiegel / Februar 2024

Kompetenzen kosten nun einmal

(BS) Die Wahrung der öffentlichen Sicherheit wird sowohl durch Personalmangel als auch durch die Zunahme von Ausschreitungen und Katastrophen in Deutschland schwieriger. Im Interview mit Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens spricht der Behörden Spiegel darüber, wie ihr Land mit diesen Situationen umgeht. Die Fragen stellte Uwe Proll. Behrens: Von Juni bis Oktober des vergangenen Jahres haben wir erstmals zwei Löschflugzeuge in Niedersachsen stationieren können. Ein auf Brandbekämpfung aus der Luft spezialisiertes Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Spanien hat den Zuschlag erhalten und war in der Waldbrandsaison mit einem Team aus Piloten und Mechanikern aus Südamerika vor Ort in Niedersachsen. Wir konnten so sehr gut Erfahrungen aus anderen Teilen der Welt in unser Konzept zur Vegetationsbrandbekämpfung einbringen. Gemeinsam mit den Beschäftigten unseres Hauses und dem Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz wurden viele Übungen durchgeführt und Abläufe einstudiert. Das hat sehr gut funktioniert und wir haben mit dem Bund vereinbart, dass wir auch in diesem Jahr gerne wieder zwei Flugzeuge in Dienst stellen wollen. Dafür muss aber auch die EU zustimmen, denn 75 Prozent der Mittel kommen aus dem EU-Katastrophenschutz-Mechanismus rescEU. Ich kann vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr nur sehr dafür werben, sich an diesem Mechanismus zu beteiligen, das ist gelebte europäische Solidarität! So hatten unsere Löschflugzeuge in der Saison 2023 zwar glücklicherweise keine Einsätze in Niedersachsen zu fliegen, aber wir konnten die Griechen bei der Bekämpfung der wirklich verheerenden Waldbrände dort unterstützen. Behörden Spiegel: Der Chef des Deutschen Feuerwehrverbandes hatte neulich vorgeschlagen, einen

Länderpool mit mehreren Flugzeugen zu bilden und diese dann in Niedersachsen zu stationieren.

Löschflugzeuge, sondern nur in der Phase zwischen Mai und Oktober, weil insbesondere in dieser Zeit Vegetationsbrände drohen. Daher bin ich eher dafür, dass man vorhandene Kompetenzen nutzt und sich für einen begrenzten Zeitraum entsprechende Kapazitäten einkauft. Wenn wir als Land Löschflugzeuge beschaffen würden, stünden sie die Hälfte des Jahres im Hangar. Das macht schlicht keinen Sinn und wäre auch nicht wirtschaftlich. Behörden Spiegel: Sicherheitsprobleme gibt es ja leider auch im Stadion. Wie zum Beispiel die gewalttätigen Ausschreitungen im Stadion am Millerntor, an denen auch Hannover 96-Fans beteiligt waren. Wie sollte mit solchen Ausschreitungen weiter verfahren werden?

Innenministerin Behrens sieht den Herausforderungen gut vorbereitet und optimisFoto: BS/Ole Spata tisch entgegen.

Behrens: Ja, ich glaube, bei den Löschflugzeugen ist es in der Tat nicht so entscheidend, wo in Deutschland sie stationiert sind. Wir waren froh, dass sie hier in Niedersachsen waren, weil wir mit den hoch waldbrandgefährdeten Gebieten im Nordosten des Landes und dem Harz über ein großes und gefährdetes Waldgebiet verfügen und auch Moorbrände in den Sommermonaten immer wieder schnell ein Thema werden können. Aber man muss das Thema am Ende ganz pragmatisch betrachten. Beispielsweise brauchen wir im Winter keine

Behrens: Gewalt hat im Fußball nichts zu suchen und Gewalt hat im Stadion nichts zu suchen! Wir beschäftigen uns seit einiger Zeit mit einer Minderheit von Chaoten, die sich absolut inakzeptabel, gewalttätig und aggressiv verhält. Ich finde, dass die Profifußballvereine dringend gefordert sind, sich mit diesem Thema stärker zu beschäftigen. Ich erwarte von den Vereinen, dass sie sich besser um ihre aggressiven Anhänger kümmern und konsequenter agieren. Zum Beispiel, indem sie klare Ansagen machen zum Verhalten im Stadion, indem sie die Sicherheitsmaßnahmen erhöhen, indem sie gegen wiederholt auffällig gewordene Chaoten Stadionverbote verhängen und, als Ultima Ratio, auch mal ganze Blöcke sperren.

Geht das auf Karte? Bezahlkarten-Lösung in der Asylpolitik (BS/sr) Eine Karte statt der Bargeldauszahlung – immer weniger werden Scheine und Münzen verwendet, warum also nicht auch dann, wenn es um die Auszahlung von Geldern an Asylsuchende geht? Mithilfe der Karte könnte aber noch mehr als der Geldfluss vereinfacht werden, wenn einige zusätzliche Daten auf ihr ergänzt würden. te bietet, nicht völlig ausgenutzt. Durch die Ergänzung biometrischer Daten oder zusätzlicher Informationen zur Person und ihrer Fähigkeiten könnte die Karte auch zur Vermittlung von Integrationskursen, Arbeitsplätzen und Sozialleistungen genutzt werden. Ein Konzept für eine solche „Basis-Karte Asyl“ verfolgt zum Beispiel das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD). Sie fordern, dass über eine solche Karte sowohl die Identifikation als auch die Abrechnung und Bereitstellung von unterschiedlichen Sozialleistungen zu regeln. Also eine Art All-in-One Lösung. Damit möglichst bald Erfahrungen mit solch einer Karte zur Verfügung stehen, hat das ICMPD in Absprache mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund begonnen, Regionen und Partner für regionale Pilotversuche zu suchen. Durch die Ergänzung von Daten wie gesprochenen Sprachen, beruflicher Ausbildung und auch biometrischer Daten zur eindeutigen Identifikation steigt neben dem Nutzen der Karte auch der Aspekt Sicherheit. Die Hinterlegung von biometrischen Daten würde zudem den Missbrauch der Karte erschweren. So gibt es zum Beispiel auch Möglichkeiten, den Kauf von bestimmten Konsumgütern, oder die Regionen in denen die Funktio-

Die einfache Auslese von Daten aus Identifikationskarten oder Apps erleichtert auch VerFoto: BS/AhmadArdity, pixabay.com waltungsakte.

nen der Karte genutzt werden kann beschränkt werden.

Digitale Identität Es sollte auch diskutiert werden, ob nicht ein EU-weiter Standard eingeführt wird, sodass bald in der gesamten EU ähnliche Bezahlkarten verwendet werden können. Diese Diskussion um eine EU-weite Ausweismöglichkeit und Speicherung von digitalen Informationen

zur Person sind dabei natürlich nichts Neues. Bereits seit Jahren ist die digitale Identifikation auch in anderen Mitgliedsstaaten eines der Kernziele der Digitalisierung. Ein Identifikations- und Bezahlkartensystem im Rahmen einer gemeinsamen Asylpolitik, die in der gesamten EU etabliert wird, wäre auch eine große Hilfe bei der Organisation und gleichmäßigen Verteilung der Asylsuchenden. In

Natürlich ist die Polizei für öffentliche Ordnung zuständig und wir helfen gerne, wenn es darum geht, um das Spiel herum für Sicherheit zu sorgen. Ziel muss es aber sein, dass die Veranstalter für die Sicherheit ihrer Veranstaltungen sorgen und die Polizei in Spielstätten gar nicht bzw. nur noch dann tätig wird, wenn es der gesetzliche Auftrag verlangt. Ein erstes Spitzengespräch mit Blick auf zukünftige Maßnahmen habe ich dazu bereits im Dezember mit den Verantwortlichen von Hannover 96 und Eintracht Braunschweig geführt. Behörden Spiegel: Ihr Bremer Kollege hat ja vorgeschlagen, die Vereine zur Kasse zu bitten. Ist das ein sinnvoller Vorschlag? Behrens: Am Ende des Tages geht es darum, dass wir die Gewalt in den und um die Stadien signifikant reduzieren – und zwar so schnell wie möglich. Am liebsten wäre mir, dass die Fußballvereine auf ihre Anhänger einwirken, denn es sind deren selbsternannte Fans und deren Spielstätten. Aktuell, so ist mein Eindruck, wird das Thema aber einfach der Polizei überlassen. Wenn das so bleibt und wir gar keine Bewegung der Vereine erleben, bleibt uns irgendwann ja gar nichts anderes übrig, als diese Einsätze in Rechnung zu stellen. Mir geht es aber in allererster Linie darum, die Gewalt zu verringern und die Gefährdungslage für alle Stadionbesucher zu reduzieren. Denn Teile der sogenannten Ultras interessieren sich nur sehr bedingt für den Fußball und stattdessen vor allem für die gewalttätige Auseinandersetzung untereinander oder mit der Polizei. Kurz: Ich schließe nicht für alle Zeiten aus, dass wir Einsätze in Rechnung stellen, aber erst einmal sprechen wir intensiv mit den Vereinen darüber, was sie kurzfristig tun können, damit die Gewalt im Stadion weniger wird.

Deutschland könnten dann die Länder und in der EU die einzelnen Mitgliedsstaaten individuelle Anpassungen nach ihren rechtlichen oder politischen Gegebenheiten vornehmen.

Eine Lösung? Aktuell ist eine einheitliche europäische Lösung nicht in Sicht und selbst die Pläne von Bund und Ländern scheinen noch vor ihrer Finalisierung auseinanderzugehen. So hat Bayern bereits Ende des vergangenen Jahres einen Kabinettsbeschluss, der auch die Ausschreibung der Karte zum Ziel hatte, verabschiedet. Ziel ist es die Karte bereits im Frühjahr 2024 anzubieten. Auch Mecklenburg-Vorpommern möchte bis zum dritten Quartal 2024 ein System in Ausschreibung haben und der Berliner Senat plant ebenfalls die Einführung einer Karte. In weiteren Ländern wird die Einführung einer Karte noch geprüft. Aber die Länder sind nicht die einzigen, die jetzt voran preschen. Auf kommunaler Ebene hat die Stadt Hannover bereits im Dezember die „Social-Card“ eingeführt und auch Landkreise wie Greiz oder der Ortenaukreis haben bereits eine Bezahlkarte umgesetzt. Auch wenn einzelne Länder und Kommunen bereits mit der Umsetzung der Bezahlkarte begonnen haben und die einzelnen Projekte sogar wertvolle Daten zur Auswertung und Schaffung einer gemeinsamen Grundlinie liefern können, bedarf es einer einheitlichen Grundlage, damit kein Flickenteppich an Lösungen entsteht.


Finanzen

Behörden Spiegel / Februar 2024

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Milliarden Euro – mit diesem Betrag hatte die Ampel die Modernisierung des streckenweise maroden deutschen Schienennetzes vorantreiben wollen, um ihrem erklärten Ziel pünktlich fahrender Züge näher zu kommen. 12,5 Milliarden Euro, und damit mehr als ein Viertel, wollte sie hierfür aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) entnehmen. Mit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November ist dieser Finanzierungsplan passé. Nun will die Ampel offenbar andere Wege zur Beschaffung der Gelder gehen. In einem Anfang Januar von der Regierung veröffentlichten Dokument zur „Verständigung zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Dr. Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner auf Änderungen zur Aufstellung des Haushalts 2024“ heißt es: Bis 2029 soll das Eigenkapital bei der Deutschen Bahn um 20 Milliarden Euro erhöht werden. 2024 und 2025 seien jeweils Eigenkapitalerhöhungen von 5,5 Milliarden Euro geplant. Diese sollen unter anderem aus Beteiligungserlösen finanziert werden.

Verkauf von Bundesanteilen an Post und Telekom Konkret bedeutet das, so berichten es mehrere Medien unter Berufung auf Regierungs- und Aufsichtsratskreise: Bundesanteile an der Deutschen Post und der Deutschen Telekom sollen verkauft werden. Demnach plane die Regierung, an der Telekom künftig nur noch eine strategische Beteiligung in Höhe von 25 Prozent zuzüglich einer Aktie zu halten; aktuell hält sie 30,5 Prozent. Bei der Post will man sich offenbar von mehr Anteilen trennen, Details wurden nicht genannt. Auf Anfra-

B

ehörden Spiegel: Sie sind seit Juli 2023 Finanzsenator der Freien Hansestadt Bremen. Welche Bilanz ziehen Sie nach rund einem halben Jahr? Fecker: Nach dem Amtsantritt war ein hohes Maß an Gestaltungskraft und Flexibilität erforderlich. Bereits bei der Haushaltsaufstellung für 2024 und 2025 wurde der geringe finanzielle Handlungsspielraum Bremens deutlich – eine Herausforderung. Viele Vorschläge mit Potenzial lassen sich angesichts der drohenden Haushaltslage nicht finanzieren. Insgesamt ist die Haushaltsaufstellung jedoch gelungen. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Notlagenfinanzierung musste auch Bremen innerhalb kürzester Zeit einen zweiten Nachtragshaushalt für 2023 vorlegen. Er war erforderlich für die bereits getätigten Ausgaben: Versorgung von Geflüchteten, Rettungsschirm für Kliniken, Stärkung der Pandemieresilienz bei Kitas und Schulen – all das musste korrekt finanziert werden. Es gibt allerdings noch viele weitere Bereiche, die Bremen beschäftigen: So haben wir zum Beispiel stark in die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude investiert und uns auch dem Thema Erbbaurecht bei städtischen Grundstücken gewidmet, um sie für die Stadtentwicklung in der Hand zu behalten. Außerdem haben wir gemeinsam mit dem Gesamtpersonalrat eine Dienstvereinbarung zum ortsflexiblen Arbeiten abgeschlossen, was die Beschäftigten sehr schätzen. Behörden Spiegel: Bremen hat vor einigen Jahren das Projekt eHaushalt etabliert. Wie ist hier der aktu-

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Unklarer Fahrplan Finanzierungsstrategien für die Deutsche Bahn nach europäischen Vorbildern (BS/Anne Mareile Walter) Der Bund ringt nach dem Haushaltsurteil um neue Finanzierungsoptionen zur Sanierung der Deutschen Bahn. Geplant ist offenbar der Verkauf von Bundesanteilen an Deutscher Post und Telekom. Was machen andere EU-Staaten besser? in Deutschland gibt es im Nachbarland daher nicht.

Österreich und Schweiz mit Vorbildcharakter

Wie kommt die Sanierung des teils maroden Schienennetzes in Schwung und was kann die Bundesrepublik bei der Frage der Finanzierung von anderen EU-Staaten lernen? Foto: BS/Deutsche Bahn AG, Stefan Wildhirt

ge des Behörden Spiegel bestätigte das Bundesfinanzministerium dies nicht. „Es ist noch keine Festlegung über Unternehmen und Umfang der zu privatisierenden Anteile getroffen worden“, teilte ein Sprecher mit. Eine auskömmliche Finanzierung der Bahn-Infrastruktur steht damit noch immer auf einem wackligen Fundament. Wie ist die Situation in puncto Finanzierung des Schienennetzes in anderen EU-Staaten und wie steht Deutschland hier im Vergleich da? Wie Daniela Morling, Sprecherin beim Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), erklärt, sei das Finanzierungsmodell in der Schweiz ein Vorbild für Deutschland. „Die

Schweiz gilt als Königsweg bei der Finanzierung“, sagt sie. „Hier gibt es eine mehrjährige Fondslösung, die für Planungssicherheit sorgt und nicht verbaute Gelder auch mal aufnimmt, um im Jahr darauf mehr zu bauen.“ Auch Dirk Flege, Geschäftsführer des gemeinnützigen Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene, führt das Nachbarland Schweiz als Musterbeispiel für eine zukunftssichere Finanzierung der Schienen-Infrastruktur an. In einem Gastbeitrag für die FAZ schrieb er kürzlich: „Durch den Bahninfrastrukturfonds sind in der Schweiz Ausbauprojekte des Schienennetzes bis 2035 verbindlich finanziert.“ Jährliche Budgetdiskussionen wie

Dabei wird der Schweizer Bahninfrastrukturfonds (BIF) zu einem Großteil aus allgemeinen Bundesmitteln finanziert. Hinzu kommen Einlagen, die sich aus Mehrwertund Mineralölsteuer, Kantonsbeiträgen sowie einer Schwerverkehrsabgabe speisen. Mithilfe des BIF werden sämtliche Kosten der Bahninfrastruktur finanziert – sowohl Betrieb und Substanzerhalt wie auch der weitere Ausbau. Für die Forschung im Eisenbahnbereich stellt der Fonds ebenfalls Mittel bereit. Große Finanzierungssicherheit herrscht auch im Nachbarland Österreich. Nach Angaben des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene sind dort Ausbauprojekte der Schieneninfrastruktur für jeweils sechs Jahre im Voraus finanziert. Zu diesem Zweck gibt es einen vom Ministerrat beschlossenen Rahmenplan, der Teil eines Vertrages zwischen Bund und Österreichischen Bundesbahnen ist. Durch die „jährlich rollierende Fortschreibung“ besitze diese Art der Finanzierung „ein hohes Maß an Stabilität“, so Flege. In Frankreich fußt die Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur auf einem anderen Prinzip. Dort ist die staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF für den Betrieb des

Bremen hält Kurs Trotz Schwierigkeiten auf einem guten Weg (BS) Die ersten Monate nach seinem Amtsantritt konfrontierten Bremens Finanzsenator Björn Fecker gleich mit mehreren Herausforderungen. Dennoch gibt es auch positive Entwicklungen. Im Interview sprach der Senator über den eHaushalt, Kosteneinsparungen und die Bedeutung der Standortsicherung. Die Fragen stellten Dr. Eva-Charlotte Proll und Marlies Vossebrecker. elle Stand und wie bewerten Sie den eHaushalt? Fecker: Der eHaushalt als zentrales elektronisches Managementinformationssystem soll Politik und Verwaltung helfen, wirkungsvoll zu steuern. Dieser Anspruch ist aus meiner Sicht sehr wichtig, um die Finanz- und Haushaltspolitik transparent zu gestalten. Insgesamt sind Initiative und Umsetzung auf das Ziel der Transparenz ausgerichtet. Der eHaushalt in Bremen ist in verschiedene Controlling-Module unterteilt: Neben dem Produktgruppen-Controlling gibt es das Beteiligungs-Informationssystem, welches das Controlling aller bremischen Beteiligungen darstellt. Die wirkungsorientierte Steuerung bildet die Einnahmen und Ausgaben für Sozialleistungen ab. Im Bereich eSteuerung geht es um das Projekt-Controlling der Schulund Kitabauten. Bei der Baumittel-Steuerung schließlich geht es um Planung und Controlling der Mittel für Schulbauprojekte. Künftig sollen noch Klimaschutz-Controlling und Finanzdaten in das System einbezogen werden. Aktuell befinden wir uns noch im Entwicklungsprozess, damit die vorliegenden Daten an die entsprechenden Gremien zur weiteren Nutzung und Bearbeitung weitergeleitet werden können.

Seit Sommer 2023 ist Björn Fecker der neue Finanzsenator Bremens.

Foto: BS/privat

Jede Ausgabenposition wird im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens gründlich geprüft.“

Behörden Spiegel: Teilweise bringt die fortschreitende Digitalisierung Kosteneinsparungen mit sich. An welchen Stellen können in Bremen Kosten eingespart werden? Fecker: Bremen macht bei der Haushaltsaufstellung auch eine Aufgabenkritik. Hier wird analy-

siert, welche Projekte umgesetzt werden, an welchen Stellen Geld ausgegeben wird und in welcher Höhe. Die Schwierigkeit besteht darin, dass viele feststehende Ausgabenblöcke existieren, die kaum veränderbar sind, wie etwa die Sozialausgaben. Gleichzeitig müssen gesetzliche Aufgaben erfüllt werden, etwa im Bereich der Schulen. Darum bleiben nicht viele Möglichkeiten für potenzielle Einsparungen. Jede Ausgabenposition wird im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens gründlich geprüft, insbesondere mit Blick auf Zielrichtung und Wirkung. Wenn nötig, findet der Senat auch Mut zu unpopulären Entscheidungen. Ein ganz konkretes Beispiel: Wir haben in den ersten Monaten nach meinem Amtsantritt die Entscheidung getroffen, eine unserer vier kommunalen Kliniken zu schließen und die dort angesiedelte Herz-Medizin ins neu gebaute Klinikum Bremen-Mitte zu verlagern. Das stößt bei den Menschen vor Ort auf Unverständnis, denn ein solches Krankenhaus ist eben auch ein Identitätsfaktor für den jeweiligen Stadtteil. Auch uns ist die Entscheidung im Senat nicht leichtgefallen. Die kommunalen Krankenhäuser sind schließlich das Rückgrat der stationären Krankenversorgung. Gerade darum und auch, um die Kliniken zu stabilisieren, haben wir diese

kompletten Schienenverkehrs zuständig. Mehrjährige Finanzierungslösungen, wie in der Schweiz oder Österreich üblich, existieren dort nicht. Investitionen in die französische Bahn-Infrastruktur erfolgen in erster Linie über die Réseau Ferré de France (RFF), eine Tochtergesellschaft des staatlichen Eisenbahnunternehmens SNCF. In Großbritannien schießt der Staat regelmäßig Geld zur Finanzierung der Schieneninfrastruktur zu. Die Zuschüsse der britischen Regierung stammen zum Teil aus Infrastrukturfonds, aber auch aus der Haushaltskasse. Zu den wichtigsten Finanzierungsquellen gehört zudem die staatliche Organisation Network Rail, die zur Instandhaltung und Modernisierung der Schieneninfrastruktur gegründet wurde.

Renditedruck als Ursache für schrumpfendes Schienennetz Bei der Frage, welches europäische Finanzierungsmodell Vorbildcharakter für die in Deutschland nur schleppend vorankommenden Sanierungsbestrebungen haben könnte, herrscht unter Experten eine einhellige Meinung: Die Schweiz und Österreich punkten mit einer mehrjährigen Finanzierungssicherheit – eine Planung mit vielen Vorteilen. „Es gibt in beiden Ländern nicht wie in Deutschland jedes Jahr aufs Neue Unsicherheit, wieviel Geld für den Schienenausbau zur Verfügung steht“, erklärt Flege. Die beiden Staaten eigneten sich jedoch noch aus anderen Gründen als Vorbilder: „Der Staat erwartet dort keine Gewinne von seinem Schienennetz.“ In Deutschland hingegen sei der Renditedruck eine der Ursachen, „warum das Schienennetz in den vergangenen Jahren so stark geschrumpft ist“.

schwierige und schmerzhafte Entscheidung getroffen. Behörden Spiegel: Ein weiteres wichtiges Thema für viele Kommunen ist die Nachhaltigkeitstransformation und damit verbunden auch Nachhaltigkeit, Haushalt und entsprechende Investitionen. Verfolgt die Stadt Bremen hier bestimmte Ansätze? Fecker: 2017 haben wir die Musterresolution des Deutschen Städtetags für nachhaltige Entwicklung bis zum Jahr 2030 unterschrieben. Bezüglich Nachhaltigkeit hat Bremen einige Erfolge vorzuweisen. Wir sind Spitzenreiter bei der Landwirtschaft, obwohl Bremen kein spezifisches Agrarland ist. Jedoch gibt es hier ein sehr gutes Bündnis zwischen Verwaltung, Politik und Landwirtschaft. Daher übersteigt Bremen bereits jetzt die hier festgelegte Quote von 30 Prozent. Mit einem Aktionsplan sorgen wir für Bio-Essen in Kitas und Schulen. Das ECOMAT (Bremen Center for Eco-efficient Materials and Technologies) als Innovationslabor für klimaneutrales Fliegen ist ein bedeutender Faktor für den Luft- und Raumfahrtstandort Bremen. Hier wird in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wirtschaft geforscht. Solche Institutionen dienen auch der Verbindung von Nachhaltigkeit und Standortsicherung. Ebenfalls haben wir den nachhaltigen Konsum in den Blick genommen und eine Kompetenzstelle im zentralen Einkaufsservice mit Beratung etabliert. Angesichts der heutigen Kurzlebigkeit von Konsumgütern gewinnen dabei die Themen Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung.


Beschaffung / Vergaberecht

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Behörden Spiegel / Februar 2024

► Entscheidungen zum Vergaberecht ► WARTEFRIST

► SOFTWARE

► RECHTSBEISTAND

► REFERENZEN

► AUFTRAGSART

Vergessene Information

Fehlende Lizenzen

Offensichtlich unbegründet

Auslegung nötig

Festlegung nötig

Zuschlag nichtig

Kostenlose Zugabe erlaubt

Kein Anwalt für einfache Fälle

Immer in rechtskonformer Weise

Konzession oder Dienstleistung?

Kleine Ursache – große Wirkung: Der Auftraggeber hatte in einem Verfahren betreffend die Reinigung von Grünanlagen, aufgeteilt in sieben Lose, in allen Losen irrtümlich nur die Zuschlagsprätendenten über die Zuschlagsabsicht informiert, nicht aber die unterlegenen Bieter. Ein Bieter, der auf mehrere Lose geboten hatte, wunderte sich, dass er in einem den Zuschlag, aber in allen anderen keine Absage erhielt. Er rügte daraufhin auf gut Glück die fehlenden Vorabinformationen der anderen Lose. Der Auftraggeber antwortete, dass ihm die Hände gebunden seien: Die Zuschläge seien erteilt und könnten nicht mehr zurückgenommen werden. Der Bieter dürfe aber darauf vertrauen, dass das alles korrekt gelaufen sei. Im Nachgang verschickte er die fehlenden Informationsschreiben. Letzteres konnte den Fehler nicht mehr heilen. Die einzige Möglichkeit, das Verfahren wieder auf einen rechtmäßigen Pfad zurückzuführen, hat die Vergabekammer vorgezeichnet: Die bereits erteilten Zuschläge sind allesamt für nichtig zu erklären, weil mangels Vorabinformation die Wartefrist gar nicht zu laufen begonnen hatte. Dadurch ist das Verfahren aber auch nicht abgeschlossen. Der Auftraggeber kann nun erneut die Vorabinformationen mit Angabe des frühesten Zuschlagstermins versenden und nach dessen Verstreichen die Zuschläge (ggf. an dieselben Bieter) erneut erteilen. Einziger Wermutstropfen: Die Bindefristen der Angebote sind inzwischen allesamt ausgelaufen.

Die Charité in Berlin wollte für eine Fachanwendung eine eigene Software entwickeln lassen. Im Ergebnis sollten die damit berechneten Daten in die im Hause bereits installierten MS-Access-Datenbanken überführt werden. Allerdings hat die Charité die Access-Lizenzen nicht erworben, sondern hat – wie heutzutage bei Microsoft üblich – nur jährliche Nutzungsrechte. Im Angebot für die Softwareentwicklung sollte daher auch angegeben werden, welcher Preis dafür verlangt würde, falls die Klinik ihre Komplett-Lizenz für Access aufgäbe, wodurch dann Einzellizenzen für die Arbeitsplätze der Fachanwendung erforderlich würden. Ein Bieter trug einen Preis von null Euro ein. Der Auftraggeber vermutete dahinter das Missverständnis, dass die Lizenzen, weil aktuell vorhanden, nicht angeboten werden sollten. Ein auf den vermeintlich fehlenden Preis für die Lizenzen gestützter Ausschluss trägt ebenso wenig wie der darob entstehende Zweifel über die Auskömmlichkeit. Die Angabe von null Euro sollte, so erklärte der Bieter, so verstanden werden, dass er bei Bedarf diese Lizenzen kostenlos zur Verfügung stellt. Dies stelle im Vergleich zum Gesamtauftrag einen so geringen Kostenblock dar, dass er mit dieser „Zugabe“ wirtschaftlich auch nicht überfordert würde. Dieser Argumentation folgte die Vergabekammer. Zum Zuge kam das Angebot dennoch nicht: Eine Spezifikation des Auftragebers zur Datenübergabe von SAP an MS-Access war vom Bieter nicht eingehalten worden.

Der Abfallwirtschaftsbetrieb eines Landkreises schrieb die Entsorgung von Abfällen aus. Dabei war die Entsorgungsstelle anzugeben. Der Bieter, auf welchen der Zuschlag erteilt werden sollte, verfügt über einen eigenen Werkhof, welcher nach Ansicht eines Konkurrenten die Anforderungen der Ausschreibung nicht erfüllte. Dieser Konkurrent rügt die Zuschlagsabsicht und stellt nach Zurückweisung durch seinen Rechtsanwalt einen Nachprüfungsantrag. Der Abfallwirtschaftsbetrieb verfällt darob in Panik: Er hat keine Rechtsabteilung und auch die Rechtsabteilung des Landkreises kann ein eilbedürftiges Nachprüfungsverfahren nicht nebenher betreuen. Also wird ein externer Rechtsanwalt beauftragt. Der Nachprüfungsantrag scheitert: Schon nach Akteneinsicht zieht der Konkurrent den Antrag zurück. Die Akte hatte gezeigt, dass die Rüge unbegründet war: Für die Abfallentsorgung war ein ausschreibungskonformer Weg angeboten worden. Wenn aber der Fall so einfach gelagert ist, dass allein durch die Kenntnisnahme der Entscheidungsgründe die Nachprüfung abgewehrt worden konnte, bedarf es auch keines Rechtsanwaltes aufseiten der Vergabestelle. Die rein inhaltliche Verteidigung der eigenen Wertungsentscheidung gehört zur Kernkompetenz auch eines Auftraggebers ohne vertiefte juristische Kenntnis. Dies hätte der Auftraggeber auch schon beim Studium der Antragsschrift erkennen können.

Der Auftraggeber schrieb die Entsorgung von Bio-Abfall aus, ohne dafür konkrete Eignungskriterien zu benennen. Er verlangte lediglich zwei Referenzen von Voraufträgen, die eine dem aktuellen Auftrag ähnliche Größenordnung erreichen sollten, nämlich jeweils mindestens 50 Prozent der aktuellen Tonnage. Den Bietern wurde auch ermöglicht, einzelne kleinere Referenzen zusammenzufassen, um 50 Prozent zu erreichen. Der preisgünstigste Bieter legte drei Kleinreferenzen vor, die auf insgesamt 63 Prozent der aktuellen Tonnage kamen. Ob diese Referenzen zu werten seien (weil sie über 50 Prozent lagen) oder nicht (weil sie insgesamt nur 63 Prozent entsprachen), war Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens. Das OLG Frankfurt verlangt die Rückversetzung des Verfahrens. Auftraggeber und Bieter wollten die Vergabeunterlagen so verstehen, dass das Erreichen von 50 Prozent der Tonnage ausreichend sein solle. Eine solche Auslegung der Unterlagen aber wäre nicht rechtskonform und verbietet sich daher. Denn so würden Bieter ungleich behandelt: Solche, welche nur zwei große Aufträge nachweisen können, müssten 100 Prozent der Tonnage erreichen, solche, die viele kleine Aufträge ausführen, nur 50 Prozent. Wenn der Auftraggeber selbst aber seine eigenen Unterlagen falsch auslegt, waren sie offensichtlich missverständlich. Auf deren Basis kann kein Vergabeverfahren geführt werden. Das Verfahren muss also mit überarbeiteter Beschreibung der Referenzkriterien neu gestartet werden.

Die Errichtung von Ladesäulen ist mit hohen finanziellen Unwägbarkeiten verbunden. So hatte sich eine Kommune dafür entschieden, diese Leistung als Dienstleistungsauftrag nach VgV auszuschreiben, obwohl die Entgelte aus dem Verkauf des Ladestroms dem künftigen Säulenbetreiber zufließen sollen. Damit sich überhaupt ein Betreiber findet, rechnet die Kommune mit erforderlichen Zuschüssen, die möglicherweise den weit überwiegenden Teil der Einnahmen des Betreibers ausmachen würden. Der Auftraggeber muss sich jedoch zuerst entscheiden, wieviel Zuschuss er maximal zahlen will. Ohne dass er sich selbst Klarheit über seine wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschafft hat, fehlt schlicht die Ausschreibungsreife. Bleibt dem Betreiber je nach Zuschusshöhe nämlich ein wesentliches Betriebsrisiko, so handelt es sich nicht um einen Auftrag, sondern um eine Konzession. Hier wollte der Auftraggeber einen Bieter nach erfolgloser Aufklärung eines erstaunlich niedrigen Preises ausschließen. Im Bereich der Konzessionsvergabe ist dieser Ausschlussgrund aber nicht durch Verordnung normiert, sodass er nicht herangezogen werden kann, ohne dass er ausdrücklich in den Vergabeunterlagen aufgeführt worden wäre. Weil aber die Unterlagen von einem Verfahren nach VgV ausgingen und daher diesen ausdrücklichen Hinweis nicht enthielten, ist das Verfahren intransparent. Daher war die Rückversetzung bis vor Bekanntmachung anzuordnen.

VK Lüneburg (Beschl. v. 28.04.2022, Az.: VgK-9/2023)

VK Berlin (Beschl. v. 13.04.2022, Az.: VK B1-30/21)

OLG Frankfurt (Beschl. v. 28.09.2023, Az.: 11 Verg 2/23)

VK Südbayern (Beschl. v. 19.10.2023, Az.: 3194.Z3-3_01-23-20)

BayObLG (Beschl. v. 06.06.2023, Az.: Verg 8/23)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄

W

ährend es in der Corona-Pandemie vor allem Dringlichkeitsvergaben waren, die Probleme verursachten, zeigt sich auch nach der Pandemie, dass die öffentliche Vergabe beschleunigt und vereinfacht werden muss. Dennoch werden die Lehren aus der Pandemie wichtig bleiben. Dies unterstrich auch noch einmal Dr. Jens Knop, Richter am Oberverwaltungsgericht Rostock, als er in seinem Vortrag auf dem Hamburger Vergabetag Ende Januar davon sprach, dass angesichts weiterer möglicherweise bevorstehender Krisen immer wieder Dringlichkeitsvergaben anstehen werden. Die Vereinfachung der öffentlichen Vergabe als Ganzes bleibt aber im Vordergrund.

Einfach vergeben Wann kommt eine einfachere Vergaberegelung? (BS/sr) Dass der Einkauf und die Vergabe von Aufträgen für den Öffentlichen Dienst schneller sein könnten, sogar müssten, ist kein Einzelwunsch. Kein Wunder also, dass die Vereinfachung der Beschaffung wieder ein großes Thema auf dem Hamburger Vergabetag war. Ob sich eine solche Kooperation auch umsetzen lässt, ist allerdings eine andere Frage.

Vorreiter Hamburg

Prozesse integrieren Für einen reibungslosen Verfahrensablauf braucht es neben einem erfahrenen Vergabemanagement auch kaufmännische Expertise. So berichtete Alen Masic, Leiter Einkauf beim Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin, dass Marktkenntnis entscheidend sein kann. Es sollte einem jeden Vergaberechtsexperten bekannt sein, was er da gerade ausschreibt und worauf bei der Beschaffung des Objektes zu achten ist. Dadurch lassen sich Fehler vermeiden und Ausschreibungen präzisieren. In diesem Punkt sind sich Vergabestellen, Rechtsexperten und Bieter einig. Fachwissen

Dataports „Strategisches Vergabemanagement und Lizenzvertragsmanagement“ gewinnt den Hamburger Vergabepreis für seine Arbeit im Vergabewesen. Foto: BS/Sven Rudolf

aus dem kaufmännischen Bereich ist praktikabel. Nicht verwunderlich ist es, dass der Vergabepreis an die Vergabestelle von Dataport geht, wo die Juristen „eher Kaufleute“ sind, wie Christoph Dirksen, Leiter „Strategisches Vergabemanagement und Lizenzvertragsmanagment“, beschreibt. Dataport als zentrale Vergabestelle für alle digitalen Ausschreibungen der Länder Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein und weitere öffentliche Stellen geht sogar noch einen Schritt weiter, in-

dem es das Wissen für mehrere Vergabestellen gleichzeitig bündelt. Gegenseitige Hilfe bei Beschaffung oder Vergabe sind nach Ansicht von Masic weitere Methoden, Vergabestellen zu entlasten und Prozesse zu vereinfachen. Heutzutage könne man die meisten Ausschreibungen über Vergabeportale einsehen und so schnell erfahren, wer gerade ähnliche Beschaffungen plane. Dann könne man sich für solche Beschaffungen zusammenschließen oder voneinander profitieren.

Ein anderer Ansatz zur Optimierung ist eine direkte Anpassung der Vergaberichtlinien. Da sind sich alle Expertinnen und Experten einig, sowohl die Vergabestellen als auch die Bieter und Juristen. Eine mögliche Vereinfachung für die Vergabe findet sich im vierten Änderungsgesetz des Hamburgischen Vergabegesetzes. Dr. Tim Schurig, Leiter des Grundsatzreferats Vergaberecht in der Finanzbehörde der Hansestadt Hamburg, und Janosch Krieter, stellv. Referatsleitung Vergaberechtliche Grundsatzfragen, Beratung und Informationsmanagement, erklären, wie die Anpassung der Richtlinien das Vergabeverfahren vereinfacht. Für sie ist vor allem die Relevanz der Vereinfachung ein entscheidender Punkt, den es zu beachten gilt. So entschloss man sich zum Beispiel, die Direktauftragswertgrenze auf 5.000 Euro anzuheben. Ebenfalls betreffen die Maßnahmen zur Vereinfachung nur Verfahren, die Werte unter

100.000 Euro ausschreiben. Damit sind jedoch bereits 99 Prozent der von Hamburg ausgeschriebenen Verfahren abgedeckt. Durch die Ausklammerung dieser wenigen Verfahren konnten die Richtlinien einfacher angepasst werden. Wann die Bundesregierung ähnliche Anpassungen zur Vereinfachung des Vergabewesens auf den Weg bringen wird, ist offen. Im Koalitionsvertrag war die Vereinfachung des Vergabewesens jedoch vorgesehen. Dr. Konrad von Hoff, Referatsleiter Öffentliche Aufträge; Vergaberecht; Immobilienwirtschaft, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, strebt aktuell an, die Anpassung der Vergabeverordnung noch bis zur Sommerpause 2024 ins Parlament zu bringen. Er erwähnte jedoch auch, dass hier gute Ideen und Lösungen wichtiger wären als die Zeit bis zur Anpassung.

Warum eigentlich Töchter? TAG DER BETEILIGUNGSVERWALTUNG 27.-28. Februar 2024, Hamburg

www.beteiligungsverwaltung.org


Referat I 9 Innerer Dienst, Zentralregistratur, IT-Administration Henriette von Lenthe1 -13 2454

Referat I 3 Strategisches Personalmanagement Astrid Dornauf

Referat I 6 Organisation der Steuerverwaltung, Krisenmanagement Thomas Fröhlich1 -13 2210

mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt

Gleichstellungsbeauftrage/r: Datenschutzbeauftragte/r: Schwerbehindertenvertretung: Vorsitzende/r des Personalrats: Beschwerdestelle nach § 13 AGG:

Almut Marchesi Heiko Schwarz Petra Borgenheimer Christoph Koy Stephanie Klatt Annette Reineke-Westphal Yvonne Stuppy

-13 4541 -13 2324 -13 2303 -13 4164 -13 4589 -13 2380 -13 2359

Referat II 9 Umsatzsteuer EU-Harmonisierung, Betrugsbekämpfung, Besteuerungsverfahren, Steuerbefreiungen mit Vorsteuerabzug Andreas Kruchen -13 2385

Referat II 4 Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umwandlungssteuer, Gemeinnützigkeit, Internationales und Europäisches Steuerrecht Dr. Alexander Mann -13 2265 Referat II 5 Umsatzsteuer Grundsatzfragen, Vorsteuerabzug, Steuersätze, Steuerbefreiungen ohne Vorsteuerabzug, Umsatz-Besteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts NN

Referat II 8 Einkommensteuer mit Nebengesetzen, Lohnsteuer, Vermögensbildung, Kirchensteuer, Kapitalertragsteuer, Investmentsteuergesetz Annett Eckardt -13 2414

Referat II 3 Finanzmarktrecht, Fragen des Banken- und Finanzwesens in Wirtschaft und Gesellschaft -13 2520 Andreas Rolker

-13 4184

Referat II 7 Einkommensteuer mit Nebengesetzen Dr. Julia Wilhelm

Referat II 2 Grundsatz-, Reform- und Verfassungsfragen Peter Mandler -13 2299

-13 2260

Referat II 6 Außenprüfung, Steuerfahndung, Steuerstrafrecht, Bewertung, Grundsteuer, Erbschaft-, Schenkung- und Vermögensteuer, Verbrauch- und Verkehrsteuern, Zölle Astrid Higelin -13 2305

Matthias Schenk

Abteilung II Steuerabteilung – Steuern, Abgaben und Finanzmarktrecht –

Referat II 1 Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Steuerberatungsrecht, Vollstreckung Heinrich Finger -13 2515

Ansprechperson für Korruptionsprävention:

Referat I IR Interne Revision dem Amtschef unmittelbar zugeordnet Informationssicherheitsbeauftragte/r Ministerium und Geschäftsbereich Datenschutzbeauftragte/r Almut Marchesi1 -13 4541

Referat I 13 Strategisches Nachhaltigkeits­ management und Unterbringung Lara Sieber1 -13 2202

IK Stabsstelle „Gesamtleitung im Gesamtvorhaben KONSENS“ (Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung) Jürgen Thiel -13 2376

Staatssekretär Uwe Becker

Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz

Minister

-13 2349

Referat III 11 Zentrales Finanzcontrolling, Europa, Finanzhilfenberichte Ralf Bitterberg -13 2215 Referat III 12 Versorgungsrücklage, Einzelplan 02, Digitalisierung, Kap. 17 06 Dorothee Hilpert -13 2366

Referat III 6 Einzelpläne 01, 03 und 07 Dr. Andreas Stüdemann -13 2568

-13 2467

Referat III 10 Einzelpläne 04 und 08, Konnexität Sebastian Schäfer1 -13 2337

Referat III 9 Rechnungslegung, Finanzstatistik, Zahlungsverkehr, Projekt LHO Harald Bott -13 2500

Referat III 8 Steuerhaushalt und Steuerschätzung, Bund-Länder-Finanzbeziehungen Reinhold Weiß -13 2440

Referat III 7 Grundsatzfragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik, Haushaltsüberwachung, Finanzplanung, Einzelplan 17 Kai Hofmann -13 2338

-13 2220

Referat III 5 Kredit- und Anlagemanagement Dr. Alexander Labermeier -13 2279

Referat III 4 Einzelplan 15 Michael Seneberg

Referat III 3 Einzelpläne 06, 11 und 18, Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen Dr. Gitte Halder -13 2236

Referat III 2 Einzelpläne 05, 09 und 10, Beamten-, Besoldungs- und Tarifrecht Dr. Tillmann Gimm1 -13 2347

Bernd Hollstein

Referat III 1 Haushaltsrecht und Haushaltssystematik, Gesamthaushalt, Kopfstelle

Dr. Gerrit Rüdiger

Abteilung III Haushaltsabteilung – Haushalt und Finanzpolitik –

Foto: BS/Thomas Lohnes

Referat IV 6 Rechtsangelegenheiten Bau und Liegenschaften, Immobilienmanagement Stephan Hieke -13 2514

Referat IV 5 Staatsschulden, Beteiligungen des Landes an privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Unternehmen, Spielbanken, Staatslotterien Dr. Frank Roland -13 2555

Referat IV 4 Kommunalfinanzen II Investitionsförderungen, Besondere Finanzzuweisungen, Haushalt des Kommunalen Finanzausgleichs Kai Klumpp -13 2224

Referat IV 3 Kommunalfinanzen I Kommunaler Finanzausgleich HESSENKASSE Patrik Kraulich -13 2352

Referat IV 2 Staatliche Finanzierungshilfen, Verwaltung von Beteiligungen Sandra Strobl -13 2231

Referat IV 1 Grundsatzfragen der Verwaltung von Beteiligungen, Beteiligungen des Landes an privatrechtlichen Unternehmen Dagmar Brinkmann -13 2225

IV R Abteilungsstabsstelle IV: Allgemeine Rechtsfragen (Bau-, Liegenschafts-, Vergabe-, Kommunal- und Beteiligungsrecht) Uwe Michael Schickel -13 2211

Referat F / RF Bundesrat und Finanzministerkonferenz Thomas Smaga -13 2631 Katharina Simon -13 2347

Referat IV 13 Bauverfahren, Bauliche Standards und Koordinierung Bundesbau Anne Roth1 -13 2416

Referat IV 12 Portfoliostrategie und Gebäudemanagement Ulrich Kist -13 2334

Referat IV 11 Beteiligungen des Landes an privatrechtlichen Unternehmen, Stiftungen, Fiskalerbschaften Marianne Willems -13 2406

Referat IV 10 Haushaltsaufstellung und -vollzug Einzelplan 18, Baumaßnahmen des Landes, Public-Private-PartnershipMaßnahmen / PPP-Kompetenzzentrum Guido Brennert -13 2562

Referat IV 9 Hochschulbaumaßnahmen, Zuwendungsbaumaßnahmen, Rechnungshofmitteilungen, Koordinierung der fachaufsichtlichen Belange des LBIH, Kunst am Bau – Ausstattung von Baumaßnahmen/ Gebäuden mit Kunstwerken Stefan Haub -13 2525

Referat IV 8 CO2-neutrale Landesverwaltung, Klimaschutz im Landesbau, Energieeffizientes Bauen, Technische Standards Hans-Günter Göddemeyer -13 2535

Sophia von den Driesch -13 4175

Referat IV 7 Hochschulbaumaßnahmen, Baukultur, Universelles Design

Abteilung IV Staatsvermögens- und -schuldenverwaltung, Kommunaler Finanzausgleich, Bau- und Immobilienmanagement Elmar Damm -13 2201

LMB Leiterin Ministerbüro Elke Jödicke1 -13 2237 M 1 Persönliche Referentin Milena Stein -13 2509 M 2 Pressesprecher Ralph-Nicolas Pietzonka -13 2457 M 3 Parlaments- und Kabinettsangelegenheiten Christian Weigel -13 2273 M 4 Grundsatzangelegenheiten, Öffentlichkeitsarbeit NN M 5 Europäische und internationale Angelegenheiten Lisa Fieblinger -13 4169

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Hessisches Ministerium der Finanzen Stand: Februar 2024

Personelles

1

Referat I 11 IT und Digitalisierung, Fachaufsicht HCC und HZD, Externes IT-Projektcontrolling Dr. Stefan Galster1 -13 2325

Referat I 5 Allgemeines Justiziariat, Compliance, Datenschutz, Dienst-, Arbeits- und Tarifrecht Heiko Schwarz -13 2324

Referat I 12 Digitale Transformation der Steuerverwaltung, Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) im Themenfeld Steuern und Zoll Laura Wilpert1 -13 2450

Referat I 10 Organisation und Personal Landesinterne Dienstleister [Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) und Bundesbau, Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD), Hessisches Competence Center für neue Verwaltungssteuerung (HCC)] Martina Albert -13 2622

Referat I 4 Haushalt des Ressorts, Controlling, Haushaltsbeauftragte/r Stefan Winkel1 -13 2323

-13 2358

Referat I 8 Organisation und Personal Ministerium, Personalangelegenheiten der FITKO (Förderale ITKooperation) Heinrich Grün -13 2283

Referat I 2 Organisationsentwicklung, Prozessmanagement, Veränderungsmanagement, Controlling sowie Organisation Studienzentrum Silke Hartung -13 2271

-13 2275

Referat I 7 Personal Steuerverwaltung, Studienzentrum der Finanzverwaltung und Justiz Kristina Döring -13 2285

Michael Hohmann

Abteilung I Zentralabteilung

Referat I 1 Strategisches Management, Interne Kommunikation, Social Media Personalmarketing Benjamin Rustler1 -13 2617

IP Projekt „HCC Zukunftsvision 2025“ Jutta Thomas -13 2296

Hessisches Ministerium der Finanzen Friedrich-Ebert-Allee 8 65185 Wiesbaden Telefon: 0611/32-0 E-Mail: poststelle@hmdf.hessen.de

Hessisches Ministerium der Finanzen

Behörden Spiegel / Februar 2024 Seite 9


Diplomaten Spiegel

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Behörden Spiegel / Februar 2024

dann überall und jederzeit persönlich vorbringen können“, erzählt Linntam. Wie auch immer, der estnischen Staatskasse bringt die Bit-und-Byte-Technologie eine Ersparnis zwischen zwei und drei Prozent des BIPs pro Jahr. Die Verwaltungen in weiten Teilen Deutschlands scheinen mit diesem Verfahren noch völlig überfordert zu sein und schalten die OnlineAutozulassung reihenweise wieder ab.

Digitalisierung spart Geld, Zeit und Nerven

Japan, Korea, Estland

Berliner Gespräch mit der estnischen Botschafterin Marika Linntam (BS/ps) An der Hildebrandstraße in Berlin, zwischen südlichem Tiergarten und Landwehrkanal, steht die Botschaft von Estland. Hausherrin ist dort seit September 2023 Marika Linntam. Die 44-jährige Juristin kommt 2001 in den auswärtigen Dienst, kümmert sich hauptsächlich um Europa-Angelegenheiten, zuletzt als Generaldirektorin im estnischen Außenministerium, bis sie Botschafterin in Berlin wird. Einer Stadt, die mit 3,7 Millionen fast drei Mal mehr Einwohner als ihr Land hat, das dabei etwa so groß wie Niedersachen ist.

Die überzeugte Europäerin Marika Linntam ist zum ersten Mal im als Chefdiplomatin für Estland im Ausland aktiv.

D

ie bilateralen Beziehungen zu dem nördlichsten der kleinen baltischen Staaten sind alles andere als klein, sondern eng und freundschaftlich. Ob in Politik, Wirtschaft, digitalem und grünem Wandel, Kultur, Bildung, der Zusammenarbeit und Kontakten zwischen den Menschen, mit Unternehmen und sonstigen Institutionen: es läuft überall „rund“, man kennt und schätzt sich. Deutschland war 2021 mit einem Anteil von 5,7 Prozent am Warenaustausch auf Rang fünf der wichtigsten Handelspartner Estlands. Es gibt viele deutsche Unternehmen in Estland, dessen Wirtschaft in den letzten Jahren stark gewachsen und daher für deutsche Investoren interessant ist. Im Übrigen punktet die Republik als einer der am höchsten digitalisierten Staaten der Europäischen Union. Die stimmige Verbindung im Handel und Wandel hat historische Wurzeln: Präsenz der Deutsch-Balten vom 13. Jahrhundert bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, die Blüte der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zur Zeit der Hanse im Mittelalter und eine daraus resultierende starke Stellung der deutschen Sprache, die auch die Zeit der sowjetischen Besatzung überdauerte. Nach Wiederherstellung der estnischen Unabhängigkeit im Jahr 1991 haben sich die kulturellen Beziehungen mit einem Schwerpunkt auf der Förderung der deutschen Sprache, der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaften und Hochschulen sowie auf dem Kulturaustausch intensiviert.

Überzeugt transatlantisch Botschafterin Linntam, erstmals als diplomatische Solistin unterwegs, hat nicht nur einen festen Händedruck, sondern die neuen Aufgaben ebenso im Blick, um ihre Anliegen im Parlament, Kanzleramt, in Ministerien, bei Land und Leuten höflich aber bestimmt darzulegen. „Dieser Job in Berlin ist sehr dynamisch, wie unsere bilateralen Beziehungen. Dennoch gibt es immer was zu vertiefen“, so die Estin. Aktuell seien die Schwerpunkte die Sicherheit in Europa nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, die Kooperation in der Nato, deren Mitglied Estland seit 2004 ist, die Stationierung einer Bundeswehrbrigade in Litauen,

eine gemeinsame Luftraumüberwachung und die große deutsche Unterstützung für Kiew. Als überzeugte Europäerin und Transatlantikerin glaubt Linntam,

Von Interesse für uns könnte es dagegen sein, wie ihr Land den Umgang mit den bislang 50 bis 60.000 ukrainischen Flüchtlingen – immerhin drei bis vier Prozent der

Foto: BS/Botschaft von Estland

stark in Estland“, so Linntam. Sie glaubt, dass so die Integration geschafft werden kann: „Und hoffentlich können viele nach dem Krieg in die Ukraine zurückkehren.“ Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass man in der baltischen Republik Migration und Arbeitskräftemangel zusammendenkt und sich die Flüchtlingsdebatte nicht wie anderswo, um es einmal vorsichtig auszudrücken, im Kreis dreht und mit jeder Umdrehung hartherziger wird.

Nolens volens in der Wartegemeinschaft

Die Pakri-Inseln im Finnischen Meerbusen sind ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen in Estland. Freiraum gibt es dabei für Besuchende genug: Estland ist eines der am Foto: BS/Artenex, stock.adobe.com dünnsten besiedelten Länder in Europa.

dass die EU-Länder und die USA der Ukraine auch künftig helfen sollten. Das sei grundsätzlich wichtig für die Zukunft Europas und der auf Regeln basierten Welt. Vor diesem Hintergrund ist es für sie beruhigend, dass die rund 84.000 Esten mit russischer Staatsbürgerschaft in ihrem Land offenbar Putins hegemoniale Ansprüche auf die Ukraine in keiner Weise teilen, sehr gut integriert sind, das Leben in der EU schätzen und sich als Esten wohlfühlen. Und die werden, wie ihre anderen Landsleute, ohne Ansehen der Person am 1. Mai 2024 ihre 20-jährige EU-Zugehörigkeit feiern. Es wird wohl ein heiter-besinnliches Fest werden, weltlich, analog, übereinstimmend, Hand in Hand.

Ukrainer gut integriert Lag Marika Linntams Arbeitsschwerpunkt zu Hause eher auf allgemeinen Themen der EU und den bilateralen Beziehungen zu anderen Mitgliedsländern, so ist sie nun Allrounderin und für (fast) alles als Frontfrau zuständig: „Wobei es in Tallinn durchaus Überschneidungen mit meinen jetzigen Tätigkeiten gab, sodass in Berlin nicht alles neu für mich ist. Natürlich muss ich Deutschland noch weiter und besser kennenlernen, was ich sehr interessant finde.“

Gesellschaft – organisatorisch umsetzt. „Viele haben einen Arbeitsplatz, lernen unsere Sprache und werden allermeist akzeptiert. Der Wille, den Ukrainern zu helfen, ist

Eine andere, erfolgreiche, ist die Digitalisierung des Öffentlichen Dienstes in Estland, der zu 99 Prozent online abgewickelt werden kann. Normal ist dort eine Verwaltung ohne Schlange zustehen und Nummernziehen. Das meiste ist per eingescannter Unterschrift und Mausklick durchführbar. Ist bei uns analoges Verwaltungshandeln mit seinen „Wartegemeinschaften“ nolens volens immer noch gang und gäbe, so ist es dort eher schwierig, jemanden zu finden, der keinen Computer besitzt und nutzt. „Sicher gibt es trotzdem Menschen ohne PC, die ihre Anliegen

Auch bei der Schulbildung hat Estland ob seiner IT-Affinität die Nase vorn und belegt nach der aktuellen PISA-Studie, die Leistungen von Schülern aus 57 Ländern untersucht, den dritten Platz nach Japan und Korea. Ihre deutschen Kameraden landen auf dem 21. Platz und schneiden im Rechnen, Lesen und den Naturwissenschaften so schlecht ab wie noch nie. Auf die Frage, ob wir von ihrem Land das Lehren und Lernen lernen könnten, lächelt die Botschafterin diplomatisch: „Das ist nicht so leicht zu beantworten. Wir sind jedoch stolz auf unser gutes Ergebnis. Vielleicht liegt das auch daran, dass unsere Schülerinnen und Schüler sich für ihr Fortkommen verantwortlich fühlen und lernen, weil es für ihre Zukunft gut und notwendig ist.“ 23 Jahre ist Marika Linntam nun im Auswärtigen Dienst aktiv und bis auf den Umstand, dass sie unsere Sprache, wie sie findet, noch nicht ganz perfekt beherrscht, ist sie mit sich und ihrem Leben an der Spree sehr zufrieden. „Das hat meines Erachtens damit zu tun, dass die Menschen, mit denen ich zu tun habe, sehr offen, freundlich und zuverlässig sind. Vielleicht liegt es daran, dass wir historisch und kulturell in unserem Ostseeraum durch die gemeinsame Hanse-Vergangenheit mit der deutschen Mentalität sehr gut klarkommen, weil sie unserer ähnlich ist.“ Letzte Frage – möchte sie irgendwann mal ganz was anderes, NichtDiplomatisches tun? „Diplomatie hat mich schon immer interessiert und bin nun damit sehr zufrieden, arbeite gerne darin, weil es wohl in keinem anderen Beruf so viele unterschiedliche Aufgaben und Herausforderungen gibt. Bis auf Weiteres wird sich das für mich auch nicht ändern. Aber ich kann natürlich hier und heute nicht ausschließen, eines Tages etwas anderes zu arbeiten.“ Man soll ja nie nie sagen …

Rezept der Botschafterin Estnischer Kartoffelsalat Zutaten (4 Pers.): 4 –5 gekochte Kartoffeln (vorwiegend festkochende), 2 gekochte Karotten, 2 gekochte Eier, ½ Salatgurke, 1 Apfel, 100 g Erbsen (frisch, TK oder aus der Dose), 200 g Sauerrahm, 200 g Mayonnaise, 100 ml Gewürzgurkenwasser, Salz & Pfeffer; optional: 100 g Fleischwurst Zubereitung: Die gekochten Kartoffeln und Karotten schälen, in kleine Würfel in eine Schüssel schneiden und die gekochten Eier darüber reiben oder mit einer Gabel zerdrücken. Die Gurke und den Apfel ebenfalls in kleine Würfel schneiden. Gurken- und Apfelwürfel zu den anderen Zutaten in die Schüssel geben. Dann noch die Erbsen hinzufügen. Nun Sauerrahm, Gewürzgurkenwasser und Mayonnaise verrühren und ggf. mit Salz und Pfeffer abschmecken. Sauce auf den Salat geben und alles vorsichtig durchmischen. Vor dem Servieren sollte der Kartoffelsalat ein paar Stunden durchziehen. Wer mag, kann den Salat noch mit Frühlingszwiebeln oder Dill verzieren. Mit Schwarzbrot und/oder Würstchen servieren. Dazu: Pilsner Bier

Foto: BS/ FomaA, stock.adobe.com


Kommune Behörden Spiegel

Berlin und Bonn / Februar 2024

www.behoerdenspiegel.de

Nicht übersehen! (BS/Marlies Vossebrecker) Nicht nur in den kalten Wintermonaten birgt ein Leben auf der Straße für obdachlose Menschen viele Gefahren. Ein Großteil der Gesellschaft schaut über diesen Zustand hinweg, und viele Kommunen bieten nur unzureichende Hilfsmaßnahmen an. Dabei stellt sich die Frage, was die Obdachlosen tatsächlich benötigen und wie ihre Rückintegration ohne Bevormundung gelingen kann.

Grafik: BS/ Marvin Hoffmann unter Verwendung von Augusto, stock.adobe.de

B

evor Pläne zur Verbesserung der Lage von obdachlosen Menschen in Angriff genommen werden können, müssen vorab die Gründe für Obdachlosigkeit ermittelt werden. Ähnlich wie in vielen Städten gehört auch in Leipzig und Hamburg der Anblick von Menschen, die auf der Straße leben, zum alltäglichen Stadtbild. Beide Städte benennen dieselben Wege, die primär in die Obdachlosigkeit führen können: Schulden, Konflikte mit Nachbarschaft oder Familie, Trennungen, (psychiatrische) Gesundheitsprobleme und Suchterkrankungen. Außerdem spielt auch plötzliche oder langandauernde Arbeitslosigkeit eine gewichtige Rolle. Ein Sprecher der Sozialbehörde Hamburgs erklärt zusätzlich auch Ablehnung von staatlicher Hilfe oder Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zu den Faktoren, warum Menschen nach wie vor auf der Straße lebten.

Regelmäßige Studien in Hamburg Hamburg reagiert mit regelmäßigen Erfassungen der Lebensumstände Obdachloser auf die Problematik um deren Schicksal – als einzige deutsche Großstadt. Die letzte Studie dazu stammt aus dem Jahr 2018 und gibt Einblick in die Lebenswirklichkeit eines obdachlosen Menschen in Deutschlands Kommunen. Die Dauer der Obdachlosigkeit betrug laut Angaben der Befragten von einem Tag bis hin zu 48 Jahren (Mann) bzw. 37 Jahren (Frau). 30 Prozent waren zwischen einem und vier Jahren ohne festen Wohnsitz, knapp 25 Prozent zwischen einem und fünf Monaten. Haupteinkommensquellen war Arbeitslosengeld II (ca. 19 Prozent) und Betteln (ca. neun Prozent). Rund14 Prozent waren gänzlich

ohne Einkommen. Die Befragten gaben auch Gründe an, warum sie nach Hamburg gekommen waren: Fast 60 Prozent wollten dort eine Arbeitsstelle suchen, rund zwölf Prozent stand ein konkretes Jobangebot in Aussicht. Fußt die Obdachlosigkeit also häufig auf einer Verkettung unglücklicher Zufälle?

Besonders vulnerable Gruppen Tatsächlich müsse bei den Gründen für ein Leben ohne festen Wohnsitz zwischen strukturellen und individuellen Gründen unterschieden werden, erklärt eine Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W). Struktureller Hauptgrund sei der starke Rückgang im Bestand an Sozialwohnungen sowie der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Bei den individuellen Gründen zählt die Sprecherin die bereits von Leipzig und Hamburg genannten auf und beruft sich auf Daten aus eigenen Erhebungen. Zusätzlich wirkten sich bestimmte Entwicklungen nachteilig auf das Leben Einzelner aus, sodass sie leicht vom Verlust ihres Wohnsitzes bedroht seien. In diesem Zusammenhang nennt die Sprecherin der BAG W die Inflation und damit verbundene Mehrkosten und zu knapp festgelegte Angemessenheitsgrenzen bei den Richtlinien zu den Kosten der Unterkunft als kritische Faktoren. Dabei sind Alleinerziehende oder einkommensschwache Personen besonders gefährdet. Wirksamste Gegenmaßnahme ist laut BAG W die Prävention: „Es müssen alle möglichen Maßnahmen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit ergriffen werden, denn die Verhinderung der Wohnungslosigkeit ist die beste Hilfe.“ Dabei liege die Etablierung sinnvoller Präven-

tivmaßnahmen bei den Kommunen selbst. Hier bedürfe es allerdings weiterer Beratungsstellen in Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern. Außerdem würden dringend Sozialwohnungen benötigt, etwa aus leerstehenden Großimmobilien, ebenso wie Richtlinien des Bundes zur Neuen Wohngemeinnützigkeit. Maßnahmen und Angebote zur Unterstützung von Obdachlosen sollten sich an deren Bedürfnissen orientieren. Dazu zählen Duschbusse, Streetwork, Notübernachtungen, Tagesaufenthalte und medizinische Angebote, erklärt die

nungsbau angeht, die auf Basis der Wohnraumförderung NRW […] hätten errichtet werden können“, bemängelt er. Die Zahl von Wohnungen mit Sozialbindung sei im Verhältnis zum Wohnungsgesamtbestand auf nur noch fünf Prozent gesunken, so Frank weiter. Ähnlich wie die BAG W spricht er sich für die Bereitstellung städtischer Baugrundstücke für finanzierbaren sozialen Wohnraum sowie für ein neues kommunales Wohnungsförderprogramm aus. Dringend benötigt werden laut Frank mehrere neue Anlaufstellen für Wohnungsund Obdachlose in verschiedenen Stadtteilen sowie ein mobiler Drogenkonsumraum. Hier fordert er Finanzhilfen durch die Stadt, denn aktuell würde etwa die Mülheimer Arche nur aus Spendenmitteln finanSprecherin der BAG W ziert. Hilfsangebote stellen die Kommunen in gröSprecherin der BAG W. Wichtig sei ßerem oder kleinerem Umfang bezudem der Erhalt des Krankenver- reit. In Leipzig etwa umfasst das sicherungsstatus‘ sowie Zugang detaillierte Hilfesystem der Wohzum ÖPNV, damit den Betroffenen nungsnotfallhilfe neben Prävention nicht der Zugang zum öffentlichen die Notversorgung und die NachRaum verwehrt bleibe. Die Kom- sorge. Sozialamtsleiterin Martina munen sollten dafür Sorge tragen, Kador-Probst erläutert: „In diesen dass die vorhandenen Unterkünfte Handlungsfeldern bestehen verfür Menschen ohne festen Wohn- schiedene Hilfeangebote wie z.B. sitz gewissen Mindeststandards die Beratung bei drohendem Wohbezüglich Sicherheit und Hygiene nungsverlust, Notunterkünfte oder entsprechen. die Straßensozialarbeit.“ Weitere Hilfsangebote in den drei genannten Zu wenig sozialer Wohnraum Kategorien sind etwa Übernahme Ein trostloses Bild der Lage von von Mietschulden, Unterstützung Obdachlosen in Köln zeichnet Jörg bei der Wohnungssuche oder die Frank, Geschäftsführer der Arche umfeldnahe medizinische Versorfür Obdachlose e.V. (Arche): „Rat gung. und Verwaltung der Stadt Köln waSeit Mitte 2021 setzt Leipzig zuren die letzten Jahre untätig, was dem ein Modellprojekt zu Housing die Schaffung von sozialem Woh- First um. Dabei wird Menschen

Die Verhinderung der Wohnungslosigkeit ist die beste Hilfe.“

ohne festen Wohnsitz eine eigene Wohnung vermittelt und ihnen bei den damit verbundenen Pflichten Hilfe gewährt. Kador-Probst führt aus: „Der überwiegende Teil der betreuten Personen lebt noch in der eigenen Wohnung. Das Projekt soll ab 2025 verstetigt und auf 50 Plätze erweitert werden.“ Auch Hamburg bietet Menschen ohne festen Wohnsitz ein ausdifferenziertes Hilfssystem an, erläutert der Sprecher der Sozialbehörde. Ähnlich wie in Leipzig umfasst das Programm Fachstellen für Wohnungsnotfälle oder Mietschuldenübernahme, Beratungsstellen, temporäre Ersatzunterbringung sowie niedrigschwellige Hilfen, zu denen etwa Notübernachtungen oder Gesundheitsangebote zählen.

Rückintegration kann gelingen Das Beispiel Housing First zeigt: Die Rückintegration von Obdachlosen in die Gesellschaft kann gelingen. Dem stimmt auch Frank zu, bedauert jedoch zugleich: „Solche Angebote gibt es in Köln nur sehr wenig. Die inzwischen für Housing First zur Verfügung stehenden Wohnungen wurden von Vereinen […] durch private Spendenmittel gekauft bzw. angemietet.“ Trotz der Möglichkeit von Investitionen stelle die Stadt Köln keine Wohnungen zur Verfügung, so Frank. Die Sprecherin der BAG W betont: „Die soziale Ausgrenzung beim Wohnen geht mit der Exklusion in weiteren Lebensbereichen einher. Menschen in Wohnungsnot müssen deshalb gezielt Zugänge auch in die Bereiche Bildung, Erwerbstätigkeit, soziales und kulturelles Leben gewährt werden.“ Der Bund sei gefordert, die Rückintegration von Wohnungsnotfällen in eigenen Wohnraum zu unterstützen.


Kommunalpolitik

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Start-up Bauhof

G

anz klar und deutlich sagen wir aber auch: Selbstorganisation ist kein Zuckerschlecken, kein Selbstläufer und noch viel weniger ein fertiges, von anderen adaptierbares Konzept. Denn die „Selbstorganisation“ im Amt für Technik und Grün der Stadtverwaltung Herrenberg ist einmalig und zu hundert Prozent auf das Amt zugeschnitten. Der Startschuss für den Prozess fiel im Jahr 2017. Seinerzeit wurde auf Initiative des Hauptamts für die gesamte Stadtverwaltung der Prozess „Zukunftsfähiges Herrenberg“ auf den Weg gebracht. Eine dabei durchgeführte Befragung aller Mitarbeitenden brachte für unser Amt ein eindeutiges Ergebnis: Viele Mitarbeitende waren unzufrieden. Das war nicht neu, doch nun wurde die Kritik erstmals ernst genommen. Das hehre Ziel, das von Anfang an von allen Entscheidungsträgern in der Stadt mitgetragen wurde: Weg von den althergebrachten hierarchischen Strukturen, hin zu effektiven, effizienten und auch digitalen Prozessen und Abläufen. Das fachliche Können und die Ideen der Mitarbeitenden sollten endlich zum Tragen kommen, sollten besser genutzt und auch gefördert werden. In einem ersten Schritt wurde die ohnehin frei gewordene Meisterstelle in der Abteilung „Technik“ nicht nachbesetzt. Wissenschaftlich begleitet und unterstützt von der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg wurde folgende Struktur erarbeitet: Aus der Abteilung heraus hat sich eine Führungsgruppe gebildet. Sie umfasst aktuell fünf Mitarbeitende. Rotierend und jeweils für die Dauer eines Monats schlüpft einer aus dieser Gruppe in die Rolle des selbst installierten „Vier-WochenManns“. Er ist in dieser Zeit der zentrale Ansprechpartner im Alltagsgeschäft. Das gilt sowohl für die interne wie auch für die externe Kommunikation. Jeder der fünf hat zudem einen eigenen Fachbereich übernommen, kümmert sich federführend um einzelne Daueraufträge oder auch wiederkehrende Veran-

I

n NRW gibt es 180 öffentliche Musikschulen. Ein regelrechter Boom setzte ab 1960 ein. Die Musikschulen waren aus der vorschulischen Erziehung nicht mehr wegzudenken. Musikschule fand damals nachmittags statt, also in der Freizeit der Kinder und Jugendlichen. Kooperationen mit den allgemeinbildenden Schulen gab es sehr selten und allenfalls im Zusammenhang mit Schulchören und Schulorchestern. Mit dem Wandel der Gesellschaft kam den Musikschulen eine neue Rolle zu. Sie entwickelten sich zu Bildungspartnern der Schulen. Ganzheitliche Bildung wurde nicht nur ein Schlagwort. Es geht vor allem um eine kulturelle Bildung, die eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fördert. In einer

Behörden Spiegel / Februar 2024

Der Vier-Wochen-Mann von Herrenberg (BS/Stefan Kraus*) Auch eine städtische Verwaltung kann Selbstorganisation! Seit inzwischen mehr als fünf Jahren ist dies unsere zentrale Aussage. In Vorträgen, Werkstattberichten, Artikeln, wissenschaftlichen Abhandlungen oder auch gegenüber Gästen, die live und in Farbe zu uns auf den Betriebshof kommen – und die sich mit eigenen Augen und Ohren davon überzeugen können, was viele immer noch nicht glauben wollen: Auch der Öffentliche Dienst kann „New Work“! Themen wie Mitarbeitergespräche, Personalauswahl, Urlaub, Krankheit, Überstunden, Schulungen und Fortbildungen wurden ebenso pragmatische wie allgemeingültige Regeln erarbeitet.

Schwierigkeiten gehören dazu

Dank innovativer Arbeitsansätze kann der Versuch Selbstverwaltung gelingen. Foto: BS/ Stadt Herrenberg

staltungen. Wer keine Führungsaufgaben übernehmen wollte, hat sich dennoch schriftlich dazu bereit erklärt, in der Selbstorganisation zu arbeiten. Was bedeutet, dass er einerseits Aufträge von einem Kollegen annehmen muss, dass er andererseits aber auch häufig selbständig und selbstorganisiert arbeiten muss, kann, darf. Alle Mitarbeitenden profitieren finanziell. Die Vier-Wochen-Männer partizipieren entsprechend dem Mehr an Verantwortung auch mehr, der Verteilschlüssel wurde jedoch von der gesamten Gruppe gemeinsam

Diplom-Ingenieur Stefan Kraus ist seit 2012 Leiter der Technischen Dienste, dem heutigen Amt für Technik und Grün (TuG), der Stadt Herrenberg.

Foto: BS/Ulrike Klumpp

ausgearbeitet. Geht es um die leistungsorientierte Bezahlung, macht die Abteilung ebenfalls gemeinsame Sache. Für andere, übergeordnete

Was aber nicht bedeutet, dass es immer und überall so rund läuft. Natürlich knirscht und knatscht es auch in einer selbstorganisierten Truppe. Freiheiten müssen ausgehalten, andere Führungsstile akzeptiert werden! Das kann der eine besser, der andere weniger gut. Dazu kommt, dass das selbstorganisierte Arbeiten auch weniger schöne Teilaufgaben beinhaltet. Minderleistungen und Fehlverhalten von Kollegen müssen angesprochen, mitunter auch sanktioniert werden. Fehlentscheidungen gilt es einzugestehen, und wo dies notwendig ist, auch zurückzunehmen. Verärgerte Bürgerinnen und Bürger müssen besänftigt, aber auch gehört werden. Alltag für eine (gelernte) Führungskraft, doch keiner der heutigen Verantwortlichen verfügt über eine solche Grundbildung. Doch trotz allem: Das Team schafft es immer wieder, Differenzen anzusprechen, sie letztendlich auszuräumen und – gemeinsam – bei Problemen oder Schwierigkeiten nach Lösungen zu suchen. Während die Kollegen aus der „Technik“ inzwischen größtenteils sattelfest sind, stecken die der amtseigenen Abteilung „Grün“ noch mitten im Lernprozess. Seit vergangenem Jahr arbeiten auch sie selbstorganisiert. In vielen Punkten sind die Strukturen deckungsgleich, doch mitunter gibt es gravierende Unterschiede – wie eingangs erwähnt: Selbstorganisation ist kein

Plädoyer für Musikschulen Gesamtgesellschaftliche Bedeutung berücksichtigen (BS/Rolf Hartmann*) Schlager, Klassik, Jazz oder Punk – über Musik lässt sich kräftig streiten. So unterschiedlich die Geschmäcker sind, eines steht fest: Musik bringt Menschen zusammen. So ist musikalische Früherziehung und Bildung auch in der kommunalen Daseinsvorsorge nicht zu unterschätzen. Zeit, in der die Zahl der Kinder aus bildungsfernen oder migrantischen Elternhäusern ständig steigt, werden Forderungen nach kognitiven Lernmethoden immer lauter. Mit der Ganztagsbetreuung in Schule und Kindergarten schrumpfen die Zeitressourcen der Jugendlichen im Freizeitbereich. Das Zeitfenster für Unterricht, Musizieren oder Üben wird immer kleiner. Musikalische Bildung muss umdenken: Das unkoordinierte Neben-

einander von Musikschule, Kita und Schule darf es nicht mehr geben. Es braucht vor allem aufsuchende Angebote. Ein solches Projekt ist z. B. die „Eine (Musik)Schule für alle“ (EMSA), die in den weiterführenden Schulen von NRW angeboten werden kann. Hier kommen manche Schülerinnen und Schüler in der fünften Klasse erstmalig mit aktiver Musikausübung in Berührung. Aber sie bleiben nicht isoliert. Sie musizieren gemeinsam mit denjenigen, die bereits jahrelange musikalische Erfahrung besitzen.

Übergreifendes Angebot sinnvoll

THEMENTAG: 7. Februar 2024

Klimaneutrale Kommune – Eine Gemeinschaftsaufgabe

Auch in den Kindertagesstätten sollten sich elementarpädagogische Fachkräfte von Musikschulen gezielt um die musikalische Bildung der Kinder, aber auch um die Fortbildung der Erziehenden sowie um eine entsprechende Elternarbeit kümmern. Das Konzept „Kita und Musikschule“ wurde nach dieser Idee aus Mitteln der nordrheinwestfälischen Landesregierung entwickelt. Die Kinder werden dort unterrichtet, wo sie ohnehin schon sind: in der Schule oder in der Kita. Es

ist wichtig, dass die musikalische Bildung nachhaltig bleibt. Jugendliche brauchen eine durchgängige musikalische Bildungsbiografie. Schlecht wäre es, wenn das Engagement in der Kita endet oder erst in der Schule einsetzt. Musikschulen haben daneben eine gesellschaftliche Aufgabe. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungsgeschichte liegt in NRW bei rund 40 Prozent, Tendenz steigend. Die musikalische Heimat dieser Kinder und ihrer Eltern kann in den Angeboten der Musikschulen berücksichtigt werden. Im gemeinsamen Musizieren verschiedener Kulturen steckt eine enorme Chance. Was ist wichtig für unser Zusammenleben und um gegenseitigen Respekt zu entwickeln? Gleichberechtigtes, gemeinsames Musikmachen kann das vermitteln.

Kulturelles Leben für mehr Lebensqualität Hier liegen noch vielfältige Potenziale gesellschaftlicher Teilhabe brach. Das gilt für uns alle, ob jung oder alt, ob mit oder ohne geistige und körperliche Einschränkungen.

adaptierbares, fertiges Konzept. Sie bringt aber viele positive Nebeneffekte mit sich. Der wichtigste: Die Mitarbeitenden haben Spaß an der Arbeit. Sie fahren und gehen mit offenen Augen durch die Stadt, Mängel und Schwachstellen werden so viel eher gesehen und direkt behoben.

Anreiz zu positiver Arbeitshaltung Eigene Ideen werden entwickelt, vorangetrieben und erfolgreich umgesetzt. So sind die Herrenberger Unterflurmülleimer nun mit Sensoren ausgestattet. Das stadteigene LoRaWAN-Netz übermittelt die aktuellen Füllstände, entsprechend wird die Müllstrecke abgefahren. Die Blumenkästen an den Gebäuden rund um den Marktplatz werden automatisch bewässert. Auf Initiative der „Selbst-Orga“ wurden im Amt inklusive Außenarbeitsstel-

len geschaffen und inzwischen die dort eingesetzten Mitarbeitenden fest ins Team übernommen, wofür die Stadtverwaltung mit einem „Kooperationspreis“ ausgezeichnet wurde. Dazu kommt, dass die Herrenberger Stadtverwaltung ganz allgemein, vor allem aber das Amt für Technik und Grün, immer häufiger als interessanter Arbeitgeber wahrgenommen wird. Keine Selbstverständlichkeit in der heutigen Zeit, in der auch und gerade öffentliche Verwaltungen und Behörden immer stärker den demografischen Wandel und den branchenübergreifenden Fachkräftemangel zu spüren bekommen.

Musikschulen fördern ein Gemeinschaftserlebnis. Alle Menschen kommen über Rhythmus und Melodie zusammen. Kommunale Musikschulen sind ein wesentliches Element der kommunalen Daseinsvorsorge. Der Gesetzgeber fördert zwar mit einzelnen Projekten die enormen Anstrengungen der Kommunen, sichert aber nicht die flächendeckende Existenz der Musikschulen ab. Er meidet es, Musikschulen als kommunale Pflichtaufgabe zu definieren. Was als großzügige Rücksichtnahme auf die Entscheidungshoheit der Städte aussieht, ist vielmehr die Angst, zu sehr in die finanzielle Pflicht genommen zu werden. Denn wer die Kapelle bestellt, muss sie eben auch bezahlen. Das verfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip lässt grüßen. Dabei können Musikschulen Problemlöser für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen sein. Sie bedeuten lebendige Zukunft für Stadt und Land. Musikschulen verringern die sozialen Folgekosten aufgrund sonst nicht genutzter Bildungspotenziale.

Rolf Hartmann steuerte von 2004 bis Ende Oktober 2020 als Bürgermeister die Gemeinde Blankenheim. Foto: BS/privat


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / Februar 2024

Seite 13

VIER FRAGEN – VIER ANTWORTEN Interview mit Lukas Becker, zukünftiger Bürgermeister der Gemeinde Lautertal (Vogelsberg) Foto: BS/Becker

Einzigartiger Wahlkampf

B

ehörden Spiegel: Ab Sommer gehören Sie zu den jüngsten hauptamtlichen Bürgermeistern Deutschlands. Schon jetzt sind viele Augen auf Sie gerichtet. Wie gehen Sie mit der großen Aufmerksamkeit um? Becker: Das ist eine sehr spannende Erfahrung. Ich denke, dass es wahrscheinlich eine einmalige Situation ist, als junger Mensch schon politische Verantwortung übertragen zu bekommen. Ich freue mich auf die Herausforderungen, die das Amt mit sich bringt. Das Bürgermeisteramt beinhaltet mehr, als nur in dem Büro zu sitzen und Aufgaben abzuarbeiten. Es findet draußen bei den Menschen statt: man kann konkrete Probleme und Anliegen lösen, man ist bei den Menschen vor Ort und kann mit seinen eigenen Ideen zur Weiterentwicklung der Kommune beitragen. Das ist ein tolles Gefühl. Ich freue mich, dass ich dafür die Unterstützung und das klare Votum der Bürgerinnen und Bürger erhalten habe. Behörden Spiegel: Gegen den eigenen Chef zu kandidieren und gleichzeitig weiter zusammenzuarbeiten: Wie haben Sie diese Herausforderung gemeistert?

Vom Auszubildenden zum Bürgermeister (BS) Noch während seiner Ausbildung in der Gemeindeverwaltung gab Lukas Becker im vergangenen Jahr seine Kandidatur als Bürgermeister bekannt, trat im Wahlkampf gegen seinen eigenen Chef – den amtierenden Bürgermeister – an und gewann mit 60,1 Prozent der Stimmen. Im Juli tritt der 26-Jährige das Amt an und wird einer von Deutschlands jüngsten hauptamtlichen Bürgermeistern. Schon jetzt hat er klare Vorstellungen für die Zukunft von Lautertal. Die Fragen stellte Ann Kathrin Herweg. ter war von Fairness und Kollegialität geprägt. Man muss sagen, das zeugt von zwei guten Charakteren, die da aufeinandergetroffen sind, sonst hätte das vielleicht nicht so funktioniert. Behörden Spiegel: Wie bereiten Sie sich auf das neue Amt vor? Becker: Eines meiner Wahlversprechen war, in die Gemeinde Lautertal zu ziehen. Meine Freundin und ich haben eine Wohnung gefunden. Wir werden in Hörgenau wohnen, dem Ort, an dem der Sitz des Rathauses ist. Dieses zentrale Versprechen kann ich bis zum Amtsantritt am ersten Juli einlösen. Ansonsten ist Vorbereitung natürlich ein Stück weit eine andere als für jemanden, der vorher mit der Kommune nichts zu tun gehabt hat. Ich habe die letzten drei – bis dahin dann vier – Jahre Einblicke in die Verwaltungsarbeit vor Ort gesammelt. Die Abläufe sind mir bekannt. Ich kenne das Team. Auch in die Themen, die aktuell auf der Agenda stehen, muss ich mich nicht noch mal gesondert einarbeiten. Natürlich schaue ich mich derzeit um, welche Möglichkeiten es on top gibt, um sich fachlich noch stärker weiterzubilden. Wenn es passende Angebote gibt, möchte ich diese nutzen. Und auch in der Zeit als Bürgermeister kann man sich natürlich stetig in verschiedenen Bereichen weiterund fortbilden.

Die Entscheidung, als Bürgermeister zu kandidieren, ist nicht einfach von heute auf morgen gefallen.“

Becker: Die Entscheidung, als Bürgermeister zu kandidieren, ist nicht einfach von heute auf morgen gefallen. Ich habe mir längere Zeit Gedanken darüber gemacht und auch mit anderen Leuten darüber gesprochen, wie eine Kandidatur ankommen würde: mit Familie, Freunden und Bekannten, auch mit Bürgerinnen und Bürgern aus Lautertal. Am Ende habe ich diese Entscheidung aus Überzeugung getroffen, weil ich der Auffassung war, dass ich mit dem, was ich ins Amt mitbringe, etwas verändern kann. Und weil sich in verschiedenen Bereichen mehr verändern muss. Durch meinen Einblick in die Verwaltung hier vor Ort konnte ich mir einen Eindruck davon verschaffen, was gut läuft und wo etwas besser laufen könnte. All das hat die Entscheidung positiv beeinflusst, diesen Weg zu gehen. Anfang März 2023 habe ich mich dann öffentlich zu meiner Kandidatur bekannt. Natürlich hat das erst mal größere Wellen geschlagen. Das ist nachvollziehbar, denn ein Azubi, der gegen den eigenen Chef antritt, das war wahrscheinlich eine deutschlandweit einmalige Konstellation und wird es vermutlich zukünftig auch bleiben. Hier im Rathaus hat das überraschend gut funktioniert. Die Stimmung hat sich im Vergleich zu der Zeit vor der Kandidatur nicht verändert. Alles lief sehr kollegial und fair miteinander weiter. Auch das Verhältnis zwischen mir und dem Bürgermeis-

Behörden Spiegel: Was sind Ihre langfristigen Ziele für Lautertal und welche Projekte wollen Sie zeitnah angehen? Becker: Die Frage der Mobilität ist eine der wichtigsten auf der Agenda. Es gibt durch das Land Hessen finanzierte oder bereitgestellte Bürgerbusse. Mir ist daran gelegen, mit einem bereits existierenden Nachbarschaftshilfeverein hier vor Ort, der bereits Erfahrung in diesem Bereich hat, einen solchen Bus zu beantragen. Ich möchte in der Kommune in Sachen Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger wirklich etwas bewegen. Wie kommt XY zum Arzt? Wie komme ich zum Lebensmittelmarkt? Wie kann ich einen Fahrdienst für interne Veranstaltungen hier vor Ort organisieren? Mit diesem Bus ist einiges in Sachen Mobilität möglich. Das ist eines der Projekte, die ich gerne als erstes angehen möchte, weil ich dabei teilweise schon auf intakte Strukturen zurückgreifen kann. Die können das Vorhaben positiv beeinflussen. Langfristig gesehen ist auch die Frage der ärztlichen Versorgung ein

Eins nach dem anderen, das ist wichtig: Lieber ein Projekt vernünftig abschließen, als 50 anzufangen und keins zu Ende zu bringen.“

Thema. Wir haben seit einiger Zeit keine Versorgung mit einem Arzt oder einer Ärztin in der Kommune. Natürlich ist das ein Problem, das nicht von heute auf morgen behoben werden kann. Da gilt es aber, von Anfang an dranzubleiben. Mein Steckenpferd ist durch meine Ausbildung das Thema Klimaschutz. In den letzten Jahren konnten wir bereits einige Erfolge verbuchen. Ich möchte hier an meine bisherige Arbeit anknüpfen und weitere Projekte verwirklichen. Wir haben als Mitglied der hessischen Klima-Kommunen einen

Aktionsplan erstellt, den Status quo der Kommune dargelegt und daraus Ideen für die Zukunft der Gemeinde entwickelt. Diese werden aktuell umgesetzt. Beispielsweise haben wir seit Kurzem eine LED-Beleuchtung im Rathaus und Elektrofahrzeuge für alle Dienstfahrten aus der Verwaltung he­ raus. Die Ladeinfrastruktur vor Ort werden wir mit zwei Ladepunkten ausstatten, sodass auch Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit bekommen, ihr Fahrzeug am Rathaus zu laden. Ein weiterer Punkt lautet: Wie kann ich beispielsweise an Kläranlagen technische Umrüstung vornehmen, um Energie zu sparen? Auch energetische Sanierungsmaßnahmen an Dorfgemeinschaftshäusern stehen auf der Agenda. Aber eins nach dem anderen, das ist wichtig: Lieber ein Projekt vernünftig abschließen, als 50 anzufangen und keins zu Ende zu bringen.


Personelles

Seite 14

Mit Persönlichkeit und Expertise entwickeln Sie das Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung weiter!

Bildung. Betreuung. Begeisterung.

Der Eifelkreis Bitburg-Prüm ist ein wachstumsstarker Wirtschaftsstandort mit rund 98.000 Einwohner*innen in über 230 Gemeinden. Der größte Flächenkreis in Rheinland-Pfalz grenzt direkt an Luxemburg und Belgien und bietet somit in der direkten Umgebung ein reichhaltiges Kultur- und Freizeitangebot. Sowohl durch das hohe Wirtschaftswachstum als auch durch die vielen Natur- und Erholungsgebiete bietet der Landkreis ein hohes Maß an Wohn- und Lebensqualität. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine motivierte Führungspersönlichkeit als

Leitung (w/m/d) des Amtes für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung Diese attraktive Position wird nach Entgeltgruppe 15 TVöD bzw. Besoldungsgruppe A15 LBesO vergütet. Zuzüglich wird eine attraktive Zulage gewährt. Als familienfreundlicher Arbeitgeber bietet der Eifelkreis Bitburg-Prüm Personalentwicklungskonzepte zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Sanny Groß, Birger Abromeit oder Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen.

Wir sind eine attraktive Großstadt mit einer sehr guten Infrastruktur, die ihren Bürgerinnen und Bürgern umfassende Dienstleistungen der kommunalen Daseinsvorsorge auf einem hohen Niveau bietet. Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine strategisch denkende Führungspersönlichkeit mit einem ausgeprägten Gestaltungswillen als

Vorständin * Vorstand (w/m/d) Träger für Kindertagesbetreuung

Eine bedeutungsvolle Aufgabe – Gestalten Sie eine strahlende Zukunft für die Kinder unserer Stadt! Mit Ihrem ganzheitlichen Blick steuern Sie die betriebswirtschaftlichen und personellen Belange unseres Trägers. Angesichts der steigenden pädagogischen Herausforderungen durch die vielfältigen Förder- und Unterstützungsbedarfe der Kinder sind Sie gleichermaßen in der Lage, die pädagogische Qualität in unseren Einrichtungen zu sichern und perspektivisch zu steigern. In diesem Zusammenhang gelingt es Ihnen, mit unterschiedlichen Akteur*innen auf Augenhöhe und zielorientiert zu kommunizieren. Details zu dieser Position finden Sie in Kürze auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Alexander Wodara, Theresa Meister oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Behörden Spiegel / Februar 2024

Kurze Entscheidungswege, großer Gestaltungsspielraum! Mit Weitsicht steuern Sie die Finanzen unseres Betriebes. Abwasser ist unser Geschäft – Als Tochtergesellschaft der Stadt Lünen ist unser Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen AöR (SAL) verantwortlich für den effizienten Betrieb und die nachhaltige Instandsetzung der städtischen Abwasseranlagen sowie für die ordnungsgemäße Durchführung der Gewässerunterhaltung und des Gewässerausbaues. Wir sind ein moderner Abwasserbetrieb, bei dem die Zufriedenheit unserer Kund*innen im Mittelpunkt steht. Wir agieren als Dienstleister für unsere 15.000 Kund*innen und steuern ein jährliches Budget in Höhe von 23 Mio. Euro sowie Investitionen von 5 Mio. Euro mit dem Fokus auf Service, Wirtschaftlichkeit und Weitsichtigkeit. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine pragmatische und fachlich versierte Führungspersönlichkeit als

Leitung Finanzen (w/m/d) In dieser Funktion berichten Sie direkt an die Vorständin der SAL und nehmen gleichzeitig Stellvertretungsaufgaben wahr. Zum Aufgabenbereich zählt das Sachgebiet Finanzen, Organisation und Recht. Diese attraktive Position ist für tariflich Angestellte nach EG 14 TVöD vergütet. Für Beamt*innen ist die Funktion nach A 14 LBesG NRW besoldet. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Alexander Wodara, Theresa Meister oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Bringen Sie Ihre Visionen ein und gestalten Sie die klimaresiliente Stadt von morgen!

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#TeamRot

Von der Umgestaltung von Straßenräumen bis hin zur Förderung einer grünen Infrastruktur, das Tiefbauamt leistet einen wichtigen Beitrag zum Alltag und zur Zukunft der Bürger*innen Fellbachs. Unsere Projekte werden dabei geplant und durchgeführt von den fünf Bereichen „Vermessung und GIS“, „Planen und Bauen“, „Bau- und Betriebshof“, „Friedhofswesen“ und „Grün-, Spiel- und Sportanlagen“. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine fachlich versierte und umsetzungsorientierte Führungspersönlichkeit als

Amtsleitung Tiefbau (w/m/d) In dieser Funktion berichten Sie direkt an die Baubürgermeisterin. Die attraktive Position wird nach A 15 LBesGBW bzw. EG 15 TVöD zzgl. einer Zulage vergütet. Mit Weitblick treiben Sie die Weiterentwicklung des Tiefbauamtes voran und berücksichtigen dabei wichtige Ziele im Rahmen des Klimaschutzes. Als Führungskraft verfügen Sie nicht nur über Erfahrungen im Projektmanagement, sondern überzeugen auch mit Ihrer pragmatischen Herangehensweise. Dabei arbeiten Sie stets vertrauensvoll und auf Augenhöhe mit internen und externen Schnittstellen zusammen, wie beispielsweise dem Stadtplanungsamt. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Gianna Forcella, Alexander Wodara oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Personelles

Behörden Spiegel /Februar 2024

Seite 15

Mit hoher Finanzexpertise managen Sie den Haushalt des Kreises Offenbach!

Als verantwortungsbewusste Führungskraft setzen Sie wegweisende Impulse für Kinder, Jugendliche und Familien!

Der Kreis Offenbach ist mit seinen rund 360.000 Einwohner*innen Teil der international renommierten Metropolregion FrankfurtRheinMain, die von Urbanität bis hin zu unberührter Natur alles auf engstem Raum bietet. Unter anderem gilt er durch die gut ausgebaute und eng verzahnte Infrastruktur sowie die Nähe zum Frankfurter Flughafen als attraktiver und wachstumsstarker Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig bieten vielseitige Landschafts- und Naturschutzgebiete, ein gut ausgebautes Radwegenetz oder die Schleifen der hessischen Apfelwein- und Obstwiesenroute ein diverses Freizeitangebot.

Die Klingenstadt Solingen liegt mit ihren rund 165.000 Einwohnern verkehrsgünstig in der pulsierenden Metropolregion Rheinland und besticht durch ihre Nähe zum Naturpark Bergisches Land. Mit etwa 300 Beschäftigten im Bereich des Stadtdienstes Jugend stellt das Amt den größten Bereich innerhalb der Stadtverwaltung dar. In enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren, darunter Schulen, freie Träger oder die Jugendhilfe, setzt das Jugendamt konkrete Maßnahmen um, um die Lebensqualität junger Menschen zu verbessern und eine gesunde Entwicklung in der Gemeinschaft Solingen zu fördern. Dazu gehören unter anderem Angebote zur schulischen Unterstützung, Freizeitaktivitäten, soziale Beratungen und Präventionsmaßnahmen.

Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine fachlich versierte Führungspersönlichkeit als

Leitung (w/m/d) des Fachdienstes Finanzen

Unterstützen Sie uns zum nächstmöglichen Zeitpunkt als gestandene und kompetente Führungspersönlichkeit in der Funktion als

Diese herausgehobene Position wird nach Entgeltgruppe 15 TVöD zzgl. einer attraktiven Zulage bzw. Besoldungsgruppe A 15 HBesG vergütet.

Leitung (w/m/d) Stadtdienst Jugend

Dem Fachdienst Finanzen sind die vier Abteilungen Beteiligungsmanagement, Finanzwirtschaft, Kreiskasse und Vollstreckung zugeordnet.

Gehen Sie davon aus, dass Sie die attraktive Vergütung der Position überzeugen wird.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Sanny Groß, Yanna Scheider oder Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Yanna Schneider, Waishna Kaleth und Maren Kammerer zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen.

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Eine Stadt mit Tradition in Transformation sucht Ihre Hochbau-Expertise für eine klimaneutrale Zukunft!

Zahlen sind Ihr Metier! Mit Finanz- und Führungskompetenz stellen Sie die Weichen für unsere Zukunft!

Die Stadt Bedburg ist mit ca. 26.800 Einwohner*innen verkehrsgünstig zwischen den Städten Köln, Düsseldorf, Mönchengladbach und Aachen gelegen.

Die Stadt Marl an der Schwelle der Metropole Ruhr und des ländlichen Münsterlandes ist mit ihren rund 87.000 Einwohner*innen idealer Ausgangspunkt für die Erkundung der beiden Regionen.

Als ausgezeichnete Energie-Kommune nimmt die Stadt Bedburg mit dem Bau der „Ressourcenschutzsiedlung Bedburg-Kaster“ und dem Bedburger Windpark in NRW eine Vorreiterrolle im Bereich klimaschonendes Bauen ein. Der Fachdienst Hochbau, Tiefbau und Bauhof verantwortet die Planung und Umsetzung langfristig angelegter kommunaler Hochbauprojekte. Gestalten Sie mit uns die zukünftigen Bauprojekte, unter anderem in der Schul- und Kitalandschaft sowie im Bereich Feuerwehr.

Unser Dezernat II umfasst das Amt für kommunale Finanzen, das Amt für Steuern und Liegenschaften, sowie das Amt für Bürgerdienste. Eine Änderung bzw. Ergänzung des Geschäftsbereiches bleibt ausdrücklich vorbehalten.

Um diese spannenden Themen weiterhin zukunftsfähig aufzustellen, suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine kommunikationsstarke und teamorientierte

Fachdienstleitung Hochbau, Tiefbau und Bauhof (w/m/d)

Kämmerin / Kämmerer (w/m/d) und Dezernentin / Dezernent (w/m/d) für Finanzen, Liegenschaften und Bürgerdienste

In dieser Funktion berichten Sie direkt an die Technische Dezernentin. Die Besoldung dieser attraktiven Position erfolgt nach A 14 LBesG NRW bzw. wird für Angestellte nach EG 14 TVöD vergütet.

Die Vergütung dieser unbefristeten Vollzeitstelle erfolgt nach Besoldungsgruppe B2 LBesG NRW bzw. für Beschäftigte außertariflich in Anlehnung an die Besoldungsgruppe B2 LBesG NRW.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Annika Lachmann, Theresa Meister oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Elisa Heinen, Gianna Forcella oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen.

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Mit Weitblick managen Sie unser Amt für Kreisimmobilien und Hochbau!

Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir im Zuge einer Altersnachfolge eine fachlich erfahrene und gestaltungsmotivierte Führungspersönlichkeit als

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Der Landkreis Esslingen liegt im Herzen Baden-Württembergs mitten in der Region Stuttgart. Wir sind wirtschaftsstark und gut erreichbar – per Auto, Zug, Flugzeug und auch mit dem Schiff. Das Landratsamt Esslingen beschäftigt etwa 2.500 Mitarbeitende an den Standorten Esslingen und Plochingen. Wir kümmern uns um das Gemeinwohl und erfüllen Aufgaben für insgesamt mehr als 540.000 Menschen in 44 Städten und Gemeinden im Kreis. Das Amt für Kreisimmobilien und Hochbau nimmt mit seinen drei Sachgebieten zentrale Aufgaben im Bau- und Immobilienmanagement des Landkreises war. Der Dienstsitz ist in Plochingen. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir Sie als erfahrene Führungspersönlichkeit in der Position der

Amtsleitung (w/m/d) für das Amt für Kreisimmobilien und Hochbau Diese interessante Position ist nach Besoldungsgruppe A 15 LBesGBW bzw. EG 15 TVöD vergütet. In der Funktion berichten Sie unmittelbar an den Dezernenten für Infrastruktur und übernehmen zugleich seine Stellvertretung. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Gianna Forcella, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über die zfm-Jobbörse unter www.zfm-bonn.de/jobboerse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Kommunaler Haushalt

Seite 16

Behörden Spiegel / Februar 2024

„Kommunales Klimamanagement“

Fehlt die CO2-Startbilanz, gleicht das einem Navi ohne Ortungsfunktion – es funktioniert nicht Die Klima-Kommunen sind ein Bündnis hessischer Städte, Gemeinden und Landkreise für den Klimaschutz. Die Mitgliedskommunen werden durch das Hessische Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat sowie

wählten Klima-Kommunen im Rahmen der Fachprüfung „Klimaund Energiemanagement“, inwieweit die geprüften Körperschaften die Anforderungen zum Prüfungszeitpunkt erfüllten. Lediglich fünf der sechzehn Kommunen erfüllten alle drei Anforde-

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

die Landes Energie Agentur Hessen GmbH (LEA) in Fragen rund um den Klimaschutz und die Klimaanpassung beraten. Derzeit haben 383 hessische Städte, Gemeinden und Landkreise die Charta des Bündnisses unterzeichnet. Im Rahmen der Mitgliedschaft müssen die Kommunen drei Anforderungen erfüllen: einen maximal fünf Jahre alten Klimaschutzaktionsplan und eine aktuelle CO2-Startbilanz vorweisen sowie jährlich aktuell über umgesetzte Maßnahmen berichten. Für den Kommunalbericht 2023 untersuchten wir bei 16 ausge-

rungen. Sieben Kommunen hatten keine CO2-Startbilanz. Ohne CO2Startbilanz gleicht es bildlich gesehen aber dem Versuch, seinem Navigationsgerät im Auto zwar das Ziel (zum Beispiel Landtag Wiesbaden), nicht aber den eigenen Startort eingeben zu wollen: Kein Navigationsgerät wird dann den richtigen Weg finden, weil es nicht wissen kann, ob es von Hamburg, München oder einem anderen Punkt der Welt aus starten soll. Kommunen müssen also zunächst ihre spezifische Ausgangslage analysieren und definieren, bevor sie ein individuelles Vor-

gehen planen und verfolgen. Die kommunale CO2-Startbilanz ist dabei die zentrale Standpunktbestimmung. Im Klimaschutzaktionsplan verankert die Kommune, wie sie von diesem Startpunkt aus ihre Klimaziele erreichen will. Die Überörtliche Prüfung empfiehlt allen Kommunen als Einstieg in ein effektives kommunales Klimamanagement, einen Klimaschutzaktionsplan mit CO2-Bilanz aufzustellen und regelmäßig fortzuschreiben. Klimaziele sollten durch Beschlüsse in der Vertretungskörperschaft als verbindliche Zielmarken definiert werden. Die Berichterstattung über Klimaschutz-Maßnahmen kann in Verbindung mit einem dynamisch fortschreibbaren Maßnahmenkatalog sichergestellt werden. Der Schutz unseres Klimas ist eine Aufgabe, die uns alle angeht. Die Kommunen sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Kommunalbericht 2023, Hessischer Landtag, Drucksache 20/11686 vom 21. November 2023, S. 190 ff. Der vollständige Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.

Mitgliedschaft „Bündnis Hessen aktiv: Die Klima-Kommunen“ Anforderungen im Rahmen der Mitgliedschaft Beitritt

aktueller Aktionsplan1)

aktuelle CO2Startbilanz2)

Berichterstattung über Maßnahmen

Bad Camberg

2019

Bad Soden-Salmünster

2020

Dillenburg

2019

Eltville am Rhein

2010

Flörsheim am Main

2019

Heppenheim (Bergstraße)

2010

Hünstetten

2018

Karben

2010

Königstein im Taunus

2009

Langgöns

2020

Münster (Hessen)

2018

Neuhof

2018

Nidda

2013

Ober-Ramstadt

2020

Schotten

2014

Stadtallendorf

2010

Kriterium erfüllt, wenn der Aktionsplan/Maßnahmenkatalog nicht älter als fünf Jahre war bzw. kontinuierlich fortgeschrieben wurde; Kriterium nicht erfüllt, wenn der Aktionsplan/Maßnahmenkatalog nicht vorhanden oder älter als fünf Jahre war.

1)

Kriterium erfüllt, wenn die letzte Bilanz jünger als 2017 war; Kriterium teilweise erfüllt, wenn zwischen 2015 und 2017 erstellt; Kriterium nicht erfüllt, wenn Bilanz nicht vorhanden oder älter als 2015 war.

2)

 = erfüllt,  = teilweise erfüllt,  = nicht erfüllt Quellen:BS/LEA, Interviews, Datenerhebung, eigene Bewertung; Stand: Mai 2023

Nachhaltigkeit verankern

Bremen nimmt Erbbaurecht ins Visier

Knappe Mittel im Haushalt zuordnen

Warum die Hansestadt auf Verpachtung statt Verkauf setzt

(BS/Marlies Vossebrecker) Trotz der herausfordernden Belastungen in jüngster Zeit arbeiten viele Kommunen an der Nachhaltigkeitstransformation ihres Haushaltes. Die Fachtagung des Kompetenzzentrums Nachhaltige Kommunale Finanzpolitik der Universität Münster beschäftigte sich im Dezember mit möglichen Konzepten zur Etablierung eines Nachhaltigkeitshaushaltes.

(BS/Anne Mareile Walter) Angesichts gestiegener Baukosten und hoher Zinsen plant die Stadt Bremen, vermehrt Grundstücke im Erbbaurecht anzubieten. Nun hat sie einen Leitfaden vorgelegt, der die Rahmenbedingungen definiert.

Professor Thomas Döring von der Hochschule Darmstadt gab zunächst einen Ausblick auf die dringlichsten Probleme im Jahr 2024, die den Kommunen bevorstünden: Neben Kapazitätsproblemen bei der Unterbringung von Geflüchteten stellten sich auch Fragen nach der Finanzierung des Deutschlandtickets, nach der steigenden Personalkostenentwicklung bei gleichzeitigem Personalmangel sowie nach enormen Kosten beim kommunalen Klimaschutz. Anschließend erläuterte Dr. Kirsten Witte von der Bertelsmann Stiftung den aktuellen Stand der Nachhaltigkeitstransformation bei Kommunen. Noch seien hier nicht alle der 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) in ausreichender Weise fortgeschritten, so Witte. Außerdem gebe es regionale Unterschiede, die eine flächendeckende Transformation verhinderten, sowie fehlende Finanzmittel: „Die finanzielle Basis der Kommunen reicht für eine flächendeckende Nachhaltigkeitstransformation nicht aus“, mahnte Witte.

Hohe Investitionsrückstände Neue Ansätze zur Steuerung der Transformation über den kommunalen Haushalt stellte Dr. Christian Raffer vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) vor. Zuerst gelte es, den wahrgenommenen Investitionsrückstand zu beachten. Dieser bezeichne das Resultat nicht ausreichend getätigter Investitionen in der Vergangenheit. Bei den besonders betroffenen Bereichen fielen sowohl Unterhalt als auch Neuinvestition unzureichend aus,

die Entscheidung, ob ein Grundstück verkauft oder per Erbbaurecht vergeben wird. Dabei empfehlen die Autoren des Papiers unter anderem, bereits erschlossene und nicht kontaminierte städtische Grundstücke auszuschreiben. Zudem beinhaltet der Leitfaden Regularien für die Vertragsgestaltung und weist darauf hin, dass für das Gebäude nach Ablauf der Laufzeit eine Entschädigungszahlung in Höhe von 100 Prozent des Verkehrswertes zu vereinbaren sei.

so Raffer. Fast alle Kommunen erwarteten steigende Investitionen in den Klimaschutz. Dabei komme die Frage auf, wie die begrenzten Finanzmittel am effektivsten im kommunalen Haushalt verankert werden könnten. Raffer stellte hier zwei Konzepte vor.

Nachhaltigkeit im Haushalt verankern Das Konzept des Nachhaltigkeitshaushalts verfolge das Ziel, den kommunalen Haushalt an Nachhaltigkeitszielen wie beispielsweise den SDGs auszurichten, die auf Ebene der Produkte analog zur wirkungsorientierten Steuerung im Haushalt verankert werden sollten. Dazu sollte zuerst eine Leitlinie mit (eigener) Nachhaltigkeitsstrategie erstellt werden. In einem zweiten Schritt sollten strategische Ziele festgelegt werden, also etwa die Ziele, welche die Kommune langfristig jeweils erreichen möchte. Daraus würden schließlich die operativen Ziele abgeleitet, die konkret ausformuliert würden. Das Konzept der Nachhaltigkeitsrendite sei dagegen an drei Nachhaltigkeitsdimensionen (ökonomisch, ökologisch, sozial) ausgerichtet. Zentral sei die Frage nach den für die Nachhaltigkeit sinnvollsten Investitionen. Daher würden lediglich ausgewählte SDGs genutzt. Das Konzept werde gezielt innerhalb der Haushaltsaufstellung eingesetzt. Bei der Kalkulation würden zudem die Kosten der potenziellen Investition mit alternativen Investitionsprojekten sowie mit der zu erwartenden Nachhaltigkeitswirkung in Relation gesetzt.

Damit Familien in Zukunft bezahlbar in den eigenen vier Wänden wohnen können, richtet sich die Hansestadt bei der Vergabe von Grundstücken neu aus. Foto: BS/SatyaPrem, pixabay.com

Der Erwerb von Wohneigentum wird immer schwieriger: Die Immobilienpreise steigen, die Bauzinsen ebenfalls. Um Bauwilligen eine finanzierbare Alternative zum Kauf anzubieten, will der Bremer Senat künftig verstärkt das Erbbaurecht ins Visier nehmen und hat zu diesem Zweck nun einen Leitfaden verabschiedet. Dieser legt fest, ob und unter welchen Bedingungen ein Erbbaurecht für private Bauherren oder für soziale Einrichtungen vergeben wird.

Grundstücke bleiben öffentliches Eigentum Das Besondere an diesem Prozedere: Bietet die Stadt Grundstücke im Erbbaurecht an, bleiben sie öffentliches Eigentum statt verkauft zu werden. Bauwillige müssen das jeweilige Grundstück also nicht selbst erwerben, sondern pachten es gegen einen jährlichen Erbbauzins. Anschließend können sie darauf ihre eigene Immobilie errichten. Nach Angaben des Bremer Finanzressorts liegt der aktuelle

Erbbauzins in der Hansestadt bei zwei Prozent des Grundstückwerts. Handelt es sich um sogenannte Gemeinbedarfszwecke – wie es beispielsweise bei sozialen Einrichtungen der Fall ist – sind es hingegen ein Prozent. Nach Ablauf des Erbbaurechts, das üblicherweise für 99 Jahre mit Verlängerungsoption vereinbart wird, kann das Gebäude gegen eine Entschädigung in das Eigentum der Stadt übergehen. „Bremen hat kein Interesse daran, sein Tafelsilber zu veräußern“, erläutert Finanzsenator Björn Fecker (Bündnis 90/Die Grünen) die Pläne der Hansestadt. Öffentliche Grundstücke wolle man für eine langfristig gute Stadtentwicklung in der Hinterhand behalten. „Mit dem Erbbaurecht bieten wir Familien, aber auch Baugemeinschaften die Möglichkeit, bezahlbar in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Auch für soziale Einrichtungen kann das Erbbaurecht eine attraktive Variante sein. Der nun verabschiedete Leitfaden liefert laut Fecker eine „fundierte Grundlage“ für

Leitfaden nicht nur ein Anreiz für Bauwillige Zwar heißt es in einer Pressemitteilung des Bremer Finanzressorts, dass andernorts als Entschädigungszahlung häufig nicht mehr als zwei Drittel des Verkehrswertes üblich seien, allerdings führe dies zu „tendenziell schlechteren Finanzierungskonditionen durch die Banken“. Den Leitfaden verabschiedete der Bremer Senat nicht nur als Anreiz für Bauwillige. Die Fokussierung auf das Erbbaurecht soll auch der Stadt zugutekommen, die sich davon eine „angemessene Instandhaltung der Immobilie“ verspricht.

Warum eigentlich Töchter? TAG DER BETEILIGUNGSVERWALTUNG 27.-28. Februar 2024, Hamburg

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Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Februar 2024

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er Kindern und Jugendlichen genau zuhört, stößt immer wieder auf verunsichernde Erfahrungen im öffentlichen Raum. Es sind die „komischen Leute“ an der Unterführung, die dunklen und schlecht einsehbaren Ecken im Quartier oder der menschenleere Park auf dem Heimweg von der Freundin oder dem Freund an einem späten Winternachmittag. Kinder meiden solche Orte – mit der Folge, dass Unsicherheitserfahrungen ihre Lebenswelt einengen. Für Polizei, Jugendarbeit sowie Stadt- und Grünplanung gilt es daher, sich intensiver mit den Sicherheitsbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen im öffentlichen Raum auseinanderzusetzen. Das Sicherheitsempfinden von Kindern und Jugendlichen folgt an vielen Stellen allerdings anderen prägenden Einflüssen als das von Erwachsenen: Geringere Körpergröße führt zu anderen Wahrnehmungen, fehlendes Wissen über Zusammenhänge führt zu anderen Ängsten, Erzählungen und mediale Einflüsse werden anders reflektiert. Das macht es erforderlich, Kinder und Jugendliche zu ihren Sicherheits- und Unsicherheitserfahrungen direkt zu beteiligen und zu befragen.

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Sichere Städte für Groß und Klein Sicherheitsgefühl der Kinder und Jugendlichen nicht außer Acht lassen (BS/Jan Abt) Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) hat Methoden entwickelt, um das Sicherheitsgefühl von Kindern und Jugendlichen in der Stadt partizipativ zu erfassen. Ein Methodenhandbuch unterstützt alle Akteure, die sich für sichere und kinderfreundliche Städte engagieren.

Neue Methoden erforderlich Bisher fehlten hierfür jedoch geeignete Methoden. Kriminologische Ansätze waren meist auf Erwachsene ausgerichtet oder räumlich zu unscharf. Lokale Beteiligungsinstrumente für Kinder und Jugendliche nahmen dagegen die Frage nach Sicherheit und Unsicherheit häufig mehr zufällig als gezielt in den Blick. Das Projekt INERSIKI – Instrumentenentwicklung zur Erfassung der raumbezogenen Sicherheitsbelange von Kindern und Jugendlichen – hat diese methodische Lücke geschlossen. INERSIKI wurde in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für Prävention des Landeskriminalamtes Berlin, dem Deutschen Institut für Urbanistik, der Universität Hildesheim (Institut für Psychologie) und dem Kinder- und Jugendbüro SteglitzZehlendorf durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung

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ie können Kommunen aktuellen Herausforderungen – wie dem Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt oder der Förderung von sozialer Gerechtigkeit und nachhaltigem Wirtschaften - begegnen und Nachhaltigkeit vor Ort umsetzen? Im Rahmen des Projektes „Prozesskette Nachhaltigkeit NRW“ begleitet die Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW e. V. (LAG 21 NRW) Kommunen aus Nordrhein-Westfalen bei der Etablierung eines professionellen Nachhaltigkeitsmanagements. Gefördert wird das dreijährige Projekt durch das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW. Insgesamt soll so ein Beitrag zur Erreichung der 17 Globalen Nachhaltigkeitsziele geleistet wer-

Nur wer den Dialog sucht, kann auch Kinder und Jugendliche berücksichtigen.

und Forschung (BMBF) von 2019 bis 2021 gefördert. Ausgangspunkt der Methodenentwicklung war das existierende breite Methodenportfolio zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Aspekten der räumlichen Planung. Ziel war es, vorliegende Methodenerfahrungen zu nutzen, bereits bestehende und erprobte Methoden in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen auf den Kontext ihrer Sicherheitserfahrungen hin zu adaptieren sowie neue Methoden zu entwickeln, die den bereits vorliegenden Erkenntnissen der Beteiligungs- sowie Sicherheitsforschung Rechnung tragen. Diese Methoden wurden in praktischer Anwendung erprobt und weiterentwickelt. Die zehn neu entwickelten Metho-

Foto: BS/Marcus-Sielaff

den für die präventiv ausgerichtete Polizei-, Planungs- und Jugendarbeit decken eine Bandbreite unterschiedlicher Ansätze und Stile ab: Es finden sich „klassische“ Fragebögen ebenso wie mit „Kunstblick“ und „Solo Scouts“ explorative Ansätze. Einige Methoden nutzen

Stift und Papier, andere beinhalten einen großen Anteil an Bewegung und Erkundung. Methoden, die sich für ganze Schulklassen eignen, sind ebenso aufbereitet wie Ansätze, die allein, in Tandems oder Kleingruppen durchgeführt werden können. Das ermöglicht den Einsatz des Methodenangebots in vielen unterschiedlichen Settings: in der Schule, im Jugendclub, in der mobilen Jugendarbeit, im Rahmen der Quartiersentwicklung und der polizeilichen Prävention.

Für konkretes Sicherheitshandeln Durch die Beteiligungsmethoden werden relevante Orte nicht nur konkret lokalisiert, sondern es werden auch die Bewertungen der Kinder und Jugendlichen und ihre

Nachhaltigkeit in Kommunen voranbringen Projekt „Prozesskette Nachhaltigkeit NRW“ unterstützt das kommunale Nachhaltigkeitsmanagement (BS/Dr. Klaus Reuter, Dr. Philipp Lange) Kommunen spielen eine entscheidende Rolle für die sozial-ökologische Transformation hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund benötigen Städte, Gemeinden und Kreise ein wirkungsorientiertes Nachhaltigkeitsmanagement mit geeigneten Instrumenten, die im Sinne einer Prozesskette ineinandergreifen und aufeinander aufbauen. Zentral sind diesbezüglich Nachhaltigkeitsstrategien, -berichte und -haushalte. den, welche 2015 im Rahmen der Agenda 2030 von allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verabschiedet wurden. Aktuelle Zwischenberichte zeigen: um die Ziele bis zum Jahr 2030 zu erreichen, bedarf es einer deutlich entschlosseneren Umsetzung. Kommunen kommt hier als Treiber und Umsetzungsebene eine entscheidende Bedeutung zu. Zur Gestaltung der erforderlichen Prozesse benötigen die Kommunen dabei das geeignete Equipment – die Instrumente des kommunalen Nachhaltigkeitsmanagements.

Die Nachhaltigkeitsstrategie

Dr. Klaus Reuter ist geschäftsführender Vorstand der LAG 21 NRW. Dr. Philipp Lange leitet das Programm Nachhaltigkeitsberichte. Die LAG 21 NRW ist ein unabhängiges Netzwerk für Zivilgesellschaft, VerwalFotos: BS/privat tung und Politik.

Jan Abt ist Wissenschaftler und Projektleiter am Deutschen Institut für Urbanistik. Er beschäftigt sich mit Fragen der urbanen Sicherheit sowie Smart Cities.

Grafik: BS/april agentur

Eine integrierte, ganzheitliche Dachstrategie bildet die Grundlage, um Nachhaltigkeit systematisch zu verankern. Die Entwicklung der Strategie erfolgt dabei von Grund auf partizipativ, indem alle relevanten Akteursgruppen (Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft) von Beginn an eingebunden werden und im Sinne eines kooperativen

Begründungen erfasst – alle Methoden fragen stets nach Ursachen, die den Erzählungen von Kindern und Jugendlichen zugrunde liegen. Zu diesem Zweck eröffnen die Methoden vor allem Gesprächsanlässe: Die Arbeit mit Karten, mit Impulsen durch Bilder oder Begriffe, an konkreten Orten, durch spezifische Arbeitsaufträge oder mit dem Blick durch den Fokus einer Kamera – all diese Elemente sind vornehmlich Ausgangspunkte und Impulse für Berichte und Erzählungen. Sie sind Hilfsmittel, um kindgerecht über Sicherheits- und Unsicherheitserfahrungen der Kinder und Jugendlichen zu sprechen – implizit oder explizit. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse helfen, die Interessen von Kindern und Jugendlichen fachübergreifend zu vertreten. Sie dienen der Verfeinerung der polizeilichen Lagebilder, der Stärkung der städtebaulichen Kriminalprävention sowie der zielgerichteten Planung von Maßnahmen kommunaler Akteure sowie freier Träger. In ihrer gemeinsamen Anwendung sollen sie die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Jugendhilfe und Stadtplanung fördern und zu sicheren und kinderfreundlichen Stadtquartieren führen. Die Methoden sowie Hintergrund, Hinweise und Tipps zu ihrer Anwendung sind in einem anwendungsorientierten Handbuch für Praxisakteure aufbereitet. Dieses Handbuch „Kinder und Jugendliche im Quartier – Handbuch und Beteiligungsmethoden zu Aspekten der urbanen Sicherheit“ gibt eine detaillierte Beschreibung der Methoden und weitere Hilfestellungen für eine wertschätzende Beteiligung sowie eine sensible Erfassung von subjektiver Sicherheit. Es ist kostenlos zum Download verfügbar – auf www.inersiki.de. Außerdem sind auf dieser Webseite weiteres Material, Anregungen und unterstützende Kopiervorlagen verfügbar.

Planungsverfahrens auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Der Prozess startet mit einer Bestandsaufnahme, auf deren Grundlage für verschiedene Handlungsfelder Leitbilder, strategische und operative Ziele sowie Maßnahmen erarbeitet werden. Die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie muss insgesamt parlamentarisch durch den Rat und durch den Verwaltungsvorstand mandatiert sein. So erhält die Strategie den notwendigen Rückhalt und Wirkungsgrad. Der Rat beschließt und legitimiert die Strategie und setzt sie schließlich in Kraft.

von Zielen ausgelöst und neue Prioritäten gesetzt werden. Insofern unterstützt der Nachhaltigkeitsbericht das Monitoring der Nachhaltigkeitsstrategie. Der 2021 vom Rat für Nachhaltige Entwicklung veröffentlichte Standard „Berichtsrahmen Nachhaltige Kommune“ (BNK) unterstützt dabei die einheitliche Berichterstattung. Im BNK ist ein „Comply-or-explain-Prinzip“ verankert, d.h. Kommunen berichten zu den gefragten Inhalten oder begründen, weshalb (noch) keine Aussagen getroffen werden können. So wird die Transparenz und die Vergleichbarkeit der Berichte gefördert.

Der Nachhaltigkeitsbericht

Der Nachhaltigkeitshaushalt

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ermöglicht es, den aktuellen Stand einer nachhaltigen Kommunalentwicklung zu analysieren. Durch eine Übersicht von Nachhaltigkeitsaktivitäten und verschiedener Kennzahlen (Indikatoren) zeigt ein Bericht Fortschritte auf und legt Handlungsbedarfe offen. So können Mechanismen bei der Verfehlung

Als Hinderungsgrund für das Nachhaltigkeitsmanagement in Kommunen gelten häufig knappe kommunale Finanzressourcen. Aktivitäten zur Stärkung von Nachhaltigkeit dürfen jedoch nicht als zusätzliches „Add-On“ zum laufenden Kerngeschäft verstanden werden, das über den Etat hinaus finanziert werden muss. Nachhaltigkeit muss

Das oben genannte Handbuch finden Sie hier:

stattdessen in alle Leistungsbereiche integriert und aufgabenübergreifend gedacht werden. Durch die Verknüpfung von Nachhaltigkeitszielen mit der Haushaltsplanung kann dies gelingen. Dabei werden die Ziele und Kennzahlen der Nachhaltigkeitsstrategie angepasst und in Produktbereichen, Produktgruppen sowie Produkten verankert. Indem die Verteilung von Finanzmitteln an Nachhaltigkeitszielsetzungen ausgerichtet wird, kann Nachhaltigkeit ganzheitlich und wirkungsorientiert in die Planung und Steuerung der kommunalen Kerntätigkeiten integriert werden.

Für ein starkes kommunales Nachhaltigkeitsmanagement Bis Ende 2026 erarbeitet die LAG 21 NRW gemeinsam mit den Kommunen insgesamt 20 Nachhaltigkeitsstrategien, 10 Nachhaltigkeitsberichte und 6 Nachhaltigkeitshaushalte. Dabei wird auch der interkommunale Austausch über Vernetzungsformate sowie der Wissenstransfer über eine „Digitale Informationsplattform Nachhaltige Entwicklung“ gefördert. Insgesamt kann die LAG 21 NRW hierfür auf den Erfahrungen aufbauen, die sie bei der landes- und bundesweiten Begleitung von Kommunen zur Stärkung des kommunales Nachhaltigkeitsmanagement bereits seit vielen Jahren gesammelt hat.


Kommunale Sicherheit

Behörden Spiegel / Februar 2024

Kölle Alaaf – aber sicher!

den Kölner Verkehrsbetrieben, eng ab. Neben den bereits genannten Anwohnerschutzzonen und Zugangsbeschränkungen sind auch die Einrichtung von Glasverbotszonen und die Umsetzung eines umfangreichen Toiletten- und Abfallkonzepts ein wesentlicher Bestandteil unserer Vorkehrungen in den Hotspots. Darüber hinaus setzen wir verkehrslenkende Maßnahmen um, errichten beispielsweise Sperren für den Individualverkehr, verhängen ein Lkw-Fahrverbot in der Innenstadt und erstellen Sonderfahrpläne im öffentlichen Personennahverkehr. An den Karnevalstagen selber tagt dann von morgens früh bis spät in die Nacht ein Koordinierungsstab, in dem die städtischen Dienststellen sowie unsere Sicherheitspartner vertreten sind. Das Gremium bewertet die aktuelle Lage ständig neu, trifft erforderliche Entscheidungen und sorgt für eine rasche Umsetzung.

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ehörden Spiegel: Wie lautet Ihre Bewertung und Bilanz des 11.11.2023: Wie beurteilen Sie den Erfolg des Sicherheitskonzeptes? Welche Lehren können Sie aus dem Einsatz ziehen? Blome: Insgesamt ziehen wir eine positive Bilanz. Die von uns und unseren Partnerinnen und Partnern sowie Dienstleisterinnen und Dienstleistern umgesetzten Maßnahmen des Sicherheitskonzeptes haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Menschen in Köln sicher feiern konnten. Selbstverständlich gibt es rund um den Kölner Karneval auch einige kritische Stimmen von Anwohnenden, Gastronomen, Gewerbetreibenden und Initiativen, die wir sehr ernst nehmen und in unseren weiteren Planungen versuchen, bestmöglich zu berücksichtigen. Der 11.11. fiel im vergangenen

Die von uns [...] umgesetzten Maßnahmen des Sicherheitskonzeptes haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Menschen in Köln sicher ­feiern konnten.“

Jahr auf einen milden und teils sonnigen Samstag, sodass die bekannten Kölner KarnevalsHotspots erwartungsgemäß sehr gut besucht waren. Der Sessionsbeginn stellte daher für die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden erneut eine große Herausforderung dar. Ein Einsatzschwerpunkt lag im Bereich des Studierendenviertels, dem sogenannten Kwartier Latäng. Durch die Besuchersteuerung zum Schutz der Anwohnenden und Feiernden konnten wir eine Überfüllung des Quartiers verhindern. Nach Schließung der Zugänge wurden die Feiernden auf die nahe gelegene Ausweichfläche, die sogenannte Uniwiese, verwiesen. Deren Nutzung hat sich daher erneut bewährt. Durch Abdeckungen und Nachreinigungen haben wir ihren Schutz bestmöglich gewährleistet.

Wie die Stadt Köln an den jecken Tagen Sicherheit gewährleisten will (BS) Der Straßenkarneval bedeutet für die Sicherheitskräfte in Köln jedes Jahr aufs Neue eine große Herausforderung. An Weiberfastnacht und am Elften im Elften steht vor allem das „Kwartier Latäng“ rund um die Zülpicher Straße im Fokus. Zehntausende – insbesondere junge Jecken – strömen dann in das Studentenviertel. Seit 2022 versucht Stadt mit einer Ausweichfläche auf der angrenzenden Uniwiese der Lage Herr zu werden. Kritik kommt diesbezüglich von Umweltverbänden und Anwohnenden, da der gesamte Grüngürtel als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist. Aber auch die Ordnungskräfte sind von Jahr zu Jahr mehr gefordert. Stadtdirektorin Andrea Blome äußerte sich zu den Herausforderungen und zum ­Sicherheitskonzept für den „Fasteleer“. Landespolizei einen großen Beitrag leisten. Insbesondere der Bereich um die Zülpicher Straße, das Kwartier Latäng, ist in den letzten Jahren immer mehr zu einem neuralgischen Punkt im Sicherheitskonzept geworden. Behörden Spiegel: Was erwarten Sie für Weiberfastnacht und das Karnevalswochenende für diesen Bereich? Mit wie vielen Feiernden rechnen Sie? In den letzten Jahren gab es immer wieder Kritik am Konzept. Werden Sie das Sicherheitskonzept für diesen Bereich beibehalten? Wird die Uniwiese weiterhin als Ausweichfläche für die Feiernden dienen? Blome: Wir erwarten auch in diesem Jahr einen großen Andrang in den bekannten Hotspots und gehen davon aus, dass auch in diesem Jahr der Zugang zum Kwartier Latäng reguliert werden muss. Dafür sind wir entsprechend vorbereitet. Dies bedeutet auch, dass wir die Ausweichfläche nutzen werden, sobald eine Überfüllung des Viertels droht. Aktuell finden intensive Abstimmungen mit einem Veranstalter statt, der die Durchführung einer Alternativveranstaltung in unmittelbarer Nähe des Kwartier Latäng beantragt hat. Dies wäre ein wichtiger erster Schritt, um perspektivisch auf eine Nutzung der Uniwiese verzichten zu können. Behörden Spiegel: Wird es einen besonderen Schutz der Synagoge in der Roonstraße geben? Blome: Selbstverständlich. Um den Schutz der Synagoge kümmert sich die Polizei. Aufgrund der getroffenen Vorkehrungen ist

Behörden Spiegel: Gibt es spezielle Sicherheitskonzepte bezüglich Alkohol? Wird es Sperrzonen geben? Wann und wo werden diese eingerichtet? Wird es auch Bereiche mit generellem Alkoholverbot geben?

Kölns Stadtdirektorin Andrea Blome sorgt mit der Umsetzung des Sicherheitskonzepts im Karneval dafür, dass der Höhepunkt der fünften Jahreszeit in der rheinischen Hochburg Foto: BS/Rheinisches Bildarchiv, Sabrina Walz ein möglichst friedlicher wird.

es am 11.11. rund um die Synagoge ruhig geblieben. Trotz der räumlichen Nähe zu der Partymeile konnten die Gottesdienste ungestört stattfinden und die Gläubigen ihre Synagoge aufsuchen. Ich bin mir sicher, dass die Polizei auch während des Straßenkarnevals alle notwendigen Maßnahmen ergreifen wird, um die Synagoge zu schützen. Behörden Spiegel: Welche Vorkehrungen trifft die Stadt für die Karnevalstage insgesamt und welche Sicherheitsmaßnahmen werden für den Rosenmontagszug ergriffen?

Wir bereiten uns seit Monaten intensiv vor [...].“

Blome: Wir bereiten uns seit ­ onaten intensiv vor und stimM men für den Straßenkarneval sowie die Umzüge umfangreiche und ­e rforderliche Sicherheitsmaßnahmen mit sämtlichen zu beteiligenden städtischen Dienststellen und anderen Beteiligten, wie b ­ eispielsweise der Polizei und

Behörden Spiegel: Wie haben sich die Zahlen bezüglich der Fahrten unter Alkoholeinfluss entwickelt? Blome: Ich bin sicher, dass die Polizei an den Karnevalstagen wieder verstärkt kontrollieren wird – nicht nur Autofahrer, sondern auch E-Scooter-Fahrer. Das Fahren mit E-Scootern unter Alkoholeinfluss beschäftigt uns seit einigen Jahren und wir versuchen, gemeinsam mit den Betreibern Lösungen für das Problem zu finden. So werden Sperrzonen in den Hotspots eingerichtet, in denen keine E-Scooter ausgeliehen werden können, oder es muss ein AlkoholTest bestanden werden, damit ein E-Scooter überhaupt ausgeliehen werden kann.

Behörden Spiegel: Welcher Tag ist im Straßenkarneval für gewöhnlich mit den größten Herausforderungen für die Sicherheitskräfte verbunden? Welche verschiedenen Kräfte kommen zum Einsatz und wie viele Kräfte werden in der Spitze benötigt? Blome: Erfahrungsgemäß ist Weiberfastnacht der Tag mit dem stärksten Besucheraufkommen. Das Amt für öffentliche Ordnung wird mit über 200 Mitarbeitenden aus den Bereichen des Ordnungsdienstes, des Verkehrsdienstes, des Veranstaltungsservices und der Gewerbeabteilung im Einsatz sein und durch rund 1.000 Kräfte von privaten Sicherheitsdiensten unterstützt. Hinzu kommen u.a. mehrere hundert Einsatzkräfte der haupt- und ehrenamtlichen Feuerwehr, hunderte ehrenamtliche Kräfte der Hilfsorganisationen, Streetworker sowie Mitarbeitende und Servicekräfte der Abfallwirtschafts- und Verkehrsbetriebe. Die Polizei Köln wird wieder mit mehreren Hundertschaften der

Blome: Ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum ist derzeit auf Grundlage der geltenden Rechtslage nicht haltbar. Aber selbstverständlich stellen wir uns den Herausforderungen eines übermäßigen Alkoholkonsums, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Vor Karneval führen wir Präventivansprachen in Gastronomie- und Kioskbetrieben zum Thema Alkohol und Jugendschutz durch und verteilen Informationsmaterial, auch zum bestehenden Glasverbot und den geltenden Regelungen. An den Karnevalstagen sind Streetworker und der Ordnungsdienst unterwegs, legen ein besonderes Augenmerk auf Jugendliche und junge Erwachsene und helfen bei Notsituation beziehungsweise versuchen dazu beizutragen, dass diese gar nicht erst entstehen.

Behörden Spiegel: Setzen Sie auch Sicherheitskräfte ein, die nicht so sehr im Blick der Öffentlichkeit stehen wie Polizei, Ordnungsamt und Feuerwehr?

Die Sicherheit der Karnevalistinnen und Karnevalisten auf den Straßen Kölns erfordert einige Vorarbeit. Vor Ort sind dann zahlreiche OrdnungsFoto: BS/Lars Mahnke und Sicherheitsbehörden sowie freiwillige Helfer im Einsatz.

Blome: Neben den klassischen „Uniformträgern“ gibt es eine Vielzahl von Helferinnen und Helfern, die einen wichtigen Beitrag für sichere, friedliche und respektvolle Karnevalstage leisten. Insbesondere den vielen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, sind wir sehr dankbar, denn ohne sie wäre der Kölner Karneval so nicht möglich.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

Berlin und Bonn / Februar 2024

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Teilweise (Un-)Abhängig (BS/Paul Schubert) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) soll unabhängiger werden. Zumindest sieht das der Koalitionsvertrag vor. Passiert ist dabei bisher wenig. Nun wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich genau mit dem Thema befassen soll. Die ersten Entwürfe zeigen, dass die Bundesregierung darauf abzielt, einzelne Abteilungen unabhängig zu machen, jedoch nicht die gesamte Sicherheitsbehörde.

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Grafik: BS/ Marvin Hoffmann unter Verwendung von dzm1try, stock.adobe.de; anatolir, stock.adobe.de; Natalia, stock.adobe.de

I

m Koalitionsvertrag ist von einer vollständigen Unabhängigkeit des BSI – wie z. B. vom Chaos Computer Club (CC) gefordert – nichts zu lesen. Stattdessen sollte Deutschlands größte Cyber-Sicherheitsbehörde nur „unabhängiger“ werden. Dennoch wird seit der personellen Veränderung an der Spitze des BSI mit Claudia Plattner über die Abhängigkeit des Bundesamtes vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) diskutiert. So ist Plattner als politische Beamtin aktiv, die durch die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) jederzeit in den Ruhestand versetzt werden kann. Kritiker vermuten, dass durch weitere Maßnahmen die Abhängigkeit vom BMI wachsen könnte, was sich auch auf strittige Themen wie das Schwachstellenmanagement auswirken könnte. Das BMI favorisiert die Option, Schwachstellen für Überwachungszwecke offenzuhalten. Das BSI setzt sich für eine konsequente Schließung der Sicherheitslücken ein, so wie es der Koalitionsvertrag vorsieht.

AG erarbeitet Vorschläge Mit der Arbeitsgruppe BSI möchte die Bundesregierung nun Konzepte vorlegen, wie ein unabhängigeres BSI aussehen könnte: „Die AG BSI wurde eingerichtet, um den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag konzeptionell auszufüllen und zu einer zielgerichteten Umsetzung zu kommen“, heißt es aus dem Innenministerium. Dem BMI zufolge sind dabei nur die Koalitionsfraktionen mit den für die Themen zuständigen Berichterstattern und das Innenministerium durch den zuständigen parlamentarischen Staatssekretär Johann Saathoff (SPD) vertreten. Mitarbeitende des BSI seien nicht in

Unabhängige Stellen, die niemandem gegenüber verantwortlich sind und für die sich kein Ministerium starkmachen kann, sind kein Gewinn für unsere Sicherheit.“ Dr. Reinhard Brandl, digitalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

die AG BSI involviert. Bisher hätten fünf Sitzungen auf Abgeordnetenebene und drei Sitzungen auf Mitarbeitendenebene stattgefunden. In einem Zwischenbericht, der an den Haushaltsausschuss Ende Dezember gesendet wurde, wurde über die Möglichkeit berichtet, einzelne Abteilungen unabhängig zu gestalten. Dazu zählen neben Zertifizierungsreferaten auch die Abteilung „Operative Cybersicherheit“. Hier werde die Möglichkeit erörtert, weisungsfrei und mit einem eigenen Personal- und Budgetrahmen zu agieren, heißt es im Zwischenbericht. Auch die wissenschaftlich-technischen Aufgaben sollen fachlich unabhängig durchgeführt werden. Die größte augenscheinliche Änderung für mehr Unabhängigkeit soll sich aus der Änderung von Paragraph 1 BSIG ergeben. Demnach soll ergänzt werden, dass es sich beim BSI um eine „selbstständige

Bundesoberbehörde handelt, die im Geschäftsbereich des BMI aktiv ist“. Im Bereich des Schwachstellenmanagements bleibt der Bericht vage: „Von diesem Themenfeld sind besonders schwierige Abwägungen erfasst, die die Sicherheitsinteressen für deutsche IT-Systeme gegenüber den Erfordernissen der Strafverfolgung, der Aufklärung der Nachrichtendienste und der Verteidigung insgesamt betrachten müssen.“ Hier sei der Stand noch nicht fortgeschrittenen genug, um erste Ergebnisse zu präsentieren. Der Bericht empfiehlt jedoch, den Prozess zur „coordinated vulnerability disclosure“ (CVD, eine Schwachstellenmeldung) gesetzlich zu verankern. Dabei solle festgeschrieben werden, dass IT-Schwachstellen – sofern vom BSI entdeckt – direkt an die Hersteller gemeldet werden sollen. Dieser Meldeprozess soll des Weiteren transparent gestaltet werden, indem eine CVD-Leitlinie durch das Bundesamt veröffentlich werden soll. Um ein umfassenderes Konzept für ein unabhängigeres BMI aufzustellen, seien weitere Diskussionen in der AG BSI erforderlich, auch um rechtliche Hindernisse aus dem Weg zu räumen, heißt es im Papier. Eine für Mitte Januar angesetzte Sitzung musste aus Termingründen verschoben werden, heißt es aus dem Innenministerium. Ob neben dem Haushaltsausschuss auch andere Stellen die Zwischenberichte der AG BSI erhalten, ist nicht bekannt.

Unabhängig gleich verantwortungslos? In den Oppositionsreihen ist man nicht begeistert von den Plänen der Ampel und des BMI: „Ich halte nichts davon, einzelne Abteilungen

oder Referate aus dem BSI auszugliedern und mit erheblichem Aufwand unabhängig von der Leitung des BSI zu stellen“, heißt es von Dr. Reinhard Brandl, digitalpolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion. Unabhängige Stellen, die niemandem gegenüber verantwortlich seien, seien kein Gewinn für die Sicherheit, erklärte Brandl. Des Weiteren zeigte er sich irritiert, dass die AG BSI nur mit ausgewählten Parlamentsvertretern arbeite und „bestimmte Teile des Parlaments draußen halte“. Über die ebenfalls diskutierte Zentralstellenfunktion sagte er, dass „eine Aufgabe nicht dadurch besser wird, wenn sie der Bund erledigt“ und stellte die Sinnhaftigkeit der Zentralstellenfunktion insbesondere im Hintergrund eines unabhängigen BSI grundsätzlich infrage. Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDPBundestagsfraktion, kritisierte hingegen die unionsgeführten

Wenn das BSI seine Aufgaben mit mehr Eigeninitiative verfolgen kann, kommt das der Bundesrepublik insgesamt zugute.“ Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion

Landesinnenministerien, die in einem Positionspapier im Juli vergangenen Jahres einer stärkeren Zentralisierung der Cyber-Sicherheit eine Absage erteilt hatten: „Wenn sich unionsgeführte Landesministerien dagegen starkmachen, dann machen sie Parteipolitik auf dem Rücken der deutschen Sicherheit“, so Funke-Kaiser. Der Digitalpolitiker, selbst Mitglied in der AG BSI, setzt darauf, dass die Cyber-Sicherheitsbehörde ihre Aufgaben mit mehr Eigeninitiative verfolgen kann: „Das kommt der Bundesrepublik insgesamt zugute“, sagte Funke-Kaiser. Für eine Zentralisierung des BSI wird eine Grundgesetzänderung erforderlich sein. Dafür wird eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat nötig werden. Insbesondere Letzteres ist aktuell unwahrscheinlich.

Zentralstellenfunktion in Ressortabstimmung Die Regelungen zur Zentralstellenfunktion bleiben im zitierten Papier ebenfalls unvollständig. Rechtliche Änderungen werden dagegen bereits weitergehend bearbeitet. Anfang 2024 möchte das Innenministerium einen Entwurf für die Änderung des Grundgesetzes und die einfachrechtlichen Änderungen des BSI-Gesetzes für die weitere Abstimmung bereitstellen. Das Konzeptpapier für den Ausbau des BSI zu einer Zentralstelle im Bund-Länder-Verhältnis ist vom BMI in die Ressortabstimmung gegeben worden: „Das BMI geht davon aus, dass es nunmehr gelingen wird, im ersten Quartal des neuen Jahres das erbetene Konzept zu übersenden“, heißt es am Ende des Zwischenberichts an den Haushaltsausschuss.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Februar 2024

„Bewegt eure Hintern hierher“

als Broadcom, wo auch zu Corona-Zeiten im April 2020 Mitarbeiter in die Büros kommen sollten, was Ärger mit den US-Behörden nach sich zog. Nach einem amerikanischen Medienbericht soll kurz nach der Übernahme von VMWare durch Broadcom nicht nur die Massenentlassung eingesetzt haben, sondern es sollen auch die VMWare-Mitarbeitenden sofort ins Office beordert worden sein. Laut dem US-Medienbericht soll CEO Hock Tan gesagt haben: „Wenn ihr im Umkreis von 50 Meilen um ein Büro wohnt, bewegt ihr eure Hintern hierher.“ Die Mitarbeitenden, vor allem die Vertriebspartner, und selbst die Kunden spielen bei dieser Gewinnmaximierung nur eine untergeordnete Rolle. Ein Unternehmen, das ein anderes kauft, möchte üblicherweise dessen Technologie erwerben, die Beschäftigten oder den Markt oder die Kunden, um dauerhaft in dem Bereich Geschäfte machen zu können. Doch hier ist es anders. Der Kauf eines Unternehmens dient dazu, neue Geschäftsmodelle einzuführen, egal wie hoch die Kollateralschäden sind – selbst wenn nach zwei Jahren Kunden und Markt weg sind, es muss sich gelohnt haben. Es muss mehr rausgepresst worden sein, als das Investment gekostet hat.

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ie von VMWare bisher lizenzierte Software bestimmt zwei Drittel des Virtualisierungsmarktes auch bei Behörden. Mit der Virtualisierung ist es möglich die vorhandenen physikalischen Rechnerkapazitäten nicht nur besser auszulasten, sondern auch mehreren Nutzern parallele Rechenprozesse zu ermöglichen und auf dem eigenen Maschinenpark eine Privat Cloud zu simulieren. Gerade Letzteres trifft die Bundesbehörden besonders, denn ihnen war es, anders als Unternehmen, aus regulatorischen Gründen bisher nicht erlaubt, Public Clouds von Google, Amazon, Microsoft und anderen aus zu nutzen, also die Daten dorthin auszulagern. Daher war bisher Virtualisierung das probate Mittel. Die Abhängigkeit von VMWare-Produkten ist allerdings massiv, obwohl es Alternativen gegeben hätte, doch viele öffentlichen IT-Anwender setzten auf One-Vendor-Politik, eben nicht auf eine Multi-Vendor-Strategie, die mit mehreren Lieferanten größere Unabhängigkeit von einem einzigen Lieferanten hätte sichern können.

VMWare kündigte alle Verträge (BS) Für Markt- und Börsenkenner ist es keine Überraschung, für die meisten großen Kunden in der öffentlichen Verwaltung hingegen ist es eine sehr böse. VMWare, übernommen von dem US-Unternehmen Broadcom – über dessen marktbeherrschende Stellung bei anspruchsvollen Chips besonders für den Mobilfunk selbst schon Peking und Washington stritten –, hat alle Verträge kurzfristig und einseitig gekündigt und bringt neue Vertragsmodellemit mit sofortiger Wirkung auf den Markt. Durch die Bündelung der Produkte und eine andere Berechnungsgrundlage verlangen diese den meisten IT-Anwendern und Dienstleistern in der öffentlichen Verwaltung mittlere bis hohe, prozentual zweistellige Lizenzgebühren-Erhöhungen ab.Dabei stehen die Zeichen auf Sparen in den öffentlichen Haushalten.

Das Rennen läuft bereits Zwar hat das Rennen auf die öffentlichen Kunden von VMWare by Broadcom, wie das Unternehmen im Moment heißt, längst eingesetzt. Und es gibt Produkte von Nutanix, auch Microsoft und Oracle – auch OpenSource-Produkte –, aber eine Umstellung der Virtualisierung in einem größeren Rechenzentrum wie z. B. bei der Bundesagentur für Arbeit, der Deutschen Rente, des ITZBund, der BWI (Bundeswehr) oder Dataport sind keine Angelegenheit von sechs Monaten – dann läuft die Restlaufzeit nach Ansicht von VMWare aber aus. Dahinter steht die Broadcom-Strategie: Der Kunde muss die neuen Lizenzmodelle akzeptieren oder er ist dann eben kein Kunde mehr. Das neue Lizenzmodell bündelt die dreistellige Zahl der VMWare-Produkte, für die der Kunde eine zeitlich definierte Nutzungszeit inklusive Services erwarb, in wenige Abonnement-Modelle. Es müssen also in diesen Abos mehr Produkte abonniert werden als womöglich notwendig. Zudem soll als Basisberechnung dafür nicht wie bisher die Zahl der CPUs (Central Processing Units) in den Servern zugrunde gelegt werden, sondern die Anzahl der Rechenkerne (Core). Der Vorteil für VMWare dabei ist, dass Server in der Regel über zwei CPUs verfügen, moderne Maschinen aber bis sieben oder acht Rechenkerne haben. In der

Vertriebspartner massiv verunsichert Regide, auch beim Thema Personalpolitik: Broadcom CEO Tan soll nach Medienberichten kurz nach der Übernahme die VMWare-BeFoto: BS/Flamingo Images, stock.adobe.com schäftigen mit markigen Worten aus dem Home Office zurück in die Büros beordert haben.

Konsequenz wird es für die meisten, besonders die größeren Kunden, saftig teurer. Laut VMWare soll es einige Kunden bis zu zehn Prozent günstiger werden. Da diese aber nicht kurzfristig umstellen können, setzt VMWare auf die „Einsicht“ der Kunden, dass ihnen nichts anderes übrigbleibt, als die neu diktierten Bedingungen zu übernehmen.

tegie sehr erfolgreich ist. Von einst einem Aktienwert bei 500 Dollar ist das Papier auf 1.100 gestiegen. Spätestens hier hätten die Alarmglocken läuten müssen. Denn Broadcom ist unter Führung des Chinesen Hock Tan neben einem sehr erfolgreichen Chip-Hersteller auch ein Hedgefondsähnlicher Investor, hinter dem auch große Kapitalgeber stecken.

Entwicklung war vorhersehbar

Gewinnmaximierung im Fokus

Hätte man das nicht kommen sehen können? Doch, hätte man, spätestens als nach allerlei regulatorischen Hindernissen in den USA Broadcom am 25. Mai 2022 die Übernahme von VMWare zu dem auch in der Geschichte der IT-Übernahmen sensationellen Kaufpreis von 61 Milliarden US-Dollar bekannt gab wurde. Darauf kamen noch mal acht Milliarden VMWare-Schulden. Ein Blick an die Börse zeigt, dass Broadcom seit zehn Jahren mit dieser Übernahmestra-

2018 kaufte Broadcom den Software-Konzern CA Technologies und exerzierte hier, wie man mit einer nicht an Technologie orientierten Strategie Gewinn maximiert. Die Produkte von CA wurden zu einem Mammutprodukt zusammengebaut und den bisherigen Kunden alternativlos angeboten. Die Überlegung dahinter: Der auch hier hohe Kaufpreis muss innerhalb weniger Jahre, die die Kunden brauchen, um auf andere Anbieter umzustellen, aus diesen mit

Erst 18 Prozent umgesetzt Bitkom-Studie zur Umsetzung digitalpolitischer Vorhaben (BS/ast) Bislang wurden 60 der insgesamt 334 digitalpolitischen Vorhaben der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode umgesetzt. Rund zwei Drittel (68 Prozent) befinden sich in der Umsetzung, 14 Prozent wurden noch nicht angegangen. Das zeigt die neueste Auswertung des „Monitors Digitalpolitik“ , den der Branchenverband Bitkom jüngst ­vorstellte. „Auch wenn die Bundesregierung in den vergangenen Monaten etwas Boden gut gemacht hat: Viele zentrale Vorhaben sind von Abschluss oder Umsetzung weit entfernt“, sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Dazu gehörten insbesondere der DigitalPakt 2.0 für Deutschlands Schulen, die Digitalisierung der Verwaltung und auch Projekte wie der digitale Führerschein.

Wintergerst: Tempo verdoppeln Wenn die Bundesregierung ihre Ziele noch erreichen wolle, müsse sie das Tempo in der Digitalpolitik mehr als verdoppeln, betonte Wintergerst. Um vor den nächsten Bundestagswahlen alle 334 Vorhaben abzuschließen, müssten noch 274 Vorhaben in sieben Quartalen umgesetzt werden, also durchschnittlich 39 pro Quartal, teilt der Bitkom mit. Aktuell werden durch-

schnittlich 17 Vorhaben im Quartal abgeschlossen. Im letzten Quartal waren es mit 22 überdurchschnittlich viele. „Die Ampel hat es selbst in der Hand, zu einer echten Fortschrittskoalition zu werden. Dafür muss sie 2024 zum Digital-Jahr machen“, mahnt der Präsident des Digitalverbandes.

BMWK und BMF vorne Im zurückliegenden Quartal wurde als Groß-Projekt der Digitalpakt für die Justiz umgesetzt. Insgesamt war das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am „erfolgreichsten“. Es brachte fünf Vorhaben zum Abschluss. Dabei ging es unter anderem um eine verbesserte Finanzierung von Start-ups. In der Verantwortung des BMWK liegen allerdings mit 55 die zweitmeisten Vorhaben. Mit 74 Vorhaben hat das Bundesinnen-

ministerium (BMI) am meisten zu tun. Dazu zählen beispielsweise die Schaffung einer öffentlichen Vergabeplattform (abgeschlossen), allgemein anwendbare digitale Identitäten (begonnen) sowie der medienbruchfreie Austausch von Daten in der Strafverfolgung (nicht begonnen). Das Finanzministerium (BMF) schloss im letzten Quartal vier seiner insgesamt 15 Vorhaben ab. Der „Monitor Digitalpolitik“ wurde im August 2023 erstmals veröffentlicht und zum Jahreswechsel auf den neuesten Stand gebracht. Er gibt Auskunft über den Umsetzungsstand von 144 Projekten aus der Digitalstrategie, 188 digitalpolitischen Projekten aus dem Koalitionsvertrag sowie zweier weiterer digitalpolitischer Vorhaben, die die Bundesregierung nachträglich aufgesetzt hat.

Gewinn herausgepresst werden. Ob danach noch ein Markt für CA-Produkte und die Kunden da war, interessierte nicht, es ging ausschließlich um die Rentabilisierung der Investition mit Gewinn. Das klappte, wie der Aktienkurs zeigte. Der nächste Coup folgte gleich darauf 2019: die Übernahme der Enterprise-Sparte von Symantec. Doch hier klappte es nicht ganz so gut, denn der Hersteller von Sicherheitssoftware hatte, um den Cyber-Herausforderungen zu begegnen, immer große Summen in die Weiter- und Neuentwicklung seiner Software investiert. Das unterblieb im bis dahin geübten Umfang. Heute gibt es Symantec noch auf dem Papier, die Produkte spielen keine Rolle mehr und die Kunden sind weg. Hier gab es allerdings reichlich Alternativen. Daraus hat Broadcom gelernt und sich ein Kaufobjekt gesucht, bei dem die Abhängigkeiten der Kunden besonders groß ist – eben VMWare. Broadcom ist nicht nur mit seiner hervorragenden Stellung im ChipMarkt einzigartig und mit dieser nicht zum eigentlichen Geschäft gehörenden Kaufstrategie zudem wirtschaftlich erfolgreich, sondern auch legendär im Umgang mit dem Personal. Bei CA wurden so viele Leute entlassen, wie es ging, bei Symantec dasselbe – in den USA einfacher als hierzulande. Daher gab es für europäische, insbesondere deutsche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter riesige Abfindungen. Der Plan soll jetzt auch in der Münchner Firmenzentrale von VMWare auf dem Tisch liegen. Die Beschäftigten sind in einer weißen und einer schwarzen Liste aufgeführt, teils ohne selbst davon Kenntnis zu haben. Die „Schwarzen“ sollen weg mit hohen Abfindungen, die „Weißen“ sollen bleiben. Doch die Rigidität beim Personalumgang könnte dazu führen, dass nun auch die Weißen lieber freiwillig gehen, statt zu bleiben. Von den 33.000 VMWare-Mitarbeitern weltweit sollen offiziell zehn Prozent gehen, doch nach Insider-Informationen plant die US-Firmenzentrale, insgesamt 20.000 zu entlassen. Eine Bestätigung hierfür allerdings liegt nicht vor, würde aber ins Bild passen. VMWare galt als Homeofficefreundliches Unternehmen, anders

Panik herrscht bei den bisherigen Vertriebspartnern von VMWare, hierzulande meist Systemhäuser wie SVA, Computacenter oder Bechtle. Sie waren diejenigen die erst in diesem Monat von teils noch nicht ausgereiften Abo-Modellen erfuhren. Sie sind es aber, die als Vertragspartner den Kunden gegenüberstehen, die teils von ihrer neuen Situation nicht mal was ahnen, geschweige denn wissen. Zudem: 2.000 Kunden will Broadcom selbst betreuen. Offensichtlich sollen dem Channel Rosinen entzogen werden. Im Markt ist die Rede von mindestens 500.000 Euro, die ein Vertriebspartner einbringen muss. Es stellen sich Fragen: Kann ein Vertragsverhältnis einseitig ohne Einhaltung einer angemessenen Auslauffrist gekündigt werden? Wer könnte zur Verantwortung, womöglich zu Schadensersatz herangezogen werden? Aber es gibt noch Grundsätzlicheres zu beantworten. Wieso wurden Verträge mit VMWare, Sitz München, gemacht, die nach deutschem Recht jahrelang keine Entität war? Es hieß VMWare Deutschland, Zweigniederlassung der VMWare Global Inc. Cooperation. Also eine Filiale ohne deutschen Firmenstatus. Noch interessanter ist, wie es dazu kam, dass nach langem Hin und Her Beschäftigte der VMWare Deutschland als Sicherheitsüberprüfte bei Behörden mit Sicherheitsaufgaben – hierfür zuständig ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – , ja sogar Diensten ein- und ausgehen konnten? Diese Fragen werden jedoch nicht von VMWare oder gar Broadcom beantwortet werden müssen.

Fragen nach digitaler Souveränität Auch politisch wirft dieser Deal mit unangenehmen Folgen für die Sparhaushalte Fragen nach der digitalen Souveränität auf. Einige der VMWareKunden tragen die Fahne der digitalen Souveränität vor sich her, doch der Worst Case wurde, wenn nicht ausgeblendet, so unterbewertet, was aber spätestens nach der Ankündigung der Übernahme von VMWare durch Broadcom 2022, sträflich war. Erste Konsequenzen haben die öffentlichen IT-Beschaffer bereits gezogen und daraus gelernt: Beim nächsten Schritt in große Abhängigkeiten bei der Nutzung von Cloud heißt es Multi-Cloud-Strategie.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Februar 2024

Einigkeit in Bonn

E

s gebe bereits enge bilaterale Kooperationen zwischen den Behörden, erläuterte Mark Branson, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Jetzt schaffe man die Möglichkeit zu multilateralen Kooperationen. Viele EU-Richtlinien, wie der AI Act, seien hoch komplex, so Branson weiter. Die Anwender benötigten einen Weg durch diese Form horizontaler Regulierung. Mit Rechtsakten zu Digitalisierung wie dem „Digital Services Act“ (DSA) und dem „Data Act“ gibt es eine Vielzahl neuer europäischer Gesetze, die in deutsches Verwaltungshandeln umgesetzt werden müssen. Daher werde die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden noch wichtiger werden, kommentierte Prof. Dr. Konrad Ost, Vizepräsident des Bundeskartellamts (BKartA): „Es macht keinen Sinn, nebeneinander zu agieren.“ Besser sei es, sich von vornherein abzusprechen. Im „Digital Cluster Bonn“ sollen in Zukunft Wissen und Erfahrungen aus Projekten geteilt werden. Durch die Erarbeitung einer gemeinsamen Haltung sollen in der Folge Gesetze kohärent angewendet werden. Die verschiedenen Perspektiven müssten zusammenkommen, betonte Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). „Wenn wir ein Thema nur aus unserer Perspektive betrachten, greifen wir zu kurz.“ Eine Herausforderung sei nun die Operationalisierung des Vorhabens. In welchen Abständen getagt werde müsse zum Beispiel noch ausgestaltet werden. Hier lohne es sich, den Mehrwert der Vernetzung aufzuzeigen, um Mitarbeitende dafür zu begeistern.

„Wir haben viel zu bieten“ „Diese Initiative hat nur Chancen, keine Risiken“, bemerkte BaFinChef Branson. Die Kosten seien gering, man müsse lediglich Zeit investieren. Beim Cluster gehe es vor allem darum, Ideen auszutauschen – wie bei einem Inkubator: „Was könnten wir gemeinsam entwickeln, das uns allen helfen würde?“ Denn neben der Anwendung von Gesetzen wollen sich die Mitglieder auch enger zur digitalen Transformation ihrer eigenen Behörden absprechen und Best-Practice-Beispiele teilen. Veronika Keller-Engels, Präsidentin des Bundesamts für Justiz (BfJ), verkündete: „Wir können alle von-

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Sechs Bundesbehörden gründen „Digital Cluster Bonn“ (BS/Anna Ströbele) Die in Bonn ansässigen Bundesbehörden mit Aufgaben im Digitalbereich intensivieren ihre Zusammenarbeit. Zu diesem Zweck gründen sie das „Digital Cluster Bonn“. Hier wollen die sechs in Zukunft Ideen austauschen – wie in einem Inkubator. Die Schwerpunkte sind die Regulierung des Digitalen sowie die behördeninterne Digitalisierung. In Zukunft könnten neue Mitglieder hinzukommen, darunter wohl eher keine Ministerien.

Die Behördenleitungen bekräftigten, an einem Strang ziehen zu wollen: (v. l. n. r.) Mark Branson (BaFin), Prof. Ulrich Kelber (BfDI), ClauFoto: BS/Bundesnetzagentur dia Plattner (BSI), Veronika Keller-Engels (BfJ), Klaus Müller (BNetzA) und Prof. Dr. Konrad Ost (BKartA).

einander lernen.“ Mit dem Digital Cluster soll der informelle Austausch auf ein höheres Niveau gehoben werden. Besonders wichtig findet Keller-Engels dabei die Stärkung des Bonner Standortes, auch um attraktiver für Arbeitskräfte zu werden: „Wir haben viel zu bieten.“ Dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Prof. Ulrich Kelber, zufolge will man „kooperativ handeln“, müsse aber „ein paar Spielregeln beachten“. Dazu gehörten Beschränkungen zum Informationsaustausch, zu welchen es eine rechtliche Grundlage gebe. Aktuell hat das Digital Cluster sechs Mitglieder. Ob in Zukunft weitere dazukommen könnten, werde sich zei-

gen, erklärte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur (BNetzA). Grundsätzlich sei man dafür offen. Zunächst wollen die Behörden aber eine Vertrauensbasis aufbauen. Neben den sechs Gründungsmitgliedern haben unter anderem auch das ITZBund, der Bundesrechnungshof und das Beschaffungsamt des BMI ihren Sitz in der alten Hauptstadt. Bezüglich einer möglichen Teilhabe erklärt das

ITZBund, am Digital Cluster beteiligten sich nur Behörden, die eine Regulierungsfunktion hätten. Da das ITZBund jedoch keinen Regulierungsauftrag gegenüber der Industrie habe, sei es nicht im Digital Cluster Bonn vertreten. Die Bundesnetzagentur ergänzte auf Anfrage, das ITZBund habe allerdings „starke thematische Bezüge zur zweiten Zielrichtung des Digital Clusters“: der Digitalisie-

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rung der Behörden selbst. Daher bestünden „durchaus Möglichkeiten, das ITZBund in die Arbeit des Digital Clusters einzubeziehen, u. a. durch gemeinsame Veranstaltungen oder Beteiligung an Arbeitskreisen“.

Ministerien begrüßen Gründung Eine gesetzliche Grundlage gibt es für das Cluster nicht, diese braucht es Müller zufolge aber auch nicht. Dafür haben die Mitglieder am Gründungstag ein Memorandum of Understanding (MoU) unterzeichnet. Damit legten die Behörden gemeinsame Ziele sowie einen grundlegenden Rahmen für ihre Zusammenarbeit fest. Hier steht auch, das Cluster sei „offen für die Beteiligung weiterer Bundesbehörden mit Sitz in Bonn, die Aufgaben im Digitalbereich wahrnehmen“. Die Unterschrift erfolgte elektronisch. Die Ministerien begrüßen allesamt das Vorhaben. Ein Sprecher des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) teilt auf Anfrage mit: Da ein besonderer Schwerpunkt der Initiative im Bereich der Aufsicht und kohärenten Anwendung der Gesetze zur Digitalisierung liege, sei die BaFin das passende Gründungsmitglied. Eine Teilnahme des BMF selbst sei derzeit nicht vorgesehen. Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) findet: „Für das BfJ als zentraler Dienstleister der Justiz, Registerbehörde und Ansprechpartner für den internationalen Rechtsverkehr bietet dieses Forum des regionalen Informations- und Erfahrungsaustauschs in besonderer Weise Chancen für die weiteren Digitalisierungsschritte.“ Ziel des „Digital Clusters Bonn“ sei die regionale Vernetzung von Bundesbehörden mit Dienstsitz in Bonn, weswegen das BMJ eine Mitgliedschaft in diesem Verbund nicht anstrebe. Bezüglich der Mitgliedschaft von Ministerien im Cluster erläutert die Bundesnetzagentur, das Digital Cluster Bonn sei als Netzwerk von Behörden gedacht, die Aufsichtsaufgaben bei den Digitalrechtsakten hätten sowie vor gemeinsamen Herausforderungen bei der behördeninternen Digitalisierung mit Blick auf Dienste für Verbraucher oder Unternehmen stünden. Beides gelte für Ministerien nicht. Diese seien primär auf politischer Ebene oder im Gesetzgebungsprozess aktiv. „Deshalb kam die Initiative von der Ebene der Behörden“, so die BNetzA.


Informationstechnologie

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„I

n der BA wird derzeit die sogenannte Multicloud-Strategie verfolgt. Das heißt, es besteht der Bedarf, mehrere Cloud-Leistungen, die einander ergänzen sollen, parallel zu nutzen“, heißt es in der Ausschreibung auf der e-Vergabe-Plattform. Um allerdings den Einsatz der Cloud-Leistungen „schnell, kosteneffizient und effektiv“ zu gewährleisten, bedürfe es einer zentralen Steuerung durch ein Bestell- und Abrechnungsportal. Über dieses Portal sollen Leistungen von mindestens fünf Cloud-Anbietern bezogen werden. Die Hyperscaler Google Cloud, Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure müssten dabei zwingend angeboten werden, so die Ausschreibung. Des Weiteren wird „im Sinne der digitalen Souveränität“ der Zugang zu mindestens zwei deutschen bzw. europäischen Providern gefordert. Ausschlaggebend sind hier die Speicherung und Verarbeitung sämtlicher Daten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR).

Stärkere Position durch Vernetzung In einem Interview mit der BA-Vorstandsvorsitzenden, Andrea Nahles, (siehe Behörden Spiegel Dezember 2023, S. 33) hatte diese angekündigt, sich bei der Cloud-Nutzung mit den Sozialversicherern vernetzen zu wollen. Sie befänden sich schließlich in der gleichen Situation, heißt es auch in der Bekanntmachung

Behörden Spiegel / Februar 2024

Cloud-Broker gesucht

lichen IT-Dienstleister govdigital hat ebenfalls eine laufende Ausschreibung für einen Cloud-Broker. Dieser soll den Mitgliedern der GeCloud-Ausschreibung von Arbeitsagentur und Sozialversicherern nossenschaft verschiedene CloudAngebote gebündelt zur Verfügung (BS/Anna Ströbele) Die Bundesagentur für Arbeit (BA), die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) und die Deut- stellen – sowohl souveräne als auch sche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) haben eine gemeinsame Ausschreibung veröffentlicht. Gesucht wird ein internationale. Die gemeinsame „Multicloud Broker 2024“ für die Steuerung des Bezugs verschiedener Cloud-Leistungen. Das Auftragsvolumen umfasst Bereitstellung von Marktangeborund 100 Millionen Euro. Stefan Latuski, Chief Information Officer (CIO) der BA, spricht von einem Meilenstein der Cloud- ten könnte später unter dem Titel „gdcloud“ laufen (siehe Behörden Transformation. Spiegel Januar 2024, S. 24). „Wir kann aber um weitere ein bis zwei erwarten einen Zuschlag Mitte Jahre verlängert werden. Bis zum des Jahres, sodass ein Bezug von 5. Februar musste die Teilnahme Cloud-Leistungen im dritten Quarüber die e-Vergabe-Plattform des tal 2024 möglich sein sollte“, erBundes elektronisch eingereicht läuterte ein Sprecher von govdigital werden. Der geschätzte Auftrags- auf Anfrage. Die Ähnlichkeiten zwischen den wert von 100 Millionen Euro brutto setzt sich aus dem Anteil der BA zwei Broker-Ausschreibung über(50 Millionen Euro) und den Antei- raschen nicht. Auf der SCCON 2023 len von DRV und DGUV (jeweils 25 sprach Martin Schallbruch, CEO von Millionen Euro) zusammen. Dieser govdigital, von einer „engen AbstimWert sei das Ergebnis der jeweiligen mung“ mit dem Bund sowie den Bedarfserhebung der BA, DRV und Sozialversicherern bei dem Thema. DGUV und entspreche dem voraus- Und auch die BA bestätigt auf Ansichtlichen Auftragsvolumen für die frage: „Wir haben den Markt und Cloud-Leistungen, erklärte die BA die aktuellen ÖD-Bestrebungen auf Anfrage. Es bestehe allerdings im Blick und tauschen uns unter keine Verpfl ichtung, dieses Volu- Berücksichtigung der rechtlichen men tatsächlich abzurufen. Die Möglichkeiten untereinander aus.“ Ziel der Behörden ist die Ermöglichung der Multicloud-Nutzung. Dazu fordern sie Zugang konkreten Abrufe würden aus den Illustration: BS/Adobe Firefly Initiativen und Projekten der Cloud Center of Excellence zu Cloud-Leistungen von mindestens fünf Providern. Auftraggeber finanziert werden, Zugleich hat die BA zum 1. Januar der Ausschreibung. Durch den Zu- nommen werden. Die Federführung teilte die BA mit. 2024 "im Rahmen der Reorganisasammenschluss könnten Aufwände im Vergabeverfahren übernimmt Die Basis für die Bezahlung bil- tion des IT-Systemhaus der Bungespart, bessere Konditionen aus- die BA. den die offi ziellen Preislisten der desagentur" das „Cloud Center of gehandelt und eine stärkere PosiDie Laufzeit des „Multicloud Bro- Cloud-Provider zusätzlich zum Auf- Excellence (CCoE)“ gegründet. CIO tion gegenüber den Bietern einge- kers“ ist auf zwei Jahre angelegt, schlag des Cloud-Brokers. Wichtig Latuski zufolge sollen so alle Aksei dabei, dass alle von den Cloud- tivitäten zur Umsetzung der MulProvidern angebotenen Kostenop- ticloud-Strategie gebündelt vorantimierungsmöglichkeiten – wie die getrieben werden. Geleitet wird das Reservierung von Instanzen – von neue Zentrum von Clemens Wunden Auftraggebern nutzbar der, der bereits seit elf Jahren im gemacht würden, betonte die BA. IT-Systemhaus der BA als SeniorDie Genossenschaft der öffent- IT-Architekt tätig ist.

Breitband ja, DigitalPakt Schule nein

schneller, stärker, souveräner – GEMEINSAM. Partnerland 2024:

(BS/ Anna Ströbele) Der Haushaltsausschuss hat den Bundeshaushalt für 2024 beschlossen. Insgesamt fließen überraschend viele Mittel in den Breitbandausbau. Kein neues Geld gibt es für den DigitalPakt Schule – eine Entscheidung, die der Digitalverband Bitkom kritisiert.

Dänemark

Vienna House Andel’s, Berlin

Impulse unter anderem von:

Bundeshaushalt für 2024 beschlossen

Iris Pöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI

Dr. Markus Richter, Staatssekretär im BMI und CIO der Bundesregierung

Dr. Ariane Berger, Leiterin Digitalisierung, Deutscher Landkreistag

Dr. André Göbel, Präsident der FITKO

DIGITALER-STAAT.ORG

Illustration: BS/B. Dach unter Verwendung von Tatiana; aleksandr; Sergey Niven, (alle stock.adobe.com)

Martina Klement, Staatssekretärin für Digitalisierung und CDO Berlin

Für das laufende Jahr sind Ausgaben in Höhe von 476,8 Milliarden Euro sowie neue Kredite in Höhe von rund 39 Milliarden Euro vorgesehen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) erhält mit rund 44,15 Milliarden Euro 9,2 Prozent des Gesamthaushaltes und neun Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Im Regierungsentwurf waren nur 38,7 Milliarden Euro eingeplant. Auch für den Breitbandausbau hat der Haushaltsausschuss nun mehr Geld vorgesehen: Im Entwurf war von 490,7 Millionen Euro die Rede, der Digitalausschuss teilte nun mit, es kämen 1,28 Milliarden Euro dazu. Insgesamt beläuft sich der Etat für die Breitbandförderung also auf 1,77 Milliarden Euro. Dazu kämen Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 3,94 Milliarden Euro, erklärt die Bundesregierung. Damit werden Investitionen über mehrere Jahre festgelegt. Ein Sprecher des BMDV betont, von dieser Summe seien rund drei Milliarden Euro für neue Projekte im Jahr 2024 angedacht. Die Aufstockung der Mittel erfolge aufgrund der Auflösung des Sondervermögens „Digitale Infrastruktur“, für welches die hinzukommenden Mittel ursprünglich eingeplant gewesen seien. Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst ist der Ansicht: Es hätte „deutlich weniger Geld“ sein müssen. „Eine öffentliche Förderung braucht es nur dort, wo es dringend nötig und der privatwirtschaftliche Ausbau wirtschaftlich unmöglich ist“, sagt er. Ansonsten stelle sie ein Hindernis dar. Im Jahr 2023 wurde der

Glasfaserausbau nach Information des BMDV mit rund 3,6 Milliarden Euro gefördert.

Weniger Geld für 5X5G-Strategie Das BMDV investiert laut Regierungsentwurf 79,9 Millionen Euro in die Entwicklung und Erprobung neuer Netztechnologien, 58,1 Millionen Euro in KI-Anwendungen und 42,1 Millionen Euro in die Forschung. Die Umsetzung der 5X5G-Strategie wird mit 40,8 Millionen Euro finanziert, was im Vergleich zum Vorjahr eine Kürzung um über die Hälfte darstellt. Die Behörde des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) erhält mit 45,4 Millionen Euro etwa 0,01 Prozent der Gesamtsumme des Haushalts. Vom Etat des Bundesinnenministeriums (BMI) gehen 237,9 Millionen Euro an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie 36,9 Millionen Euro an die Föderale IT-Kooperation (FITKO). 25 Millionen Euro sind für Innovationen in der Cyber-Sicherheit vorgesehen. 20 Millionen Euro decken die Ausgaben für die gemeinsame IT sowie IT-Steuerung des Bundes. Für den DigitalPakt Schule gibt es jedoch keine Anschlussfinanzierung. Auch dazu bezog der Digitalverband Bitkom Stellung. So ist die mangelhafte Digitalisierung des deutschen Schulsystems Wintergerst zufolge ein chronisches Problem, das nun weiter aufgeschoben werde. Die finale Zustimmung von Bundesrat und Bundestag zum Haushalt soll Anfang Februar erfolgen.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Februar 2024

Kleine Hürden auf Rezept

S

eit dem 1. Januar 2024 ist das elektronische Rezept (ERezept) verpflichtend. Über die elektronische Gesundheitskarte (eGK), per App oder mit ausgedrucktem Token müssen Patientinnen und Patienten ihr Rezept in der Apotheke abholen können. Wie aus dem „E-Health Monitor“ von McKinsey hervorgeht, wird mittlerweile jedes zweite Rezept in Deutschland digital eingelöst. In Zahlen: 22 Millionen E-Rezepte von Anfang bis Mitte Januar 2024. Die Verantwortlichen beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sehen darin einen „erfolgreichen Start“. Auch bei der Gematik – für die Telematikinfrastruktur (TI), die digitale Vernetzung des Gesundheitswesens, verantwortlich – zeigt man sich zufrieden. Ein Sprecher des Unternehmens bescheinigt der Einführung des elektronischen Rezepts „eine robuste und stabile Performance“. Gleichwohl räumt Gematik ein, dass bei einem Projekt dieser Größenordnung „noch nicht alles perfekt ineinandergreift“. Wo genau es hakt, zeigt der Blick in die Praxis – wortwörtlich. In einigen Arztpraxen habe „der Übergang halbwegs gut funktioniert“, so Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes (HAEV). Bei anderen wiederum seien „massive technische Probleme“ zu verzeichnen gewesen. Die schiere Menge an E-Rezepten habe die digitalen Arztinformationssysteme (AIS) mancherorts überfordert, Software-Abstürze seien die Folge gewesen. Das hohe Patientenaufkommen in der Infektionssaison habe den Praxisalltag zusätzlich erschwert.

Verzögerungen im Betriebsablauf Ein weiterer großer Faktor: das Erstellen des E-Rezepts selbst. Dies dauert laut Beier einfach zu lange. Das Erfassen der Komfort-Signatur etwa, mit der Ärztinnen und Ärzte das E-Rezept digital unterzeichnen, brauche teilweise bis zu 20 Sekunden, berichten HAEV-Mitglieder. Eine Verzögerung, die – auf viele

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Das E-Rezept läuft solide an und stockt im Detail (BS/Christian Brecht) Die Einführung des E-Rezepts ist vollzogen und hat die ersten Hürden genommen. An entscheidenden Stellen kommt das E-Rezept ins Straucheln. Wollen Patientinnen und Patienten ein langfristig erfolgreiches Ergebnis sehen, müssen Bund, Praxen, Apotheken und Krankenkassen an ihren Abläufen feilen.

Analoge Tabletten, digitale Verschreibung: Das E-Rezept soll das Gesundheitswesen vereinfachen.

Rezepte pro Tag hochgerechnet – zu groß ist. Das sei auch einer der Gründe, warum viele Ärztinnen und Ärzte auf die Stapel-Signatur zurückgreifen. Dabei werden mehrere E-Rezepte gesammelt, zu einem späteren Zeitpunkt per Stapelverarbeitung elektronisch signiert und über die Gematik-Server an die Apotheken übermittelt. Das Pro­ blem: Waren die Patientin oder der Patient in der Zwischenzeit schon in der Apotheke, hatten sie dort noch keinen Zugriff auf ihr Medikament; Frustration ist vorprogrammiert. Ein Problem, das die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Anke Rüdinger, bestätigt. Auch die „händische Eingabe in ein Freitextfeld“ auf dem E-Rezept könne zu Fehlern in den Datensätzen führen. Dies

betreffe beispielsweise die Berufsbezeichnung der Ärztinnen und Ärzte, erklärt Rüdinger, zusätzlich Leiterin des Digital Hubs des Bundesverbands Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Insgesamt bewertet auch sie die Erfahrungen der ersten Wochen seit E-Rezept-Einführung positiv: Wenige E-Rezepte würden beim Einlösen „komplett hängenbleiben“. Gerade jedoch „in Zeiten der Lieferengpasskrise“ von Arzneimitteln gefährdeten die beschriebenen technischen Fehler die Versorgung von Patientinnen und Patienten.

Konfliktpunkt Retaxation Anke Rüdinger bringt mit den Krankenkassen auch den vierten großen Player ins Spiel. Die klare Forderung der Apothekerverbände an die

Foto: BS/Alexander, stock.adobe.com

Anke Rüdinger, stellv. Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV) Foto: BS/ABDA

Ersatzkassen: in der Startphase des E-Rezepts auf Retaxationen (Rechnungskürzungen) zu verzichten. Bei fehlerhaften Rezepten oder falsch

ausgegebenen Arzneimitteln können die Kassen den Apotheken die Kostenerstattung verweigern. Aus Sicht des DAV schlicht unfair, da die Fehlerquellen häufig schon in den Arztpraxen zu finden seien. Ein Verzicht auf E-Rezept-Retaxationen bis Ende 2024 halten die Apotheken daher für mehr als angebracht. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) wiederum zeigt sich gesprächsbereit. Die Mitgliedskassen des Verbands stünden ohnehin in regelmäßigem Austausch mit dem DAV, so ein Sprecher des vdek. Für eine Übergangsregelung zum Thema ERezept sei man „selbstverständlich offen“, es habe aber noch keine offizielle Anfrage seitens des Apothekenverbands gegeben. Viele Probleme scheinen lösbar, wenn alle Beteiligten transparent kommunizieren und an den entscheidenden Stellen Nachsicht walten lassen. Nicht zuletzt gilt das auch für den Staat, der sich Sanktionen gegen die Arztpraxen vorbehält: Hat eine Praxis die technischen Voraussetzungen für das E-Rezept noch nicht geschaffen, drohen Honorarkürzungen von einem Prozent. Dr. Markus Beier hält das für „absolut untragbar“. Nicht die Ärztinnen und Ärzte seien die „Showstopper“ beim E-Rezept, sondern die teils „katastrophal funktionierende Technik“. Trotz der teils missmutigen Zwischentöne: Die Nutzung des E-Rezepts seitens der Bürgerinnen und Bürger steigt, die verbleibenden technischen Hürden sind klar. Die kommenden Monate werden zeigen, inwieweit sich die Abläufe einpendeln und ob aus einem soliden Start ein sehr guter wird. Gesetze zur Ausweitung des E-Rezepts existieren bereits. Ab 2025 ist geplant, auch Betäubungsmittel digital zugänglich zu machen. Ab 2027 sollen medizinische Hilfsmittel wie Spritzen, die bislang noch analog beschafft werden müssen, per E-Rezept einlösbar sein. Es sind weitere Meilensteine auf dem Weg zu einem voll digitalisierten Patientenservice.

Die Menschen sind bereit für digitale Verwaltung

Keine zweite Amtszeit für Kelber

PwC-Studie Die vernetzte Verwaltung kommt zu deutlichen Ergebnissen

Warum der BfDI nicht wiedergewählt wurde, ist unklar

(BS/Christian Brecht) Fast alle Bürgerinnen und Bürger befürworten digitalen Verwaltungsservice. Viele nutzen ihn bereits, viele hätten gerne mehr davon. Zu diesen klaren Tendenzen kommt eine aktuelle PwC-Studie. Beim digitalen Bürgerkonto fallen die Meinungen der Befragten differenzierter aus: Mit der Speicherung von Basisdaten haben die meisten Deutschen kein Problem. Bei anderen sensiblen Daten hingegen durchaus.

(BS/Anna Ströbele) Der aktuelle Bundesdatenschutzbeauftragte Prof. Ulrich Kelber wird keine zweite Amtszeit ausführen. Über die Gründe dafür wird gerätselt. FDP- und Grünen-Fraktion müssen nun einen Nachfolger suchen.

Zum zweiten Mal legt PricewaterhouseCoopers (PwC) seine Studie „Die vernetzte Verwaltung“ vor. 4.000 bevölkerungsrepräsentative Personen ab 16 Jahren wurden befragt. Kern der Studie ist die Akzeptanz der Menschen gegenüber digitalen Verwaltungsangeboten – aktuellen wie zukünftigen. „Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wünschen sich Online-Dienste von der öffentlichen Verwaltung“, nimmt Borries Hauke-Thiemian, Partner Public & Energy Consulting, den Grundtenor vorweg. In Zahlen stellt sich dieses Ergebnis wie folgt dar: 92 Prozent der Befragten sind grundsätzlich bereit, digitale Verwaltungsangebote zu nutzen. 78 Prozent tun dies bereits. In Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen liegt die tatsächliche Nutzung mit 82 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt. Die am häufigsten genutzte Dienstleistung ist die Online-Terminbuchung (56 Prozent), gefolgt von Abstimmungen und Befragungen sowie Formularen für Behördengänge. Interessant ist, dass auch diese Top-drei-Services ein persönliches Erscheinen auf dem Amt oder eine analoge Weiterbearbeitung

nach sich ziehen. Hier wird deutlich, dass in der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) noch viel zu tun ist. Das langfristige Ziel können nur End-to-End-Prozesse sein, also die volle Digitalisierung der Verwaltungsabläufe.

Einfach für alle Die Studie zeigt, dass das Alter und der Bildungsgrad der Befragten Einfluss auf deren Nutzungsverhalten haben. Die höchste Bereitschaft für digitalen Service gibt es bei den 20- bis 29-Jährigen. Bei den höheren Altersklassen nimmt die Akzeptanz kontinuierlich ab. Menschen mit niedrigem Bildungsgrad zeigen weniger Affinität für digitale Verwaltungsnutzung als solche mit einem abgeschlossenen Studium. Aus beidem lässt sich einmal mehr die Bedeutung von Usability ableiten: Digitale Dienstleistungen, erst recht in teils ungewohntem Behördendeutsch, müssen für möglichst viele Menschen verständlich und intuitiv bedienbar sein.

Wunsch nach Datenspeicherung mit Einschränkung 84 Prozent der Umfrageteilnehmenden befürworten ein digitales

Bürgerkonto als zentrale Kommunikationsplattform mit den Verwaltungen. Zeitersparnis, Ressourcenschonung, ein besserer Zugang und mehr Übersicht über die eigenen Verwaltungsprozesse werden als Gründe angegeben. Dass ein solches Bürgerkonto auch Daten speichern können soll, befürworten 88 Prozent. Bei der Frage, welche Daten das genau sein sollen, treten die größten Unterschiede innerhalb der Studie auf. Mit der Speicherung von Stammdaten wie Name und Adresse, Steuer-Identifikationsnummer oder Online-Meldebescheinigung haben zwei Drittel der Befragten kein Problem. Informationen über die finanziellen Verhältnisse befürworten hingegen nur noch 24 Prozent. Ob den Leuten ELSTER zur Kommunikation mit dem Finanzamt genügt oder ob es ein allgemeines Unwohlsein bei sensiblen Daten wie dem eigenen Einkommen gibt, bleibt Interpretationssache. So oder so: Die Menschen in Deutschland scheinen offen für den digitalen Austausch mit der Verwaltung, wollen sich dabei aber ein Stück Privatsphäre bewahren.

Durch ein Schreiben der Präsidentin des Deutschen Bundestages Bärbel Bas (SPD) vom 15. Dezember habe man erfahren, dass Kelber zunächst kommissarisch im Amt bleibe, bestätigt ein Sprecher des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Seit dem 7. Januar leitet Kelber die Behörde kommissarisch. Für seine Abberufung gibt es verschiedene Theorien. Die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg (DIE LINKE) sieht beispielweise FDP und Grüne in der Verantwortung. „[Ich] kann immer noch nicht fassen, dass die Ampel wirklich den großartigen Ulrich Kelber als Bundesdatenschutzbeauftragen absägt, nur weil GrünGelb meint, sie hätten jetzt auch mal Anspruch auf einen Posten“, schrieb sie auf X (vormals Twitter). Zudem betonte sie die „unbestrittene Expertise“ von Kelber. Die SPD-Fraktion habe das Vorschlagsrecht für den obersten Datenschützer aktiv an FDP und Grüne abgegeben, berichtete der Tagesspiegel. Das habe der Bundestagsabgeordnete Jens Zimmermann (SPD) im Dezember auf einer Veranstaltung kundgetan. Eine mögliche Erklärung für diese Entscheidung

ist die Vielzahl an SPD-Beauftragten, z. B. der neue Bundespolizeibeauftragte Uli Grötsch. Eine zweite Option wird diskutiert: Während Kelbers hartnäckige, aber immer an der Sache orientierte, Herangehensweise ihm unter Datenschützern einen sehr guten Ruf einbrachte, ist es möglich, dass andere diese als störend empfanden. Nicht zuletzt hatte er den Betrieb einer Facebook-Seite der Regierung untersagt sowie die Pläne zur Digitalisierung des Gesundheitswesens kritisiert. Der Vorsitzende des Europäischen Arbeitskreises für Informationssicherheit und Datenschutz (EAID), Peter Schaar, warnte, es wäre ein verheerendes Signal für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sollten Beauftragte nicht wiedergewählt werden, „die Regierungsvorhaben konstruktiv-kritisch begleiten, anstatt sie einfach durchzuwinken“. Die FDP- und GrünenFraktion müssen sich nun auf eine Person einigen, die dem Deutschen Bundestag zur Wahl vorgeschlagen wird. Wann dies passieren soll, sei der BfDI nicht bekannt. Die Behörde spricht von einer „Planungsunsicherheit“. Sowohl FDP- als auch Grünen-Fraktion wollen sich zur Frage nicht öffentlich äußern.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Februar 2024

Mehr Datenfluss im AZR

schon jetzt gegen das Grundgesetz und gegen Europarecht“, erklärt Sarah Lincoln. Die Juristin ist Verfahrenskoordinatorin der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). „Die GFF hat daher Verfassungsbeschwerde eingereicht“, fuhr Lincoln fort. „Wir hatten gehofft, dass das DÜV-AnpassG das Ausländerzentralregister wieder auf den Boden des Grundgesetzes zurückholt.“ Diese Verfassungsklage bekümmert auch den Staats- und Verwaltungsrechtsexperten Prof. Dr. Matthias Friehe. Die Verfassungsbeschwerde der GFF werde Erfolg haben, vermutet er. Die Schwellen für die Datenübertragung an Strafverfolgungsbehörden seien zu niedrig. Friehe sprach von „handwerklichen Fehlern“. Hier müsse nachgebessert werden. Alle Daten deuteten darauf hin, dass mit dem AZR schon jetzt viel Missbrauch getrieben würde, erklärte der Datenschützer Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise.. Deswegen plädierte Weichert für Stichprobenkontrollen bei Ämtern. Diese sollten nicht verwaltungsintern, sondern von den Aufsichtsbehörden vorgenommen werden, Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Prof. Ulrich Kelber, war nicht zufrieden. Der BfDI sei zu spät einbezogen worden. Zudem stehe die Evaluierung der letzten Novelle des Ausländerzentralregisters im Jahr 2021 noch aus. „Der durchschlagende Erfolg des Ausländerzentralregisters ist noch nicht belegt worden, aber man geht schon in dieselbe Richtung weiter“, kritisierte Kelber.

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ls Russland die Ukraine überfiel, flohen eine Million Menschen nach Deutschland. Das stellte die Verwaltung vor Herausforderungen. Um den Zuzug der Ukrainerinnen und Ukrainer, aber auch anderer Migrantinnen und Migranten zu bewältigen, erarbeitete die Bundesregierung Anpassungen für Datenübermittlung über das Ausländerzentralregister (AZR). Nach dem Gesetzesentwurf über die „Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländerund Sozialrecht“ (DÜV-AnpassG) soll das AZR zur zentralen Informationsplattform für Ausländerund Leistungsbehörden werden. Hier sollen sie ihre Informationen digital austauschen können. Alles soll automatisiert sein. Wenn sich ein Eintrag ändert soll die Sachbearbeiterin oder der Sachbearbeiter eine Push-Nachricht erhalten. Auch Informationen zu alternativen Namensschreibweisen und Aliasen einer Person sollen in dem Ausländerzentralregister hinterlegt werden. Auf der einen Seite brauchen die Kommunen und anderen Anwender so ein Gesetz. Es könnte die Ausländerämter entlasten und helfen, den Zuzug von Migrantinnen und Migranten effektiv zu verwalten. Deshalb stieß der Gesetzesentwurf bei einer öffentlichen Anhörung vor dem Innenausschuss im Bundestag auf viel Zustimmung. „Der Geset-

Ein praktisches Gesetz, sagen die einen. Ein Verfassungsbruch, die anderen (BS/Benjamin Hilbricht) Die Bundesregierung will das Ausländerzentralregister (AZR) stärken. Es soll mehr Datenaustausch zwischen den Ausländerämtern und den Leistungsbehörden geben. Die Kritik an dem Gesetz über die „Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht“ ist gemischt.

Das Ausländerzentralregister (AZR) soll alle Informationen zu Personen nicht-europäiFoto: BS/Gerd Altmann, pixabay.com scher Herkunft bündeln.

zesentwurf ist zu begrüßen, da es uns in der Praxis die Arbeit erleichtern würde“, erklärte zum Beispiel der Bürgermeister der Stadt Karlsruhe, Dr. Martin Lenz. Er bedauerte nur, dass „wesentliche Ausländergruppen“ wie europäische Ausländer von dem Gesetz ausgeschlossen seien. Gerade diese erhielten

Unterhaltsleistungen von der Stadt. Andre Schuster vom Deutschen Städtetag unterstrich die Notwendigkeit der Gesetztesanpassung. „Die Ausländerämter befinden sich im dauerhaften Krisenmodus“, sagte er. Die Personalsituation sei viel zu knapp und auch technisch seien viele überfordert. Der Digitalisie-

rungsstand der einzelnen Ämter sei „unterschiedlich“. Tatsächlich würden sich Vertreter der Kommunen eher noch mehr Digitalisierung wünschen als das DÜV-AnpassG vorsieht. Der Abgleich mit anderen Behörden sei nämlich ein riesiger Aufwand, kritisierte Dr. Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag (DLT). Dies sei zwar ein allgemeines Problem der Registermodernisierung, aber der DLT und die Länder hätten sich gemeinsam für technische Plausibilisierungslösungen ausgesprochen. Gerade bei fremdsprachigen Namen käme es ansonsten oft zu Fehlern. Außerdem forderte er, dass ein Identiätsmanagement in das AZR eingebunden werden sollte. So ließe sich Once-Only gewährleisten – Betroffene müssten ihre persönlichen Daten also nur einmal angeben. „Der Gesetzgeber hat hier das Untermaß dessen getroffen, was gesetzlich möglich wäre“, resümierte der Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Dies habe auch die Stellungsnahme des Bundesrats zum Gesetz deutlich gemacht. Auf der anderen Seite gilt das Ausländerzentralregister Datenschützenden als „ausufernd“. „Das Ausländerzentralregister verstößt

Dafür braucht es keinen Menschen In Hessen soll KI Erinnerungsschreiben verschicken (BS/bhi) Routineaufgaben fressen Zeit und Ressourcen. Drei Landkreise in Hessen wollen deswegen Einsatzfelder für eine Künstliche Intelligenz (KI) identifzieren, die ihnen diese Mühen abnimmt. Dafür gibt das Land Hessen ihnen rund 300.000 Euro.

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KI für den Unternehmenseinsatz – vertraulich & sicher Wenn KI im Unternehmen zum Einsatz kommen soll, gilt es einiges zu beachten. Sensible Firmenoder personenbezogene Daten sollen auf gar keinen Fall in die falschen Hände geraten.

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Wieso selbst schreiben, wenn eine Maschine das genauso gut kann? Drei Landkreise wolFoto: BS/Mohamed Hassan, pixabay.com len Künstliche Intelligenz Briefe schreiben lassen.

Die Landkreise Bergstraße, WaldeckFrankenberg und Schwalm-Eder haben das Projekt ERPEA entwickelt. Gemeinsam mit dem kommunalen IT-Dienstleister ekom21 wollen sie die Rahmenbedingungen für den erfolgreichen Einsatz von KI in ihren Kommunen untersuchen. Als Beispiel für automatisierbare Aufgaben ist das terminieren, schreiben und versenden von Erinnerungsschreiben im Gespräch. Ergebnis des Projekts soll eine Entscheidungshilfe sein, ob die Landkreise eine Automatisierungslösung bauen sollten. Denn das wäre sehr teuer. Auch steht zu befürchten, dass die Datenbasis der Kommunen zu heterogen ist. Schließlich erhalten die Gemeinden sowohl analoge als auch digitale Daten, die sie manuell einem Fall zuordnen müssen. Für das Projekt ERPEA erhalten die drei Landkreise eine Förderung

von rund 300.000 Euro vom hessischen Digitalministerium. Das Geld stammt aus dem Programm „Starke Heimat Hessen“. „Gerade in der Verwaltung können automatisierte Prozesse wertvolle Mitarbeiterkapazitäten schonen, was vor allem im Hinblick auf den Fachkräftemangel ein nicht zu unterschätzender Faktor ist. Gleichzeitig hilft die Digitalisierung, Prozesse effektiver und schneller zu gestalten“, sagte die hessische Digitalministerin, Prof. Kristina Sinemus (CDU). Dies sei für alle von Vorteil. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieses Förderprogramm von großem Wert für die hessischen Verwaltungen und insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger sein wird“, erklärte Christian Engelhardt, Landrat des Kreises Bergstraße, stellvertretend für die drei Antragsteller.


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Registermodernisierung

Behörden Spiegel / Februar 2024

42,195 Kilometer durchhalten

können nur eine Zeit lang drum herum digitalisieren“. Die notwendigen anstehenden Veränderungen seien also dringend erforderlich.

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ie Vorteile, die sich für Bürgerinnen und Bürger aus der Registermodernisierung ergeben, sind immens: weniger Aufwand bei der Datenübermittlung und schnellere Antrags- und Genehmigungsverfahren. Die Vorteile für die öffentliche Verwaltung sind nicht weniger erheblich und dringend notwendig: Durch die Registermodernisierung ließen sich auch enorme Kosten einsparen, so Ernst Bürger, Abteilungsleiter Digitale Verwaltung im Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) auf der Plattform Digitaler Staat Online. Die biete eine höhere Skalierbarkeit und mehr Geschwindigkeit. Gleichzeitig sind das Vorhaben der Registermodernisierung und das dahinterliegende Gesamtprogramm Registermodernisierung (RegMo) dermaßen komplex, dass mögliche Hinderungsgründe immer wieder in den Vordergrund rücken: Allein dadurch verliere die Verwaltung das übergeordnete Ziel des Modernisierungsvorhabens aus den Augen, bemängelt Stefan Rauner, General Portfolio Manager von Governikus. Gleichzeitig hat er die Hoffnung, dass mit der Registermodernisierung Nachweistypen neu definiert und Datenräume reduziert werden.

Die Registermodernisierung muss ihre Bleigewichte loswerden (BS/Dr. Eva-Charlotte Proll) Die Registermodernisierung bestimmt das Jahr 2024: Gesetzliche, technische und organisatorische Änderungen sind notwendig, damit Bürgerinnen und Bürger in Deutschland Nachweise nur einmal erbringen müssen. Das Spannungsfeld Registermodernisierung bewegt sich zwischen dem Diktum, die Verwaltung neu zu denken, und kleinteiligen Details wie den technischen Anbindungsvoraussetzungen – selbstverständlich wird alles gleichzeitig erwartet. Das ist ein Anspruch, dem keiner gerecht werden kann.

Die Register­ modernisierung

Rechtlicher Handlungsrahmen als bestimmender Faktor Ausgangspunkt für Michael Pfleger, Gesamtprojektleiter RegMo bei der FITKO, ist auch die Frage, wie Dezentralität zentral gesteuert werden kann, also „wie blicken wir auf das Objekt unseres Handelns, nämlich die Daten der deutschen Verwaltung“. Nicht geografisch, sondern fachlich seien die Datenräume gegliedert, schiebt er hinterher. Innerhalb des Gesamtprogramms sollen deswegen zentrale Elemente wie die technische Infrastruktur, die Konzepte zur Anbindung, rechtliche Regelungen sowie eine zentrale Kommunikation aufgebaut werden. Hauptherausforderung für Pfleger ist es, all dies in die Breite zu bringen. Um den Datenaustausch letztlich aber von den Kommunen bis hin zum Bund zu ermöglichen, braucht es nach Bürger einen Staatsvertrag oder eine Grundgesetzänderung. Eine politische Lösung zu finden, wird seiner Ansicht nach einige

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ie Registermodernisierung ist neben der Erfüllung des OZGs (bzw. OZG 2.0) ein wichtiger Hebel zur Erreichung des großen Zielbildes einer durch Once-Only-Dateneingaben effizienten und nutzerorientierten, vernetzten und voll-digitalen Verwaltung. Sie ist damit eine der wesentlichen Stellschrauben der Verwaltungsdigitalisierung. In diesem Artikel beleuchtet Vitako – die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der kommunalen IT-Dienstleister, den aktuellen Stand der Registermodernisierung. Diese muss auf den Ebenen von Bund und Ländern, insbesondere jedoch in den Kommunen umgesetzt werden. Denn hier werden rund 80 Prozent aller Verwaltungsleistungen für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger erbracht. Bei der Digitalisierung ihrer Verwaltungen werden die Kommunen von den knapp 60 Vitako-Mitgliedern unterstützt: Zu diesen zählen kommunale ITDienstleister, öffentlich-rechtliche Fachverfahrenshersteller sowie auch Kommunen selbst. Vitako hat bereits im Jahr 2023 einen Schwerpunkt auf die Registermodernisierung gelegt. In einem Positionspapier vom Januar 2023 fordert Vitako eine effiziente und schlanke Umsetzung ebendieser.

Mehr Informationen zur Registermodernisierung, u. a. zur Organisationsstruktur der Gesamtsteuerung und der zeitlichen Rahmenplanung sowie zu den Details zum Rollout des Identitätsdatenabrufs, finden Sie in der Aufzeichnung des gesamten Thementags „Nicht das Rückgrat brechen – wie die Registermodernisierung gelingt“ auf der Plattform Digitaler Staat Online:

Ausdauer gefordert: Die Modernisierung der Registerlandschaft wird ein Marathonlauf für die öffentliche Verwaltung in Deutschland. Foto: BS/12138562O, pixabay

Zeit in Anspruch nehmen. Pfleger hingegen, der rechtlich noch zu schaffende Handlungsrahmen dürfe das Gesamtprojekt sowie die registerführenden Stellen jedoch nicht daran hindern, in der Umsetzung voranzuschreiten.

Balance zwischen Tempo und Sorgfalt Gleichzeitig stünden viele Akteure vor der Herausforderung, ihre ITLandschaft zu modernisieren. Insbesondere Kommunen bräuchten

konkrete Handlungsanleitungen, um in eine technische Umsetzungsplanung gehen zu können, fordert Malte Spitz, Mitglied im Nationalen Normenkontrollrat (NKR). Dazu gehört für Katrin Giebel, Geschäftsstellenleiterin der Vitako, u. a. die Skalierbarkeit registerführender Fachverfahren und die Betriebsinfrastruktur sowie deren Anbindung zu definieren. Sie konstatiert, dass vielen Kommunen zwar klar sei, dass die SteuerID eingepflegt und Datenfelder integriert werden müssten, aber nicht innerhalb

welches Zeit- und Organisationsrahmens. Sie betont die Bereitschaft und den Willen der kommunalen ITDienstleister, sich in die Erprobungsprojekte mit einbringen zu wollen (siehe hierzu auch den Beitrag von Katrin Giebel weiter unten). Pfleger betrachtet die Registermodernisierung zwar als Marathon, gewinnt ihr aber auch die positiven Seiten ab, denn schließlich wolle „er selbst am Projekterfolg gemessen“ werden. Trotz aller Herausforderungen ist sich auch Bürger sicher: „Wir

Ein wichtiger Hebel Registermodernisierung – Basis einer zukunftsfähigen digitalen Verwaltung (BS/Katrin Giebel) Die Registermodernisierung ist seit April 2021 durch das Registermodernisierungsgesetz rechtskräftig verankert und soll den Verwaltungen einen schnellen und sicheren Datennachweisabruf untereinander ermöglichen. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen reichen dazu ihre Daten künftig nur ein einziges Mal (once only) bei Behörden ein. Somit birgt die Registermodernisierung ein Einsparpotenzial von 3,9 Mrd. Euro für Verwaltungen und von 84 Millionen Stunden an Aufwänden für Verwaltungsleistungen pro Jahr für Bürgerinnen und Unternehmen (laut einer Studie des Nationalen Normenkontrollrats aus dem Oktober 2017). Dabei sollen folgende Maßnahmen ergriffen werden: • Bereitstellung standardisierter und once-only-fähiger Basisinfrastrukturdienste im Sinne von „Government as a Platform (GaaP)“, • Optimierung von Verwaltungsprozessen, bevor sie digitalisiert werden,

Katrin Giebel ist Geschäftsstellenleiterin von Vitako – BundesArbeitsgemeinschaft der Kommunalen ITDienstleister. Foto: BS/ Vitako, Dirk Hasskarl

• ein souverän und sicher gestaltetes dezentrales Register-Datenmanagement durch regulatorische Vorgaben für Datenschutz, Informationssicherheit, Standards

sowie Verantwortlichkeiten für die Datenverarbeitung, • zielgruppenorientierte Kommunikation von Mehrwerten und Fortschritten der Registermodernisierung und Qualifizierung von Verwaltungsmitarbeitenden, • eine enge Einbeziehung der praxisorientierten Expertise von kommunalen IT-Dienstleistern und Softwareherstellern, • eine Sicherstellung der dauerhaften Finanzierung für Umsetzung, Betrieb und Weiterentwicklung von Registern und Online-Diensten. Um für die Umsetzung der Registermodernisierung in den Kommunen vorbereitet zu sein, organisiert Vitako regelmäßig Veranstaltungen für den Austausch und die Vernetzung relevanter Akteure. Vereinsintern entwickelt Vitako derzeit einen Leitfaden zur Überprüfung von Anforderungen zur technischen Anbindung von registerrelevanten

Fachverfahren in kommunaler Nutzung. Diese Checkliste ermöglicht es IT-Dienstleistern und Kommunen, ihre Fachverfahren differenziert mit den Anforderungen an Data Provider und Data Consumer abzugleichen und zu überprüfen, ob sie dazu fähig sind, sich an die durch den Bund bereitgestellte Basisinfrastruktur des Nationalen Once-Only-Technical-Systems (NOOTS) anzuschließen.

Kommunikation und Kooperation über föderale Ebenen hinweg Vitako hat in den letzten Jahren in Fachdiskussionen immer wieder betont, wie wichtig es ist, über die föderalen Ebenen hinweg zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Für die erfolgreiche Modernisierung der Register ist eine Zusammenarbeit zwischen politischen Entscheidungsebenen von Bund und Ländern, der Gesamtsteuerung des Projektes für die Registermodernisierung

­ ie Registermodernisierung soll es D ermöglichen, dass Verwaltungen in Deutschland auf allen föderalen Ebenen durchgängig digital und vernetzt arbeiten. Auf dieser Basis sollen Leistungen der öffentlichen Verwaltung nach dem Once-Only-Prinzip durchgängig angeboten werden, Bürgerinnen und Bürger sollen Nachweise nur einmalig übermitteln müssen. Dafür existiert seit 2021 das Registermodernisierungsgesetz. Die Struktur der Registerlandschaft in Deutschland bleibt zwar dezentral, aber die SteuerID soll als sogenannter zentraler Identifier bzw. einheitliche Personenkennziffer bis 2028 in 51 ausgewählten Registern den Bürgerinnen und Bürgern zugordnet werden. Für die Unternehmen muss eine vergleichbare Kennziffer noch gefunden werden. Das Nationale Once-Only-Technical-System (NOOTS) stellt die dahinterliegende technische Architektur dar und soll die Register technisch miteinander verknüpfen, damit das Zusammenspiel aus Online-Antragsverfahren, der Sachbearbeitung, der Nutzung und dem Austausch der Registerdaten bis hin zur Einbindung in die E-Akte reibungslos funktioniert. Aus den 51 Registern wurden 19 Top-Register identifiziert, die priorisiert in den Fokus rücken. Das Nationale Waffenregister diente dabei bereits als Erprobungsregister.

mit Verbänden, registerrelevanten Fachverfahrensherstellern und den umsetzenden Expert(inn)en in den kommunalen Verwaltungen unerlässlich. Die für Februar 2024 geplanten Gespräche zwischen der Bund-Länder-Projektgesamtsteuerung und ausgewählten Fachverfahrensherstellern führen aus Sicht von Vitako endlich in eine Erfolg versprechende Richtung. Kommunale IT-Dienstleister und Softwarehersteller stellen ihre Expertise als Multiplikatoren einer technischen Umsetzung der Registermodernisierung zur Verfügung und diskutieren über Anforderungen und offene Punkte u. a. bezüglich Identitätsdatenabrufen, Datenschutzcockpit, Standardisierung, NOOTS und europäischen Vorgaben zu SDG/ EU-OOTS. Vitako wird neben dem Databund und dem Bundesverband IT-Mittelstand e. V. Teil dieses engen Gesprächskreises sein. Um voranzukommen, sind weitere Kooperationen und ein verstärkter Austausch zu technischen, regulatorischen und organisatorischen Aspekten der Registermodernisierung erforderlich. Das gemeinsame Ziel besteht darin, eine erfolgreiche Digitalisierung zu erreichen, die eine zukunftsfähige Verwaltung ermöglicht und das Vertrauen von Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen in einen funktionierenden Staat stärkt.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Februar 2024

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as Bundesinnenministerium (BMI) gibt sich zugeknöpft. Die Verhandlungen liefen noch, erklärt eine Sprecherin. Der Entscheidung wolle sie nicht vorgreifen. Es ist aber augenscheinlich, was die entscheidenden Leute im BMI denken. „Klarerweise geht von chinesischer Technologie eine Gefahr aus“, erklärte der Abteilungsleiter Cyber- und Informationssicherheit des Bundesinnenministeriums, Andreas Könen, auf der letzten Public IT-Security Conference. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), dem Auswärtigen Amt (AA) und dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) analysierte das BMI damals laut Könen, was in den Mobilfunknetzen verbaut sei. „Andere Länder haben keine chinesische Technologie in ihren Netzen. Es ist möglich“, betonte der Abteilungsleiter. Medienberichte hatten Zweifel geweckt, ob das BMDV auch so denkt. „Für den 5G-Ausbau gelten bereits heute strenge Sicherheitsanforderungen nach dem Telekommunikationsgesetz“, teilt ein BMDV-Sprecher mit. „Derzeit sind wir innerhalb der Bundesregierung in Gesprächen, ob die aktuellen globalen Herausforderungen weitere Maßnahmen erfordern. Dem Ergebnis können wir nicht vorgreifen“, erklärt der Sprecher. Das Mobilfunknetz besteht grob gesagt aus einem Kern- und einem Zugangsnetz. Wenn jemand einen Anruf tätigt oder eine SMS versendet, werden diese Daten als elektrische Signale vom Mobiltelefon an eine Antenne übertragen. Diese wiederum schickt sie über eine Basisstation ins sogenannte Kernnetz. Das sind Server, die die Daten wieder an eine andere Basisstation ausgeben. Die überträgt den Anruf über das Zugangsnetz schließlich zum Empfänger. Laut den kolportierten Plänen des BMI sollen Komponenten chinesischer Hersteller nur in den Kernnetzen untersagt werden. Für Antennen und Basisstationen, die das sogenannte Zugangsnetz bilden – gelten diese Beschränkungen den Medienberichten nach nicht. Die Kernnetze gelten als besonders kritisch. Die Frage ist, welche Gefahren die Bundesregierung in chinesischer Telekommunikationstechnologie sieht. Darauf weist die CDU/CSUBundestagsfraktion in einer Kleinen Anfrage hin, die bisher nicht beantwortet wurde. Zwei mögliche

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Huawei im Mobilfunknetz untersagen BMI und BMDV verhandeln. Die Industrie ist besorgt (BS/Benjamin Hilbricht) Chinesische Technologien im Mobilfunknetz könnten ein Sicherheitsrisiko sein. Das befürchtet das Bundesinnenministerium (BMI). Laut Medienberichten würde das Bundesdigitalministerium (BMDV) aber weiter gern chinesische Komponenten verbauen. Derweil schaut die Branche mit Sorge auf die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen.

Huawei-Technologie werde eben wegen der jahrelangen Diskussionen streng geprüft, teilt ein Sprecher des chinesischen Technologie-Konzerns mit. Man habe stets mit „Kunden, Auditoren und vielen nationalen Behörden für Cyber-Sicherheit, zum Beispiel dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ zusammengearbeitet. „Keine dieser Prüfungen hat jemals irgendwelche ernsthaften Beanstandungen ergeben“, erklärt der Huawei-Sprecher. Das Unternehmen sieht sich aufgrund seiner chinesischen Herkunft zu Unrecht verdächtigt. „Cyber-Sicherheitsmaßnahmen sollten aus unserer Sicht auf überprüfbaren Fakten und objektiven Validierungsstandards basieren und daran sollten alle Technologieanbieter – unabhängig von ihrer Herkunft – gleichermaßen gemessen werden.“

Kosten des Netzumbaus

Die fünfte Generation des Mobilfunknetzes (5G) braucht neue Hardware und Masten wie hier im Bild. Bei 4G-Technologie war die chineFoto: BS/F. Muhammad, pixabay.com sische Firma Huawei dafür noch ein gefragter Lieferant.

Gefahren bestünden. So spreche die Regierung manchmal von „strukturellen Abhängigkeiten“ und manchmal von „technischen Schwachstellen“, sogenannten Backdoors. Gegen beides haben die Netzbetreiber Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Gegen strukturelle Abhängigkeiten setzen sie eine MultiVendoren-Strategie ein. Sie kaufen also Bauteile von mehreren Herstel-

Für den 5GAusbau gelten bereits heute strenge Sicherheitsanforderungen nach dem Telekommunikationsgesetz.“ Bundesministerium für Digitales und Verkehr

lern. Das heißt, neben Bauteilen von Huawei sind auch Komponenten der europäischen Firmen Ericsson und Nokia in den Mobilfunknetzen verbaut. Ob diese Maßnahmen reichen, dürfte eine der Fragen sein, über die das Bundesinnenministerium mit dem zuständigen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), aber auch mit dem BMDV spricht. Die Antwort hängt davon ab, worin genau die „strukturellen Abhängigkeiten“ bestehen. Gegen technische Backdoors beugen die Netzbetreiber vor, indem sie die kritischen chinesischen Komponenten – einfach gesagt – nicht ins Internet stellen. Die Antennen und andere Bestandteile des Zugangsnetzes werden laut einem Blogeintrag der Deutschen Telekom durch ein RAN-Management gesteuert. Dies ist eine Software, die in der Regel vom Hersteller der Bauteile geliefert wird. Sprich: Huawei-Komponenten werden von einem Huawei-RAN-Management gesteuert. In dieser Software könnte theoretisch

eine Hintertür sein. Doch laut eigener Aussage hat beispielsweise die Telekom das RAN-Management vom Internet abgeschirmt: „Die Systeme für das Netzwerkmanagement (RAN-Management), sind in einem eigenen Hochsicherheitsnetz komplett separiert vom Internet und den Bürokommunikationsnetzen der Deutschen Telekom und von außen gänzlich unzugänglich. Zugang zu diesem Netz bekommen nur wenige besonders überprüfte Mitarbeiter“, schrieb die Deutsche Telekom dazu schon vor einem halben Jahr. Ein Hack dürfte also schwierig sein. Möglicherweise reichen diese Sicherheitsmaßnahmen aber nicht. In Medien wurde diskutiert, ob die Netzbetreiber die chinesische Hardware von nicht-chinesischer Software steuern lassen könnten. Die Anbieter Telekom und 1&1 experimentieren derzeit mit OpenRAN, also eben dem Konzept, die Hardware vom einen und die Software vom anderen Hersteller zu beziehen.

Noch findet sich einige HuaweiTechnologie im Mobilfunknetz. Vodafone nutze im Kernnetz keine chinesischen Technologien, sagt ein Sprecher des Netzanbieters. Im Zugangsnetz ist aber durchaus chinesische Technologie verbaut. Es sei jedoch nie zu Auffälligkeiten gekommen, betont der Vodafone-Sprecher. Er gibt zu bedenken, dass ein Ausbau dieser Elemente aus dem Zugangsnetz nicht folgenlos wäre: „Ein schneller Rückbau tausender Antennen eines Anbieters könnte die Qualität der Mobilfunknetze für Millionen Smartphone-Nutzer verschlechtern und den 5G-Ausbau ausbremsen.“ In Europa gibt es Länder, in denen Huawei-Komponenten schon verboten sind. So berichtete die Financial Times, dass die 5G-Downloadgeschwindigkeit in Großbritannien die niedrigste der G7 sei. Als einen Grund nennen die Autoren das britische Huawei-Verbot. Auch die Telefónica drängt auf einen „ausreichend langen Zeitraum“, sollte eine Untersagung kommen. Doch das Unternehmen habe bereits 2020 entschieden, sein neues Kernnetz exklusiv mit dem schwedischen Technologiehersteller Ericsson zu bauen, teilt ein Sprecher der Telefónica mit. Deswegen erwartet das Unternehmen keine schweren kommerziellen Auswirkungen aus etwaigen Untersagungsverfügungen. Doch die Telefónica würde im Falle eines rückwirkend erforderlichen Netzumbaus „Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland prüfen“, erklärt ein Sprecher. Anzeige

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ecuSUITE für iOS enthält wichtige Funktionen für den behördlichen Einsatz und wurde speziell für Apple iNDIGO entwickelt. Das BSI hat die Lösung für die Verarbeitung von vertraulichen Informationen bis zum Geheimhaltungsgrad Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD) freigegeben. Anwender können nun bei einem einzigen Lösungsanbieter zwischen Apple- und Samsung-Geräten wählen. Auf der Omnisecure 2024 in Berlin sagte Dr. Christoph Erdmann, Geschäftsführer von Secusmart: „Secusmart bleibt seinem Engagement für Innovation und Sicherheit treu. Jetzt setzen wir auch auf iPhones und iPads den Maßstab für sichere mobile Kommunikation in vertraulichen Behördenumgebungen. Die neue SecuSUITE for iOS ergänzt unsere branchenführende Lösung SecuSUITE for Samsung Knox, um Nutzern in der öffentlichen Verwaltung ein Höchstmaß an Sicherheit und Effizienz auf einer Vielzahl von mobi-

Cross-Plattform-Lösung SecuSUITE für iOS BSI-Freigabe für Behördeneinsatz auf nativen iOS-Geräten mit Apple iNDIGO BlackBerry Limited (NYSE: BB; TSX: BB) Secusmart gibt die erfolgreiche Evaluierung der SecuSUITE for iOS durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bekannt. Mit dieser Qualifizierung steht Behörden nun eine freigegebene Lösung für das sichere mobile Arbeiten auf Apple iPhones und iPads zur Verfügung. len Endgeräten zu gewährleisten.“ SecuSUITE für iOS umfasst die folgenden Funktionsbereiche: • SecuVOICE für abhörsichere Telefongespräche. Die Lösung für iOS basiert auf dem BSI-Standard für sichere netzübergreifende Sprachkommunikation (SNS) und ist vollständig kompatibel mit SecuVOICE für SamsungSmartphones mit Android-Betriebssystemen. • SecuFOX ist ein State-of-the-Art Browser, der seit Jahren im Behördenumfeld eingesetzt wird. Er bietet einen VS-NfD-sicheren Zugang zum Intranet und Zugriff auf das Internet mit vielen praktischen Funktionen. Der Browser ist kompatibel mit führenden VirtualDesktop-Infrastrukturen (VDI).

Verwaltungsmitarbeitenden steht nun durch die erfolgreiche Evaluierung der SecuSUITE for iOS durch das BSI eine Lösung für das sichere mobile Arbeiten auf Apple iPhones Foto: BS/Secusmart GmbH und iPads zur Verfügung.

• SecuWORK, die integrierte Personal Information ManagementLösung (PIM), ist Teil von Secu-

SUITE für iOS und bietet einen Microsoft Exchange-kompatiblen Terminkalender, Geschäfts-

kontakte und E-Mails in einer sicheren App sowie die Integration mit SecuVOICE, um das sichere Zusammenspiel zwischen den SecuSUITE for iOS-Apps zu unterstreichen • SecuOFFICE verarbeitet Texte, Tabellen und Präsentationen sicher auf Apple iNDIGO-Geräten. Auch dienstliche PDF-Dokumente können angezeigt werden. Die App ist kompatibel mit Microsoft Office und SecuSUITE für Samsung Knox. SecuSUITE for iOS konzentriert sich auf die Kernbedürfnisse der Anwender bei Kommunikation und schneller mobiler Infor­ mationsverarbeitung. Die langjährige Erfahrung von Secusmart und das tiefe Verständnis für die spezifischen behördlichen Anforderungen spiegeln sich sowohl in der Lösung selbst als auch in dem umfassenden begleitenden Serviceangebot von Secusmart für die SecuSUITE for iOS wider.


IT-Sicherheit

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Behörden Spiegel / Februar 2024

Leitfaden zur sicheren KI-Nutzung

iKFZ-Zugang massiv eingeschränkt

Halluzinationen vorbeugen

Kraftfahrt-Bundesamt moniert Sicherheitsmindestanforderungen

(BS/sp) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat zusammen mit internationalen Partnerbehörden einen Leitfaden zur sicheren Nutzung für Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI) herausgegeben. Nutzerinnen und Nutzer erfahren darin, welche wichtigen Bedrohungen in diesem Bereich existieren und welche Gegenmaßnahmen sie bei Vorfällen ergreifen können.

(BS/bhi) Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat nach dem Jahreswechsel bei rund jeder zehnten Stadt- oder Kreisverwaltung den i-KfZ-Zugang deaktiviert. Die Stellen erfüllten nicht die Sicherheitsmindestanforderungen. Das sagte ein KBA-Sprecher dem Behörden Spiegel.

Die Autorinnen und Autoren der Publikation möchten dabei nicht von der Nutzung von KI-Systemen abraten, heißt es in der Veröffentlichung. Stattdessen solle gezeigt werden, wie Nutzerinnen und Nutzer dabei geholfen werden könne, sicher mit KI umzugehen. Eine der größten Gefahren stellt dabei die „Datenvergiftung“ eines KI-Modells dar. Dabei werden die Trainingsdaten eines KI-Modells so manipuliert, dass das Modell falsche Verhaltensweisen und Muster lernt, Daten falsch klassifiziert und damit z. B. ungenaue, voreingenommene oder böswillige Ausgaben erzeugt. Dies könne passieren, wenn neue Daten hinzugefügt oder vorhandene Daten abgeändert werden. Als Beispiel nennt der Leitfaden die Tay-Chatbot-Vergiftung. Der 2016 von Microsoft gestartete Twitter-Chatbot sollte mithilfe von Gesprächen mit Nutzenden sich selbst trainieren und seine Interaktion daraufhin anpassen. Nutzenden verwendeten dabei beleidigende Ausdrücke, um diese in sein Trainingsmaterial aufzunehmen. Nachdem der Chatbot beleidigende, rassistische oder sexuelle Nachrichten mit anderen Twitter-Usern teilte, schaltete Microsoft den Chatbot nach nicht einmal 24 Stunden ab.

Das sind gleichzeitig gute und schlechte Nachrichten. Gut, weil Kritikerinnen und Kritiker befürchteten, dass zum Jahreswechsel bei rund 30 Prozent der Kommunalverwaltungen der Zugang deaktiviert werden müsste. Schlecht, weil die vierte und letzte Stufe der Internetbasierten Fahrzeugzulassung (i-KfZ) erst im September letzten Jahres aktiviert worden war. Ein KBA-Sprecher gibt an, dass alle zuständigen Ämter schon im Oktober schriftlich auf die Voraussetzungen und eine mögliche Deaktivierung des OnlineZugangs zum Zentralen Fahrzeugregister (ZFZR) hingewiesen wurden. Der 31. Dezember 2023 habe dabei als Frist für einen Zwischennachweis gedient. Hatten die Ämter diesen erbracht, konnten sie Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern weiterhin die i-KfZ anbieten.

Böses ChatGPT Als weitere Bedrohung identifiziert der Bericht Eingabemanipulationsangriffe. Dadurch können böswillige Nutzende Inhaltsfilter

und andere Schutzmaßnahmen umgehen, die die Funktionalität des KI-Systems verändern oder einschränken. Als Beispiel nennt der Leitfaden die „Do Anything Now“-Eingabeaufforderung für ChatGPT. In diesem Fall haben Nutzende Optionen entdeckt, um das Sprachmodell ChatGPT zu „zwingen“, die Identität des „DAN“ anzunehmen, wodurch das System nicht mehr den üblichen Sicherheitsmechanismen unterlag. Für das Unternehmen OpenAI, das ChatGPT entwickelt hat, ist die Eingabemanipulation schwierig zu lösen, da Kriminelle mithilfe von neuen Prompts (das sind die „Befehle“, die bei ChatGPT eingegeben werden) DAN immer wieder neu aktivieren können.

Falschinformation immer überprüfen Eine weitere Herausforderung, die sich bei der Nutzung von KIModellen ergeben kann, ist die Falschinformation, sogenannte Generative KI-Halluzinationen. Der Bericht erklärt, dass „von einem KI-System generierte Ausgaben möglicherweise nicht immer genau oder sachlich korrekt“ seien. Organisationsfunktionen, die auf der Genauigkeit generierter KI-Ergebnisse beruhen würden, könnten durch Halluzinationen negativ beeinflusst werden, sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen würden, heißt es in der Veröffentlichung. Daher sollten Ergebnisse

von KI-Modellen noch zusätzlich überprüft werden. Neben den geschilderten Bedrohungen und Problemen nennt der Leitfaden noch andere Schwierigkeiten wie Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und des geistigen Eigentums. Dabei gehe es insbesondere um personenbezogene Daten. Unternehmen sollten vorsichtig sein, welche Informationen von ihren Mitarbeitenden für KI-Modelle zur Verfügung gestellt werden. Häufig würden diese als Trainingsdaten in das System integriert und können als Grundlage für die Ausgabe von Eingabeaufforderungen von nicht-organisationsbezogenen Nutzerinnen und Nutzer dienen, heißt es in der Broschüre. Schließlich resümieren die Autorinnen und Autoren, dass Unternehmen einen Incident-ResponsePlan in der Hinterhand haben sollten, falls doch was in der KINutzung schiefgehe.

AI Act soll Regeln für riskante KIAnwendungen entwickeln Die Gefahr zur Nutzung von KITechnologien hat auch die EU frühzeitig erkannt. Mit dem AI Act möchte das Staatenbündnis Regeln für riskante Anwendungen von Künstlicher Intelligenz schaffen. Anfang Februar findet eine Abstimmung unter den Mitgliedstaaten statt. Die Zustimmung zum Gesetzesvorhaben bleibt allerdings unklar.

Bayerische AKDB hat Betriebsbescheid Den endgültigen Nachweis über die Mindestanforderungen müssen die Ämter am 30. März 2024 erbringen. „Es gilt die Register zu schützen“, betonte der Sprecher des KBA. Die Mindestanforderungen bestünden in der ISO 27001. Diese Anforderungen könnten die Ämter durch Penetrationstests und Audits erfüllen. Sobald sie die entsprechenden Nachweise hätten, würde das KBA ihren ZFZR-Zugang für die iKfZ wieder aktivieren. Bis dahin müssten sich die Bürgerinnen und Bürgern

Die AKDB kann den Bayerinnen und Bayern weiterhin die Internetbasierte Fahrzeugzulassung anbieten. Foto: BS/Viacheslav Yakobchuk, stock.adobe.com

bei den entsprechenden Ämtern mit der analogen Leistung begnügen. Die AKDB, der bayerische kommunale IT-Dienstleister, beruhigt die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat. „Als erstes Rechenzentrum in Deutschland hat das AKDB-Rechenzentrum vom Kraftfahrtbundesamt seit dem 15.12.2023 den uneingeschränkten Betriebsbescheid im Kontext der Erfüllung der Mindestsicherheitsanforderungen mit dem Status „gültig“ erlangt, erklärte Andreas Günther. Der Leiter Strategische Geschäftsentwicklung und CIO der Telecomputer GmbH – das für die i-KfZ zuständige Subunternehmen der AKDB – erläutert, dass dieser offizielle Bescheid des KBA der AKDB das Erfüllen der Mindestanforderungen an die ITSicherheit (MSA-i-Kfz) attestiere.

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Berlin und Bonn / Februar 2024

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(BS/Jonas Brandstetter) Mit der Zeitenwende und dem Ukraine-Krieg ist die Bundeswehr ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Seit dem Kalten Krieg wurde nicht mehr so viel mit und über der Bundeswehr gesprochen. Die Anforderungen an die Öffentlichkeits- und Medienarbeit sind hoch. Das Zentrum Informationsarbeit der Bundeswehr in Strausberg und Berlin konzipiert und steuert sie. Grafik: BS/ Marvin Hoffmann unter Verwendung von Cornflowerz, stock.adobe.de; Shawn Hempel, stock.adobe.de; Usmanify, stock.adobe.de: Konstantinos Moraiti, stock.adobe.de; Taigi, stock.adobe.de; Alexander Limbach, stock.adobe.de

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m 7. Oktober 2023 blieben die Kommunikationskanäle der Israel Defence Forces (IDF) stumm, erklärte Major Paul C. Strobel während einer Veranstaltung in der Bucerius Law School in Hamburg. Er zeichnete sich für die digitale Kommunikation im Organisationsstab der Invictus Games Düsseldorf 2023 verantwortlich. Stattdessen schickten Bürgerinnen und Bürger Israels Kommentare in den Äther, in denen sie sich fragten, was die Armee unternehme, um Israel zu verteidigen, führte Strobel weiter aus. Erst in den Abendstunden hätten die IDF wieder zu ihrer Stimme gefunden. Sie teilten mit, dass man Luftangriffe fliege. Diese spärliche und verspätete Kommunikation hat aus Sicht Strobels zum Vertrauensverlust der Bevölkerung Israels in die eigene Armee beigetragen. Während sich die IDF mit Hinweisen zurückhielten, häuften sich FakeNews und Fehlinformationen auf Social Media. Strobel kritisierte: den IDF mangele es an Narrativen. Auch hätten sie strategisches Vorgehen vermissen lassen. Dieses Beispiel zeigt, wie entscheidend die Kommunikation von Streitkräften ist. Für die Bundeswehr ist das keine Neuigkeit. Mit dem Zentrum Informationsarbeit der Bundeswehr (ZInfoABw) verfügt sie über eine zentrale Stelle, die Presse-, Öffentlichkeits- und Medienarbeit konzipiert, darin ausbildet, trainiert, produziert und publiziert. Es gliedert sich in vier Bereiche: Zentralbereich, Akademie im Zentrum Informationsarbeit der Bundeswehr, Redaktion der Bundeswehr, und Weiterentwicklung. Während die Redaktion der Bundeswehr mit ihrem Verlagshaus in Berlin-Mitte ansässig ist, sind die drei übrigen Bereiche in Strausberg

Die Funktion als Informationsdienstleister für die unabhängigen Massenmedien und die Agenda der öffentlichen Debatte ist weiterhin Pflicht.“

Sven Kindler, Leitender Wissenschaftlicher Direktor Bereich Weiterentwicklung im Zentrum Informationsarbeit der Bundeswehr

angesiedelt. Deren Leitender Wissenschaftlicher Direktor im Bereich Weiterentwicklung, Sven Kindler, erklärt, dass man sich dagegen verwahre, die Kommunkationspraxis befreundeter Streitkräfte in bewaffneten Konflikten zu kommentieren. Allerdings habe man die Dynamik genau im Blick. Die Bundeswehr folge den Entwicklungen aufmerksam und ziehe entsprechende Schlussfolgerungen. Erste grundlegende Erkenntnisse ließen sich bereits jetzt benennen: Videos in Echtzeit und Quellen der Open Source Intelligence (OSINT) erzeugten eine neue Dynamik.

Zwischen Tradition und neuen Medien Die gesteigerte Bedeutung von Echtzeitvideos ordnet sich in einen größeren Trend ein. Denn „Echtzeitdruck“ ist nach Ansicht Kindlers

entscheidendes Merkmal der gegenwärtigen Medienarbeit. „Die Anforderungen an Geschwindigkeit sind in den letzten 15 Jahren enorm gestiegen“, führt er deshalb aus. Das Primat der Geschwindigkeit stelle Behörden allerdings vor ein Dilemma. Für eine Behörde gelte immer, dass die Belastbarkeit der Information im Zweifel höher zu bewerten sei als eine möglichst kurzfristige Veröffentlichung. Das müsste man im Einzelfall auch so erklären. Darüber hinaus sei es manchmal angezeigt, Informationen aus Gründen der militärischen Sicherheit zurückzuhalten. Grundsätzlich hätten sich mit der Digitalisierung die Dynamik und der Handlungsspielraum der Öffentlichkeitsarbeit enorm erweitert. Kindler betont, dass man die eigene Vorgehensweise laufend an die jüngsten Entwicklungen anpasse. Der weltverändernden Bedeutung der Digitalisierung zum Trotz, verlieren die tradierten Aufgaben der Informationsarbeit der Bundeswehr aber nicht an Bedeutung. Denn „die Funktion als Informationsdienstleister für die unabhängigen Massenmedien und die Agenda der öffentlichen Debatte ist weiterhin Pflicht“, erklärt Kindler. Die digitale Medienarbeit sei dem nachgelagert. Sie soll interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Einblicke vermitteln, die im Rahmen des hektischen Medienalltags sonst keinen Platz fänden. Ein voraussetzungsvolles Ziel, das umzusetzen ein Durchdringen der digitalen Diskurse erfordere. Es gelte, Inhalte zu gestalten, welche die Themen der Zeit interessant und nachvollziehbar abbildeten. Die Redaktion der Bundeswehr in Berlin bespielt daher alle gängigen Soci-

al-Media-Plattformen. Allerdings ist das Alleinstellungsmerkmal der digitalen Welt ihre Niedrigschwelligkeit. Nicht nur professionelle Redaktionen erstellen Inhalte, die in das Themengebiet Bundeswehr einschneiden. Auch viele Soldatinnen und Soldaten sowie die zivilen Mitarbeitenden der Bundeswehr verbringen einen Teil ihrer Freizeit auf Social-Media-Plattformen. Eine Organisation, der über 260.000 Menschen angehören, bedürfe daher klarer Regeln bezüglich des Umgangs mit neuen Medien, macht Kindler deutlich. Wer auf Social Media agiere, müsse sich des Rahmens bewusst sein, in dessen Grenzen er sich als Bundeswehrangehöriger bewege. So sind viele Jugendoffiziere auch Botschafter in und für eine Generation in Sozialen Medien. Einer von ihnen ist der stuttgarter Jugendoffizier Hauptmann David Matei. Seine Social Media-Präsenz erfreut sich großer Beliebtheit. Mehr als 100.000 Menschen sahen sich zum Beispiel Mateis Video zu den Jahresansprachen der Staatsführer Deutschlands, Chinas und den USA an. Sein Fazit: „Im Großen und Ganzen wurde nichts Neues gesagt.“

Meinungsvielfallt ist keine Schwäche Das Internet bietet jedem eine Plattform. Dementsprechend finden dort auch Positionen Gehör, die nicht im Interesse der Streitkräfte liegen. Dieser Umstand bereitet Kindler allerdings keine Sorgen. „Die Existenz unterschiedlichster Narrative ist in einer freiheitlichen Demokratie, in der eine pluralistische Debatte konstitutive Bedeutung hat, letztlich Alltag“, macht er deutlich. Entscheidend sei es,

problematischen Narrativen entgegentreten zu können. Damit das gelinge, müsse man sich Reputation als glaubwürdige und relevante Quelle erarbeiten. Nicht nur könne man auf diese Weise den eigenen Standpunkt nachhaltig bekannt machen, auch verfüge man so über eine stabile Basis an Multiplikatoren. Die Chancen, wahrgenommen zu werden und in der öffentlichen Debatte stattzufinden, stünden demnach nicht schlecht. Voraussetzung sei aber, die eigenen Inhalte verständlich aufzubereiten und Anschlusspunkte an die Lebensrealitäten der Menschen zu finden. Nicht von den Ereignissen überholt zu werden und am Zeitgeist vorbei zu argumentieren, sei dabei eine entscheidende Herausforderung. Diesem Selbstverständnis als Akteur in Debatten entsprechend, definiert das ZInfoABw, wann es seinen Auftrag erfüllt hat. „Kommunikation ist aus unserer Sicht geglückt, wenn unsere Informationen in der öffentlichen Debatte als relevant und die Bundeswehr als glaubwürdige Quelle wahrgenommen wird“, fasst Kindler zusammen. Man bediene sich gängiger Branchenstandards, um zu ergründen, ob eigene Stellungnahmen in traditionellen und neuen Medien Anklang fände. Darüber hinaus stellt Diskursfähigkeit ein entscheidendes Erfolgskriterium der digitalen Medienarbeit des ZInfoABw dar. Die Bundeswehr verfolgt das Ziel, unterschiedliche Meinungen öffentlich erörtern zu können. Sachlichkeit und gegenseitiger Respekt sollen das Wesen dieser Debatten prägen. Diese Überzeugung trägt bis in die eigene Personalwerbung. „Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst“, ist folgerichtig einer der erfolgreichsten Slogans.


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Innere Sicherheit

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BOS demnächst ohne Funk unterwegs?

obile Breitbandkommunikation ist die Zukunft des Digitalfunks der Sicherheitsbehörden, so lautet die Devise seit mehr als einem halben Jahrzehnt. Dennoch ist es bislang nicht gelungen, das Vorhaben Digitalfunk 2.0 zu initialisieren, geschweige denn eine eigenbeherrschte, hochverfügbare, resiliente und hochsichere Breitbandnetzinfrastruktur für die Blaulichtorganisationen zu etablieren. Und wie es aussieht, wird sich daran auch in den nächsten Jahren nichts ändern. So musste schon die Ende 2022 mit den Mobilfunkbetreibern gestartete Innovationspartnerschaft zur Gestaltung der Phasen null (nationales Roaming in kommerziellen Mobilfunknetzen pp.) und eins (Errichtung eines selbst betriebenen eigenbeherrschten breitbandigen Kernnetzes) kurz nach ihrem Start wegen nicht etatisierter Haushaltsmittel wieder beendet werden. Inzwischen sind infolge der desaströsen Finanz- und Haushaltspolitik des Bundes weitere Sparmaßnahmen erforderlich geworden. So sieht weder der Regierungsentwurf für das Haushaltsjahr 2024 noch die Finanzplanung der Folgejahre Mittel für die Realisierung der Breitbandstrategie der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) vor. Im Rahmen einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hat die Bundesregierung zudem mitgeteilt, dass auch eine Anschubfinanzierung des Vorhabens der BOS aus dem Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ oder dem der Bundeswehr nicht in Betracht kommt.

Eine Hiobsbotschaft kommt selten allein Eine zweite Hiobsbotschaft erreicht die BOS nun aktuell aus Dubai. Auf der World Radiocommunications Conference 2023 (WRC-23) wurde entschieden, dass der Rundfunk

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ls GdP haben wir uns die Aufgabe gestellt, uns nicht nur für die Polizeibeschäftigten hierzulande ins Zeug zu legen, sondern auch für unsere Kolleginnen und Kollegen in unseren Nachbarländern erfolgreich zu streiten. Natürlich stehen dabei traditionelle gewerkschaftspolitische Inhalte im Fokus unserer Bemühungen. Nicht weniger bedeutend sind jedoch ebenso polizeifachliche Bereiche wie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die Harmonisierung polizeigesetzlicher Grundlagen, vergleichbare Führungs- und Einsatzmittel, eine kooperative Digitalisierung oder eine Verbesserung und Beschleunigung des EU-weiten polizeilichen Datenaustausches. Nicht zuletzt machen wir uns stark für zentralisierte Behörden und Dienste, wo immer es im Kampf gegen das Verbre-

Behörden Spiegel / Februar 2024

Geplante Senkung der Bund-Länder-Finanzierung für den Digitalfunk (BS/Gerd Lehmann) In Anbetracht der allgemeinen Sicherheitslage und weltweiten Krisensituation ist es nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung an der Inneren Sicherheit sparen will. Auf völliges Unverständnis stößt die Absicht des Bundes, seinen Anteil an der Bund-Länder-Finanzierung des Digitalfunks im Jahr 2024 in Höhe von 415 Millionen Euro auf 284 Millionen Euro zu reduzieren und sich weiterhin der dringend notwendigen Anschubfinanzierung für die mobile Breitbandkommunikation der BOS zu entziehen. Die Funktionssicherheit des BOS-Funks wird dadurch als gefährdet eingeschätzt. des TETRA-Digitalfunks am Anfang des neuen Jahrzehnts dem Ende zu. Unbeschadet dessen enden die Frequenznutzungsrechte der BOS für den TETRA-Digitalfunk (Frequenzen 380-385 MHz und 390-395 MHz) im Jahr 2030. Dementsprechend sahen die ursprünglichen Planungen vor, bis zu diesem Zeitpunkt den TETRA-basierten Digitalfunk durch breitbandige, einsatzkritische Mobilkommunikation auf der Basis der 3GPP-Standards zu ersetzen. Durch die haushaltspolitischen Entscheidungen des Bundes und die Frequenzfestlegungen bei der WRC-23 stehen die BOS nun vor einem Dilemma. Ohne Funk unterwegs zu sein, kann es aber wohl nicht sein!

Lösungsmöglichkeiten diskutiert Verlässlicher Digitalfunk ist für die Einsatzkräfte unerlässlich. Dafür muss die mobile Foto: BS/IM NRW, Jochen Tack Breitbandkommunikation endlich realisiert werden.

im Frequenzbereich zwischen 470 und 694 MHz alleiniger Primärnutzer und die Veranstaltungsbranche (PMSE, Programme Making and Special Events) Sekundärnutzer bleibt. Damit sind die BOS die eindeutigen Verlierer. Das von den BOS für den Aufbau eines eigenen Breitband-Funknetzes geforderte und erwartete zusammenhängende UHF-Spektrum von 60 MHz kann ihnen damit nicht zugesprochen werden. Da die Beschlüsse der WRC-23 nicht schon 2027, sondern erst 2031 neu bewertet werden sol-

len, bleiben die BOS bis dato außen vor. Ob sich aber dann etwas für die BOS ändert, steht in den Sternen.

BOS in der Falle Die Mobilfunktechnologie und die Anforderungen und Nutzungsgewohnheiten der Anwender wandeln und entwickeln sich ständig weiter. Gleichzeitig wird der Weiterbetrieb des TETRA-Funknetzes in der Zukunft zunehmend risikobehafteter und kostenintensiver, da sich der Markt neueren Technologien zuwendet. Insoweit neigt sich die Ära

Angesichts der fatalen Situation der BOS haben wir mit Vertretern der Industrie und erfahrenen und anerkannten Nutzern des Digitalfunks und des kommerziellen Mobilfunks Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Interessant war die Bereitschaft der Industrie, die BOS trotz nicht unerheblicher Risiken zu unterstützen. Erwogen wurde eine Realisierung sowohl auf der Basis einer projektbezogenen Öffentlich-Privaten Partnerschaft als auch auf der Basis eines Kooperationsmodells. Bei dem Kooperationsmodell arbeiten die private Gesellschaft und die öffentliche Hand in einer gemeinsamen Gesellschaft eng zusammen.

Den europäischen Weg verfolgen 14 Sicherheitsthemen zur Europa-Wahl (BS/Jochen Kopelke) Im nächsten Jahr haben wir – das sind rund 450 Millionen Menschen in der Europäischen Union – die Wahl. Und wir haben das Recht, und wir sind in der Pflicht, das zentrale Element der europäischen Demokratie, das Europaparlament, mit Politikerinnen und Politikern zu besetzen, die das Ideal eines vereinten Europas ohne Wenn und Aber teilen. Im Namen der in der Bundesrepublik mit über 200.000 Mitgliedern größten Vertretung der Polizeibeschäftigten, der Gewerkschaft der Polizei (GdP), appelliere ich nicht ohne Grund, erstens wählen zu gehen, und zweitens, sich der Verantwortung des persönlichen Kreuzchens bewusst zu sein. chen als sinnvoll und notwendig erscheint. Ja, es ist zweifellos eine Binsenweisheit, dass vor allem das organisierte Verbrechen nicht vor den Grenzen eines Landes haltmacht. Das starre Beharren auf nationalstaatlichen Befugnissen spielt den Kriminellen in die gezinkten Karten. Als Polizeien in der EU sind wir schon in vielen Bereichen ein gutes Stück vorangekommen. Ein sehr erfreuliches Beispiel ist dabei die

Tatsache, dass die Polizeien trotz unterschiedlicher Nationalitäten und Strukturen grundsätzlich die gleiche Sprache sprechen. Sie alle gewährleisten die Innere Sicherheit ihres Landes, ein Mehr an Zusammen gewährleistet die Innere Sicherheit Europas.

Brüssel als Schaltzentrale Die GdP hat den gewerkschaftspolitisch wichtigen Schauplatz von Europa, die Stadt Brüssel, sehr

POLIZEITAGE 2024

schnell zu einem ihrer wichtigsten Missionsziele gemacht. In diesem Zentrum Europas werden wichtige Weichen gestellt. Dort rechtzeitig Einfluss zu nehmen, wirkt sich positiv auf die eigenen Kolleginnen und Kollegen aus. Eine falsche Scheu vor dem vermeintlich unübersichtlich-bürokratischen EUApparat ist fehl am Platz. Mit einer viel beachteten Veranstaltung zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen haben wir im letzten Frühjahr in unserem Europa-Verbindungsbüro in Brüssel erneut einen kriminalpolitischen Pflock eingeschlagen. Das soll so weitergehen, auf allen Feldern, die uns gewerkschaftlich und polizeilich berühren.

14 drängende Themen

WIR DISKUTIEREN SICHERHEIT! Updates zu allen Terminen und Orten hier:

Eine Veranstaltungsreihe des Behörden Spiegel und der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

www.polizeitage.de

Deshalb bringen wir uns als europaweit größte Interessensvertretung für Polizeibeschäftigte auch im Kontext der Europawahl konstruktiv ein. In einem kürzlich vorgelegten Impulspapier haben wir 14 drängende Themen identifiziert, bei denen aus unserer Sicht die europäische Ebene gefragt ist, sich aktiv zu engagieren. Wir wollen damit konstruktiver Gesprächspartner sein, wenn es darum geht, die europäische Sicherheit gemeinsam zu gestalten.

In beiden Fällen finanziert und realisiert eine noch zu etablierende private Gesellschaft (Betreibergesellschaft) den Anschluss an kommerzielle Mobilfunknetze und die Implementierung von Mission Critical Services in enger Abstimmung mit der Bundesanstalt für den Digitalfunk. In Abhängigkeit vom Realisierungszeitpunkt gehört ggf. auch noch der Anschluss an die Infrastruktur des BOS-Digitalfunks zum Projektgegenstand. Die von der Privatseite zu erbringenden Leistungen werden durch Nutzungsentgelte oder Gebühren vergütet. Kalkulationsbasis ist ein Vertrag mit einer Laufzeit von 20 oder 30 Jahren. Allen Beteiligten an der Diskussion war klar, dass der Entscheidung für die diskutierte Lösungsmöglichkeit ein strukturiertes Verhandlungsverfahren mit den Phasen Teilnahmewettbewerb, Angebotsphase, Verhandlungsphase und Vertragsabschluss vorangestellt werden muss. Das Interesse der Industrie ist vorhanden. Nunmehr liegt der Ball im Feld der BOS. Damit aber überhaupt wieder offen mit der Industrie gesprochen werden kann, ist als Erstes die Aufhebung des seit einem Jahr ruhenden Vergabeverfahrens „BOS-Breitband“ aus dem Jahr 2022 zwingend geboten. Die mobile Breitbandkommunikation der BOS wird auch Thema des im Rahmen des 27. Europäischen Polizeikongresses (EPK) im April in Berlin stattfindenden BOS-Strategieforums sein. Das vollständige Programm finden Sie hier:

Jochen Kopelke ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Foto: BS/Kay Herschelmann

Von A, wie die dringend benötigte Aufwertung des Politikfeldes Europäische Innere Sicherheit, über M wie Mitbestimmung für Beschäftigte in Auslandsverwendungen bis Z, wie dem Ziel der Vision Zero im Verkehr. Wir haben unsere polizeiliche Expertise gebündelt, um die Frage zu beantworten wo – über die allgemeinen Gewerkschafts- und Mitbestimmungsthemen hinaus – im Kontext der Europawahl 2024 auch für die Verbesserung der Europäischen inneren Sicherheit entscheidende Weichen gestellt werden müssen. Als GdP sind wir uns zugleich bewusst, dass wir für uns alleine deutlich weniger bewirken können als in einer starken Allianz Gleichgesinnter. Daher sind wir seit einigen Monaten in intensiven Gesprächen mit Polizeibeschäftigtenvertretungen aus anderen Staaten, die Europa ebenso verstehen wie wir. Diesen europäischen Weg gehen wir weiter. Das GdP-Impulspapier zur Europawahl 2024 ist auf der GdP-Website abrufbar:


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Februar 2024

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n einem mehrjährigen Projekt hat das Dienstleistungszentrum der Bundesregierung für Bessere Rechtsetzung im Statistischen Bundesamt unter der Federführung des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat diese, im Grunde seit 2008 unverändert gültige Vorschrift, überarbeitet. Ziel war es, in Kooperation mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr und allen Luftsicherheitsbehörden der Länder sowie in enger und unmittelbare Abstimmung mit der Bundespolizei, dem Luftfahrt-Bundesamt sowie den relevanten Stellen auf Landesebene, eine an die aktuellen Vorgaben des Bundesgebührenrechts angepasste transparente, rechtssichere und anwenderfreundliche neue Vorschrift zu schaffen. Um die gebührenpflichtigen Prozesse zu erfassen, hat das Statistische Bundesamt dem Personal der Luftsicherheitsbehörden bei der Ausübung von Massenverfahren persönlich hospitiert. So wurde beispielsweise das Zertifizieren von Sicherheitskontrollkräften sowohl im Rahmen der theoretischen als auch der verschiedenen praktischen Prüfungsmodule begleitet. Besonders eindrücklich war es für das Projektteam an dieser Stelle, die verantwortlichen Beamtinnen und Beamten bei der Vorbereitung, der Durchführung sowie der Nachbereitung von Inspektionen und Sicherheitstests oder der Zulassung von Unternehmen der sicheren Lieferkette begleiten zu dürfen. Bei unregelmäßig anfallenden oder langwierigen öffentlichen Leistungen wurden die Prozesse sowie die zeitlichen und finanziellen Aufwände durch Befragungen erhoben. Somit konnte durch das Einbinden so vieler Prozessbeteiligter über die Behördengrenzen sowie über die Zuständigkeiten von Bund und Ländern hinweg,

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Wie viel soll Sicherheit kosten? Umfangreiche Novellierung der Gebühren im Bereich Luftsicherheit (BS/Carsten Haider und Jörg Buntkirchen*) Spätestens seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA ist das Themenfeld Luftsicherheit in der öffentlichen Wahrnehmung stetig präsent und deren Routinen sind aus dem täglichen Flughafenbetrieb nicht mehr wegzudenken. In Deutschland teilen sich zahlreiche Akteure die Verantwortung für die Sicherheit in der zivilen Luftfahrt, was auch die zum 1. Februar 2024 grundlegend überarbeitete Luftsicherheitsgebührenverordnung zu berücksichtigen hat.

Bevor die Reise losgehen kann, werden Luftsicherheitsgebühren erhoben.

ein umfassender Datenbestand als Berechnungsgrundlage für die Gebührensätze aufgebaut werden.

Strukturelle Unterschiede des alten und des neuen Rechts Das neue, weitestgehend auf EURecht abgestellte Gebührenverzeichnis, schließt zahlreiche Lücken für bisher nicht abrechenbare individuell zurechenbare Amtshandlungen. Zusätzlich wurde auf das Ausbringen von Rahmengebühren weitestgehend verzichtet. Die Daten machten es sogar möglich, für zahlreiche Zulassungsverfahren so detailliert zu rechnen, dass eine Differenzierung nach Erst-, Validierungs- und Änderungszulassung realisierbar wurde.

Foto: BS/LBA

Der Katalog wurde dadurch zwar insgesamt kleinteiliger, garantiert dafür aber den Gebührenschuldnern ein Maximum an Transparenz und bietet im Verwaltungsvollzug ein Höchstmaß an Einfachheit. Der Nachteil eines auf Festgebühren aufgebauten Leistungskatalogs ist aber, dass er

wegen der Anfälligkeit auf Veränderungen schnell nicht mehr vollständig dem Kostendeckungsprinzip gerecht werden kann. Dem hat der Gesetzgeber jedoch insofern vorgebeugt, dass jede Vorschrift diesbezüglich mindestens einmal alle fünf Jahre überprüft und angepasst werden muss. Öffentlich wahrgenommen wird aus dem umfassenden Leistungskatalog aber ausschließlich die sogenannte Luftsicherheitsgebühr. Eine Gebühr, die für jeden Fluggast erlebbar für das Durchsuchen der eigenen Person und des mitgeführten Gepäcks sowie für die im Verborgenen stattfindende Überprüfung der aufgegebenen Gepäckstücke erhoben wird. Dabei gilt für die Berechnung, die durch die örtlichen Gegebenheiten eines jeden Flughafens geprägten Kosten für die Gewährleistung der sicheren Passagierkontrolle ins Verhältnis zu den vor Ort abgefertigten Passagierzahlen zu setzen. Gebührenrechtlich beschreibt auf diese Weise der Flug-

hafen mit dem günstigsten KostenFluggastverhältnis den unteren, der Flughafen mit dem ungünstigsten Kosten-Fluggastverhältnis den oberen Gebührenrahmen. Bei ca. 82 Millionen Einsteigern an deutschen Flughäfen und fast 690 Millionen Euro im Haushaltsplan des Bundes veranschlagten Einnahmen für 2022 haben zahlreiche Interessenvertretungen mit Hinweisen auf Effekte für die Luftverkehrswirtschaft in erwartbar kritischer Weise reagiert. Problematisch ist sicherlich, dass der Gebührenrahmen von 2 bis 10 Euro dem Wert seit 1999 nicht mehr angepasst wurde, obwohl die heutige internationale Sicherheitslage, die den technischen und personellen Aufwand einer jeden Passagierkontrolle prägt, nicht mehr mit den damaligen Bedingungen zu vergleichen ist. Insofern scheint der mit den Ländern gefundene Kompromiss, sich nur stufenweise über Jahre gestreckt und zum Nachteil der öffentlichen Haushalte einer vollständigen Kostendeckung für die Fluggastkontrollen zu nähern, aus hiesiger Sicht verständlich. *Carsten Haider und Jörg Buntkirchen sind beim Statistischen Bundesamt angestellt und unterstützten das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bei der Novellierung der Gebühren im Bereich Luftsicherheit.“

Der Digitalisierung auf der Spur Podiumsdiskussion zur Saarbrücker Agenda (BS/Ralph Kotsch) Am 30. November 2016 beschlossen die Innenminister der Länder und der Bundesminister des Inneren, eine gemeinsame moderne und einheitliche polizeiliche Informationsarchitektur in Deutschland zu schaffen, um den Informationsaustausch zwischen den Polizeibehörden von Bund und Ländern über die eigenen Landesgrenzen hinaus zu erleichtern. Die so genannte Saarbrücker Agenda war geboren. In Folge hat das Bundesministerium des Innern ein Programm mit dem knappen Titel P20 ins Leben gerufen, an dem sich alle 20 deutschen Polizeien beteiligen. Ziel war und ist es, die Fallbearbeitung zu vereinfachen, indem Informationen schneller verifiziert und ausgetauscht werden können. „Der Grundstein ist gelegt“, sagte der hessische Innenminister Peter Beuth. der im Januar 2024 aus dem Amt schied. Die Digitalisierung - so war man sich einig - sei eine Mammutaufgabe, die weiter Hand in Hand mit allen Bundesländern umgesetzt werden müsse. Gemeinsam wolle man die Zukunft der Digitalisierung gestalten und die finanziellen Verpflichtungen einhalten. Die Länder dürften sich nicht irritieren lassen auf dem Weg in die digitale Welt. Innovationstreiber seien die diversen Probleme gewesen, die auftraten, aber im Verlauf des Prozesses gelöst werden konnten. „Wir hätten sie uns gern erspart, aber sie haben uns weitergebracht“, sagte Peter Beuth. Die Politik sei jetzt gefordert, den Ländern erfolgreiche Polizeiarbeit zu ermöglichen. In der anschließenden Podiumsdiskussion in Berlin kamen zahlreiche Probleme bei der Umsetzung von P20 zur Sprache. Tamara Zieschang aus Sachsen-Anhalt zum Beispiel, Ministerin für Inneres und Sport, gab zu bedenken, dass ihr Land nicht zu den finanzstarken gehöre. „Wir können es uns nicht leisten, jede Fachent-

wicklung selbst herzustellen. Aber wir sind gut unterwegs. Schwächere Länder werden nicht abgehängt.“ Dies sei ein Beleg, das Föderalismus funktionieren könne. Es sei ein Riesenaufwand, alle mitzunehmen. Aber gemeinsam gehe es an die Umsetzung. „Wir haben einen unglaublichen Verjüngungsprozess. Jeder will ein Handy, jeder will dabei sein.“ Auch Christian Klos, Abteilungsleiter für Öffentliche Sicherheit im Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie Verwaltungsratsvorsitzender von P20, betonte die große Fachlichkeit und Solidarität unter den Bundesländern. Gemeinsame Entwicklungen stünden im Vordergrund nach dem Prinzip „Einer für alle.“ Mit gegenseitiger Solidarität seien auch eigene Entwicklungen und Anwendungen für alle anderen Länder nutzbar. Tamara Zieschang weist aber auch darauf hin, das nicht alle Entwicklungen vom Bund initiiert und gesteuert werden müssen. Die Länder seien bereit gewesen, unterschiedliche Verantwortlichkeiten an unterschiedlichen Projekten zu übernehmen und auch gemeinsam zu finanzieren. Es hätte auch ein Auseinanderfallen geben können. Die Gefahr bestand, dass die finanzstarken Bundesländer die Schwächeren dominieren könnten. Tamara Zieschang: „Aber das ist nicht passiert. Wir sehen darin einen Beleg, dass der Föderalismus funktionieren kann.“

Isabel Schmitt-Falckenberg Abteilungsleitung Bundespolizei

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Katastrophenschutz

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ehörden Spiegel: Fluchtbewegungen, der Klimawandel, die veränderte Sicherheitslage, jetzt aktuell wieder Hochwasser, beschäftigen die Gesellschaft. Sehen Sie das THW für die aktuellen Krisen und Katastrophen gut vorbereitet? Sabine Lackner: Ja, sonst hätten wir das bis jetzt auch nicht so gut bewältigen können. Auch die Politik hat das in den letzten zehn Jahren wahrgenommen. Man muss unumwunden sagen, dass auch das THW lange Jahre Opfer der Friedensdividende gewesen ist. Man glaubte, mit dem Fall der Mauer, mit den neuen Dialogformaten wie dem NATO-Russland-Rat, dass sich manches erledigt hat. Leider haben wir gesehen, dass die Krisen und Katastrophen nicht nur gefühlt zunehmen. Auch die Statistiken von Rückversicherern nach großen Umweltereignissen bestätigen das. Durch viele Förderungen der letzten Jahre ist das THW dankenswerterweise darauf deutlich besser eingestellt. Unsere veraltete Fahrzeugausstattung beispielsweise konnten wir durch Sonderprogramme und Konjunkturmittel deutlich verbessern. Darauf dürfen wir uns nicht ausruhen, denn Krisen haben auch Auswirkungen auf Finanzströme, Stichwort Inflation: Der Gerätekraftwagen (GKW) ist allein in den Kosten um 30 Prozent zum Vor-Corona-Niveau gestiegen, und das ist das Herzstück des THWs im Ortsverband. Wir haben also nicht mehr GKW als vorher, das ist erst mal ein reiner Kostenausgleich. Behörden Spiegel: Das THW-Rahmenkonzept 2023 adressiert im Gegensatz zum Konzept 2016 neue Themen, soll aber auch die Frage beantworten, wieviel THW wir eigentlich brauchen. Lackner: Das ursprüngliche Rahmenkonzept 2016 trug wesentlich zum Konzept der zivilen Verteidigung in Deutschland bei und davon haben wir auch sehr profitiert – durch die einsatztaktische Neuaufstellung beispielsweise. Das aktualisierte Rahmenkonzept widmet sich den neuen Herausforderungen: Notinstandsetzung und Notversorgung, Cyber-Attacken, hybride Bedrohungslagen, z. B. wenn Stadtwerke angegriffen werden und dann das Trinkwasser kontaminiert wird. Dies deckt bei uns die neue Fachgruppe N „Notinstandsetzung, Notversorgung“ ab. Und auch mit dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine haben wir das Thema Zivilschutz in den Fokus gerückt. Behörden Spiegel: Wieviel THW brauchen wir? Lackner: Wir brauchen so viel THW, wie die Lage es erfordert. Wir sprechen hier auf der einen Seite mit allen Hilfeleistungsorganisationen, beispielsweise mit dem Deutschen Feuerwehrverband und den Feuer-

Behörden Spiegel / Februar 2024

Informieren ist keine Panikmache Katastrophen- und Zivilschutz will gut organisiert und gelernt sein (BS) Corona-Pandemie, Russlands Angriffskrieg, Hochwasserlagen. Eine Katastrophe folgt auf die nächste, das Technische Hilfswerk (THW) unterstützt, wo es kann, und hilft vor allem mit Technik und Know-how. Am Ende des Tages stellt sich die Frage: Wie viel THW braucht Deutschland? Diese und weitere Fragen zur aktuellen Lage oder zur Aufstellung des THWs stellt Dr. Eva Charlotte Proll im Interview mit THW-Präsidentin Sabine Lackner und Vizepräsident Dierk Hansen.

haben, hat absolut funktioniert, beispielsweise die Drohnen, aber auch das Einsatzstellensicherungssystem (ESS). Und uns stützte von Beginn an ein internationales Vertrauen. Das Land Niedersachsen hat über das Gemeinsame Meldeund Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) den europäischen Katastrophenschutzmechanismus um Unterstützung gebeten. Es hat Angebote aus verschiedenen Ländern gegeben – das aus Frankreich zur mobilen Deichverteidigung wurde angenommen. Und auch die Franzosen waren begeistert von unserem ESS, das kannten die so auch noch nicht. Natürlich schauen wir uns an, was wir noch besser machen können, was wir daraus lernen können. Hansen: Was passiert ist, war nahezu mustergültig. Wir konnten mit unserem Wissen und unserer Technik im Wesentlichen die Kräfte, die eben in der Fläche zuständig sind, ergänzend unterstützen. Natürlich haben wir auch Sandsäcke geschleppt, das gehört dazu, aber im Wesentlichen konnten wir mit Technik und Knowhow unterstützen.

Das THW pumpt während des Sturmtiefs „Zoltan“ Wasser ab und leitet es um.

wehren, mit der DLRG, mit dem DRK, mit dem ASB, mit den Johannitern und mit den Maltesern. Es kann nur gemeinsam etwas werden – wir bringen alle Kompetenzen mit ein und bündeln Ressourcen zum Wohle der Bevölkerung. Auf der anderen Seite dürfen wir nicht den Blick vor der Realität verschließen: Die Zeiten sind bewegter und Auswirkungen von Schadensereignissen nehmen quantitativ und qualitativ zu. Das vergangene Jahr war geprägt von Erdbeben in der Türkei, Syrien, Marokko, Libyen sowie Überschwemmungen in Slowenien. Das umfasst Hilfsgütertransporte mit einem Gesamtwert im dreistelligen Millionenbereich. Wir müssen uns auch zum Schutz unserer Helferinnen und Helfer anpassen, zum Beispiel mittels moderner Technik. Wir können Äußere Sicherheit nicht ohne Innere Sicherheit denken und im Hinblick auf Sicherheit und auf unsere Standfestigkeit einer wehrhaften Demokratie sind der Bevölkerungsschutz und der Zivilschutz ein wesentlicher Faktor. Wir stehen auf den Grundlagen der freiheitlich demokratischen Grundordnung, wir zeigen das in unseren elf Leitsätzen, wir dulden keine Diskriminierung. Natürlich sehen wir, dass unsere

THW-Präsidentin Sabine Lackner und Vizepräsident Dierk Hansen berichten von einer Foto: BS/THW, S. Hohmann positiven Hochwasserbilanz.

Kameradinnen und Kameraden der Bundeswehr zwar erfolgreich und gut Amtshilfe leisten, aber auch an ihre Grenzen kommen. Hier brauchen wir einen stärkeren Schulterschluss und eine Aufgabenkonzentration. Und genau dafür sind wir – das THW – da. Es braucht also durchaus mehr THW, es braucht mehr ehrenamtlich getragenen Zivil- und Katastrophenschutz in Deutschland. Dierk Hansen: Wir müssen auch das System neu denken und die Brücke zwischen Katastrophen- und Zivilschutz neu denken – mutig den Zivilschutz alle zusammen in den Blick nehmen, um dann tatsächlich zu gucken, wer hat welche Fähigkeit, wer kann wieviel dazu beitragen. Dann können wir einen tragfähigen Systemmix generieren. Behörden Spiegel: Wie genau gelingt dies, also ein effektiver und effizienter Zivilschutz, und wie ist er aktuell beim THW aufgehängt? Lackner: Nur gemeinsam und das ist auch eine der Lessons Learned aus der Starkregenkatastrophe „Bernd 2021“, der Ahrtal-Katastrophe. Unter anderem ging daraus die Gründung des Gemeinsamen Kompetenzzentrums Bund und Länder (GeKoB) beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hervor. Also alles, was zu einer 360°-LageErfassung – und zwar dauerhaft – beiträgt und eine bessere Risikobewertung ermöglicht, hilft, vor die Lage zu kommen, eine Katastrophe zu verhindern oder deren Folgen abzumildern. Dazu braucht es auch mutige Entscheidungen: Es muss auf kommunaler Ebene investiert werden. Denn wenn es ums Geld geht, wird das auch sehr schnell wieder vergessen. Einer meiner Vorgänger nannte das die „Katastrophen-Demenz“. Daneben denken wir die Resilienz in den Ortsverbänden neu, beispielsweise das Thema der Kompetenzen und Zivilschutzausbildung. Man muss sich nicht verstecken,

Foto: BS/THW, Raphael Maus

wenn man von Krieg spricht, wie dies, mutig vor ein paar Jahren, ein Verteidigungsminister getan hat. Das hat überhaupt nichts mit Panikmache zu tun. Eine Bevölkerung zu informieren und mündig zu halten, muss auch als „mündig machen“ anerkannt werden. Man hört immer wieder: „Wir wollen keine Panik machen“, aber genau das versetzt die Bevölkerung in Panik. So darf es nicht sein, denn gerade wenn man nicht informiert, fallen die Menschen aus allen Wolken, wenn dann doch etwas passiert. Zusätzlich hilft es, zur Selbsthilfe aufzufordern, denn die professionellen Helferinnen und Helfer müssen Prioritäten setzen. Dazu gehört es, vulnerablen Gruppen zu helfen oder die Staats- und Regierungsgewalt aufrechtzuerhalten. Der feuchte Keller ist dann zwar nicht schön, aber auf unserer Prioritätenliste nicht oben. Ein weiteres positives Beispiel – da sind wir besser geworden – ist, dass jetzt im Radio permanent gesagt wurde: Wenn die Keller und Räume feucht sind, nicht mehr betreten, Strom abschalten, die Feuerwehr informieren. Richtig ist: Sagt den Leuten, was ist zu tun, was ist zu lassen. Haltet sie informiert, denn die Ohnmacht hört in dem Moment auf, wo man selbst aktiv werden kann. Hansen: Das Stichwort ist Selbsthilfefähigkeit. Selbstschutz ist ein Element des Zivilschutzes. Denn die schnellste Hilfe, die kommt, ist die eigene und das entlastet auch das System. Behörden Spiegel: Wie ist Ihre Bilanz der aktuellen Hochwasserlage? Lackner: Ich bin absolut begeistert. Wir haben gesehen, wie hochmotiviert und absolut leistungsbereit unsere Ehrenamtlichen sind. Was wir gesehen haben, waren mehr als 5.500 THW-Kräfte, die jetzt bundesweit an den verschiedenen Lagen im Einsatz waren. Unsere Technik, die wir in den Einsatz gebracht

Lackner: Fachberatung ist hier das Stichwort. Die Stäbe haben sofort Fachberaterinnen und -berater vom THW dazugeholt. „Technische Beratung Deichverteidigung“ ist bei uns ein Lehrgang. Wir haben Schnellunterweisungen für Feuerwehrkräfte vor Ort gegeben: Wie verbaue ich Sandsäcke, damit sie schützen? Das ist nämlich mehr, als nur Säcke auf einen Haufen zu werfen. Jetzt müssen wir uns fragen, ist es sinnvoll, das Angebot auszuweiten, eben auch auf andere Hilfeleistungsorganisationen, um das bekannter zu machen? Es war eine gute Lernstrecke, aber auch eine gute Bestätigungsstrecke, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Hansen: Insbesondere die Einstellung dieser zum Großteil ehrenamtlichen Kräfte ist auch über den Jahreswechsel 2022/2023 hervorzuheben. Im Nord-Ostsee-Kanal gab es eine Leckage in einer Raffinerie, sodass der Kanal gesperrt wurde. Das war auch über die Feiertage und unsere Helferinnen und Helfer unterstützten den Einsatz. Es ist für sie selbstverständlich und eine große Ehre, dass der alkoholfreie Silvestersekt im Einsatzgebiet stattfindet. Lackner: An dieser Stelle ein ganz, ganz großes Dankeschön an die Familienangehörigen und auch an die Arbeitgebenden der Helferinnen und Helfer! Hansen: Auch unsere THW-Familie ist gewachsen – wir haben ein neues Familienmitglied: Gnu Heros. Es wurde im Serengeti-Park Hodenhagen während des Einsatzes geboren. Heros ist unser Funkrufname. Bei diesem Einsatz musste der Strom abgeschaltet werden und unsere Einsatzkräfte standen vor der Frage: Wo sollen Giraffen und Löwen untergebracht werde, wo sollen die Elefanten hin? Das Improvisationstalent, auch der Improvisationsmut, den es im THW gibt, haben die Rettung möglich gemacht. Zu der Relevanz der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer für den Zivilschutz und der Ausstattung der Ortsverbände lesen Sie mehr in unserem Newsletter „Rettung. Feuer. Katastrophe.“ vom 25. 01. 2024


Katastrophenschutz

Behörden Spiegel / Februar 2024

D

ie MTF ist eine medizinische Spezialeinheit, von der es mittlerweile 61 Einheiten bundesweit gibt. Das Personal der Medizinischen Task Forces des Bundes setzt sich aus ehrenamtlichen Einsatzkräften aus den Hilfsorganisationen und Feuerwehren zusammen, wobei sowohl Ärzte und ausgebildete Sanitäter als auch technische Helfer und Betreuungspersonal zur Besetzung gehören. Konzeptioniert und ausgestattet werden diese durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), während die Länder die Umsetzung des Konzepts sowie die Verwaltung der Ausstattung übernehmen. Laut dem BBK ist eine MTF eine „standardisierte, sanitätsdienstliche, arztbesetzte Taktische Einheit mit Spezialfähigkeiten zum Einsatz im Spannungs- und Verteidigungsfall“ und wird zudem in der bundesländerübergreifenden Katastrophenhilfe eingesetzt. Die Einheiten sollen im Katastrophenfall den Landeskatastrophenschutz und Sanitätsdienste unterstützen und ergänzen und kommen vor allem bei einem Massenanfall von Verletzten zum Einsatz. Gerade bei Lagen mit zerstörter Infrastruktur sollen sie aushelfen können. Der Hauptgrund für den Entschluss 2007 war, dass bis dahin der deutsche Bevölkerungsschutz nicht in der Lage war, kontaminierte Patienten medizinisch flächendeckend zu versorgen. Daher sind sie im Fall einer Lage unter anderem dafür zuständig, Verletzte bei einer chemischen, biologischen, radiologischen oder nuklearen Verunreinigungen zu dekontaminieren und aus dem Katastrophengebiet zu transportieren. Zusätzlich müssten

Und ist der Weg steinig und schwer... …kommt die medizinische Spezialeinheit trotzdem her (BS/Scarlett Lüsser) Schnell sind die Kapazitäten der Rettungskräfte in den einzelnen Bundesländern ausgereizt, wenn es zu parallelen Notlagen kommt oder beschädigte Infrastruktur den Weg zum Einsatzort erschwert. Für einen solchen Fall wurde bereits im Jahr 2007 von Innenminister und -senatoren ein neues Konzept verabschiedet, welches die Planung der Medizinischen Task Force (MTF) des Bundes zum Ziel hatte. sie je nach Lage Behandlungsplätze für Akutversorgungen, Patientenablagen für kontaminierte und nichtkontaminierte Personen sowie Sichtungsstellen vor Krankenhäusern zur Klassifizierung und Dekontamination aufbauen und betreiben können, wie die Johanniter erklären.

Einsatz und Ausstattung Unter anderem beteiligten sich Einheiten der MTFs an den Hilfsarbeiten bei der Flutkatastrophe im Sommer 2021 und der Hochwasserlage 2023/24. Obwohl sie schon einige Zeit im Einsatz sind, wird über die Notwendigkeit weiterer Ausstattung der MTFs stetig diskutiert. Erst Ende des vergangenen Jahres habe in der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ) in Ahrweiler ein Fachaustausch zwischen dem BBK und den Innenministerien der Länder zur Einsatzbereitschaft der MTFs stattgefunden, wie das BBK verlauten ließ. Ein großer Teil der noch fehlenden Ausstattung befinde sich aktuell in der Beschaffung. Erste Ausbildungsmodule seien den Ländern 2023 zur Verfügung gestellt worden, weitere sollen in diesem Jahr folgen. Auch für das erst kürzlich von der Hochwasserlage stark getroffene Niedersachsen hat das BBK

Ich bin in einer Hochwassersituation wie der aktuellen in der Lage, mich, meine Familie und mein Hab und Gut selbst zu schützen.

neue Fahrzeuge für den Zivil- und Katastrophenschutz bereitgestellt. Von den 26 Fahrzeugen seien allein 24 für die MTFs von Niedersachsen vorgesehen. Dabei stellten vor allem die 18 Krankentransportwagen für den Zivilschutz (KTW Typ B ZS), die der neuesten Generation angehören, eine deutliche Verbesserung der KTW-Flotte dar. Zusätzlich wurden sechs Mannschaftstransportwagen Behandlung (MTW Beh)

den niedersächsischen MTFs zur Verfügung gestellt.

Andere Einsatzmöglichkeiten? Doch sind die MTFs nicht nur für die zivile Verteidigung vorgesehen. Es besteht die Möglichkeit, dass sie während der UEFA FußballEuropameisterschaft der Herren 2024 ebenfalls zum Einsatz kommen. Aus diesem Grund trainieren die 61 Medizinischen Task Forces

Meinungen zur eigenen Selbsthilfefähigkeit bei Hochwasserlagen (BS/Prof. Dr. Henning G. Goersch) Kurz nach der letzten Hochwasserlage ist die Angst vor einer ähnlichen Situation präsent. Wie gut die Bevölkerung ihre Selbsthilfemöglichkeiten einschätzt und wie groß die Sorge vor weiteren Lagen dieser Art ist? wassersituation wie der aktuellen in der Lage, mich, meine Familie und mein Hab und Gut selbst zu schützen.“) haben mich überrascht: 53,5 Prozent der befragten Personen stimmen diesem Item zu bzw. voll und ganz zu. Demgegenüber stehen 28,3 Prozent, die dieser Aussage eher nicht bzw. überhaupt nicht zustimmen. Reflexartig könnte angenommen werden, dass die befragten Personen die Frage nicht richtig verstanden haben oder ein anderer methodischer Fehler vorliegt. Dagegen spricht, dass nur 2,2 Prozent der Teilnehmenden „weiß nicht“ an-

29,70%

Eine Hochwassersituation, wie die aktuelle, empfinde ich als äußerst bedrohlich.

37,00%

Wenn ich an die kommenden Jahre denke, machen mir zukünftige Hochwasser und Überschwemmungen große Sorge.

35,90%

0

Auf ihrem Weg zum neuen Bestimmungsort: neue Fahrzeuge für die niedersächsischen Foto: BS/Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport Medizinischen Task Forces.

Selbstwirksam und sorgenvoll

I

n der zweiten Ausgabe der Forschungskolumne Gefahrenabwehr greife ich das aktuelle Thema Hochwasser auf. Ehrlicherweise kann man bereits über den Begriff „aktuell“ streiten. Die Berichterstattung zum Hochwasser, die vor Kurzem noch omnipräsent war, inklusive der Forderung nach einer Stärkung des Katastrophenschutzes, ist wieder verstummt. Vor diesem Hintergrund ist es dann aber genau richtig, das Thema wieder aufzugreifen. Zu zwei Bereichen hat Forsa Sozialforschung in meinem Auftrag die deutsche Bevölkerung repräsentativ telefonisch befragt: Erstens nach der empfundenen Selbstwirksamkeit gegenüber Hochwasser und zweitens nach der aktuellen und der in Zukunft gerichteten Risikowahrnehmung in Bezug auf dieses Thema. Die Ergebnisse zur ersten Aussage („Ich bin in einer Hoch-

Seite 33

23,80%

gaben. Ebenfalls machten nur 1,7 Prozent keine Angabe. Beide Werte sind zwar höher als bei den nachfolgenden Ergebnissen, aber immer noch in einem Bereich, der kein allgemeines Unverständnis anzeigt. Für die Interpretation dieser Bewertung der eigenen Selbstwirksamkeit gegenüber Hochwasser sind für mich zwei Aspekte ausschlaggebend: Erstens haben die Teilnehmenden an der Untersuchung weitgehend recht: Es existieren viele Maßnahmen, die einzelne Haushalte unternehmen können, um sich sowohl baulich als auch organisatorisch

14,20%

34,00%

30,60%

20

40

18,90%

9,40% 2,20% 1,70%

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stimme voll und ganz zu

stimme zu

unentschieden

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stimmer eher nicht zu

weiß nicht

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7,30% 0,30% 0,40%

80

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keine Angabe

Telefoninterviews (CATI) durchgeführt von Forsa Sozialforschung im Zeitraum vom 11. bis zum 15. Januar 2024 innerhalb einer mehrstufigen Zufallsstichprobe. Gewichtet wurde nach Region, Alter und Geschlecht (Grundlage: Statistisches Bundesamt: Bevölkerungsfortschreibung). Insgesamt 1.003 befragte Personen. Vollständig operationalisierte und getestete Items. Alle Angaben in Prozent. Durch Grafik: BS/B. Dach Rundung der Werte ergeben sich in der Summe u. U. nicht immer genau 100 Prozent.

auf Hochwasser vorzubereiten. Die Forschung zeigt, dass oft kleine Maßnahmen bereits enorme Auswirkungen auf die Schadensreduktion haben können. Zweitens wird hier offensichtlich eine hohe Selbstwirksamkeit gegenüber Hochwasser empfunden. Dies ist ein guter Ansatzpunkt, um die Bevölkerung in regionale Hochwasserschutzkonzepte einzubinden und die Notfallvorsorge zu fördern. Dazu wäre unter anderem eine Verschiebung von „Ihr müsst etwas tun!“ hin zu „Ihr könnt etwas tun!“ innerhalb der Kommunikation notwendig. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass immerhin noch fast ein Drittel an befragten Personen existiert, das diese Selbstwirksamkeit nicht verspürt. In der Gesamtansprache der Bevölkerung sind also beide Gruppen zu berücksichtigen. Auch hier zeigt sich wieder: Menschen werden bei der Vorsorgeförderung in unterschiedlichen Zuständen angetroffen. Eine Person möchte sich beispielsweise zunächst einmal allgemein informieren, andere Personen haben schon etwas unternommen und haben ganz konkrete Anwendungsfragen. Aus der Auswertung der Items zur Risikowahrnehmung ergibt sich, dass einer deutlichen Mehrheit der Befragten das aktuelle (vergangene) Hochwasser große Sorgen macht: 71 Prozent stimmen dem Item „Eine Hochwassersituation, wie die aktuelle, empfinde ich als äußerst bedrohlich.“ zu bzw. voll und ganz zu. In Bezug auf zukünftige Hochwas-

bereits seit 2023 im Rahmen des „EUROMED“-Projekts des BBK ihre Einsatzabläufe. Schwerpunkte der einzelnen Übungsformate sind die Alarmierung, die Verlegung oder der Betrieb der MTF-Einheiten. Unter anderem gibt es hierzu Stellproben, bei denen der Aufbau eines MTFBehandlungsplatzes geübt werden soll. Wie das BBK erläutert, könnten so bereits vorhandene Behandlungsstrukturen vor Ort erweitert werden und auch die Koordination und Verteilung von verletzten Personen würden durch dieses Übungsformat trainiert. Auch die logistischen Abläufe der Anfahrt müssten problemlos funktionieren, weshalb auch Verlegeübungen teil des Trainings sind. Um im Ernstfall möglichst schnell am erforderlichen Einsatzort anzukommen, proben die MTFs die Verlegungsfahrten über eine Strecke von 300 Kilometern. Höhepunkt der EUROMEDÜbungsreihe ist laut dem BBK eine Großübung in Hamburg, bei der folgendes Szenario geprobt werden soll: Die sanitätsdienstliche Versorgung von mindestens 150 verletzten Personen im Zusammenspiel von drei MTF-Einheiten, erklärt das BBK. Diese Übung soll im Frühjahr 2024 stattfinden, bevor die FußballEM Mitte Juni startet. Zwar werden die MTFs für die Fußball-EM etwas zweckentfremdet, da es sich hier nicht um einen Katastrophenfall, sondern ein Großereignis handelt, dennoch zeigt es den Bedarf ebenjener Spezialeinheiten auf. Zugleich ist es ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit von integriertem Denken bei der Planung verschiedener Einheiten, was zu einem umfassenden Sicherheitskonzept beiträgt, in dem jeder seine Fähigkeiten gezielt einbringt.

ser (Item 3: „Wenn ich an die kommenden Jahre denke, machen mir zukünftige Hochwasser und Überschwemmungen große Sorgen.“) sind dies immer noch 66,5 Prozent. Die Öffentlichkeit beschäftigen zurzeit viele wichtige Themen. Dennoch sollte Hochwasser nicht von der Agenda verschwinden. Den Ergebnissen dieser repräsentativen Befragung folgend existiert eine hohe Risikowahrnehmung der Bevölkerung zu diesem Thema. Diese sollte unbedingt genutzt werden. Gleichzeitig halte ich die großen Sorgen der Menschen für einen Auftrag an die politisch Verantwortlichen, hier umfassend tätig zu werden.

Forschungskolumne Gefahrenabwehr An dieser Stelle erscheint quartalsweise eine Forschungskolumne zu Gefahrenabwehr und Bevölkerungsschutz. Die jeweiligen Fragestellungen werden durch Prof. Dr. Henning G. Goersch von der FOM Hochschule für Oekonomie und Management entwickelt und durch Forsa Sozialforschung repräsentativ für die Bundesrepublik Deutschland erhoben. Ziel der Kolumne ist es vor allem, ein vertieftes Verständnis dahin gehend zu erlangen, wie die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland Themen des Bevölkerungsschutzes beurteilt. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines evidenzbasierten Sicherheitssystems, in welchem auf Basis empirischer Ergebnisse und nicht auf Basis implizit angenommener, jedoch nicht verifizierter Sachverhalte gehandelt wird. Die Themen nehmen oft bisherige Forschungen von Prof. Dr. Henning G. Goersch auf, entstammen darüber hinaus aber auch den Diskussionen im FOM-Studiengang B.Sc. Management in der Gefahrenabwehr.


Verteidigung

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Behörden Spiegel / Februar 2024

PORTRAIT-REIHE: Was machen Sie denn da gerade – Hauptfeldwebel Andreas Steinkat?

Ich arbeite mit viel Illusion (BS) Wie Hauptfeldwebel Andreas Steinkat zum Künstler wurde und so gegen Traumata aus dem Auslandseinsatz kämpfen kann, erzählt er Klaus Pokatzky: Fleiß und Disziplin sind immer dabei – und die richtigen Gedanken.

I

ch blicke Ihnen in die Augen. Ja – Ihnen! Und zwar blicke ich aus meinem Bild „Das Grauen des Krieges“. Dieses Bild und fast 170 weitere sind meine künstlerische Waffe gegen meine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Wie ich zu dieser Waffe gekommen bin? Durch die Evangelische Militärseelsorge. Deren Seelsorgeprojekt „ASEM – Arbeitsfeld Seelsorge für unter Einsatz- und Dienstfolgen leidende Menschen“ hatte vor drei Jahren auf der Insel Rügen eine Kunsttherapie angeboten, in Zusammenhang mit dem Bundeswehr-Krankenhaus Hamburg. Die Idee war: Wir wollen, dass Du Kunst als Werkzeug nimmst, um Deine Erlebnisse zu verarbeiten.

Ich – auf einem Kunstseminar? Erst habe ich gedacht: Was soll ich jetzt auf einem Kunstseminar? Ich hatte nie etwas gemalt oder gezeichnet – außer in der Schule oder später als Skizze bei der Bundeswehr auf dem Meldeblock. Aber auf Rügen habe ich mit dem Bild angefangen; Das war meine erste therapeutische Aufgabe. Vorlage war ein Selfie von mir, das habe ich dann mit dem Tablet bearbeitet. Insgesamt habe ich dann anderthalb, knapp zwei Jahre immer mal wieder daran gearbeitet – bis es so ist, wie es jetzt ist. Das bin eben ich. Und das ist meine Erinnerung an die Grauen des Krieges, wie ich sie in meinen Afghanistan-Einsätzen seit 2003 erlebt habe.

L

aut Roderich Kiesewetter, Obmanns der CDU/CSU im Auswärtigen Ausschuss, verblieben für die Ertüchtigung der Streitkräfte nicht fünf bis acht Jahre, wie der Bundesminister der Verteidigung glaube, sondern eher zwei bis drei Jahre. Zu diesem Schluss kam Kiesewetter auf dem DWT Symposium Perspektiven der Verteidigungswirtschaft 2024, weil man sich in einem einen übergreifenden Systemwettbewerb der Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren befände. Deutschland wäre bereits jetzt Kriegsziel, deshalb müsse alles getan werden, um nicht auch noch Kriegspartei zu werden. Die Wucht des von Russland begonnenen Krieges hätte Auswirkungen in viele Richtungen, nicht nur gegen die Ukraine. Insofern sei dieser Krieg nicht nur als Krieg gegen die Ukraine zu verstehen, sondern als Krieg gegen unser Leben und unserer regelbasierten Ordnung. Die gegenwärtigen Krisen müssten insgesamt betrachtet werden, wobei insbesondere der Iran mit seinem Streben, schnell zu einer Nuklearmacht zu werden, Anlass zur Sorge gäbe. Hamas, Huthi und Hisbollah seien sehr gut organisiert und operierten mit der Rückendeckung Russlands. Auch China profitiere von den Kriegen. Und unsere innenpolitische Lage würde zunehmend schwieriger. Gleich wem man Glauben schenken möchte, Kiesewetter oder Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD),

„Die Idee war: Wir wollen, dass Du Kunst als Werkzeug nimmst, um Deine Erlebnisse zu verarbeiten.“ Foto: Privat

Zur Bundeswehr bin ich vor vierzig Jahren, also 1984, als Wehrpflichtiger gekommen – und habe dann als Zeitsoldat weitergemacht: bei den Panzergrenadieren, später auch kurz bei der Artillerie. Nach meiner Bundeswehrzeit habe ich eine Krankenpflegeausbildung absolviert und bin zum Deutschen Roten Kreuz in Münster gegangen. Dort bin ich auch geboren. In meinem alten Heimatort Ostbevern lebe ich heute noch. Als wehrübender Reservist war ich dann in den Auslandseinsätzen und habe Verletztenrettung im Einsatzlazarett in Kabul gemacht: also verwundete Soldaten und Zivilisten versorgt – die mit Rettungshubschraubern zu uns geflogen wurden. Darunter waren auch kleine Kinder, die auf Minen getreten sind mit dramatischen Folgen. So etwas wird nicht mehr aus dem Kopf gelöscht. Wenn ich heute Hubschraubergeräusche höre, tauchen im Flashback die Bilder von damals auf. Nach meinem Antrag auf Wehrdienstbeschädigung wurde

ich wiedereingestellt zum 1. April 2019: beim Deutsch-Niederländischen Corps in Münster. Heute bin ich dort in der Evangelischen Militärseelsorge die rechte Hand unserer Pfarrerin Brigitte Pagnoux. Sie engagiert sich unheimlich für Menschen wie mich – genauso wie unser Stellvertretender Kommandeur, Generalmajor Andreas Hannemann.

„Der guckt mich immer an!“ Als ich vor drei Jahren diese Kunsttherapie mitgemacht hatte, hat mich „Das Grauen des Krieges“ nicht mehr losgelassen. Erst mal musste ich die Augen so schaffen, dass sie die Betrachter immer anblicken. Wenn Sie dieses Bild an der Wand hängen sehen – egal, ob Sie ihm direkt gegenüberstehen oder ob Sie nach links gehen oder nach rechts gehen – Sie müssen das Gefühl haben: „Der guckt mich immer an! Der verfolgt mich mit seinem Blick!“ Ich arbeite mit viel Illusion. Sie können das Bild heute im großen Format im Hauptquartier des I.

Deutsch-Niederländischen Corps in Münster sehen und in der LützowKaserne in Münster-Handorf, wo ich eingesetzt bin. Am Anfang war es noch rein schwarz-weiß. Erst als ich Wüstenfarbe reingebracht hatte, sagte jeder Soldat, dem ich es auf dem Tablet zeigte: „Das ist doch Mali, das ist Afghanistan.“ Aber Zivilisten konnten das immer noch nicht verstehen, als ich es schon mal in kleinerem Format ausgedruckt und bei uns im Ort ausgestellt hatte. So habe ich militärische Elemente eingefügt: Hubschrauber, Flugzeug, Panzer. Und jetzt wurde es verstanden, und dann blieben die Leute davor stehen, und den Leuten kamen teilweise beim Betrachten des Bildes die Tränen. Mein damaliger Spieß, Oberstabsfeldwebel Gregor Ballsieper, hat mich unheimlich bei meinen ersten künstlerischen Arbeiten ermuntert. Und der damalige Kommandeur, Generalleutnant Andreas Marlow, wollte die Bilder unbedingt sehen, die ich nach und nach sonst noch

Neue Kernaufgaben Die militärischen Organisationsbereiche definieren ihre Rolle nach der Zeitenwende (BS/th) Aus der neuen Kernaufgabe Landes- und Bündnisverteidigung resultieren Herausforderungen für die Bundeswehr und die Verteidigungswirtschaft. Nach einem mehr als ein Jahrzehnt währenden Fokus auf internationale Missionen setzen die Organisationsbereiche und die Verteidigungsindustrie neue Schwerpunkte. klar ist: Die Zeit drängt. Der Ukrainekrieg und die Anschließende Zeitenwende stellten das Aufgabenprofil der Militärischen Organisationsbereiche auf den Kopf. Der größte Krieg auf europäischem Boden seit dem zweiten Weltkrieg verlangt die Definition eines neuen Aufgabenprofils.

Mitten in der Zeitenwende Für das Heer gelte es, die Struktur ganz eng am Auftrag zu organisieren, damit die Grundorganisation im Frieden zum Auftrag passt, erklärte der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais. Bislang wurden die Versorgunganteile zwar gestärkt, aber nicht mit der hinreichenden Konsequenz. Das müsse sich mit der Zeitenwende ändern. Aus Sicht der Luftwaffe war der eigentliche Schock des Angriffs auf die Ukraine der unterschiedslose Angriff auf zivile Einrichtungen, stellte Generalleutnant Lutz Kohlhaus, stellvertretender Inspekteur der Luftwaffe, klar. Dieser Erkenntnis entsprechend fordert er, die Luftverteidigung deutlich zu verstärken. Die Luftwaffe sei multinational ausgerichtet. In der nächsten Dekade würden circa 500

F-35 Kampfflugzeuge in Europa im Einsatz sein. Es werde auch wieder eine größere Anzahl an Luftverkehr und Tiefflügen geben. Diese müsse man entsprechend üben. Darüber hinaus müsse die Luftwaffe über die Fähigkeit zu einem Deep Precision Strike verfügen. Diese Fähigkeit soll die Möglichkeiten des Gegners einschränken und unterschiedslose Angriffe auf die Zivilbevölkerung vermeiden. Die Marine fokussiere sich auf den Einsatz im Nordatlantik, in der Nordsee und in der Ostsee, erklärte Konteradmiral Christoph Müller-Meinhard, Kommandeur Unterstützung und Abteilungsleiter Einsatzunterstützung im Marinekommando. Dabei sei die operative Überlegenheit in der Ostsee erforderlich, um den Schutz der baltischen Staaten sicherstellen zu können. Ebenso würden eine leichte Erhöhung und eine dringende Modernisierung der Flotte benötigt. Auch würden neue, unbekannte Wirkmittel gebraucht, auf denen neben der Munitionsbeschaffung der Schwerpunkt der Marine läge. Generalmajor Jürgen Setzer, Stellvertreter des Inspekteurs im Kommando Cyber und Informationsraum der Bundeswehr (CIR),

bringt einen weiteren entscheidenden operativen Faktor ins Spiel: Information. Aus Sicht des Bereiches CIR habe der Krieg in der Ukraine in hybrider Ausprägung bereits deutlich vor dem 24. Februar 2022 begonnen. Mit dem Erreichen von „CIR 2.0“ im Jahr 2025 solle die Planung und Durchführung von digitalen Operationen möglich sein. Der Faktor Zeit und die Reaktionsfähigkeit seien dabei entscheidend für die Lagebilderstellung aus unterschiedlichen Dimensionen, die in nahezu Echtzeit zusammengeführt werden müssten. Für den Zentralen Sanitätsdienst stelle sich die Frage, wie man der hybriden Bedrohung des Gesundheitswesens begegnen könne, erklärt Generalstabsarzt Dr. Norbert Weller, Kommandeur Gesundheitseinrichtungen und Stellvertreter des Inspekteurs im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr. Wie könne man den Umbruch von Krisenmanagement zur Landes- und Bündnisverteidigung schaffen und wie gelingt die Anschlussfähigkeit des Gesundheitswesens zwischen dem militärischen und dem zivilen Bereich? Dabei sei neben der Fähigkeit zur Behandlung und zum Transport einer großen Anzahl von

gemalt hatte. Und da reichte es dann nicht mehr: auf DIN-A-4-Papier ausgedruckt mit Tintenstrahldrucker. Richtig gut produzieren kann ich sie erst, seitdem ich Online die richtige Druckerei gefunden hatte, die wirklich in der Lage ist, mein Bild auf Leinwand zu drucken – so dass ich sagen kann: Die Farbe passt auch. Und was ich sonst noch brauche? Du brauchst ein Tablet und Du brauchst Deine Gedanken. Dazu Fleiß und Disziplin und natürlich ein paar Programme, die auch Geld kosten.

Auch Bilder der Entspannung Als Vorlage nehme ich oft Fotos der Bundeswehr, mache aber auch meine eigenen. „Der Abgrund“ zum Beispiel: Da habe ich hier bei mir im Dorf eine kleine Brücke über den Bach fotografiert, in dem sich ein Baum im Winter spiegelt. Und das muss ich jetzt so gestalten, dass dieser spezielle Blick unter die Brücke entsteht: um zu gucken, ob sich in der Wasserspiegelung irgendeine Sprengladung zeigt. Bei mir kommt dann immer der Aspekt Krieg rein. Das sind ja Verarbeitungsgeschichten. Es gibt aber auch Bilder der Entspannung: „Zur Ruhe kommen.“ Hin und wieder muss ich auch mal mein Hirn aufräumen. Früher habe ich immer Bildbeschreibungen angefügt – wo ich mich mit Ereignissen dann noch einmal intensiv auseinandersetzen musste. Ein Kunstprofessor meinte dann zu mir: „Das machen Sie ab sofort nicht mehr! Sie geben nur noch dem Bild einen Namen.“ Und daran halte ich mich jetzt. Alle neuen Bilder kriegen nur noch einen Namen, und dann müssen die Leute selber empfinden in dem Bild, was sie sehen. Die Texte haben mir früher geholfen. Aber heute bin ich so weit, dass mir das Bild reicht.

verwundeten Soldatinnen und Soldaten nach Deutschland die Frage, wie man Schwerverletzte wieder zurück in ein aktives Leben bringe ebenso wichtig. Für den Bereich der Streitkräftebasis (SKB) sei die Sicherstellung der „Drehscheibe Deutschland“ von hoher Priorität, machte Generalleutnant Martin Schelleis, Inspekteur der Streitkräftebasis, deutlich. Dies habe materielle, infrastrukturelle und personelle Veränderungen zur Folge. Ab 2027 erwarte der „Enabler“ SKB einen Aufwuchs von ungefähr 1900 Dienstposten und rund 17 Milliarden Euro an Material. Zur Erfüllung dieser Aufgabe werde man aus Sicht der SKB um eine allgemeine Dienstpflicht nicht herumkommen.

Für die Industrie bewegt sich wenig Dr. Hans-Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer im Bundesverband der Sicherheits– und Verteidigungsindustrie, zieht eine ernüchternde Bilanz im Vergleich zum Vorjahr. Er konstatiert nur wenig Veränderung zu der letztjährigen „Bedürfnispyramide“ der Industrie. Für eine Verbesserung bedürfe es der klaren Zusage zum Anstieg des Einzelplans 14, damit die erforderlichen Investitionen seitens der Industrie auch getätigt werden könnten. Es müsse zudem stärker verdeutlicht werden, dass Sicherheit die wesentliche Voraussetzung für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit sei.


Verteidigung / Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Februar 2024

as haben die Liebe und hybride Bedrohungen gemeinsam? Diese zunächst absurd klingende Frage stellte sich der leitende Regierungsdirektor, Dr. Justin Just, politischer Berater des Territorialen Führungskommandos (TerrFüKdoBw) auf dessen Symposium „Deutschland.Gemeinsam.Verteidigen“ in Berlin. Die Antwort lautet: „You know it when you feel it.“ Damit ist das Kernproblem hybrider Angriffe umschrieben. Den Sicherheitsbehörden fällt es schwer, sich auf eine einheitliche Definition, was hybride Angriffe eigentlich sind, zu einigen. Denn geschickte Angreiferinnen und Angreifer nutzten gezielt die Bruchlinien und die Schnittstellen zwischen den Teilen der Gesellschaft und behördlichen Zuständigkeiten aus. Für eine freiheitliche Demokratie ist das eine große Herausforderung. Angemessen und in der erforderlichen Zeit zu reagieren, fällt oft schwer. Aus Angreifersicht sind hybride Angriffe deshalb vorteilhaft, erläutert Prof. Dr. Carlo Masala, Leiter der Professur für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Die Angegriffenen könnten nicht einschätzen, wann es zu einem hybriden Angriff kommen wird. Zusätzlich könnten sie in kurzer Zeit durchgeführt werden und bewegen sie sich für gewöhnlich unterhalb der Schwelle von Artikel 5 des Nordatlantikvertrags. Der Bündnisfall, bei dem alle NATO-Mitglieder einem angegriffenen Partner zur Hilfe eilen wird also nicht ausgelöst.

Taktung und Kadenz Angesichts dieser Vorteile überrascht es nicht, dass Angriffe bereits auf allen Vektoren stattfänden, wie Oberst i.G. Andreas Schreiber, Abteilungsleiter beim TerrFüKdoBw erläutert. Neu hinzugekommen seien Cyber-Angriffe. Sie ordneten sich in den allgemeinen Trend zunehmender Taktung und Kadenz ein. Gerade die Bundeswehr wird immer wieder Opfer solcher hybriden Angriffe, führte die Präsidentin des militärischen Abschirmdienstes, Martina Rosenberg aus: „Die Bundeswehr ist besonders im Fokus.“ Eigentlich ist das keine Neuigkeit, denn die Streitkräfte seien schon immer Spionageversuchen ausgesetzt. Allerdings habe sich die Qualität der Attacken verändert. Man bediene sich zunehmend subtiler Methoden. Das erläutert Rosenberg anhand von Fake-News: Es sei ein Video aufgetaucht, indem zu sehen ist, wie angebliche deutsche Soldaten, die Menschen in der Ukraine ausplündern. Angesichts dieser Entwicklung wäre es naiv zu glauben, dass die Anzahl hybrider Angriffe in den kommenden Monaten und Jahren abnehmen wird. Es schließt sich also die Frage an, wie auf diese andauernde Bedrohung zu reagieren ist. Für den sächsichen Staatsminister des Inneren, Armin Schuster (CDU), lautet die Antwort, das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat zu steigern. Hybride Bedrohungen versteht Schuster als Stresstest. Von staatlicher Seite sei in derartigen Situationen besondere Stringenz in der Argumentation gefragt. Gerade jetzt sei das Risikobewusstsein in der Bevölkerung groß. Während vor wenigen Jahren die Umsetzung des Zwei-Prozent-Ziels noch Gegenstand von Debatten gewesen sei, gäbe es heute dafür einen breiten Konsens. Dennoch lasse die Vorbereitung auf einen Ernstfall bei der zivilen Seite zu wünschen übrig. So sei vielerorts im Falle eines Cyber-Angriffes unklar, wem die Führungsrolle zukomme. In man-

Operationsplan am offenen Herzen Alle Aspekte des Heimatschutzes vereinen (BS/th/jb) Ende März will das Territoriale Führungskommando (TerrFüKdoBw) die Arbeit am Operationsplan Deutschland abschließen. Im Dokument ist festgehalten, was das TerrFüKo zu leisten hat. Die Liste ist lang: Schutz der Bürgerinnen und Bürger, Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV), Aufgaben des NATO-Host-Nation-Support und Anschläge auf verteidigungsrelevante Infrastruktur verhindern. Soll das gelingen, ist die Zusammenarbeit mit anderen Behörden und der Wirtschaft unerlässlich. Die Aufgabe drängt, denn hybride Angriffe erfolgen bereits täglich.

Masala spricht sogar von einem „Intelligence Failure“. Zwar wäre das Wissen vorhanden, aber es gäbe niemanden, der die Pfäden zusammenführe. Dr. Kirsten Eisenhauer, Brand- und Katastrophenschutzinspekteurin in Rheinland-Pfalz, betonte, dass die Katastrophen der letzten Jahre Anlass gegeben hätten, die eigenen Strukturen zu hinterfragen. Man verfüge nun über ein neues Landesamt mit einem zentralen Lagezentrum. Allerdings beschränkten sich die Anpassungen im Wesentlichen auf die bisherigen Rollen dieser Behörde. Die zusätzlichen Aufgaben im Rahmen der LV/BV sind nicht bedacht.

Schnittstellenfunktionen besetzen

Generalleutnant André Bodemann, Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, braucht die Unterstützung der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und anderer Sicherheitsbehörden Foto: BS/ Bundeswehr/Anne Weinrich

chen Ländern gebe es keine Katastrophenämter. Dem Kommando Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr (Kommando CIR) fehle zu Beginn des Ernstfalls der Ansprechpartner. „Im Frieden gehört der Krieg den Ländern“, konstatiert Schuster. Die ließen die Konzentration auf LV/BV aber vermissen. Masala sieht diese Fehlleistung auch in blinden Flecken im Grundgesetz begründet. Krieg, Spannung und Verteidigung seien im Grundgesetz bedacht. Über hybride Kriegsführung schweige es sich hingegen aus. Daraus folge, dass dies gegenwärtig ein regelungsfreier Raum sei. Dr. Jessica Däbritz, Abteilungsleiterin Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz im Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI), betont, dass keine einzelne staatliche Stelle eine vollumfängliche Antwort auf hybride Bedrohungen finden könnte. Die Gefahr hybrider Bedrohungen gehe gerade davon aus, dass sie alle Lebensbereiche betreffen könne. Das könne niemand allein bewältigen.

Unklare Zuständigkeit Diese These unterstützt Masala. Verteidigung und Bundeswehr würden vielerorts gleichgesetzt. Diese Einschätzung sei aber verkürzt. Denn Resilienz könne erst gelingen, wenn die Erkenntnis einsickere, dass wir uns in einer bedrohlichen Lage befänden. Diese gehe weit über Verteidigung hinaus. Deshalb seien staatliche Prozesse auf allen Ebenen auf Krisenfestigkeit zu prüfen. Um insgesamt nicht angreifbar zu sein, müsse jeder Einzelne resilient werden. Däbritz leitet daraus einen Lernauftrag an die Bevölkerung ab. Menschen müssten erkennen, dass der Staat nicht die Antwort auf alle Probleme geben könne. Ein gewisses Maß an Eigenverantwortung sei angezeigt. An anderer Stelle jedoch ist die Wirtschaft verwundbar und kann nicht mit eigenen Mitteln geschützt werden. So zum Beispiel die als „systemfundamental“ eingeschätzte Energie- und Wasserwirtschaft. Diese gegen Drohnenangriffe zu schützen müsse Teil der Agenda der LV/BV werden. Auch die logistisch unersetzbare Deutsche Bahn (DB) ist an vielen Stellen vulnerabel. Zwar habe man Dinge in die Wege geleitet, doch fehle es zum Teil

an der Hardware, um die Probleme anzugehen, erklärte Gönke Kraft, Head of Control Tower der DB Cargo. Neben einem Mangel an

gesamtgesellschaftlicher Resilienz fehle nach Ansicht Schusters eine Institution, die alle Informationen in einem Lagebild zusammenführt.

„Der Verteidigungsplan der NATO ist auf Abschreckung ausgelegt“, betonte der Befehlshaber des TerrFüKdoBw, Generalleutnant André Bodemann. Dieser müsse daher bereits vor dem Verteidigungsfall funktionieren. Gute materielle und personelle Ausstattung der Streitkräfte ist dafür Voraussetzung, ist aber allein nicht ausreichend. Damit der Operationsplan Deutschland funktionieren kann, muss die Gesellschaft im Ganzen resilienter, die Infrastruktur besser geschützt und gemeinsame Lagebilder gewonnen werden.

DEFENCE DAYS TERMINE UND THEMEN 2024 28. Februar 2024

DIE MILITÄRISCHE NUTZUNG DES WELTRAUMS – NATIONALE UND INTERNATIONALE BETRACHTUNGEN 10. April 2024

STRATEGISCHE UND OPERATIVE FÜHRUNG DER BUNDESWEHR 22. Mai 2024

DAS ZIELBILD DER DEUTSCHEN LUFTWAFFE – FÄHIGKEITSDOMÄNEN UND PLANUNGSKATEGORIEN 4. September 2024

DAS ZIELBILD DER DEUTSCHEN MARINE – FÄHIGKEITSDOMÄNEN UND PLANUNGSKATEGORIEN 30. Oktober 2024

DAS ZIELBILD DER DIMENSION CIR – FÄHIGKEITSDOMÄNEN UND PLANUNGSKATEGORIEN 4. Dezember 2024

DAS ZIELBILD DER STREITKRÄFTEBASIS – FÄHIGKEITSDOMÄNEN UND PLANUNGSKATEGORIEN

Foto: BS/Rheinmetall

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Behörden Spiegel / Februar 2024

Visionär für den Staat Rafael Laguna de la Vera sucht Erfindungen, die alles verändern

(BS/Benjamin Hilbricht) Rafael Laguna de la Vera ist etwas Seltenes. Der Direktor der Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) ist Optimist. Er wollte nie im Öffentlichen Dienst arbeiten, aber er hat ein „big hairy goal“.

Foto: BS/Hilbricht

A

ls Sechzehnjähriger verkaufte Rafael Laguna de la Vera Kassetten. Sie piepten und flöteten. Es waren keine Mixtapes, das war nicht sein schräger Musikgeschmack. Er hörte und spürte etwas, für das die meisten Menschen kein Ohr hatten. Für ihn klang das Tonwirrwarr nach Zukunft. Heute trifft er Mitarbeitende und Journalisten in Cafés. An einem Tisch ganz hinten, mit dem Rücken zur verspiegelten Wand, sitzt er. Vor ihm steht ein aufgeklappter Laptop, daneben eine Tasse Kaffee, ein Glas, ein Notizbuch, eine Karaffe mit Wasser. Rafael Laguna de la Vera ist der Direktor der Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND), die er mitgegründet hat. Nach eigener Aussage arbeitet er dauernd. An diesem Tag zum Beispiel kommt er gerade von einer Unterredung mit Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Laguna zeigt sein Notizbuch. Da­rin sind die handschriftlichen Vorbereitungen auf das Treffen. Die Agentur untersteht halb dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und halb dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK). Laguna bewegt sich in illustren Kreisen. Abends wird er bei Markus Lanz auf dem Sessel sitzen. „Die Runde ist übrigens voraufgezeichnet“, verrät Laguna. Immerhin etwas. Seine Tage haben es in sich. Meistens starten sie mit frühen Videokonferenzen. „Dann versuche ich, zwei bis drei Stunden produktive Arbeitszeit zu kriegen“, sagt er. Er liest Forschungsliteratur, konzipiert eine Ausschreibung oder einen Wettbewerb, arbeitet sich die Details eines Exposés ein. „Ich schaue mir jedes Projekt an. Es gibt verrückte Ideen – wir müssen aufpassen, dass wir keine verpassen“, sagt Laguna. In der Praxis legen seine Teams ihm das Projekt mit einer Entscheidungsempfehlung vor. Aber er sieht sich alle Ideen an und brennt für die Projekte, die die SPRIND finanziert. Die Nachmittage nutzt er für andere Arbeiten. Sein Tag ginge oft „bis in die Puppen“, sagt Laguna. Er reist auch viel. Fast jede Woche steigt er in den Zug und fährt „Einschwung oder Ausschwung“: Köln – Leipzig – Berlin oder andersherum. Laguna pendelt zwischen seinem Wohnort, seiner Geburtsstadt und der Hauptstadt. Der Vorteil ist, dass er so seine zwei erwachsenen Kinder oft sieht. Eins wohnt in Köln, das andere in Berlin. „Bahnfahrer aus

Trotz“ nennt Laguna sich selbst. Aber es ist auch eine Arbeitsweise. Auf den Bahnreisen nimmt er keine Telefonate an – „da hören zu viele Menschen zu“. Dann sitzt er da und arbeitet. Warum tut er sich sowas an? Er hat ein fettes haariges Ziel: ein „big hairy goal“ wie er sagt. Der SPRINDDirektor sucht Sprunginnovation, also Erfindungen, die so innovativ sind, dass sie mehrere Entwicklungsschritte überspringen. So etwas habe es in Deutschland schon gegeben. „Wir haben in der Gründerzeit viel richtig gemacht“, findet Laguna. „Und danach viel falsch.“ Er schildert, wie sich das neu gegründete Deutsche Reich nach 1871 zu ungeahnten Höhen aufschwang. Es modernisierte die Industrie. Konzerne wie Thyssen, Krupp, Bayer und BASF wurden damals gegründet. Das Auto wurde erfunden. Städte wie Berlin und München wurden neu gebaut. Deutschland zehre bis heute von dem, was damals gebaut wurde. Lagunas Vision für Europa, für Deutschland ist klar: „So eine Gründerzeit muss wieder anbre-

Wir mussten das Flugzeug bauen, während wir fliegen.“

chen“, sagt Laguna. Er denkt in alle Richtungen. Er ist geschichtsbewusst und hat die Zukunft im Blick. Das sei notwendig. Dass er deswegen mal für den Staat arbeiten würde, hätte er nie gedacht. „Ich habe immer gemacht, worauf ich Lust hatte“, sagt er. Als 14-Jähriger kam er durch seinen Onkel zu Computern. Schon in den Siebzigern zeigte ihm der Verwandte aus Amerika die ersten Mikroelektronikmodelle. Laguna begann zu programmieren. Er gründete mit 16 seine erste Firma: Import und Vertrieb von Software aus den USA und Eigenkreationen. Das Abitur hätte er darüber fast nicht bestanden. Er wollte abbrechen, die Schule ihn rauswerfen. Doch es reichte. Nach

Sie leiten die Geschicke der SPRIND: Berit Dannenberg (1. v. l.) ist die kaufmännische Geschäftsführerin, Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) teilt sich die Aufsicht über die Agentur mit dem Bundeswirtschaftsministerium und Rafael Laguna de Foto: BS/SPRIND GmbH la Vera ist der Direktor.

Agentur für Sprunginnovationen – SPRIND Die Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) wurde im Dezember 2019 in Leipzig gegründet. Mit der SPRIND wollen das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) innovative Ideen identifizieren und entwickeln: die sogenannten Sprunginnovationen. Das sind technologische Innovationen, die Leben und Kultur schlagartig verändern, wie zum Beispiel die Erfindung des Smartphones. Zur Erreichung dieser Ziele hat die SPRIND verschiedene Instrumente. Sie gründet Tochtergesellschaften und veranstaltet Challenges, bei denen gezielt Lösungen für große Probleme gesucht werden. Beispielsweise hat die Agentur im Jahr 2021 einen Wettbewerb für antivirale Mittel ausgeschrieben. Die Geschäftsführung der SPRIND besteht aus dem Direktor Rafael Laguna de la Vera und Berit Dannenberg, der kaufmännischen Geschäftsführerin.

dem Abschluss schrieb er sich an der Universität Dortmund für Informatik ein, doch das Studium brach er nach drei Wochen ab. „Das waren alles Mathematiker, damals gab es keine Informatiker. Ich hatte zehn Computer zu Hause, das wurde aber alles nicht gelehrt.“ Statt zu studieren, stieg er in ein Unternehmen ein. Während der 90er und frühen 2000er trieb es Laguna von Aufgabe zu Aufgabe. Er gründete, beriet, programmierte. Zog seine Kinder groß. Schließlich gründete er 2005 die Open-Xchange AG, deren Leitung als CEO er ab 2008 übernahm. Dort blieb er zwölf Jahre. „Inzwischen 270 Mitarbeiter, 45 Millionen Umsatz, Open Source, 2,7 Milliarden Nutzer über die offene E-Mail-Server-Software“, schrieb Laguna 2019 in seinem Lebenslauf. Eigentlich hatte er ausgesorgt. Doch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte laut Laguna schon in den frühen 2000ern eine Agentur für Sprunginnovationen aufbauen. Die Idee kam aus den USA. Die hatten seit 1958 die ARPA – Advanced Research Project Agency, heute DARPA. Diese Agentur fördert gezielt technische und wissenschaftliche Innovationen im Auftrag des Staates. Die NASA, das Militär und die gesamte Gesellschaft profitierten davon. So etwas wollte Merkel für Deutschland. Im Jahr 2017 begannen die ersten Planungen. Laguna stieß im April 2019 zur Gründungskommission für die Agentur für Sprunginnovationen. Die Kommission erarbeitete ein Konzept, aber es fehlte noch das Personal. Da habe der Kommissionsleiter Dietmar Harhoff (MaxPlanck-Institut für Innovation und Wettbewerb) zu ihm gesagt, „wir brauchen jemanden wie dich“, berichtet Laguna. „Das hat mich nicht mehr losgelassen, das ist eine Riesenchance für Deutschland.“ Also trat er aus der Gründungskommission aus, bewarb sich für die Stelle und bekam sie. Es gab eine Pressekonferenz, auf der er der Welt vorgestellt wurde. Und dann stand er da: Direktor einer neugegründeten Agentur. Ohne Budget und ohne Personal.

Ergebnisse statt Prozesse Zugleich brach die Corona-Krise los. Die junge SPRIND begann mit 100 Prozent Homeoffice. Teilweise habe er zwölf Videokonferenzen am Tag durchgeführt, erzählt Laguna. Der Quereinsteiger und Entrepreneur musste sich erst mal

in die Vorschriften und Verordnungen des Öffentlichen Dienstes einarbeiten. „Wir unterliegen der Bundeshaushaltsordnung und müssen für jede relevante Ausgabe die Vergabeordnung anwenden.“ Zugleich war es sein Auftrag, manche der festgefahrenen Strukturen aufzubrechen. „Entsprechend mussten wir das Flugzeug bauen, während wir fliegen“, lächelt Laguna. Klar, an europaweiten Vergaben führt bei manchen Projekten dennoch kein Weg vorbei. Inzwischen kenne er „genug Vergaberecht, um gefährlich zu sein“. Aber er schaue mit „Entrepreneur-Augen“ da­rauf. Dazu gehört, dass Laguna den Start Ups und Forschenden, die sich bei ihm bewerben, maximale Freiheit bei der Erreichung ihrer Projekte geben will. Statt detailgenauer Listen, was für ein Produkt oder Forschungsergebnis die SPRIND bestellt, glaubt Laguna an die große Idee. Die Bewerberinnen und Bewerber pitchen eine Vision. Wenn sie damit überzeugen, gibt die SPRIND ihnen Geld für ein Jahr. Dann stellen sie erneut ihre Ergebnisse vor. Wenn sie immer noch überzeugen, gibt es mehr Geld. So lange, bis die Lösung auf dem Markt ist. Denn markttaugliche Produkte sind das Ziel der Agentur. „Wir schauen auf die Ergebnisse, nicht auf die Prozesse“, fasst Laguna zusammen. Laguna und die SPRIND veränderN die Art, wie der Staat mit Innovationen umgeht. Ihretwegen wurde sogar Ende letzten Jahres ein neues Gesetz erlassen: das SPRIND-Freiheitsgesetz. Es erlaubt der Agentur große haushalterische und finanzielle Freiheiten. Laguna freut sich besonders, dass dieses Gesetz fraktionsübergreifend unterstützt wurde: „Mit unserer Mehrheit hätten wir das Grundgesetz ändern können.“ Diese positive Stimmung und Unterstützung von Politikerinnen und Politikern aller Parteifarben gelte es zu erhalten. „Es kann nicht immer alles gutgehen. Projekte werden scheitern. Doch wir brauchen Kontinuität, denn manches wird zehn Jahre dauern. Das ist jetzt unsere Herausforderung: den guten Willen der Politik zu erhalten.“

Aber Laguna glaubt an die Kraft technologischer Innovationen, das Leben der Menschen zum Positiven zu verändern. Für sich persönlich fürchte er im beruflichen Umfeld nichts mehr. Es gehe ihm weder um eine Beförderung noch eine Pension oder die Absicherung seiner Stellung. Es gehe ihm allein um die Sache. Warum also macht er das? Die Frage lässt ihn nicht los. „Ich baue sehr gerne Sachen auf“, sagt er. Er sei neugierig. „Ich will meinen Kindern und allen eine Welt hinterlassen, in der sie noch leben können.“ Und es mache einfach Spaß. Der Junge, der Kassetten mit akustischen Computerprogrammen per Post verschickte, wird dieses Jahr sechzig. Die SPRIND ist beliebt. Doch das ist Beiwerk. Laguna begeistert sich wie in seiner Kindheit für Innovationen. Das treibt ihn an. Er hört im Pfeifen und Piepen die Zukunft.


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