Behörden Spiegel Juli 2024

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Bürokratie reformieren

Wegen allzu vieler Vorschriften beklagen Kommunen einen „Aufgabeninfarkt“, Unternehmen wünschen sich weniger Berichts- und Dokumentationspflichten und Verbraucher verzweifeln am ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Die Entbürokratisierung gilt gemeinhin als Erfolgsrezept für einen leistungsfähigeren Staat. In der Praxis produziert die Politik jedoch mehr statt weniger Vorschriften.

Die Pflichtkür

Pflichtversicherungen als Lehre aus dem Hochwasser?

(BS/Bennet Biskup-Klawon) Das „frische“ Hochwasser im Saarland und in Rheinland-Pfalz hat seine zerstörerische Kraft gezeigt. Die Schäden gehen in die Millionenhöhe. Die Kosten, die durch immer häufiger auftretende Naturkatastrophen anfallen, belasten die Versichererbranche weltweit. Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) entstanden allein im vergangenen Jahr bundesweit versicherte Schäden in Höhe von 5,7 Milliarden Euro.

In Europa gebe es eine Versicherungsschutzlücke, sagt Marie Scholer Méndez von der European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) – der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung. Es seien nur 25 Prozent aller Schäden durch Versicherungen in der EU gedeckt, so Scholer Méndez. Zwar variiere die Zahl zwischen den Ländern, dennoch lasse sich ein Trend erkennen. Um sich in Zukunft besser auf die kommenden Extremwetterereignisse einzustellen, fordert Scholer Méndez, mehr Public Private Partnerships

– Öffentlich-private Partnerschaften – einzugehen. Der Staat müsste proaktiv Maßnahmen ergreifen. So müssten ein Risikobewusstsein sowie ein Verständnis für Vorsorgemaßnahmen in der Bevölkerung geschaffen werden. Hierbei kämen die Versicherer mit ins Spiel. Diese müssten als Berater mit ins Boot geholt werden, um die Risiken und Schäden zu reduzieren. Weniger Schäden bedeuten schließlich weniger Kosten – für Versicherer und schlussendlich den Staat. Die Debatte um eine Pflichtversicherung nimmt dabei erst so richtig Fahrt auf. So zeigt eine Umfrage des Vergleichsportals Verivox, dass sich 71 Prozent der Hausbesitzer für eine solche Pflichtversicherung gegen Elementarschäden aussprechen.

Adressfeld

Zustimmung bei den Bundesländern Auch die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Saarland.

Schleswig-Holstein und Thüringen sprechen sich für eine Pflicht aus. „Es ist höchste

Zeit, dass Menschen flächendeckend gegen solche Katastrophen abgesichert sind. Das entlastet nicht nur die Betroffenen selbst, sondern am Ende alle Steuerzahler“, argumentiert zum Beispiel Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD). Die Bundesregierung, insbesondere das zuständige Bundesministerium der Justiz, ist da anderer Meinung. So schlug der Bund in der Ministerpräsidentenkonferenz eine Angebotspflicht vor. Man fürchte, dass viele Hausbesitzer die durch eine Versicherungspflicht entstehende, zusätzliche Belastung nicht stemmen könnten. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) wurde das Ansinnen der Länder, eine Pflichtversicherung einzuführen, vom Bund daher auch abschlägig beschieden. Im Ergebnisprotokoll der MPK heißt es, man sei sich allerdings sicher, dass die vom Bund vorgeschlagene Wahlmöglichkeit das Problem der zu geringen Versicherungsdichte nicht lösen werde. Doch selbst innerhalb der Koalition ist man bei dem Thema uneins. So fordern die Grünen-Abgeordneten Lukas Benner, Mitglied im Rechtsausschuss, und Armin Grau, Berichterstatter für Hochwasserschutz im Umweltausschuss: „Staatliche Ad-hoc-Hilfen sind in Notlagen wichtig, stellen aber kein nachhaltiges Konzept für die Zukunft dar. Es ist deshalb

höchste Zeit, dass der Bund endlich den wiederholten Forderungen der Länder folgt und ein Konzept für eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden vorlegt.“ Auch Scholer Méndez hält wenig vom Prinzip Hoffnung. Hausbesitzer dürften nicht darauf bauen, dass die Schäden von den jeweiligen Regierungen übernommen würden –schließlich finde nicht jedes Mal nach einer Flut eine Wahl statt.

Es gilt: Vorsicht ist besser als Nachsicht

Dass etwas im Angesicht des Klimawandels getan werden muss, steht außer Frage. „Es hat sich einiges getan seit der Flutkatastrophe im Ahrtal, aber wir können und müssen noch besser werden. Wir müssen alle Regionen in Deutschland auf solche Naturkatastrophen vorbereiten. Denn: Man muss die Gefahr durch Starkregen überall ernst nehmen“, betont Hermann Schreck, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) und ständiger Vertreter des Präsidenten. Eine GDV-Untersuchung zeigt beispielsweise, dass alle Bundesländer – in unterschiedlichem Maße – durch Hochwasser gefährdet sein können. Deshalb fordert der GDV u. a. ein gesetzliches Verbot der Bebauung von amtlich festgesetzten Überschwemmungsgebieten oder den Ausbau des DWD-Naturgefahrenportals.

Schwindende Steuereinnahmen

Die Frühjahrsprognose des Arbeitskreises Steuerschätzung verschärft die angespannte Finanzsituation. Seite 11

1,5 Meter Abstand

Der beste Schutz für Fahrradfahrende bleibt die Unfallprävention. Dafür gibt es viele Methoden.

Seite 20

Gerüchte, Brände, Suggestionen

Wie Russland mit hybriden Kampagnen unterschwellig Einfluss auf die deutsche Gesellschaft nimmt. Seite 43

Nr. VII / 40. Jg / 27. Woche
Berlin und Bonn / Juli 2024
Titelseite: BS/Hoffmann unter Verwendung von MR, stock.adobe.com;

Schwerpunktthema der Ausgabe Bürokratie reformieren

Was noch zu tun ist

NKR bilanziert zum Bürokratieabbau

Bürokratie entlasten

Geld- und Zeitersparnis durch Bürokratieabbau

Aufbruch mit Hindernissen

Wettbewerbsfähigkeit bedarf Regulierungen

Aus Behördenlatein mach Bürgerdeutsch

Einfache Sprache für effektive Verwaltung

Impressum

Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Herausgeberin und Chefredakteurin Dr. Eva-Charlotte Proll

Stellvertretender Chefredakteur Guido Gehrt

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Aktuelles Öffentlicher Dienst Ann Kathrin Herweg, Sven Rudolf, Hans-Jürgen Leersch, Anne Mareile Walter Kommune Marlies Vossebrecker, Scarlett Lüsser

Digitaler Staat Christian Brecht, Mirjam Klinger, Paul Schubert, Anna Ströbele

Sicherheit & Verteidigung Bennet Biskup-Klawon, Jonas Brandstetter, Thomas Hönig, Lars Mahnke, Gerd Peter, Klaus Pokatzky

Sonderkorrespondenten BOS Dr. Barbara Held, Gerd Lehmann

Online-Redaktion Tanja Klement

Parlamentsredaktion Berlin

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Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Maximilian Spuling, Karin Vierheller Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin

Druck Weiss-Druck GmbH & Co. KG, Hans-Georg-Weiss-Straße 7, 52156 Monschau

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Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch IVW (www. ivw.de). Jahresabonnement 9,80 Euro (12 Ausgaben inkl. Porto und MwSt.)

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Kommentare

Tüchtig

(BS) Deutschland wird vorgeworfen, stets aufzuzählen, was erst mal nicht geht. Auch der Appell zu mehr Kriegstüchtigkeit schlägt in diese Kerbe. Allen Konflikten zum Trotz, ist der Öffentliche Dienst aber genau das: tüchtig. Jeden Tag! Fleißige Personen mit besonderen qualitativen Fähigkeiten erhalten die Zuschreibung, tüchtig zu sein. Die Tüchtigkeit muss, gerade in Bezug auf die Sicherheit des Landes, nur öfter kommuniziert werden.

von Dr. Eva-Charlotte Proll

Beispiel eins: Der Aufbau einer dauerhaft stationierten Brigade in Litauen bis 2027 zollt bei den Bündnispartnern großen Respekt. Jahrelang gab es Rufe, Deutschland investiere zu wenig, trage zu wenig zur Leistungsfähigkeit der NATO bei. Diese Rufe werden leiser. Die Brigade erhalte 100 Prozent in Qualität und Quantität, nicht nur in der Ausstattung, versichert der Inspekteur des Heeres. Auch die weicheren Anreize, um den Einsatz an der Ostflanke für Soldaten attraktiv zu machen, haben es in sich. Es ist schließlich kein klassischer Einsatz der Bundeswehr wie Mali oder Afghanistan,

auch nicht vergleichbar mit anderen deutschen Dienststellen wie der Sheppard’s Air Force Base in den USA oder dem Deutsch-Französischen Ausbildungszentrum TIGER in Le Cannes des Maures. Es ist mehr: Abschreckung und eben Notice-to-Effect, laut Alfons Mais die logische Konsequenz seit der Krim-Annexion.

Beispiel 2: In vier Jahren hat das Bundeskriminalamt (BKA) zusammen mit internationalen Partnern neun Takedowns durchgeführt. Emotet, Hydra Market, Chipmixer, Nemesis Market, Qakbot, Kingdom Market, Lockbit, Aegistool.PW und kürzlich die Operation Endgame. Süffisant, dass die Struktur eines globalen Ransomeware-Netzwerks dem hierarchischen Aufbau einer Behörde gleicht: Nebst CEO, Chief Financial Officer, den nachgeordneten Bereichen IT und Operations brauchen auch die Kriminellen eine Verwaltung, die sich um Vertragsmanagement mit Unterauftragnehmern kümmert, Trainings organisiert und erfolgreich Nachwuchs rekrutiert. Der Leiter der Abteilung Cybercrime im BKA, Carsten Meywirth , ist begeistert von der Leistungsfähigkeit seines Teams und seiner Behörde. Der Öffentliche Dienst in Deutschland taugt, es braucht nur mehr Kommunikation darüber.

Kehrblech und Handfeger

(BS) Nachdem Rouven Laur an den Folgen der Messerattacke in Mannheim gestorben ist, geht mal wieder ein Aufschrei durch die Republik. Wie können wir die Beamten besser schützen, sind die Strafen angemessen, wie gehen wir mit Migranten um, die Straftaten begehen? Das ist mehr als ermüdend, weil genau diese Fragen immer wieder gestellt werden und irgendwo im Nichts verhallen, wenn nur genug Zeit vergangen ist.

von Gerd Peter

In den 80er- und 90er-Jahren war die Polizei personell in der Lage, neben der Wahrnehmung außenveranlasster Einsätze und der notwendigen Schreibarbeit auch wirklich „Streife“ zu fahren. Sie konnte sich um Brennpunkte kümmern, auffällige Personen kontrollieren, kannte Treffpunkte und konnte ihnen buchstäblich auf die Füße treten. Die Aktivitäten der RAF hatten bundesweit dafür gesorgt, dass Polizeien personell massiv verstärkt

wurden, Kosten spielten keine Rolle!

Heute hat die Polizei einen besseren Ausbildungsstand als je zuvor, die Ausrüstung lässt kaum noch Wünsche offen. Allerdings sind die Aufgaben mehr geworden. Allein der Verwaltungsaufwand in den Polizeiwachen hat exorbitant zugenommen, die Fertigung schriftlicher Arbeiten nimmt immer mehr Zeit in Anspruch. Viele Datenerfassungen müssen schon bei der Anzeigenfertigung erledigt werden, also bei den Wachdiensten. Die Streifenwagenbesatzung fährt praktisch nur noch von Einsatz zu Einsatz und verbringt die restliche Zeit mit Schreibarbeit. Dabei wird die Anzeigenfertigung regelmäßig unterbrochen, weil der nächste Einsatz gefahren werden muss. Es gleicht dem Zusammenkehren eines Scherbenhaufens. Es bleiben kaum noch Freiräume, präventiv zu arbeiten. Dabei ist Gefahrenabwehr die erste Aufgabe der Polizei! Am Ende steht die Feststellung: zu wenig Personal. Ja, Personal kostet Geld – aber Sicherheit darf keine Frage der Kosten sein.

Halbes Leid

Behörden Spiegel: Wo setzen Sie an, um älteren Menschen digitale Teilhabe zu ermöglichen?

Lisa Paus: Die digitale Lebenswelt ist fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Vernetzung, digitale Services und Technologien haben das Potenzial, das Leben leichter zu machen. Mir ist wichtig, dass alle Menschen in Deutschland ohne Hürden daran teilhaben können. Mit über fünf Millionen Euro fördern wir deshalb in dieser Legislatur bundesweit Angebote vor Ort mit dem Ziel, digitale Kompetenzen älterer Menschen zu erhöhen. Mit dem „DigitalPakt Alter“ zeigen wir einerseits Älteren die Chancen der Digitalisierung auf und unterstützen sie, sich online gut zurechtzufinden. Andererseits bringen wir uns politisch so ein, dass bei der rasanten Weiterentwicklung der digitalen Lebenswelt auch die Bedarfe Älterer mitgedacht werden. Eine inklusive Digitalpolitik für Menschen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen zu gestalten, ist Gesellschaftspolitik, der sich mein Haus verschrieben hat.

Behörden Spiegel: Inwieweit berücksichtigen digitale Angebote von Behörden die Bedürfnisse von älteren Menschen und wo besteht Verbesserungsbedarf?

Paus: Der Öffentliche Dienst ist verpflichtet, Informationen ohne Hürden zugänglich zu machen, also Barrierearmut oder Barrierefreiheit im Netz sicherzustellen. Die Struktur der Seiten sollte für Bürgerinnen und Bürger, die eine Information oder Dienstleistung suchen, intuitiv und klar aufgebaut sein. Verständliche Sprache ist wichtig. Viele profitieren davon, dass der Text auch automatisch vorgelesen oder vergrößert werden kann. Klar ist allerdings: Wenn es um Verwaltungsakte der Behörden geht, müssen diese auch weiter

Im Auftaktworkshop im April wurde in Gruppenarbeit das Thema Demokratiebildung aus den Perspektiven „Demokratie lernen“, „Demokratie gestalten“, „Demokratisches Miteinander“ und „Demokratie erhalten“ beleuchtet. Dabei konzentrierte sich die erste Gruppe darauf, wie Auszubildende Demokratie als Konzept verstehen und in ihren Ausbildungsalltag integrieren können. Es wurde auch darüber gesprochen, wie man sich über politische Themen informieren und Fake News identifizieren kann. In der Gruppe „Demokratie gestalten“ wurde darüber diskutiert, wie Auszubildende aktiv an demokratischen Prozessen teilnehmen können – in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz. Die dritte Gruppe widmete sich der Frage nach der Möglichkeit, demokratische Werte im betrieblichen Alltag (vor­)zuleben und zu fördern. Dabei ging es um Mitbestimmung, Miteinander im Ausbildungsverhältnis und den Umgang mit antidemokratischen Haltungen. Zum Thema „Demokratie erhalten“ präsentierte die vierte Gruppe in einem Rollenspiel, was Demokratie gefährdet und wie man diesen Gefahren begegnet und die Demokratie stärken kann. Die zweite Veranstaltung brachte den Auszubildenden und Ausbildungsverantwortlichen das Demokratieprinzip in Artikel 20 unseres Grundgesetzes näher. Die Auszubildenden und Ausbildungsverantwortlichen befassten sich mit der Bedeutung von Wahlen in einer Demokratie und den Anforderungen, die das Grundgesetz an demokratische Wahlen stellt. Sollte es eine Wahlpflicht geben? Sollten junge Menschen frü­

Mehr Digitalisierung für alle

Wie ältere Menschen besser am digitalen Leben teilhaben können

(BS) Zwei Drittel der über 75-Jährigen fühlen sich häufig von digitalen Technologien überfordert – das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage von Bitkom Research. Eine Situation, die so nicht hinnehmbar ist. Im Interview erklärt Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wie Behördenleistungen aussehen müssen, damit ältere Menschen sich zurechtfinden. Außerdem spricht sie über die Erfolge des DigitalPakts Alter und lädt Kommunen ein, ihre Ideen zur digitalen Teilhabe zu teilen. Die Fragen stellte Ann Kathrin Herweg.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus lädt Kommunen und Landkreise ein, am Kommunenwettbewerb „Kommunal.Digital.Genial“ teilzunehmen. Der Wettbewerb ist neben dem DigitalPakt Alter eine neue Maßnahme, um digitale Teilhabe älterer Menschen zu verbessern. Foto: BS/Heidi Scherm Fotografie

höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen. Das ist wichtig, um Missbrauch entgegenzuwirken. Wir machen große Schritte beim Ausbau der digitalen Verwaltung des Bundes mit der BundID. Termine mit dem Bürgeramt online buchen, die Steuererklärung elektronisch abgeben, einen Pflegeantrag online stellen – all das geht bereits ohne den digitalen Personalausweis und spart Zeit und Wege. Möglichkeiten des Kontakts per Telefon, Post oder persönlich sowie Informationen und Formulare in gedruckter Form sind allerdings weiter unabdingbar, solange eine beträchtliche Zahl an Menschen derzeit noch Schwierigkeiten mit den digitalen Möglichkeiten hat.

Behörden Spiegel: Seit drei Jahren gibt es den DigitalPakt Alter. Was sind die größten Erfolge dieser Zeit und was sind die nächsten Schritte?

Paus: Der DigitalPakt Alter ist eine Initiative zur Stärkung älterer Menschen in der digitalen Welt. Mein Haus hat ihn mit der BAGSO – der Bundesarbeitsgemeinschaft für Seniorenorganisationen e. V. ins Leben gerufen. An aktuell 250 Erfahrungsorten sind mehrere Tausend ältere Ehrenamtliche aktiv, die Internet­Neulinge auf Augenhöhe zu unterstützen. Dass dieses Angebot für so viele einen Unterschied macht, ist der größte Erfolg: Bisher wurden Dank dieses großartigen

„Eine inklusive Digitalpolitik für Menschen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen zu gestalten, ist Gesellschaftspolitik, der sich mein Haus verschrieben hat.“

Engagements über 36.000 Ältere beim Kennenlernen der digitalen Lebenswelt begleitet.

Ein weiterer Erfolg des DigitalPakts Alter ist, dass er ein wachsendes Bündnis zur Förderung der digitalen Teilhabe Älterer zusammenbringt, das voneinander lernt und gemeinsam gestaltet. Meilensteine hier waren der Schulterschluss mit allen Bundesländern, aber auch mit wichtigen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Ein Schwerpunkt der kommenden Monate ist, möglichst viele Kommunen dafür zu gewinnen, die digitale Teilhabe ihrer älteren Bürgerinnen und Bürger zu fördern.

Behörden Spiegel: Aktuell läuft der Kommunenwettbewerb „Kommunal.Digital.Genial“. Worum geht es?

Demokratiebildung tut not!

Neue Veranstaltungsreihe erhöht Qualität der Ausbildung im BIBB (BS/Ralf Gerber) Um unter den Auszubildenden ein tieferes Verständnis für demokratische Werte und die Notwendigkeit von aktiver Beteiligung an demokratischen Prozessen und an der Übernahme von Verantwortung zu entwickeln, hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) auf Initiative von BIBB-Präsident Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser eine interne Veranstaltungsreihe zum Thema Demokratiebildung gestartet. Verteilt über das gesamte Jahr gibt es für die Auszubildenden und die Ausbildungsverantwortlichen Workshops und andere Veranstaltungsformate, an deren Konzeption und Realisierung viele Organisationseinheiten beteiligt sind. Ziel der Veranstaltungsreihe ist es, mit den Auszubildenden auf Augenhöhe über Demokratie zu sprechen, sie für die Thematik zu sensibilisieren und zu motivieren, selbst aktiv zu werden.

Über den Lehrplan hinaus: Im BIBB werden Auszubildende und Mitarbeitende in verschiedenen Workshops und Veranstaltungen für gesellschaftlich relevante Themen wie Demokratie und Vielfalt sensibilisiert.

her wahlberechtigt sein? Ist die FünfProzent­Hürde für Parteien gerecht?

Diese und andere Fragen rund um die Wahlgrundsätze, die in Artikel 38 Grundgesetz zu finden sind, wurden lebhaft miteinander diskutiert.

Anschließend ging es darum, wie sich die direkte und repräsentative Demokratie unterscheiden. Sollten die Bürgerinnen und Bürger mehr in einzelne politische Fragestellungen einbezogen werden? Welche Gründe sprechen für die direkte Demokratie und welche für die repräsentative? Im Austausch miteinander konnten

viele Vor­, aber auch Nachteile der beiden Demokratieformen herausgearbeitet werden. Eintauchen in die Praxis Anlässlich des Verfassungstages am 23. Mai 2024 diskutierten die BIBB­Auszubildenden dann in einem dritten Workshop über den demokratischen Prozess der Entwicklung von Ausbildungsordnungen. Solche Ordnungsverfahren basieren auf dem Konsensprinzip und sind ein Beispiel für partizipative Aushandlungsprozesse in der dualen Berufsbildung.

Paus: Es geht darum, dass die Kommunen ihren Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ein Angebot machen, besser am digitalen Leben teilzuhaben. Einige Kommunen haben z. B. virtuelle Beratungsbüros und Bürgerterminals eingerichtet oder gehen mit digitalen „Bürgerkoffern“ in Pflegeheime, um Formalitäten zu regeln. Mit dem Wettbewerb geht es einerseits darum, sich von den guten und sehr guten Ideen der anderen Kommunen inspirieren zu lassen: Wie machen die das, was funktioniert? Und natürlich wollen wir das Engagement der Kommunen würdigen, stärken und sichtbar machen. Mit dem Kommunenwettbewerb „Kommunal.Digital.Genial“ schaffen wir eine Bühne und eine Ideensammlung, um gemeinsam zu mehr Digitalisierung für alle zu kommen.

Behörden Spiegel: Wer kann am Wettbewerb teilnehmen?

Paus: Teilnahmeberechtigt sind ab sofort alle kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörige Gemeinden in Deutschland. Und die Teilnahme lohnt sich: Die Commerzbank­Stiftung stellt ein Preisgeld von 50.000 Euro für mehrere Preisträger zur Verfügung. Die Gewinner werden auf dem 14. Deutschen Seniorentag am 2. April 2025 in Mannheim vorgestellt und erhalten ein digitales Siegel als ausgezeichnete Kommune. Zudem freue ich mich, dort auch die Preise überreichen zu dürfen.

Ich lade alle Kommunen und Landkreise herzlich zur Teilnahme am Wettbewerb ein. Alle wichtigen Informationen gibt es im Netz unter www. digitalpakt-alter.de/wettbewerb.

ren Auszubildenden der Behörden des Ausbildungsverbundes Köln/ Bonn, Rhein­Main und Wiesbaden teilnehmen. Die Fahrt bietet den Nachwuchskräften die Möglichkeit, politische und geschichtsträchtige Einrichtungen in der Hauptstadt zu besuchen und mit anderen Auszubildenden und ihren Ausbildungsleitungen über Aspekte der Demokratie zu diskutieren. Die Höhepunkte der Veranstaltungsreihe finden zum Abschluss Eingang in eine Fachtagung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), die sich im Januar 2025 eingehend mit dem Thema Demokratiebildung in der beruflichen

Ralf Gerber ist Leiter des Referats „Personal, Ausbildungsleitung“ im BIBB und seit Anfang des Jahres auch Diversitätsbeauftragter.

Foto: BS/BIBB

Foto: BS/BIBB

In einem Rollenspiel lernten die Auszubildenden die Herausforderungen und rechtlichen Grundlagen ihrer Ausbildung kennen. Weitere Veranstaltungen, zum Beispiel zu „Kommunikation als Basis einer demokratischen Personalentwicklung“ und „Auswirkungen von Fake News“, folgen in Kürze. Darüber hinaus sind Workshops geplant, um die fachliche Arbeit des BIBB in den Kontext von Demokratiebildung einzuordnen. Hervorzuheben ist eine Fahrt nach Berlin im Juli, an der die BIBB­Auszubildenden neben ande­

Aus­ und Weiterbildung beschäftigen wird. Darüber hinaus werden Teile der Veranstaltungsreihe in die zukünftige Ausbildungspraxis im BIBB einfließen. Das BIBB zeigt mit der Veranstaltungsreihe zur Demokratiebildung vielfältige Beispiele auf, wie Unternehmen und Behörden ihre Auszubildenden für demokratische Prozesse und Werte sensibilisieren und aktiv in Entscheidungsfindungen einbinden können. Ziel ist es, das Engagement und die Verantwortungsbereitschaft der Auszubildenden zu fördern.

Im Öffentlichen Dienst ist der Fachkräftemangel besonders groß. Es fehlen mehr als 550.000 Beschäftigte. Dieser Mangel ist besonders in der Kommunalverwaltung sowie in Schulen, Kitas, der Polizei und der Steuerverwaltung zu spüren. Die Gründe für den Personalmangel sind vielfältig: Die Bevölkerung ist um fünf Prozent gewachsen, Reformen in der Sozial- und Steuerpolitik haben zu mehr Verwaltungsaufwand geführt und viele Beschäftigte gehen in den Ruhestand.

Hakan Demir ist SPD-Berichterstatter für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Innenausschuss des Deutschen Bundestages.

Foto: BS/Hakan Demir

Das neue Einwanderungsrecht kann hier helfen. Denn es erleichtert die Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt – vor allem für Menschen ohne Hochschulabschluss. Klar ist aber: Arbeitsmigration darf nie zu Ausbeutung führen. Qualifizierungspflichten, Gehaltsuntergrenzen, Tarifbindung und staatlich finanzierte Beratungsangebote ziehen sich durch das gesamte Gesetz. Fachkräftegewinnung muss fair verlaufen und am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft auf Akzeptanz und Unterstützung treffen. Hier hat der Öffentliche Dienst einen Vorteil bei der Personalgewinnung, da Tarifbindung die Regel ist.

Neue Instrumente seit dem 1. März Den größten Paradigmenwechsel bringt die sogenannte „Beschäftigung mit berufspraktischer Erfahrung“. Sie gilt für alle nicht reglementierten Berufe, also im

Vielfalt im Öffentlichen Dienst bedeutet, dass dort Menschen zusammenarbeiten, die sich in ganz verschiedenen Aspekten unterscheiden – zum Beispiel mit Blick auf Alter, Geschlecht und geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung, körperliche und geistige Fähigkeiten, soziale Herkunft, ethnische Herkunft und Nationalität, Religion und Weltanschauung. Dafür müssen wir sicherstellen, dass niemand aufgrund dieser Merkmale ausgegrenzt oder diskriminiert wird – weder bei der Einstellung noch wenn es um die Besetzung von Führungspositionen geht.

Vielfalt bringt Vorteile Für Vielfalt im Öffentlichen Dienst gibt es gute Gründe: Wenn Menschen aus diskriminierungsgefährdeten Gruppen Verantwortung für das Funktionieren unseres Staates übernehmen, dann stärkt das ihre Sichtbarkeit, Zugehörigkeit und Teilhabe – und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diverse Teams beflügeln innovative Lösungen, weil unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen zusammenkommen. Davon kann moderne Verwaltung enorm profitieren. Mag sein, dass die Kommunikation in einer Gruppe aus „Thomas“, „Christian“ und „Stefan“

Ekin Deligöz ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Foto: BS/Martin Ebert

Leichterer

Zugang zum Arbeitsmarkt

Was bringt das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz?

(BS/Hakan Demir) Eine zweijährige Ausbildung im Herkunftsland, viele Jahre Berufserfahrung, ein Job-Angebot mit Einkommen über 3.400 Euro, ein kommunaler Betrieb, der bei den Einreiseformalitäten unterstützt – man würde glauben, dass das reicht, um in Deutschland arbeiten zu können. Auch für Menschen aus Indien oder Ghana. Doch lange reichte all das nicht, um als dringend benötigte Fachkraft nach Deutschland kommen zu dürfen. Für Menschen von außerhalb der EU gab es hier schlicht keinen Aufenthaltstitel. Seit dem 1. März ist das Aufenthaltsrecht an dieser Stelle moderner. Denn die Ampel hat erkannt, dass das deutsche Einwanderungsrecht nicht mehr in allen Belangen zeitgemäß ist. Angesichts des demografischen Wandels braucht Deutschland eine jährliche Nettozuwanderung von 400.000 Arbeitskräften.

Handwerk, in der Gastronomie oder im Marketing. Für den öffentlichen Sektor kann diese Regelung für Ausbildungsberufe in der öffentlichen Daseinsvorsorge besonders relevant sein – etwa für staatliche Verkehrsbetriebe, Schwimmbäder oder kommunale Energieversorger. Eine zweijährige, staatlich anerkannte Ausbildung im Herkunftsland reicht jetzt aus, wenn man mindestens zwei Jahre relevante Berufserfahrung nachweisen kann und der erste Arbeitsvertrag über der vorgesehenen Gehaltsschwelle liegt (45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung, aktuell also knapp 3.400 Euro). Von der Gehaltsgrenze abgewichen werden kann nur bei Tarifbindung. Auf berufsbegleitende Qualifizierung ausgerichtet ist die Anerkennungspartnerschaft. Sie richtet sich an Menschen mit Qualifikationen, die noch nicht als gleichwertig anerkannt sind. Für die Anerkennung der Berufsqualifikation gibt es drei Jahre Zeit, in der Sprachund Fachkenntnisse vertieft werden können. Der Arbeitgeber leistet dabei enge Unterstützung. Während des kompletten Zeitraums kann die Person bereits Vollzeit im Betrieb eingesetzt werden. Das kann den Personalmangel in den Bereichen Pflege und Betreuung entschärfen, etwa in kommunalen Krankenhäu-

Insbesondere für Menschen ohne Hochschulabschluss soll durch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt leichter werden.

sern, Kitas oder Altenpflegeeinrichtungen. Der Öffentliche Dienst leidet besonders im IT-Bereich unter einem großen Fachkräftemangel. Bereits heute fehlen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene rund 39.000 Fachkräfte in Informatikund IT-Berufen. Hochgerechnet auf die Personallücke im Jahr 2030 fehlen dem Öffentlichen Dienst dann rund 140.000 IT-Fachkräfte. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurde die Gehaltsschwelle für IT-Fachkräfte gesenkt.

Foto: BS/hkama, stock.adobe.com

IT-Spezialistinnen und -Spezialisten können nun eine „Blaue Karte EU“ erhalten. Dafür müssen sie keinen Hochschulabschluss besitzen, aber mindestens drei Jahre vergleichbare Berufserfahrung nachweisen können. In diesem Fall gilt die niedrigere Gehaltsschwelle für Mangelberufe (45,3 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze, im Jahr 2024: ca. 41.000 Euro). Das macht die Anstellung auch in Einstiegsstellen möglich. Seit 1. Juni dieses Jahres gibt es außerdem die „Chancenkarte“, mit

Verwaltung braucht Vielfalt

Diversität bedeutet mehr als eine Frauenquote (BS/Ekin Deligöz) Warum ist es notwendig, über Diversität im Öffentlichen Dienst zu reden? Meine Gastvorlesung an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA) in Mannheim anlässlich des Diversity-Tages hat es mir deutlich gezeigt: Die junge Generation will in ihrer Vielfältigkeit sichtbar werden und sich dazu bekennen dürfen. Sie fordert Strukturen ein, die Vielfalt fördern und leitet damit auch einen Kulturwandel in den Arbeitsstätten ein.

zuweilen effektiver verläuft. Aber finden die drei auch eine gute Lösung, die für „Aysun“ passt? Vielfältige Perspektiven helfen, Diskriminierung zu verhindern und die Akzeptanz staatlichen Handelns zu erhöhen. Nicht zuletzt können wir es uns aufgrund des Fachkräftemangels einfach nicht leisten, auf Talente zu verzichten. Schon heute sind im Öffentlichen Dienst etwa 360.000 Stellen unbesetzt und bis 2030 wird etwa jede dritte derzeit im Öffentlichen Dienst beschäftigte Person in den Ruhestand gehen. Damit der Staat auch in Zukunft seine Aufgaben erfüllen und seine Ziele erreichen kann, muss der Öffentliche Dienst nicht nur ein guter Dienstleister, sondern auch ein attraktiver Arbeitgeber sein. Dafür ist Vielfalt längst ein entscheidender Faktor. Vielfalt ist kein Selbstläufer

Bis der Öffentliche Dienst die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt, ist noch einiges zu tun. Während zum Beispiel jede vierte Person in Deutschland einen Migrationshintergrund hat, sind es in der öffentlichen Verwaltung nur knapp zwölf Prozent. Diejenigen mit Migrationshintergrund, die es in den Öffentlichen Dienst schaffen, sind überproportional häufig befristet tätig und unterrepräsentiert im gehobenen Dienst. Auch dort, wo es

Fortschritte gibt, gilt es, genau hinzuschauen: Mit einem Frauenanteil von 55 Prozent in den Bundesbehörden scheint das Ziel bereits erreicht. Doch noch immer sind in fast allen Bundesministerien deutlich weniger Frauen als Männer in Führungspositionen tätig. Mit dem „Plan FüPo 2025“ arbeiten wir daran, bis 2025 Parität in den obersten Bundesbehörden zu erreichen.

Wie kommt Vielfalt ins Amt? Um Vielfalt in der Bundesverwaltung dauerhaft zu stärken, arbeitet die Bundesregierung an einer ganzheitlichen Diversitätsstrategie. Dabei nimmt sie die Bereiche Organisations- und Personalentwicklung, Personalgewinnung und Antidiskriminierung in den Blick. Wer fühlt sich ermutigt, sich auf eine Stelle zu bewerben? Haben alle Menschen faire Chancen im Auswahlprozess? Die Weichen für mehr Vielfalt werden schon im Bewerbungsprozess gestellt. Eine Pilotstudie im Rahmen des Förderprogrammes „Vielfalt im Amt“ macht Vorschläge, wie das gelingen kann –zum Beispiel durch eine Außendarstellung, die der Sorge vor Diskriminierung entgegenwirkt, oder durch das Hinterfragen vermeintlich objektiver Bewertungskriterien. Ein diversitätssensibles und diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld trägt dazu bei, dass gewonnene

der Menschen selbstfinanziert zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland kommen können. Sie steht ebenfalls Menschen mit zweijähriger Ausbildung offen, wenn sie im Rahmen eines Punktesystems weitere Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel Berufserfahrung oder Deutschkenntnisse nachweisen.

Eine aktive Willkommenskultur Damit Menschen sich für Deutschland entscheiden, brauchen wir eine aktive Willkommenskultur. Gleichzeitig muss auch das Wissen über mögliche Karrierewege vermittelt werden. Oft sind ausländische Fachkräfte nicht die ersten Ansprechpersonen, wenn es um Personalwerbung im öffentlichen Sektor geht. Das muss sich ändern. Auch der Öffentliche Dienst sollte bei der Personalgewinnung aktiv auf Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte zugehen. Denn trotz der Tatsache, dass Menschen mit Migrationshintergrund 23 Prozent der 25- bis 65-jährigen Gesamtbevölkerung ausmachen, liegt ihr Anteil in der öffentlichen Verwaltung bei nur etwa sechs Prozent. Zu guten Arbeitsbedingungen müssen auch gute Lebensbedingungen kommen. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns, Deutschland auch für alle zu einem Land zu machen, in dem man sicher lebt und bleiben will. Schwarze Menschen erfahren in keinem anderen EU-Staat so häufig Rassismus wie in Deutschland. Die Deportationspläne der AfD haben viele Menschen nachhaltig verunsichert. Die aktuelle Demokratiebewegung zeigt aber auch, dass weite Teile der Gesellschaft es als ihre Aufgabe sehen, Demokratie und Menschenwürde für alle in unserem Land zu verteidigen. Auch für die diejenigen, die neu dazukommen.

Vielfalt auch im Amt bleibt. Dabei helfen Maßnahmen wie verbindliche Fortbildungen oder die Unterstützung von Netzwerkarbeit – vorausgesetzt, sie sind den Beschäftigten bekannt. Hier gibt es Luft nach oben, wie eine Studie von McKinsey & Company (2022) zeigt: 55 Prozent der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und in staatlichen Institutionen scheinen keine genaue Kenntnis darüber zu haben, was der eigene Arbeitgeber zur Förderung von Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz tut. Vielfalt braucht Mut und engagierte Wegbereiter – so wie die Studierenden in Mannheim, die den Thementag Diversität einfordert und organisiert haben. Ihnen ist bewusst: Gerade der Öffentliche Dienst muss mit gutem Beispiel vorangehen. Denn Behörden und öffentliche Institutionen sind nicht nur Garant für die Sicherstellung von Rechten der Bürgerinnen und Bürger, sie geben dem Staat auch ein Gesicht. Wir alle profitieren davon, wenn sich möglichst viele Menschen in diesem Gesicht wiedererkennen.

Von diversen Teams profitieren alle Seiten: Sie können intern unterschiedliche Blickwinkel zusammenbringen und nach außen die Akzeptanz für staatliches Handeln steigern. Foto:

Wirtschaftsunternehmen haben zum Ziel, ihre Prozesse effizient durchzuführen. Damit garantieren sie ihren Kunden eine gleichbleibende Qualität. Dieser Anspruch gilt auch für Behörden. Aus diesem Grund hat das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) vor rund einem Jahr ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) nach ISO-Norm 9001:2015 eingeführt. Seit dem 28.März 2023 ist das BKG zertifiziert. Zentrale Bestandteile dieser ISO-Norm sind:

• die Beschreibung der Geschäftsprozesse sowie • die Überwachung der Prozesse anhand von definierten Kennzahlen.

Durch die transparente Beschreibung der Prozesse herrscht ein einheitliches Prozessverständnis. Jeder Prozess mit seinen Abläufen und Produkten liegt in der Verantwortung einer bestimmten Organisationseinheit. Die Zuständigkeiten sind somit klar festgelegt. Die Dokumentation des QMS wird fortlaufend aktualisiert. Zur Dokumentation gehören neben den Prozessbeschreibungen auch die Betrachtung der Chancen und Risiken, der Verbesserungspotenziale und die Definition von Kennzahlen.

Prozesse in der Krise

Qualitätsmanagement und Business Continuity Management

(BS/Jeanette Kretz/Sophie Lücken) Ob Stromausfall oder Hackerangriff: Behörden müssen auch auf solche Krisensituationen vorbereitet sein. Das Qualitätsmanagementsystem ist eine gute Grundlage für die Einführung eines Business Continuity Managementsystems. Es definiert Prozesse und Zuständigkeiten und schafft einen transparenten Überblick. Zeitkritische Prozesse werden mittels angemessener und wirksamer Notfallvorsorgemaßnahmen und einer Notfallplanung abgesichert, sodass sie schnellstmöglich wieder zur Verfügung stehen.

Die zeitkritischen Prozesse werden mittels einer Business-Impact-Analyse (BIA) ermittelt. Hier kommt der Vorteil eines Qualitätsmanagements ins Spiel: Die für eine BIA benötigte Datengrundlage, wie etwa Prozessdefinitionen, Prozessabhängigkeiten und Ressourcen, liegt durch die Einführung des QMS bereits vor.

Definition Managementsystem

„Ein Managementsystem umfasst alle Regelungen, die für die Steuerung und Lenkung einer Institution sorgen und letztlich zur Zielerreichung führen sollen“ (BSI-Standard 200-1, S. 15). „Für jedes Managementsystem gilt es, die gesteckten Ziele effektiv und effizient zu erreichen und die sich stetig verändernden Rahmenbedingungen und Anforderungen der Institution zu berücksichtigen“ (BSI-Standard 200-4. S. 23)

Somit ist schnell ersichtlich, welche Prozesse bei einem Ausfall zu einem kritischen Schaden führen können. Zudem ist absehbar, wie sich ein Prozessausfall dominoartig durch die Prozesslandschaft bewegen würde. Auf dieser Datengrundlage kann das BKG sowohl die zeitkritischen Prozesse als auch deren zuliefernde Prozesse und benötigten Ressourcen absichern.

Die durch das QMS bereitgestellte Datengrundlage wird nicht nur vom BCMS genutzt. Auch andere wichtige Managementsysteme wie das der Informationssicherheit greifen darauf zurück. Dadurch werden die Ergebnisse der verschiedenen Analysen vergleichbar.

Wenn mal etwas nicht so „rund“ läuft, fällt das spätestens bei der Kennzahlenauswertung auf: Sobald Kennzahlen im roten Bereich sind, muss gehandelt werden. Jetzt heißt es, Prozesse und Rahmenbedingungen genauer unter die Lupe zu nehmen. In der Folge können die Prozessabläufe effizienter gestaltet und an neue Herausforderungen angepasst werden. Die Gründe, die zu Verzögerungen im Prozessablauf oder gar zu Prozessausfällen führen können, sind

vielfältig. Im Wesentlichen lassen Sie sich jedoch immer auf den Ausfall von essenzieller IT (z. B. Cyberangriff), Personal (z. B. Pandemie oder Ausfall von Schlüsselpersonal), Dienstleistungen (z. B. Lieferkettenausfall) oder dem Gebäude (durch z. B. Stromausfälle) zurückführen. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil des QMS: Es dient als Grundlage für die Einführung eines Business Continuity Managementsystems (BCMS). Mit einem angemessenen BCMS können sich Behörden wirksam auf Notfälle vorbereiten. Das BCMS ist somit ein wichtiger Baustein für die Resilienz einer

Jeanette Kretz (links) ist Beauftragte für Qualitätsmanagement und Sophie Lücken (rechts) BCM-Beauftragte im BKG. Fotos: BS/privat

Die öffentliche Verwaltung in Deutschland steht unter Druck: Mit Verabschiedung des Onlinezugangsgesetzes erwarten die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen, dass behördliche Prozesse digital und damit deutlich schneller und effizienter abgewickelt werden als bisher. Doch gegenwärtig sind im Schnitt gerade einmal 175 Leistungen via Onlineservice digital zugänglich –400 weniger als geplant. Vielerorts werden die meisten Verwaltungsvorgänge noch umständlich und zeitaufwendig manuell bearbeitet. Das bedeutet nicht nur Mehrarbeit, auch die Bearbeitungszeit ist oft fast unzumutbar lang. Allein bei BAföG-Anträgen sind es im Schnitt fünf Monate.

Dazu gesellt sich der akute Personalmangel, den der demografische Wandel weiter verschärfen wird. Bis 2030 fehlten rund eine Million

Organisation. In Not- und Krisensituationen müssen Behörden ihren Geschäftsbetrieb weiter aufrechterhalten. Mit Hilfe eines BCMS können Behörden sich im Falle von Schadensereignisses vor deren negativen Auswirkungen auf ihre Prozesse schützen. Manchmal ist eine komplette Aufrechterhaltung jedoch nicht möglich. Dann stellt der durch das BCMS vorbereitete Notbetrieb sicher, dass der Geschäftsbetrieb nach einem Ausfall strukturiert und in angemessener Zeit fortgeführt wird.

Für alle (Not-)Fälle ein BCMS Um diese Ziele zu erreichen, ermittelt das BKG seine zeitkritischen Prozesse und führt Notfallvorsorgemaßnahmen sowie Notfallpläne zur Absicherung dieser Prozesse ein. Zeitkritisch sind solche Prozesse, deren Ausfall in einem kurzen Zeitraum nicht tolerierbare Schäden für das BKG verursacht. Das BCMS ermöglicht dem BKG, in

einem Not- oder Krisenfall die zeitkritischen Prozesse schnell wieder anlaufen zu lassen, in einem vorab definierten Notbetrieb fortzuführen sowie schnellstmöglich durch Wiederherstellungsmaßnahmen in den Normalbetrieb zurückzukehren. In diesem Rahmen hat das BKG eine BCM-Vorsorgeorganisation für den Regelbetrieb und eine BCM-Bewältigungsorganisation für Not- und Krisenfälle eingeführt, welche die Maßnahmen und Pläne zur Notfallvorsorge wie auch zur Bewältigung erstellt, übt und umsetzt.

Ein gutes Zusammenspiel

Ein bereits vorhandenes QMS erleichtert den Aufbau eines BCMS. Im Rahmen des BCMS wird auf bereits festgelegte Prozesse und Zuständigkeiten zurückgegriffen, die regelmäßig aktualisiert werden. Dies ist besonders wichtig für die Ermittlung von zeitkritischen Prozessen sowie deren Prozess- und Ressourcenabhängigkeiten untereinander.

KI-gestützte Automatisierung

Vereinfachung und Beschleunigung der Behördenprozesse

(BS/Mark Borgmann*) Die öffentliche Verwaltung steht vor einem Dilemma: Sie muss ihre Services und Leistungen schneller und effizienter machen – trotz akuten Personalmangels. Möglich macht das eine intelligente, KI-gestützte Automatisierung.

Vollzeitkräfte, prognostiziert PwC Deutschland. Im Justizbereich ist die Lage schon heute dramatisch. Über 900.000 Verfahren seien 2023 unerledigt geblieben, klagt der Deutsche Richterbund.

Teufelskreis manueller Prozesse wird durchbrochen Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen und das Personal zu entlasten, gilt es, das Optimierungspotenzial zu heben, das in den Verwaltungsprozessen schlummert. Eine intelligente, roboter- und KIgestützte End-to-End-Automatisierung wie sie UiPath ermöglicht, ist

dafür das Mittel der Wahl und zugleich eine wichtige Voraussetzung, um digitale Behördendienste voranzubringen. Sie unterstützt Behörden dabei, repetitive Abläufe und Standardfälle zu vereinfachen, zu beschleunigen und effizienter und transparenter zu machen. Dem Verwaltungspersonal bleibt so mehr Zeit für die Bearbeitung von Sonder- bzw. Härtefällen und auch der Fachkräftemangel lässt sich zu einem gewissen Grad abfedern. Da die Softwareroboter ihre Dienste automatisch und damit unsichtbar im Hintergrund verrichten, entfallen zudem teure Anwenderschulungen

für zusätzliche Software – ein weiterer großer Pluspunkt. Man denke nur an die Berechnung von Gebühren für den Krippen-, Kindergarten- oder Hortbesuch. Eine intelligente Dokumentenverarbeitung (Intelligent Document Processing), zum Beispiel von UiPath, kann diese innerhalb kürzester Zeit ermitteln. Ein Softwareroboter fordert dabei die nötigen Einkommensunterlagen von den Eltern via Mail an, extrahiert nach Eingang der Dokumente (als PDF-Datei per Mail oder in Papierform per Post) daraus die relevanten Daten, überträgt sie in das Erfassungssystem

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einführung eines QMS mehr Transparenz und Effizienz schafft und dadurch zwar keine Voraussetzung für die Einführung eines BCMS ist, dies jedoch erheblich erleichtert. Die beiden Managementsysteme sorgen dafür, dass das BKG sowohl im Regelbetrieb optimal funktioniert als auch auf Notfallsituationen gut vorbereitet und dann weiter funktionstüchtig ist.

und errechnet die Gebühren. Da das Ganze vollautomatisch geschieht, erhält der/die Sachbearbeiter/-in sehr schnell eine Entscheidungsvorlage, nach deren Verifizierung der Bescheid sofort ausgestellt und versendet werden kann. Auch das übernimmt der Roboter.

Ganz ähnlich bei der Justiz: Da, wo KI-gestützte Bots Vorgänge wie die Übertragung von Daten aus Dokumenten in eine Fachanwendung oder die Kostenfestsetzung in einem Standardfall bei einer Zivilsache sekundenschnell sowie rechts- und verfassungskonform erledigen, bleibt mehr Zeit für komplexere Aufgaben wie die Bearbeitung von Verfahren. Das zeigt: Der Mehrwert von Prozessautomatisierung in Behörden ist enorm. Es ist an der Zeit, sie anzugehen.

* Mark Borgmann ist Regional Vice President bei UiPath.

Auch ein optimaler Prozess hilft im Notfall nicht, wenn kein Plan besteht

Die aus dem Bundesinnenministerium stammende, im April in Kraft getretene Dienstrechtsnovelle ist von dem Gedanken geleitet, die disziplinarrechtliche Ahndung extremistischer Handlungen spürbar zu beschleunigen. Dies soll dadurch erreicht werden, dass die statusrelevanten Maßnahmen – Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und Zurückstufung – nicht länger im Wege der Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erwirkt werden müssen. Vielmehr sind sie – ebenso wie Verweis, Geldbuße oder Kürzung der Dienstbezüge –nunmehr durch Disziplinarverfügung auszusprechen. Damit folgt man dem Vorbild Baden-Württembergs, das diese Vorgehensweise bereits vor über zehn Jahren im Landesrecht etabliert hat. Rechtlich ist diese gesetzessystematische Änderung wohl nicht zu beanstanden, doch fragt sich, ob damit tatsächlich eine Beschleunigung erreicht werden kann.

Extraschleife durch die Behörde Zunächst besitzt das Faktum, dass bisher kein anderes Bundesland diesen Ansatz übernommen hat, eine gewisse Aussagekraft. Der Gesetzentwurf selbst konstatiert, dass ein schnellerer Abschluss des Verfahrens lediglich „möglich“ sei, insbesondere dann, wenn sich die betroffene Person nicht gegen die Maßnahme zur Wehr setzt. Andernfalls steigt die Gesamtverfahrensdauer wahrscheinlich sogar an. Im Vergleich: Bisher wurde im Fall von Zurückstufung und Entfernung aus dem Beamtenverhältnis das behördliche Disziplinarverfahren mit Erhebung der Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht beendet.

Prozessoptimierung

Neues Disziplinarrecht im Bund

Beschleunigte Entfernung von Verfassungsfeinden aus dem Staatsdienst?

(BS/Prof. Dr. Harald Bretschneider) Im Rahmen einer bundesweiten Großrazzia im Dezember 2022 wurden 150 Objekte durchsucht und 25 Personen aus der sogenannten Reichsbürgerszene festgenommen. Darunter ein ehemaliger Offizier der Bundeswehr sowie ein im aktiven Dienst stehender Beamter der niedersächsischen Landespolizei. Um dem Phänomen von Verfassungsfeinden im Staatsdienst effektiv begegnen zu können, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser bereits zuvor einen „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ vorgestellt und nur wenige Tage nach den Durchsuchungen eine Neuaufstellung des Disziplinarrechts angekündigt, bei der Bedienstete nur mittels Verwaltungsakt aus dem Dienst entfernt werden können.

Prof. Dr. Harald

Bretschneider lehrt an der Hochschule des Bundes am Fachbereich Bundespolizei in Lübeck. Foto: BS/privat

D. h. das gerichtliche Verfahren schloss sich unmittelbar an. Nach neuem Recht endet das behördliche Verfahren hingegen mit einem Verwaltungsakt, gegen den der Widerspruch das statthafte Rechtsmittel darstellt. Die Behörde muss also zunächst in einem gesonderten Verfahren ihr eigenes Handeln überprüfen. Erst nach Abschluss dieses Verfahrens durch Widerspruchsbescheid können die betroffenen Beamtinnen und Beamten vor dem Verwaltungsgericht klagen.

Aus finanzieller Sicht

Die Hoffnung des Gesetzgebers, dass betroffene Beamtinnen und Beamte die verfügte Maßnahme akzeptieren werden, nährt sich dadurch, dass das neue Recht ihnen keine finanziellen Fehlanreize für das Beschreiten des Rechtswegs

Wie Kommunen profitieren

Der Nutzen von verwaltungsübergreifenden Kooperationen

(BS/Hendrik Woltering*) Die Herausforderungen von Verwaltungen bei Themen der prozessorientierten Digitalisierung ähneln sich: Wachsende Arbeitsverdichtung, Fachkräftemangel und Wissensmanagement verlangen nach knapp bemessenen Ressourcen wie Zeit, Personal und Geld. Verwaltungsübergreifende Kooperationen helfen, Ressourcen zu bündeln und schaffen ein gemeinsames Prozessmanagement-Grundgerüst.

Es gibt viele Parallelen bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben, diese sollte man aktiv nutzen. Das dachte sich der Zweckverband infokom Gütersloh. Bereits 2019 schlossen sich 12 Mitgliedskommunen, darunter Rheda-Wiedenbrück und Versmold, zusammen, um ein interkommunales Prozessmanagement aufzubauen.

Personalkapazität schaffen „Kleine Kommunen haben über 1.000 Prozesse, die betrachtet werden müssen. Viele wollen sich aktiv mit Prozessmanagement und Digitalisierung beschäftigen, es fehlt aber gerade bei kleinen Kommunen an personellen Ressourcen“, erläutern Jennifer Wehmöller und Marie-Sophie Sirges, Prozessmanagerinnen bei der Stadt Versmold. Den Nutzen erkennen „Unser Treiberthema für die Teilnahme am Projekt war wie bei vielen Behörden die Digitalisierung. Uns war klar, dass wir erst Prozesse erfassen, analysieren und optimieren wollten. Gerade beim Thema Digitalisierung ergeben sich durch die Prozessaufnahme schon Optimierungen“, erläutert Daniel Wiens, Digitalisierungsbeauftragter der Stadt Rheda-Wiedenbrück. Dank gemeinsamer Prozessaufnahmen ist ein interkommunales Prozessregister entstanden. Die dort hinterlegten Prozesse werden anderen Kommunen zur Verfügung gestellt.

Auch wenn der Nutzen von Prozessmanagement in der Fachebene bekannt ist, kann es vorkommen, dass das Führungspersonal zunächst nicht überzeugt ist. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben das Projekt daher mit initiiert. Zudem organisierte die PICTURE GmbH Informationsveranstaltungen für Führungskräfte, um frühzeitig Fragen und Bedenken zu klären.

Mitarbeitende motivieren Nach den Führungskräften galt es, die Mitarbeitenden zu motivieren. Die strukturierte Begleitung durch die PICTURE GmbH und der monatliche Austausch sorgten dafür, dass die Beteiligten dranbleiben. Mittlerweile sind verschiedene Teile der Belegschaft in das Projekt eingebunden und arbeiten eigenständig an der Optimierung ihrer Prozesse.

„Für den weiteren Projektablauf wollen wir die Fachebenen verwaltungsübergreifend noch enger untereinander vernetzen.“, erklärt Oliver Blanke vom Zweckverband infokom Gütersloh das weitere Projektvorgehen.

Deutschlandweit laufen sechs behördenübergreifende Verbundprojekte mit über 100 Behörden.

Interessiert? Schreiben Sie uns: kundenbetreuung@picture-gmbh.de

*Hendrik Woltering ist Teamleiter Beratung bei der PICTURE GmbH.

Das neue Disziplinarrecht soll Verfahren gegen Verfassungsfeinde beschleunigen. Tatsächlich könnte aber das Gegenteil der Fall sein. Foto: BS/BillionPhotos.com, stock.adobe.com

mehr geben soll. Zwar konnten auch schon bisher die Bezüge ab dem Zeitpunkt der Einleitung eines behördlichen Disziplinarverfahrens gekürzt werden. Grundsätzlich aber wurden die betroffenen Beamtinnen und Beamten bis zur Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils weiter alimentiert. Eine Pflicht zur Rückzahlung bestand nicht. In der Gesamtschau konnte es sich damit sogar dann finanziell lohnen, die Möglichkeiten des Rechtsschutzes auszuschöpfen und das Verfahren in die Länge zu ziehen, wenn in der Sache keine Aussicht auf Erfolg bestand. Nunmehr ist vorgesehen, dass die Bezüge, die nach der Zustellung der Disziplinarverfügung ausgezahlt werden, im Fall der

Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils zurückzuzahlen sind. Wenn man also damit rechnen muss, dass der Dienstherr in einer verwaltungsrechtlichen Auseinandersetzung obsiegen wird, soll es – jedenfalls aus finanzieller Sicht – keinen Sinn mehr machen, gegen die behördliche Verfügung vorzugehen. Diese Regelung begegnet jedoch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch in tatsächlicher Hinsicht wird die Rückzahlungsverpflichtung aufgrund von Pfändungsfreigrenzen etc. betragsmäßig oftmals so gering ausfallen, dass sie Beamtinnen und Beamte wohl nicht davon abgehalten wird, Rechtsmittel einzulegen.

Ein vorrangig politisches Zeichen setzt der Gesetzgeber, indem er in die Straftatenkataloge der Paragrafen 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG und 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG, die den sogenannten Verlust der Beamtenrechte regeln, den Straftatbestand der Volksverhetzung nach Paragraf 130 StGB aufnimmt. Dies hat zur Folge, dass das Beamtenverhältnis bereits mit Rechtskraft eines Strafurteils, in dem eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verhängt wird, endet und nicht wie bisher ab einer Verurteilung zu einem Jahr. Die praktische Relevanz dieser Ergänzung ist als eher gering einzuschätzen. Im Kontext von Straftaten, die sich gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sowie der Bundesländer richten, wird es nämlich regelmäßig zu Verurteilungen von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe kommen. Rechtstheoretisch macht die Ergänzung dennoch Sinn, zumal den aufgeführten Straftatbeständen gemein ist, dass sie das Grundvertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Beamtenschaft beeinträchtigen. Die eingangs erwähnte Großrazzia stellte die Basis für den kürzlich gestarteten Prozess gegen die Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main dar. Im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung – u. a. wegen der Vorbereitung eines hochverrätischen Unternehmens –müssen die Staatsdiener unter den Angeklagten wohl mit einem unmittelbaren Verlust ihrer Beamtenrechte rechnen. Einer gesonderten disziplinarrechtlichen Entscheidungen bedarf es in diesen Fällen dann nicht mehr.

Zukunftsfit durch intelligente Automatisierung

Done! on Fabasoft eGov steigert die Servicequalität der Behörden

Die öffentliche Verwaltung steht aktuell vor zahlreichen Herausforderungen. Bürgerinnen und Bürger erwarten von den Behörden digitale Dienstleistungen, die einfach, schnell und effizient sind. Das erfordert jedoch Investitionen in neue Technologien und die Anpassung von Arbeitsabläufen. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der auch im Öffentlichen Dienst deutlich zu spüren ist. Aufgrund des demografischen Wandels fehlt oftmals qualifiziertes Personal mit den notwendigen IT-Kenntnissen und Erfahrungen.

Mit Done! on Fabasoft eGov können Behörden durch intelligente Funktionen sowie KI-gestützte Automatisierungen ihre Prozesse und folglich Projekte wesentlich beschleunigen. Die effiziente und optimierte Bearbeitung von Geschäftsfällen führt zu gesteigerter Zufriedenheit sowie verbesserter Servicequalität. Zudem kann die öffentliche Hand durch den Einsatz intelligenter Technologien ihre Attraktivität als zukunftsorientierter Arbeitgeber steigern.

Know-how nutzen und Beschäftigte entlasten Vorhandenes Wissen und Daten lassen sich durch die Verwendung von Done! on Fabasoft eGov einfach weitergeben und nutzen. Das Feedback der Nutzerinnen und Nutzer verbessert die Genauigkeit der Vorschläge und erhöht

den Automatisierungsgrad in Behörden. Mit der Anwendung von Done! on Fabasoft eGov übernehmen KI-gestützte Automatisierungen manuelle und repetitive Aufgaben und fungieren als digitaler Zwilling der Angestellten. Dies entlastet die Beschäftigten im Arbeitsalltag erheblich, da sie mehr Zeit haben, sich auf wesentliche inhaltliche Tätigkeiten zu konzentrieren, die ihre fachliche Expertise erfordern.

Einsatz des digitalen Zwillings entlang des gesamten Workflows Der digitale Zwilling agiert bei der Bearbeitung von standardisierten Verfahren während des gesamten Workflows als Stellvertretung der Beschäftigten. Done! on Fabasoft eGov erkennt und klassifiziert eingehende Dokumente automatisch, extrahiert

relevante Metadaten und befüllt Formularfelder. Die intelligente Automatisierung übernimmt die Zuordnung zu Geschäftsfällen, erstellt neue Akten und identifiziert anhand spezifischer Regeln hinterlegte Vorlagen, um Prozesse zu starten und mitunter vollständig abzuarbeiten sowie Ausgangsdokumente bei Bedarf direkt zu versenden. Zur Nachvollziehbarkeit aller Geschäftsfälle dokumentiert Done! on Fabasoft eGov lückenlos jeden Arbeitsschritt im gesamten Prozess. Sie wollen mehr über Done! on Fabasoft eGov erfahren und Ihren Use Case besprechen? Schreiben Sie gerne eine Mail an done!@ fabasoft.com und erfahren Sie, wie Sie mit dem Einsatz von KIgestützten Automatisierungen das volle Potenzial in Ihrer Behörde entfalten können.

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Das macht der neue Kollege

Mit Hilfe von KI Prozesse optimieren (BS/sl/sr) Vielleicht sitzen Bürgerinnen und Bürger in ein paar Jahren bei ihrem Termin im Bürgeramt tatsächlich vor einem Roboter anstatt direkt vor einem Beamten. Der neue Kollege KI begleitet die Antragsteller dann durch Eingabe. Das ist aber nur ein Beispiel von Datenerfassungsprozessen, die KI optimieren kann. Sollten dabei Probleme oder Schwierigkeiten auftreten, springt ein Mensch ein.

Sie können als Recherchetool dienen, Texte zusammenfassen oder Arbeitslast abnehmen. Ein Beispiel für diese Prozessoptimierung ist der Chatbot Sophia in Hessen, der Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen rund um die Uhr Fragen zu Verwaltungsleistungen beantworten kann. Am Wochenende oder nach Feierabend ist der Chatbot verfügbar und nebenbei sammelt er für die Landesregierung Erkenntnisse über den Umgang mit Chatbots.

Auch die Bundesregierung ist dabei, den Einsatz eines Chatbots zur Optimierung der internen und externen Kommunikation zu verbessern. Sie verfolgt das Ziel, dass der Chatbot dabei hilft, das Verwaltungsportal Bund zu bedienen und mit durch dessen Angebote zu führen. Nutzerinnen und Nutzer werden im Dialog zu den Inhalten geleitet, die sie interessieren. Dank Machine-Learning ist der Bot in der Lage, im Dialog mehr über seine Nutzergruppe zu lernen und immer besser auf diese einzugehen.

Dokumentenmanagment

„Das ist aber längst noch nicht alles, wenn es darum geht, wie KI die Prozesse von Verwaltungen verbessern kann", konstatiert Christian Schachtner, Professor für Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Digitalisierung in der Verwaltung. Das Feld der Einsatzmöglichkeiten erweitert sich stetig und bie-

tet neben Chatbots, die lediglich Fragen beantworten, auch andere Einsatzgebiete. So können Prozesse wie das Dokumentenmanagement und die Analyse von Daten deutlich vereinfacht werden. KI kann bei der Erfassung, Verwaltung und Weiterleitung von Dokumenten helfen und zeitgleich die Daten dieser Anträge auswerten, analysieren und auch bei ihrer Bearbeitung helfen –Prozessschritte, die analog nur nacheinander durchgeführt werden können.

Das Analysieren, aber auch das Sammeln von Daten sind zwei weitere Stichworte, welche besonders im Zusammenhang mit Smart-City-Projekten und sogenannten digitalen Zwillingen eine wichtige Rolle spielen. Hier können KI-Systeme mittels Drohnen und Kameratechnik aktuelle Daten aus der Kommune sammeln und beispielsweise die Verwaltung von Grünflächen erleichtern. Denn die KI kann mittels der gesammelten Bilder berechnen, wie hoch das Gras oder wie trocken der Boden ist. Somit kann die Bearbeitung der Fläche effektiver geplant und durchgeführt werden. Doch aus rechtlicher Sicht muss man bei der Arbeit mit KI einiges

beachten, wie Prof. Dr. Manuel J. Heinemann von der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Altenholz, erklärt. Es beginne bereits beim prompten, hier dürften keine laufenden Verfahren abgefragt oder einbezogen werden und es müsse der Datenschutz berücksichtigt werden und dürfe somit keine personenbezogenen Daten enthalten. Auch die Verarbeitung von Daten durch einen Chatbot könne Risiken beinhalten, denn eine KI sei wie eine Blackbox: Es fehle die Nachvollziehbarkeit in der Zusammenstellung des Ergebnisses.

Zusätzlich könnte sich diskriminierende Sprache oder Beleidigungen einschleichen, warnt Heinemann. Im schlimmsten Falle könnten sich auch Fehler einschleichen, in Form von Falschinformationen oder durch die Weitergabe von Daten an Unberechtigte. Somit ist die Arbeit eines KI-gesteuerten Chatbots mit Vorsicht zu genießen und im Idealfall noch einmal zu kontrollieren, damit nicht unbemerkt problematische Inhalte entstehen – wobei dies natürlich sowohl für Behörden als auch für Privatpersonen und Firmen gilt.

Verwaltungssteuerung

Berlins Geschäftsprozessoptimierung

(BS/sr) Besonders in Deutschlands bevölkerungsreichster Stadt ist der Verwaltungsapparat groß und Anzahl sowie Vielfalt der durchzuführenden Prozesse spiegeln diese Dimensionen der wider. Um in einem solchen System unnötige Arbeit zu minimieren, braucht es eine gute Digitalisierung und eine schnelle Prozessoptimierung. Dazu hat der Berliner Senat Gesetze und Hilfsmittel wie die Prozessbibliothek ins Leben gerufen.

Im Zusammenhang mit der Einsichtnahme in den Prüfbericht des Berliner Rechnungshofs ermahnte, der Unterausschuss Haushaltskontrolle den Senat an, auf die Umsetzung einer Prozessoptimierung zu achten. Die Verbindlichkeit der gesamtstädtischen Steuerungsmaßnahmen zum Geschäftsprozessmanagement (GPM) ergibt sich unmittelbar aus dem Berliner E-Government-Gesetz. Dort heißt es, dass die Dokumentation, Analyse und Optimierung von Verwaltungsabläufen „unter Einhaltung der Vorgaben der zentralen IKT-Steuerung“ vorzunehmen sind. Genauere Vorgaben für ein GPM finden Prozessverantwortliche dabei im „Handbuch zum Geschäftsprozessmanagement im Land Berlin“. In den kommenden Jahren soll zudem der Aspekt der Verwaltungssteuerung noch ausgebaut werden.

Prozessbibliothek als Anlaufpunkt Als fester Bestandteil einer Prozess- optimierung oder -darstellung in Berlin ist die Prozessbibliothek für Mitgliedern der Berliner Verwaltung ein Hilfsmittel.

Insgesamt muss jeder in der Bibliothek veröffentlichte „Berliner Standardprozess“ dabei auf Grundlage der Modellierungskonvention erstellt, durch die Landesredaktion Prozesse methodisch sowie durch die prozessverantwortlichen Personen fachlich freigegeben sein. Da die Prozessbib-

liothek online frei zugängllich ist, hat auch jede Bürgerin und jeder Bürger die Möglichkeit, sich über spezifische Abläufe zu informieren. Sofern diese hinterlegt sind.

Ausbau des GPM

Das GPM selbst wird in den kommenden Jahren durch die Senatskanzlei zu einem integralen Bestandteil der Verwaltungssteuerung ausgebaut. Die bisherige Funktion des GPM, nämlich die Vorbereitung von Digitalisierungsprojekten, wird um den Aspekt des evidenzbasierten Verwaltungshandelns erweitert und GPM soll nun unter anderem auch auf der Grundlage gesamtstädtischer Zielvereinbarungsprozesse betrieben werden.

Mit der Verbindung aus GPM und den Zielvereinbarungen zu einem Komplex der nachhaltigen Verwaltungssteuerung wird das Potenzial des GPM auch abseits des Digitalisierungskontextes sichtbar. Prozessverantwortliche Personen erhalten durch die gesteigerte Datenqualität und -quantität die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Handlungsgrundlagen nachzuweisen. Diese Einsatzfelder des GPM fließen in eine Evaluation des Personalbedarfs sowie die Stellenbewertung für GPM-Beratungskräfte ein. Diese Evaluation bettet sich in weitere Maßnahmen zur Fortentwicklung des GPM im Land Berlin ein.

Digitale Prozesse für die Verwaltung von morgen

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Auch wenn das Phänomen Chatbot bei Weitem nicht mehr neu ist, kann es Prozesse in der Verwaltung optimieren. Foto: BS/Ai Studio, stock.adobe.com
Durch die Prozessbibliothek können auch die Berliner Bürgerinnen und Bürger nachvolziehen, wie komplex oder simpel einzelne Vorgänge sind. Foto: BS/Sutthiphong, stock.adobe.com

Die Folgekosten aus Gesetzen steigen Jahr für Jahr; zuletzt um 9,3 Milliarden Euro. Es wundert nicht, dass der Bürokratieabbau ins Zentrum vieler Debatten rückt. Auch die Politik spricht immer öfter davon, endlich verstanden zu haben. Im Zentrum der Bemühungen steht das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV). Nachdem schon der Entwurf eine knappe Milliarde Euro an Entlastungen enthielt, wollen die Regierungsfraktionen im Bundestag noch eine Schippe drauflegen. Zwar kann sich das Ergebnis sehen lassen. Zusammen mit dem Wachstumschancengesetz wird sich ein Gesamtentlastungsbetrag von über drei Milliarden Euro ergeben. Doch wie schnell ist dieser wichtige, mühsam vom Bundesjustizminister herbeikoordinierte Puffer wieder aufgebraucht, wenn allein die Nachhaltigkeitsberichterstattung jährliche Kosten von mindestens 1,6 Milliarden Euro verursachen wird?

Die Bürokratiebremse braucht mehr Wumms

Angesichts des stark gestiegenen Erfüllungsaufwands der vergangenen beiden Jahre plädiert der NKR dafür, dass punktuelle Interventionen wie das BEG IV – so wichtig sie sein mögen – bis zum Ende der Legislatur durch weitere strukturelle Maßnahmen flankiert werden. Bürokratieabbau darf nicht die rühmliche Ausnahme bleiben, sondern

Hannes Kühn ist Leiter im Sekretariat des Nationalen Normenkontrollrats (NKR).

Foto: BS/privat

Was noch zu tun ist

NKR bilanziert zum Bürokratieabbau

(BS/Hannes Kühn) Seit 2006 existiert der Nationale Normenkontrollrat (NKR) und mit ihm die Selbstverpflichtung der Bundesregierung, die Folgekosten gesetzlicher Maßnahmen ehrlich zu bilanzieren, Bürokratie abzubauen und die Qualität der Gesetzgebung zu verbessern. Diese Selbstverpflichtung besteht fort. Im Schatten der Zeitenwende sprach der Bundeskanzler davon, wie wichtig es sei, den „bürokratischen Mehltau“ abzuschütteln, der sich lähmend über das Land gelegt habe. Der NKR erreicht in diesem Jahr die Halbzeit seiner vierten Amtsperiode. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Bürokratieabbau ist mehr als ein Bürokatieentlastungsgesetz: Der NKR fordert eine ambitioniertere Strategie der Bundesregierung. Foto: BS/Photothek, Trutschel

muss zum ständigen Regelfall werden. Der NKR fordert deshalb, die bestehende „One in one out“-Regel, wonach eingehende Belastungen an anderer Stelle wieder kompensiert werden müssen, als dauerhafte Bürokratiebremse deutlich zu schärfen. So sollte die Belastung aus EURichtlinien miterfasst werden, denn die 1,6 Mrd. Euro der EU-bedingten Nachhaltigkeitsberichterstattung bleiben derzeit außen vor. Auch der einmalige Umstellungsaufwand, der bei der Einführung neuer Regelungen entsteht, müsste in „One in one

3,5 Sterne im Durchschnitt

Verbraucherschutzverein analysiert Behörden-Bewertungen

(BS/sr) Das Schöne an der Bürokratie sollte ja sein, dass alle mit demselben Anliegen denselben Prozess und zumindest eine ähnliche Erfahrung haben sollten. Online-Bewertungen sagen nach einer Studie des Verbraucherschutzvereins Berlin Brandenburg (VSVBB) aber etwas anderes. Demnach haben Bürgerinnen und Bürger in Bochum die besten Erfahrungen und in Mönchengladbach die schlechtesten gemacht.

Im Schnitt bekommen die untersuchten Behörden 3,61 Sterne. Das ist das Ergebnis einer Auswertung von fast 60.000 Google-Bewertungen, die der VSVBB analysiert hat. Untersucht wurden Meldebehörden der 40 einwohnerstärksten Städte in Deutschland. Fünf der auf diese Weise betrachteten Städte liegen dabei unter einer Durchschnittsbewertung von drei Sternen. Das betrifft die Städte Bonn (2,93 Sterne), Duisburg (2,92 Sterne), Köln (2,85 Sterne), Nürnberg (2,73 Sterne) und Mönchengladbach (2,72 Sterne). Mönchengladbach, das zum wiederholten Mal als Letzter des Rankings abgeschlossen hat, sei aber dennoch auf einem Kurs der Besserung. „Das kann darauf hindeuten, dass die Bürger der rheinischen Großstadt die Behörden vor Ort zuletzt positiver bewertet haben und die Stadt mehr Wert auf die Online-Reputation ihrer Behörden legt. Wenn dieser Trend anhält, gibt Mönchengladbach bei unserer nächsten Auswertung im Herbst wohl zum ersten Mal die rote Laterne ab“, kommentierte Angelika Menze, Vorsitzende des VSVBB.

Folgenlose Rezensionen Direkte Auswirkungen haben diese schlechten Bewertungen für die einzelnen Ämter oder Städte aber nicht. Während Gaststätten und andere Unternehmen durch schlechte

Bewertungen beim Datengiganten Google teilweise um ihre Existenz fürchten müssen, kann einer Behörde erst einmal nichts passieren. Höchstens, dass Bürgerinnen und Bürger sich an eine andere Dienststelle in der Stadt wenden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass gerade im Gastronomiebereich auch immer wieder gegen schlechte Bewertungen vorgegangen wird, gerade wenn diese nicht wahrheitsgemäß sind. Einer Behörde kann das, theoretisch, aber egal sein. Für sie gibt es keine Alternative. Wie man aber am Beispiel von Mönchengladbach sieht, können sich die Behörden in der Bewertung auch wieder verbessern.

Wut-Rezensionen

Bei der Betrachtung der Bewertung sollte daneben nicht vergessen werden, dass Menschen eher dazu neigen, bei negativen Erfahrungen eine Bewertung zu schreiben als bei positiven. Wer sich besonders über einen Prozess ärgert, nutzt vielleicht das Schreiben einer Bewertung, um seinem Frust Lauf zu lassen. Wer aber im Grunde zufrieden ist und nicht besonders positiv überrascht, schreibt vermutlich nach Ende des Prozesses keine Bewertung mehr. Die Bewertungen spiegeln also vermutlich gerade den mittleren Bereich der Erfahrungen nur unzulänglich wider.

out“ einfließen. Um bürokratische Aufwände ganzheitlich zu deckeln, sollten auch Aufwände für Behörden sowie Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden.

Mehr Raum für Praxischecks Hinzu treten Bemühungen, die Qualität von Gesetzen zu verbessern. Mit dem Digitalcheck hat die Bundesregierung ein für alle Bundesministerien geltendes Instrument eingeführt, das Gesetzentwürfe von Hemmnissen für den digitalen Vollzug befreien soll. In

Ergänzung führt das Bundeswirtschaftsministerium Praxischecks durch. Zusammen mit Vollzugsexperten und Betroffenen wird der Rechtsbestand sehr tiefgehend, auf allen Verwaltungsebenen und aus Sicht der Praxis analysiert, um jenseits fachlicher Zuständigkeiten Hindernisse, z. B. für den Ausbau von Photovoltaikanlagen, abzubauen. Praxis- und Digitalcheck zu verbinden, ausreichend Zeit und Raum für die Einbindung der Betroffenen zu gewähren und diese Vorgehensweise zum Standard guter Gesetzgebung zu machen, muss Priorität bis zum Ende der Legislatur haben. Dazu gehören die Pflicht und Befähigung der Ressorts, so zu arbeiten – durch Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung und das breite Angebot an Schulungen und Unterstützung, z. B. durch das geplante Zentrum für Legistik. Warten auf den angekündigten Föderalismusdialog Jenseits der Rechtsetzung braucht es praktische Bemühungen zur Vereinfachung von Recht und Vollzug. Der Pakt von Bund und Ländern zur Beschleunigung von Planungsund Genehmigungsverfahren zielt auf die Halbierung der Genehmigungszeiten. Anzuerkennen ist der weitreichende Anspruch, ebenenübergreifend zu denken und gemeinsam zu handeln. Allerdings

zeigt sich auch, dass noch mehr Beschleunigung nur mit der Neustrukturierung von Zuständigkeiten einhergeht. Im Koalitionsvertrag war ein Föderalismusdialog angekündigt worden. Bei der Ankündigung ist es geblieben. Aus Sicht des NKRs braucht es eine Debatte darüber, an welchen Stellen Aufgaben, Recht und Technik stärker gebündelt, harmonisiert und standardisiert werden sollten. Mit den Dresdner Forderungen gibt es dafür schon lange einen Impuls von kommunaler Ebene. Er stellt die Frage, wie die Verwaltungsdigitalisierung dadurch beschleunigt werden kann, dass Aufgaben anders über die föderalen Ebenen verteilt werden. Die Hängepartie der OZG-Novelle in Bundesrat und Vermittlungsausschuss zeigt jedoch, wie schwer es ist, hier neue Wege einzuschlagen. Gleiches gilt für die ebenso wichtige Registermodernisierung, deren zügige und spürbare Umsetzung weiter auf sich warten lässt. Bürokratieabbau ist Kernerarbeit. Aus den bestehenden Einzelinitiativen eine ambitioniertere Strategie zu formen, ist bis zum Ende der Legislatur machbar und sollte Anspruch der gesamten Bundesregierung sein. Ausführlicher Bilanz zieht der NKR im Oktober, bei der Veröffentlichung seines Jahresberichts – auch mit weiteren Vorschlägen zum Bürokratieabbau.

Raus aus dem Bürokratie-Burnout

Ein Gesetz, das die Folgekosten anderer Gesetze abbauen soll

(BS/akh) „Wir bauen konsequent Bürokratie ab – auch für die Verwaltung“, versichert Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann. Drei Milliarden Euro Erfüllungsaufwand sollen durch das Meseberger Bürokratieentlastungspaket entfallen. Erste Bausteine des Pakets sind beschlossen, aktuell berät der Bundestag über einen weiteren: das Bürokratieentlastungsgesetz (BEG) IV, das für rund eine der drei Milliarden Euro Ersparnis sorgen soll.

„Deutschland leidet unter einem Bürokratie-Burnout. Bürgerinnen und Bürger, Betriebe und auch Behörden sind so erschöpft von immer mehr Gesetzen und Verordnungen, dass sie sich immer weniger um Innovation, Digitalisierung oder andere wichtige Fragen kümmern können“, erläutert Buschmann. „Die gute Nachricht in dieser Situation ist: Diese Regierung hat verstanden.“ Das Meseberger Bürokratieentlastungspaket verspricht große Entlastungen für die Wirtschaft, aber auch die Verwaltung soll profitieren.

„Allein mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV und dem Abschluss der digitalen Transformation im Arbeitgebermeldeverfahren entlasten wir die Verwaltung um mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr“, so der Bundesjustizminister. „Großes Digitalisierungs- und Entlastungspotenzial hat auch das OZG 2.0. Dieses Beispiel zeigt: Bürokratieabbau darf keine Eintagsfliege sein, sondern muss zum Dauerbrenner werden – im Bund, in den Ländern und in den Kommunen.“

Erleichterungen für alle Unternehmen und Verbände konnten vorab digital ihre Vorschläge für das Bürokratieentlastungsgesetz einreichen. Über 440 Ideen sind so zusammengekommen und anschließend auf Umsetzbarkeit geprüft worden. Mehr als 100 der Ideen wurden als umsetzbar he-

rausgearbeitet und 60 davon finden im BEG IV Beachtung. Weitere Vorschläge sind bereits an anderer Stelle umgesetzt worden oder in Bearbeitung. Der größte Entlastungsfaktor im BEG IV ist mit einer Ersparnis von 625 Millionen Euro im Jahr die Verkürzung der Aufbewahrungsfrist von handels- und steuerrechtlichen Buchungsbelegen von zehn auf acht Jahre. Unternehmen sollen dadurch Platz-, Miet- und Speicherkosten einsparen. Zu den weiteren Entlastungen gehört u. a. der Wegfall der Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige, die Digitalisierung der Betriebskostenabrechnungen sowie das digitale Auslesen von Reisepässen bei der Flugabfertigung. Entlastungen für die öffentliche Verwaltung finden sich z. B. auch in der Einrichtung einer zentralen Vollmachtsdatenbank für Steuerberaterinnen und Steuerberater. Träger der sozialen Sicherung müssen dann nicht mehr einzeln für ihre Fachverfahren eine entsprechende analoge Vollmacht bei den Steuerberatern und somit bei den Arbeitgebern abfragen. Sie können stattdessen automatisiert auf eine Generalvollmacht zugreifen, die elektronisch in der Datenbank hinterlegt ist. Ändert sich etwas an der Vollmacht, werden die Behörden direkt benachrichtigt. Auch darüber können sich Beamtinnen und Beamte freuen: Dank

der Anhebung der Schwellenwerte auf jeweils 9.000 Euro werden künftig mehr Unternehmen vierteljährlich statt wie bisher monatlich ihre Umsatzsteuer-Voranmeldung abgeben. Das reduziert Arbeitsaufwand in den Finanzbehörden.

Ein Schritt auf einem langen Weg Lutz Goebel, Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrats, sieht im Gesetz einen starken Auftakt für den Abbau regulatorischer Belastungen. Gleichzeitig fordert er weitere Initiativen zur Bürokratieentlastung: „Wir müssen den Anreiz erhöhen, neue bürokratische Belastungen zu vermeiden oder durch Entlastungen spürbar zu kompensieren.“

Das BEG IV ist damit ein wichtiger, aber noch nicht der letzte Schritt zum Bürokratieabbau. Das Bundesministerium der Justiz wird auch darüber hinaus an Entlastungen arbeiten und Bürokratie weiter senken. Zudem möchte man den Abbau unnötiger Bürokratie auf EU-Ebene angehen, heißt es aus dem Ministerium. Demnach kommen inzwischen 57 Prozent der bürokratischen Lasten in Deutschland aus der EU. Zusammen mit Frankreich wurde zu diesem Zweck eine Entlastungsinitiative gestartet. Europäische Bürokratiekosten sollen erstmals systematisch erfasst, Berichtspflichten reduziert und kleine und mittelständische Unternehmen entlastet werden.

Bürokratie entlasten

BS/Sven Rudolf) Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam und verschlingen Zeit und Geld. Mit immer neuen Gesetzen wächst der Erfüllungsauf wand für Verwaltung, Wir tschaft und Bürgerinnen und Bürger weiter an. So verursachen die Gesetze der 20 Legislaturperiode einen jährlichen finanziellen Aufwand von mehr als 13,5 Milliarden Euro. Eine deutliche Ersparnis an Geld und Zeitaufwand sollen eine Veränderung der Aufbewahrungsfristen von Buchungsbelegen und der Wegfall von touristischen Meldescheinen bringen.

Jährlicher Erfüllungsaufwand 20. Legislaturperiode in €

1,6 Mrd.

Einmaliger Erfüllungsaufwand 20 Legislaturperiode in €

499 Tsd.

5,4 Mrd.

22,5

4,7 Mrd.

Mrd.

Bürgerinnen und Bürger Wir tschaft Verwaltung gesamt

Geschätzte Ersparnisse durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV)

Für die Wir tschaft kommt es durch die Anpassungen des BEG IV zu Ersparnissen von:

die Verwaltung kommt es durch die Anpassungen des BEG IV zu Ersparnissen von: Für die Bürgerinnen und Bürger kommt es durch die Anpassungen des BEG IV zu Ersparnissen von:

Mio. einmalige Erfüllungsauf wandkosten -944,4 Mio Euro jährlich -73,6 Mio. Euro jährlich

Größte Ersparnis: 38,55 Mio. Euro durch den Wegfall von Vollmachtserteilungen durch Einrichtung einer Datenbank für Steuerberaterinnen und -berater

Größte Ersparnis: 595 Mio. Euro durch die veränderte Frist bei der Aufbewahrung von Buchungsbelegen -3,74 Mio jährliche Sachkosten

Größte Zeitersparnis: 2,95 Mio. Stunden durch den Wegfall des Ausfüllens des Touristen-Meldescheins

-4 Mio Stunden

Gleichstellungsbeauftragte Frau Markowitz 0511/33690-601

Personalvertretungen:

Bezirksvertrauensperson der schwerbehinderten Menschen Herr Zürn Tel: 0172/401 6850

Bezirkspersonalrat (BFR)

Vorsitzender: Herr Münz Tel.: 0228/940-1807

Revision, Complience, Datenschutz**** Herr Merten -1315

Foto: BS/THW, S. Hohmann

Präsidentin Sabine Lackner

Leitungsstab Frau Bolz -1080

Datenschutzbeauftragte Frau Zimmer 06151/30875-89

05141/51727

Bundessprecher: Herr Lindmüller

SH: Herr Petersen HE: Herr Held RP: Herr Pallien SL: Herr Klein NW: Herr Springer SN: Herr Heinrich TH: Herr Richter

Landessprecher für: BW: Herr Hamb sch BY: Herr Stark BE: Herr Neumann BB: Herr Reinhold ST: Herr Leinweber HB: Herr Bloß NI: Herr Kolodzi HH: Herr Wolf MV: Herr Döhler

Abteilung EA Ehrenamt Frau Klüber Geschäftszimmer -1881

Vizepräsident Dierk Hansen

Referat EA 1

Grundsatz

Ehrenamt/BFD Frau Bonnen-Buchmüller1700

Abteilung U Einsatzunterstützung Herr Almanzor* Geschäftszimmer -1880

Umweltmanagement Herr Gutsmiedl -1868

Abteilung E Einsatz Herr Strotmann Geschäftszimmer -1878

Einsatzunterstützungssoftware Frau Burkow -1600

Bundesanstalt Technisches Hilfswerk

Provinzialstraße 93 53127 Bonn

Telefonzentrale: 0228/940-0

IVBB: 0228 99/450-0 E -Mail: po ststelle@thw.de Internet· www .thw.de

Um die Organisationseinheiten der THW-Leitung unmittelbar per E-Mail zuerreichen, ist statt „poststelle“ die jeweilige Organisationseinheit einzusetzen, z. B. für da s Referat U 3 „Referat.U3@thw.de“

THW-Jugend e. V. Bu ndesjugendleiter: Herr Wiedemann Bundesgeschäftsstelle:

0228/9401327 Bu ndesgeschäftsführer: Herr Ratschinski -1934

Referatsgruppe EA 2 Öffentlichkeitsarbeit Frau Stube -1927

Referat EA 3 Grundsatz Ausbildung Herr Dr. Pleger -1812

Referat U 1 Personalbetreuung Herr Büttgen -1742

Referatsgruppe U 2 Personalgewinnung/-entwicklung Herr Büttgen -1742

030/2887698-10

030/2887698-25

THW-Bundesvereinigung e. V. Präs ident: Herr Gerster, MdB Bundesgeschäftsstelle: Herr Weniger

Referat EA 4 Presse/Kommunikation Herr Zanetti*** -1950

Stiftung Technisches Hilfswerk (THW) Technisch Helfen Weltweit Vor standsvorsitzender: Herr Broemme

Bundesgeschäftsstelle: Geschäftsführung: Frau Dr. Lawrenz

Referat EA 5 BFD Unterstützung Herr Becker -1190

Erläuterungen: * mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt ** leit ende Fachkraft Arbeitssicherheit *** Pre ssesprecher **** inkl Datenschutzbeauftragte und gem. VwV IR direkt bei der Präsidentin an gesiedelt RB Re gionalbereich

Projektstrukturen werden nicht im Organigramm ausgewiesen

Ausund Fortbildungszentrum (AFZ) Leitung Frau Dr. Stieber 0228/940-1393

Landesverband Sachsen, Thüringen (LV SN, TH)

Landesverband Nordrhein-Westfalen (LV NW)

Landesbeauftragte Frau Stock 03447/5684-10

Landesbeauftragter

Herr Hefner 02103/7910-100

Referat U 3 Organisation Herr Gehrmann -1320

Referat U 4 Finanzen Herr Loosen -1340

Referat U 5 Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz Herr Tavernier** -1450

Referat U 6 Recht Herr Freiburg und Frau Sahbatou -1460

Referat E II 6 Liegenschaften, Innerer Dienst Herr Fox -1217

Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, (LV HE, RP, SL )

Landesbeauftragter

Herr Hantsche 06131/9297-100

Landesverband Hamburg, Mecklenburg Vorpommern, Schleswig- Holstein (LV HH, MV, SH) Landesbeauftragter Herr Ollhoff 0431/579 33-10

Referatsgruppe E II Technik Frau Klus -1901 Referat E II 1 Grundsatz Technik Frau Rentzsch -1220 Referat E II 2 Technische Beschreibungen, Beschaffungssteuerung Frau Rentzsch -1220 Referat E II 3 Grundsatz-IuK/IT-Sicherheit Herr Riemer -1230

Referatsgruppe E I Einsatz N.N. -1628 Referat E I 1 Inland Herr Pietsch -1100 Arbeitsgrupppe E I 2 Ausland AGL Herr Buchmüller -1504 AGM Herr W eber 1504 AGM Herr Petr ovic -1504 Referat E I 3 Forschungsprojekte Herr Dr. Altenbrunn -1537

Referat E II 4 IuK-Betrieb Herr Ternes -1240 Referat E II 5 Digitalfunk Herr Paschke-Kergel -1579 Referat E II 6 IT-Fachverfahren Herr Aghili -1260

Referat E I 4 Logistik Herr Ostertun -1620

Wahrnehmung der Aufgaben ganz oder teilweise am Standort: 53123 Bonn, Heil sbachstraße 16/18 53127 Bonn, An der Z iegelei 18 40721 Hilden, We string 17 27318 Hoy a, Has seler Steinweg 7 73765 Neuhau sen a.d.F., Nov izenweg 1 14722 Brandenb urg an der Havel, Fohr der Landstraße 11

Landesverband Bremen, Niedersachsen (LV HB, NI) Landesbeauftragter Herr Matrian 0511/336 90-100

Landesverband Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt (LV BE, BB, ST)

Landesverband Bayern (LV BY)

Landesbeauftragter Herr Gold 030/306 82-110

Landesbeauftragter

Herr Dr. Voß 0228/994 531-100

Landesverband

Baden-Württemberg (LV BW)

Landesbeauftragter

Herr Löffler 0711/955 55-100;

Nach der Haushaltskrise ist vor der Haushaltskrise: Während die Regierung um den Bundeshaushalt für 2025 ringt, spitzt das Ergebnis der aktuellen Steuerschätzung die ohnehin schon angespannte Finanzsituation weiter zu. So dürften nach der vom Bundesfinanzministerium (BMF) veröffentlichten Frühjahrsprognose des Arbeitskreises Steuerschätzung die fiskalischen Einnahmen für Bund, Länder und Kommunen in den kommenden Jahren weitaus niedriger ausfallen als zuletzt erwartet.

Im kommenden Jahr wird das Steuervolumen voraussichtlich um knapp 22 Milliarden Euro unter dem Volumen liegen, das der Arbeitskreis in seiner Herbstprognose vorausgesagt hatte.

Von den 22 Milliarden Mindereinnahmen gehen 15,5 Milliarden auf Schätzabweichungen zurück, der Rest ergibt sich aus seitdem in Kraft getretenen Steuerrechtsänderungen. Auf den Bund entfallen Mindereinnahmen von elf Milliarden Euro, 8,7 Milliarden gehen zulasten der Länder, mit zwei Milliarden weniger Einnahmen wird auf kommunaler Ebene gerechnet und 0,3 Milliarden entfallen auf Abführungen an die EU.

Der haushaltspolitische Druck wächst

Dabei sind in fast allen aufkommensstarken Gemeinschaftssteuern Mindereinnahmen gegenüber der letzten Schätzung vom Oktober 2023 zu verzeichnen. Nach oben revidiert wurde lediglich das erwartete Aufkommen aus der Abgeltungsteuer. Ein Grund für die nach unten korrigierten Prognosen sind unter anderem die Zinserträge, die stärker stiegen als im Herbst erwartet worden war.

Das Ergebnis der neuen Steuerschätzung vergrößert den haushaltspolitischen Druck. Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärte: „Was ich angesichts der exorbitanten politischen Wünsche fast mantraartig wiederhole, liegt

Seit der Europawahl fühlt sich der Finanzminister stark wie selten. Das Ergebnis von über fünf Prozent zeigt Lindners Mannschaft, dass auch bei der Bundestagswahl 2025 ein Wiedereinzug in den Bundestag wahrscheinlich ist. Da stören Lindner auch nicht die immer größer werdenden Löcher im Haushalt: Allein die Steuerschätzung vom Mai zeigt auf, dass der Bund in diesem Jahr statt mit 381,2 nur mit 375,6 Milliarden Euro rechnen kann. Nächstes Jahr sieht es nicht besser aus: Erwartet werden 389 statt geplanter 399,9 Milliarden. Und was macht Lindner? Der kündigt zum Entsetzen der Koalitionspartner eine Steuerentlastung in drei Schritten in Höhe von 23 Milliarden Euro durch höhere Grundfreibeträge an. „Es ist schlicht ein Gebot der Fairness, das Steuersystem an die Inflation anzupassen“, so der Finanzminister.

Festhalten an der Schuldenbremse Linder rammt noch weitere Pflöcke ein. Am SPD-Lieblingsprojekt Bürgergeld will er kürzen, das zentrale grüne Politikziel Kindergrundsicherung am liebsten verschieben. Steuererhöhungen kommen für ihn nicht infrage, Änderungen an der Schuldenbremse sind für die FDP ohnehin tabu. Lindner nahm sogar das Wort „Koalitionsbruch“ in den Mund, als er auf SPD-Vorstellungen von einem Aufweichen der Schuldenbremse und höheren Steuern angesprochen wurde. Unter Ver-

Schwindende Steuereinnahmen

Arbeitskreis Steuerschätzung legt Frühjahrsprognose vor

(BS/Anne Mareile Walter) Bund, Länder und Kommunen müssen in den kommenden vier Jahren mit Mindereinnahmen des Fiskus von insgesamt 80,7 Milliarden Euro rechnen.

Der haushaltspolitische Druck wird größer: Im kommenden Jahr wird das Steuervolumen voraussichtlich um knapp 22 Milliarden Euro unter dem zuletzt vorhergesagten Volumen liegen.

Prognostizierte Steuermehr-/mindereinnahmen der Länder für 2024 und 2025 (auf Basis der aktuellen Steuerschätzung)

Bundesland 2024 2025

Bayern -600 Mio.

jetzt schwarz auf weiß vor: Neue finanzielle Spielräume gibt es absehbar nicht.“ Dabei sei die aktuelle

Steuerschätzung ein Realitätscheck für den Bundeshaushalt 2025, sagte er weiter. „Wir müssen uns von

Kreativität ist gefragt

Haushaltsstreit in der Koalition

BS/Bundesministerium

„Jetzt liegt es jetzt schwarz auf weiß vor: Neue finanzielle Spielräume gibt es absehbar nicht.“

Christian Lindner, Bundesfinanzminister

lunrealistischen Wünschen verabschieden und die Konsolidierung des Haushalts vorantreiben. Dies erfordert Disziplin und Willenskraft.“ Auch in den Folgejahren dürfte es laut der Experten-Schätzung nicht viel besser laufen. So sei für den Zeitraum 2024 bis 2028 mit einem Einnahmeausfall von 80,7 Milliarden Euro zu rechnen. Das Steuervolumen liegt aktuell bei 950,3 Milliarden Euro, erst im Jahr 2026 würden nun die Steuereinnahmen

die Billionen-Marke überschreiten. Im Oktober war man noch davon ausgegangen, dass dies bereits 2025 der Fall sein werde.

Düstere Steuerprognosen auch für die Länder

In den Bundesländern fallen die steuerlichen Mindereinnahmen unterschiedlich stark ins Gewicht. Im flächenmäßig größten Bundesland Bayern ist es um die Finanzsituation folgendermaßen bestellt: Der Freistaat rechnet für 2024 mit Steuermindereinnahmen von rund 600 Millionen Euro, für 2025 geht er von voraussichtlich 500 Millionen aus.

Die Hamburger Finanzbehörde gibt auf Basis der aktuellen Steuerschätzung für das laufende Jahr hingegen eine positive Prognose ab und sagt für 2024 sogar Mehreinnahmen von 30 Millionen Euro voraus. 2025 würden Mindereinnahmen in Höhe von 76 Millionen Euro erwartet.

174 Millionen Euro weniger sind es im laufenden Jahr in Berlin, ein Minus von 188 Millionen prognostiziert die Berliner Finanzbehörde für 2025. Das Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen beziffert die Steuermindereinnahmen für 2024 auf rund 1,2 Milliarden Euro, für 2025 auf 1,3 Milliarden. Die Prognose für Hessen: minus 631 Millionen 2024, 2025 ein Einbruch um 678 Millionen. Auch im Osten der Republik ist die Situation ähnlich: Der Freistaat Sachsen sagt nach den aktuellen Ergebnissen des Arbeitskreises Mindereinnahmen von 385 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2024 voraus, im kommenden Jahr werde das Minus voraussichtlich 19,6 Milliarden Euro betragen. Dem Arbeitskreis Steuerschätzung gehören Expertinnen und Experten von Bund und Ländern sowie weitere Sachverständige an. Der Steuerschätzung liegen die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Frühjahrsprojektion 2024 der Bundesregierung zugrunde.

(BS/Hans-Jürgen Leersch) Die Europawahl hat die Kräfteverhältnisse in der Berliner Ampelkoalition stark verschoben.

Nach Verlusten der SPD und einem massiven Einbruch der Grünen sieht sich die FDP als kleinster Koalitionspartner im Ringen um den Etat 2025 gestärkt. Aber bis zu 40 Milliarden Euro einzusparen, das dürfte auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht gelingen. Gefordert ist Kreativität.

weis auf den Koalitionsvertrag, der beides ausschließt, sagte Lindner, wenn SPD-Chef Lars Klingbeil höhere Steuern und mehr Schulden wolle, müsse er sich eine Mehrheit „jenseits der FDP“ suchen. Das dürfte schwierig werden. Hilfe von der Union ist ausgeschlossen, die Linke ist zerfallen und mit der AfD redet ohnehin niemand. Schon machten in Berlin Gerüch-

te von einer Vertrauensfrage des Kanzlers im Bundestag und sogar von Neuwahlen die Runde. Zwar kann von einer „Fortschrittskoalition“ keine Rede mehr sein, doch andererseits ist auch klar, dass das Regierungsbündnis eine Neuwahl nicht überleben würde, sondern SPD und Grüne nach heutigem Stand stark geschrumpft würden. Daher rechnet auch Klingbeil mit

einer Einigung im Etatstreit, auch wenn sich niemand darauf festlegen will, wann das sein wird: „Ich habe gerade keine Signale, dass es nicht klappen könnte“, so der SPD-Chef. Dafür ist Kreativität gefragt und im Streit ums Geld gibt es mehr Möglichkeiten, als gemeinhin geglaubt wird. Da wäre zunächst die Möglichkeit eines Nachtragshaushalts für 2024. Die schlechten Werte der Steuerschätzung wären eine Rechtfertigung, die Kreditaufnahme wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage zu erhöhen. Die Schuldenbremse lässt das zu. Damit würden sich finanzielle Probleme wie die in die Höhe geschossenen Kosten der Ökostromförderung um neun Milliarden Euro lösen lassen.

Und noch mehr, wie die CDU/CSUOpposition ahnt: „Wir werden im Nachtragshaushalt 2024 Maßnahmen finden, die eigentlich im Haushalt 2025 abgebildet werden sollten“, sagt der haushaltspolitische Sprecher der Union im Bundestag, Christian Haase (CDU). Für 2025 wird es komplizierter. Lindner will mit der Axt ans Bürgergeld, das seiner Ansicht nach von vielen als bedingungsloses Grundeinkommen missverstanden werde.

Das Bürgergeld hält die SPD jedoch für ihr wichtigstes sozialpolitisches Projekt, das sie sich nicht von Lindner durchlöchern lassen will. Allenfalls kleineren Korrekturen wollen die Sozialdemokraten zustimmen, zum Beispiel Kürzungen, wenn Bürgergeld-Empfängern Schwarzarbeit nachgewiesen wird.

Einsparungen ja – aber wo?

Auch massive Kürzungen in den Einzelplänen der Ministerien lehnt die SPD ab: „Was nicht geht, ist, dass man mal eben 30, 40 Milliarden aus dem Bundeshaushalt rausspart“, sagt Klingbeil. Der SPDBundestagsabgeordnete Axel Schäfer bringt die Dinge auf den Punkt: „Was hilft es uns, wenn ganze Dörfer absaufen, die Ukraine den Krieg verliert, wir aber einen ausgeglichenen Haushalt haben?“

In der Frage liegt die Antwort. Die Schlechtwetter-Ereignisse der letzten Zeit mit massiven Überschwemmungen könnten als Begründung für eine Haushaltsnotlage herhalten, auch wenn der CDU-Wirtschaftsrat mit dem Argument dagegenhält, eine Hochwassersituation sei noch keine Naturkatastrophe. Die Ukraine-Kosten könnten zusammen mit weiteren Verteidigungsausgaben zum Beispiel für die Aufstellung der BundeswehrBrigade in Litauen aus einem kreditfinanzierten Sondervermögen kommen und somit außerhalb der Schuldenbremse finanziert werden. Damit wäre viel Druck aus dem Koalitionskessel genommen.

der Finanzen, Photothek
Tabelle: BS/M. Hoffmann; Quelle: Finanzministerien der Länder
Die Debatten in der Koalition um den Haushalt 2025 bergen ein hohes Konfliktpotenzial. Foto: BS/loufre, pixabay.com

► FACHLOS

Getrennt markieren

Aber nicht bei Gesamtvergabe

Die Errichtung von Lärmschutzwänden, von Leitplanken und die Verkehrssicherung einer Straßenbaustelle sind sämtlich grundsätzlich eigenständige Fachlose. In bestimmten Fällen kann aber auf die Abspaltung dieser Fachlose verzichtet und können all diese Leistungen mit der eigentlichen Bauleistung gemeinsam vergeben werden. So hielt es ein Auftraggeber, der eilig einen Engpass auf einer stark befahrenen Straße beseitigen wollte, wie im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen. Im Vergabevermerk legte er dar, dass dadurch die Bauzeit um bis zu 38 Tage verkürzt werden könne. Ein Fachbetrieb für Fahrbahnmarkierungsarbeiten wollte festgestellt wissen, dass auch sein Gewerk ein eigenes Fachlos bilde, dessen Abspaltung nicht zu einer Bauzeitverlängerung führe, weil es das letzte aller auszuführenden Gewerke sei. Der Nachprüfungsantrag hat nur teilweise Erfolg. Die Vergabekammer gibt dem Antragsteller nur hinsichtlich der grundsätzlichen Notwendigkeit der Fachlosbildung recht. Im konkreten Fall jedoch hinge der Ausführungstermin von den Angeboten der Hauptleistung ab. Die Abspaltung würde insoweit zwar nicht zu einer längeren Bauzeit, wohl aber zu einem Zeitverlust in der Auftragsvergabe führen, weil die Markierung erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens für die Hauptleistung ausgeschrieben werden könnte. Dieser Zeitverlust rechtfertigt es, auch das letzte Gewerk in die Gesamtvergabe einzubeziehen.

► NACHREICHUNG Mündliche Auskünfte

Fristverlängerung dokumentieren

Der Antragsteller in diesem Verfahren hat nach Akteneinsicht bemängelt, dass das Angebot des für den Zuschlag vorgesehenen Bieters nicht fristgerecht vervollständigt worden war. Es fehlten einige Nachreichungen, die erst einen Tag nach der in der Vergabeakte dokumentierten Nachreichungsfrist beim Auftraggeber eingegangen waren. Dennoch wurde das Angebot in der Wertung behalten. Der Auftraggeber weist darauf hin, dass er es nicht habe ausschließen können, weil diesem Bieter mündlich eine weitere Fristverlängerung gewährt worden war. Damit allerdings hat sich der Auftraggeber in eine nahezu ausweglose Situation manövriert, welche die Aufhebung nötig machte. Vor dem Oberlandesgericht wird dieses Dilemma deutlich: Der Antragsteller hatte einen Anspruch darauf, dass dieses verspätet vervollständigte Angebot ausgeschlossen wird, der für den Zuschlag vorgesehene Bieter den Anspruch, dass es nicht ausgeschlossen wird. Ausgelöst wurde dieses Dilemma durch eine unzureichende Dokumentation. Denn der Auftraggeber darf grundsätzlich auch mündlich mit den Bietern kommunizieren. Er muss den Inhalt dieser Kommunikation aber dokumentieren. Das hatte hier gefehlt. So ist nicht überprüfbar, ob die Verlängerung tatsächlich gewährt worden war, oder ob sie manipulativ behauptet wird, um diesem Bieter unzulässig zum Erfolg zu verhelfen. Die Aufhebung war daher selbstverschuldet, woraus ein Schadenersatzanspruch des Antragstellers folgt. OLG Schleswig (Beschl. v. 28.03.2024, Az.: 54 Verg 2/23)

► RAHMENVERTRAG

Obergrenze ist nötig Schätzwert reicht nicht aus Für verschiedene Kultureinrichtungen waren Bewachungsleistungen zu beschaffen. Dabei ging die Anforderung über die Bewachung während der regelmäßigen Öffnungszeiten hinaus. Es sollten auch Sicherheitsmitarbeiter bei Sonderveranstaltungen bereitgehalten werden sowie für „Spontanbewachungen“. Dadurch war es nicht möglich, die im Beschaffungszeitraum anfallenden Dienststunden vorab zu errechnen. So schrieb der Auftraggeber eine Rahmenvereinbarung aus, aus der heraus er beim Auftragnehmer die Bewachungsleistungen in demjenigen Umfang abrufen wollte, in welchem er tagesaktuell anfällt. Für den Umfang teilte er den Bietern Schätzwerte hinsichtlich des zu erwartenden Auftragsvolumens mit. Mit diesem Vertragskonstrukt erlitt der Auftraggeber Schiffbruch vor der Vergabekammer. Ein Interessent nämlich bemängelte, dass die Angabe der Höchstmenge der Rahmenvereinbarung fehle. Und tatsächlich: So entschied auch die Vergabekammer. Auch wenn voraussichtlich die Schätzmengen sehr nah an der Wirklichkeit liegen werden, weil der Teil der variablen Bewachungen im Vergleich zum Regeldienst klein sein dürfte, ist diese Angabe unerlässlich. Das Vergabeverfahren musste bis vor Bekanntmachung zurückversetzt werden. Für den Auftraggeber lohnt es sich in einem solchen Falle zu prüfen, ob der variable Anteil überhaupt die Schwelle zur wesentlichen Vertragsänderung überschreitet. Falls das nicht zutrifft, wäre die Ausschreibung als Auftrag statt als Rahmenvereinbarung zielführender.

VK Westfalen

(Beschl. v. 21.02.2024, Az.: VK 3-42/23)

► FORMULAR

Unvollständig eingereicht

Unklarheit der Vorlagepflicht

Ein einziges falsches Kreuz in einem Formular kann sowohl für Auftraggeber als auch für Bieter unangenehme Folgen haben. Im Zuge einer Bauausschreibung erschien es dem Auftraggeber erforderlich, Stoffpreisgleitvereinbarungen in das Vertragswerk einzubeziehen. So wollte er von den Bietern insgesamt zwölf verschiedene Anlagen FB 225a vorgelegt bekommen. Unglücklicherweise kreuzte er diese Anlagen in seiner Formularübersicht sowohl unter der Überschrift „beim Bieter verbleibende Unterlagen“ als auch unter der Überschrift „einzureichende Unterlagen“ an. Damit war zunächst unklar, ob die Formblätter bereits mit dem Angebot einzureichen waren. Verständige Auslegung aber ergibt, dass nur dies gemeint sein konnte. Ein Bieter legte alle zwölf Formblätter vor, jedoch nur lückenhaft ausgefüllt. Aufgrund dieser Lücken schloss der Auftraggeber das Angebot aus. Der Bieter wehrte sich dagegen mit dem Argument, wegen der widersprüchlichen Angaben in den Vergabeunterlagen seien die Formblätter nicht wirksam gefordert gewesen. Damit aber kann er nicht durchdringen: Ebenso wie alle anderen Bieter hatte er selbst die Unterlagen dahingehend verstanden, dass die Formulare vorzulegen seien. Dann kann er sich nicht im Nachhinein von diesem Auslegungsergebnis lösen. Wenn er also die Formulare einreicht, müssen sie vollständig sein. Hätte er sie gar nicht eingereicht, wäre die Sache für ihn wohl besser ausgegangen.

VK Lüneburg

(Beschl. v. 27.10.2023, Az.: VgK-29/2023)

► VERDACHT

Russland-Connection

Beweise müssen her! Im Wettbewerblichen Dialog sollte eine Vergabe im Rahmen der Quantencomputing-Initiative durchgeführt werden. Noch vor der Dialogphase hatte der Auftraggeber Zweifel an der Eignung eines Bewerbers, denn in dem Verfahren waren hohe Hürden hinsichtlich des Abfließens von Technologie in unerwünschte Staaten gestellt worden. So teilte er dem Bewerber zunächst mit, dass exportkontrollrechtliche Bedenken gegen seine Teilnahme bestünden, die zu erörtern seien. Noch vor der Aufklärung erfolgte der endgültige Ausschluss, weil im Bewerberunternehmen zahlreiche russische Staatsbürger beschäftigt seien. Weitere Ausschlussgründe unterlägen dem Geheimschutz und könnten nicht mitgeteilt werden. Dies genügt der Vergabekammer nicht. Dass die russischen Mitarbeiter ihre Ausbildung früher bei heute sanktionierten Unternehmen erhalten hatten, zeigt ebensowenig eine Unzuverlässigkeit wie die Tatsache, dass eine wissenschaftliche Kooperation mit russischen Partnern bestand. Der Bewerber verwies darauf, er habe die Kontakte nach Russland aufgrund der Sanktionen beendet. Alle beschäftigten russischen Staatsbürger hielten sich nicht mehr in Russland auf. Wissenschaftliche Fachartikel, die auf gemeinsame Arbeit mit russischen Partnern hindeuten, sind zwar erst nach Februar 2022 erschienen, waren aber davor erstellt worden. Weitere vertrauliche Informationen hatte der Auftraggeber der Vergabekammer nicht vorgelegt. So muss er das Verfahren mit dem unbequemen Bewerber fortsetzen.

VK Bund (Beschl. v. 12.04.2024, Az.: VK 1-89/23)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)

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Weg von der papierhaften Struktur

Die EVB-IT-Rahmenvereinbarung liegt vor

(BS/jb) Eine Rahmenvereinbarung ließen die Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen (EVB-IT) bisher vermissen. Zwar gab es rahmenvertragsähnliche Elemente, die Grundstruktur zeichnete sich aber weiterhin durch Einzelvertrag-Silos aus. Jetzt steuert die AG EVB-IT dagegen: Erstmals soll eine Rahmenvereinbarung die Vertragsmuster in individuell kombinierbare Leistungsmodule abbilden. Dazu zählt auch ein Cloudmodul.

Ausschreibungen · Submissionen

Früher. Passender. Einfacher.

Die Vorgängermodelle mit einbezogen, arbeiten die Digitalwirtschaft und der deutsche Staat im Rahmen der EVB-IT bereits seit mehr als 30 Jahren zusammen. Darauf, das betonte Felix Zimmermann, Leiter DG I 5 Digitalisierung öffentliche Beschaffung beim Bundesministerium des Inneren (BMI) auf den EVB-IT Anwendertagen, könne man stolz sein. Ziel der Zusammenarbeit sei, öffentliche Beschaffungen im IT-Sektor marktgerecht abzubilden. Die EVB-IT versteht er als strategisches Beschaffungsinstrument, mit dem die öffentliche Hand ihre Marktmacht bündeln und die besonderen Anforderungen der öffentlichen Hand unter Beachtung des Vergaberecht umsetzen kann. Damit schafften die EVB-IT Standardisierung und ermöglichen der öffentlichen Hand den Anschluss an die von globalen Produktstrategien und technologischem Wandel geprägten Beschaffungsmärkte, erklärte Robert Thiele, Co-Vorsitzender der AG EVB-IT des BMI. „Gerade die Rahmenvereinbarung ist ein Beschaffungswerkzeug, das die

Praxis dringend benötig“, mahnte er. Nach zehn Verhandlungsmonaten konnten sich die öffentliche Hand und die Digitalwirtschaft auf eine solche praxisgerechte Rahmenvereinbarung einigen. Sie vereint alle bestehenden elf EVB-IT Vertragstypen in einem Modulformat. Die Beschaffenden können die für sie passende Rahmenvereinbarung selbst zusammenstellen.

Nur noch digital zu bewältigen

Die EVB-Rahmenvereinbarung ist ausschließlich in dem kostenlosen Legal-Tech-Tool EVB-IT digital verfügbar. Dabei handelt es sich um eine Software, die in einem Interview-Format durch die Erstellung von Verträgen führt. „Wir wollen uns aus der Papierstruktur lösen“, erläuterte Thiele. Die Anwendung ist browserbasiert ohne Internetverbindung nutzbar. Eine hohe Datensicherheit ist folgerichtig durch die lokale Speicherung gewährleistet. Nach Abschluss des sogenannten nutzerzentrierten Interviews kann der Vertrag im gewohnten Format als Text-Dokument exportiert und

in die weiteren Prozesse gegeben werden. Alternativ steht eine Middleware bereit, die eine End-to-End Integration in eine bestehende digitale Prozesskette ermöglicht. Innerhalb der Logik der EVB-IT Digital tragen die Vertragsskripte die Bezeichnung Playbook. Neben der Rahmenvereinbarung sind die bestehenden EVB-IT Vertragstypen ebenfalls im Format EVB-IT digital verfügbar. Die Nutzung der gewohnten Dokumente bleibt weiterhin möglich. Der neuen Vertragstyp und das Legal Tech Toll EVB-IT digital sind in Kürze auf CIO-Bund zu finden. Eine Empfehlung für die Anwendung der Rahmenvereinbarung und der EVB-IT digital liegt vor.Darüber hinaus befasst sich die AG EVB-IT mit weiteren Workstreams. So werden die EVB-IT für die Beschaffung von Open-SourceSoftware (OSS) ertüchtigt. Weil die bisherigen Bestimmungen auf proprietäre Software ausgelegt waren, stellte dies eine Herausforderung dar, erläuterte Dr. Nina Freudenthal, Leiterin des Lizenz-Managements bei Dataport.

Frischer Wind in der Amtsstube

(BS/Marlies Vossebrecker) Ablagestapel aus vergilbten Papieren mit Anträgen und Formularen – so sieht ein verbreitetes Symbolbild der trägen Bürokratie aus. Aber welches Bild spiegelt den Bürokratieabbau wider? „Digitalisierung“ lautet ein oft pauschal genanntes Stichwort – doch es kommt auf verschiedene Prozesse und Stellen an.

Zahlreiche Gesetze oder Vorgaben durch EU, Bund und Länder engen die Möglichkeiten für Kommunen, Bürokratie zu verringern, stark ein. So seien viele Verfahren und Aufgaben rechtlich vorgegeben, erklärt der Normenkontrollrat (NKR) Baden-Württemberg. Das Gremium berät die baden-württembergischen Landesministerien, wie bei neuem Landesrecht Bürokratie vermieden und zugleich der Verwaltungsaufwand möglichst gering gehalten werden kann.

„Zahlreiche Förderprogramme erfordern es beispielsweise, dass Kommunen umfassende Pläne, Konzepte, Nachweise etc. vorlegen. Der Aufwand ist häufig hoch“, heißt aus dem NKR Baden-Württemberg. Ähnlich verhalte es sich bei der Auftragsvergabe, mit dem Ziel, Missbrauch und Vetternwirtschaft vorzubeugen. Der NKR Baden-Württemberg appelliert hier für mehr Vertrauen in die kommunale Verwaltung und grundsätzlich für die Nutzung von Umsetzungsspielräumen. Denkbar seien etwa eigenes Ermessen oder Erprobungsklauseln.

„Zu viel Bürokratie kann am besten verhindert werden, bevor sie entsteht“, weiß HelmutDedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, und macht die Gesetzgebung als Problemfaktor aus. Praxistaugliche Gesetze seien der Schlüssel für eine grundlegende Verbesserung der Lage.

Praxistaugliche Gesetze schaffen Denn es geht nicht bloß um eine Vereinfachung und Beschleunigung komplexer Prozesse. An fast allen Stellen und in allen Bereichen bereitet der omnipräsente Personalmangel Schwierigkeiten – so auch in den kommunalen Verwaltungen.

Aufgrund einer gleichzeitig ebenfalls steigenden Aufgabenlast, etwa bezüglich Wärmewende, Klimaschutz oder Migration, bleibt also immer weniger Personal für immer mehr Aufgaben. Überbordende Bürokratie könnte das strauchelnde System vollends zu Fall bringen. „Bund und Länder müssen bei neuen Gesetzesvorhaben die Städte sehr frühzeitig mit einbinden“, fordert Dedy. Die Forderung ist nicht neu und wird doch vonseiten der Regierenden immer wieder übergangen. Dabei könnte vielen Schwierigkeiten in der Umsetzung vorgegriffen werden, wenn bei Gesetzen und Beschlüssen mit Kommunalbezug stets auch Kommunalvertretende bzw. Vertretende aus den kommunalen Spitzenverbänden von Beginn an einbezogen würden. Denn: „Wir sind die, die neue Regelungen vor Ort umsetzen müssen. Deswegen können wir mit unserer Expertise auch den Gesetzgebern in Bund und Ländern sagen, was sich in der Praxis machen lässt und was nicht“, erläutert Dedy. In diesem Zuge sollten zudem bereits vorhandene Gesetze hinsichtlich ihrer Vereinfachung überprüft und, wenn nötig, angepasst werden. Wichtig bei jedem Vorstoß für ein

„Zu viel Bürokratie kann am besten verhindert werden, bevor sie entsteht.“
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags

neues Gesetz sei es, digitale Verwaltungsabläufe mitzudenken. Auf diese Weise ließe sich unnötiger bürokratischer Aufwand vermeiden, weil die Beschäftigten der Kommunen entlastet würden und mehr Zeit für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger gewonnen werden könne.

Gesamtkonzept Bürokratieabbau: viele Ansätze einbeziehen

Der Begriff „Digitalisierung“ verkommt in der Debatte um Bürokratieabbau mehr und mehr zur Floskel, denn die Ausgangslage ist vielschichtig und bedarf weit mehr als einer Pauschallösung. „Die Ursachen für belastende Bürokratie und deren Verursacher sind vielfältig“, heißt es aus dem NKR. Ein Gesamtkonzept zur Verringerung bürokratischen Aufwands in den kommunalen Verwaltungen könne darum nur helfen, wenn dabei an verschiedenen Stellen angesetzt werde.

Ein solches Gesamtkonzept etwa ist die Entlastungsallianz in Baden-Württemberg, an welcher unter anderem der NKR Baden-Württemberg beteiligt ist und die auf Initiative der kommunalen Landesverbände sowie von Wirtschaftsverbänden ins Leben gerufen wurde. Geleitet wird die Allianz durch die Landesregierung für Verwaltungsmodernisierung, Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung bzw. durch den zuständigen Staatsminister Dr. Florian Stegmann Das Projekt zum Abbau von Bürokratie und zur Vereinfachung von Prozessen in allen Verwaltungsebenen ist in neun Themenfelder unterteilt, zu denen etwa Verwaltungsorganisation, Umwelt, Migration oder Mobilität gehören. Innerhalb dieser Themenfelder nehmen Fachexpertinnen und -experten in

Arbeitsgruppen eine systematische Aufgabenkritik und Überprüfung der Standards vor.

München: Maßnahmen zur Prozessoptimierung alltäglich Zurück zu den Kommunen und ihren Verwaltungen, die unter der Last unnötiger Bürokratie trotz Bestrebungen zur Entschlackung von Prozessen noch einige Zeit ächzen werden: Hand in Hand gehen hier die Vereinfachung des Verwaltungsaufwandes und die kommunale Selbstverwaltung. Eine Sprecherin der Stadt München erläutert auf Anfrage: „Die Vereinfachung und Digitalisierung von Prozessen ermöglicht eine effizientere Nutzung von Ressourcen. Dies unterstützt uns dabei, den Arbeitskräftemangel zu bewältigen und die Handlungsfähigkeit der Verwaltung zu erhalten.“

Eine weniger bürokratische und digitalisierte Verwaltung könne außerdem schneller auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger reagieren und somit deren Zufriedenheit und Vertrauen in die Verwaltung erhöhen.

In vielen Bereichen der Stadtverwaltung erleichtern Maßnahmen zum Bürokratieabbau bereits heute

den Arbeitsalltag. Dank digitalisierter Anträge und einer workflowbasierten Bearbeitung würden Abläufe beschleunigt, heißt es aus München. Die Prozessoptimierung der Personal- und Organisationsarbeit erzielt sogar dauerhafte Einsparungen in Höhe von fast 21 Millionen Euro jährlich bei den Personalressourcen, z. B. durch die digitale Zeiterfassung. Ein neues Portal soll künftig allen Beschäftigten der Stadt zur Verfügung stehen, um Personaldienstleistungen wie etwa Entgeltnachweis oder Anträge für Reisen, Elternzeit oder Urlaub nutzen zu können. Auch hier lassen sich rund zwei Millionen Euro einsparen. Eine zusätzliche interne Organisationsberatung zur kontinuierlichen Prozessoptimierung sämtlicher Referate und Eigenbetriebe Münchens übernimmt Projekte, „[…] die Verwaltungsprozesse und -leistungen optimieren, vereinfachen und hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Qualität verbessern sollen“. Tatsächlich stärkten gute digitale Verwaltungsangebote die kommunale Selbstverwaltung, weil einerseits die Mitarbeitenden entlastet würden und andererseits die Bürgerinnen und Bürger von schnelleren Antragsverfahren profitierten, betont Dedy

Die Kommunalverwaltungen sollten zwar ihre internen Abläufe hinterfragen, bestätigt der NKR BadenWürttemberg den Weg Münchens. Während der Digitalisierung von Prozessen werde auch eine bürgernahe, verständliche Sprache in amtlichen Schreiben oder Formularen in den Fokus rücken. Doch sowohl Gesetzgeber als auch die Landesregierung sollten den Kommunen mehr Freiräume bieten, hebt der NKR Baden-Württemberg hervor.

Titelbild: BS/Hoffmann unter Verwendung von stock.adobe.com, stokkete; stock.adobe.com, Magenta Dream

Mehr Sanktionen beim Bürgergeldbezug

Deutscher Landkreistag veröffentlicht Positionspapier (BS/Anne Mareile Walter) Der kommunale Spitzenverband fordert Nachbesserungen beim Bürgergeld. Die Balance zwischen existenzsichernder Hilfeleistung und den Interessen der Steuerzahler solle verbessert werden.

Strengere Richtlinien für die Auszahlung von Bürgergeld – so lautet im Kern das Postulat. In dem kürzlich veröffentlichten Positionspapier des Deutschen Landkreistags (DLT) heißt es: Arbeitsanreize für Bürgergeld-Beziehende würden immer weiter reduziert, der Leistungsbezug gewinne dadurch an Attraktivität. „Es muss darum gehen, die Betroffenen so rasch wie möglich aus dem Bürgergeld-Bezug heraus und in Arbeit zu bringen“, erklärte DLT-Präsident Reinhard Sager in einem Presse-Statement. „Dabei spielen die Grundsätze der Eigenverantwortung, des Leistungsprinzips und der Mitwirkungspflichten eine zentrale Rolle.“ Davon sei das Bürgergeld allerdings „ein Stück weit“ abgekommen.

Falsche Anreize durch Karenzzeiten für Wohnen und Vermögen

Die Einführung von Karenzzeiten für Wohnen und Vermögen habe falsche Anreize gesetzt. Aktuell werde „jede noch so hohe Miete“ übernommen, zugleich dürften Betroffene hohes Vermögen behalten – dies führe zu der Einschätzung, dass sich gering vergütete Arbeit nicht lohne. Mitunter erscheine es sogar interessant, „den Arbeitsmarkt vorübergehend zu verlassen und in den Bürgergeldbezug zu wechseln“, kritisieren die Vertreter der Landkreise.

Im ersten Jahr des Bürgergeld-Bezugs dürfen aktuell Beträge bis zu 40.000 Euro behalten werden, zudem wird im ersten Jahr auf eine Prüfung der Angemessenheit der Miete verzichtet. Neben der Übernahme von Miet- und Heizkosten sind mit dem Bürgergeld verschiedene andere Leistungen verbunden, darunter die Befreiung von

Das Fachnetzwerk Fördermittel der Kommunal Agentur NRW, kurz FNF, unterstützt Verwaltungsmitarbeitende dabei, ein übersichtliches und nachhaltiges Fördermittelmanagement aufzubauen. Das Netzwerk, auf Initiative des Städte- und Gemeindebundes NRW im Jahr 2019 gegründet, arbeitet eng mit der NRW.Bank zusammen und begleitet schon mehr als die Hälfte aller NRW-Kommunen bei der Fördermittelakquise und im örtlichen Fördermittelmanagement. Auch Kreisverwaltungen und städtische Gesellschaften gehören zum Kreis der Mitglieder.

Neulich …

beit aufzunehmen“, sagt er im Gespräch mit dem Behörden Spiegel. Das Prinzip des Forderns müsse wieder stärker in den Vordergrund rücken, auch die Frage nach der Bedürftigkeit müsse neu gestellt werden.

Rundfunkbeiträgen, eine kosten-

Mit dem Erhalt von Bürgergeld ist ein umfangreiches Leistungspaket verbunden: Unter anderem werden Heizkosten bezuschusst. Foto: BS/Adobe Stock, creativemariolorek

lose ÖPNV-Nutzung oder die Freistellung von Kindergartenbeiträgen. „Dieses Leistungspaket konkurriert mit der Aufnahme von Arbeit“, erklärt Sager. Das Resümee des Landkreistags lautet daher: „Wer ohne wichtigen Grund nicht zur Annahme zumutbarer und existenzsichernder Arbeit bereit ist, sollte keinen Leistungsanspruch haben.“ Bereits wenn jemand nicht zur ersten Gesprächseinladung erscheine, solle das Bürgergeld gekürzt werden, fordert er. Der Berliner Ökonom Prof. Dr. Ronnie Schöb, der an einem vom Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums (BMF) erstellten Gutachten zum Bürgergeld-System und den Folgen einer Kombination unterschiedlicher Sozialleistungen mitwirkte, teilt die Kritikpunkte des DLT. „Einige Maßnahmen im Bürgergeld-Bezug sind kontraproduktiv und haben dazu geführt, dass die Leute weniger bereit sind, eine Ar-

Vermittlung im Fokus 2019 entschied das Bundesverfassungsgericht: Sobald eine zumutbare Arbeit abgelehnt wird, besteht offensichtlich keine Bedürftigkeit. Daher gebe es in einem solchen Fall auch keinen Grund, die betreffende Person mit steuerfinanzierten Sozialleistungen zu bezuschussen. „Im Moment ist man zögerlich, dieses Instrument der Sanktionen anzuwenden“, erklärt Schöb. Doch genau das sei nötig, damit Betroffene einen Anreiz hätten, wieder eine Arbeit aufzunehmen. „Wir müssen wieder stärker die Richtung des Vermittlungsvorrangs einschlagen“, fordert der Ökonom.

Mehrere Länderchefs der CDU sowie Teile der FDP-Bundestragsfraktion hatten kürzlich zudem kritisiert, dass ukrainische Geflüchtete durch den Bürgergeld-Bezug nicht in Arbeit kämen. Sie forderten, die Zahlung der Sozialleistung an die Kriegsflüchtlinge zu beenden. Für das Bundesarbeitsministerium (BMAS) sind die Kritikpunkte des Landkreistags kein Grund für Nachbesserungen. Derzeit würden die arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen der Bürgergeld-Reform vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wissenschaftlich evaluiert, die Maßnahme soll bis 2026 laufen. „Es gilt, diese Ergebnisse abzuwarten“, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Näher kommentieren wolle man das Positionspapier des DLT nicht.

… war ich mal wieder in Berlin und checkte in mein gebuchtes Hotel ein. Innerhalb von fünf Minuten war ich auf dem Zimmer. Das waren noch Zeiten, als jeder Hotelgast einen Meldeschein ausfüllen musste, der dann die Aktenordner der Meldeämter unsinnigerweise füllte. Heute kann sich Deutschland mit der Abschaffung dieser Meldescheinpflicht selbst beklatschen. Zum Durchbruch im Bürokratieabbau taugt das wahrlich nicht. Unser Land bleibt erster Aspirant für den Nobelpreis der Bürokratie. Die Politik schimpft über die „unfähige Verwaltung“, wenn diese im von der Legislative selbst gesäten Paragrafendschungel im Dunkeln tappt. Die Berichterstattung der Medien ist geprägt von Negativstereotypen, die das schlechte Ansehen der Behörden entscheidend beeinflussen. Doch hemdsärmeliges Handeln von politischen Überzeugungstäterinnen und -tätern führt schnell zum nächsten Shitstorm. Politik kann eben nur so ehrlich sein, wie es der Wählende verkraftet. Auf den ersten Blick scheint es paradox zu sein. Die überwiegende Mehrheit in unserem Land hält eine starke öffentliche Verwaltung für unerlässlich. Sie weiß es zu schätzen, dass der Öffentliche Dienst ein Garant für die Versorgung aller mit öffentlichen Dienstleistungen ist. Dennoch klagen viele über eine „aufgeblähte“ Verwaltung und beschweren sich gleichzeitig darüber, dass sie z. B. wegen Personalmangels in den Straßenverkehrsämtern nicht mehr rechtzeitig ihre Fahrzeuge anmelden können. Ich wohne in einer Gegend, die 2021 stark von der Flut betroffen war. Der Ruf nach unbürokrati-

Vereinfachung der Förderlandschaft

Maßgeschneiderte Hilfsangebote

(BS/Christian Scheffs) Den passenden Fördertopf zum richtigen Zeitpunkt für das geplante Projekt zu erwischen, ist schwierig. Und anschließend auch noch die notwendigen Prozesse in der Verwaltung so zu implementieren, dass bei zukünftigen Vorhaben zeitsparend darauf zurückgegriffen werden kann, stellt eine weitere Hürde dar.

Rolf Hartmann war von 2004 bis 2020 Bürgermeister der Gemeinde Blankenheim. Foto: BS/privat

scher Hilfe war groß und auch schnell versprochen. Viele Menschen verzweifelten jedoch an der zu komplizierten Antragstellung. Unbürokratische Hilfe bedeutet aber auch Gießkannenprinzip, bei dem der Grad der Bedürftigkeit keine Rolle spielt. In meiner Zeit als Bürgermeister sprach ich oft mit Geflüchteten. „Es sind die Gesetze, die ich in Deutschland so schätze“, sagte mir eine Frau aus einer ehemaligen Sowjetrepublik. In ihrem Heimatland gebe es zwar Gesetze, die aber nicht für alle gleich gelten würden. Wenn man dort eine Genehmigung erhalten wolle, seien einige Blätter Papier zu übergeben: der eigentliche Antrag verbunden mit mehreren Geldscheinen. Während viele Deutsche den unflexiblen, aber auch unbestechlichen Beamten als Feindbild überbordender Bürokratie ausgemacht haben, wissen Menschen, die aus einer Diktatur kommen, diesen deutschen Typus zu schätzen. Eine demokratisch kontrollierte Bürokratie folgt eben nicht dem Willen eines Despoten, sondern festen, mitunter zu starren Regeln. Dass Gesetze für alle gleich gelten, ist ein hohes Gut und in vielen Ländern nicht selbstverständlich. Unsere Bürokratie, so schwerfällig sie manchmal auch ist, schützt uns vor Willkür und ist Garant für Gerechtigkeit und Demokratie.

Klare Struktur und Ordnung Ein passendes und funktionierendes Fördermittelmanagement verfügt über eine qualifizierte Dokumentation der Mittelverwendung. Dabei sind für alle Prozessschritte klare Zuordnungen und Verantwortlichkeiten festzulegen. Schnittstellen und Dokumentationspflichten werden formuliert. Beteiligte Verwaltungsebenen werden geschult. So können Schnittstellen und Verantwortlichkeiten dauerhaft abgeleitet werden. Das FNF unterstützt bei der Entwicklung von Projektideen, Projektbeschreibungen und Förderanträgen. Eine Dienstanweisung macht klare Prozessvorgaben, beschreibt Pflichten im Schnittstellenmanagement und Arbeitsbereiche. Die im Netzwerk entwickelten Werkzeuge garantieren Übersichtlichkeit,

Das Netzwerk FNF ermöglicht die Recherche passgenauer Fördertöpfe, die Strategieentwicklung zum Fördermittelmanagement, die Implementierung der Prozesse, die Schulung für Mitarbeitende sowie den Erfahrungsaustausch und das Netzwerken. Ziel ist es dabei, neue Strukturen zu implementieren oder vorhandene Strukturen zu verbessern.Die thematische und organisatorische Vielfalt, die Schnelllebigkeit in der aktuellen Förderlandschaft und eine notwendige rechtskonforme Dokumentation der Abstimmungen stellen die Städte und Gemeinden in NRW vor die Herausforderung, viele Projekte mithilfe vieler unterschiedlicher Akteure zu bearbeiten. So entsteht in den Förderprojekten ein hoher zusätzlicher Personal- und Schnittstellenaufwand.

Christian Scheffs ist

Projektleiter des FNF – Fachnetzwerk Fördermittel sowie stv. Sachbereichsleiter Technik und Umwelt bei der Kommunal Agentur NRW.

Foto: BS/privat

rechtssichere Dokumentation und vereinfachen so den gesamten Fördermittelmanagementprozess in der jeweiligen Kommune. Zu diesen Werkzeugen zählen das „Quick Start Förderprojekt“ zur Strukturierung aller relevanten Informationen, die „Quick Check Förderrichtlinie“ für den Faktenüberblick, ein Dokumentenmanagementsystem zur zentralen und einheitlichen Dokumentenablage sowie der Fördercampus für garantierte Information und Vernetzung.

Einzelaspekte der Beratung Unsere mehrjährige Unterstützung der Kommunen und ihrer Unternehmen in NRW, passende Fördermittel zu finden und die Beantragung der Mittel strukturiert, nachhaltig und rechtssicher durchzuführen, hat die folgenden Aspekte in den Fokus unserer Beratungsarbeit gerückt:

1. professionelle Aufstellung des Fördermanagements und gut ausgebildetes, spezialisiertes Personal in den Kommunen und kommunalen Unternehmen;

2. Reduzierung der Anzahl von Bewilligungsbehörden, um die Fördermittellandschaft transparenter zu gestalten und Synergieeffekte zu nutzen;

3. zwecks Effizienzsteigerung Anpassung des Zuwendungsrechts durch Standardisierung der Richtlinien;

4. neue Instrumente zur Eigenkapitaldarstellung;

5. Weiterentwicklung, u. a. digitale Handreichungen und Musterdokumente, in der Informationsbereitstellung, die sich stärker am

Informationsbedarf der Antragstellenden ausrichtet; 6. Förderprogramme müssen ressort- und behördenübergreifend besser abgestimmt und gebündelt werden; 7. Begrenzung der weiter wachsenden Angebote an Förderprogrammen und Fördermitteln durch EU, Bund und Länder.

Fazit

Fördervielfalt und rechtskonformes Handeln passen nicht zu schnellem Bürokratieabbau – der Umbau der Förderlandschaft sollte als Masterplan verstanden werden. Der Nachweis struktureller Defizite als Grundlage für die Bereitstellung von Fördergeldern wird auch in Zukunft dazu führen, dass die Mittelvergabe und die -verwendung einem Rechtsrahmen entsprechen müssen. Echte Erleichterungen im Förderzugang oder die Gewährung von Pauschalen werden daher in naher Zukunft mühsam entwickelt werden müssen.

Unsere Leistungspakete für Ihr erfolgreiches Fördermittelmanagement

a. Maßkonfektion – all-in mit individuellem Zuschnitt Implementierung aller Prozesse, u. a. Mittelrecherche, Entwicklung von Standards, Umsetzungsdokumentation, Schlussverwendungsnachweise b. Teilkonfektion – punktuelle Hilfestellungen Verlängerte Werkbank und Zuarbeit für örtliche Akteure c. Regionalkonferenzen – Unterstützung regionaler Prozesse Zusammenarbeit mit anderen Fachakteuren, u. a. Überflutungs- und Hochwasserschutz, Klimaanpassung, Mobilität, Digitalisierung d. Qualifizierung und Schulung – Richtlinienkompetenz stärken Schnittstellenmanagement, Vergabe- und Zuwendungsrecht

Kolumne Hartmann

Daniela Kluckert, parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, bezeichnete die Infrastruktur als wichtigste Lebensader der deutschen Wirtschaft und machte gleich zu Beginn deutlich: „Unser Investitionsstandort muss besser werden.“

Angesichts knapper finanzieller Mittel seien dabei der Bürokratieabbau, die richtige Regulierung und mehr Transparenz entscheidend. Im Einsatz für mehr Wettbewerbsfähigkeit würden jetzt Sanierungen in Angriff genommen, die während der letzten Jahre aufgeschoben worden seien. Ziel ist es laut Kluckert, weg von zu viel Regulierung und hin zu mehr Belastbarkeit zu kommen. Als Beispiel führte sie den Glasfaserausbau an, bei dem eine gute Zusammenarbeit zwischen den Ministerien und den Ländern eine wichtige Voraussetzung sei. Um den Ausbau noch schneller voranzutreiben, seien beschleunigte und digitale Genehmigungsverfahren in Planung.

Für einen funktionsfähigen Wettbewerb sah der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, enorme Investitionen und Rahmenbedingungen als Grundvoraussetzung. Für die gelungene Transformation müsse die Gesamtaufgabe mit ihren anfallenden Kosten unter Berücksichtigung des demografischen Wandels samt Folgen für kommende Generationen genau durchdacht werden. Außerdem müsse Verantwortung bei der Regulierung von Preisbremsen etwa bei Strom, Gas oder Fernwärme übernommen werden. Mundt führte aus, aktuell existierten rund 4.000 Fernwärmenetze, die extremen Unterschieden in der Wärmeerzeugung unterlägen. Eine pauschale Regulierung sei nicht möglich. Es brauche daher dringend eine Behörde in Deutschland zur Regulierung, statt vieler Gesetze und wenig Durchsetzung.

Ruf nach Regulierung

Auch Prof. Dr. Jürgen Kühling, Vorsitzender der Monopolkommission, stimmte zu, dass eine Regulierung für die ökonomisch-gemeinwohlorientierte Transformation erforderlich sei. Knappe Finanzmittel bei zugleich großen Vorhaben übten dabei Druck aus. Damit die Versorgung mit Energie gesichert werden könne, sei ein fester Rahmen für die Bereitstellung der benötigten Kapazitäten notwendig. Dabei gelte es zu

Aufbruch mit Hindernissen

Wettbewerbsfähigkeit bedarf Regulierungen

(BS/Marlies Vossebrecker) Leistungsstarke Infrastruktur ermöglicht eine gute Wettbewerbsfähigkeit. In Deutschland besteht hier Nachbesserungsbedarf. Auf der 14. Petersberger Regulierungskonferenz nahe Bonn tauschten sich dazu Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft aus.

beachten, dass die Kosten für diesen Rahmen möglichst gering ausfielen. Einen potenziellen Lösungsansatz sah Kühling im dezentralen Kapazitätsmarkt. Hier wird die Regelung der Nachfrage nicht staatlich festgelegt, sondern durch die Anbieter, die sich wiederum auf die Nachfrage der Kundinnen und Kunden

stützen. Als Beispiel führte Kühling einen Randbereich bei der E-Mobilität an: So lägen die Ladestationen für E-Autos an Autobahnraststätten in der Hand eines privaten Monopolisten. Darum müsse hier trotz Schwierigkeiten beim Ausbau der erforderlichen Infrastruktur für Wettbewerb gesorgt werden.

Bei Investitionen in die Energieinfrastruktur geht es laut Andrees Gentzsch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW), darum, im politischen Dreieck von Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit nicht ausschließlich

den Klimaschutz in den Blick zu nehmen. Außerdem seien die bestehenden Regularien und die aktuelle Situation angesichts des tatsächlichen Bedarfs insgesamt nicht hilfreich.

So sei es etwa die Kurzfristigkeit bei vielen Gesetzentwürfen und Beschlüssen problematisch, sodass oft nur wenige Tage Frist eingeräumt würden.

Trotz der allgemein schwierigen Lage führte Gentzsch auch ein Erfolgsbeispiel an: So sei es gelungen, die Erneuerbaren Energien in das Stromnetz zu integrieren und einzuspeisen, obwohl dieses ursprünglich für eine andere Nutzung konzipiert gewesen sei.

Neue Impulse für globales Handeln

8. bis 10. Oktober in Ingelheim am Rhein

Wie kann ein entwicklungspolitisches Engagement in Zeiten multipler Krisen aufgebaut, aufrechterhalten und nachhaltig verankert werden? Welche Fördermöglichkeiten gibt es?

Städte, Landkreise und Gemeinden spielen bei der Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 eine entscheidende Rolle.

Tauschen Sie sich über innovative Ansätze aus und erkunden Sie gemeinsam neue Wege für eine nachhaltige Entwicklung.

Die Veranstaltung ist kostenlos. Haben wir Ihr Interesse geweckt?

Hier finden Sie das Programm und den Link zur Anmeldung:

Plädiert für weniger Bürokratie auf dem Weg zur verbesserten Wettbewerbsfähigkeit: Staatssekretärin Daniela Kluckert. Foto: BS/Freshfields, Thomas Granitzny

Foto: BS/Philipp Marthaler

VIER Fragen– VIER Antworten

Interview mit Dr. Stefan Fassbinder, Oberbürgermeister der Stadt Greifswald

Behörden Spiegel: Zu Beginn dieses Jahres sind Sie zum World Mayor ausgezeichnet worden. Welche Bedeutung hat die Auszeichnung für Sie und welche Verantwortung ist damit verbunden?

Dr. Stefan Fassbinder: Ich empfinde diese Auszeichnung als Ehre. Sie ist nicht nur mit meiner Person verbunden, sondern vielmehr eine Auszeichnung für die gesamte Stadt. Denn die internationalen Beziehungen zu anderen Kommunen stehen dabei im Vordergrund. Sie werden getragen durch den Einsatz der Menschen aus unserer Stadt. Der Bürgermeister kann Türen öffnen, Initiativen organisatorisch und finanziell unterstützen oder neue Kontakte anbahnen. Aber erst das Engagement der Bürgerinnen und Bürger macht die Verbindungen möglich, lebendig und sichtbar.

„Erst das Engagement der Bürgerinnen und Bürger macht die Verbindungen möglich, lebendig und sichtbar.“

Behörden Spiegel: Im Mittelpunkt stehen Kontakte zu internationalen Städten. Wie gelingen solche Kontakte und welche Chancen bergen sie?

Dr. Fassbinder: Unverzichtbar für den erfolgreichen Kontakt und Austausch mit anderen Städten und Gemeinden sind Interesse sowie Offenheit. Auf beiden Seiten, also in beiden Ländern, braucht es Menschen, die Freude und Interesse

Die Zahl aller Beteiligungen der Stadt Frankfurt am Main zum 31.12.2022 beträgt 602 (Vorjahr: 599). Aufgrund der komplexen Datenmenge ist aus Effektivitätsgründen eine Softwarelösung notwendig, die neben der reinen Finanzdatenerfassung auch die Stammdaten der Beteiligungsgesellschaften (Personal, Adresse, Kapital, Beteiligungen, Mandate) erfasst und darüber hinaus stets aktuelle Auswertungen über das Beteiligungsportfolio der Stadt liefern kann. Die Softwarelösung, für die sich Frankfurt am Main entschieden hat (AMI – AnteilsbesitzManagement-Informationssystem von zetVisions), stellt alle beteiligungsrelevanten Informationen in einer zentralen Datenbank zur Verfügung. Die Softwarelösung wird neben der Stammdatenverwaltung vor allem für das Beteiligungscontrolling genutzt. Sie ermöglicht den Gesellschaften und Eigenbetrieben eine webbasierte Eingabe der Quartals- und Jahresabschlusszahlen sowie der mittelfristigen Planzahlen direkt in die Datenbank des Beteiligungsmanagements. Über 40 Beteiligungen nehmen am Quartalsreporting teil und stellen

Partner gesucht, Freunde gefunden

Internationale Kontakte bereichern kommunales Leben

(BS) Internationale Kontakte zwischen Städten schaffen Verbindungen zwischen Menschen – der Greifswalder Oberbürgermeister Dr. Stefan Fassbinder macht mit seinem Engagement vor, wie das gelingen kann. Über kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung, Problemlagen und Vorteile sprach er mit Marlies Vossebrecker.

Wegen seines Einsatzes für internationale Kontakte zu anderen Kommunen hat der Greifswalder Oberbürgermeister Dr. Stefan Fassbinder den Titel World Mayor erhalten. Foto: BS/marqs, stock.adobe.com

daran haben, sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich einzubringen. Es hängt in hohem Maße von der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger ab, ob internationale Kontakte bereichernd sind und gelingen. Zu den Chancen – da sehe ich mehrere: Durch das Kennenlernen anderer Kulturkreise werden Vorurteile abgebaut, auch eigene Standpunkte hinterfragt. Städte haben überall ähnliche Herausforderungen. Neue Methoden und He-

rangehensweisen, Technologie und Lösungsansätze können im Wissens- und Erfahrungsaustausch vermittelt werden. Besonders interessant ist immer die Sichtweise von Jugendlichen. Grundsätzlich kann ich sagen: Es handelt sich um einen fortwährenden Lernprozess auf beiden Seiten.

Behörden Spiegel: Gibt es Projekte bei der internationalen Zusammenarbeit, die Ihnen besonders am Herzen

Völlig losgelöst

liegen und für die Sie sich besonders einsetzen?

Dr. Fassbinder: Von allen Projekten haben zwei eine besondere Bedeutung für mich: Projekte im Bereich Kinder und Jugendliche einerseits und die Partnerschaft zur ukrainischen Stadt Drohobytsch andererseits, die ich bereits 2017 aufgebaut habe, also vor dem russischen Angriff. Diese Zusammenarbeit ist gerade vor dem Hintergrund der

Hosting als Professionalisierung der IT-Sicherheit

(BS/Lars Scheider/Sven Müller*) Nicht erst vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen hat die IT-Sicherheit auch im Rahmen der Digitalisierung des Beteiligungsmanagements an Bedeutung stark zugekommen. Dies ist gerade auf lokaler Ebene häufig eine große Herausforderung. Dabei ist der öffentliche Sektor in Deutschland mit seinen etwa 20.000 Beteiligungsunternehmen, die zu rund 90 Prozent von kommunalen Gebietskörperschaften gehalten werden, ein nicht unwesentlicher Bereich, auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

dem Beteiligungsmanagement ihre sensiblen und hoch vertraulichen Daten zur Verfügung, weshalb der IT-Sicherheit (Funktionssicherheit und Datenschutz) in Bezug auf die Datenbanksoftware eine besondere Bedeutung zukommt.

Datenhaltung nur in Deutschland zetVisions bietet neuerdings auch Hosting für die AMI-Software an. Für den technischen Betrieb werden dem Kunden über ein vom Anbieter beauftragtes Rechenzentrum Hardware und Speicherplatz sowie Rechenzentrumskapazitäten zur Verfügung gestellt, die Netzwerkanbindung hergestellt und die Leistungen zum Abruf per sicherer und verschlüsselter Datenübertragung ermöglicht. Dabei befindet sich das Rechenzentrum in Deutschland. Es verfügt

über entsprechende Zertifizierungen hinsichtlich des Datenschutzes und der Informationssicherheit, sodass hierdurch die Datenhaltung ausschließlich in Deutschland sichergestellt wird und eine der wesentlichen Voraussetzungen für Frankfurt am Main erfüllt ist. zetVisions betreibt nach eigenem Bekunden bereits für drei Kunden aus dem Bankensektor die AMI-Software im Rahmen der neuen Hosting-Dienstleistung. Dies spricht für einen sehr hohen IT-Sicherheitsstandard des Rechenzentrums, der hierüber bereitgestellten Infrastruktur und Software sowie der erforderlichen Betriebsprozesse. Frankfurt am Main (das Beteiligungsmanagement) wäre einer der ersten Kunden aus dem Public Sector (Pilot).Zurzeit werden die AMI-Server von dem zentralen IT-Amt (IKT) der Stadt ge-

hostet. Mit der Beauftragung von zetVisions mit dem Hosting würde dies entfallen.

Dienstleistung aus einer Hand

Das Hosting des AMI-Servers des Beteiligungsmanagements erfolgt seit über 18 Jahren durch das IKT der Stadt Frankfurt am Main in enger Abstimmung mit dem Beteiligungsmanagement und zetVisions. Neben der Frage einer verbesserten IT-Sicherheit (durch bestehende Zertifizierungen) und schnelleren Reaktionszeiten (Stichwort: Dienstleistung aus einer Hand) stellt aus gesamtstädtischer Sicht das Hosting durch zetVisions als Softwareanbieter auch die wirtschaftlichste Lösung dar. Darüber hinaus werden innerhalb des IKT administrative Aufwände reduziert bzw. eingespart und wertvolle Personalressourcen

aktuellen Lage wichtig und auch sehr intensiv, aber zugleich auch emotional fordernd.

Bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geht es vor allem um Austauschprogramme. Regelmäßig gibt es einen Schüleraustausch mit Jugendlichen der griechischen Insel Samos sowie der Städte Lund in Schweden und Newport News in den USA. Wir haben gute Verbindungen zu Musikschulen, Kitas und Sportvereinen, z. B. in Polen und Finnland.

Behörden Spiegel: Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, Brücken zu bauen und trotz kultureller Unterschiede aufeinander zuzugehen. Machen sich manchmal Differenzen bemerkbar, gibt es Streitpunkte oder Konflikte?

Dr. Fassbinder: Natürlich, es kommt immer wieder zu Differenzen, allein aufgrund von Mentalitätsunterschieden. Aber gerade das ist doch eine Bereicherung. Auf diese Weise erfahren wir alle, dass es oft unterschiedliche Herangehensweisen gibt. Außerdem lernt man, mit unterschiedlichen Auffassungen zu demselben Sachverhalt umzugehen. Politische Spannungen sind davon nicht ausgenommen. Leider können nicht alle Themen besprochen werden: Die Partnerschaft mit der russischen Stadt Wyborg z. B. ruht aktuell, weil wir zu sehr unterschiedlichen Beurteilungen der aktuellen Lage in der Ukraine kommen.

Unstimmigkeiten auf bundes- bzw. landespolitischer Ebene bedeuten allerdings nicht automatisch, dass es auch Verständigungsprobleme auf der kommunalen Ebene zwischen zwei Ländern gibt. So hatten wir etwa zu unseren polnischen Partnerstädten gute Beziehungen mit wechselseitigem Verständnis, während sich die Kommunikation zwischen den nationalen Regierungen aufgrund des Kurses der PiSPartei eher schwierig gestaltete.

frei, die dann für wichtige Aufgaben der Digitalisierung der Stadtverwaltung zur Verfügung stehen. Das Abstimmungsprozedere bei Betriebsund Technikfragen wird durch das Hosting ebenfalls vereinfacht. Im Rahmen einer „Make-or-Buy-Analyse“ fällt die Entscheidung daher eindeutig zugunsten des externen Dienstleisters aus. Grundsätzlich ist die IT-Sicherheit nicht zum Nulltarif zu haben. Aber eins ist klar: Wer nicht in die IT-Sicherheit investiert, zahlt früher oder später mit seinen Daten einen ungleich höheren Preis.

* Lars Scheider istVerwaltungsdirektor und Abteilungsleiter Beteiligungsmanagement bei der Stadtkämmerei Frankfurt am Main. Sven Müller ist als Sachgebietsleiter Beteiligungscontrolling in Frankfurt am Main für Grundsatzfragen der Beteiligungssteuerung verantwortlich.

Mehr zum Thema erfahren Sie in den beiden Webinaren am 30.08.2024 und am 25.09.2024 unter folgendem Link: www.fuehrungskraefte-forum.de; Suchbegriff: „Beteiligungsmanagement“.

Forschende sagen seit Jahren voraus, was nun globale Realität wird. Die Temperaturen steigen. Der Klimawandel ist allgegenwärtig und stellt uns alle vor große Herausforderungen. Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Hessen haben sich gesetzlich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden. Die Zielsetzung ist wichtig. Aber handeln wir auch bereits entsprechend? Oder glauben wir, es reicht, das Ziel vorzugeben, entsprechende Finanzmittel bereitzustellen, und der Erfolg wird von alleine eintreten? Um diese Frage zu beantworten, lohnt ein Blick auf die kommunale Ebene. Ohne erfolgreiche Einbindung der Kommunen werden die gesteckten Klimaziele nicht zu erreichen sein. Für den Kommunalbericht 2023 haben wir diesen Blick bei 16 ausgewählten Kommunen im Rahmen der 236. Vergleichenden Prüfung „Klima- und Energiemanagement“ gewagt. Die Untersuchung ergab, dass bereits viele erfolgreiche Einzelmaßnahmen im Klimaschutz angestoßen wurden.

Ein positives Beispiel für Energieeinsparungen zeigte sich in Eltville am Rhein. In den Jahren 2018 und 2019 ersetzte man dort rund 90 Prozent der Straßenbeleuchtung durch LED-Lampen. Zusätzlich wurde die Straßenbeleuchtung

„Klimaschutz steuern“

Geld allein kauft keinen Klimawandel

Dr. Ulrich Keilmann

leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt.

Foto: BS/privat

an geeigneten Stellen nachts um 50 Prozent gedimmt. Durch beide Maßnahmen sank der Stromverbrauch um rund 40 Prozent. Das führte zu CO2-Emissionseinsparungen von 174 Tonnen CO2 pro Jahr.

Das Beispiel Eltville am Rhein zeigt, dass es möglich ist, auf kommunaler Ebene effektive Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. Doch wie lassen sich derartige Maßnahmen auch erfolgreich auf kommunaler Ebene steuern, um die gesteckten Ziele im Klimaschutz zu erreichen? Bei unserer Untersuchung zeigte sich, dass es an einer effektiven Steuerung fehlte.

Klimaziele im Haushalt etablieren

Dabei drängt es sich aus Sicht der Überörtlichen Prüfung geradezu auf, die Steuerung des Klimaschutzes dort anzubinden, wo die Kommunen bereits Steuerungsins-

trumente besitzen – im Haushalt. In der doppischen Haushaltswirtschaft bilden Ziele und Kennzahlen die Grundlage für die Erfolgskontrolle und Steuerung. Werden im Haushalt Klimaziele und Kennzahlen auf Produktebene etabliert, haben Verwaltung und Politik Einblick in den Umsetzungsstand und können bei Bedarf steuernd eingreifen. Nur so können die Kommunen die gesteckten Klimaschutzziele auch erreichen. Die Kommunen können hierbei eigene Kennzahlen und Indikatoren entwickeln oder auf vorhandene Referenzsysteme zurückgreifen. Hierfür eignen sich beispielsweise bereits entwickelte SDG-Indikatoren (Sustainable Development Goals) für Kommunen, wie sie von der Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit anderen Institutionen entwickelt wurden (www. bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/agenda-2030-nach -

Teure Bauprojekte und unpassende Fördermittel

Neue Publikation zur Finanzsituation der Kommunen

(BS/Anne Mareile Walter) Zwischen Preisdruck und Finanznot: Die Bertelsmann-Stiftung und das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) haben ihr „Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2024“ veröffentlicht. Darin wird der Investitionsstau der Kommunen deutlich.

Nach der Haushaltskrise Ende vergangenen Jahres ringt der Bund aktuell um seinen neuen Etat, auf Länderebene ist die Finanzsituation indes entspannter. „Das Haushaltsjahr 2023 ist für die Länder glimpflich verlaufen“, erklärte Dr. Matthias Woisin bei der Präsentation des neuen Jahrbuchs. So habe sich der Abstand zum Defizit des Bundes im Vergleich zum Vorjahr 2022 sogar halbiert und „werde sich weiter verringern“. Das Defizit der Länder lag 2023 bei insgesamt 1,8 Milliarden Euro, vier Bundesländer erwirtschafteten Überschüsse.

Schuldenstandsquote der Länder auf Tiefstand

Eine weitere positive Nachricht: Die Schuldenstandsquote der Länder ist auf einen Tiefstand gesunken. „Wenn diese Situation noch zwei weitere Jahre anhält, dann befinden sich die Schulden der Länder wieder auf Vor-Pandemie-Niveau“, prognostizierte Woisin weiter. Einzig in Hessen, Brandenburg, Sachsen und Berlin sei die Verschuldung 2023 angestiegen. „Es bleibt daher der Eindruck, dass die Länder ver-

lässlich und stabil wirtschaften.“

Das Jahrbuch des Difu zeigt aber auch: Die finanziellen Auswirkungen der Zeitenwende sind im zweiten Halbjahr 2023 stärker zutage getreten als zuvor. Die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten, die Ertüchtigung der Bundeswehr oder auch die nötige Erneuerung der kommunalen Infrastruktur hätten im besagten Zeitraum zu Buche geschlagen, erklärte Prof. Dr. Stefan Korioth vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Universität München. Der Investitionsrückstand auf kommunaler Ebene sei mitunter hoch, erläuterte Dr. Henrik Scheller, Teamleiter für den Bereich Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen am Difu. Die Lücke zwischen den geplanten und verausgabten Investitionen werde immer größer, sagte er. Dabei hätten aus seiner Sicht die Investitionshemmnisse folgende Ursachen: Lieferengpässe in der Bauwirtschaft verteuerten Sanierungsprojekten, obendrauf kämen unzureichende kommunale Eigenmittel und unpassende Fördermittelangebote.

Darüber hinaus würde öffentlichen

Verwaltungsgebäuden insgesamt eine niedrige Priorität eingeräumt. In Bezug auf eine energetische Gebäudesanierung hinken die Kommunen besonders hinterher.

Laut Scheller seien für die kommenden Jahre elf Milliarden Euro nötig, um Investitionsbedarfe für die Sanierung zu decken. „Dieser Rückstand bei der Sanierung wirkt sich auch auf die Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger von Staat und Verwaltung aus“, sagte Scheller weiter. Ebenso habe dies Einfluss auf die Produktivität der Mitarbeitenden sowie die Gewinnung von neuem Personal.

Investitionstätigkeit schrittweise erhöhen

Dr. Tom Krebs, Professor für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim, schätzt den Investitionsbedarf für die energetische Transformation der Kommunen innerhalb der nächsten zehn Jahre auf rund 200 Milliarden Euro. Die Energiekrise sei an dieser Stelle ein Treiber gewesen, sagte er weiter. Doch am Ende lasse sich die Investitionstätigkeit der Kommunen nur schrittweise erhöhen, gab Dr. Martin Junkernheinrich vom Lehrstuhl für Stadt-, Regional- und Umweltökonomie an der RPTU Kaiserslautern zu bedenken. „Wir brauchen eine Priorisierung“, sagte er. So könne beispielsweise mit der Sanierung von Brücken nicht zehn Jahre gewartet werden, hier müsse man zeitnah beginnen. „Die kommunale Infrastruktur wurde 25 Jahre lang schleifen gelassen“, bilanzierte Junkernheinrich. „Das können wir nicht in zehn Jahren aufholen.“

Klimamanagementsteuerung über das Haushalts- und Rechnungswesen

Leitbild & Vision für das Klimamanagement entwickeln

Strategie

Ziele & Maßnahmenplan ableiten

Maßnahmen- und Budgetpläne aktualisieren

Jahresabschluss mit Einschätzung Klimamanagement im Rechenschaftsbericht erstellen Zielerreichung überprüfen und feststellen

Steuerungsmaßnahmen nach Bedarf ergreifen

Rechnung

(Produkt-)Ziele und -Kennzahlen entwickeln, Finanzplan aufstellen

Haushalt inkl. Ziele & Kennzahlen (SDG) einbringen, Schwerpunkte im Vorbericht darstellen

Planung Vollzug

Haushalt inkl. Input (Ressourcen) & Output (Zielkennzahlen) beschließen

Maßnahmenplan umsetzen und Haushalt vollziehen Unterjährige Berichtspflicht zu produktorientierten Zielen und Kennzahlen wahrnehmen

Quelle: Eigene Darstellung

haltige-entwicklung-vor-ort/ projektnachrichten/sdg-indikatoren-fuer-kommunen-dritte-auflage)

Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Kommunalbericht 2023,

Hessischer Landtag, Drucksache 20/11686 vom 21. November 2023, S. 178 ff. Der vollständige Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof. hessen.de abrufbar.

Raus aus den Schulden?

NRW­Lösung für die Altschuldenlast der Kommunen (BS/sl) Nordrhein-Westfalen gehört mit satten 21 Milliarden Euro zu den Bundesländern mit den höchsten Altschulden. Bisher war es auch das einzige Bundesland, welches noch keine sinnvoll umsetzbare Altschuldenlösung für seine Kommunen vorgelegt hat. Dies hat sich im Juni geändert: Mit einem Eckpunktepapier möchte die schwarz-grüne Landesregierung das Problem angehen. Geplant ist, ab 2025 jährlich über einen Zeitraum von 30 Jahren hinweg 250 Millionen Euro für die verschuldeten Kommunen bereitzustellen. Damit sollen insgesamt 7,5 Milliarden zusammenkommen. Diese Gelder werden aus der Grunderwerbssteuer entnommen, an der auch weiterhin die Kommunen beteiligt werden, wie das Land erklärt. Da diese Einnahmen aber nicht einmal die Hälfte betragen, woher soll der fehlende Betrag kommen? Hierzu beruft sich das Eckpunktepapier auf das vom Bund geäußerte Angebot, die Hälfte der aufgenommenen Liquiditätskredite selbst zu übernehmen. Damit sollen den betroffenen Kommunen über die gesamte Laufzeit hinweg insgesamt 15 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin, Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grüne), erklärt die Wichtigkeit der Lösung: „Unsere Kommunen sind der Maschinenraum der Demokratie. Hier erleben Bürgerinnen und Bürger ganz konkret Politik, hier hat Politik tagtäglich Einfluss auf ihren Alltag.“ Aus diesem Grund müsse eine funktionierende öffentliche Infrastruktur selbstverständlich sein, da sie auch das demokratische Fundament sichere.

Detailfragen noch ungeklärt Einige Fragen bleiben bei dem vorgestellten Eckpunktepapier allerdings noch offen. Wie hoch wird die Eigenbeteiligung der Kommunen sein? Unklar ist auch noch, ob der Bund zu seinem Wort steht und die Hälfte der Schulden übernimmt.

Dieser Punkt ist auch für andere Länder von Interesse, denn auch wenn hier schon viele Altschuldenlösungen geplant wurden, könnten auch sie von der Förderung des Staates profitieren. Doch noch bleibt auch in noch zu führenden Gesprächen über die Details offen, ob das Eckpunktepapier den Anforderungen der Bundesregierung entspricht. So kritisiert Finanzminister Christian Lindner (FDP), dass das Land NRW auch keinen Plan zur Verhinderung von Neuverschuldungen in seinem Papier vorgelegt habe. Für eine Genehmigung des Plans benötigt NRW nicht nur eine Mehrheit im Bundestag, der Bundesrat müsse im letzten Schritt auch einer damit einhergehenden Gesetzesänderung zustimmen. Allgemein sind sowohl NRW als auch die Bundesregierung im Zugzwang, denn beide Regierungen hatten sich in ihren Koalitionsverträgen der Lösung der Altschuldenproblematik verschrieben. Doch gibt es nicht von allen Seiten positiven Zuspruch zu dem Ansatz, den NRW nun gewählt hat. So legte das Land bereits 2023 einen ersten Vorschlag vor, der allerdings mit harscher Kritik bedacht wurde, da dieser faktisch vorsah, dass Kommunen ihre Schulden zur Gänze selbst abtragen sollten. Einen ähnlichen „Etikettenschwindel“ sieht Bernhard Daldrup von der SPD-Fraktion auch beim aktuellen Lösungsvorschlag: Denn dadurch, dass das Land die Mittel aus der Grunderwerbssteuer entnehmen wolle, nehme es den Kommunen dadurch langfristig viele Mittel, die ihnen eigentlich zustehen würden.

Über den Investitionsstau der Kommunen diskutierten Prof. Dr. Martin Junkernheinrich von der RPTU Kaiserslautern, Prof. Dr. Tom Krebs von der Universität Mannheim, Prof. Dr. Carsten Kühl, wissenschaftlicher Direktor des Difu, Dr. Katja Rietzler, Referatsleiterin Steuer­ und Finanzpolitik bei der Hans­Böckler­Stiftung und Dr. Matthias Kollatz, Finanzsenator a.D. der Stadt Berlin (v. l.). Foto: BS/Walter

Trotz der dadurch drohenden, massiven Veränderungen in der stationären medizinischen Versorgung stehen praktisch alle Fachverbände und auch die kommunalen Spitzenverbände hinter dem Ziel einer Modernisierung der Versorgungsstrukturen in diesem Bereich. Allen Beteiligten ist bekannt, dass dem System ohne jegliche Veränderungen spätestens mittelfristig der Kollaps droht.

Warum lehnt aber dennoch der Deutsche Landkreistag (DLT) und mit ihm die Landkreise und die vielen anderen kommunalen Gebietskörperschaften gerade in den Gebieten außerhalb der Ballungsräume die vom Bundesgesundheitsminister vorgelegte Reform ab?

1. Sehenden Auges und mit der geplanten Reform im Hinterkopf verweigert die Bundespolitik seit fast zwei Jahren allen Krankenhäusern die notwendige, ausreichende Finanzierung. Dies führt dazu, dass flächendeckend fast alle Krankenhäuser in Deutschland Defizite haben. Die Landkreise in Deutschland bringen allein für ihre eigenen Krankenhäuser im Jahr 2024 einen Betrag von mindestens zwei Milliarden Euro auf, um diese vor dem Konkurs zu bewahren. Das sind Gelder, die für andere ebenso wichtige Aufgaben der Landkreise nicht zur Verfügung stehen. In einem solchen Szenario eine Reform durchzuführen, ist weder sachlich noch politisch nachvollziehbar.

2. Der Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums ist nicht mit einer auch nur ansatzweisen Beschreibung der Auswirkungen der Reform hinterlegt. Wenn man bedenkt, dass die Reform die stationäre medizinische Versorgung für jeden Menschen in Deutschland zumindest verändert, für viele ggf.

Offene

Datenplattformen spielen in der Smart City eine wichtige Rolle, indem sie Daten für verschiedene Anwendungen und Akteure zugänglich machen und die Zusammenarbeit fördern. Die Konnektivität ist dabei der zentrale Schlüssel, um den Verkehrssektor an das Internet of Things (IoT) anzuschließen und urbane Datenplattformen mit Daten zu füllen.

LPWAN (Low Power Wide Area Network)-Technologien wie NB-IoT, LoRa und Mioty bieten energieeffiziente Lösungen für Anwendungen, die geringe Datenraten und große Reichweiten ermöglichen. Diese Technologien sind ideal für die Vernetzung zahlreicher IoT-Geräte über große Entfernungen bei niedrigem Energieverbrauch hinweg, was insbesondere für batteriebetriebene Sensoren von Vorteil ist. 5G dagegen bietet sehr hohe Datenübertragungsraten und niedrige Latenzzeiten, was es ideal für Anwendungen macht, die große Datenmengen in Echtzeit übertragen müssen. Beispiele hierfür sind hochauflösende Videostreams von Verkehrskameras oder die Echtzeitkommunikation zwischen autonomen Fahrzeugen und der Verkehrsinfrastruktur.

Anwendungsfälle und deren Nutzen

Die neuen, intelligenten Technologien bieten die Chance, unsere Verkehrswege effizienter zu gestalten, um damit auch Verkehrsstaus zu reduzieren. Dabei werden Routen und Fahrpläne optimiert, aber auch Umweltauswirkungen, wie zum Beispiel Abgas- und Lärmemissionen, reduziert. Doch die Wahl der Technologie unterscheidet sich je nach Anwendungsfall.

Ohne kommunale Unterstützung

Deutscher Landkreistag lehnt Krankenhausreform ab

(BS/Jörg Freese) Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen streben noch in dieser Legislaturperiode eine umfassende Reform der Krankenhausfinanzierung an, um damit die Krankenhausstruktur in Deutschland zukunftsfähig zu machen.

Die geplante Reform der Krankenhausfinanzierung soll zwar einen Zusammenbruch des Systems verhindern, doch die Änderungspläne schaffen auch Probleme. Foto: BS/ STOATPHOTO, stock.adobe.com

zumindest subjektiv auch verschlechtert, weil die Versorgung schlechter erreichbar sein wird, ist das ein Unding. Natürlich bedarf es weiterhin einer Krankenhausplanung der Länder, sodass nicht jede Auswirkung in jedem Landkreis schon jetzt vom Bund vorhergesehen werden kann.

Aber da die Planungsspielräume der Länder durch das Gesetz deutlich eingeschränkt würden, ist es eigentlich ein Leichtes, hier jedenfalls für deutlich mehr Klarheit zu sorgen. Der Verdacht liegt nahe, dass es politisch nicht gewünscht ist, die Auswirkungen so früh bekannt werden zu lassen. Und wir befürchten mas-

siv, dass am Ende in den Landkreisen vorwiegend nur noch die sog. „sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen“ bestehen werden. Das können in einzelnen Regionen durchaus leistungsfähige medizinische Einrichtungen sein; sie sind aber längst nicht überall geeignet, gerissene Lücken in der Krankenhauslandschaft zu füllen.

Jörg Freese ist Beigeordneter beim Deutschen Landkreistag. Foto: BS/privat

3. Das gesamte Verfahren, das der Bund gewählt hat, weckt große Zweifel an einer auch zukünftig gemeinschaftlichen und zielorientierten Zusammenarbeit der öffentlichen Akteure in diesem Bereich, vornehmlich Bund, Länder und Kommunen. Vor allem wie die Verhandlungen mit den Ländern geführt worden sind, hat keine Zuversicht in ein gutes Miteinander der öffentlichen Ebenen geweckt. So wurden Absprachen mit den Ländern nicht oder nicht vollständig eingehalten. Die kommunale Ebene jedenfalls ist zudem weitestgehend außen vor

Konnektivität als Schlüssel zur Smart City

Sensoren und IoT zur effektiven Mobilität in der Stadt

(BS/Katharina Schneider/Dr. Ines Beeck) In der Smart City von heute ist die intelligente Mobilität einer der Fokusbereiche, da sie enorme Potenziale zugunsten der Umweltauswirkungen und Effizienz von Verkehrsströmen bietet. Die Nutzung von Sensorik und die Sammlung von Echtzeitdaten aus der realen Welt befähigen Kommunen, fundierte Entscheidungen zu treffen und nachhaltige Mobilitätslösungen zu entwickeln.

Intelligente

Verkehrssteuerung:

Mithilfe von 5G können Verkehrskameras Livebilder und Videos in Echtzeit an zentrale Steuerungssysteme senden. Dies ermöglicht eine dynamische Verkehrssteuerung, die Staus reduziert und die Verkehrssicherheit erhöht. Die Kameras verarbeiten die Daten häufig direkt vor Ort (Edge AI). Dadurch werden die Daten unmittelbar in der Kamera analysiert und gefiltert, was die Latenzzeiten minimiert und den Datenschutz erhöht. Da die Künstliche Intelligenz (KI) in die Kamera integriert ist, können sensible Daten bereits vor der Übertragung datenschutzkonform anonymisiert oder verpixelt werden, sodass keine nachträgliche Bearbeitung notwendig ist.

Die Strategie- und Prozessberaterin Dr. Ines Beeck ist selbstständige Unternehmerin bei Beeck Consulting - Digital. Mit. Wert.

Katharina Schneider ist Innovationsund Digitalisierungsberaterin für kommunale Unternehmen. Fotos: BS/privat

Smart Parking: Sensoren, die den Belegungsstatus von Parkplätzen überwachen, nutzen häufig NB-IoT oder LoRaWAN. Diese Sensoren sind darauf ausgelegt, lange Batterielaufzeiten zu haben und regelmäßig kleine Datenmengen zu senden, um den aktuellen Status der Parkplätze zu melden. Smart City Systems verwenden diese Technologien, um den Parkplatzsuchverkehr zu reduzieren und die Effizienz der Parkplatznutzung zu verbessern. Neben den LPWAN-Technologien werden im Smart Parking auch Kameras eingesetzt, die 5G nutzen, um hochauflösende Videodaten in Echtzeit zu übertragen. Diese Kameras sind besonders in dicht besiedelten Gebieten oder bei komplexen Verkehrsflüssen vorteilhaft, da sie große Datenmengen schnell verarbeiten und weiterleiten können. Elektromobilität und IoT: Die Förderung von Elektromobilität ist ein wesentlicher Bestandteil der Mobilitätswende. Durch den Einsatz von IoT-Technologien, wie z. B. LoRa, können Ladeinfrastrukturen intelligent verwaltet werden. Sensoren und vernetzte Systeme überwachen den Zustand und die Verfügbarkeit von Ladestationen, optimieren Ladezyklen und das Energie- und Lastmanagement

geblieben, von einigen wenigen Gesprächen mit dem Bundesminister abgesehen. Aber selbst hier hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Wert darauf gelegt, nicht nur die kritischen Spitzenverbände, sondern auch einzelne Krankenhäuser, die aufgrund eigener, ggf. erhofft positiver Betroffenheit sich abweichend äußerten, einzuladen. Dass es auf dieser Grundlage vielen politischen Akteuren schwerfällt, mit dem BMG noch politische Verabredungen zu treffen, bei denen man auch davon ausgehen kann, dass sie auch Bestand haben, ist daher nicht verwunderlich.

Fazit

Deutschland braucht eine Reform der stationären wie auch der ambulanten medizinischen Versorgung. Im Gegensatz zu anderen Bereichen, die noch stärker in kommunaler Hand liegen, erscheint bei der medizinischen Versorgung noch vieles auch strukturell und kompetenzrechtlich optimierungsfähig. Dies gilt nicht zuletzt für den Bürokratieabbau und für die altertümliche Dominanz der Kassenärztlichen Vereinigungen im ambulanten Sektor. Daher bedarf es einer Reform beider Sektoren, das hat auch der Bundesgesundheitsminister erkannt. Will man aber Versorgungsmodelle neu entwickeln, so muss es nach einer wissenschaftlichen Erarbeitungsphase einen intensiven Dialog mit denjenigen geben, die für die Versorgung Verantwortung haben. Hierzu zählen auch die kommunalen Spitzenverbände, für den Krankenhausbereich natürlich die Deutsche Krankenhausgesellschaft und andere wichtige Akteure. Wenn es nicht mehr gelingt, kurzfristig einen solchen Dialog hinzubekommen, dürfte die Umsetzung des Gesetzes, wenn es denn verabschiedet werden sollte, schwierig werden.

2024). Von den 229 laufenden Projekten gelten lediglich 14 als abgeschlossen, hingegen befinden sich 88 zumindest in der Umsetzungsphase.

und informieren Fahrer in Echtzeit über verfügbare Ladepunkte. Infolgedessen wird die Ladeinfrastruktur effizienter und zuverlässiger und damit auch der Übergang zu einer emissionsfreien Mobilität unterstützt.

Umweltüberwachung: Sensoren zur Messung von Luftqualität, Lärmpegeln und Wetterbedingungen liefern wertvolle Daten für die Verkehrssteuerung und Umweltüberwachung. Solche Sensoren nutzen oft LoRaWAN oder Mioty, um Daten über große Entfernungen zu übertragen, ohne dass eine hohe Bandbreite erforderlich ist.

Projektmanagement und Status der Smart-City-Projekte

Die Anforderungen an das Projektmanagement der intelligenten Mobilitätslösungen sind hoch. Notwendiges Fachwissen zu den Technologien erleichtert die Gespräche mit dem IT-Bereich und den Anbietern. Zudem erfordern die vielfältigen Ansprüche an Mobilitätslösungen (ÖPNV, Logistik, Rad, Autoverkehr etc.) auch ein hohes Geschick an Verhandlungs- und Kommunikationskompetenzen. Das zeigt sich auch im Bericht der bundesweit geförderten Smart-CityProjekte: Nur 12 von 65 Modellprojekten haben im Bereich Sensorik/ LoRaWAN einen abgeschlossenen Status angegeben (Stand Juni

Nachhaltigkeitsziele durch Daten und Sensorik erreichen Abschließend ist anzumerken, dass das Zusammenbringen von Umweltinformationen und Mobilitätsdaten die nächste Ausbaustufe der Konnektivität von smarten Städten ist. Erst das befähigt alle Verkehrsteilnehmenden, fundierte und nachhaltige Entscheidungen zu treffen und zu beurteilen. Eine robuste Systemarchitektur ist somit entscheidend, um die verschiedenen Komponenten einer Smart City zu integrieren und effizient zu betreiben. Dies umfasst die Sammlung, Verarbeitung und Bereitstellung von Daten in Echtzeit. Die Visualisierung dieser Daten über Dashboards, wie z. B. über das Tool Grafana, Thingsboard oder die Integration in bestehende Systeme macht die Informationen verständlich und nutzbar. Aber bis in allen Städten ein funktionierendes Sensornetzwerk läuft, vergeht vermutlich noch etwas Zeit. Anstehende Projekte können jedoch bereits jetzt auf ein breites Netzwerk an Erfahrungen zurückgreifen.

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Der neu geschaffene Fachbereich Technische Infrastruktur vereint sowohl den Hochals auch den Tiefbau unter einem Dach. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen zu optimieren und verstärkt auf projektbasiertes Arbeiten zu setzen. Diese Neuorganisation ermöglicht es, die städtischen Bauprojekte effizienter umzusetzen und die Infrastruktur unserer Stadt noch zukunftsfähiger zu gestalten. Der Fachbereich besteht zukünftig aus den drei Abteilungen „Immobilienwirtschaft“, „Mobilität und verkehrliche Infrastruktur“ und „Betriebshof“, sowie dem Eigenbetrieb Stadtentwässerung und der Parkierungsanlagengesellschaft Göppingen mbH. Für dieses Vorhaben suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine fachlich versierte und gestaltungsmotivierte

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Als Amtsleitung des Baurechts- und Denkmalamtes erwartet Sie ein interessantes und herausforderndes Aufgabengebiet im Bereich einer unteren Baurechtsbehörde. Das Amt umfasst die Aufgabenschwerpunkte Baurecht und BauPunkt, Geschäftsstelle Gestaltungsbeirat, Denkmalschutz, Wohnraumzweckentfremdung, Umsetzung der Wärmegesetze und vorbeugender Brandschutz. Es erwartet Sie eine verantwortungsvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit in Besoldungsgruppe A 15 LBesGBW bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD. Interessiert?

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Als Ansprechpartnerin seitens der Stadt Konstanz steht Ihnen unter der Rufnummer 07531 9002268 Anja Conze (Personalund Organisationsamt) zur Verfügung.

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Die Personalberatung für den öffentlichen Sektor

Setzen Sie nachhaltige Impulse für diesen Fachbereich der Hansestadt Buxtehude!

Die Hansestadt mit ihren rund 41.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist besonders. Sie liegt südwestlich von Hamburg und zeichnet sich durch eine historische Altstadt, vielfältige Kultur-, Bildungs- und Sportangebote sowie eine hohe Erholungs- und Lebensqualität aus.

Die Hansestadt Buxtehude ist eine ausgesprochen attraktive Arbeitgeberin: Eine moderne, serviceorientierte Kommunalverwaltung mit über 600 Beschäftigten, die sich mit Fachkompetenz, Kreativität und Verantwortungsbewusstsein in ganz unterschiedlichen Bereichen engagieren. Hier finden Sie eine persönliche, offene und abwechslungsreiche Arbeitsatmosphäre, die Raum für individuelle Ideen bietet, um die Hansestadt mit Ihnen weiterhin zukunftsorientiert zu gestalten.

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Fachbereichsleitung (w/m/d) für Bildung, Jugend, Sport, Soziales und Senioren

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Die kleine Hansestadt Dorsten liegt zwischen Münsterland und Ruhrgebiet und bietet eine wunderbare Mischung aus pulsierender Industriekultur und Naherholungsgebiet.

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Die Personalberatung für den öffentlichen Sektor

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Extreme

Schnellfahrer rasen

teilweise mit einem Tempo von mehr als 180 km/h durch die Stadt; auf Landstraßen werden Geschwindigkeiten von über 230 km/h erreicht, was sich durch Datenauswertungen belegen lässt. Kfz-Rennen sind ein Kontrolldelikt. Wo stärker kontrolliert wird, ergeben sich größere Zahlen. Die Polizei beobachtet die Entwicklung mit großer Sorge. Stehen als Beweismittel allein Zeugen zur Verfügung, die naturgemäß nur einen kurzen Ausschnitt des vermeintlichen Rennens wahrgenommen haben, können kaum präzise Angaben zu einem Tatvorwurf gemacht werden.

Schlüsseldaten

Moderne Verkehrssicherheitstechnologien bieten hier innovative Lösungen zur Überwachung und Reduzierung von risikoreichem Fahrverhalten. Eine entscheidende Rolle spielt die Auswertung digitaler Daten aus Fahrzeugen, wie z. B. Informationen aus dem Autoschlüssel, der Infotainment-Anlage und dem Event Data Recorder (EDR). Der Nutzbarmachung dieser Daten kommt für die Strafrechtspflege, zur Gewinnung neuer Präventionsansätze und für den Opferschutz schon heute und in Zukunft eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Um bei möglichen Verkehrsverstößen mittels eines Kraftfahrzeugs mit hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion zunächst zwischen der Verantwortung des Fahrers und der Fahrzeugregelung differenzieren zu können, ist nach § 63a StVG ein „Fahrmodusspeicher“ (Data Storage System for Automated Driving, DSSAD) vorgesehen. Überdies müssen zur dauerhaften Akzeptanz von automatisierten Fahrzeugen auch Unfälle durch neutrale Stellen aufklärbar sein. Im Einklang mit geltendem Datenschutzrecht sind mit einem weiteren Daten-

Wenn es einen auf dem Sattel eines Fahrrads erwischt, zieht man häufig den Kürzeren aufgrund der mangelnden Knautschzone. Zwar können auch Airbag-Helme oder -Rücksäcke eine Knautschzone generieren – effektiver ist die Unfallprävention. Dazu müssen die Gegebenheiten von öffentlicher Seite kommen, ein Fahrradweg oder gesetzlicher Mindestabstand sind da nicht immer der Schlüssel zum erfolg. Wenn sich 40 Prozent der Verkehrsteilnehmer auf zwei Rädern laut Fahrradmonitor des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr auf den Straßen unsicher fühlen, ist sicher noch einiges zu tun. (Mehr dazu in der Juni-Ausgabe des Behörden Spiegel S. 21.)

Wenig Platz

Natürlich ist der empfohlene Mindestabstand von eineinhalb Metern beim Überholen eines Fahrradfahrers eine gute Sache. Dies hilft aber wenig, wenn sich Autofahrer nicht daran halten oder dieses nicht einhalten können. Ausgerechnet der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV), eine weitere Säule der umweltpolitischen Verkehrswende, wird in solchen Fällen zum Risiko. Riskante und sportliche Überholmanöver können in solchen Fällen schnell zu Unfällen führen und tragen zu einem unsicheren Gefühl bei. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu unterbinden, wäre die klare Abtrennung von Radwegen von der Straße. Eine simple Erweiterung des Bordsteins zum Radweg kann in diesem Fall bereits für größere Sicherheit sorgen. Es muss also nicht unbedingt eine Barriere, ein Grünstreifen oder Ähnliches für Ab-

Kein Mangel an Beweisen

Auswertung digitaler Kfz-Daten bei Rasern

(BS/Peter Schlanstein) Illegale Autorennen sind gefährlich. Seit die verbotenen Kfz-Rennen schwerpunktmäßig polizeilich überwacht und verfolgt werden, steigt die Zahl der Feststellungen von Jahr zu Jahr. Doch es kommt auch immer häufiger zu schweren oder gar tödlichen Verkehrsunfällen, weil Raser sogar mitten in der Stadt illegale Autorennen veranstalten. Im letzten Jahr registrierte die Polizei allein in NRW 2.144 verbotene Kfz-Rennen – So viele wie noch nie. 526 davon endeten mit einem Verkehrsunfall. Das ist die höchste Zahl seit der Einführung des Straftatbestands im Jahr 2017.

Die „Blackbox“ eines Fahrzeugs, ist bei der Rekonstruktion des Unfallherganges unerlässlich und liefert Informationen, die sich anderweitig nicht einfach erschließen lassen. Foto: BS/EwaStudio, auf stock. adobe.com

speicher Fahrzeug- und Fahrdaten, Funktionszustände, Umfeld- und Objekterkennungsdaten sowie die Überwachung der Aufmerksamkeit des Sicherheitsfahrers bei einem Unfall oder einer Sondersituation durch einen „Event Data Recorder“ (EDR) aufzuzeichnen. Zur ereignisbezogenen Datenaufzeichnung hat das EU-Parlament im Rahmen einer Verordnung über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen bereits Ende 2019 (VO-[EU] 2019/2144) entschieden, dass ab Juli 2024 alle neu zugelassenen Pkws u. a. mit einem solchen EDR ausgerüstet sein müssen. Neben diesem Sammelspeicher (ohne eigene Sensorik)

bietet das Steuergerät eines ausgelösten Airbags – auch bei älteren Fahrzeugen – entsprechende Informationen, und dies schon seit Jahrzehnten.

Um einen Unfallhergang vollumfänglich rekonstruieren zu können und die eindeutige Klärung der Verantwortung zu ermöglichen, sollte – weitergehender als durch den bisherigen EDR (fünf Sekunden vor und 300 Millisekunden nach dem Crash) – die Speicherung aller notwendigen Informationen künftig mindestens 30 Sekunden vor und zehn Sekunden nach dem Unfall, falls es mehrere Kollisionen gibt, erfolgen. Denn bereits heute halten

1,5 Meter Abstand

Fahrzeuge nach einem Unfall Daten über diese letzten 40 Sekunden vor, welche über einen Permanent- bzw. Ringspeicher polizeilich bzw. sachverständig gesichert werden könnten. Wenn die Ermittlungsbehörden diese Daten zur Verfügung hätten, würden vor Gericht manche Verfahren im Urteil anders aussehen als sie heute enden. Weiterhin bieten sich auch Autoschlüssel als Datenquellen zum Fahrzeug und Fahrverhalten an. Moderne Kfz-Schlüssel sind heute weit mehr als nur einfache Mechanismen zur Fahrzeugöffnung. Viele neue Fahrzeuge nutzen schlüssellose Zugangssysteme, die mit einer Vielzahl von Sensoren und Chips ausgestattet sind. Diese Systeme können Daten über die Nutzung des Fahrzeugs erfassen, z. B. die Häufigkeit und Dauer der Fahrten sowie die Geschwindigkeit und das Bremsverhalten. Diese Daten können genutzt werden, um Fahrmuster zu analysieren und risikoreiches Fahrverhalten zu identifizieren.

Vielfalt der Daten Vorhandene, mit dem Internet verbundene Infotainment-Anlagen neuerer Fahrzeuge sammeln Informationen über die Route, die Verkehrslage und das Fahrverhalten des Fahrers. So lassen sich beispielsweise abrupte Spurwechsel, häufige Geschwindigkeitsüberschreitungen und andere gefährliche Fahrmanöver erkennen. Smart-

Wie Sicherheit für Zweiräder entstehen kann (BS/sr) Meist beschränken sich die Sicherheitsvorkehrungen, die Fahrradfahrende treffen, auf das Tragen eines Fahrradhelms. Wenn sie überhaupt welche treffen. Dabei sind die zweirädrigen Verkehrsteilnehmer für Unfälle besonders anfällig. Gerade im Stadtverkehr sind die Gefahren groß. Daher sind gerade Städte gefragt, wenn es darum geht, für die Sicherheit der Radfahrenden zu sorgen.

Auch Bonn hat im Rahmen seines Radentscheids mit der Umgestaltung begonnen. Die Stadt plant in den nächsten Jahren die Errichtung von 40 neuen Radstraßen, die mit angepassten Markierungen Sicherheit und Komfort für Radfahrende erhöhen sollen. Foto: BS/Rudolf

stand zu den anderen Verkehrsteilnehmern sorgen. Zur besseren Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen nutzt zum Beispiel die Stadt Kiel sogenannte Protections-Elemente. Daneben setzt sie auch auf Straßen, die in Fahrradstraßen umgewandelt wurden, das Einbahnstraßen-System um. Dies soll Durchgangsverkehr reduzieren und Ziel- und Quellverkehre zulassen. Es gibt also allein bei der Radführung einige Möglichkeiten, das Risiko zu vermindern.

Anders geht Stuttgart an die Problematik heran: Die Stadt pilotierte sogenannte Vorbeifahrbereiche, in denen ein sicheres Überholen ein-

phone-Apps, die sich mit modernen Fahrzeugen verbinden, erfassen Fahrdaten und können Informationen wie Fahrtdauer, durchschnittliche Geschwindigkeit, maximale Geschwindigkeit und Bremsverhalten aufzeichnen. Nach einem Unfall oder bei schweren Verkehrsverstößen sollten die gesammelten Daten zur Unterstützung der Strafverfolgung und der Unfallanalyse herangezogen werden. Durch die genaue Rekonstruktion des Fahrverhaltens sowie der unmittelbaren Fahrsituation vor und während eines Unfalls können Verantwortlichkeiten eindeutig bestimmt werden. Dies dient nicht nur der Gerechtigkeit, sondern hat auch eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Raser und Drängler. Bei dem verdächtigen Fahrzeugführer können mit fortschrittlichen Fahrerassistenzsystemen zusammenhängende Daten im Falle eines Anfangsverdachts einer Straftat regelmäßig nach den allgemeinen strafprozessualen Eingriffsbefugnissen (§§ 94 ff., 102 ff. StPO) erhoben werden. Sofern mögliche Zugangsberechtigungen vom datenbesitzenden Fahrzeugführer bzw. -halter nicht freiwillig herausgegeben werden, ist die Entschlüsselung auf technischem Wege durch § 110 StPO gedeckt. Nach dieser Vorschrift steht die Durchsicht der Daten der Staatsanwaltschaft und auf deren Anordnung auch der Polizei zu.

Peter Schlanstein, Lehrender an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VerkehrsunfallOpferhilfe Deutschland Foto: BS/privat

Neben all den technischen und baulichen Mitteln helfen auch eine gute Kenntnis der Straßenverkehrsordnung und ein gutes Fahrsicherheitsgefühl. Das gilt für Kfz- und Radfahrende gleichermaßen, schließlich gibt es auf beiden Seiten rücksichtlose Fahrer und da Fahrradfahrer im Vergleich zu Zufußgehenden auch der Stärkere sind, haben auch sie jemanden, auf den sie Rücksicht nehmen müssen. Gerade in Fußgängerzonen sollten Radfahrer umsichtig unterwegs sein.

Gegenseitige Rücksicht

Gefahrenstellen

Demnach stellen auch bei ausreichend Platz für alle Verkehrsteilnehmer, bestimmte Stellen ein erhöhtes Risiko für Unfälle zwischen Radfahrenden und Kfz-Fahrenden dar. Die Stadt Kiel setzt an Unfallschwerpunkten gezielt die Rotmarkierung von Fahrradfurten ein. Zudem prüft Kiel weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit. Beispielsweise kann die Einrichtung von getrennten Rechtsabbiegerspuren mit separater Signalisierung Abbiegeunfälle reduzieren.

fach möglich ist. Durch die Einrichtung der Vorbeifahrbereiche entfielen einige Parkplätze während des Versuchs. In Stuttgart‐Süd wurden in der Schickhardtstraße ab dem Erwin‐Schoettle‐Platz in Fahrtrichtung Schwabtunnel an einigen Stellen Radpiktogramme aufgebracht. Diese sollen dem Radverkehr mehr Sichtbarkeit gewähren. All diese Lösungen haben aber einen deutlichen Nachteil im Vergleich zu klassischen, in den Straßenverkehr integrierten Fahrradwegen. Sie brauchen Platz, welcher in der Stadt besonders wertvoll ist. Die Umgestaltung von bisherigen KfzVerkehrsfahrradspuren gilt aber als effektives Mittel, um Auto- und Radfahrende besser zu trennen.

Ein Mittel zur Stärkung des Bewusstseins ist die Bereitstellung von Informationsmaterial. In Kiel werden an, im Dialog mit den Bürgern ermittelten, Stellen zusätzliche Hinweisschilder aufgestellt, die Radfahrer über Risiken aufklären. Auch Stuttgart hat im Rahmen seines Programms „Rad nimmt Rücksicht“ an 50 Schwerpunkten, an denen sich Radfahrende und Fußgänger den Straßenraum teilen, Hinweise angebracht. Neben der Verteilung von Postkarten und der Veröffentlichung im Internet, wurden zudem Plakate in Stuttgarts Straßen sowie an S- und Stadtbahnhaltestellen aufgehängt. Auch die digitale Fahrgastinformation der Busse und Stadtbahnen der SSB werben für ein gutes Miteinander. Die Stadt bietet aber auch ein Fahrsicherheitstraining, in welchem Bürgerinnen und Bürger über Rechte und Risiken aufgeklärt werden. Gab es die Kurse anfangs nur für e-Pedelecfahrer, können sie mittlerweile von allen Fahrradnutzern besucht werden.

Trotz ihrer alltäglichen Durchführung – insbesondere von Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei – bergen Einsatzfahrten besondere, über das Normalmaß hinausgehende Unfallrisiken, denen man als Einsatzorganisation mit einem gut durchdachten Aus- und Fortbildungskonzept begegnen muss. Das oberste Ziel aller Einsatzfahrten ist immer das sichere Ankommen am Einsatzort, wo der eigentliche Einsatzauftrag zu erfüllen ist. Sicher am Einsatzort anzukommen, ist alles!

Nach allen allgemeinen Unfallstatistiken der vergangenen Jahre zeichnet der Fehlerfaktor Mensch regelmäßig für die Verursachung von mehr als 90 Prozent aller Verkehrsunfälle statistisch verantwortlich.

An erster Stelle der möglichen Fehlerquellen sind die persönlichen Voraussetzungen des Einsatzfahrers einerseits als Kompetenz und andererseits als Risikofaktor zu hinterfragen. Beide Faktoren bringt jeder individuelle Fahrer in seinen dienstlichen Alltag mit ein. Eine erste Voraussetzung ist die auf der Grundlage der Fahreignung durch theoretische und praktische Fahrausbildung erworbene allgemeine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen und ggf. speziell derjenigen für Einsatzfahrzeuge.

Zusatzkenntnisse vonnöten

Einsatzorganisationen haben es in der Hand, im Rahmen ihrer Organisation für ein sicheres Fahrklima zu sorgen. Es ist nicht zuletzt eine Frage der Einstellung des Führungspersonals zur Thematik der Sicherheit bei Einsatzfahrten, die als Grundlage für eine organisationsinterne Berücksichtigung sämtlicher Sicherheitsfaktoren sowie eine Sensibilisierung des Einsatzpersonals dienen kann. Wer an der Aus- und Fortbildung der Einsatzfahrer spart, bereitet den Boden für künftige Verkehrsunfälle bei Einsatzfahrten und ist dafür – auch juristisch – mitverantwortlich.

Die zum Führen eines Einsatzfahrzeugs formal nach den Regelungen des Fahrerlaubnisrechts notwendige Fahrerlaubnis berechtigt zwar

Sicherheit bei Einsatzfahrten

Der einfache Führerschein reicht nicht

(BS/Prof. Dr. jur. Dieter Müller) Einsatzfahrten sind für die Einsatzfahrer nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein „notwendiges Mittel zum Zweck“, um den eigentlichen Einsatzauftrag zu erfüllen. Sie stellen jedoch für alle anderen davon betroffenen Verkehrsteilnehmer als Begegnung mit einem Blaulichtfahrzeug noch immer Ausnahmesituationen im Straßenverkehr dar, auf die sie in ihrer Fahrschulzeit in der Regel nur sehr unzureichend vorbereitet worden sind.

zur Verfügung, dennoch kommt es am Ende auch auf den Fahrzeugführer an, keinen Unfall zu bauen und sicher zu fahren.

zum legalen Führen eines Einsatzfahrzeugs – auch unter Einsatzbedingungen –, jedoch vermittelt die allgemeine Fahrausbildung in einer „normalen“ Fahrschule keinerlei Kenntnisse und Fähigkeiten zum praktischen Führen eines Einsatzfahrzeugs unter dem gesteigerten Stress der Einsatzbedingungen.

Dieser Fakt wäre weniger problematisch, wenn wenigstens die fachspezifische Ausbildung des jeweiligen Berufs der Einsatzfahrer dieses not-

wendige Wissen im Anschluss oder in Ergänzung der Fahrschulausbildung vermitteln würde. Aber viele Lehrpläne berücksichtigen diesen Aspekt zumeist nur ungenügend. Lediglich ein theoretischer Überblick über die Rechtsvorschriften der §§ 35 und 38 StVO wird regelmäßig im Rahmen der Ausbildung vermittelt. Daneben erfolgt, jedenfalls in gründlich arbeitenden Dienststellen, zumindest eine praktische Einweisung in die Technik

Aufweichung der Regeln

Deutliche Kritik an Erhöhung der THC-Grenzwerte (BS/lm) Die Legalisierung von Cannabis bringt viele rechtliche Herausforderungen mit sich. Sachsen-Anhalts Innenministerin Dr. Tamara Zieschang hat nun die Erhöhung der zulässigen Grenzwerte für Tetrahydrocannabinol (THC) im Straßenverkehr kritisiert.

Nachdem der Deutsche Bundestag eine Erhöhung der zulässigen Grenzwerte für Tetrahydrocannabinol (THC) im Straßenverkehr beschlossen hat, hat Sachsen-Anhalts Innenministerin Dr. Tamara Zieschang Kritik an dem Beschluss geübt: „Höhere THCWerte konterkarieren das Ziel von ‚Vision Zero‘ im Straßenverkehr. Mit der nun beschlossenen Erhöhung des Grenzwertes werden die berechtigten strengen Regeln für Fahrzeugführer aufgeweicht. Es ist von einem erheblichen Anstieg von Fahrten unter Drogeneinfluss auszugehen. Dadurch wird das jahrelange Bemühen um mehr

Verkehrssicherheit aufs Spiel gesetzt.“ Das Innenministerium stellte klar, dass THC im Gegensatz zu Alkohol vom Körper nicht linear abgebaut wird. Dies erschwere Konsumenten der Droge die korrekte Einschätzung der eigenen Fahrtüchtigkeit und könne in der Folge zu einer vermehrten Nutzung von Kraftfahrzeugen unter dem Einfluss von Cannabis führen.

Klare Trennung zwischen Fahren und Konsum gefordert

Das Ministerium forderte, insbesondere bei Mischkonsum mit Alkohol, eine klarere Trennung zwischen dem Führen eines (Kraft-) Fahrzeugs und des Cannabiskonsums. Die Zahl der Menschen, die unter dem Einfluss von Cannabis am Straßenverkehr teilnehmen, werde durch die Legalisierung ansteigen, mutmaßte das Innenministerium. Die Erhöhung des Grenzwerts könne bei Konsumenten den Eindruck vermitteln, der Konsum geringer Mengen oder das Abwarten einer bestimmten Zeitspanne mache das Steuern eines Kraftfahrzeugs unproblematisch.

einer Lernzielkontrolle abschließt, findet – gemessen an diesen allgemeinen Maßstäben – in den meisten Einsatzorganisationen, insbesondere im Rettungsdienst und in der Freiwilligen Feuerwehr, derzeit keine Ausbildung zum Einsatzfahrer statt. Anders ausgedrückt: Nach den genannten Kriterien gibt es in Deutschland aktuell kaum ausgebildete Fahrer für Einsatzfahrzeuge. Diesem grundlegenden Mangel und Sicherheitsrisiko muss mit einem doppelten Konzept für Ausund Fortbildung begegnet werden. Persönlich verantwortlich dafür ist das Leitungspersonal der Träger der Einsatzorganisationen.

In Deutschland gibt es aktuell kaum ausgebildete Fahrer für Einsatzfahrzeuge.

der jeweils zu führenden Einsatzfahrzeuge.

Es fehlt an der Ausbildung Versteht man allerdings unter einer Ausbildung zum Einsatzfahrer ein zielgerichtetes Erlernen der erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten, das auf der Grundlage eines systematisch entwickelten Ausbildungsplanes über einen vordefinierten Zeitraum erfolgt und mit

Nur ein zweistufiges System, das aus einer soliden Grundausbildung besteht, auf die in regelmäßigen Abständen spezifische Fortbildungsangebote aufsatteln, kann als nachhaltig wirkend bezeichnet werden. Es wäre nicht nur arbeitsorganisatorisch kontraproduktiv, sondern auch schädlich für die Organisation, wenn von den Fahrern seitens der Arbeitgeber und Träger einerseits eine stets unfallfreie Fahrweise erwartet würde und andererseits die dafür notwendigen Aus- und Fortbildungsressourcen nicht zur Verfügung gestellt würden.

Prof. Dr. jur. Dieter Müller ist Professor für Verkehrsrecht an der Hochschule der Sächsischen Polizei und Vorsitzender des juristischen Beirats des Deutschen Verkehrssicherheitsrats.

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Eine Veranstaltung des

Zwar stehen mit Blaulicht und Sirene gewisse Schutzmittel
Foto: BS/Rico Löb, stock.adobe.com
Der Mischkonsum von Cannabis und Alkohol ist nur ein Faktor, der die Einschätzung der eigenen Fahrtüchtigkeit trübt. Foto: BS/Monika Zell, stock.adobe.com
Foto: BS/Robert Michalk

Wichtigster Partner für EU-Integration

Berliner Gespräch mit Albaniens Botschafterin Adia Sakiqi (BS/ps) Albanien ist mit 28.748 Quadratkilometern knapp kleiner als Belgien und hat mit 2,8 Millionen etwas mehr Einwohner als Schleswig-Holstein. Im Norden liegen Montenegro und Kosovo, östlich Nordmazedonien, südlich Griechenland und westlich – das Mittelmeer. Seit September letzten Jahres wird es erstmals, nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1987, von einer Botschafterin bei uns vertreten: Adia Sakiqi.

Die 47-Jährige ist nach ihrem Masterabschluss in Politik und Politologie u. a. Simultandolmetscherin im Brüsseler EU-Parlament, ständige Vertreterin ihres Landes bei der OVCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) in Den Haag und war vor ihrer Akkreditierung in Berlin Botschafterin in den Niederlanden. „Ich bin“, erinnert sich Frau Sakiqi, „in einer politisch intensiven Zeit nach Deutschland gekommen. Albanien hat den Sitz als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und präsidiert den ,Berliner Prozess‘, eine diplomatische und entwicklungspolitische Initiative von 2014, um die Länder des Westbalkans auf ihrem Weg zur europäischen Integration zu unterstützen und die regionale Zusammenarbeit zu fördern. Die Initiative konzentriert sich auf sechs Westbalkanstaaten: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien – und involviert auch verschiedene EUMitgliedstaaten sowie EU-Institutionen.“

Enge Verbindung zwischen Kosovo und Albanien

Seit der Unabhängigkeit des Kososvo 2008 gibt es diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Beide Staaten sind durch die albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo kulturell, gesellschaftlich und wirtschaftlich eng verbunden. Die Vereinigung der Albaner in einem einzigen Staat ist eine immer wieder geäußerte Forderung. „Ich habe erklärt“, stellt Botschafterin Sakiqi klar, „dass der ,Berliner Prozess‘ diese dann einleiten wird, wenn beide Staaten Mitglied in der Europäischen Union sind.“ Ganz oben auf der Tagesordnung stehe daher die Umsetzung des von der EU-Kommission vorgeschlagen Wachstumsplans für die albanische Wirtschaft und die schrittweise Einbeziehung der Volkswirtschaften des westlichen Balkans in den Binnenmarkt. Man werde im Herbst dieses Jahres mehr von der Umsetzung des Wachstumsplans hören, da Deutschland dann den Vorsitz über den „Berliner-Prozess“ habe und sein zehnjähriges Bestehen feiere, so die Botschafterin.

Die seit 37 Jahren bestehenden deutsch-albanischen Beziehungen kennzeichnet eine intensive Partnerschaft, auch wenn es um die EU-Integration Albaniens geht. Positiv dürfte es hierfür sein, dass die Wirtschaft des Landes sich erholt und so mehr für deutsche Investoren interessanter wird. Tirana will den EU-Wachstumsplan für den westlichen Balkan umsetzen, um der ganzen Region dessen Vorteile aufzuzeigen, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und um die dringend benötigte sozioökonomische Konvergenz zu beschleunigen – bevorzugt europäisch.

Die Europäische Union gilt als wichtigster politischer und wirtschaftlicher Partner Albaniens. So gingen 2019 beispielsweise rund 75 Prozent der albanischen Exporte in die EU, 60 Prozent der Importe kommen aus der EU. Die EU-Unterstützung der albanischen Wirtschaft gibt es seit den 1990erJahren.

„2023 war für uns in jeder Hinsicht ein gutes Jahr. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes lag bei rund 3,30 Prozent und wird 2024 wohl 3,08 Prozent betragen. Neben der Wirtschaft haben sich die öffentliche Sicherheit, Dienstleistungen und Investitionen erfreulich entwickelt, wobei den Bau-, Dienstleistungsund Tourismussektoren dabei eine Schlüsselrolle zukommt und vor allem Letzterer viel für unser An-

„Albanien

Albaniens hierzulande gibt und es sich allmählich zu einem beliebten Top-Touristenziel entwickelt. Das Land hat viel zu bieten, aber ist noch nicht vom Massentourismus überrannt. Unsere Besucher können daher immer noch unberührte Naturschönheiten, einzigartige Kultur und authentische Erlebnisse genießen. Im Übrigen werden wir 2025 das Gastgeberland auf der ITB (Internationalen Tourismusbörse Berlin, d. Red.) sein.“

Albanien macht seine Hausaufgaben

Seit 2014 ist Albanien EU-Beitrittskandidat und hofft, durch konsequente Reformanstrengungen auf seinem Weg zur EU-Integration voranzukommen. Die Justizreform ist die gründlichste Reform seit Jahren und wird als großer Erfolg für die Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit gewertet. Tirana hat das Screening-Verfahren bei der Europäischen Kommission zwischen September 2022 und November 2023 erfolgreich abgeschlossen und sich verpflichtet, das EU-Regelwerk bei den Rechtsstaatsprinzipien, der Privatisierung von staatlichem Besitz und der Umstellung auf die Marktwirtschaft, der Modernisierung der Exekutive und anderer demokratischer Institutionen umzusetzen und anzuwenden.

ist wie das Florida Südosteuropas, ein Drehkreuz, das viel zu bieten hat und nah an Deutschland liegt.“

sehen bewirkt.“ Sie ist sich sicher, dass es umso besser wird, je mehr Touristen unsere langen Strände, wilden Flüsse, faszinierenden Berge und Landschaften sehen. „Ich freue mich, dass es einen positiven Trend bei der Wahrnehmung

„Wir verhandeln entschlossen in Brüssel und machen unsere Hausaufgaben. Albanien ist wie edas Florida Südosteuropas, ein Drehkreuz, das viel zu bieten hat und nah an Deutschland liegt. Es gibt daher gute Gründe für deutsche Unternehmen, bei uns zu investieren: Unsere strategische Lage, an der sich viele Straßen der Balkanregion kreuzen und sehr gute Verbindungen schaffen, junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte und wettbewerbsfähige Besteuerungen und Anreizinitiativen für Investoren.“

Obwohl die Wirtschaft seit Ende des Kommunismus 1990/91 regelmäßig wächst und bedeutende Schritte zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen

Lage gemacht werden, zählt das Land weiterhin zu den ärmeren in Europa, das der Krieg in der Ukraine empfindlich trifft. Zum einen durch den Rückgang des regionalen Handelsniveaus, insbesondere mit russischen oder serbischen Waren, zum anderen durch den Anstieg der Nachfrage und der Erwartungen in Albanien und im Kosovo an schnellere Fortschritte bei der Integration Albaniens in die EU und des Kosovos in die NATO, der Albanien seit 2009 angehört. Innenpolitisch könnte die Krise dazu führen, dass das Bedürfnis nach Stabilität die Regierung von Edi Rama trotz der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage stärke, sagt Sakiqi. Die Botschafterin ist in Deutschland angekommen und macht, wie es scheint, einen sehr guten Job als Chefdiplomatin: freundlich, direkt, zuvorkommend und in der Sache charmant standhaft. Ein englischer Botschafter-Kollege habe einmal gesagt: „Wir sind so etwas wie die obersten Werbeträger unseres Landes.“ Auch darin ist die eloquente Botschafterin perfekt. Sie fände es „toll mal für ein paar Stunden in den Schuhen von Außenministerin Annalena Baerbock zu stecken. Wir sind dankbar für die Unterstützung, die sie bei der Inklusion

Rezept der Botschafterin

der Länder Südosteuropas leistet. Hinzufügen möchte ich noch, dass mich mein Mandat hier in Deutschland sehr freut und ich hoffe, dass es in den kommenden Jahren mehr Geschäfte, mehr kulturellen Austausch, größere Aufmerksamkeit, bessere Wahrnehmung und mehr junge Menschen gibt, die als zirkuläre Migranten arbeiten und ihr Leben zwischen Albanien und Deutschland teilen. Es ist nur zwei Flugstunden entfernt.“

Botschafterin Adia Sakiqi möchte Deutschland von der Schönheit ihres Landes überzeugen. 2025 wird Albanien das Gastgeberland auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) sein.

Foto: BS/Botschaft von Albanien

Tavë Kosi (Gebackenes Lamm in Joghurtsauce – ein albanisches Nationalgericht) Zutaten für 4 Personen: 200 g Basmati-Reis (Wildreis-Mix), Salz, 400 g Lammhüften, 3 Knoblauchzehen, 500 g Joghurt (10 Prozent Fett), 3 Eier, 10 Stiele Petersilie, 4 Stiele Oregano, 2 EL Pflanzenöl, 1 EL Butter, Pfeffer, Muskat (frisch gerieben), 1 Zitrone, (Auflaufform etwa 30 cm Ø)

Zubereitung: Die Wildreismischung in leicht gesalzenem Wasser garen. Inzwischen die Lammhüfte etwa 1 cm groß würfeln. Knoblauch fein hacken. Joghurt und Eier verquirlen. Petersilie und Oregano grob schneiden. Öl und Butter in einer hohen Pfanne erhitzen. Lammfleisch zugeben und rundum etwa 5 Minuten scharf anbraten. Pfanne vom Herd nehmen. Lammfleisch, Wildreis, Knoblauch, Joghurt-Ei-Masse und die Hälfte der Kräuter untermischen. Mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss würzen. Tavë Kosi in eine ofenfeste Auflaufform (etwa 30 cm Ø) geben und im vorgeheizten Backofen bei 180 Grad (160 Grad Umluft) auf der mittleren Schiene etwa 30 Minuten backen. Zitrone abspülen, trocknen und in Spalten schneiden. Tavë Kosi aus dem Backofen nehmen, leicht abkühlen lassen, mit den restlichen Kräutern bestreuen und mit den Zitronenspalten servieren.

Der Skanderbeg-Platz in Tirana seinen Namen von dem albanischen Nationalhelden Georg Kastriota, der Skanderbeg genannt wurde. Er war ein Fürst aus einer albanischen Adelsfamilie, der im 15. Jahrhundert unter anderem gegen die Osmanen gekämpft hatte. Foto: BS/Sergii Figurnyi, adobe.stock.com

Digitaler Staat

www.behoerdenspiegel.de

Das Münchner Software-Unternehmen SUMM AI hat ein gleichnamiges KI-Tool entwickelt, das behördliche Texte in Leichte Sprache übersetzt. Dass das Wort „Leichte“ dabei großgeschrieben wird, ist keine Marketing-Entscheidung, sondern bezieht sich auf den DIN-Norm-Begriff, der eine spezielle sprachliche Ausdrucksweise und besonders einfache Verständlichkeit beschreibt: Leichte Sprache eben. Damit das SUMM-AI-Sprachmodell diese beherrscht und komplexe Texte vereinfachen kann, wurde es „mit einem eigens kuratierten Trainingsdatensatz, der mehr als 6.000 Beispiele von Leichte-Sprache-Übersetzungen enthält“, trainiert, erklärt CEO und Co-Founder Flora Geske. „Diese Beispiele haben unsere Sprach-Expertinnen und -Experten händisch und mit größter Sorgfalt erarbeitet“, so die Start-up-Gründerin. Ein Teil der Trainingsbeispiele sei noch einmal durch Menschen „aus der Zielgruppe von Leichter Sprache“ auf ihre Verständlichkeit geprüft worden.

Sprachbarrieren abbauen

„Unser Ziel: dass möglichst viele Menschen wichtige Informationen verstehen.“
Flora Geske, CEO SUMM AI

Aus Behördenlatein mach Bürgerdeutsch

(BS/Christian Brecht) Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung. Das wohl längste Wort des deutschen Behördenwortschatzes ist ein Extrembeispiel. Doch wer hierzulande einmal seine Steuererklärung gemacht hat, weiß: Viele Fachbegriffe und Satzkonstruktionen sind von Otto Normalbürger kaum zu begreifen. Diese ewige Hürde zwischen Verwaltung und Volk kann mittlerweile verkleinert werden – natürlich mit Künstlicher Intelligenz (KI).

„Wir vier brechen Sprachbarrieren, vom Hamburger Hafen bis zum Wiener Praterstern“, rappte die Linzer Band Texta vor einem Vierteljahrhundert. Musikfans und Freunde launiger österreichisch-deutscher Missverständnisse sind jedoch nicht die von Geske gemeinte primäre Zielgruppe. Wer dann? „Menschen mit Lernschwierigkeiten“, bringt es Lena Baumann-Merkel auf den Punkt. Die Redakteurin ist tatsächlich nahe des Hamburger Hafens beheimatet, regelt die Online-Kommunikation für die Pressestelle des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg –und nutzt SUMM AI. Das Tool werde „für das Stadtportal hamburg.de genutzt“, erklärt Baumann-Merkel „Durch eine Schnittstelle kann es in das Content Management System der Stadt eingebunden werden. So können Texte, die bereits auf hamburg.de veröffentlicht sind, direkt in Leichte Sprache übertragen werden“, führt sie weiter aus. Die Übersetzung eines Textes dauere bis zu fünf Minuten, anschließend müsse der Text noch redaktionell bearbeitet und Bilder eingefügt werden. Je nach Länge und Komplexität des Artikels dauere die gesamte Bearbeitung zwischen 30 Minuten und zwei Stunden. Der große Vorteil dieses Verfahrens ist offensichtlich: die Geschwindigkeit. Es könnten „mehr Texte und insbesondere Texte von nur kurzer Aktualität veröffentlicht werden“, so BaumannMerkel. Aktuelle Meldungen wie die Warnung vor dem Schwimmen in der Elbe könnten den Bürgerinnen und Bürgern Hamburgs schnell bereitgestellt werden. Auch denen, die sich mit komplexerer Sprache schwertun. Folgerichtig, dass Baumann-Merkel auch für die Inklusionsstelle arbeitet.

SUMM AI: Die überarbeiteten Texte werden per Feedback-Button zurück ans Unternehmen geschickt, die KI dadurch weiter trainiert. Mit Erfolg auf mehreren Ebenen: Eine Beispielrechnung der Stadt Aschaffenburg, deren Verwaltung ebenfalls auf das Tool setzt, habe gezeigt, dass die Umsetzung von Pressemitteilungen in Leichte Sprache mit SUMM AI rund 90 Prozent günstiger sei als bei Beauftragung manuell arbeitender Übersetzerinnen und Übersetzer, so Geske Vor allem aber würden viele Kommunen unmittelbar den Mehrwert einer einfacheren und effizienteren Kommunikation erkennen. Deren Resultate seien vollständig eingehende Anträge, weniger Rückfragen und weniger Frust bei den Bürgern. Spätestens an dieser Stelle hilft Text- und Sprachvereinfachung der Verwaltung nachhaltig.

Text zu Bild

Ein noch so perfekter Text ist heutzutage allerdings nicht alles. Auch die visuelle Aufbereitung eines Artikels ist wichtig, um das Interesse der Leserschaft zu wecken: mit dem

90 Prozent günstigere Übersetzung Zur kontinuierlichen Verbesserung der Textergebnisse steht die Senatskanzlei in ständigem Austausch mit

„Mit dem Tool können insbesondere Texte von kurzer Aktualität veröffentlicht werden.“

Lena Baumann-Merkel, Pressestelle des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg

passenden Bild. Im Rahmen eines gemeinsamen Projekts des Hamburger Senats und den KI-Entwicklern wird daher an einer automatisierten Bebilderung gearbeitet. SUMM AI soll zukünftig auch eigenständig Bilder auswählen und – wenn kein passendes Bild in der Datenbank vorhanden ist – selbst eines erstellen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert. Wo kommt SUMM AI an seine Grenzen? „Je fachspezifischer und komplexer der Text, desto schwieriger ist der Inhalt zu verstehen und zu vereinfachen“, beschreibt Geske, wo sich ihr Tool schwertut. KI ist eben auch nur ein Mensch. SUMM AI sei „auf Behördentexte spezialisiert und leistet hier sehr gute Übersetzungen“. Probleme habe das Tool bei hochtechnischen oder juristischen Fachtexten – noch. Das Training läuft. Gibt es übrigens mal keine geläufige Wortalternative für einen Fachbegriff, arbeitet SUMM AI mit Begriffserklärungen, die an passender Stelle hinzugefügt werden. Zudem gibt es laut Geske die Option, dass bestimmte Wörter von den Nutzenden ausgeschlossen und nicht vereinfacht werden. Um juristisch auf der sicheren Seite zu sein, ersetzt der vereinfachte Text den ursprünglichen auch nie komplett, sondern wird zusätzlich angeboten.

Per Disclaimer wird den Usern kommuniziert, dass der Ausgangstext Rechtsgültigkeit besitzt und der Leichte-Sprache-Text eine zusätzliche Verständnishilfe darstellt.

Gestärkte Barrierefreiheit ab 2025 SUMM AI und vergleichbare KI-Tools entlasten nicht nur

Verwaltungsmitarbeitende und ermöglichen schnelleren Informationsfluss. Die Tools werden auch vorausschauend eingesetzt: Ab dem 28. Juni 2025 greift das Barrierefreiheitsstärkungsgesetzv (BFSG), das den European Accessibilty Act (EAA) in nationales

Recht umsetzt. Die EU-Richtlinie soll die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern stärken, indem sie Barrieren abbaut und für mehr Inklusion und Teilhabe sorgt. Mit „barrierefrei“ sind in diesem Fall keine physischen Barrieren gemeint wie etwa Rampen für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer, sondern einfach zugängliche und verständliche technische Produkte und Dienstleistungen. Dazu gehören beispielsweise Laptops und Smartphones, die Programme auf ebendiesen Geräten – und Texte. Damit auch Behördensprache kein Selbstzweck ist, sonern den Menschen mehr Zugang bietet: zu „Bildung, Förderung, Erwerbstätigkeit und gesellschaftlichem Diskurs“, wie Geske es zusammenfasst.

Illustration: BS/Hoffmann unter Verwendung von ptasha, chathuporn, Fotomay, stock.adobe.com

„Hessenhat bundesweit den Platz drei bei der OZG-Umsetzung erreicht“, freute sich die Hessische Ministerin für Digitalisierung und Innovation, Prof. Dr. Kristina Sinemus, auf dem Kongress Hessen Digital. Insbesondere die Kommunalverwaltungen und IT-Dienstleister spielten hier eine zentrale Rolle. Die Ministerin verkündete weiterhin große Pläne: „Ende der Wahlperiode sollen alle Verwaltungsleistungen online zur Verfügung stehen.“ Das sei insbesondere angesichts „knapper Kassen“ eine Herausforderung und erfordere systematisierte und einheitliche Abläufe, zum Beispiel für die Nachnutzung von EfA-Leistungen. Zudem müssten auf Bundes-

Alles digital bis 2028

Ministerin Sinemus hat große Pläne

(BS/Anna Ströbele) Mit der Finanzierung des OZG 2.0 und der Registermodernisierung zeigte sich Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus (CDU) unzufrieden. Trotzdem müsse die Digitalisierung der Verwaltung weitergehen. Dafür fragt das Land seine Kommunen nach Hürden und erprobt den Einsatz von KI in der Landesverwaltung. Zudem müsse die Nachnutzung von EfA-Leistungen systematisiert werden.

nichts geändert. Auch das Nationale Once-Only-Technical-System (NOOTS) müsse Sinemus zufolge für die Registermodernisierung umgesetzt werden und auch hier gebe es noch Uneinigkeiten bezüglich der Lastenverteilung. Aktuell würden in Hessen die kommunalen Bedarfe ermittelt,

„Ende der Wahlperiode sollen alle Verwaltungsleistungen online zur Verfügung stehen.“

ebene erst „die richtigen Bedingungen“ geschaffen werden, forderte Sinemus in Anspielung auf das Onlinezugangsänderungsgesetz (OZG 2.0). Die Ministerin kritisierte hier eine fehlende Beteiligung des Bundes in der Finanzierung. Im nun beschlossenen Gesetz wurde daran

Ein Punkt sei die Haushaltslage, erkläre Holger Klötzner, Dezernent für Digitalisierung und Bildung bei der Stadt Darmstadt. Aufgrund der Haushaltskonsolidierung seien nicht mal mehr zehn Prozent Eigenanteil bei 90 Prozent Fördersumme bei Digitalisierungsvorhaben zu stemmen. Auf dem Kongress Hessen Digital forderte er eine Fokusänderung. Leuchtturmprojekte, wie das Projekt „Schlaues Wasser“, seien erstmal gestoppt worden. Mit „Schlaues Wasser“ sollte das städtische Wassermanagement dem Klimawandel angepasst und Darmstadt zur Schwammstadt werden. Die Probleme werden indes nicht weniger: „In den nächsten zehn Jahren gehen 30 bis 40 Prozent der Mitarbeitenden in den Ruhestand“, so Klötzner. Allerdings gebe es in der Verwaltung wenige automatisierte Prozesse und viel „People Power“. Das bekämen die Bürgerinnen und Bürger zu spüren. Die Wartezeiten in den Bürgerämtern für Termine betrügen so schonmanchmal meh-

bekräftigte die Ministerin. Dafür erkundige sich die Landesregierung in den Kommunen nach deren Umsetzungsproblemen, seien sie technisch, finanziell oder Kompetenzen betreffend. All diese Bereiche seien schließlich notwendig, um volldigitale Prozesse zu erreichen. Ziel

sei, den Kommunen zuzuhören und anschließend Unterstützung anzubieten. Andere Initiativen des Hessischen Digitalministeriums

umfassten das Projektcontrolling, Cloud-Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 100 Millionen Euro in den letzten Jahren sowie Pi-

Darmstadts Digitalvorsprung reißt ab

Leuchtturmprojekte auf Innovativität und Nachnutzung prüfen

(BS/sp) Darmstadt war früher ein Beispiel für eine innovative Digitalpolitik. Mittlerweile macht die Stadt in Digitalrankings eher Rück- als Fortschritte. Während sie 2017 mit dem Projekt „Digitalstadt Darmstadt“ noch den Bitkom-Wettbewerb „Digitale Stadt“ gewann, landete die Stadt 2023 nicht mal mehr in den Top Ten des Bitkom-Rankings. Die Gründe dafür sind leicht gefunden.

rere Wochen. Der Dezernent sieht die Digitalisierung als „Schlüssel zum Erfolg“. Der aktuelle negative Trend sei demokratiegefährdend. Dies sei auch ein Grund für den Aufstieg von Populisten.

Städtedreieck setzt digitale Standards

Um gegen die negative Entwicklung zu arbeiten, verbündet sich Darmstadt mit anderen Städten wie Frankfurt und Wiesbaden im sogenannten „Rhein-Main-Dreieck“. In diesem Dreieck sollen auch Standards entstehen, die dann für andere Kommunen genutzt werden können. „Nicht jede Stadt muss das

Rad neu erfinden“, erklärt Klötzner Des Weiteren zeigte er sich erleichtert, dass die Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus (CDU) die Stadt „aktiv unterstützt“ und bewertete es positiv, dass das Digitalministerium aufgewertet wurde.

Der Dezernent erklärte, dass Darmstadt auf kurze Sicht weitere Plätze im Digitalranking verlieren werde. Dennoch habe er ein gutes Gewissen, weil aktuell dort investiert werde, „wo es sich lohnt“. Auch auf den Bereich der Verwaltungsdigitalisierung versuche man nun stärker den Fokus zu setzen.

In der Konkurrenz rund um das Thema Fachkräftemangel muss die Stadt sich anders präsentieren:

„Mit TVöD kann man im Wettbewerb schwer mithalten“, so Klötzner. Stattdessen versuche man, im Bereich New Work zu punkten. Hier werde versucht, koalitionsübergreifend mit dem neuen Oberbürgermeister u. a. durch Homeoffice und Shared-Desk-Angebote die Tätigkeitsfelder attraktiver zu gestalten.

Ambivalente Leuchtturmprojekte

Dass die Stadt Darmstadt Leuchtturmprojekte wie „Schlaues Wasser“ erst einmal gestoppt hat, liegt auch an der Umstrittenheit dieser Projekte. Ralf Sagroll, Leiter der Stabsstelle Digitalisierung der Stadt Frankfurt, erklärte in Bad Homburg, dass die Entwicklungs-

lotprojekte für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Landesverwaltung. „Der eine oder andere kennt vielleicht den Chatbot Sophia, der Fragen auf dem hessischen Verwaltungsportal beantwortet. Wir haben aber auch Entscheidungstools entwickelt“, teilte Sinemus mit. Und im Finanzministerium sei KI bereits zur Bekämpfung von Steuerkriminalität eingesetzt worden. Bei diesen Themen müssten die IT-Sicherheit und der Datenschutz mitgedacht werden. Gleichzeitig will die Digitalministerin die Mitarbeitenden weiterbilden, zum Beispiel über die Angebote des KommunalCampus oder der Hochschule RheinMain. D16 soll politische Linien vorgeben Die neue Digitalministerkonferenz „D16“ stellt für die hessische Digitalministerin eine Ergänzung zum IT-Planungsrat dar. Sie soll „grobe politische Linien“ vorgeben. Dabei sei die Verwaltungsdigitalisierung nur eines von vielen Themen. So soll sich die D16 auch mit Fragen zur Digitalwirtschaft, Infrastruktur und der Zukunft der Arbeit beschäftigen. Sinemus würde sich wünschen, dass sich auch in anderen Ländern ein Ministerium zuständig nur für digitale Themen etablieren würde. „So wäre es möglich, bei diesen verschiedenen Themen in der Digitalministerkonferenz an einem Strang zu ziehen“, glaubt die Ministerin. Auf Bundesebene sollte ein „waschechtes Digitalministerium“ in der nächsten Regierung als Vorbild für die Länder dienen.

Prof. Dr. Kristina Sinemus (CDU) Städte zu digitalisieren, kostet eine Menge Geld, wie Holger Klötzner von der Digitalstadt Darmstadt weiß.

Die Referentinnen und Referenten tauschten sich im Fachforum darüber aus, was sie am OZG 2.0 ändern würden und was sie rückblickend anders gemacht hätten.

kosten von Leuchtturmprojekten oft nicht auf mehrere Kommunen verteilt würden. Dadurch könne Unwirtschaftlichkeit entstehen. Ferner könne es vorkommen, dass Leuchtturmprojekte zwar realisiert würden, aber nachfolgend keine Ressourcen mehr zur Verfügung stünden, um Lösungen nachhaltig umzusetzen. Sagroll sieht die Zukunft von Smart Cities bedroht: „Ohne personelle und finanzielle Unterstützung wird das Thema Smart Cities an Bedeutung verlieren. Kommunen werden zukünftig vermehrt mit der Umsetzung von gesetzlichen Gundlagen wie dem OZG-Änderungsgesetz, eiDAS und der EUDI-Wallet beschäftigt sein“, so Sagroll. Deshalb forderte er, nur die Förderung von Leuchtturmprojekten zu ermöglichen, bei denen es Hoffnung auf Nachnutzung gebe. Dabei seien Überlegungen zu Anwendungsfällen, die die Lebensqualität von Bürgerinnen und Bürgern verbesserten, in den Blick zu nehmen.

Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus will die Nachnutzung von EfA-Leistungen systematisieren. Foto: BS/Proll
Dr. Karen Verbist (Stadt Marburg) präsentierte ein Tool zum Wirkungscontrolling.

Behörden Spiegel: Wie profitieren letztlich Bürgerinnen und Bürger von der Einführung von LowCode/No-Code in der öffentlichen Verwaltung?

Christian Rupert Maierhofer: Low-Code/No-Code-Plattformen tragen erheblich zur Zugänglichkeit und zum Komfort bei. Sie ermöglichen zudem schnellen und jederzeitigen Zugang zu Verwaltungsdiensten und verbessern die Interoperabilität von Daten.

Viele erfasste Stammdaten müssen nicht erneut eingegeben werden und Anwendungen können benutzerfreundlicher gestaltet und leichter zugänglich gemacht werden. Bürgerinnen und Bürger haben so die Möglichkeit, Verwaltungsdienste unkompliziert online zu nutzen, ohne sich mit komplexen Anmeldeprozessen oder schwer verständlichen Formularen auseinandersetzen zu müssen.

Dies erleichtert den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen erheblich und reduziert den Aufwand für persönliche Besuche bei Behörden. Die schnelle Entwicklung und Implementierung von Anwendungen durch Low-Code/No-Code-Technologien bedeutet, dass neue Dienste und Updates schneller zur Verfügung stehen. Dadurch können Bürgerinnen und Bürger rund um die Uhr auf Verwaltungsdienste zugreifen. Egal ob Antragstellungen, Informationsbeschaffung oder Terminvereinbarungen – alles ist jederzeit online möglich.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist die erhöhte Transparenz und Barrierefreiheit. Anwendungen, die mit Low-Code/No-Code entwickelt wurden, können so gestaltet werden, dass sie den Bedürfnissen aller Bürgerinnen und Bürger gerecht werden. Dies fördert die Inklusion und stellt sicher, dass niemand von öffentlichen Dienstleistungen ausgeschlossen wird.

Darüber hinaus können Verwaltungsprozesse transparenter gestaltet werden, sodass Bürgerinnen und Bürger besser informiert sind und den Status ihrer Anträge jederzeit nachvollziehen können.

„Low-Code/

No-Code-Plattformen tragen erheblich zur Zugänglichkeit und zum Komfort bei.“

Behörden Spiegel: Könnten Sie uns hierfür ein praktisches Beispiel nennen?

Maierhofer: Sehr gerne. Ein Beispiel für die Verbesserung von Zugänglichkeit und Komfort ist sicherlich die Anmeldung eines Hundes zur Steuererhebung in der Stadt Bonn. Der aktuelle Prozess ist nur teilweise digitalisiert. Die Anmeldung erfolgt zwar über das städtische Onlineportal, doch der weitere Ablauf ist hybrid. Circa zwei Wochen nach der Onlineanmeldung erhält der Antragsteller ein schriftliches Bestätigungsschreiben mit dem Hinweis, dass die Steuererhebung in zwei Monaten per separater Post erfolgen wird. Dies verdeutlicht, dass in Bonn bislang lediglich das Formularwesen digitalisiert wurde, während die Prozesse unverändert geblieben sind. Mit einer Low-Code-Plattform könnte dieser Prozess gänzlich digitalisiert werden, ohne große Abhängigkeit von Externen. Bürgerinnen

Wende in der deutschen Verwaltung

Einführung von Low-Code/No-Code in der Softwareentwicklung

(BS) Trotz der enorm hohen strategischen Bedeutung ist es lange Zeit nicht gelungen, einheitliche Standards für die Softwareentwicklung innerhalb der deutschen Verwaltung zu etablieren, die Interoperabilität sowie effiziente Wartung und Betrieb ermöglichen. Die Folge war eine Vielzahl individuell entwickelter Softwarelösungen, die nicht nur in ihrer Wartung eine Herausforderung darstellen, sondern auch die Betriebskosten erheblich in die Höhe treiben. Um diesem entgegenzuwirken, zielt die neueste Initiative darauf ab, durch die Einführung des Plattformgedankens für die Verwaltung Standardisierung in der Softwareentwicklung zu erzwingen. Diese Plattform unterstützt nicht nur den Betrieb in der Cloud, um große Bürgerbeteiligungen zu ermöglichen, sondern gewährleistet auch den sicheren lokalen Betrieb für sensible Daten. Die Einführung von Low-Code/No-Code verspricht nicht nur ein bis zu siebenfach schnelleres Go-to-Market, sondern ermöglicht auch die Wiederverwendung von entwickelten LEIKA-Modulen, was die Erstellungskosten des Fachverfahrens erheblich senkt. Der Behörden Spiegel sprach zu diesem Thema mit dem Leiter des Competence Centers für Digitalisierung des IT-Systemhauses Bechtle Bonn/Köln, Christian Rupert Maierhofer. Die Fragen stellte Guido Gehrt.

und Bürger hätten den Vorteil, im Portal alle Anträge und deren Bearbeitungsstand einsehen zu können. Durch Appian können sämtliche Legacy-Backend-Systeme in einer benutzerfreundlichen Form präsentiert werden. Die derzeitigen hybriden Prozesse entlasten die öffentliche Verwaltung nicht wirklich. Es ist mit dem Einbau eines Apple CarPlay in einen alten VW Käfer zu vergleichen – schneller wird das Fahrzeug dadurch nicht.

Behörden Spiegel: Wie genau wird die Low-Code-Plattform die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung beschleunigen?

Maierhofer: Grundsätzlich gibt es bei einem Entwicklungsprojekt drei Herausforderungen. Budget, Zeit und – die größte von allen dreien – die Fachkenntnisse der Entwickler. Dank der neuen Ausschreibung ist das Budget nahezu gelöst. Mit 22 Euro pro Monat für Vollanwender, einen Euro im Monat für Nebennutzer und einer kostenlosen Nutzung für Bürgerinnen und Bürger sprechen wir von Rabatten, die über 90 Prozent liegen. Im Hinblick auf die Zeit bietet Low-Code erhebliche Vorteile, da die Fachverfahrensentwicklung im Schnitt 16-mal schneller ist. Die Herausforderung der Fachkenntnisse ist einzigartig, denn hier wird das Wissen der Verwaltungsmitarbeiter so weit genutzt, dass sie selbst sowohl Masken als auch Workflows mit Leichtigkeit umsetzen. Es geht darum, den Übergang von „Ich benutze Software für meine Arbeit“ zu „Ich designe Software, die automatisiert arbeitet“ zu schaffen – eine sinnvolle Umwidmung personeller Ressourcen in der Verwaltung. Der Föderalismus hat uns eine Vielzahl von Varianten beschert, die jedoch mit Appian ohne Änderungen eins zu vier an andere Behörden weitergegeben werden können. Zudem ist die Updatefähigkeit bei Änderungen im Verfahren gewährleistet und kann eigenständig vorgenommen werden. Alles ist durchdacht, um der Digitalisierung einen wirklichen Booster zu verleihen.

Behörden Spiegel: Welches Potenzial bietet sich dadurch für die Entlastung der Beschäftigten sowie die Prozessvereinfachung?

Maierhofer: Low-Code-Lösungen von Appian lassen sich einfach an aktuelle Anforderungen anpassen, ohne dass komplexe Programmierungen erforderlich sind, langwierige Testszenarien durchgeführt werden müssen und viele verschiedene Prozesse in ihren unterschiedlichen Versionen parallel betrieben werden können – alles auf einer einzigen, einfach zu wartenden Plattform. Ein anschauliches Beispiel: Ein Förderprogramm wird im Laufe seiner Existenz mehrfach angepasst, etwa während der Corona-Pandemie. Dabei ist es entscheidend, wann ein Antrag gestellt wurde. Das würde im traditionellen Sinne bedeuten, dass die Software bei jeder Änderung komplex angepasst werden muss. Auf einer LowCode-Plattform hingegen können Anpassungen per Klick vorgenommen und die neue Version online gestellt werden. Alte, laufende Anträge sind davon nicht betroffen und funktionieren wie geplant. Allein dieses Szenario bietet erhebliche Kosteneinsparungen.

„Unser Ziel war es, ein starkes Zeichen zu setzen – einen echten Booster.“

Behörden Spiegel: Welche öffentlichen Stellen können diesen Rahmenvertrag abrufen?

Maierhofer : Interföderal, das heißt, dass ganz zum Schluss alle öffentlichen Stellen, sei es Bund, Land, Kommune oder Stadt, selbst oder über Sammelstellen, diesen Rahmenvertrag abrufen können. Es kann sich auch nachgemeldet werden.

Behörden Spiegel: Wie hoch ist die Summe im Rahmenvertrag für die Lösungen der Low-Code-Plattform? Wie viele Verfahren lassen sich damit umsetzten oder wie viel Nutzende können davon profitieren? Lässt sich dies näher beziffern?

Behörden Spiegel: Nicht alle Prozesse lassen sich aber über Nacht digitalisieren.

Maierhofer : Appian Projekte haben einen anderen Ablauf als klassische Entwicklungsprojekte. Während in traditionellen Projekten monatelang über funktionale und nicht funktionale Anforderungen diskutiert wird, kann mit Appian sofort losgelegt werden. Sobald der Zweck des Fachverfahrens klar ist, können sich Verwaltungsfachangestellte direkt mit dem Arbeitsablauf beschäftigen und diesen auf der Plattform erstellen. Mit der Vorgehensweise CMT (Customer Mixed Teams) stellen wir Experten zur Verfügung, die gemeinsam mit den Ressourcen der Behörden das Fachverfahren erstellen. Ein Onboarding erfolgt im Vorfeld durch kostenlose Online-Schulungen und Zertifizierungen. Die Aufgabenverteilung zwischen komplexen und einfachen Tätigkeiten passt sich dabei zunehmend den Fähigkeiten der Behörde an. Am Ende sind die meisten Kunden in der Lage, ihr Fachverfahren eigenständig zu betreuen und Optimierungen vorzunehmen. Nur in seltenen Fällen übernimmt der Dienstleiter alle Aufgaben während des Projekts und danach.

Maierhofer: 150 Millionen Euro. Mit dem Budget sind dank extrem günstiger Preise mehr Leistungen möglich als ursprünglich erwartet. Diese Vergabe bezieht sich ausschließlich auf Lizenzen. Basierend auf den Appian-Preisen wären das 200.000 Hauptnutzer, fast fünf Millionen Verwaltungsnutzer und 85 Millionen Bürger – auf ein Jahr gerechnet. Sobald eine Behörde lizenziert ist, kann diese damit jedes Fachverfahren umsetzten, also ist die Antwort: unendlich viele. Eine Ausschreibung für die Erstellung und Integration von Applikationen ist bereits in der Vorbereitung und wird uns nach den Sommerferien erreichen. Die letzte Ausschreibung zu diesem Thema wird Unterstützungsleistungen im Rahmen des Hostings der Plattform betreffen und richtet sich an Kunden, die nicht die kostenfreie Appian Cloud nutzen möchten, welche vom BSI mit C5 testiert wurde.

„Appian-Projekte

haben einen anderen Ablauf als klassische Entwicklungsprojekte.“

Behörden Spiegel: Was unterscheidet Sie von den Mitbewerbern?

Maierhofer: Unser Ziel war es, ein starkes Zeichen zu setzen – einen echten Booster. Daher wollten wir die Besten mit dem günstigsten Preis sein. Dies ist uns gelungen, sehr zum Erstaunen unserer Mitbewerber, die mit einem solchen Preisniveau nicht gerechnet haben. Wir fühlen uns sehr wohl in unserer Dreiergruppe. Mit ServiceNow haben wir ein sehr partnerschaftliches Verhältnis, insbesondere aufgrund ihrer Expertise im ITSM-Markt. Da sehen wir ServiceNow auch eher verortet als in der Erstellung von komplexen Fachverfahren. Ihre Low-Code-Fähigkeit resultiert aus ihrer Service-Management-Expertise und ist daher nicht mit der Qualität von Appian im Bereich Intelligent Case Management vergleichbar. Wenn sich Kunden nicht entscheiden können, empfehlen wir, mit beiden Produkten ins Rennen zu gehen und das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Pega Systems kommt aus einem ähnlichen Bereich wie Appian, was in einigen Punkten leider zu ähnlich ist. Dieses Unternehmen steht in den USA jedoch vor einer Patentschutzklage und betrieblicher Spionage im Wert von zwei Milliarden Euro. Appian hat sich für 500 Millionen den Streitwert versichern lassen und ist damit auf der sicheren Seite. Ich denke, die Fakten sprechen für sich.

Christian Rupert Maierhofer, Leitung AV Software Solutions 360° (Competence Center für Digitalisierung) beim Bechtle IT-Systemhaus Bonn/Köln. Foto: BS/Bernadett Yehdou
Die Digitalisierung hat in der Medizin Innovationen wie den 3-D-Druck von Organen möglich gemacht. Einen vergleichbaren technologischen Quantenspung kann der Einsatz von Appian für die öffentliche Verwaltung bringen. Foto: BS/iStock/Devrimp

Die FITKO versteht sich als Plattform und Treiber der föderalen IT-Kooperation. Die Bund-LänderAnstalt betreut aktuell 15 Produkte des IT-Planungsrats. Dazu zählen beispielsweise das Unternehmenskonto oder die Behördennummer 115. Darüber hinaus finanziert sie über ihr Digitalisierungsbudget zahlreiche Projekte und Anwendungen, die unter anderem Verwaltungsmitarbeitenden die digitale Antragsverarbeitung erleichtern. Zudem ist sie in zentrale Gremien des IT-Planungsrats zu digitalen IT-Infrastrukturfragen wie das neu geschaffene IT-Standardisierungsboard eingebunden. Als Vorsitzende des Architekturboards ebnet sie gemeinsam mit allen Beteiligten den Weg zu einer sicheren, interoperablen und resilienten IT-Referenzarchitektur. Mit dem Produkt FIT-Connect hat die FITKO zum Beispiel eine Lösung geschaffen, die eine medienbruchfreie Kommunikation zwischen IT-Systemen der Wirtschaft und Fachverfahren der Verwaltung ermöglicht.

Fit für eine modernisierte Verwaltung

Bedienungsfreundliche und sichere Verwaltungsanwendungen, die den Alltag für Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltungsangestellten spürbar vereinfachen, sind eine Zielsetzung der aktuell bearbeiteten föderalen Digitalstrategie des IT-Planungsrats. Kern des Reorganisationsprozesses der FITKO ist, das hoheitliche Gremium in die Lage zu versetzen, dieses Wirkungsziel zu erreichen. Dazu entsteht ein umfassender Bereich für Auftragsmanagement, Controlling und Kapazitätsmanagement, das die Ressourcen der FITKO gezielt entlang der strategischen Prioritäten einsetzt. Wenn es nach den Planungen der FITKO geht, wird das Management künftig mit einem Foresight-Monitoring kombiniert, um auch Erkenntnisse zu künftigen technologischen, rechtlichen und

Wer diesen Film im Schnelldurchlauf verfolgt, wird ein konstantes Element in jedem Frame erkennen: Wie kaum eine Organisation baut die FITKO im Wandel auf ihre Werte und nutzt sie als aktiven Baustein in ihrer Change-Kommunikation und im Recruiting. Denn: Herausforderungen von schnellwachsenden Organisationen sind vielfältig. Der Erwartungsdruck von innen und außen steigt. Bekannte und etablierte Prozesse ändern sich, während laufend neue Menschen in die Organisation eingeführt werden. Die Kommunikationswege müssen sich im Wachstum und Change neu finden. Werte schaffen hier Orientierung und einen gemeinsamen

Die FITKO

Der Umsetzungsmuskel der Digitalisierung im Trainingslager

(BS/Dr. André Göbel) Im Auftrag des IT-Planungsrats schafft die FITKO (Föderale IT-Kooperation) die Rahmenbedingungen für eine moderne und digitale Verwaltung. Seit ihrer Gründung im Jahr 2020 hat sie sich in ihrer Rolle als einzige mandatierte Partnerin aller Verwaltungs- und Politikebenen fest etabliert. Mit meinem Amtsantritt als neuer Präsident im November vergangenen Jahres geht der Aufbau in eine neue Phase. Es wird ein neues Steuerungsmodell eingeführt und verprobt sowie ein querschnittlicher Bereich für Auftragsmanagement, Controlling und Kapazitätsmanagement aufgebaut. Dafür macht sich die Organisation jetzt warm.

prozessualen Entwicklungen mit in den Entscheidungsprozess des Gremiums rund um IT-Infrastruktur und Produktfragen einzubeziehen. Ob dies gelingt, wird der künftige Wirtschaftsplan zeigen. Aber eine

verfügbaren Kapazität auf die jeweiligen Projekte und Vorhaben verteilt werden. Auch im Bereich der Produkte ist eine Zusammenführung in Produktgruppen vorgesehen. Auf diese Weise werden Synergien zwi-

Standardisierungsfragen soll künftig noch stärker die Community bis hin zur kommunalen Ebene einbezogen werden.

Im Dialog mit der Community Neben Formaten wie „Die FITKO stellt vor“, in dem regelmäßig Entwicklungen und Projekte aus dem digitalen Verwaltungsbereich präsentiert werden, wird es weitere Veranstaltungen rund um die Vorhaben und Produkte des IT-Planungsrats geben. Ziel ist, in den Dialog mit Fachanwenderinnen und -anwender zu kommen, die die Umsetzung der Beschlüsse des IT-Planungsrats letztlich tragen und deren Feedback für die Fortentwicklung von unschätzbarem Wert für alle politisch und fachlich Verantwortlichen ist.

Zusätzliche Kompetenzen ausgeschrieben

schaffen. Mitarbeitende aus Berlin, Hamburg, Münster und weiteren Städten und Regionen arbeiten für die FITKO. Die Organisation ist inzwischen sehr offen für Bewerberinnen und Bewerber aus der ganzen Bundesrepublik, die an der Mission einer zukunftsfähigen Verwaltung mitarbeiten möchten.

IT-Expertinnen und -Experten werden über alle Branchen hinweg stark gesucht. Wie die FITKO mit dem Recruiting umgeht und den Wandel von einer kleinen Aufbauorganisation zu einer agilen Umsetzungsagentur für den IT-Planungsrat meistert, erfahren Sie im Beitrag unten.

solche Vorprüfung dürfte in vielfacher Hinsicht die Folgekosten von Digitalinvestitionen verbessern.

Agile Strukturen Neben dem Aufbau des Bereichs für Auftragsmanagement, Controlling und Kapazitätsmanagement wird ein flexibler Pool aus bereichsübergreifenden Expertinnen und Experten entstehen. Der Pool bündelt die internen und externen technischen, fachlichen und rechtlichen Kompetenzen, die entsprechend der

schen den Produkten gehoben und in ein standardisiertes Produktmanagementmodell überführt. Die proaktive Weiterentwicklung entlang des Lebenszyklusmodells wird in Abstimmung mit den jeweiligen Architektur- und Standardisierungsexpertinnen und -experten aus dem Pool ausgeführt. Auf diese Weise sollen eine nachhaltige, interoperable Produktlandschaft und das Ökosystem befördert werden. In die Produktentwicklung und den Austausch zu Architektur- und

Um die Strukturen aufzubauen und Entlastung zu schaffen, schreibt die FITKO verschiedene Personalprofile aus. Die Organisation mit Sitz in Frankfurt sucht deutschlandweit aktuell Personen für IT-Koordination, Produktmanagement, Projekt- und Communitymanagement sowie für die Koordination von IT-Standardisierung und Vergabemanagement. Teil der Reorganisation ist auch der Ausbau der eigenen IT-Infrastruktur. Schon jetzt sind für das agile und föderal verteilte Arbeiten die Voraussetzungen durch flexible Arbeitszeiten und einen hohen Homeoffice-Anteil ge-

FITKO-Werkstattbericht

Auf dem Weg zur digitalen Umsetzungsagentur

(BS/Ulrike Czech) Wenn man die Geschichte der FITKO (Föderale IT-Kooperation) betrachtet, kann man es kaum glauben, dass es sie erst seit vier Jahren offiziell gibt. Denn in der kurzen Zeit hat die Organisation schon verschiedene Transformationen erlebt. Gerade war sie noch eine kleine Einheit bestehend aus den Gründern und Gründerinnen, die sich aufgemacht haben, die Digitalisierung der Verwaltung im Auftrag des IT-Planungsrats voranzutreiben. Im nächsten Moment hat sie schon die Größe eines Kleinunternehmens. Momentan nimmt die Bund-Länder-Anstalt Anlauf für ihren bisher größten Sprung zu einer agilen Umsetzungsagentur. Bis Ende 2024 wird sie auf rund 100 Mitarbeitende anwachsen.

Ausgangspunkt. Das Charmante: Sie knüpfen an den tragenden Elemente einer Organisation an: die Mitarbeitenden.

Werte wachsen mit Das FITKO-Team hat sich von Beginn an Werte für die Zusammenarbeit und den Austausch gegeben. Dazu zählen Werte wie Offenheit, Transparenz und Wertschätzung. Veränderungsprozesse lassen sich einfacher meistern und die Bereitschaft dafür ist auch größer, wenn sich Mitarbeitende darauf verlassen können, dass die vereinbarten Werte wie Transparenz leitend sind bei der Einführung von neuen Strukturen, Hierarchieebenen, Abstimmungswegen oder neuen Teamzusammensetzungen.

Zugleich legt die FITKO Wert auf einen kontinuierlichen Austausch darüber, wie die Umsetzung von Werten auch in neuen Arbeitsumgebungen gelingt. Beispiel Offenheit: Während in der Vergangenheit eine offene Bürotür signalisiert hat: „Ich bin ansprechbar, komm gerne vorbei“, braucht es auch in der dezentralen und digitalen Zusammenarbeit eine Entsprechung. Sei es, dass man sich im internen Kom-

munikationstool auf „grün“ stellt oder die Organisation ein Format einführt, bei dem Mitarbeitende einander zugelost werden, um sich kurze digitale Kennenlern- und Austauschtermine im Arbeitsalltag in den Kalender zu setzen.

Werten Zeit, Raum und Formate geben

Um solche Veränderungen gut zu begleiten, hat die FITKO ein WerteTeam eingerichtet. Das Team entwickelt Formate, um im regelmäßigen Austausch mit der Belegschaft Werte zu prüfen und zu diskutieren sowie um neue Mitarbeitende einzubeziehen. Im organisationsübergreifenden Jour fixe bietet das Team unter dem Titel „Wertvor12“ beispielsweise einen kurzen Impuls zur Reflektion der Werte im eigenen Handeln und Führen an. Daneben organisiert sie Austauschformate zur (kreativen) Auseinandersetzung mit Werten. Einmal im Quartal lädt das Team alle Neuzugänge ein, sich mit den Werten und der FITKO-Kultur weiter vertraut zu machen (siehe Infobox „Sechs Tipps für die wertebasierte Organisationsentwicklung“). All das ist nur möglich, da die Füh-

rung dahintersteht. Denn Formate brauchen Zeit und Raum im Tagesgeschäft.

Werte in Führung und Personalentwicklung einbetten Damit Werte auch nachhaltig gelebt werden, sind sie im Führungsleitbild und dem Personalentwicklungsmodell der FITKO verankert. Die Führungskräfte übernehmen in der Vermittlung von Werten eine Schlüsselrolle und tragen zu ihrer Institutionalisierung bei. Auf diese Weise werden sie zur DNA der Organisation, die vom Onboarding über den gesamten Karriereverlauf für Mitarbeitende spürbar ist.

Werte sind auch bei der Suche nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wichtig. Das Versprechen ist dann nicht nur ein sicherer Job an einem wichtigen Projekt für die Gesellschaft. Für Bewerberinnen und Bewerber ist auch eine angenehme Arbeitsatmosphäre mit jederzeit ansprechbaren Kolleginnen und Kollegen und Führungskräften immer wichtiger.

Werte als Differenzierungsmerkmal im Recruiting Deshalb ist gerade im Kontakt mit Bewerberinnen und Bewerbern das Vorleben der Werte essenziell: Die FITKO setzt auf effiziente Bewerbungsprozesse. Denn Zuverlässigkeit transportiert sich durch eine schnelle und klare Kommunikation mit den Bewerbenden und eine kurze Reaktionszeit und transparente Auskunft zu den einzelnen Schritten. Auf diese Weise kann ein wertebasierter Organisationsansatz insbesondere im umkämpften Markt der IT-Fachkräfte den Unterschied im Recruiting machen.

Sechs Tipps für die wertebasierte Organisationsentwicklung

1. Zeit nehmen, gemeinsame Werte zu definieren

2. Eigenes Werte-Team einrichten

3. Regelmäßige Impulse in übergreifenden und Bereichs-Jour-fixes setzen

• Umfrage zu Werte-Ranking: „Welcher Wert ist von besonderer Bedeutung?“

• Anleitung zur Selbstreflektion, wie Werte im Arbeitsalltag gelebt werden

• Anregen, sich mit Kollegen und Kolleginnen zu Stärken auszutauschen

4. Regelmäßige Austauschformate zu Werten und ihrer Anpassung anbieten

5. Wer te- und Organisationskulturvorstellung in Onboarding integrieren

6. Wer te in Führungsleitbild und Personalentwicklungsinstrumente aufnehmen

Dr. André Göbel ist Präsident der FITKO (Föderale IT-Kooperation). Foto: BS/FITKO
Ulrike Czech ist Leiterin der Abteilung Dialog & Strategie bei der FITKO. Foto: BS/FITKO

Die

Beschlüsse zum Smart-City-Stufenplan waren für viele überfällig, denn die Digitalisierung der Stadt- und Regionalentwicklung steht seit Jahren im Schatten des Onlinezugangsgesetzes. Umso größer war die Freude vieler Digitalisierungsbeauftragter in den Städten, als die Ampel-Koalition 2021 die Entwicklung des Smart-City-Stufenplans beschloss. Dieser Stufenplan umfasst nun zwei bedeutende politische Vorhaben für die digitale Stadt- und Regionalentwicklung: den Smart-City-Marktplatz sowie ein Smart-City-Kompetenzzentrum Smart-City-Marktplatz

Noch in diesem Jahr soll ein digitaler Smart-City-Marktplatz an den Start gehen. Dieser Marktplatz wird die zentrale Anlaufstelle sein, bei der Kommunen alle technologischen Lösungen für eine vernetzte Stadt finden können. Ob es sich um Open-Source-Lösungen oder proprietäre Software handelt: Hier sollen alle Angebote verfügbar sein. Kommunen haben Zugang zu Angeboten sowohl von kommunalen Unternehmen als auch von Start-ups und globalen Playern. Ein Marktplatz funktioniert aber nur dann optimal, wenn er sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager attraktiv ist. Das bedeutet, dass Kommunen hier ein möglichst breites Spektrum an Lösungen vorfinden sollten. Wie wichtig eine solche einfache, leicht zugängliche Plattform für Smart-City-Lösungen ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. In den letzten Jahren haben Bund und Länder fast eine Milliarde Euro in Smart-City-Programme investiert. Die Idee war dabei immer die gleiche: Eine Kommune entwickelt eine Lösung, die dann auch von anderen genutzt werden kann. Doch dieses System funktioniert kaum und die Erfolge sind ernüchternd. Im EU-Vergleich liegt Deutschland bei der Digitalisierung der öffentlichen Hand 15 Jahre zurück. Diesen Rückstand werden wir nicht aufholen, indem wir weiterhin nur Modellprojekte, Leuchtturmprojekte und Modellregionen fördern. Haushaltskürzungen werden zukünftig auch keine großen Förderprogramme mehr zulassen. Stattdessen müssen Kommunen bei der Anwendung markterprobter und etablierter Lösungen unterstützt werden. Dass der neue Stufenplan fordert, dass Kommunen einfacher Zugang zu solchen Lösungen bekommen, ist daher ein klares und wichtiges politisches Signal. Der Smart-City-Marktplatz kann noch in diesem Jahr an den Start gehen, da er auf dem bereits bestehenden Marktplatz „Deutschland Digital“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums basiert und für Angebote der Privatwirtschaft geöffnet wird. Allerdings ist der Begriff „Marktplatz“ etwas irreführend: Auf der Plattform können Kommunen weder Beschaffungen tätigen noch Ausschreibungen durchführen. Weder der Smart-City-Stufenplan noch der Marktplatz können die großen rechtlichen Hürden des Vergaberechts umgehen. Vielmehr dient der Marktplatz als Orientierungshilfe für digitale Lösungen, die schon heute angewendet werden können.

Smart-City-Kompetenzzentrum mit IT-Expertise

Um dem großen Unterstützungsbedarf der Kommunen nachzukommen, soll zum anderen ein auf föderalen Strukturen basierendes Kompetenzzentrum etabliert werden. Dieses Zentrum wird zentral Wissen sammeln, bewerten und systematisch nutzbar machen. Dabei sollen die bestehenden Strukturen in den Ländern und beim Bund einbezogen werden. Eine bessere

Smart-City-Stufenplan beschlossen

Nimmt die Digitalisierung der Kommunen nun endlich mehr Tempo auf?

(BS/Michael Pfefferle) In den vergangenen neun Monaten haben Expertinnen und Experten unterschiedlicher Bundesministerien, der Ampel-Koalition, ausgewählter Länder, der kommunalen Spitzenverbände und der Wirtschaft am SmartCity-Stufenplan gearbeitet. Beschlossen wurde dabei die Gründung eines Smart-City-Kompetenzzentrums sowie eines Smart-City-Marktplatzes. Die Ansätze sind lobenswert und ein wichtiges Signal. Ob sie erfolgreich sein werden, hängt aber von der richtigen Ausgestaltung ab.

wird auch in

Vernetzung von Beratungsangeboten und vorhandenem Wissen soll Synergieeffekte schaffen. Das neue Kompetenzzentrum soll sich stärker an den Bedürfnissen der Kommunen orientieren als bisherige Strukturen. Die Erfahrungen der letzten Jahre in der Smart-City-Förderung haben deutlich gemacht, dass es in Deutschland nicht an akademischen Konzepten für Stadtentwicklung mangelt, sondern an praxisorientierter Beratung für Kommunen. Das Beispiel der Koordinierungs- und Transferstelle

Michael Pfefferle ist

Bereichsleiter Smart City & Mobility beim Bitkom. Foto: BS/Bitkom

des Bundesbauministeriums zeigt, dass Kommunen zwar Unterstützung bei der Stadtentwicklung brauchen, aber noch mehr bei der Umsetzung digitaler und technologischer Lösungen. Die Smart-CityEntwicklung in Deutschland wird nicht vorankommen, wenn Konzepte nur aus der Perspektive der Stadtentwicklung betrachtet und umgesetzt werden. Seit Jahren fordern Kommunen mehr praxisorientierte und technologische Beratung für Smart-City-Lösungen von Bund und Ländern. Das dies nun auch im Zuge des Stufenplans von der Politik erkannt wurde, ist ein Erfolg. Das Kompetenzzentrum kann mit expliziter Digital- und Technologieexpertise diese Lücke schließen.

Offene Punkte

Sowohl beim Marktplatz als auch beim Kompetenzzentrum bleiben viele operative und finanzielle Fragen offen. Das Bundesinnenministerium hat signalisiert, dass vier Marktplätze aus dem OZG fusioniert werden sollen. Dabei sollte frühzeitig geprüft werden, welche Beziehung zwischen den OZGMarktplätzen und dem Smart-CityMarktplatz bestehen wird. Während der neue Smart-City-Marktplatz auf bestehenden Strukturen von „Deutschland Digital“ aufbauen kann, gestaltet sich der Start des Smart-City-Kompetenzzentrums schwieriger. Der Beirat hat das Kompetenzzentrum politisch beschlossen, aber die konkrete Finanzierung muss nun zwischen Bund und Ländern abgestimmt werden.

Beide sind jedoch von Haushaltskürzungen betroffen. Die Digitalministerkonferenz der Länder wird sich im Oktober mit der Finanzierung befassen, der Ausgang ist un-

gewiss. Dass die Ampel-Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode ein neues Kompetenzzentrum vorweisen kann, ist sehr unwahrscheinlich.

Viele offene Fragen und Kritikpunkte

Der Erfolg des Stufenplans liegt nicht nur in den beiden Beschlüssen zum Kompetenzzentrum und Marktplatz, sondern auch in der politischen Arbeit des verantwortlichen Gremiums. Erstmals trafen sich Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen und Wirtschaft, um über die Rahmenbedingungen der digitalen Stadtentwicklung zu sprechen. Doch so löblich der Ansatz ist, so viele offene Fragen und Kritikpunkte gibt es. Denn die politischen Vorhaben eines Kompetenzzentrums und Marktplatzes sind an sich nicht neu.

Auf über 30 Seiten wiederholt der

Mehr zum Smart-City-Marktplatz auf der diesjährigen Smart Country Convention vom 15.-17. Oktober in Berlin.

Stufenplan zudem Erkenntnisse der Smart-City-Entwicklung der letzten 15 Jahre, was nicht notwendig gewesen wäre. Bei Bewerbungen von Kommunen um Smart-City-Fördermittel bei Bund und Ländern ist das „Innovationspotenzial“ stets ein entscheidender Indikator. Ebenso wären mehr politische Innovation und Mut im Smart-City-Stufenplan wünschenswert gewesen.

Mit dem Smart-City-Stufenplan und dem Koalitionsvertrag erhielte die digitale Stadtentwicklung erstmals die dringend benötigte politische Bedeutung. Entscheidend ist jedoch, dass die Vorschläge auch umgesetzt werden. Ansonsten droht der Smart-City-Stufenplan erneut zu zeigen, dass wir in Deutschland zwar Europameister darin sind, Konzepte und Strategiepapiere zu schreiben – nicht jedoch darin, einfach mal loszulegen. Was jetzt zählt, ist die Umsetzung.

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Die digitale Stadtentwicklung
diesem Jahr wieder eines der Kernthemen der Smart Country Convention in Berlin sein. Foto: BS/Messe Berlin

Mittlerweile sind viele Muster des Scheiterns bei der digitalen Transformation erkennbar. Hier sind beispielhaft typische dieser „Anti-Pattern“ kurz beschrieben:

1. IT-Abbildung analoger Prozesse – aus Papier wird PDF Mit der digitalen Bearbeitung von Formularen bleiben mögliche Vorteile der Transformation konsequent ungenutzt. Insbesondere bleiben Effizienzgewinne aus. Teilweise ergibt sich sogar eine Verschlechterung der Arbeitssituation der Verwaltungsmitarbeiter durch die unsinnige digitale Nachahmung analoger Prozesse.

2. Digitale Transformation nach dem Vorbild des Hausbaus Bei diesem IT-getriebenen Muster steht die Bottom-up-Transformation und Implementierung von Infrastruktur, Basiskomponenten, Fachkomponenten und Fachverfahren im Fokus. Die Transformation ist aufgrund der Eins-nach-dem-anderen-Vorgehensweise langsam und wird oftmals durch technologische Entwicklungen überholt.

3. Die Umsetzung beginnt erst, wenn alle Anforderungen bekannt sind Fehlende Priorisierung und der Wunsch, jede Anforderung vollumfänglich zu kennen, verschiebt den Beginn der Transformation ins Ungewisse.

4. Digitalisierung erfolgt aus der Verwaltungsinnensicht Bei der Transformation stehen Fragestellungen im Vordergrund, die die internen Fragen und Anforderungen der Verwaltung in den Vordergrund stellen. Die Sichtweise und die Nöte der Bürger und Unternehmen werden allenfalls unzureichend berücksichtigt. Im Ergebnis ergibt sich eine inkonsistente Digitalisierung wie beispielsweise fehlende digitale Rückkanäle oder digitale Identitäten mit geringer Nutzerakzeptanz.

Holistisch denken, agil transformieren Vor dem Hintergrund der skizzierten Muster lassen sich Handlungsweisen ableiten, die eine rasche und erfolgreiche Transformation ermög-

W

ährend Länder wie Estland, Großbritannien, Singapur oder die USA in der Digitalisierung ihrer Verwaltung beeindruckende Fortschritte gemacht haben, stockt es bei uns an vielen Ecken und Enden. Beim Blick ins Ausland kommt häufig: „Wir sind aber anders. Das würde bei uns nicht funktionieren.“ Das sehe ich anders. Estland ist das meistgenannte Vorbild, wenn es um „E-Irgendwas“ geht. Und häufig wird direkt dagegengehalten: in Estland leben gerade mal 1,3 Millionen Menschen. Die gut 84 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik und unsere föderale Struktur machen Digitalisierung ungemein komplexer. Also sollten wir nur andere große Flächenländer betrachten? Ich bin überzeugt: Die Mischung machts! Bei tiefergehender Auseinandersetzung mit Digitalisierung in anderen Ländern müssen wir berücksichtigen, welche Modelle und Herangehensweisen primär als Inspiration dienen sollten und was

Mehr Tempo!

Woran scheitert eine schnelle Digitalisierung der Verwaltung?

(BS/Dr. Stefan vom Brauk*) Die Digitalisierung der Verwaltungslandschaft in Deutschland erreicht aus Sicht von Bürgern, Unternehmen und Politik weiterhin nicht die gewünschte Geschwindigkeit. Zudem werden oftmals auch die funktionalen Erwartungen von Bürgern, Unternehmen und Verwaltungsmitarbeitern nicht erfüllt. Es stellt sich nachdrücklich die Frage, wie substanzielle Verbesserungen erzielt werden können. Um sich dieser Zielsetzung zu nähern, ist es sinnvoll, Muster aufzuzeigen, die in der Vergangenheit nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt haben.

lichen und deren Erfolge zudem empirisch belegbar sind.

Unsere

Aus Sicht von Bürgern und Unternehmen ist eine Digitalisierung sinnvoll und nutzenstiftend, welche die Umsetzung einzelner Ge-

die aber gleichzeitig eine rasche technische Realisierung ermöglicht. Durch die konsequente Durchsetzung geeigneter Architekturziele (vgl. Abbildung) kann eine Konzentration auf die Anwendung der tatsächlich verfügbaren Technologien erfolgen und eine auch langfristig entwicklungsfähige IT-Landschaft errichtet werden.

die notwendigen Prioritäten zu setzen. Werden die Standardfälle digital und automatisch abgewickelt, bleibt zudem dem Verwaltungsmitarbeiter mehr Zeit für diejenigen Fälle, die mit den Bürgern oder Unterneh-

Resilienz Mit Cloud-Technologien automatische Resilenz und hohe Skalierbarkeit sicherstellen

Datenzentrierung

Auf Basis dezentraler Data-MeshArchitekturen kontinuierliche Orchestrierung, Nachnutzung und Auswertung von Daten ermöglichen

Sicherheit

Automatisierte Erkennung und Abwehr von Angriffen und AI-gestützte Generierung von Abwehrstrategien

CGI-Konzept für die zukunftsfähige IT der öffentlichen Hand

schäftsprozesse digital Ende zu Ende fokussiert. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass sowohl jeder Aspekt eines Geschäftsprozesses als auch jedes mögliche Umsystem sowie jede denkbare Schnittstelle digitalisiert werden. Im Gegenteil: Es erscheint vielmehr sinnvoll, entlang der 80/20-Regel diejenigen Geschäftsprozesse und Prozessteile Ende zu Ende zu digitalisieren, die zu einer vollständigen Digitalisierung und Automatisierung führen und nicht digitalisierte Prozessanteile weiter manuell zu bearbeiten. Hier kann eine strikte Kosten-Nutzen-Abwägung helfen,

mensvertretern persönlich und auf dem Amt bearbeitet werden müssen.

Eine Fokussierung auf die Automatisierung der Standardfälle führt dazu, dass sich für Bürger und Unternehmen die Interaktion mit der Verwaltung deutlich vereinfacht darstellt. Solange durch den Gesetzgeber keine Entbürokratisierung der Verwaltungsvorgänge erfolgt, kann durch die Ausgrenzung von „Sonderlocken“ eine deutliche Verschlankung bei der Datenerfassung, aber auch bei den Entscheidungen und der Bescheiderstellung erzielt werden.

„Daten sind das Gold des digitalen

Zeitalters“ – eigentlich trifft diese Aussage auf keinen gesellschaftlichen Bereich mehr zu als auf die öffentliche Verwaltung. Statt technischer Systeme müssen die verarbeiteten Daten und ihr Verwal-

Antworten für die zukunftsfähige IT der öffentlichen Hand

Digitalisierung ist keine Angelegenheit der IT Digitalisierung bedeutet nicht die Technisierung bestehender Abläufe, sondern sie verändert die Art, wie wir arbeiten. Deshalb kann und darf die digitale Transformation nicht als

Agilität

Mit prototyporientierten, iterativen und inkrementellen Vorgehensweisen schnell validierbare Ergebnisse produzieren

Standardisierung

Mit Low Code aus Bausteinen einer Composable Architecture effizient Fachanwendungen und Services zusammenstellen

Automation

Mit ArtificialIntelligenceund Machine Learning automatisierte, adaptive Geschäftsprozesse implementieren

Darstellung: BS/CGI Deutschland

tungszweck in das Zentrum von Architekturentscheidungen gerückt werden. So lassen sich nicht nur klare Ableitungen hinsichtlich der Priorisierung innerhalb von Digitalisierungsvorhaben treffen, sondern auch die Grundlagen einer datengetriebenen Verwaltung schaffen.

Antworten für eine zukunftsfähige Digitalisierung der öffentlichen Hand Vor dem Hintergrund der beschriebenen Ansätze stellt sich die Herausforderung, eine holistische, auf Automatisierung gerichtete IT-Strategie und -Architektur zu errichten,

Was kann Deutschland vom Ausland lernen?

Eine Kolumne von Christina Lang

auf die deutsche Verwaltung und unsere aktuellen Herausforderungen erfolgreich übertragbar wäre. So können wir uns von Großbritannien abschauen, wie man Konsistenz über eine Vielzahl von Angeboten und Verantwortungsbereichen schafft und was das zum Vertrauen in staatliche Angebote beiträgt. Auch wenn Dienste auf unterschiedlichen Portalen angeboten werden, sehen sie in Großbritannien einheitlich (nicht gleich!) aus und vermitteln dank des staatlichen Domain-Anhängsels „gov.uk“ direkt, dass es sich um ein offizielles Angebot handelt. Der britische „Service Standard“, ein Leitfaden mit Qualitätsstandards für digitale Dienstleistungen, und das „Service Manual“, ein Handbuch, wie Teams bei der Entwicklung vorgehen können, waren dafür entscheidend: Sie sorgen nicht nur für einheitliches Aussehen, sondern auch für gute Nutzerführung und eine konsistente Qualität der Angebote – auch abseits eines zentralen Portals. Von den USA können wir lernen,

Christina Lang ist Chief Executive Officer (CEO) des DigitalService. Foto: BS/DigitalService

wie man trotz starker Ressorts und föderaler Strukturen eine Governance für Digitalisierung sinnvoll aufsetzen kann. Dort wurde auf nationaler Ebene in der Querschnittsbehörde General Services Administration (GSA) eine DachEinheit geschaffen: die „Technology Transformation Services“. Sie bieten bestimmte Basisdienste wie einen einheitlichen Login oder Cloudbroker an. Auch ist dort eine Transformationseinheit beheimatet, die den Ressorts hilft, Digitalvorhaben in ihrer Zuständigkeit zu meistern. Dazu kommt ein CIO Of-

fice, ausgestattet mit Digitalbudget und zentraler digitaler Taskforce direkt im Weißen Haus, das eine ganzheitliche Strategie und die Regulierung verantwortet. Selbst bei richtig großen Veränderungen können wir uns inspirieren lassen. So hat Dänemark 2007 eine Kommunalreform durchgeführt, in der die Regionen und Kommunen neu geschnitten worden sind, um eine Mindestgröße zu erreichen, die für Leistungserbringung im digitalen Zeitalter geeignet ist. Die Digitalisierungsansätze, die diese Länder gewählt haben, sind verschieden, genauso wie die Strukturen, die sie dafür nutzen. Was viele Länder aber eint: Es braucht den echten Willen eines politischen Schwergewichts und eine erfahrene Führungsperson mit Digital-Kompetenz von außen, um die Digitalisierung der Verwaltung mit der notwendigen Ernst-

Thema der IT abgetan werden: Sie betrifft vielmehr jeden Verantwortungsträger in der Verwaltung. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und mittelfristiger budgetärer Herausforderungen besteht bei der öffentlichen Hand ein hohes Interesse an der durchgängigen Automatisierung standardisierter Prozesse. Diese Aufgabe erfordert das konsequente und zielgerichtete Zusammenwirken aller Verwaltungsmitarbeiter.

*Dr. Stefan vom Brauk ist als Vice President Consulting Services bei CGI tätig.

haftigkeit und Veränderungsbereitschaft anzugehen. Barack O bama gewann 2014 Jennifer Pahlka als Deputy Chief Technology Officer der USA, die zuvor selbst gemeinnützige Organisationen im Digitalbereich gründete und leitete. Francis Maude, der als Cabinet Office Minister in Großbritannien 2011 die Gründung des Digital Government Services (GDS) vorantrieb, holte sich mit Mike Bracken einen renommierten Experten aus der Privatwirtschaft als Executive Director in den GDS. Auch in anderen Ländern hat so ein Tandem aus politischem und technischem Know-how funktioniert.

Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, warum Deutschland nicht die besten Praktiken anderer Länder nachmachen und aus dort bereits gemachten Fehlern direkt mitlernen sollte. Es ist an der Zeit, dass wir nicht nur stolz „Made in Germany“ exportieren, sondern auch importieren – und zwar die besten Ideen für ein digitales Deutschland.

Über kurz oder Lang
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Privatunternehmen sind bereits seit Jahren Nutzer cloudbasierter Dienste, nun zieht auch die deutsche Verwaltung immer mehr nach. Warum viele Institutionen der öffentlichen Verwaltung zukünftig auf die Cloud setzen wollen, liegt auf der Hand: Die Lösungen sind schnell in der Umsetzung, leicht skalierbar und häufig wirtschaftlicher als der Betrieb in eigenen Rechenzentren.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Perspektive unserer öffentlichen Kunden zur Cloud in den vergangenen Jahren stark gewandelt. So ist es heute zumeist eine gemeinsame Abwägung, für welche Lösungsbestandteile Cloud-Infrastrukturen zum Einsatz kommen sollen. Immer mehr unserer Kunden fordern die Nutzung der Cloud mittlerweile aktiv ein.

Vertrauen ist die wertvollste Währung in der Cloud Gleichzeitig nehmen wir weiterhin Vorbehalte unserer Kunden hinsichtlich des Datenschutzes und der IT-Sicherheit bei cloudbasierten Anwendungen wahr. Die Befürchtung, digitale Selbstbestimmung abzugeben und sich von großen (amerikanischen) Hyperscalern abhängig zu machen, spielt bei der Entscheidung für oder gegen die Cloud stets mit. Selbstverständlich sollten Behörden nur Cloud-Dienste nutzen, denen sie vollständig vertrauen können –weil organisatorische, technische oder auch rechtliche Maßnahmen dafür Sorge tragen. Als Technologieunternehmen des Bundes schafft die Bundesdruckerei-Gruppe auch im Cloud-Segment mit Sicherheitsund Digitalkompetenz Vertrauen. Wir bieten eine große Bandbreite an Lösungen und Expertise – und gewährleisten dabei die im behördlichen Umfeld wichtige „digitale Souveränität“. Die Bundesdruckerei als Vertrauensanker

Als Full-Service-Anbieter denken wir das Thema Cloud bei der Entwicklung

B

ehörden Spiegel: Was plant Amazon Web Services (AWS) mit der European Sovereign Cloud?

Max Peterson: In Brandenburg bauen wir eine neue unabhängige Region auf, um europäische Kunden zu bedienen, die besonders hohe, spezifische gesetzliche Anforderungen an den Ort der Datenverarbeitung und an den Betrieb der Cloud erfüllen müssen – typischerweise aus dem öffentlichen Sektor. Es wird eine unabhängige AWS-Cloud-Region sein, die vollständig separiert von anderen AWS-Regionen ist.

Gleichzeitig bietet sie die volle Leistungsfähigkeit von AWS, mit der bekannten Architektur, dem umfangreichen Angebot an Services und denselben APIs, die Millionen von Kunden bereits kennen. Kunden der AWS European Sovereign Cloud profitieren somit bei voller Unabhängigkeit von den bekannten Vorteilen der AWS-Infrastruktur, einschließlich der branchenführenden Sicherheit, Verfügbarkeit, Leistung und Resilienz. Zudem wird sie vollständig von EUStandorten aus und von in der EU ansässigen Personen betrieben, um die Anforderungen an die betriebliche Autonomie und die Datenverarbeitung innerhalb der EU zu erfüllen.

Behörden Spiegel: Wie möchte AWS zur Cloud-Strategie der deutschen Verwaltung beitragen?

Petersen: Seit den Anfängen des Cloud Computings hat AWS sehr eng mit den Regulierungsbehörden zusammengearbeitet. Wenn man auf die ursprünglichen Cloud-Sicherheits-Frameworks zurückblickt, war es das deutsche Bundesamt für Si-

Sicher und mit voller Souveränität

Cloud-Lösungen für die öffentliche Verwaltung

(BS/Dr. Claudia Thamm) Immer mehr Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung wollen cloudbasierte Dienste nutzen. Wo es bislang viele Vorbehalte gab, wird jetzt die Nachfrage nach individuellen Lösungen immer größer. Die Bundesdruckerei-Gruppe geht mit der deutschen Verwaltung die nächsten großen Schritte in Richtung Digitalisierung – und schafft Vertrauen in der Cloud.

Die Bundesdruckerei bietet

neuer Angebote von Beginn an mit. Unsere Lösungen sind grundsätzlich darauf vorbereitet, in einer Cloud betrieben zu werden: Das gilt sowohl für das Bundesportal – den zentralen Zugangspunkt zu den Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen – als auch für das Auslandsportal. Und das gilt auch für die Plattform PLAIN des Auswärtigen Amtes, mit der wir die technologische und architektonische Grundstruktur für Datenanwendungen mit KI und Machine Learning in den Dienst evidenzbasierter Verwaltung stellen. Wir bieten unseren Kunden eine ganze Palette von möglichen Betriebsinfrastrukturen an: Wir betreiben Anwendungen klassisch „on premise“ in eigenen Rechenzentren, arbeiten mit deutschen Cloud-Partnern beim Managed beziehungsweise Cloudified Hosting zusammen oder nutzen

Hyperscaler-Infrastrukturen. Ausschlaggebend für uns sind die jeweiligen Kundenanforderungen, auf deren Basis wir gemeinsam projekt- und bedarfsorientiert entscheiden. Fakt ist: Bei der Nutzung von PublicCloud-Infrastrukturen gibt die öffentliche Verwaltung ein Stück direkten Einfluss ab. Umso bedeutender ist die Rolle einer externen Vertrauensinstanz, die wir als BundesdruckereiGruppe bereits seit vielen Jahren in digitalen Umgebungen übernehmen.

Digitale Zertifikate schaffen Sicherheit

Zum Vertrauensanker werden wir dabei insbesondere durch unsere digitalen Zertifikate. Sie sind essenziell für die Nutzung vertrauenswürdiger digitaler Infrastrukturen, denn sie sichern die Datenverschlüsselung ab und sorgen für ei-

ne eindeutige Authentifizierung von Kommunikationspartnern. Die digitalen Zertifikate der D-Trust GmbH, eines Unternehmens der Bundesdruckerei-Gruppe, können damit Systeme und Schnittstellen in der Cloud absichern und das Identitätsund Berechtigungsmanagement der Beteiligten übernehmen.

Über das Identity and Access Management (IAM) für Clouds und Hyperscaler können sich User in der Cloud identifizieren und authentisieren. Zugriffsrechte sind hier individuell für jeden steuerbar. Grundlage bilden einmal mehr Zertifikatsprodukte von D-Trust.

Die Zertifikate sind zudem ein entscheidendes Werkzeug bei der Client Side Encryption. In diesem Fall verschlüsselt der Vertrauensdiensteanbieter D-Trust die in der Cloud gespeicherten Daten des Kunden,

Brandenburg wird Cloud-Region

AWS weitet sein Angebot in Europa aus (BS) Amazon Web Services (AWS) eröffnet in Brandenburg eine europäische Cloud-Region: Im Rahmen des Projekts European Sovereign Cloud (europäische souveräne Cloud) will das Amazon-Tochterunternehmen bis zum Jahr 2040 rund 7,8 Milliarden Euro in die Region investieren. Was die AWS-Cloud leisten soll, wie die Verwaltung davon profitiert und wie es bei einem Projekt dieser Größenordnung um den Datenschutz bestellt ist, erklärt Max Peterson, Vice President Sovereign Cloud bei AWS. Das Interview führte Christian Brecht.

cherheit in der Informationstechnik (BSI), das den C5-Kriterienkatalog erstellt hat, der die grundlegenden Standards für die Sicherheit und Compliance im Cloud Computing festlegt. In den letzten zehn Jahren haben wir gesehen, wie Finanzdienstleister, Banken und Versicherungen alle auf die Cloud umgestiegen sind, basierend auf unserer Arbeit mit der Finanzindustrie und den Regulierungsbehörden. Das Gleiche gilt für die Telekommunikationsbranche und für das Gesundheitswesen. Wir werden also auf jeden Fall die Zusammenarbeit mit diesem breiten Spektrum von Interessenvertretern fortsetzen, um sicherzustellen, dass wir beim Aufbau der europäischen Cloud den Kunden helfen, die Regulierungsanforderungen einzuhalten und gleichzeitig die Vorteile der Skalierung, der Geschwindigkeit, der Innovation und der Kosteneinsparungen der Cloud zu nutzen.

Behörden Spiegel: Wie sollen Datenverluste in der Cloud verhindert werden?

Petersen: Aus AWS-Perspektive war Datensicherheit schon immer unsere Hauptaufgabe. Aus diesem Grund bieten wir die sichers-

te globale Cloud-Infrastruktur, die es gibt. Wir haben über 240 verschiedene Services sowie mehr als 300 Cloud-Sicherheitstools und Features, die Kunden nutzen, um ihre Daten und Systeme auf AWS zu schützen. Wir glauben, dass Sicherheit die Grundlage für digitale Souveränität ist. Wenn man nicht alle wichtigen Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass die Sicher-

Senior Vice President Public Sector und Business Development bei der Bundesdruckerei GmbH. Foto: BS/Bundesdruckerei

sodass der Cloud-Anbieter und andere Dritte keinen Zugriff haben.

24/7-Verfügbarkeit von Verschlusssachen

Die Xecuro GmbH, ebenfalls ein Unternehmen der BundesdruckereiGruppe, ermöglicht auch jenen Kunden einen Weg in die Cloud, die mit Verschlusssachen (VS) arbeiten. Dafür betreibt das Unternehmen für VS freigegebene IT-Plattformen in speziell hierfür errichteten hochsicheren und georedundanten Rechenzentren in Deutschland. Durch den 24/7-Betrieb sind unsere Dienste rund um die Uhr für unsere Kunden verfügbar. Noch einen Schritt weiter geht ein Forschungsprojekt unserer Tochter genua im Auftrag des BSI. Es untersucht derzeit, wie sich VS-NfD-Informationen auch in Public Clouds noch sicherer verarbeiten lassen.

Erfahrung und Expertise machen uns aus Als Technologieunternehmen des Bundes wissen wir, welche Lösungen die Digitalisierung in der Verwaltung vorantreiben können, ohne dabei Abstriche bei der Datensicherheit zuzulassen. Wir kennen die strengen Maßstäbe an den Datenschutz und haben die Expertise, die es braucht, um gesetzliche Richtlinien und Innovation zu vereinen. So kann auch der öffentliche Sektor von den vielen Vorteilen der Cloud profitieren – mit einem verlässlichen Partner an der Seite. Gerne kommen wir mit Ihnen zu den Möglichkeiten der Cloud-Nutzung ins Gespräch: KAM-info@bdr.de.

Technologie ist so konzipiert, dass strikte Beschränkungen gelten und niemand, auch nicht AWS selbst, auf die Workloads oder Daten der Kunden zugreifen kann.

Behörden Spiegel: Warum ist der öffentliche Sektor ein interessanter Partner für AWS?

„Es wird eine unabhängige AWSCloud-Region sein, die vollständig separiert von anderen AWS-Regionen ist.“

heit in der Cloud gewährleistet ist, dann wird der Versuch, souveräne Services darauf aufzubauen, scheitern. Sicherheit und Compliance stellen dabei immer eine geteilte Verantwortlichkeit zwischen AWS und den Kunden dar. AWS ist für die Sicherheit der Infrastruktur verantwortlich, die Kunden für die Sicherheit in der Cloud. Deshalb verbringen wir viel Zeit mit der Zusammenarbeit mit den Kunden und unterstützen zum Beispiel mit Schulungen und Leitfäden. Die European Sovereign Cloud erfüllt die gleichen hohen Standards wie die AWS Global Cloud und nutzt ebenfalls das AWS Nitro-System. Diese

Petersen: Unsere Kunden aus dem öffentlichen Sektor auf der ganzen Welt sind diejenigen, die die universellen Bedürfnisse der Bürger erfüllen. Jeder einzelne von uns hat also ein Interesse daran, den Behörden zu helfen, effizienter und noch sicherer zu arbeiten – und Sicherheit ist übrigens einer der Hauptgründe für den Wechsel in die Cloud. AWS verfügt über mehr Ressourcen für die Sicherung der Cloud, als sie die Kunden für ihre Rechenzentren haben. Ein weiterer Grund ist, dass die meisten Regierungen in Europa in Nachhaltigkeit investieren. Im Durchschnitt arbeiten sie in der AWS-Cloud etwa 80 Prozent energieeffizienter als in ihren eigenen Rechenzentren. Bald wird Amazon weltweit nur noch saubere Energie nutzen – spätestens 2030, wenn wir weiter so erfolgreich sind, schon 2025. Hunderte von Wind- und Solaranlagen machen das möglich. In Deutschland stammte 2022 und 2023 der verbrauchte Strom der AWS-Rechenzentren zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen. In dieser Hinsicht besteht also eine enorme Chance, um IT-Workloads in der Cloud energieeffizienter auszuführen. Gleichzeitig glaube ich, dass es wichtig bleibt, moderne, digitale Kunden- und Bürgerdienste, Gesundheits- und Bildungsdienste anzubieten.

ihren Kunden verschiedene Betriebsinfrastrukturen für die Nutzung von Cloud-Services. Foto: BS/GettyImages-599819538
Dr. Claudia Thamm ist
Max Peterson, Vice President Sovereign Cloud bei Amazon Web Services (AWS), sieht die Datensicherheit der AWS-CloudInfrastruktur durch „mehr als 300 CloudSicherheitstools“ gut gerüstet. Foto: BS/AWS

W as bedeutet überhaupt Resilienz? Jedenfalls nicht nur Cyber-Resilienz, wie Dirk Häger , Leiter der Abteilung Operative Cyber-Sicherheit im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), auf der Public-IT-Security 2024 zu bedenken gab. Entscheidend sei in erster Linie „ein Plan B, falls etwas schiefläuft“. Dieser könne ebenso analoge Maßnahmen beinhalten. Die EU etwa lagere manche Back-ups in einem Bergwerk in Österreich. Überhaupt sei der „Teamsport“ von Bund, Ländern und Kommunen das Wichtigste. Häger outete sich zudem als „kein Fan von Cloud“, machte aber keinen Hehl daraus, dass die durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) exponentiell wachsenden Datenmengen in der Verwaltung die Infrastruktur der großen Hyperscaler benötigten. Das BSI müsse, wolle und werde die Cloud stärker nutzen.

Für Dr. Karoline Busse , Dozentin für Datenschutz und Datensicherheit am Niedersächsischen Studieninstitut für kommunale Verwaltung, bedeutet Resilienz, „bei sich wandelnden Anforderungen handlungsfähig zu bleiben“. Laut einer britischen Studie seien

„Was passiert, wenn wir einen kleinen Flächenbrand haben – länderübergreifend? Darauf müssen wir uns vorbereiten. Das müssen wir üben“, glaubt Horst Samsel, Abteilungsleiter Beratung für Bund, Länder und Kommunen im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Doch nicht nur zur besseren Abwehr von Cyber-Angriffen kann Kooperation dienen. Der Grundsatz „gemeinsam sind wir stärker“ gilt in vielen Bereichen der Cyber-Sicherheit. Dazu zählt die Forschung: Hessen arbeite beispielsweise eng mit Forschungseinrichtungen zusammen, informiert Markus Wiegand, stellvertretender Leiter des Hessen Cyber Competence Centers (Hessen3C) im Hessischen Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz. Nationale Ansprüche hinsichtlich der Forschungsförderung könnten allerdings nicht erfüllt werden. „Deswegen sind wir froh, dass der Bund mit der Cyberagentur den Teil betreibt, den wir uns nicht leisten können“, erklärt Wiegand Das Hessen3C kooperiert zudem mit dem bayrischen Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI). Dieses bietet wiederum den Kommunen und KRITIS-Unternehmen kostenlose und freiwillige Dienstleistungen an: Monitoring, Warndienste, Informationsver -

Selbstbestimmt und selbstsicher

Cyber-Resilienz an der Basis muss von oben kommen

(BS/Christian Brecht) Wie wird der Staat resilient gegenüber quantitativ wie qualitativ zunehmenden Cyber-Angriffen?

Indem all seine Ebenen ihre digitalen Abwehrkräfte stärken. Das gilt auch für die kleinsten Einheiten: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Behörden und Unternehmen, die wegen oft fehlender IT-Expertise die ersten Angriffspunkte sind. Jedoch: Ohne den digitalen Kulturwandel in den Entscheidungsebenen bleiben auch individuelle Resilienzschulungen weitgehend wirkungslos.

Agilität, starke Führung und strategische Flexibilität die drei Kernkompetenzen für Resilienz. Was die Fachverfahren angeht, brauche

die Verwaltung die Wahl zwischen mehreren guten Anbietern, nicht „zwischen Pest und Cholera“, so Busse. Dies sei ein Schlüssel für

die drei Attribute, die Cyber-Resilienz für sie ausmachen: Selbstbestimmtheit, Selbstständigkeit und Selbstsicherheit. Der „wahre Austausch zwischen Behörden und Bürgern“ laufe nicht auf der Bundesebene ab, sondern in den Kommunen, so Häger. Dort fielen rund 2.000 Serviceleistungen an, egal, „ob sechs oder 60 Mitarbeitende“ daran arbeiteten, rechnete Busse vor. Prozessmanagement sei ein erster Schritt, um diesen „Leistungsdschungel zu entwirren“. Ein weiterer Schritt: alle Mitarbeitenden bei der CyberSicherheit mitzunehmen, denn es seien „die kleinen Angestellten, die die Phishing-Mails bekommen“, so Busse weiter. Über Netzwerke wie LinkedIn sei Phishing einfacher denn je, ergänzte Stefan Hausot-

Kräfte bündeln, Zuständigkeiten auch?

Vielfältige Kooperationen für bessere Cyber-Abwehr

(BS/Anna Ströbele) Manche Länder sind weiter als andere, die Kommunen bleiben hinten: Deutschlands Cyber-Sicherheitsarchitektur ist ein komplexes Bild. Um sich gegen zunehmende Angriffe zu wappnen, muss das BSI zur Zentralstelle ausgebaut werden, finden viele. Auch Kooperationen zwischen Ländern stärken die Abwehr. Ein Einblick in aktuelle Bemühungen und Baustellen.

anstaltungen vor Ort, Unterlagen zum Notfall-Management und ITÜbungen, berichtet Bernd Geisler, Präsident des LSI. Der Warn- und Informationsdienst erfreue sich großer Beliebtheit: „Über 4.000 Nutzer haben sich angemeldet“, so Geisler

Die Teilnahme am Behördennetz zum Monitoring von Angriffen sei hingegen erst von wenigen Kommunen angenommen worden.

Schnittstelle BSI

Die Interaktion zwischen Bund und Kommunen ist hingegen rechtlich beschränkt: „Es gibt keine Möglichkeit, dass das BSI die Kommunen in Deutschland berät“, verdeutlicht Andreas Reisen, Referatsleiter Cybersicherheit für Wirtschaft und Gesellschaft im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Das BSI könne lediglich ein zentrales Angebot zur Verfügung stellen und bei Sicherheitsvorfällen unterstützen, „aber das ist es dann auch“, so Reisen Aus diesem Grund fordern viele den Ausbau der Bundesbehörde zur

Zentralstelle für IT-Sicherheit, ein Vorhaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Dadurch könnten mehr Informationen ausgetauscht werden, betont Reisen Horst Samsel aus dem BSI wird konkreter: „Für den Informationsaustausch zur Angriffserkennung könnten Plattformen eingerichtet werden.“ Außerdem könnte das BSI die Software der Länder prüfen und Personal außerhalb des Bundesinteresses koordinieren. „Es gibt keinen Weg daran vorbei, die Zusammenarbeit zu intensivieren“, ist der Abteilungsleiter überzeugt. Ziel sei nicht, den Ländern etwas wegzunehmen, sondern dass Bund und Länder kooperativ und komplementär arbeiteten. „Aus meiner Sicht kann das auch mit wechselnden koordinierenden Rollen passieren“, meint Samsel. Das Konzept eines wechselnden Vorsitzes verfolgt beispielsweise der IT-Planungsrat. Wie viele ist Samsel skeptisch, ob das Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode gelingen wird.

Mehr Freiheiten bei der Kooperati-

on haben die Länder untereinander. Diese Möglichkeit nutzten Hessen und Baden-Württemberg, die 2021 eine Kooperationsvereinbarung abschlossen hätten, erläutert Fabian Raith, Referent für Informationsund Cybersicherheit im Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg. Auf Landesebene sollen Erfahrungen und Wissen ausgetauscht werden. Dazu werde auch mal direkt zum Hörer gegriffen. Die Ausund Fortbildung von Experten ist ebenso Thema der Kooperation.

Vergleichbare Länderstrukturen

Weitere Aspekte der Kooperation seien die Aus- und Fortbildung von Experten sowie der Austausch bei Cyber-Vorfällen. Raith findet: Damit es funktioniere, sollten die kooperierenden Länder vergleichbare Strukturen haben. Das treffe auf Hessen und Baden-Württemberg zu. Der Bund begrüßt solche Länder-Länder-Kooperationen, bekräftigt Samsel und appelliert, diese zu intensivieren.

te, Abteilungsleiter Threat-Intelligence & Infrastructure, G DATA CyberDefense. Auf diesen Plattformen fänden sich viele persönliche Informationen, von den beruflichen Kontakten bis zu den Hobbies – ein gefundenes Fressen für Hacker. Awareness beim Personal zu schaffen, also ein Bewusstsein für Cyber-Resilienz kombiniert mit entsprechenden Schulungen, ist für Busse unabdingbar. Häger hielt dezent dagegen: Natürlich sei Awareness wichtig, andererseits aber teuer, zeitintensiv und es gebe „keine Beweise, dass sie die Cyber-Sicherheit steigert“. Seine klare Sichtweise: Wenn Mitarbeitende IT-Fehler machten, „hat die IT versagt“.

Damit genau das nicht passiere, dürfe es in Behörden keine „ungesunde Gelassenheit“ mehr geben, nach dem Motto „Es trifft jeden mal, daher kann es nicht so schlimm sein“, fasste Sabine Griebsch , Managing Director bei GovThings, zusammen. Esther Kern vom Brandenburgischen Institut für Gesellschaft und Sicherheit drückte es noch konkreter aus: Wenn „die Bürgermeister der Resilienz keine Priorität einräumen, kann es nicht laufen“.

Parallel gibt es mittlerweile sechs Kooperationsvereinbarungen zwischen Ländern und dem BSI. Im August soll eine siebte dazukommen. Eine andere Initiative ist das Flächennetzwerk. „Jedes Land soll hier seine eigenen Kompetenzen einbringen, sodass man sich gegenseitig unterstützen kann“, erklärt Robert Roth, Referent im Hessen3C. Zuerst werden Koordinierungsstellen eingerichtet, dann das Netzwerk aufgebaut. „Gerade sind wir mit allen Ländern im Gespräch, um die Anforderungen an eine Koordinierungsstelle zu klären“, so Roth Auch Bund und Kommunen sollen in das Netzwerk eingeschlossen werden.

Wichtig sei, die Geschwindigkeit zu erhöhen, ist Markus Wiegand vom Hessen3C überzeugt: „Der Unterschied wird immer größer zwischen dem, was wir tun können und dem, was auf uns zukommt.“ Anpassungen im Vergaberecht würden ihm zufolge helfen, um mit den Bedrohungen Schritt zu halten. Auch Prof. Dr. Jürgen Freudenberger, Leitung der Abteilung Schlüsseltechnologie der Agentur für Innovation in der Cybersicherheit, betont die Schwierigkeit, agil und schnell zu handeln: „Wir wollen Spitzenforschung leisten und das soll nicht an rechtlichen Bedingungen scheitern. Heute tut es das noch.“

Erst wenn „in zwei, drei Jahren alle Behörden durchgeprüft sind“, lasse sich deren CyberResilienz fundiert beurteilen, Dr. Dirk Häger vom BSI. Foto: BS/Bildschön
(v.l.n.r.) Markus Wiegand, Bernd Geisler, Dr. Susanne Schmidt-Radefeldt, Andreas Reisen und Prof. Dr. Jürgen Freudenberger
Dr. Haya Schulmann, Informatik-Professorin (Goethe-Universität), gab Einblicke ins Thema Digitale Souveränität.
Horst Samsel, Fabian Raith und Robert Roth (v.l.n.r.) tauschten sich über die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Ländern aus. Fotos: BS/Bildschön

IT- und Cyber-Lösungen der Zukunft.

unterstützt, vernetzt und dadurch neue Rollenvorbilder schafft.

Pro

Jahr verursachen Cyber-Angriffe einen Schaden von rund 200 Milliarden Euro für Wirtschaft und Behörden in Deutschland. Einen bedeutenden Einfluss auf die steigenden Cyber-Angriffszahlen hat die zunehmende Organisiertheit der Täter. „Wir stellen bereits seit 2015 fest, dass sich die Täterseite professionalisiert hat und ein kriminelles Ökosystem entstanden ist“, erklärte Carsten Meywirth, Leiter der Abteilung Cybercrime im Bundeskriminalamt (BKA), beim diesjährigen Kongress Public-ITSecurity (PITS). Dadurch seien professionelle Marktstrukturen entstanden, sodass das BKA neue kriminelle Branchen habe identifizieren können. In diesen organisierten sich die Täter und könnten darin auch Dienstleistungen wie die Vermietung von Ransomware anbieten. Randsomware-Gruppierungen seien inzwischen wie Unternhemen aufgestellt. Wodurch Ransomware aktuell zur größten Bedrohung werde. „Das macht Cyber-Kriminalität aktuell so gefährlich und erhöht die Anzahl der Angriffe“, kommentierte Meywirth.

Keine Unterscheidung mehr möglich Obwohl sich also viel an der Struktur der Angreifenden verändert hat, setzen diese weiterhin auf menschliches Versagen und Social Engeniering. Angriffe über Phishing-Mails sind ein häufig auftretendes Problem für Unternehmen und auch staatliche Akteure. Durch betrügerische Mails sollen

Was die Nutzung von Cloud-Lösungen in der Verwaltung angeht, gibt es aktuell noch reichlich Luft nach oben. „Wir verfügen im öffentlichen Sektor immer noch nicht über die Cloud-Durchdringung, die man sich wünschen würde“, stellte Marc Danneberg, Bereichsleiter Public Sector beim Branchenverband Bitkom, fest. Dabei sei Cloud-Nutzung in der Regel auch eine Entscheidung für mehr IT-Sicherheit.

„Gerade bei einem hybriden Cloud-Gebrauch sind die Herausforderungen immens.“

Vera Sikes, Fachbereichsleiterin ITInfrastrukturen im BSI

Prävention von Cybercime

Gegen Cyber-Angriffe auf technische Lösungen setzen (BS/mk) Die Cyber-Sicherheitslage verschlechtert sich weltweit. Auch wenn sich die Herangehensweise der Täter ständig weiterentwickelt, wird Schadsoftware immer noch häufig über den E-Mail-Weg verbreitet.

Betroffene dazu gebracht werden, persönlichen Daten und Passwörter an den Angreifer weiterzugeben.

Laut Prof. Dr. Norbert Pohlmann, Professor für Cyber-Sicherheit in der Fachgruppe Informatik an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen, Bocholt, Recklinghausen werden Phishing-Mails immer schwerer erkennbar. Durch Künstliche Intelligenz (KI) können Ausdrucksweisen und Kommunikationsarten nachgeahmt werden. Vor

allem mit dem Start von ChatGPT habe sich das Phishing komplett verändert, betonte Pohlmann. „Es gibt keine Kriterien für echte EMails. Auch schlechte E-Mail können echte sein“, argumentierte der Professor für Cyber-Sicherheit. Somit könnten Mitarbeitende nie so gut geschult sein, dass diese zu 100 Prozent Phishing erkennen könnten. Stattdessen müsse auf technische Lösungen gesetzt werden. „Wir haben noch wahnsinnig viel

Fehlende Standards

Sicherheitsstrategien für die Cloud

„Wir haben noch wahnsinnig viel Luft nach oben, Technologie zur Unterstützung von Menschen zur Verfügung zu stellen."

Prof. Dr. Norbert Pohlmann, Professor für Cyber-Sicherheit, Westfälische Hochschule

Luft nach oben, Technologie zur Unterstützung von Menschen zur Verfügung zu stellen“, bekräftigte Pohlmann „Top-down“ – nicht „bottom-up“ Laut Dirk Kunze, Dezernatsleiter im Bereich Ermittlungen/Cybercrime im Cyber-Recherche- und Fahndungszentrum des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen, kann es sogar gefährlich werden, wenn der Mitarbeitende als

„Problem“ dargestellt wird. „Die Schuldfrage ist die schlimmste Frage. Darum geht es nicht“, unterstrich Kunze. . Fühlten sich Mitarbeitende schuldig, würden diese zunächst selbst versuchen, mit einem Cyber-Angriff umzugehen. „Um nicht an den Pranger gestellt zu werden, versuchen die betroffenen Mitarbeitenden, einen Angriff zu verschleiern“, erklärte der Kriminalbeamte weiter. Meist werde dadurch die Polizei erst ein paar Tage nach einem Cyber-Angriff benachrichtigt. Nehme man den Mitarbeitenden das Schuldgefühl, könnte man somit viel Zeit sparen und Schaden verhindern. Auch Prof. Dr. Sabine Pfeiffer, Professorin am Lehrstuhl für Soziologie mit dem Schwerpunkt Technik, Arbeit und Gesellschaft an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg, betonte, dass die Mitarbeitenden nicht als schwächstes Glied verstanden werden dürften. „Damit wir gegen Cyber-Kriminalität ankommen, müssen wir oben und nicht unten anfangen“, erläuterte die Soziologieprofessorin. Statt dem Menschen und vor allem dem Mitarbeitenden die Schuld an einem nicht erkannten Cyber-Angriff zu geben, müsse man das Problem organisatorisch und technisch angehen. „Der Erste Blick muss immer in Richtung Technik gehen. Ein Mitarbeiter, der am Tag über 300 Mails kontrollieren muss, wird auch mal einen Fehler machen“, fasste die Soziologieprofessorin zusammen.

„Es

(BS/Anne Mareile Walter) Die Cloud-Nutzung erleichtert in der Verwaltung den Arbeitsalltag. Keine einheitlichen Nutzungsrichtlinien und der Umgang mit dem Datenschutz: Wie groß die Schwachstellen in puncto Sicherheit sind, zeigte ein Fachforum auf der PITS-Konferenz.

Wenn in Verwaltungen hingegen die Nutzung von Cloud-Lösungen auf die lange Bank geschoben werde, führe das dazu, „dass die ITSicherheit sinkt“, sagte er. Denn die qualitativ hochwertigen ITSicherheitslösungen seien bereits cloudbasiert. Aus Sicht von Stephan Flammersfeld sollte daher in Behörden das Augenmerk auf den hybriden Cloud-Gebrauch gelegt werden. „Eine On-Premise-Infrastruktur macht keinen Sinn, wenn immer mehr Verwaltungsangestellte ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen“, erläuterte der Senior Systems Engineer des Cloud-Sicherheitsunternehmens Skyhigh Security. Wie Vera Sikes, Fachbereichsleiterin IT-Infrastrukturen im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), ergänzte, habe ihre

Behörde bereits Mindeststandards für die Publiccloud-Nutzung veröffentlicht.

Standards für das Anbieten von Cloud-Diensten fehlen

Allerdings fehle es auch an einheitlichen Standards für das Anbieten von Diensten innerhalb der Cloud, bemängelten Experten aus dem Pu-

blikum. Laut Sikes ist dieses Manko ein Hauptanliegen des BSI. „Wir wollen da mehr machen“, sagte sie.

Eine immer wieder gestellte Frage in puncto Cloud-Nutzung ist folgende: Was passiert mit den Daten? „Gerade bei einem hybriden Cloud-Gebrauch sind die Herausforderungen immens“, erklärte Sikes. Viele Unternehmen würden

hilft nichts, Souveränitätsanforderungen zu stellen, die den Markt klein machen.“

Marc Danneberg, Bereichsleiter Public Sector, Bitkom

sich über Jahre hinweg mit Datenschutzkonzepten befassen. Sind sie schließlich „damit durch“, seien die Konzepte häufig schon veraltet. Die Empfehlung der BSI-Fachbereichsleiterin: „Wir müssen Schritt für Schritt beginnen.“ Für mehr Verhältnismäßigkeit plädierte auch Marc Danneberg vom Bitkom. „Es hilft nichts, Souveränitätsanforderungen zu stellen, die den Markt klein machen“, sagte er. Zwischen Souveränität und Autarkie zu unterscheiden, sei wesentlich, ergänzte Sikes. Es gebe zwar viele Cloud-Lösungen, aber zu wenig Erfahrung im öffentlichen Sektor. Daran müsse man arbeiten. „Cloud-Lösungen sollten als Chance gesehen werden, ohne die Risiken kleinzureden“, so die BSIFachbereichsleiterin.

Carsten Meywirth, Leiter der Abteilung Cybercrime im Bundeskriminalamt, rief dazu auf, bei einem Cyber-Angriff sofort Anzeige zu erstatten. Foto: BS/Tom Maelsa
Die Initiative Women4Cyber ist ein europaweites Netzwerk, das in der Cyber-Abwehr tätige Frauen
Im Rahmen der Guided Tour informierten sich Besucherinnen und Besucher in der Fachausstellung über die
Hessens CIO Ralf Stettner fordert, die IT-Sicherheit müsse „raus aus dem Techie-Kasten“.
Wie gelingt mehr Sicherheit in der Cloud? Darüber diskutierten Moderator Andreas Könen, Vera Sikes vom BSI, Bitkom-Bereichsleiter Marc Danneberg, Georg Hermann von Netskope Germany, Christian Eisenried von secunet Security Networks und Stephan Flammersfeld von Skyhigh Security (v. l.). Foto: BS/Walter

Ein Problem ist die inflationäre Verwendung des Begriffs “souverän” für Initiativen, die zur digitalen Souveränität überhaupt nichts beitragen. Robert Habeck sagte 2022, die intel-Investition in eine neue Chipfabrik in Magdeburg sei ein „zentraler Sprung für die digitale Souveränität Europas“. Solche Investitionen in Deutschland unterstützen die Digitalisierung und schaffen Arbeitsplätze, aber an unserer digitalen Abhängigkeit von intel & Co. ändern sie nichts Helfen würden sie nur, wenn auch umfangreiche Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in Deutschland entstünden und so unsere Innovationskraft gestärkt würde. Cloud-Technologie fehleranfällig Ähnlich irreführend sind die „Souveränen Clouds“, die derzeit vielerorts beworben werden. Technisch sind das Clouds, die in deutschen Rechenzentren so betrieben werden, dass keine Nutzerdaten unkontrolliert ins Ausland abfließen können. Die bislang angekündigten souveränen Clouds z. B. von Microsoft, Amazon und der SAP-Tochter Delos nutzen allerdings genau dieselben Technologien wie alle anderen Clouds. Weder reduziert das unsere digitale Abhängigkeit noch fördert es unsere Innovationskraft. Es ist auch fraglich, wie sehr das den Zugriff auf Daten durch fremde Staaten erschwert. Die Cloud an

Wichtige Verwaltungsleistungen können dann nicht mehr erbracht werden, was schwerwiegende Folgen für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen haben kann. Eine frühzeitige Erkennung von Krisen ist von zentraler Bedeutung, um Schäden zu minimieren und schnell reagieren zu können. Die Integration von IT-Sicherheitsmaßnahmen in die Verwaltungsprozesse ist unerlässlich. Die Zahl entdeckter Schwachstellen ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Software muss sicherer werden und die kommunale Ebene benötigt mehr qualifiziertes Personal und finanzielle Mittel. Auch der Informationsaustausch zwischen allen beteiligten Behörden ist dabei von großer Bedeutung. Kommunen und kommunale IT-Dienstleister sollten stärker in die bestehenden Strukturen eingebunden werden. Die Beobachtung krimineller Aktivitäten im Darknet ermöglicht in manchen Fällen eine Vorwarnung vor Cyber-Angriffen. Ein Beispiel ist die Stadt Potsdam, die von Sicherheitsbehörden gewarnt wurde und daraufhin ihre Systeme vom Netz nahm. Mit entsprechenden Informationen können Kommunen nach verdächtigen Aktivitäten in ihren Netzwerken suchen. Es ist wichtig, dass diese Informationen flächendeckend bei Kommunen und kommunalen ITDienstleistern ankommen.

Drei Kernforderungen

Auf der diesjährigen Public ITSecurity (PITS) fand das Panel „IT-Unterstützung zur Krisenfrüh-

Souverän mit

Souveränität umgehen

Wie Deutschland digital unabhängiger werden kann

(BS/Haya Schulmann/Michael Waidner*) Um Deutschlands digitale Souveränität ist es nicht gut bestellt. Die meisten digitalen Technologien und Dienste kommen aus den USA, China, Taiwan, Südkorea und Indien und wir haben wenig zu bieten, um diese einseitigen digitalen Abhängigkeiten auszugleichen. Trotz aller Anstrengungen stehen wir heute ungefähr dort, wo wir schon vor zehn Jahren standen. Wenn wir einfach weitermachen wie bisher, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern. Wir müssen verstehen, wieso die bisherigen Anstrengungen erfolglos waren und wo die Probleme liegen.

sich hat zwangsläufig Zugriff auf die Daten und damit indirekt auch der zumeist US-amerikanische Hersteller. Spionagefunktionen durch Prüfungen vollständig zu verhindern, ist nahezu unmöglich. Ansonsten würde es den Herstellern selbst nicht so schwerfallen, Schwachstellen in ihren Produkten zu finden und Datendiebstahl durch CyberKriminelle zu verhindern. Auch viele Gesetze entstanden mit dem Anspruch, die digitale Souveränität zu stärken. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) setzte neue Standards in der IT-Sicherheit, der Verarbeitung persönlicher Daten und der Nutzerrechte – dank Androhung empfindlicher Bußgelder auch weltweit. Das war ein starkes Zeichen für die europäische Souveränität, ändert aber nichts an unseren digitalen Abhängigkeiten. Unverändert dominieren US-Anbieter den Markt für internetbasierte Dienste. Auch die Sorglosigkeit der Menschen im Hinblick auf soziale Netze ist unver-

ändert. Umgekehrt wird der DSGVO immer wieder vorgeworfen, digitale Innovationen und Geschäftsmodelle zu behindern und dadurch unsere digitale Souveränität sogar zu schwächen. Ähnliches gilt für viele Regulierungen. Dahinter steckt, dass es im nationalen bzw. EUGesetzgebungsprozess häufig an Weitblick und der Fähigkeit fehlt, die Folgen für Digitalisierung und digitale Souveränität umfassend und kompetent abzuschätzen.

Große Konsortien erreichen selten ihr Ziel

Förderlicher erscheinen Initiativen, die tatsächlich auf neue Technologien abzielen. Im Zuge des 2019 von Deutschland und Frankreich initiierten Projekts Gaia-X sollte eine föderative, sichere Dateninfrastruktur entwickelt werden. Solche Infrastrukturen werden tatsächlich gebraucht; und ein entsprechendes Produkt würde unsere digitale Souveränität wirklich stärken. Nur ist bis heute keines entstan-

den. Der Grund: Gaia-X ist kein Unternehmen, das im Markt mit einer konkreten Lösung erfolgreich sein will, sondern eine Non-ProfitVereinigung aus 20 Gründungsmitgliedern. Folglich stellt Gaia-X keine Produkte her, sondern nur Spezifikationen und quelloffene Referenzimplementierungen.

Innovationspotenzial allein hilft nicht, man muss es ausschöpfen Deutschland hat ein hohes Innovationspotenzial, auch im Digitalbereich, aber der Transfer von der Forschung und Entwicklung (F&E) in den Markt funktioniert nicht. Die Forscher an den Unis und Instituten haben zu wenige Anreize für den Transfer. Start-ups haben zu viele Einschränkungen. Es gibt zu wenig Interaktion zwischen Wissenschaft und Industrie.

Auch bei Technologieakquisitionen gibt es viele verpasste Gelegenheiten: Während US-Konzerne oft ausgeklügelte Strategien haben, wie mit Unternehmensübernahmen die In-

Kommunale IT als Kritische Infrastruktur

VITAKO stellt Forderungen zur Krisenfrüherkennung

(BS/Katrin Giebel/Aboli Lion*) Ein effektives Krisenmanagement in der Verwaltung ist entscheidend für die Sicherheit und Stabilität unserer Gesellschaft. Die Bedrohung durch Cyber-Angriffe stellt eine immer größer werdende Herausforderung dar, der sich Behörden zunehmend stellen müssen. Denn eine Krise kann bereits dann eintreten, wenn nur eine einzelne Kommune angegriffen wird.

erkennung“ statt, bei dem die Bundesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V. (VITAKO) durch ihre Geschäftsstellenleiterin Katrin Giebel vertreten war. Die weiteren Teilnehmenden waren Dr. Jan-Oliver Wagner, Vorstandsvorsitzender von Greenbone, Carsten Meywirth, Leiter der Abteilung Cybercrime beim Bundeskriminalamt, Generalmajor Dr. Michael Färber, Abteilungsleiter, Planung und Digitalisierung im Kommando Cyber- & Informationsraum und Dr. Dirk Häger, Abteilungsleiter Operative Cyber-Sicherheit beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Giebel betonte die zunehmende Ausnutzung von Schwachstellen in IT-Systemen durch böswillige Angreifer und hob hervor, dass ITSysteme durch effektives Vulnerability Management besser geschützt werden können.

Zusätzlich formulierte sie klare VITAKO-Kernforderungen zur CyberSicherheit. Erstens: den Ausbau des BSI zur Zentralstelle. Kommunen und ihre IT-Dienstleister sollen umfassende Lageinformationen und Unterstützung erhalten.

Zweitens: einheitliche interföderale Vernetzungs- und Unterstützungsstrukturen. Landeseigene Compu-

Katrin Giebel von VITAKO fordert finanzielle und personelle Ressourcen für Kommunen, damit diese effektiv auf Cyber-Attacken reagieren können. Foto: BS/Bildschön

ter Emergency Response Teams (CERT) sollen Informationen und Unterstützung bereitstellen. Dritten muss kommunale IT zu Kritischer Infrastruktur (KRITIS) erhoben und es bedarf einheitlicher und verbindlicher Vorgaben für die Verwaltungs-IT.

„Ein Angriff auf eine Kommune oder einen kommunalen Dienstleister löst bereits eine Krisensituation aus, da Kommunen 80 Prozent der Verwaltungsleistungen erbringen. Das BSI muss zur Zentralstelle ausgebaut werden, um auch über föderale Ebenen hinweg Unterstützung

novationskraft in den Mutterkonzern geholt wird, lassen deutsche Unternehmen ihre neuen Töchter oft unangetastet weitermachen. Nur Marken und Marktanteile werden akquiriert, die Innovationskraft bleibt im Ausland. Gerade in unserem Bereich, der Cyber-Sicherheit, gibt es dafür viele Beispiele, z. B. im Automobilbau und Retailbereich.

Fazit

Die Digitalisierung verändert alle Lebensbereiche. Für unseren langfristigen Erfolg ist es entscheidend, dass wir diese Veränderung souverän gestalten können. Wir müssen uns aus unseren einseitigen digitalen Abhängigkeiten befreien und zu den führenden Digitalisierungsnationen aufschließen. Dafür müssen wir aus der Vergangenheit lernen und aufhören, immer wieder dieselben Fehler zu machen.

*Haya Schulmann ist Professorin für Cybersicherheit am Institut für Informatik der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Mitglied im Direktorium des Nationalen Forschungszentrums für angewandte Cybersicherheit ATHENE.

Michael Waidner ist Professor für Sicherheit in der Informationstechnologie im Fachbereich Informatik der Technischen Universität Darmstadt, Leiter des Fraunhofer-Instituts für sichere Informationstechnologie SIT und CEO von ATHENE.

für Kommunen leisten zu können“, so Giebel. Die Mission von VITAKO umfasst die Bündelung von Knowhow und Ressourcen in Rechenzentren durch kommunale IT-Dienstleister, die zahlreiche IT-Services anbieten, sowie deren Mitwirkung an der interföderalen Standardisierung von Basis-Infrastrukturen. Die Gewährleistung der kommunalen Cyber-Sicherheit ist für Giebel daher eine gesamtstaatliche Aufgabe, die über alle föderalen Ebenen hinweg koordiniert werden muss. Es ist essenziell, dass die kommunale Ebene an den nationalen Lagebildern teilhaben kann, die in den Cyber-Sicherheitsstrukturen des Bundes und der Länder entwickelt werden. Nur so können sie rechtzeitig auf Bedrohungen reagieren. Ein Ausfall der kommunalen Verwaltungs-IT würde bedeuten, dass wichtige Verwaltungsleistungen nicht mehr erbracht werden können. Dies gefährdet das Vertrauen in den Staat und führt in Krisensituationen zu einem Mangel an wichtigen Informationen für beteiligte Organisationen.

Leistungspakete für Kommunen Landes-CERTs sollten nach Meinung von VITAKO als interföderale Kooperationen fungieren. Einheitli-

che Strukturen für die Kooperation und Vernetzung zwischen Kommunen sowie Bundes- und Landesebene sind für VITAKO notwendig. Eine interföderale Vernetzung ermöglicht es den Kommunen, Vertrauen für den Informationsaustausch aufzubauen. Kommunen benötigen einen einheitlichen Zugang zu den Informationen der Landes-CERTs sowie deren Unterstützung bei ITSicherheitsvorfällen. Aus Sicht von VITAKO muss die kommunale Verwaltungs-IT als Kritische Infrastruktur eingestuft werden. Der Einbezug in die NISUmsetzung würde eine einheitliche Verpflichtung zur Risikobewertung, zu IT-Sicherheitskonzepten und zur Sicherung des Weiterbetriebs schaffen. Kommunen und kommunale Dienstleister benötigen dafür entsprechende finanzielle Mittel von Bund und Ländern. Kommunale IT-Dienstleister bieten das notwendige Know-how für die Bereitstellung von IT-Systemen und bündeln die Verwaltungs-IT in Rechenzentren. Anwendungen für die öffentliche Verwaltung müssen nach dem Prinzip „Security-by-Design“ entwickelt werden.

VITAKO setzt sich für die Standardisierung von Basis-Infrastrukturen ein und führt gemeinsame Notfall-Übungen durch. Zusammen mit govdigital und ProVitako wird den Kommunen ein effektives Leistungspaket geboten.

*Katrin Giebel ist Geschäftsstellenleiterin bei VITAKO.

Aboli Lion ist Senior Managerin Kommunikation bei VITAKO.

Carsten Meywirth, Director Cybercrime beim BKA, nennt spannende Details zu neun erfolgreichen Takedowns in den letzten vier Jahren. Fotos: BS/Bildschön
Sabine Griebsch, Managing Director bei GovThings, spricht über das „CyberHilfswerk“ und die Bewältigung von Großschadenslagen
Bundes-CIO Dr. Markus Richter gibt Einblick in sein Arbeitsspektrum zwischen Cyber-Abwehr, OZG 2.0 und Künstlicher Intelligenz.

Behörden Spiegel: Frau Dahns, wie unterscheidet sich Ihre neue Aufgabe von der alten, der Unterabteilungsleitung „Digitale Verwaltung“, und welche Expertise nehmen Sie davon mit?

Friederike Dahns : In meiner vorherigen Aufgabe war es meine Hauptverantwortung, wirklich alle Stakeholder, die im Bereich Verwaltung unterwegs sind, neu aufzustellen und zu überlegen, wie wir das Onlinezugangsgesetz operativ umsetzen können. Ein Schwerpunkt war die Modernisierung der Register, also dass Register miteinander sprechen, grenzüberschreitend und mit modernster Sicherheitsarchitektur. Das ist auch ein Anknüpfungspunkt für die neue Aufgabe. Diese lebt einerseits davon, dass man Informationssicherheit gestaltet, also dass man die Verwaltung und alles, was an ihr dranhängt, aber auch Wirtschaft und Forschung im Hinblick auf Informationssicherheit in die neue Zeit bringt. Neue Zeit heißt in dem Zusam-

„Je größer der Ermittlungserfolg, desto größer der Reputationsverlust beim Angreifer.“

menhang auch neue Gefahren. Und das ist der zweite Hut, den ich aufhabe: Cyber-Sicherheit auch zu durchdenken und zu gestalten mit einem sehr klaren Blick darauf, wer unsere Gegner sind.

Behörden Spiegel: Die Regierung hat das erklärte Ziel, Deutschland zur „Cyber-Nation“ zu machen. Wie definieren Sie diesen Begriff und was sind die wesentlichen Stellschrauben, um das Ziel zu erreichen?

Im Oktober 2023 legte ein Trojaner mehr als 70 Verwaltungen von Kommunen und Landkreisen lahm. Nur einen Monat später wurden elf Cyber-Angriffe auf Gemeindeverwaltungen im Kreis Neu-Ulm publik. Im Januar dieses Jahres meldeten 25 Kommunen in Hessen, dass sie angegriffen worden seien. Die Vorfälle zeigen: Cyber-Attacken auf Kommunen sind keine Seltenheit.

„Kommunen werden ständig angegriffen. Das ist aktuell Normalzustand“, bewertet Dr. Dirk Häger, Abteilungsleiter "Operative Cyber-Sicherheit" im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), die kritische Lage. Vor allem Ransomware-Schadprogramme stellen ein großes Problem für die Behörden dar. Bei einem Angriff durch Ransomware wird den Betroffenen der Zugriff auf die eigenen Daten, deren Nutzung oder das ganze Computersystem versperrt. Die Angreifenden geben diese Zugänge dann erst nach Zahlung eines Lösegeldes wieder frei.

Schwachstellen frühzeitig identifizieren

Um sich gegen solche Angriffe zu schützen, gibt es verschiedene Werkzeuge und Methoden, die von den Gefährdeten genutzt werden können. „Ein Penetrationstest ist immer zu empfehlen. Dadurch können potenzielle Schwachstellen frühzeitig identifiziert und somit auch Sicherheitslücken geschlossen werden“, unterstreicht Bernd Geisler, Präsident des Landesamts für Sicherheit in der

Darknet-Strukturen zerschlagen

Friederike Dahns über das BSI, NIS2 und den Kampf gegen Cybercrime

(BS) Im April dieses Jahres übernahm Friederike Dahns die Leitung der Abteilung Cyber- und Informationssicherheit im Bundesinnenministerium (BMI). In Zeiten wachsender Cyber-Angriffe äußert sie sich zur „Cyber-Nation Deutschland“, der Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Strategie gegen die Organisierte Cyber-Kriminalität. Das Interview führten Eva-Charlotte Proll und Christian Brecht.

Dahns: Die Cyber-Nation ist ja ein Begriff, den Claudia Plattner geprägt hat, die Präsidentin des BSI. Ihre Idee – und die teile ich voll und ganz – ist, dass man sich beim Thema Cyber-Resilienz nicht auf den Staat und die exekutiven Teile der Regierung beschränkt, sondern dass man auch Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft mitnimmt. Wir brauchen einen Technologiestandort, der innovativ, transparent und vertrauenswürdig ist. Dafür brauchen wir starke Unternehmen, die den Wert von eigener Cyber-Sicherheit erkennen, aber auch Technologien fördern. Damit wiederum neue Technologien entstehen, brauchen wir eine forschungsstarke Wissenschaft. Wir brauchen aber natürlich auch gehärtete Netze. Dass man nicht nur ein Wort von A nach B laufen lässt, sondern auch Bilder, Filme, große Lagebilder.

Behörden Spiegel: Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit dem BSI konkreter vorstellen, speziell auch mit dem neuen Lagezentrum?

Dahns: Wir arbeiten tagtäglich ganz eng mit dem BSI zusammen. Einmal fachlich mit den vielen verschiedenen Abteilungen, die das BSI bietet, etwa in den Bereichen Verbraucherschutz, Prävention und Regulierung, aber auch bei der Entwicklung und Bewertung neuer Technologien. Das Lagezentrum ist für uns ein wichtiges Instrument. Die Cyber-Bedrohungslage ist leider wachsend und gerade bei den „High Visibility Events“ in diesem Jahr – Europawahlen, Fußball-Europameisterschaft, Landtagswahlen – ist so ein Lagezentrum prädestiniert, um die verschiedenen Flüsse an

Für Friederike Dahns zerstört eine erfolgreiche Cyber-Abwehr nicht nur die Lebenszyklen von Cyber-Angriffen, sondern auch die Kredibilität der kriminellen Köpfe dahinter. Foto: BS/Brecht

Informationen zu kanalisieren und aufzubereiten. Wir würden uns sehr wünschen, dass das BSI endlich Zentralstelle werden dürfte, um seinen Austausch mit den Ländern noch mal ganz anders strukturiert und gezielt gestalten zu können. So, wie wir das vom Bundesverfassungsschutz kennen.

Behörden Spiegel: Es gilt als nicht unwahrscheinlich, dass die NIS2Richtlinie nicht wie geplant bis Mitte Oktober in die nationale Umsetzung kommt. Kritiker sagen, das liege auch daran, dass sich die Richtlinie mehr mit strategischer Kommunikation als mit konkreten Sicherheitsvorgaben beschäftige. Teilen Sie diese Kritik?

Dahns: Ich bin etwas zuversichtlicher als Sie, was die Umsetzung der Richtlinie anbelangt. Wir haben jetzt die Länder- und Verbändebeteiligung durchführen kön-

nen, mit einem großen zeitlichen Vorlauf, zugegeben. Gerade auch seitens der Verbände haben wir gehört, dass man über den dritten Referentenentwurf sehr erfreut ist. Wir setzen NIS2 ja europaweit um und es geht nicht, dass wir als Deutschland isoliert denken, denn die Unternehmen operieren global. Unser Ziel ist es, auf jeden Fall, vor dem Sommer den Kabinettsbeschluss zu erwirken und das sollte uns auch gelingen. Der Umfang an Unternehmen, die unter die Richtlinie fallen und sich härten müssen, steigt enorm. Wir haben eben einen großen Mittelstand. Aber NIS2 ist die einzige Möglichkeit, der steigenden Gefahr im Bereich Cybercrime gerecht zu werden. Denn die Kosten, die entstehen, entstehen vor allem bei den Unternehmen. Wir reden von einer Schadenssumme von 200 Milliarden Euro – und drei Viertel davon aus dem Cyber-Bereich.

Behörden Spiegel: Apropos Cyber-Attacken: Das jüngste „Lagebild Cybercrime“ zeigt einen stetigen Anstieg von aus dem Ausland durchgeführten Hacker-Angriffen. Wie wollen Sie dieser Komplexität und kriminellen Energie habhaft werden?

Dahns: Wir hatten vor einigen Jahren einen großen Ermittlungserfolg mit Emotet (Schadsoftware, Anm.d.R.), und das war der Startschuss für unser Vorgehen: Wir versuchen, die dahinter liegenden Strukturen zu zerschlagen. Der jüngste Erfolg unserer internationalen „Operation Endgame“ hat dazu geführt, dass wir weltweit Server beschlagnahmen, aber auch

Ein Werkzeug gegen Cyber-Attacken

Sicherheitslücken durch Penetrationstests erkennen (BS/Mirjam Klinger) Kommunen, Landes- und Bundesbehörden sind immer stärker von Cyber-Angriffen betroffen: Durchschnittlich ereignen sich in deutschen Kommunen jeden Monat zwei Ransomware-Angriffe. Schutz gegen die Attacken kann ein sogenannter Penetrationstest bieten.

Informationstechnik (LSI) in Bayern, die Bedeutung der Penetrationstests auf Anfrage des Behörden Spiegel. Das Bundesland Bayern hat mit dem LSI die einzige Landesbehörde, die sich ausschließlich mit der Sicherheit in der Informationstechnik befasst. Mithilfe eines Penetrationstest, kurz: Pen-Test, lässt sich herausfinden, wie anfällig ein Netzwerk gegenüber Cyber-Angriffen ist. Durch einen kontrollierten und simulierten Cyber-Angriff wird bei einem Pen-Test versucht, in ein Computersystem, oder -netzwerk einzudringen. Jeder Test beginnt dabei mit der Planung und Aufklärung, bei der die Ziele, der Umfang und die Regeln festgelegt werden. Anschließend sammeln die Tester Informationen über das Zielsystem, um potenzielle Schwachstellen zu identifizieren. Mithilfe spezieller Tools wird das System auf Schwachstellen und offene Türen untersucht. Die Tester versuchen dann, durch Ausnutzen dieser Schwachstellen in das System einzudringen und prüfen, ob der Zugriff dauerhaft aufrechterhalten werden kann, um tiefer in das System einzudringen und weitere Informationen zu sammeln. Schließlich werden die gefundenen Schwachstellen, deren mögliche Aus-

wirkungen und Vorschläge zur Behebung in einem detaillierten Bericht zusammengefasst. „Bei der Abwehr von Angriffen gegen IT-Systeme und -Netze empfiehlt es sich, nicht nur präventive Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen, sondern zusätzlich die Wirksamkeit dieser mithilfe von IS-Penetrationstests („IS“ kurz für Informationssicherheit) zu prüfen“, rät das BSI. Das Bundesamt selbst bietet Penetrationstests für die Bundes- und Landesbehörden an und hat ein Klassifikationsschema für Pene- trationstests entwickelt. Bei einem kleinen Penetrationstest wird ein technisches Sicherheitsaudit durchgeführt. Stichprobenartig werden sicherheitsrelevante Konfigurationen und Regelwerke der eingesetzten IT-Systeme untersucht

und Empfehlungen hinsichtlich möglicher Schwachstellen gegeben. Die Untersuchung geschieht vor Ort gemeinsam mit den Administratoren. Bei einem umfangreichen Penetrationstest dagegen werden, über das technische Audit hinaus, Schwachstellen durch technische Untersuchungen aufgedeckt und es wird auf die zuuntersuchenden IT-Systeme zugegriffen.

Mitarbeitende sensibilisieren Für den österreichischen Informatiker Marian Kogler sind Penetrationstests auch in der öffentlichen Verwaltung sehr wichtig, wenn die IT dort eine gewisse Rolle spielt. „Dies trifft inzwischen wohl auf jede öffentliche Einrichtung zu“, erklärte Kogler. Der IT-Experte führt Penetrationstests sowohl in Unter-

„Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource und das wird auch in Zukunft so bleiben“ Pierre Reuter, Leiter des Referats Penetrationstests im LSI

Haftbefehle vollstrecken konnten. Und das ist ja immer eine Kunst, den Angriff wirklich in Verbindung zu bringen mit den Tätern und dieser habhaft zu werden. Der ganze Lebenszyklus einer Cyber-Attacke ist über das Darknet vollumfänglich planbar und deshalb müssen wir genau dort ansetzen: bei diesen Strukturen, sei es im Bereich Geldwäsche von Kryptowährungen, dem Bereitstellen von Einbruchswerkzeugen, aber auch im Rekrutieren von Hackern.

Was wir feststellen: Je größer der Ermittlungserfolg, also je besser es uns gelingt, eine bekannte Gruppe auch zu stören und deren Aktivitäten zu unterbinden, desto größer ist der Reputationsverlust beim Angreifer – und desto schwieriger wird es, wieder neue zu rekrutieren. Da sind wir auf einem wirklich guten Weg.

Behörden Spiegel: Was kann Deutschland beim Thema Chief Information Security Officer (CISO) erwarten?

Dahns: Wir haben einen hervorragenden CIO des Bundes, Markus Richter, der voller Leidenschaft und Kompetenz dieses Amt erfüllt. Beim Thema CISO gibt es zwei verschiedene Denkschulen. Die einen sagen, es sollte unbedingt weiter ein Bundesland sein und die höchste politische Ebene repräsentieren. So wurde es auch bei unseren Partnern umgesetzt, also in Großbritannien oder in den Vereinigten Staaten, die das Amt auf nationaler Ebene verorten. Und andere sagen: Nein, wir finden, das gehört in ein BSI. In ein unabhängigeres BSI. Für uns ist am Ende des Tages wichtig, dass die Punkte, die an einem CISO hängen, eingelöst werden. Also die Integrität, die Transparenz, die Vertrauenswürdigkeit von Information und ein gutes Informationssystem-Management über alle Ressorts hinweg, über alle Geschäftsbereichsbehörden. Und ich glaube, wir werden eine gute Lösung finden. In der Tat laufen da noch die Gespräche.

nehmen als auch staatlichen Einrichtungen durch. Das LSI bietet Penetrationstests für die bayerischen Landesbehörden an. Das Angebot des LSI erstreckt sich aktuell noch nicht auf Kommunen. „Letztlich ist es für uns eine Kapazitätsfrage. Kommunen können aber für einen Test selbstverständlich externe Anbieter beauftragen. Auch wir nutzen Dienstleister und dies ist für Kommunen genauso zu empfehlen“, betont LSI-Präsident Geisler. Das LSI biete zudem individuelle Beratungsgespräche für Kommunen in Bayern an: „Wir unterstützen die Kommunen in ganz vielfältiger Weise mit einem eigenen Beratungsreferat hier im Haus. Wir haben Awareness-Schulungen für Kommunen und auch vervielfältigte Musterunterlagen, Leitlinien wie zum Beispiel zum IT-Notfallmanagement.“ Außerdem biete das LSI konkrete Unterstützungsleistungen, wie zum Beispiel den Warn- und Informationsdienst, an. Sowohl Marian Kogler als auch Pierre Reuter, Leiter des Referats Penetrationstests im LSI, unterstreichen die Bedeutung von Fortbildungen für die Mitarbeitenden. Neben einem Penetrationstest ist es laut Kogler wichtig, die Mitarbeitenden für Cyber-Sicherheit zu sensibilisieren. „Man sollte dabei berücksichtigen, dass Angriffe auch über Mitarbeiter erfolgen können und dies auch häufig tun. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource und das wird auch in Zukunft so bleiben“, fasst Reuter zusammen.

Sicherheit & Verteidigung

„I– Schutz – Aufklärung

Merkur Spiel-Arena www.polizeitage.de 04.09.2024

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t is not an Eintagsfliege!“ – unmissverständlich machte der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin deutlich, dass die Bundeswehr auch perspektivisch Verantwortung für die Sicherheitslage im Indopazifik übernehmen werde. Eine Aussage, die insbesondere an den Stabschef der indischen Luftstreitkräfte, Air Chief Marshal Vivek Ram Chaudhari, der wenige Meter neben Gerhartz stand, gerichtet gewesen sein wird. Vom 7. bis zum 14. August absolvieren deutsche, indische und Pilotinnen und Piloten weiterer Nationen im Rahmen der Unterübung „TARANG SHAKTI 1“ gemeinsame Trainingsflüge. Sie stellt die letzte der insgesamt fünf Teilübungen des Übungskomplexes Pacific Skies 24 dar. Im Sommer 2024 führt die Luftwaffe damit die größte Übung seit ihrer Gründung im Jahr 1956 durch. Die Übung folgt auf ein kleineres Engagement der Luftwaffe vor zwei Jahren und eine indopazifische Marineübung aus dem Jahr 2021. Fünf Übungen in acht Wochen Pacific Skies nahm vom 17. bis zum 29. Juni in Alaska seinen Anfang. Deutsche und US-amerikanische Truppen übten den Tiefflug im Rahmen des „Low Level Trainings“. Damit ging gleichsam eine Ära zu Ende. Denn die eingesetzten Mehrrollenkampfflugzeuge Tornado waren bei dieser Übung und nach 55 Jahren Dienstzeit zum letzten Mal international im Einsatz. Das „Low Level Training“ geht unmittelbar in die Übung „Arctic Defender“ über. Vom 8. bis zum 18. Juli üben acht deutsche und vier spanische Eurofighter, vier französische Rafale, vier deutsche, zwei spanische und drei

Die Luft über dem Pazifik wird dünner

(BS/Jonas Brandstetter) 1.800 Soldatinnen und Soldaten, 18 Nationen, 48 Luftfahrzeuge und Übungen auf vier Kontinenten – nach Rapid Pacific vor zwei Jahren kehrt die Luftwaffe gemeinsam mit ihren Partnernationen fulminant in den Pazifik zurück. Am Übungskomplex Pacific Skies 24 beteiligen sich neben der deutschen Luftwaffe auch die spanischen und französischen Luftstreitkräfte. Eine Entspannung der sicherheitspolitischen Lage, insbesondere im Indopazifik, ist nicht in Aussicht.

französische A400M sowie sieben A330-Tankflugzeuge vom Typ Multi Role Tanker Transport (MRTT) Luftkriegsoperationen nach NATO-Standards über Alaska. Deutschland übernimmt die Führungsrolle. Dabei sieht die Übung auch gemeinschaftliche Elemente vor.

Für die europäischen Anteile der Übung steht in Folge eine Verlegung nach Japan an. Während für fünf Jets der deutschen Eurofighter-Flotte und die spanischen und französischen Luftfahrzeuge Japan lediglich als Zwischenstation zum Auftanken und zum Crew-Austausch dient, verbleiben die übrigen drei deutschen Eurofighter im Land. Bei „Nippon Skies“ führen sie gemeinsame Trainingsflüge mit der Japan Air Self-Defense Force (JASDF) durch. Historisch ist die deutsch-japanische Übung einmalig. Nie zuvor trainierten Angehörige der deutschen und der japanischen Luftstreitkräfte gemeinsam im japanischen Luftraum. Die übrigen deutschen Anteile des Übungskomplexes Pacific Skies 24 verlegen für die Teilübung „Pitch Black“ nach Australien. In den elf Tagen vom 22. Juli bis zum 1. August fliegt die deutsche Luftwaffe gemeinsam mit den australischen Streitkräften Luftkampfübungen. Die spanischen und französischen Verbände sind ebenfalls beteiligt. Die drei in Japan verbliebenen Eurofighter der Luftwaffe sind an der Übung „Pitch Black“ hingegen nicht beteiligt. Sie verlegen nach Hawaii, um dort gemeinsam mit der Deutschen Marine bei „Rimpac“ den Seekrieg zu üben. An der Großübung zwischen dem 22. und 30. Juli beteiligen sich 29 Nationen. An der 29. Ausgabe der Übungen werden insgesamt 25.000 Soldatinnen und Soldaten teilnehmen. Sie stehen unter der

Führung von Vizeadmiral John Wade, dem Kommandeur der United States Third Fleet. „Rimpac“ ist die größte maritime Übung in der Region. Eine Aufteilung der deutschen Flotte außerhalb Deutschlands sei eine Premiere, erläuterte Gerhartz in Berlin. Die große logistische Herausforderung, Kampfjets auf diese Distanz zu warten, werde dadurch noch weiter gesteigert.

„Militärische Diplomatie ist ein wichtiges Werkzeug im diplomatischen Arsenal.“

Air Chief Marschal Vivek Ram Chaudhari, Stabschef der indischen Luftstreitkräfte

Ihren Abschluss findet der Übungskomplex Pacific Skies, wie bereits erwähnt, mit der Übung „TARANG SHAKTI 1“. Auch die spanischen und französischen Verbände nehmen an ihr teil. Damit zählen sie neben der Bundesrepublik und Großbritannien zu den zehn Ländern, welche die indischen Luftstreitkräfte zu der ersten eigenen multinationalen Luftübung des Landes einluden. Ursprünglich planten die indischen Luftstreitkräfte eine Übung im Nordwesten des Landes. Weil sich dies allerdings mit der Stationierung der deutschen Kräfte im Rahmen von Pacific Skies nicht vereinbaren ließ, bat Gerhartz Chaudhari, die Übung in den Süden zu verlegen. Die indi-

schen Luftstreitkräfte kamen dem Wunsch nach und bewiesen so, nach Ansicht Gerhartz’, ihre große Flexibilität.

Aus diesem Grund trägt der Übungsteil, an dem die deutschen Truppen beteiligt sind, das Suffix 1. Chaudhari erläuterte, dass man die Übung in zwei Phasen aufgesplittet habe, damit man gemeinsam mit den europäischen Nationen üben könne. Die zweite Phase erfolgt wie ursprünglich geplant zu einem etwas späteren Zeitpunkt im Nordwesten Indiens.

Chinesische Hoheitsansprüche und Putin in Vietnam Dass Deutschland nach den Übungen in den Jahren 2021 und 2022 erneut Präsenz im Indopazifik zeigt, ist aus Sicht des Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und ständigen Vertreters Deutschlands bei den Vereinten Nationen a. D., Christoph Heusgen, das richtige Signal. Der Indopazifik sei eine der bedeutendsten Weltregionen. 60 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) werden in dieser Region erwirtschaftet. Das europäisch-indopazifische Wirtschaftsvolumen sei das größte der Welt. Jede Einschränkung des transregionalen Handels habe daher massiven Einfluss auf die Wirtschaft und den Wohlstand in Europa, betonte Heusgen. Des Weiteren sei Deutschland als demokratisches Land über seine ökonomischen Interessen hinaus angehalten, zur Bewahrung der globale regelbasierten Ordnung beizutragen.

Insbesondere ein Staat in der Region habe in den vergangenen Monaten und Jahren die Prinzipien der regelbasierten Ordnung immer wieder herausgefordert. Heusgen warf der Volksrepublik China vor, das

demokratische System in Hongkong zu untergraben und das Seerecht im Südchinesischen Meer zu brechen. Zuletzt erregte ein Zwischenfall im Südchinesischen Meer internationale Aufmerksamkeit, bei dem ein philippinisches und ein chinesisches Schiff kollidierten. Der Zusammenprall ereignete sich in den Gewässern um das Second Thomas Shoal. Beide Staaten beanspruchen das Gebiet für sich. Aus diesem Grund betreiben die Philippinen mit der Sierra Madre seit 1997 einen provisorischen Außenposten auf den Spratly-Inseln. In der zunehmend konfliktbeladenen Auseinandersetzung zwischen China und den westlichen Verbündeten über das Gebaren der Volksrepublik in der Region kann das Reich der Mitte auf einen Partner an seiner Seite zählen. In einer gemeinsamen Erklärung anlässlich des russischen Staatsbesuchs in China warfen der russische Präsident Wladimir Putin und das chinesische Staatsoberhaupt Xi Jinping dem Westen und insbesondere den USA vor, „die Machtbalance in der Region zu stören“. Darüber hinaus unternimmt das russische Regime eigene Anstrengungen, um Einfluss auf die Region auszuüben und neue Absatzmärkte zu erschließen. Im vergangenen Monat absolvierte Putin Staatsbesuche in Nordkorea und Vietnam. Ergebnis der Gespräche in Hanoi sind mehr als zehn Vereinbarungen zu Wirtschaft, Bildung, Energie und Wissenschaft. Darüber hinaus versprach der russische Staatschef, eine „verlässliche Sicherheitsstruktur“ in der Region zu etablieren. Mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un verabredete Putin im Rahmen eines pompösen Staatsempfangs eine umfassende strategische Zusammenarbeit.

Titelbild: BS/Hoffmann unter Verwendung von stock.adobe.com, BISMILAH; stock.adobe.com, Kaspars

Behörden Spiegel: Sie waren fast zwei Jahre Justizminister des Landes Hessen, nun sind Sie Innenminister. Wie kann der verfassungsmäßig so wichtige Durchlauf an der entscheidenden Schnittstelle zwischen Polizei und Justiz verbessert werden?

Dr. Roman Poseck: Ich nehme die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz positiv wahr, und das inzwischen aus beiden Perspektiven. Das Bewusstsein für die Wichtigkeit einer engen Zusammenarbeit ist auf beiden Seiten gegeben, vor allem mit dem gemeinsamen Ziel einer effektiven Strafverfolgung. In den Häusern des Jugendrechts arbeiten Polizei und Justiz beispielsweise gemeinsam unter einem Dach, um Jugendkriminalität effektiv zu bekämpfen. Auch die beiden Minister arbeiten in Hessen höchst vertrauensvoll und eng zusammen. Wir setzen uns beispielsweise beide dafür ein, dass die Sicherheitsbehörden mit modernen Befugnissen, wie der Speicherung von IP-Adressen, ausgestattet werden.

Ich verspreche mir eine noch effektivere Zusammenarbeit durch die elektronische Akte, die in Zukunft eine durchgängige Bearbeitung von der Polizei bis zur Justiz ermöglichen wird. Justiz und Polizei werden aber nicht immer in allen Fällen und in allen Fragen einer Meinung sein. Das ist auch Ausfluss der Gewaltenteilung. Es ist dann meistens Sache der Justiz, am Ende eine Entscheidung zu treffen.

Behörden Spiegel: Von Seiten der Polizei wird immer wieder beklagt, dass die Staatsanwaltschaften Tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§114 StGB) nicht konsequent genug verfolgen. Fehlt das Bewusstsein auf Seiten der Justiz, dass dies für die Polizei, bis hin zur Traumatisierung, ein schwieriges Feld ist?

Poseck: Zunächst einmal sind die Straftaten gegen Polizeibeamte und gegen andere Einsatzkräfte aufs Schärfste zu verurteilen. Hier muss der Staat in Form von spürbaren und sichtbaren Sanktionen konsequent reagieren. Für Hessen

Quick Freeze: eine Mogelpackung?

Hessens Innenminister fordert anlasslose Speicherung von IP-Adressen

(BS) Dr. Roman Poseck löste Anfang des Jahres Peter Beuth als Hessischer Minister für Inneres, Sicherheit und Heimatschutz ab. Zuvor war er bereits Hessischer Minister der Justiz in der schwarz-grünen Vorgängerregierung. Im Gespräch mit Uwe Proll spricht er unter anderem über die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit der Justiz, den Umgang mit Geldautomatensprengungen und die Folgen der Teillegalisierung von Cannabis.

gibt es im Bereich der Staatsanwaltschaften eine klare Erlasslage. Schon zu meiner Zeit als Justizminister habe ich großen Wert darauf gelegt, dass diese Straftaten konsequent verfolgt werden. Das Problem im strafrechtlichen Verfahren liegt nicht selten beim konkreten Tatnachweis. Gerade wenn Taten aus einer Gruppe heraus begangen werden, ist es nicht einfach, aber im Rechtsstaat eben unverzichtbar, individuelle Schuld nachzuweisen.

Behörden Spiegel: Inwieweit können Bodycams in solchen Fällen helfen und gegebenenfalls zur Deeskalation beitragen?

Poseck: Hessen hat die Polizei flächendeckend mit Bodycams ausgestattet und unsere Polizisten setzen diese auch ein. Wir haben zwar keine Verpflichtung zum Einsatz von Bodycams ausgesprochen, aber ich rate und empfehle den Beamten, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen. Denn damit können im Nachhinein Missverständnisse und Vorwürfe ausgeräumt werden. Die Wirkung der Bodycams darf man auch im Hinblick auf Deeskalation und Prävention nicht unterschätzen, da auch das Gegenüber weiß, dass aufgezeichnet wird. Meine kommunalen Gesprächspartner haben im Rahmen unserer Innenstadtoffensive gegen Kriminalität immer wieder eingefordert, dass auch die Stadtpolizei die Bodycam verwenden darf. Und dafür möchte ich jetzt auch bald eine gesetzliche Grundlage schaffen. Die Argumente, dass damit sicherere und besser nachweisbare Einsätze der Polizei, bei der Landespolizei und genauso bei der Stadtpolizei, ermöglicht werden, sind überzeugend.

Eine Veranstaltung

Behörden Spiegel: Neben NRW hat auch Hessen Probleme mit Geldautomatensprengungen. Hier wurde die Allianz gegen Geldautomatensprengung gegründet und die Besondere Aufbauorganisation „effectus“ geschaffen. Auf der anderen Seite reduzieren die Finanzinstitute wegen der relativ teuren Zerstörung der Automaten deren Anzahl und damit die Zugänglichkeit von Bargeld für die Bevölkerung. Wie wollen Sie dieses Problem in den Griff kriegen?

Poseck: Mein Ziel ist es natürlich nicht, dass sich die Banken aus der Fläche zurückziehen. Wir brauchen eine flächendeckende Bargeldversorgung und deshalb wird es auch in Zukunft viele Geldautomaten geben müssen. In präventiver Hinsicht kommt es insbesondere darauf an, dass die Banken mitwirken und Schutzvorkehrungen ergreifen, wie das Verfärben oder Verkleben von Geld. Durch die Einrichtung der Allianz Geldautomaten haben wir erreicht, dass die Polizei mit den Banken über Risikoeinschätzungen spricht und beide Seiten versuchen, die Risiken zu minimieren. Wir haben im laufenden Jahr bislang auch deutlich weniger Geldautomatensprengungen in Hessen als im vergangenen Jahr zum gleichen Zeitpunkt. Wir sind also offensichtlich auf dem richtigen Weg. Daneben geht es aber natürlich auch um Strafverfolgung, denn wir haben es hier mit schwersten Verbrechen der organisierten Kriminalität zu tun. Mein Ziel ist es, dass wir einen anderen Strafrahmen für diese Delikte schaffen. Aus meiner Sicht bedarf es eines zusammengesetzten Delikts aus Sprengstoffexplosion und Diebstahl. Das Mindeststrafmaß sollte sich mit drei oder fünf Jahren Mindeststrafe am klassischen Bankraub orientieren.

Behörden Spiegel: Die meisten Täter kommen aus den Niederlanden. Kann die Einschränkung der Freizügigkeit auch für EU-Bürger innerhalb der EU ein probates Mittel sein – sprich ein Einreiseverbot?

Poseck: Die in Hessen Festgenommenen sind überwiegend niederländische Staatsangehörige mit Migrationshintergrund. Wenn man allein dieses Phänomen betrachtet und potentielle Täter kennt, dann mag ein Einreiseverbot auch ein probates Mittel sein. Allgemein halte ich allerdings die Freizügigkeit in der Europäischen Union für über-

„Die Ampel hat den Ländern und den Kommunen einen gesetzlichen Trümmerhaufen vor die Füße geworfen“

aus wichtig. Wir dürfen diese nicht vorschnell aufs Spiel setzen. Positiv hervorzuheben ist im Übrigen, die sehr gute Kooperation zwischen den niederländischen und den deutschen Behörden.

Behörden Spiegel: Wie stellt sich die Teillegalisierung von Cannabis in der Praxis dar? Wie gedenken Sie die Grenzwerte für die Teilnahme im Straßenverkehr zu kontrollieren?

Poseck: Zunächst einmal halte ich dieses Gesetz für einen Irrweg - in der Grundausrichtung und in der konkreten Ausgestaltung. Wir müssen aber akzeptieren, dass der Bundesgesetzgeber dieses Gesetz geschaffen hat. Die Ampel hat den Ländern und den Kommunen einen gesetzlichen Trümmerhaufen vor die Füße geworfen und wir müssen jetzt sehen, wie wir damit umgehen. Unser Ziel ist es, das Gesetz rechtstreu, aber auch restriktiv umzusetzen. Im Interesse des Jugendschutzes und der Sicherheit. Deshalb wird es in Hessen umfassende Kontrollmaßnahmen geben. Im Straßenverkehr haben wir damit bereits begonnen, denn es besteht die Gefahr, dass Konsumenten aus der Legalität fälschlicherweise darauf schließen, dass auch das Autofahren im berauschten Zustand legal ist, was selbstverständlich nicht der Fall ist. Die Ampel hat erst kürzlich auch noch die Erhöhung des THC-Grenzwertes beschlossen, was die Verkehrssicherheit zusätzlich gefährdet. Im Rahmen der letzten Innenministerkonferenz haben wir noch einmal bekräftigt, dass es beim bisherigen Grenzwert aus Gründen der Verkehrssicherheit bleiben sollte. Wir führen in Hessen umfassende Kontrollen durch. Diese sind aufwändig - es müssen Urin- und Bluttests durchgeführt werden, aber sie sind im Interesse der Verkehrsteilnehmer unverzichtbar.

Behörden Spiegel: Wie werden in Hessen im Hinblick auf die Durchsetzung der teils kleinteiligen und komplizierten Regelungen die Zuständigkeiten verteilt?

Behörden Spiegel: Die Legalisierung gilt auch für Polizeibeamtinnen und -beamten. Wer in seiner Freizeit Cannabis konsumiert, könnte also mit einem Restwert zum Dienst erscheinen, unter Einfluss Streife fahren oder im schlimmsten Fall sogar die Dienstwaffe einsetzen. Die Gewerkschaften fordern daher Richtlinien zum Umgang mit Cannabis. Ist damit in Hessen zu rechnen?

Poseck: Ein Problem dieser Legalisierung ist, dass der Abbau von Cannabis wesentlich unklarer ist als beim Alkohol. Das macht es im Straßenverkehr schwierig und aber auch in anderen Zusammenhängen. Ich habe sehr viele Gespräche in den letzten Wochen geführt und habe keinen Polizeibeamten getroffen, bei dem ich den Eindruck hatte, dass er diese Teillegalisierung gut findet. Von daher gehe ich nicht davon aus, dass viele Polizisten den Weg gehen werden, die Legalisierung zu nutzen. Wir sind im Moment dabei, sehr klare Regeln für den Dienstbetrieb zu schaffen. Das bedeutet, dass im Dienst kein Restwert mehr vorhanden sein darf. Von daher setzen wir für den Dienstbetrieb, gerade im Hinblick darauf, dass hier risikogeneigte Tätigkeiten ausgeübt werden, auf eine rigide Linie.

Behörden Spiegel: Bei der Verfolgung von Straftaten schafft die Entschlüsselung der EncroChat- und Sky ECC-Protokolle aufgrund der Qualität und Quantität der Daten vollkommen neue Möglichkeiten. Schafft die Justiz in Hessen die Abwicklung der Datenmengen bevor die Verjährungsfrist abläuft?

Poseck : Die Entwicklung der Straftaten geht auch auf die erfolgreiche Arbeit der Polizei zurück. Polizei und Justiz arbeiten bei diesem Thema eng zusammen. Mir liegen aus der Polizei keine Hinweise darauf vor, dass es bei der hessischen Justiz im Kontext dieser Verfahren zu Engpässen kommt.

Behörden Spiegel: Wie stehen Sie zu Quick Freeze? Denken Sie, das Verfahren ist mit all seinen staatsanwaltlichen Rückversicherungen, die zusätzlich Zeit und Aufwand kosten, überhaupt umsetzbar?

Poseck: Wo nichts ist, kann auch nichts eingefroren werden. Das ist die einfache Antwort. Egal, ob sie bei der Polizei oder bei der Justiz nachfragen, alle sagen: Quick Freeze ist eine Mogelpackung. An der anlasslosen Speicherung von IP-Adressen für eine begrenzte Zeit zur Verfolgung und zur Verhinderung schwerster Straftaten führt kein Weg vorbei. Das hat zuletzt der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil am 30. April bestätigt und die Speicherung von IPAdressen für die Bekämpfung von Straftaten ermöglicht. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie nun endlich eine taugliche Gesetzesgrundlage schafft. Es ist gerade vor dem Hintergrund der aktuellen terroristischen Bedrohungslage und der Kriminalitätsentwicklung unerlässlich, dass wir unsere Behörden mit den modernen und wirkungsvollen Befugnissen ausstatten. Unsere Sicherheit muss oberste Priorität haben.

Poseck: Das Innenministerium ist federführend für die Umsetzung des Cannabisgesetzes zuständig. In den vergangenen Wochen haben wir die Zuständigkeiten bestimmt und festgelegt, dass das Regierungspräsidium Darmstadt für das Erlaubnisverfahren der Anbauvereinigungen verantwortlich ist. Die Kreisordnungsbehörden sind für die zeitnahe Erstkontrolle nach Erteilung der Genehmigung und die Folgekontrollen der ortsnahen Anbauvereinigungen zuständig. Und die Ahndung der Ordnungswidrigkeiten soll auf die Kreisordnungsbehörden und allgemeinen Ordnungsbehörden übertragen werden. Selbstverständlich überwacht die Polizei die Einhaltung der Vorschriften. Ich bedauere den erheblichen Zusatzaufwand, der hier für die verschiedenen Ebenen entsteht. Wir haben nun wirklich auch im Öffentlichen Dienst wichtigere und drängendere Themen als die Umsetzung dieses missglückten Gesetzes.

Bei der Umsetzung der Teillegalisierung von Cannabis legt Hessens Innenminister Dr. Roman Poseck besonderen Wert auf den Jugendschutz und die Verkehrssicherheit. Foto: BS/HMdI

Konzepte zur Personalauswahl und Personalentwicklung sowie Anforderungen an Führungskräfte müssen neu gedacht, die Aus- und Fortbildung muss praxisorientiert, modern und ansprechend gestaltet und die Möglichkeiten der Digitalisierung müssen auch effizient genutzt werden.

Mit der Digitalisierung beginnt die Bayerische Polizei schon in der Ausbildung. Im Projekt „Digitales Ausbildungsseminar“ wurden Lehrsäle, Lehrkräfte und die Auszubildenden mit hochmoderner Hardware ausgestattet. Dies ermöglicht ein digitales Lehren und Lernen. Die Inhalte des zukunftsorientierten Programms „Mobile Police“ mit allen Features des Einsatzmanagements wurden ebenso konsequent bereit in die Ausbildungskonzepte integriert.

In die virtuelle Realität zum Spurensichern

Einen digitalen Meilenstein haben wir mit der Tatortrekonstruktion mittels Virtual-Reality-Technik (VR) beim Bayerischen Landeskriminalamt gesetzt, dem sogenannten Holodeck. Die dreidimensionale Tatortvermessung mit hochauflösender Lasertechnologie wurde bis zur Begehung von virtuellen Tatorten weiterentwickelt. Komplexe Ermittlungs- und Gerichtsverfahren profitieren von dieser Technik, beispielsweise wenn widersprüchliche Aussagen zum Tatgeschehen über die Begehung und Vermessung eines virtuellen Tatortes widerlegt werden können.

Die Ausbildung der Zukunft

Die Chancen der Digitalisierung bei der Polizeiausbildung

(BS/Michael Schwald) Die Polizeien der Länder und des Bundes stehen in herausfordernden Zeiten. Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und des brutalen Terrorangriffs der radikalislamischen Hamas auf Israel mit den damit einhergehenden Bildern des Hasses auch auf den Straßen in unserem Land stellen die Polizei und die gesamte Gesellschaft vor neue Aufgaben. Nach wie vor besteht eine Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus. Die Digitalisierung in allen Lebensbereichen versetzt Täter mit einfachen Mitteln in die Lage, in rasanter Anpassungsgeschwindigkeit immer wieder mit neuen Formen der Kriminalität im Cyber-Raum Schaden anzurichten. Daneben muss sich die Polizei dem hohen Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt und den veränderten Erwartungshaltungen der jungen Generation stellen, um weiterhin geeignetes Personal zu gewinnen. Diese Herausforderungen erfordern neue Strategien und Denkweisen in nahezu allen Bereichen der Polizei.

Verschiedenste Einsatzmöglichkeiten für VR, etwa bei der Aus- und Fortbildung sowie beim Einsatztraining, sind bei entsprechend ausgereifter VR-Technik denkbar. In diesem Kontext beteiligt sich die Bayerische Polizei als assoziierter Partner an einem vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung geförderten Projekt der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin. Ziel des Projektes „Konflikte und Krisen durch Kommunikation deeskalieren (K3VR)“ ist die Entwicklung einer multisensorischen und Künstliche-Intelligenz-(KI)-gestützten VR-Trainingsumgebung. In dieser sollen Einsatzkräfte deeskalierende Kommunikation trainieren können. Das deeskalierende Einsatztraining wird schon heute durch ein hochmodernes Lasertrainingssystem unterstützt. Bei der Bayerischen Polizei sind damit alltägliche Einsatzsituationen bis hin zu lebensbedrohlichen Lagen realitätsnah trainierbar. Blickkontakt, Mimik und Kommunikation bleiben auch im Training uneingeschränkt möglich. Der Fokus kann auf eine kommunikativ-deeskalierende Einsatzbewältigung gelegt werden. Eine trainingsbezogene und zusätz-

liche Schutzausstattung ist nicht mehr notwendig.

KI als Chance Wir beobachten auch die technischen und rechtlichen Entwicklungen im Bereich der KI. Für den Polizeibereich kann KI neue Chancen bieten – sei es zur Entlastung des eigenen Verwaltungshandelns oder bei der Bewältigung polizeilicher Aufgaben. Die KI-Unterstützung bei der Auswertung digitaler Massendaten zur Erkennung und Kategorisierung von kinderpornografischem Bildmaterial könnte hier zu einer deutlichen – auch psychischen – Entlastung der Ermittle-

Kritik an neuer Behörde gegen Finanzkriminalität

Personal schon beim Zoll vorhanden

(BS/mk) Der jüngste Deutschlandbericht des internationalen Geldwäschegremiums, Financial Action Task Force (FATF), deckte große Lücken in der Bekämpfung von Geldwäsche auf. Die Bundesregierung reagierte darauf mit den Entwürfen des Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetzes (FKBG) und des Vermögungsverschleierungsbekämpfungsgesetzes (VVBG).

Nach Veröffentlichung des Entwurfs des FKBGs gab es erhebliche Kritik vonseiten der CDU/CSU und des Zolls, insbesondere hinsichtlich der geplanten Einrichtung des neuen Bundesamts zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF). Die neue Behörde soll die aktuelle Zersplitterung der Geldwäscheaufsicht in den Ländern und beim Bund beheben und dort die Koordination übernehmen. „Wir wollen eine schlagkräftige Behörde aufbauen, die Geldwäsche bekämpft“, erklärte Carlos Kasper (SPD), Mitglied des Bundestags und ehemaliger Zollbeamter bei der Finanzkontrolle und Schwarzarbeit, bei einem Parlamentarischen Frühstück des Behörden Spiegel in Kooperation mit Philip Morris.

Auch Marcel Emmerich (Bündnis90/Die Grünen), Mitglied des Bundestags, betonte den Rückstand, in welchen Deutschland bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität geraten sei. „100 Milliarden Euro werden jährlich in Deutschland gewaschen“, so Emmerich Dieser fand kritische Worte gegenüber dem geplanten BBF. So stellte er klar, dass er sich statt einer neuen Behörde eine Stärkung des Zollamts und eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen dem Zoll und dem Bundeskriminalamt (BKA) gewünscht hätte. Trotz dieser Kritik sieht der Abgeordnete der Grünen in dem neuen Gesetz die Antwort auf den FATF-Bericht: „Mit dem Gesetz können wir einen großen

Schritt in die richtige Richtung machen.“

Der Bundesvorsitzende des Bundes deutscher Zollbeamter (BDZ) –Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft –, Thomas Liebel, hätte sich statt der neuen Behörde einen gestärkten Zoll gewünscht. Ein Manko des Zolls sei aktuell jedoch, dass dieser keine reinen Finanzermittler habe. „Sollten wir eine strukturelle Veränderung bekommen, müssten wir auch verfahrensunabhängige Finanzermittlungen möglich machen“, argumentierte Liebel. Die neue Behörde könne dort im Bereich der reinen Finanzermittlung durchaus einen Fortschritt bringen, gab Liebel zu. Dies dürfe jedoch keinen finanziellen Einfluss auf den Zoll haben. Laut Jörg Lehnert, Leiter der Geldwäscheaufsicht in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Berlin, gibt es durch die neue Behörde noch keinen erkennbaren Mehrwert. „Besser wäre eine Behörde im Zoll gewesen“, konstatiert Lehnert. Ein großer Kritikpunkt an der neuen Behörde sei das benötigte Personal. Dieses wäre im Zoll bereits vorhanden gewesen.

rinnen und Ermittler beitragen und die Ermittlungsarbeit in diesem Bereich erheblich unterstützen.

Die zunehmende Digitalisierung führt auch dazu, dass potenzielle Bewerber die Bayerische Polizei weiterhin als modernen, zukunftsorientierten und attraktiven Arbeitgeber auf Augenhöhe mit anderen Branchen wahrnehmen. Damit sprechen wir auch IT-Fachkräfte an, die wir zu Vollzugsbeamten ausbilden. Sie bringen ihr informationstechnisches Know-how bei der Bekämpfung von Cyber Crime, von Organisierter Kriminalität und Terrorismus ein.

Zudem müssen die Befugnisse der Polizei im Einklang mit der Verfassung an die digitalen Entwicklungen angepasst werden. Das geschieht aktuell in Bayern mit dem Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) und weiterer Rechtsvorschriften. Neue Kommunikations-, Speicher- und Recherchemöglichkeiten sind der Schlüssel für erfolgreiche Polizeiarbeit. Dazu gehören auch moderne Recherche- und Analysetools für den immer größer werdenden Datenbestand. Im PAG soll daher mit der laufenden Novelle eine Rechtsgrundlage für eine verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform (VeRA) geschaffen werden.

„Geistige“ Schutzausstattung in Krisenzeiten

Nicht zuletzt muss unsere Polizei demokratiefest bleiben. In Krisenzeiten wird deutlich, dass die Polizei

eine„Kritische Infrastruktur“ ist. In einer Welt, in der sich die Menschen nicht mehr nur zwei Mal am Tag „updaten“, sondern Ereignisse rund um die Uhr die Newsfeeds erreichen, können Krisen – wo immer sie stattfinden – auch hier unmittelbar vor Ort und in Sekundenschnelle von polizeilicher Relevanz werden. Die Polizeiarbeit war vermutlich noch nie in einer derart hohen Frequenz und Intensität von der politischen Weltlage beeinflusst. Die durch ständige Krisenbewältigung hervorgerufenen Belastungen machen es erforderlich, dafür zu sorgen, dass die für unsere Demokratie so elementar wichtige Institution Polizei stabil und resilient im Sinne von Demokratiefestigkeit bleibt. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte müssen eine „geistige“ Schutzausstattung zur Verfügung haben, wenn sie tagtäglich mit Verschwörungstheorien und oft auch mit – teilweise sehr gut getarnten –radikalen Ansichten konfrontiert werden. Aus diesem Grunde ist die politische Bildung bei der Polizei wichtiger denn je. Mit einem speziellen Arbeitsbereich beim Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei wollen wir die politische Bildung und demokratische Resilienz weiter stärken. Alle Beschäftigten der Polizei müssen über ein ganzes Berufsleben hinweg über einen stabilen demokratischen Wertekompass verfügen. Fehlentwicklungen innerhalb der Polizei, die wir heute ignorieren, werden morgen zum Verlust des Vertrauens bei der Bevölkerung führen. Eine Polizei, die das Vertrauen der Menschen nicht mehr hat, wird nur schwer ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen können.

Als höchster Polizist der Bayerischen Polizei trägt er die Verantwortung für mehr als 44.500 Beschäftigte.

Bundeskongress

Kommunale

Verkehrssicherheit

25. & 26. September 2024

Bundeskongress

Informationen und Anmeldung unter www.kommunale-verkehrssicherheit.de www.kommunale-ordnung.de Veranstaltungen des Schlosshotel Monrepos Ludwigsburg

Michael Schwald ist seit März 2022 Landespolizeipräsident der Bayerischen Polizei.
Foto: BS/privat
Tammo Körner, Philip Morris GmbH, Thomas Liebel, Bundesvorsitzender BDZ, Beate Ernst, Philip Morris GmbH, Dr. Eva-Charlotte Proll, Behörden Spiegel, Jörg Lehnert, Geldwäscheaufsicht Berlin, Marcel Emmerich, MdB, Carlos Kasper, MdB, und Sercan Agci, H/Advisors Deekeling Arndt (v. l. n. r.) Foto: BS/Klinger
Mit ihrer Technik zur dreidimensionalen Tatortvermessung, genannt „Holodeck“, hat die Bayerische Polizei einen digitalen Meilenstein gesetzt. Foto: BS/Justlight, stock.adobe.com

Die europäische Dimension in der Migrationsfrage ist von erheblicher Bedeutung für das Gelingen nationaler Migrations- und Integrationspolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten. Dr. Michael Spindelegger, Generaldirektor des Internationalen Zentrums für die Entwicklung von Migrationspolitik, skizziert die aktuelle Lage: Die steigenden Zahlen von Flüchtlingen seien nicht bloß ein europäisches, sondern ein globales Problem und würden durch eine Vielzahl von Krisen ausgelöst. In Europa habe man sich der Herausforderung angenommen, indem man die EUAsylagentur eingerichtet und Frontex strukturell und personell ausgebaut habe. Dazu seien Verträge mit Heimat- und Transitländern der Asylsuchenden in Entstehung. Man strebe eine größere Kontrolle über die Zuwanderung an, auch indem man robustere und schnellere Prozeduren bei den Asylverfahren implementieren möchte. Entscheidend sei, die richtige Balance zwischen organisierter, legaler Migration und der Kontrolle des Zustroms von Asylsuchenden zu finden.

Grenzsicherung verbessert

Auch Hans Leijtens, geschäftsführender Direktor von Frontex, macht darauf aufmerksam, dass die Migration nicht nur eine Realität darstelle, mit der man umgehen müsse, sondern von den EU-Mitgliedsstaaten ausdrücklich gewollt sei. Sie müsse aber reguliert und organisiert werden. Das bedeute auch, dass illegale Migration verhindert werden müsse. Hier herrsche Nachholbedarf: Den 420.000 abgelehnten Asylanträgen stünden bislang lediglich 90.000 Rückführungen entgegen. Leitjens machte auch auf die Bedeutung der Integrationsleistung aufmerksam, die von großer Wichtigkeit für einen gelingenden Migrationsprozess sei. Er betonte zudem, dass die externen Grenzen der EU Sache aller Mitgliedsstaaten sei. General Marius Vizitiu, Direktor der rumänischen Grenzpolizei, berichtet in diesem Zusammenhang von der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Frontex und Europol im Kampf gegen Schleuser auf der Balkanroute. Mit

KLOSTER-KLAUSUR:

27. – 29.08. 2024

Überforderung durch Migration?

Lenkung der Migration in EU und Deutschland

(BS/lm) Auf EU- und nationaler Ebene nimmt das Thema der Migrationslenkung besonderen Stellenwert ein. Rechte und rechtsextreme Parteien profitieren von der bisherigen Zurückhaltung der Politik. In der Union und in der Bundesrepublik nimmt man sich des Themas verstärkt an. Die Ergebnisse sind jedoch durchwachsen.

Der bayerischen und der sächsischen Landesregierung gehen die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz nicht weit genug.

Foto: BS/Henning Schacht, Hessische Staatskanzlei

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder begrüßten die Ankündigung des Bundeskanzlers, Personen, die schwere Straftaten begehen und terroristische Gefährder konsequent auch nach Syrien und Afghanistan abzuschieben sowie die Ausweisungsregelungen bei Billigung terroristischer Straftaten zu verschärfen. Der Bund müsse dazu schnell die notwendigen Voraussetzungen schaffen, fordern die Länder. Vom Bund heißt es, dass man schon erste Schritte dazu eingeleitet habe. Ob die Bundesregierung dazu mit den Taliban in Afghanistan oder dem Assad-Regime in Syrien in Verhandlung treten wird, wird nicht ausgeführt.

desministerium des Innern und für Heimat (BMI), sagt, es gebe keine einfache Lösung für die vielfältigen Probleme. Jedoch betont sie die Wichtigkeit der erfolgreichen Umsetzung des EU-Asylkompromisses im Laufe der nächsten zwei Jahre. Die demografische Situation in Europa mache Migration unabdingbar, allerdings dürfe diese nicht auf Kosten der Sicherheit gehen oder zur Polarisierung der Gesellschaft führen.

Der Polizeipräsident von Dortmund, Gregor Lange, berichtet von den Auswirkungen in der Ruhrmetropole. Über 21 Prozent der Dortmunder besitzen einen ausländischen Pass, 40 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Leider sei das Vertrauen in die Institutionen hinsichtlich der Lösungskompetenz und Steuerungsfähigkeit gesunken.

nung dazu führe, dass sich weniger Landsleute auf den Weg nach Europa machten. Auch sogenannte „Migrant Ressource Centres“ sollen dabei helfen. Sie sollen den Ausreisewilligen eine realistische Einschätzung ihrer Erfolgsaussichten vermitteln. Diese sei häufig von den Versprechungen der profitsuchenden Schleuserbanden verfälscht. Die Schleusungsbekämpfung liegt auch Isabel Schmitt-Falckenberg sehr am Herzen. Sie mahnte an, faktenorientiert zu diskutieren. Die Probleme seien nur gemeinsam zu lösen, was naturgemäß zu Kompromisslösungen führe. So forderte auch Düpont, Deutschland müsse als zentraler EU-Staat Verständnis für die Staaten an den Grenzen der Union aufbringen.

Vager Beschluss in Deutschland Wie lange die Kompromissfindung auch in Deutschland dauert, konnte man nun auch auf der vergange-

KLOSTER DRÜBECK, HARZ

nen Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) beobachten. Zwar ist man sich im Grundsatz einig, dass man den eingeschlagenen Kurs in der Migrations- und Flüchtlingspolitik fortführen möchte. Doch manchen Ländern geht das nicht weit genug. Der Beschluss der Bundesregierung und der Landesregierungen sieht weiterhin zielgerichtete Maßnahmen gegen unkontrollierte Zuwanderung vor. Die Zusage der Bundesregierung, ob man den Schutzstatus von Asylsuchenden in Transit- oder Drittstaaten prüfen könne, werde momentan umgesetzt. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) habe in den letzten Wochen und Monaten Sachverständige angehört und einen Sachstandsbericht erstellt. Die Bundesregierung werte nun die im Nachgang eingereichten schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen aus und wird hieraus Schlussfolgerungen ziehen.

Forderung aus Sachsen und Bayern In einer Protokollerklärung fordern die Freistaaten Sachsen und Bayern in der Migrationspolitik eine Zeitenwende. „Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse der heutigen Verhandlungen aus Sicht Bayerns und Sachsens ernüchternd“, heißt es in dem Vermerk. Es seien fünf Punkte „unmittelbar“ umzusetzen: Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder, die nicht abgeschoben werden könnten, seien in Sofort-Arrest zu nehmen, und zwar so lange, bis sie freiwillig in ihr Herkunftsland zurückkehrten. Leistungen an Straftäter und Ausreisepflichtige müssten auf das sogenannte physische Existenzminimum gekürzt werden. Zudem fordern die beiden Freistaaten, dass der Bund die Länder bei der Rückführung stärker entlasten müsse. Es seien Bundesausreisezentren zu errichten. „Schwere Straftäter und Gefährder haben ihr Bleiberecht in Deutschland verwirkt. Personen, die wiederholt gegen unsere Gesetze verstoßen, müssen ihren Schutzstatus verlieren und abgeschoben werden“, geben Sachsen und Bayern zu Protokoll. „Auch Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien dürfen kein Tabu sein. Soweit erforderlich, sind hierfür auch Verhandlungen mit den Taliban und dem Assad-Regime zu führen. Zudem muss das Rechtsinstitut des subsidiären Schutzes dringend reformiert werden“, heißt es dort weiter. Die Umgehung der geltenden Dublin-Regelung durch andere EU-Staaten dürfe nicht mehr hingenommen werden.

Hohes Niveau an Bedrohungen

(BS/Anne Mareile Walter) „Wir haben alle Schutzmaßnahmen massiv hochgefahren“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Vor allem von hybriden Bedrohungen, Cyber-Angriffen und Rechtsextremisten geht Gefahr aus. DIGITALE

Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 veröffentlicht

www.fuehrungskraefte-forum.de; Suchwort: Kloster

Die Akzeptanz der Demokratie sei auf 50 Prozent gesunken. Auch das Vertrauen in die Polizei sinke zunehmend. Daher sei es wichtig, der gesamten Bevölkerung das Gefühl zu geben, dass die Polizei sich um ihre Sorgen kümmere. Es gehe um die Sicherheit aller, auch die der Migranten. Der jüngste Anstieg der Kriminalität stehe definitiv im Zusammenhang mit der Migration, diese sei aber nicht Auslöser. Hintergrund sei der hohe Anteil männlicher Migranten und das Fehlen von Strukturen und Perspektiven für diese erhöht kriminalitätsanfällige Bevölkerungsgruppe.

Serbien habe man Abkommen geschlossen, um gegenseitige Grenzübertritte zu ermöglichen, was die Grenzsicherung erleichtere. Asylgesuche wickele man inzwischen zu 40 Prozent im Rahmen von Schnellverfahren ab.

Gesellschaftliche Auswirkungen Zwischen den Hauptproblemen der Organisation von Grenzsicherheit, des Ausgleichs innenpolitischer Konflikte und der Kriminalitätsbekämpfung will Lena Düpont, MdEP für die Europäische Volkspartei (EVP), keinen Dringlichkeitsunterschied machen. Alle Themen seien gleich wichtig. Im nächsten Jahrzehnt müssten diese Problemfelder parallel angegangen werden. Isabel Schmitt-Falckenberg, Abteilungsleiterin der Bundespolizei im Bun-

Alle Augen auf der Asylreform Hoffnung setzen alle Diskussionsteilnehmer in die EU-Asylreform. Selbstkritisch bemerkt Düpont , dass acht Jahre zur Kompromissfindung viel zu lange sind und man auf parlamentarischer Ebene Handlungsfähigkeit habe vermissen lassen. Dies hänge auch damit zusammen, dass erst in der letzten Legislaturperiode aufgrund der Lage eine breite Kompromissbereitschaft entstanden sei. Hoffnung setzt sie auf den Abschluss von Abkommen mit Drittstaaten. Zukünftig sollen bereits an den EU-Außengrenzen Prescreenings stattfinden. Asylsuchende aus Ländern, die eine Annahmequote von unter 20 Prozent besäßen, sollten dann Schnellverfahren durchlaufen. Spindelegger meint, dadurch könnte ein neues Bild geschaffen werden, da die schnelle Ableh-

Die Sicherheitslage in Deutschland ist durch Extremisten stark bedroht. Das ist ein Kernergebnis aus dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023, den Bundesinnenministerin Faeser und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, Mitte Juni in Berlin präsentierten. „Die Bedrohung unserer Demokratie durch Spionage, Sabotage, Desinformation und Cyber-Angriffe hat eine neue Dimension erreicht“, sagte Faeser bei der Vorstellung des Papiers. Hybride Angriffe durch Russland stünden hier an erster Stelle. Doch auch China und Iran setzten ihre Geheimdienste verstärkt gegen Deutschland ein. Deshalb seien „höchste Sensibilität und höchste Schutzvorkehrungen“ in allen Bereichen nötig – sowohl in Institutionen und Unternehmen wie im Bereich der Kritischen Infrastrukturen.

BfV-Präsident Thomas Haldenwang betonte: „Die verschärfte Gefährdungslage für Deutschland stellt auch den Verfassungsschutz

vor große Herausforderungen. Wir sehen uns aktuell einem sehr hohen Niveau von Bedrohungen gegenüber.“ Das Risiko von dschihadistischen Anschlägen sei seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel weiter gestiegen, vor allem bei Gruppen wie dem ISPK stehe Deutschland im Fokus. Allerdings würden auch radikalisierte Einzeltäter ohne erkennbare Anbindung an Terrororganisationen „eine große Gefahr“ darstellen. Infolge des Nahost-Konfliktes hätten sich antisemitische Tendenzen hierzulande verstärkt, auch sei die Zahl der antisemitisch motivierten Straftaten dramatisch angestiegen.

Mehr gewaltorientierte Rechtsextremisten Hinzu kommt: Die Vernetzungsaktivitäten der sogenannten Neuen Rechten nahmen weiter zu, ebenso wie deren Bedeutung für die rechtsextremistische Szene insgesamt. 39.433 Straftaten mit extremistischem Hintergrund gab es im Jahr 2023, 2022 waren es 35.452. Davon

waren 2.761 Gewalttaten (2022: 2.847). Damit ist ein neuer Höchststand erreicht. Das Personenpotenzial im Rechtsextremismus lag 2023 bei 40.600. 2022 waren noch 38.800 Personen rechtsextremen Gruppierungen zugerechnet worden. Der Anteil der gewaltorientierten Rechtsextremisten erhöhte sich von 14.000 Personen im Jahr 2022 auf 14.500 Personen 2023. Das Personenpotenzial der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ wuchs um 2.000 Personen auf insgesamt 25.000 an, davon wurden zehn Prozent als gewaltorientiert eingestuft. Das linksextremistische Personenpotenzial befindet sich auf einem ähnlichen Level. Es erhöhte sich 2023 um 500 auf insgesamt 37.000 Personen. Mehr als jeder vierte Linksextremist gilt dabei als gewaltorientiert. Im Bereich Islamismus/islamistischer Terrorismus ist das Personenpotenzial von 27.200 Personen im Vergleich zu 2022 mit 27.480 Personen in etwa gleich geblieben.

Behörden Spiegel: Warum engagieren sich Menschen ehrenamtlich? Gibt es da Unterschiede zwischen Freiwilligen Feuerwehren und anderen Verbänden?

Prof. Dr. Doris Rosenkranz: Seit vielen Jahren forsche und lehre ich zum Thema Engagement. Die Motive für ein Engagement sind vielfältig – Gutes Tun wird oft genannt, anderen Menschen helfen zu können –; sowohl bei den Freiwilligen Feuerwehren als auch in anderen Felders des Engagements. Sehr deutlich ist aber auch, dass viele Ehrenamtliche auch für sich selbst einen Benefit erwarten – z. B. soll das Ehrenamt auch Spaß machen und sich gut in den Alltag integrieren lassen. Auch die Bereitschaft für kürzere ehrenamtliche Projekteinsätze ist gestiegen, bei denen auch das Ende des Engagements bereits mitgedacht wird. Oftmals wird auch ein Ehrenamt gewechselt.

Für die wenigsten Menschen ist die sprichwörtliche goldene Ehrennadel ein erstrebenswertes Ziel ihres eigenen Engagements. Das stellt Organisationen und Vereine, die auf Ehrenamt bauen, zunehmend vor Herausforderungen: Wie lassen sich Menschen für ein Ehrenamt gewinnen und halten? Was sind passende Formen der Anerkennung? Das sind aktuelle Fragen in vielen Gemeinden. Die Engagementforschung stellt hier im Rahmen des Freiwilligenmanagements konkrete Empfehlungen zur Verfügung.

Behörden Spiegel: Gibt es „den“ freiwilligen Feuerwehrmann bzw. „die“ freiwillige Feuerwehrfrau?

Rosenkranz: An unserer Studie haben sich über 32.000 ehrenamtliche Feuerwehrleute in Bayern beteiligt. Deren Antworten zeigen klar, dass es keine homogene Gruppe in diesem Ehrenamt gibt. Das private und berufliche Leben ist so individuell gestaltet und die Lebensentwürfe sind so vielfältig, dass es gut das Leben in Deutschland abbildet. Da gibt es die Hausmänner genauso wie die selbstständigen Unternehmerinnen oder Personen, die jeden Tag eine weite Strecke zur Arbeit pendeln und die Menschen, die Pflege von Angehörigen und die Betreuung von Kindern mitorganisieren.

Was sie jedoch eint, ist die Bereitschaft, etwas sehr Kostbares zu verschenken – nämlich ihre eigene Lebenszeit. Dazu zählt die Qualifizierung für das Ehrenamt und die Bereitschaft, von jetzt auf dann bei einem Notfall auszurücken. In Bayern geschieht dies überwiegend rein ehrenamtlich – von 100 Feuerwehrleuten sind etwa 96 Personen im Ehrenamt aktiv – neben Job, Familie und Partnerschaft.

Behörden Spiegel: Sind die Ergebnisse nur bayernspezifisch oder lassen sie sich auch auf andere Regionen in Deutschland projizieren? Sehen Sie allgemeine Trends?

Rosenkranz : Erstmals wurde in unserer Studie das Ehrenamt in den Freiwilligen Feuerwehren praxisorientiert und wissenschaftlich fundiert untersucht. Es gibt dabei Trends z. B. in der Bevölkerungsstruktur, die für die meisten Gemeinden und Regionen in Deutschland ähnlich sind. Insofern sind unsere Ergebnisse selbstverständlich ein Impuls auch für andere Regionen, sich dem Thema zu widmen.

Ein Beispiel: Etwa 96 Prozent der Aktiven in den Feuerwehren, die die Daseinsvorsorge zu „Brandschutz und technischer Hilfeleistung“ leisten, sind Ehrenamtliche. Da (fast)

Eine

Frage der Anerkennung

Demografischer Druck auf die Feuerwehren steigt

(BS) Das ehrenamtliche Engagement ist das Rückgrat des deutschen Hilfeleistungssystems. Zwar zeigen Jahresstatistiken immer wieder eine Zunahme an Kräften bei den Freiwilligen Feuerwehren, doch auch dort fordert der demografische Wandel in den kommenden Jahren Tribut. Was sich die Kräfte selbst wünschen und wie Kommunen den Dienst attraktiv gestalten können, erklärt Prof. Dr. Doris Rosenkranz von der TH Nürnberg, die eine Studie zu dem Thema durchgeführt hat. Die Fragen stellte Bennet Biskup-Klawon.

„Ehrenamt in der Weise, wie es in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert entwickelt wurde, ist überhaupt nicht selbstverständlich und kann nicht als ‚eh da‘ vorausgesetzt werden.“

nur die Freiwilligen Feuerwehren eine gesetzlich geregelte Altersgrenze für Ehrenämter kennen, die den aktiven Dienst bislang mit dem 65. Geburtstag beendet, ergeben sich daraus Hinweise auf die Anzahl der künftigen Aktiven. Auf Basis der statistischen Analysen der Bestandsdaten lässt sich für den Zeitraum bis 2041 belegen, dass viele der heute Aktiven dann aus Altersgründen ausscheiden werden. Würde man die Altersgrenze erhöhen, ließe sich dieser Rückgang allenfalls verlangsamen. Ersetzt werden könnten die Ausscheidenden durch Personen, die neu in die Feuerwehr als Aktive eintreten. Der Blick auf die demografische Struktur in Bayern zeigt jedoch einen deutlichen Rückgang bei der Zahl der jungen Menschen zwischen 18 und ca. 30 Jahren – allein aufgrund der seit vielen Jahren niedrigen durchschnittlichen Kinderzahl. Ableiten lässt sich daraus die Notwendigkeit, neue Zielgruppen für die Freiwilligen Feuerwehren in den Blick zu nehmen.

Insgesamt wird im Jahr 2041 die Zahl der Aktiven bei den Freiwilligen Feuerwehren in ganz Bayern um mindestens ein Drittel niedriger sein als heute. In einzelnen Regionen ist der Rückgang noch höher. Dafür sind u.a. vor allem zwei Gründe wirksam, die einen Wandel der demografischen Struktur in Bayern zeigen:

a) Eine große Anzahl an ehrenamtlich Aktiven wird mit der gesetzlichen Altersgrenze bei den Freiwilligen Feuerwehren altersbedingt ausscheiden.

b) Wegen des Rückgangs der Kinderzahl (Fertilität) verringert sich zudem das Potenzial an zukünftig Aktiven. Selbst wenn der Prozentsatz an Jugendlichen unverändert bleibt, der sich bei den Freiwilligen Feuerwehren engagiert, wird aufgrund der geringeren Besetzung der relevanten Jahrgänge die Anzahl der Aktiven sinken.

Wenn also im Alter mehr Personen ausscheiden als im jungen Erwachsenenalter (bisher) nachkommen, stellt sich die Frage, wie dieses System ehrenamtlicher Daseins-vorsorge trotz dieser sich wandelnden Bedingungen künftig erhalten bleiben kann.

Prof. Dr. Doris Rosenkranz lehrt und forscht an der Technischen Hochschule Nürnberg. Zudem ist sie Sprecherin der Hochschulkooperation Ehrenamt und Mitglied im Vorstand der Zukunftsstiftung Ehrenamt Bayern. Foto: BS/TH Nürnberg

Behörden Spiegel: Wie akut sehen Sie den Handlungsdruck von Entscheidungsträgerinnen und -trägern, um das ehrenamtliche Engagement in der Freiwilligen Feuerwehr zu stärken?

Rosenkranz: Brandschutz und technische Hilfeleistungen liegen in der Verantwortung der Gemeinden. Der Druck auf die Kommunen wächst mit demografischen Veränderungen. Schon jetzt ist z. B. die Tagesverfügbarkeit von Hilfskräften ein oftmals ungelöstes Problem. Wenn das über 150 Jahre gewachsene Modell der Freiwilligen Feuerwehren in der bisherigen Form erhalten werden soll, sind insbesondere drei Aspekte akut wichtig:

a) Die Gestaltung von Engagement ist ein strategisches Gesamtpaket mit dem Anspruch einer kontinuierlichen Organisationsentwicklung der Freiwilligen Feuerwehr. Sie braucht Begleitung vor Ort und durch die Bundesländer.

b) Notwendig ist ein kontinuierliches kommunales Monitoring dieser Form des Ehrenamts, die Erfassung der Aktiven, der Altersstruktur, der mehrfach Aktiven – auch wenn es um die Frage der tatsächlich verfügbaren lokalen Einsatzbereitschaft im Katastrophenfall geht.

c) Wichtig ist eine Veränderung der künftigen Perspektive: ein Wandel der Konzentration weg von den Gerätschaften, Geräte-

häusern, Fahrzeugen und technischen Ressourcen hin zur stärkeren Betonung der personellen Ressourcen in den Freiwilligen Feuerwehren. Die Konzentration auf neue Technik und technische Gadgets führt nicht zwangsläufig zu mehr Ehrenamt. Diese stärker personenzentrierte Perspektive inkludiert auch, die Aktiven vor Ort stärker einzubinden, stärker zu würdigen und stärker zu Wort kommen zu lassen.

Behörden Spiegel: Was wünschen sich ehrenamtliche Kräfte von Politik und Gesellschaft?

Rosenkranz: Veränderungsbedarf zeigt sich bei den Formen der Anerkennung – die präferierte Form hängt stark von der individuellen Lebensphase ab. Deutliches Interesse zeigt sich insgesamt für das vor Ort ausgeübte Ehrenamt, bei den Feuerwehren stärker auch lokal, (finanzielle) Entlastung zu erfahren und hier stärker als Akteur sichtbar zu werden (z. B. „Wir löschen für Sie in xy“). Darüber hinaus würden sich mehr als die Hälfte der Aktiven –und damit mit großem Abstand vor allen anderen Anerkennungsformen – einen Dank von den Personen wünschen, denen sie geholfen haben.

Behörden Spiegel: Wo sehen Sie Handlungsbedarf bei den Freiwilligen Feuerwehren?

Rosenkranz: Ehrenamt in der Weise, wie es in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert entwickelt wurde, ist überhaupt nicht selbstverständlich und kann nicht als „eh da“ vorausgesetzt werden. Engagement ist ein freiwilliges Geschenk von Bürgerinnen und Bürgern, das nicht verordnet werden kann, sich aber durch gute Rahmenbedingungen gestalten lässt.

Das beginnt bei der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Wissen denn die meisten Hilfesuchendes, die die Notruf-Nummer wählen, dass in Deutschland oftmals gut qualifizierte Ehrenamtliche zu Hilfe kommen? Über diese spezielle Konstruktion der Hilfestrukturen zu informieren, wäre ein erster wichtiger Schritt.

Genauso wichtig wäre es, deutlicher über das Portfolio der Aufgaben und den Zeitbedarf zu informieren: Was muss ich bei der Freiwilligen Feuerwehr konkret

tun? Was kann ich lernen? Was habe ich selbst davon? Wieviel Zeit muss ich aufwenden?

Unsere empirisch fundierte Empfehlung: Sachliche Informationen sind hier zielführender als Werbung, die auf Druck setzt (wenn du nicht mitmachst, dann…). Eine Bildsprache, die auf „Helden im Flammenmeer“ verzichtet und die allgegenwärtige „Kameradschaft“ durch zeitgemäße Formen des Teams ersetzt, scheint hier attraktiver zu sein.

Behörden Spiegel: Um nochmal auf die Studie zurückzukommen: Wer löscht denn nun morgen?

Rosenkranz: Eine Struktur des Willkommens für Frauen, für Zugezogene aus dem In- und Ausland wäre ein wichtiges Signal. Es ist zwar naheliegend, zunächst nach der einen Stellschraube zu suchen, die die anstehenden Veränderungen bei den Ehrenamtlichen aufhält oder ausgleicht. Womöglich wird man sich Gedanken machen, wie die Werbung für Frauen zu gestalten ist, um künftig mehr neue Aktive anzusprechen. Das wäre jedoch zu kurz gedacht. Aus Sicht der Ehrenamtsforschung erweist sich stattdessen das Konzept des Strategischen Freiwilligenmanagements als zielführend. Dieser Ansatz berücksichtigt einerseits den konkreten Bedarf einer Organisation wie der Freiwilligen Feuerwehr. Andererseits wird die Perspektive der Aktiven und vor allem der künftig Aktiven genau in den Blick genommen und zur Grundlage des strategischen Handelns gemacht.

Inhalte dieses Konzepts sind neben der künftigen Gestaltung der Kommunikation auch Fragen der Gewinnung von Ehrenamtlichen, der Bindung, der Bildung und Qualifizierung sowie der Anerkennung des Engagements.

Ausgebildete Freiwilligenmanagerinnen und -manager gibt es heute bereits in vielen anderen Bereichen des Ehrenamts – für die Freiwilligen Feuerwehren ist dies ein unbedingt notwendiger nächster Schritt hin zu einer strategischen Gestaltung der Personalentwicklung im Ehrenamt.

Informationen unter anderem z.B. unter www.hochschul-kooperationehrenamt.de

Die Studie wurde unterstützt durch das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration und zwischen September 2021 und Januar 2024 erstellt.

Die Studie erscheint im August 2024 als kostenloser E-Reader im Verlag Beltz Juventa und ist öffentlich zugänglich.

Erste Informationen finden Sie im Internet unter www.wer-loeschtmorgen.de.

10.–11. September

Lernen in und aus der Dauerlage

AUS UNSEREM PROGRAMM 10. September, 14:05 Uhr

DEBATTE: Katastrophendemenz in der deutschen Politik?

u.a. mit:

››› Albrecht Broemme, THW-Präsident a.D.

››› Leon Eckert, Mitglied des Deutschen Bundestages

››› Cornelia Weigand, Landrätin Kreis Ahrweiler

››› Prof. Dr.-Ing. Frank Fiedrich, Fachgebietsleiter des Fachgebiets Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit, Universität Wuppertal

DieLÜKEX 23 befasste sich mit einem „Cyber-Angriff auf das Regierungshandeln“, wobei die Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen im Fokus der Übung standen. Das hierfür gemeinsam mit dem BSI entwickelte Szenario betraf alle beteiligten Akteure des deutschen Krisenmanagements in einem solchen Ausmaß, dass sie die sich zuspitzende Lage nicht mehr allein mit eigenen Mitteln bewältigen konnten und eine bundesweite Krise erzeugt wurde. Insgesamt nahmen rund 2.500 Personen aus 60 Behörden von Bund, Ländern und anderen Organisationen an der Übung teil. Ausgangslage des Szenarios war ein Cyber-Angriff auf staatliche IT-Infrastruktur. Der Ausfall sogenannter „Speicherprogrammierbarer Steuerungen“ in behörden- bzw. organisationseigenen Server-Standorten verursachte Störungen in den IT-Infrastrukturen der Übenden, wodurch starke Einschränkungen kritischer Geschäftsprozesse vor allem in den der Ministerialverwaltung nachgeordneten Behörden auftraten. Gleichzeitig mussten die Übenden die Folgen einer öffentlichkeitswirksamen Medienkampagne des Angreifers bewältigen. Ziel der Übung war es, trotz dieser Störungen wesentliche Staats- und Regierungsfunktionen aufrechtzuerhalten und zu einem abgestimmten Handeln sowie einer gemeinsamen Außenkommunikation mit den verschiedenen Ebenen des nationalen strategischen Krisenmanagements zu finden.

Optimiungspotenziale entdeckt In dem gemeinsam erstellten Auswertungsbericht zur LÜKEX 23 unter der Koordination des BBK wurden die Erfahrungsberichte der Übenden zusammengefasst und die übergreifenden Erkenntnisse beschrieben sowie Handlungsempfehlungen generiert. Die formulierten Handlungsempfehlungen werden in der jeweiligen Verantwortung der beteiligten Behörden umgesetzt. Grundsätzlich zeigt sich, dass viele Prozesse und Verfahren des strategischen Krisenmanagements

Die (Teil-)Akademisierung bezieht sich dabei aber nicht nur auf eine andere oder zusätzliche Art der Ausbildung, sondern auch klar auf die Schaffung einer eigenen wissenschaftlichen Fachdisziplin. Hochschulische Ausbildung geschieht dabei nicht im bezugslosen Raum, sondern benötigt eine Wissenschaftsdisziplin, die Inhalte, Methoden, aber auch Theorien und (Meta-) Paradigmen zur Verfügung stellt. Die Rettungswissenschaften stellen diese wissenschaftliche Fachdisziplin für die im Rettungsdienst beruflichen Tätigkeiten dar. Dieser Beitrag soll einen kurzen Überblick über die noch junge Disziplin geben. Die Wissenschaft des Rettens Aktuell wird diese Disziplin sowohl als Rettungswissenschaft (Singular) wie auch als Rettungswissenschaften (Plural) bezeichnet. Die Unterschiede darin sind eher theoretischer Natur, gemeint ist in beiden Fällen die Wissenschaft, die als Hauptgegenstand die Phänomene „Rettung“ und „Notfallversorgung“ beinhaltet. Abbildung 1 zeigt die Forschungsfelder sowie die forschungsleitenden Paradigmen der Rettungswissenschaften. Im Zentrum stehen die o. g. Phänomene, die die zentrale Tätigkeit der im Rettungsdienst Beschäftigten darstellt. Von diesem Zentrum gehen wie Blütenblätter die Themenfelder „Bildung“, „System und Organisation“, „Management und Führung“ sowie „Versorgungsforschung“ ab. Diese Forschungsfelder zeichnen sich dadurch

Die Staatsfunktion aufrechterhalten

Veröffentlichung des Auswertungsberichts zur LÜKEX 23

(BS/Maria Belka) Mit dem Szenario eines „Cyber-Angriffs auf das Regierungshandeln“ behandelte die LÜKEX 23 ein hochaktuelles Thema. Nun wurde der Auswertungsbericht zur neunten Übung der LÜKEX-Reihe veröffentlicht. LÜKEX steht für Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübung/Exercise und ist ein Konzept, mit dem das nationale Krisenmanagement in Deutschland auf strategischer Ebene seit 2004 wiederkehrend überprüft und weiterentwickelt wird. Ziel ist es, das gemeinsame Krisenmanagement von Bund und Ländern unter Einbeziehung weiterer Akteure, wie Hilfsorganisationen, Kooperationsplattformen und KRITIS-Betreibern, auf strategischer Ebene zu verbessern. Zu diesem Zweck wird eine wechselnde fiktive, aber realitätsnahe Krisenlage entworfen, die als Rahmen der Übung dient. Die Szenarien werden unter Beteiligung aller mitübenden Organisationen unter der Koordination des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) und des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) beraten und abgewogen.

verbessert werden.

bereits erfolgreich implementiert wurden. Beispielsweise haben sich organisationsinterne Abläufe zur Abstimmung der externen Krisenkommunikation größtenteils etabliert, während die ebenen- und ressortübergreifende Abstimmung weiterhin herausfordernd bleibt. Optimierungspotenziale konnten im Bereich der Erhebung und Priorisierung der kritischen Geschäftsprozesse identifiziert werden. Die Übungsbeteiligten sehen eine Erhebung hausinterner kritischer Geschäftsprozesse bereits vor einer Krise als Teil des Notfallmanagements und somit die Implementierung des Business Continuity Managements (kurz: BCM) nach BSI-Standard 200-4 als wichtig an. Das BCM zielt darauf ab, Auswirkungen von Schadensereignissen, wie etwa einem Cyber-Angriff, zu reduzieren und so

zu verhindern, dass kritische Geschäftsprozesse unterbrochen werden. Für das BCM müssen für die Erhebung und Priorisierung der kritischen Geschäftsprozesse benötigte IT-Komponenten neben anderen notwendigen Ressourcen bekannt sein. Notfallprozesse müssen vorgeplant sein und, wo möglich, Redundanzen vorgehalten werden. Im Auswertungsbericht wird allen Behörden der staatlichen Verwaltung dringend angeraten, organisationsintern ein stets aktuelles BCM zu unterhalten. Hierbei müssen auch Business Impact Analysen durchgeführt werden, die genau erkennbar werden lassen, welche Auswirkungen Systemausfälle nach sich ziehen und wie verschiedene Systeme und Anwendungen miteinander zusammenhängen. Innerhalb des Szenarios der LÜKEX 23 wurde deutlich, dass primär

die technischen Voraussetzungen zur Kommunikation von wichtigen und vertraulichen Informationen von großer Bedeutung sind und bestmöglich vor Cyber-Angriffen geschützt werden müssen. Idealerweise sollte ebenfalls ein nationales BCM übergreifend sowohl auf der Bundes- als auch auf der Länderebene aufgebaut werden, um eine länder oder ressortübergreifende Priorisierung zu ermöglichen. Wo erforderlich, sind in der Folge auch die Konzepte und Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen abzustimmen und zu standardisieren. In diesem Zusammenhang sind insbesondere IT-Fachverfahren zu identifizieren und mit Notfallkonzepten zu hinterlegen, die durch mehrere Länder bzw. von Bund und Ländern gemeinsam genutzt werden. Das ITNotfallmanagement wäre hierbei als Teilmenge des BCM zu beschreiben und zu integrieren.

Nach der LÜKEX ist vor der LÜKEX Ebenso wurde der Bedarf eines übergreifenden Lagebildes sowie gemeinsamer Austauschformate als Grundlage für ein gemeinsames Lageverständnis erkannt. In diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass die gemeinsamen Abstimmungen von Bund und Ländern mit den IT-Fachbehörden für die übergreifende Krisenbewältigung hinsichtlich Strukturen und Verfahren ausbaufähig sind. Für die Bewältigung länderübergreifender und bundesweiter Krisen werden

Besser Leben retten

Eine neue Wissenschaftsdisziplin für den Rettungsdienst

(BS/Thomas Hofmann) Der Rettungsdienst unterliegt einem stetigen Wandel. Medizinische, soziale, einsatztaktische, technische und politische Entwicklungen und Ausdifferenzierungen steigern kontinuierlich die Komplexität der dort stattfindenden Tätigkeiten. Dieser Entwicklung ist die Evolution des Berufsbildes der Rettungssanitäter/-innen über die Rettungsassistent(inn)en bis hin zu den Notfallsanitäter/-innen im Wesentlichen geschuldet. Die damit verbundene Professionalisierung des Berufsbildes und der Tätigkeit findet in der Intention ihrer (Teil-) Akademisierung ihren vorläufigen Höhepunkt.

Thomas Hofmann ist Notfallsanitäter und Rettungswissenschaftler. Er leitet den Studiengang Rettungswissenschaften an der HSD Hochschule Döpfer und ist Teil des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Rettungswissenschaften e. V. Foto: BS/FRAITAG-9707

aus, dass ihre Inhalte sehr nah am Zentrum und damit am Kern der Rettungswissenschaften, aber auch ganz außerhalb des eigentlichen Modells liegen können. Dadurch wird das Modell der Tatsache gerecht, dass es selbstverständlich beispielsweise Bildungsforschung ohne unmittelbaren Bezug zum Rettungsdienst gibt. Quer zu diesen laufen die Forschungsfelder „Professionalisierung“ und „Wissenschaftstheorie“, welche Einfluss auf alle anderen Forschungsfelder haben. Weiterhin stellt das Modell die

Paradigmen der Handlungs-, Anwendungs-, Reflexions- und Berufsfeldorientierung dar. Die Rettungswissenschaften begreifen sich damit als Wissenschaft, welche Elemente aus verschiedenen Bezugswissenschaften durch den Bezug auf „Retten und Notfallversorgung“ vereint. Weiterhin ist sie als ganzheitliche Disziplin für die Tätigkeit im Rettungsdienst zu sehen und nicht allein fokussiert auf medizinische Aspekte.

Keine Verkürzung der Debatte

Die Diskussion um die (Teil-)Akademisierung des Rettungsdienstpersonals allein auf die medizinisch-fachlichen Kompetenzen oder gar nur auf das Durchführen von (weiteren) invasiven Maßnahmen zu reduzieren, wird daher weder der Disziplin noch der komplexen Tätigkeit gerecht. Beispielsweise beinhaltet der erste rettungswissenschaftliche Studiengang mit Fokus auf der Versorgung von Patientinnen und Patienten auch Inhalte wie Clinical

Maria Belka ist Referentin im Referat Ressort- und Länderübergreifende Krisenmanagementübungen im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Foto: BS/privat

Strukturen und Verfahren benötigt, die dauerhaft zur Verfügung stehen, um das Krisenmanagement schnell und effektiv zwischen allen Beteiligten koordinieren zu können. Auch Netzwerke sind hierfür unabdingbar. In der LÜKEX 23 konnten die bestehenden Netzwerke zwischen dem Krisenmanagement im Bevölkerungsschutz und den beteiligten IT-Behörden und -Dienstleistern auf Bundes- und Landesebene gefestigt werden. Für den stetigen Ausbau dieser müssen sich alle beteiligten Organisationen ihrer Rolle innerhalb des gesamtstaatlichen Krisenmanagements bewusst sein und ihr Personal dazu befähigen, entsprechende Aufgaben effektiv zu erfüllen. Die Übungsserie LÜKEX hat sich hierfür bewährt. Seit Jahren werden bereichsübergreifend wichtige Kontakte geknüpft, Kompetenzen gestärkt und Fachkenntnisse ausgetauscht. Als Instrument der gesamtstaatlichen Resilienzstrategie stärkt die LÜKEX durch das Beüben der strategischen Krisenmanagementstrukturen den All-GefahrenAnsatz, der Handlungssicherheit für alle Krisen schafft und die übergreifende Krisenreaktionsfähigkeit in außergewöhnlichen Krisenlagen verbessert, auch die ebenenübergreifenden Zivilschutz-Fähigkeiten. Um zukünftig noch wirksamer zur Stärkung des nationalen Krisenmanagements beizutragen, befindet sich die Übungsserie in einer strukturellen Neukonzeption. Die LÜKEX 26 zum Thema „Dürre und Hitzewelle/Notlage durch extreme Hitzewelle nach langjähriger Trockenperiode in Deutschland und Europa“ wird bereits in einer Neukonzeption vorbereitet.

Reasoning, evidenzbasierte Praxis, Forschungsmethoden oder Public Health und bietet damit gute Voraussetzungen, um sich selbständig und eigenverantwortlich allen Aspekten der rettungsdienstlichen Versorgung von Patienten widmen zu

können.Die noch jungen Rettungswissenschaften bilden das inhaltliche, methodische und theoretische Fundament der (Teil-)Akademisierung des Rettungsdienstfachpersonals. Sie verstehen sich als umfassenden und ganzheitlichen Ansatz und inkludieren die Inhalte relevanter Bezugswissenschaften. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Rettungswissenschaften sich selbst weiterentwickeln und zunehmend stabiler und fundierter in der Generierung von Erkenntnis und Wissen werden.

Weitere Informationen oder Quellenangaben können beim Verfasser erfragt werden: t.hofmann@hsdoepfer.de

der Rettungswissenschaften

Licht und Schatten im Auswertungsbericht zur LÜKEX 23: Vieles hat funktioniert, manches muss
Foto: BS/BBK
Modell
nach Prescher et al. (2023) Foto: BS/Deutsche Gesellschaft für Rettungswissenschaften e. V.

Die Heckklappe der A400M senkt sich. Aus ihrem Bauch treten 23 Soldaten der Deutschen Bundeswehr. Als Vorkommando leisten sie Organisations- und Planungsarbeit für die Aufstellung der Panzerbrigade 45 vor Ort.

Unter ihnen ist auch der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais. Auf dem Rollfeld, das sich vor den Angehörigen der Bundeswehr erstreckt, hat sich eine Pressetraube versammelt.

Die Hausmeisterfunktion ist installiert

Zwei Monate später, auf dem PreEvent der Berlin Security Conference (BSC), erinnert sich Mais an diesen Moment. Das große Medieninteresse in Deutschland und vor allem in Litauen habe ihn bewegt und überrascht, erklärte er. Dabei sei bisher mit dem Vorkommando nur die „Hausmeisterfunktion“ in Litauen installiert. Darauf gelte es nun aufzubauen. Im vierten Quartal dieses Jahres stoßen 150 weitere Kameradinnen und Kameraden dazu. Wer die Führungsfunktion dieses Aufstellungsstabes übernimmt, ist bereits durch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) entschieden. 2025 folgt die Startkompanie der Brigade. Damit sei erstmals Führungsfähigkeit hergestellt. Im Laufe der kommenden 24 Monate übernimmt der Brigadekommandeur Stück für Stück die Verantwortung vor Ort.

„Im Jahr 2026 können wir hoffentlich beginnen, Truppenteile nach Litauen zu verlegen“, prognostizierte Mais. Die Versorgungstruppen stehen aber zunächst noch in Deutschland. Erst wenn die Infrastruktur vor Ort vollumfänglich einsatzbereit ist, verlegen auch sie.

Dieser eng gesetzte Zeitplan bringt Mais nicht aus der Ruhe. Zwar sei die Verlegung von 5.000 Angehörigen der Bundeswehr und deren Familien in die Auslandsverwendung eine große Herausforderung, die man in dieser Form noch nicht bewältigt habe, weil man aber mit der „enhanced Vigilance Activities“Brigade (eVS-Brigade) über eine jederzeit verlegbare Panzerbrigade verfüge, bestende kein Anlass zur Sorge.

Keine Alternative

Dass die dauerhafte Stationierung einer Brigade alternativlos ist, darin sind sich Mais und der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Generalleutnant Andreas Hoppe, einig. Der russi-

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dienten mehr als 16 Mio. Amerikaner in den Streitkräften. Dies „G.I. Bill“ sollte ihnen die Rückkehr in das wirtschaftliche zivile Leben durch verschiedene Angebote an staatlichen Zuwendungen und Maßnahmen erleichtern. Es stellte mit der Förderung gesunder, jung ausgeschiedener Soldaten einen Bruch mit der bisher bekannten Veteranenversorgung dar. In der Vergangenheit wurden zwar Versorgungsansprüche durch den Dienst erworben bzw. Invalidenrenten gewährt, die wirtschaftliche (Re-)Integration wurde jedoch bis dahin nicht strukturell gefördert. Veteranen beflügeln die Wirtschaft Die Leistungen des Gesetzes umfassten finanzielle Mittel für Bildungsangebote, staatliche Bürgschaften sowie Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Veteranen konnten bis zu 500 US-Dollar pro Jahr (heutiger Wert: ca. 9.000 US-Dollar) für ein Bildungs- oder Schulungsprogramm erhalten. Zusätzlich konnten Zuschüsse zur

Einsatzbereitschaft im Jahr 2027

52 Wochen nach der Aufstellung ist die Brigade Litauen auf einem guten Weg

(BS/jb) Bereits 23 Soldaten der Bundeswehr leisten im Vorkommando ihren Dienst in Litauen. Im November stoßen weitere 150 Männer und Frauen dazu. Sie treffen die Vorbereitungen für die Aufstellung der Panzerbrigade 45. Das notwendige Material sammelt die Bundeswehr aus Beständen des Heeres zusammen.

Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Alfons Mais (hinten rechts), und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verabschieden das Vorkommando der Brigade Litauen in Berlin. Foto: BS/Bundeswehr/Marco Dorow

sche Angriffskrieg in der Ukraine zeige, dass Russland bereit sei, seine geopolitischen Interessen auch mit Gewalt durchzusetzen. Davon seien auch andere Staaten im Baltikum sowie Georgien und Moldau konkret bedroht. „Eine Rückkehr zu der Sicherheitsordnung, die wir kannten, wird es so schnell nicht geben“, stellte Hoppe klar. Deshalb sei es elementar, sicherzustellen, dass Russland mit seiner Kampagne nicht erfolgreich sei.

Mit der Panzerbrigade 45 wolle Deutschland für die Sicherheit Europas eintreten und den Bündnis-

partnern zur Seite stehen. Die Aufstellung der Brigade sei eine klare Botschaft und trage zur Abschreckung bei. Als sogenannte Tier-OneEinheit im NATO-Kontext muss sie bereits nach wenigen Tagen einsatzbereit sein.

Das zu leisten, sei am leichtesten, wenn die Truppen bereits vor Ort seien, erläuterte Hoppe. Dieser Aufgabe als Speerspitze der NATO-Verteidigung entsprechend sieht Hoppe Bedarf, die Soldatinnen und Soldaten der Panzerbrigade 45 mit dem besten Material der Bundeswehr auszustatten. Diese Einschätzung

teilt der Inspekteur des Heeres: „Wir können niemandem erklären, dass wir zu Hause noch etwas Besseres haben“, stellte Mais klar. Aus seiner Sicht besteht deshalb kein Zweifel daran, dass man die Panzerbrigade 45 qualitativ wie quantitativ zu 100 Prozent ausstattet.

Die Krux mit dem Material Das dafür notwendige Material werde das Heer aus den eigenen Beständen mobilisieren. Ein mühsamer Prozess, denn innerhalb der gegenwärtigen Material- und Personalverlegung von Nord- nach

80 Jahre „G.I. Bill of Rights“

Vorbild für die Wiedereingliederung von Veteranen

(BS/Carsten Haider*) Im Juni 1944 setzte der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt die „G.I. Bill of Rights“ in Kraft. Hintergrund des Gesetzes waren unter anderem Probleme bei der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Integration von Veteranen des Ersten Weltkrieges. Diese Probleme wurden auch durch die wirtschaftlichen Verwerfungen der 1920er- und 1930er-Jahre bedingt. Die Proteste hiergegen fanden 1932 ihren Höhepunkt in dem sog. „Bonus March“.

Finanzierung von Lernmaterialien und des Lebensunterhalts gewährt werden. Durch staatliche Kreditbürgschaften nahm gleichzeitig das Wohnungseigentum in den Nachkriegsjahren zu. Die Kredite konnten auch für wirtschaftliche Investitionen genutzt werden. Von den amerikanischen Veteranen des Zweiten Weltkriegs absolvierten 2,2 Mio. eine Hochschulausbildung. 5,6 Mio. erwarben einen beruflichen Abschluss. Insgesamt wurden fast 4,5 Millionen Kredite für den Erwerb von Wohnraum und landwirtschaftlicher Nutzfläche sowie zu Unternehmensgründungen gewährt. Durch den Stimulus der „G.I. Bill“ begann eine quantitative Expansion des amerikanischen Hochschulsektors und eine damit

verbundene Bereitstellung qualifizierter Arbeitskräfte in der durch technologischen Fortschritt geprägten US-Nachkriegswirtschaft. So wuchs die Anzahl der Studierenden während der Programmlaufzeit des Gesetzes bis 1956 auf fast drei Mio. Personen an. Die staatlichen Ausgaben aufgrund der „G.I. Bill“ beliefen sich auf circa 14,5 Mrd. US-Dollar, was heute einem Gegenwert von ca. mehr als 250 Mrd. USDollar entspricht. Studien zeigen, dass Veteranen, die an der Förderung teilnahmen, in der Folge höhere Einkommen erzielten und weniger von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Sie entlasteten über höhere Einkommensteuern und niedrigere Sozialausgaben die öffentlichen Haushalte. Aus der heutigen Per-

spektive wird kritisiert, dass zum überwiegenden Anteil weiße Männer von der Förderung profitierten und der Anteil an Frauen sowie Afroamerikanern sehr gering war. Die Idee macht Schule Das Ursprungsgesetz diente als Vorbild für eine Vielzahl von weiteren Förderprogrammen. Als Beispiel seien die „Korean Conflict G.I. Bill“ von 1952, die „Post-Vietnam Era G.I. Bill“ von 1976 oder die „Forever G.I. Bill“ von 2017 genannt. Nach der Abschaffung der Wehrpflicht im Jahre 1973 und der Umstellung zur Berufsarmee wurden zudem Bildungs- und Ausbildungsangebote enorm ausgebaut. Bisher haben mehr als 20 Mio. US-Soldaten Förderung nach einer „G.I. Bill“ er-

Süddeutschland wird das entsprechende Material nach Litauen weiterverlegt. Klar sei, dass dieses Vorgehen Lücken in die Ausstattung des in Deutschland verbleibenden Heeres reißen werde. Um diese wiederum schließen zu können, bedürfe es entsprechender finanzieller Mittel. Mais gab zu, dass er sich bei deren Bereitstellung an der einen oder anderen Stelle Beschleunigung wünscht.

Keine Brigade ohne Soldatinnen und Soldaten

Die materielle Ausstattung allein stellt allerdings keine Abschreckung sicher. Ohne die Soldatinnen und Soldaten vor Ort wird es keine Panzerbrigade 45 geben. Mais erklärte folgerichtig, dass man zurzeit vor der Herausforderung stende, Soldatinnen und Soldaten sowie ihre Angehörigen davon zu überzeugen, ihren Dienst in Litauen zu leisten. Dafür müsse man sich bewusst werden, dass die Stationierung dauerhaft sei, forderte der Präsident des Reservistenverbandes, Prof. Dr. Patrick Sensburg. In Litauen müsse umfassende Infrastruktur – von Kindergärten über Schulen bis hin zu Weiterbildungsmöglichkeiten – entstehen. Der Chef des Stabes im Kommando Heer, Generalmajor Peter Mirow, definierte, was unter Betreuung und Fürsorge für die Soldatinnen und Soldaten zu fassen sei. Neben der Ausstattung mit Material zählt er auch die personelle Ausstattung in diese Kategorie. Die Forderungen in diesem Bereich habe man dem Verteidigungsministerium (BMVg) bereits in 13 Maßnahmenpaketen mit 66 Vorschlägen vorgelegt. Das Ministerium setze sich gerade damit auseinander. Einige der eingereichten Vorschläge habe das BMVg aber bereits nach kurzer Zeit als nicht umsetzbar eingestuft. So zum Beispiel den Vorschlag, die Transportmaschine A400M einzusetzen, um Bundeswehrangehörige übers Wochenende nach Deutschland zu fliegen. Für die übrigen Vorschläge habe man sich zum Ziel gesetzt, bis zum 1. Januar 2025 die Rahmenbedingungen festzulegen. Mirow nimmt aber auch die Soldatinnen und Soldaten in die Pflicht, die besonderen Bedingungen anzuerkennen. „Zur Zeitenwende und Kriegstüchtigkeit gehört auch, eine gewisse Akzeptanz für Zustände zu zeigen“, forderte er. Er fügte jedoch unmittelbar hinzu, dass man innerhalb dieses Rahmens massive Forderungen stelle.

halten. Die US-Streitkräfte erfüllen damit auch heute noch eine wichtige Funktion zur Steigerung der sozialen Mobilität innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Mit dem „Department of Veterans Affairs“ ist in den USA ein eigenes Bundesministerium zur Betreuung der Veteranen eingerichtet. In Deutschland besteht mit dem Soldatenversorgungsgesetz eine Rechtsgrundlage zur Unterstützung vom Veteranen der Bundeswehr nach dem Ende ihrer Dienstzeit. Innerhalb der Bundeswehr übernimmt der Berufsförderungsdienst mit einem jährlichen Förderungsvolumen von ca. 90 Mio. Euro und über 800 Fachkräften diese Aufgabe. In Anbetracht des angestrebten Ausbaus der Bundeswehr könnte die Weiterentwicklung der Veteranenversorgung nach amerikanischem Vorbild ein möglicher Ansatzpunkt zur Steigerung der Attraktivität der Streitkräfte darstellen.

*Carsten Haider ist ausgebildeter Bildungsökonom und arbeitet im Öffentlichen Dienst.

Die Bundeswehr trägt mit ihrer Grundkonzeption als Bündnisarmee zur europäischen Sicherheitsarchitektur bei und ist fest in die Streitkräfte- und Kommandostruktur der NATO integriert. Diese tiefe europäische und transatlantische Integration hat signifikante Auswirkungen auf die Forderungslage zur operationellen und materiellen Standardisierung mit Blick auf die notwendige Interoperabilität. Nationale Individuallösungen bei der Entwicklung von Hauptwaffensystemen wären daher kontraproduktiv in Bezug auf die angestrebte materielle Interoperabilität verbündeter Streitkräfte. Zudem wären sie aufgrund der damit einhergehenden Komplexität und der Kosten für die meisten europäischen Staaten mit ihren vergleichsweise geringen Streitkräfteumfängen weder technologisch noch finanziell zu stemmen. Ebenso wie die seit Jahrzehnten bewährte zentrale Ausbildung der NATO-Kampfpiloten in den USA deren operationelle Interoperabilität gewährleistet, schaffen Kooperationen Synergien, die sich auf die angewandten Verfahren und Prozesse sowie eine möglichst gleiche technische und operationelle Ausbildung auswirken. Der gemeinsame Betrieb gleicher Waffensysteme zwischen Verbündeten im Einsatz reduziert darüber hinaus den logistischen Footprint im Einsatzgebiet. Vor diesem Hintergrund nehmen Kooperationen mit nationalen und internationalen Partnern auch für die Bundeswehr als Bündnisarmee einen besonderen Stellenwert ein.

Kooperationsmanagement durch Agenturen

Das Management für einen wesentlichen Teil der bestehenden europäischen Rüstungsprojekte erfolgt durch Agenturen, von denen die europäische Agentur OCCAR (Organisation Conjointe de Coopération en matière d’Armement) den größten Anteil hat. Aber auch NATO-Agenturen managen Projekte zwischen europäischen Bündnispartnern, beispielsweise die Helicopter Management Agency (NAHEMA) für den Transporthubschrauber NH90 oder die NATO EF 2000 and Tornado Development, Production & Logistics Management Agency (NETMA) für die Waffensysteme TORNADO und EUROFIGHTER. Diese Agenturen wurden eigens für diese Aufgabe gegründet und werden von den Mitgliedsstaaten der jeweiligen Programme finanziert. Die NATO Support and Procurement Agency (NSPA) ist ebenfalls überwiegend „customer funded“, vereint aber in einer einzigen Organisation Akquisition, Logistik, medizinische und infrastrukturelle Unterstützung und Dienstleistungen für Länder, Militärbehörden und Partnerländer der NATO. Dazu zählen auch das Life-Cycle-Management für mehr als 90 Waffensysteme und 170 Projekte sowie die Unterstützung der Alliierten in Einsatzgebieten. Ein besonderes Beispiel stellt die Multinational Multi-Role Tanker and Transport Fleet (MMF) dar, die Eigentum der NATO ist und von der NSPA mit Unterstützung der europäischen Agentur OCCAR koordiniert wird.

Neue Kooperationsprojekte

Am Anfang der Projektierung einer Rüstungs- oder Beschaffungskooperation steht in der Regel eine Absichtserklärung oder eine Vereinbarung zwischen den beteiligten Regierungen in Form eines Memorandum of Understanding oder Agreement, in der die wesentlichen Eckpunkte der Kooperation festgelegt werden, beispielsweise die beabsichtigte Einbindung der jeweiligen nationalen Industrien.

Europäische Rüstungskooperationen

Europa kann nicht allein aufrüsten

(BS/th) Die seit dem russischen Angriff gestiegene Einsicht, dass die europäischen NATO-Bündnispartner und die EU-Mitgliedstaaten wieder mehr in ihre Verteidigungsfähigkeit investieren müssen, spiegelt sich mit einiger Verzögerung nun auch in den Auftragsbüchern der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie wider. Neben den sicherheitsund verteidigungspolitischen Aspekten kommt diesem Industriezweig aber auch unter technologischen und industriepolitischen Aspekten eine strategische Bedeutung zu, da sie neben der US-amerikanischen Rüstungsindustrie eine zentrale Rolle in der Ausrüstung und Ausstattung der europäischen Streitkräfte einnehmen.

Ausgewählte europäische Rüstungskooperationen

Programm / Hersteller

Kampfhubschrauber TIGER

AIRBUS HELICOPTERS

Transportflugzeug A-400M

AIRBUS DEFENCE AND SPACE

Multi-Missions Fregatte FREMM

FRANZÖSISCHE FREMM: Armaris-Konsortium (Thales Group und DCN)

ITALIENISCHE FREMM: Orizzonte Sistemi Navali (Fincantieri und Leonardo)

Gepanzertes Transport-Kraftfahrzeug BOXER ARTEC (Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann)

Kampfflugzeug TORNADO PANAVIA AIRCRAFT GMBH (BAE Systems, Airbus und Leonardo)

Kampfflugzeug EUROFIGHTER EUROFIGHTER JAGDFLUGZEUG GMBH (BAE Systems, Airbus und Leonardo)

Transporthubschrauber NH-90 NHI INDUSTRIES (Airbus, Leonardo und Fokker)

AgenturEuropäische / NATO Nutzerstaaten

OCCARDeutschland, Frankreich, Spanien

OCCARBelgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Türkei

OCCARFrankreich, Italien

OCCARDeutschland, Niederlande, Litauen

NETMADeutschland, Italien, Großbritannien

NETMADeutschland, Italien, Großbritannien, Spanien

NAHEMABelgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Spanien

Lufttransport/Luftbetankungsflugzeug MMF AIRBUS NSPA in Kooperation mit OCCAR

Belgien, Deutschland, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Tschechien

Grafiken:

5 Seeaufklärungsflugzeuge P-8 Poseidon 35 Kampfflugzeuge F-35 Lightning II

Amerikas Exportschlager

Aktuelle Beispiele für bereits vereinbarte Kooperationsprojekte gibt es für alle Dimensionen See, Land und Luft. So wurde 2017 ein gemeinsames Beschaffungsprogramm für ein neues Unterseeboot der Klasse U212 CD von der norwegischen und der Deutschen Marine initiiert, welches 2021 durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags genehmigt wurde. Für den Bereich der Landstreitkräfte unterzeichneten Deutschland und Frankreich 2017 eine Absichtserklärung zur

Projektierung eines Main Ground Combat System (MGCS), welches im Zeitraum ab 2040-45 realisiert sein soll. 2017 gaben die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron die Absicht bekannt, unter der Bezeichnung Future Combat Air System (FCAS) einen modernen Kampfjet für die französischen und deutschen Luftstreitkräfte zu entwickeln. 2019 trat Spanien diesem Projekt bei, Belgien hat ebenfalls sein Interesse signali-

Dies erfolgt über das Sicherheitshilfeprogramm Foreign Military Sales (FMS). Sie erlauben den Transfer militärischer Güter und Dienstleistungen an befreundete ausländische Regierungen und bestimmte internationale Organisationen. Gerade die 1955 neu aufgestellten deutschen Streitkräfte profitierten in ihrer Aufbauphase von diesem Programm.

Während das Heer und die Marine aber bereits ab 1959 begannen, die übernommenen US-Hauptwaffensysteme durch Eigenentwicklungen zu ersetzen, nutzte die Luftwaffe weiterhin Kampfflugzeugmuster aus US-Produktion. Diese wurden erst mit der Einführung der Waffensysteme TORNADO und Eurofighter durch Kampfflugzeugmuster aus europäischen Kooperationsprojekten ersetzt. Insgesamt dominieren bei den Luftstreitkräften der europäischen NATO-Staaten jedoch nach wie vor US-Kampfflugzeuge. Hindernisse und Erfordernisse Neue Impulse für die Dimensionen Land, Luft und Wasser sind gesetzt, der weitere Weg zu einer funktionierenden europäischen Rüstungskooperation wird aber weiterhin nicht frei von Hindernissen und nationalen Egoismen sein. Angesichts der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Lage und dem daraus resultierenden Streben nach einem höheren strategischen und technologischen Autarkiegrad Europas ist es aber erforderlich, diesen Weg weiter zu beschreiten. Nicht zuletzt kann über eine leistungs- und hochtechnologiefähige europäische Rüstungsindustrie den USA gezeigt werden, dass Europa und Deutschland sowohl in sicherheitspolitischer als auch in technologischer Hinsicht relevante Partner für die USA sein können. Gleichwohl liefen nicht alle europäischen Rüstungskooperationen erfolgreich. Es gibt eine Reihe von Kooperationsbeispielen, in deren Verlauf Partner bereits kurz nach Beginn oder in der laufenden Phase einer Kooperation aussteigen. Teilweise erschweren sprachliche und kulturelle Barrieren eine erfolgreiche Umsetzung von Projekten, am Ende aber gilt für künftige europäische Rüstungskooperationen, dass der Erfolg auch maßgeblich von einem Mindestgrad an (Selbst-)Disziplin und der Bereitschaft, auf nationale Sonderlösung zu verzichten, abhängt. Das gilt nicht nur für abgestimmte Fähigkeitsforderungen zu Beginn eines Rüstungsvorhabens, sondern insbesondere auch für die erforderlichen Upgrades während des Lebenszyklus eines Systems sowie für die Work-Shares, die es zwischen den Kooperationspartnern zu vereinbaren gilt. Bei den bestehenden Rüstungskooperationsprojekten gab es in diesen Bereichen viel Verbesserungspotenzial. Dass es in Zukunft absehbar nicht einfacher wird, zeigt der Versuch, eine strategische deutsch-französischitalienische Allianz im Panzerbau zu bilden, die mit der Trennung von KNDS und Leonardo aufgrund der fehlenden Einigung über die Konfiguration gerade gescheitert ist. Inwieweit dieser Bruch Auswirkungen auf die vorgesehene Beteiligung Leonardos am künftigen Main Ground Combat System haben wird, bleibt abzuwarten.

siert und besitzt seit 2023 eine Art Beobachterstatus. Die Ursprünge des FCAS gehen allerdings auf eine britisch-französische Initiative aus dem Jahr 2014 zurück, aus der sich Großbritannien jedoch zurückzog und stattdessen im Jahr 2023 gemeinsam mit Italien und Japan ein Kooperationsabkommen für das Global Combat Air Programme unterzeichnete. Damit wird es absehbar nicht gelingen, ein wirklich gemeinsames Kampfflugzeugprogramm in Europa zu realisieren. Währenddessen beschaffen viele europäische Staaten Systeme aus den USA. So erfreut sich die F-35 großer Beliebtheit. In Italien, den Niederlanden, Norwegen, Dänemark und dem Vereinigten Königreich nutzt man das Luftfahrzeug bereits. Auch Deutschland beschafft das Flugzeugmuster.

Der ungelenke Name lässt aufhorchen, sonst aber wirkt die Internetseite „Grenzzank.com“ auf den ersten Blick nicht verdächtig. Tagesaktuelle Nachrichten finden sich auf der Website. Zumeist befassen sie sich mit Außen- oder Migrationspolitik. Nach der Lektüre der Artikel verfliegt dieser Eindruck aber. So wird in einem Beitrag über die Beauftragung Rheinmetalls, Artilleriemunition für die Bundeswehr zu produzieren, behauptet, dass die Ukraine den Krieg in Kürze verlieren werde. Von einer Investition in zusätzliche Munition für das Land sei deshalb abzuraten. Diese Argumentation klingt, als stamme sie direkt aus russischen Medien; und genau das tut sie auch. Hinter „Grenzzank. com“ steckt die russische Organisation „Doppelgae-nger“. Wie aus einem Bericht des Künstliche-Intelligenz (KI)-Dienstleisters OpenAI hervorgeht, nutzte die aus Russland stammende Gruppe Sprachmodelle des Unternehmens, um anti-ukrainische Propaganda in verschiedenen europäischen Sprachen zu erstellen. Diese verbreitete man im Anschluss in den Sozialen Medien und auf eigens erstellten Internetauftritten. Mittlerweile hat OpenAI nach eigener Aussage Accounts, die sie der Gruppe zuordnet, gesperrt. Zwar ist den Akteurinnen und Akteuren der Zugriff auf die Sprachmodelle des Unternehmens jetzt verwehrt, der Fall zeigt aber eindrucksvoll, wie sich das russische Regime Technologien wie KI bedient, um das Meinungsbild in Deutschland zu prägen.

Die heimliche Bedrohung Hybride Bedrohung nennt die Bundeswehr Angriffe und Manipulationsversuche dieser Art. Sie sind perfide, weil sie sich bewusst unterhalb der Schwelle eines Angriffs nach Artikel fünf der NATO bewegen. Darüber hinaus machen sie sich Unklarheiten zunutze. Hybride Angriffe als solche zu erkennen oder gar zu attribuieren, ist eine Herausforderung. Eindeutig

Behörden Spiegel: Herr Tseng, Sie haben Shield AI im Jahr 2015 gegründet. Wie hat sich die Wahrnehmung von Künstlicher Intelligenz (KI) seitdem gewandelt?

Tseng: 2015 dachten die Menschen noch, das Einsatzfeld von KI sei, Katzen auf Bildern zu identifizieren. Heute verstehen sie, dass es um die Fähigkeit eines Systems geht, Dinge wahrzunehmen. Dabei kann es sich um die Textverarbeitungsfähigkeiten von ChatGPT, selbstfahrende Autos oder – in unserem Fall – autonome unbemannte Luftfahrzeuge (UAV) handeln. Die wahre Stärke von KI liegt jedoch in ihrer Fähigkeit, Roboter oder Drohnen zu befähigen. Das haben die Menschen mittlerweile erkannt. KI ist mehr als nur eine Alternative zur Google-Suche.

Behörden Spiegel: Ist diese Erkenntnis auch auf den Führungsebenen eingesickert?

Tseng: Ich glaube, dass die volle Tragweite noch nicht erfasst wird. Vor allem westliche Regierungen handeln noch zu langsam. 1945 gelang es deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstmals, einen Atomkern zu spalten. Erst Forschende in den USA erkannten aber, welches Potenzial diese Entdeckung hat. Diese Erkenntnis hat die sicherheitspolitische Landschaft in den folgenden 80 Jahren dominiert. Autonome Drohnen stellen einen vergleichbaren Paradigmenwechsel

Gerüchte, Brände, Suggestionen

Wie Russland mit hybriden Kampagnen Einfluss auf die deutsche Gesellschaft nimmt

(BS/jb) Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine unterstützt der Westen das Land bei der Verteidigung. Selbstredend ist dem russischen Regime daran gelegen, das zu unterbinden. Direkte militärische Mittel kommen nicht zum Einsatz. Ein Rückblick auf die vergangenen sechs Monate lässt aber vermuten, dass Moskau sich hybrider Methoden, unterhalb der Schwelle zum Krieg, bedient.

Der Cyber- und Informationsraum bietet vielfältige Möglichkeiten für Täuschung und Manipulation. Textgeneratoren und Soziale Medien erlauben es, Falschinformationen niederschwellig zu produzieren und zu verbreiten. Foto: BS/xiaoliangge, stock.adobe.com

sind hingegen die Intentionen hinter derartigem Vorgehen. Mit ihrem Handeln versuchen die Angreifenden, Gesellschaften zu destabilisieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Gerade offene und demokratische Gesellschaften sind bei derartigen Angriffen verwundbar. Der Cyber- und Informationsraum bietet die richtigen Rahmenparameter und vielfältige Möglichkeiten, um Angriffe durchzuführen. Über Soziale Medien ist niederschwellig ein großes Publikum mit irreführenden oder manipulativen Informationen ansprechbar. IT-Schwachstellen lassen sich für Manipulationen oder Sabotageakte ausnutzen. Die eigene Anonymität kann dabei jederzeit mit der nötigen technischen Expertise gewahrt werden. Mit dem Aufbau des Kommandos

Cyber- und Informationsraum (CiR) und dessen Erhebung zur Teilstreitkraft reagiert die Bundeswehr auf diese Entwicklung. So erklärte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor dem Digitalausschuss des Deutschen Bundestages, dass die Erfahrungen in Israel und der Ukraine gezeigt hätten, dass der Cyber- und Informationsraum ein integraler Bestandteil von Konflikten sei. Man beobachte ein Verschwimmen der Trennlinie von Akteuren, Ländern, Domänen und Konfliktphasen, erläuterte er weiter.

Großbrand in Berlin Die größte mediale Aufmerksamkeit genießen hingegen physische Ereignisse. Die Sprengung der Nordstream-2-Pipeline bestimmte über Wochen die Schlagzeilen.

Allerdings ließ in den vergangenen Monaten nicht nur die Sprengung der Pipeline aufhorchen. Am 3. Mai 2024 waren insgesamt etwa 200 Einsatzkräfte der Feuerwehr und Rettungsdienste in Berlin-Lichterfelde im Einsatz. Anlass für den Großeinsatz gab ein Brand in der Produktionsstätte des Nürnberger Unternehmens Diehl. Am Standort produziert das Unternehmen zwar nur verschiedene Bauteile für die Autoindustrie, das gesamte Unternehmensportfolio ist aber weitaus brisanter. So ist Diehl der zentrale Akteur im transeuropäischen IRIS-T-Projekt. Die Luft-Luft-Lenkflugkörper kommen auch in der Ukraine zum Einsatz und schützen dort die Energieinfrastruktur vor Luftangriffen. Der Verdacht der Sabotage steht im Raum.

„Die Menschen haben die Tragweite noch nicht erfasst“

Laut Brandon Tseng ist das Schlachtfeld der Zukunft von autonomen Drohnen bestimmt (BS) Der ehemalige Navy SEALund Gründer von Shield AI, dem Hersteller der ersten Künstliche-Intelligenz-(KI)-befähigten Drohne des US-Militärs, Brandon Tseng, erläutert im Interview mit dem Behörden Spiegel, wie er sich das Schlachtfeld der Zukunft vorstellt. Drohnen nehmen dabei die zentrale Rolle ein. Ein Paradigmenwechsel, der aus seiner Sicht der Entdeckung nuklearer Sprengköpfe gleichkommt. Die Fragen stellte Jonas Brandstetter.

dar. Es stellt sich die Frage, welcher Staat dieses Potenzial zuerst erkennt. Meine Sorge ist, dass Russland oder China vor dem Westen eine robotische Streitkraft aufstellen. Eine derartige Armee ist nicht länger davon abhängig, über wie viele Soldatinnen und Soldaten sie verfügt. Es zählt einzig und allein die Produktionskapazität. Das verändert die Kriegsführung grundlegend. Es bahnt sich ein Rennen darum an, wer die meisten Drohnen einsetzen kann. Meine größte Sorge ist, dass wir in fünf Jahren mit fünftausend Drohnen in den Krieg

„Bei der Frage der Produktionskapazitäten ist China dem Westen überlegen!“

Brandon Tseng ist der Mitbegründer, Präsident und Chief Growth Officer von Shield AI. Zuvor diente er sieben Jahre lang in der Navy als SEAL und Surface Warfare Officer an Bord der USS Pearl Harbor (LSD 52). Foto: BS/Shield AI

ziehen, während China zehn Millionen ins Feld führt.

Behörden Spiegel: Nachdem Sie bereits den Blick in die Glaskugel gewagt haben, wie stellen Sie sich Kampfhandlungen in fünf, zehn und fünfzehn Jahren vor?

Tseng: Lassen Sie mich damit beginnen, wie der Krieg in 15 Jahren aussehen wird. Auf dem Gefechtsfeld bewegen sich Millionen autonom operierender, kostengünstiger Systeme. Bemannte Systeme sind allerdings nicht völlig verdrängt. Ei-

Laut Ermittlungsergebnissen der Versicherungsgutachten sei aber ein technischer Defekt ursächlich für den Brand, erklärte Diehls Geschäftsführer, Thomas Hör, in einer Stellungnahme. Er gab jedoch zu, dass, in der Theorie, auch Sabotage den technischen Defekt hervorgerufen haben könnte. Laut Medienberichten geht die Bundesregierung zurzeit Informationen ausländischer Geheimdienste nach, die konkrete Beweise einer russischen Beteiligung haben wollen. Nur wenige Wochen bevor in Berlin-Lichterfelde eine schwarze Rauchsäule in den Himmel wuchs, nahm die Bayerische Polizei zwei Russlanddeutsche in Bayern fest. Sie müssen sich des Vorwurfs erwehren, Militäranlagen ausgespäht und Pläne, Waffenexporte in die Ukraine zu stören, entwickelt zu haben. Konkret steht laut Bundesanwaltschaft der dringende Verdacht der Tätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst, der Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in Verbindung mit Agententätigkeit zu Sabotagezwecken sowie des sicherheitsgefährdenden Abbildens militärischer Anlagen im Raum. Ein internationales Problem Ein europäischer Einzelfall sind die Ereignisse in Deutschland nicht. Auch die britische Generalanwaltschaft nahm in den vergangenen drei Monaten fünf Personen wegen des Vorwurfs der Sabotage fest. Im April bestellte die britische Regierung den russischen Botschafter Andrey Kelin ein, nachdem Beamtinnen und Beamte des Crown Prosecution Service (CPS) Anklage gegen fünf Männer aufgrund feindlicher Handlungen gegen das Vereinigte Königreich im Interesse Russlands erhoben hatten. Sie sollen sich für die Brandstiftung an einem Lagerhaus in London verantwortlich zeichnen. Erstmals brachten die britischen Behörden dabei eine Gesetzesänderung aus dem National Security Act 2023 zur Anwendung.

nige unersetzbare Systeme wie die F-35 sind weiterhin im Einsatz. Die Zahl der eingesetzten autonomen Systeme wird in den kommenden 15 Jahren sukzessive zunehmen. Etwas Vergleichbares können wir bereits heute in der Ukraine beobachten. Dort sind tausende „dumme“ Drohnen ohne KI-Fähigkeiten im Einsatz. Genau darin liegt der Unterschied zu dem Gefecht in fünf Jahren. In Zukunft werden die „dummen“ Drohnen durch smarte Systeme ersetzt.

Tseng: Faktisch ist der Westen technologisch weiterhin überlegen. Gleichsam gehört es aber auch zur Wahrheit, dass die westlichen Länder bei der Frage der Produktionskapazitäten nicht an der Spitze stehen.

China ist den USA in Bezug auf diese Fähigkeit etwa um das Zehnfache überlegen. Stellt man die gesamte westliche Welt China gegenüber, reduziert sich diese Überlegenheit etwa auf das Dreifache.

Behörden Spiegel: Die ukrainischen Truppen setzen im Kreig gegen Russland umfänglich kommerzielle Drohnen im militärischen Kontext ein. Glauben Sie, dass sich dieser Trend verfestigen und sich in anderen Konflikten wiederholen wird?

Tseng: Die ukrainischen Streitkräfte setzen alles ein, was sie vorrätig haben und schnell zum Einsatz bringen können, um die russische Offensive aufzuhalten. Die kommerziellen Systeme, die in diese Kategorie fallen – zum Beispiel sogenannte Quadcopter – haben einen taktischen Effekt. Um aber nennenswerte operative strategische Vorteile zu erzielen, benötigen Streitkräfte Systeme mit größerer Reichweite sowie der Fähigkeit, Dinge zu transportieren und in verschiedenen Rollen zum Einsatz zu kommen. Das können kommerzielle Systeme nicht leisten.

Behörden Spiegel: Führt der Westen diese Entwicklung noch an oder wurde er bereits abgehängt?

Zwischen Spontanität und Struktur

Von Reisen auf den Balkan, nach Syrien und in den Libanon

(BS/Mirjam Klinger) Manfred Bohr entschied sich gegen den beruflichen Wunsch seiner Eltern und wählte stattdessen eine Laufbahn als Offizier der Bundeswehr – eine Entscheidung, die seine Karriere grundlegend prägte. Seit fast 20 Jahren arbeitet Bohr nun bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS). Die Bundeswehr und vor allem sein dort erlerntes strukturiertes Denken begleiten seine berufliche Laufbahn aber bis heute.

Wenn Bohr über seinen beruflichen Werdegang erzählt, tut er dies sehr konzentriert. Er versucht, sich an jedes Detail zu erinnern. Denn eines ist ihm wichtig: Er möchte ein ganzheitliches Bild darstellen. Nach seinem Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Universität der Bundeswehr München strebte Manfred Bohr zunächst in die Privatwirtschaft. Eine spontane Bewerbung führte zu einer unerwarteten Planänderung. „Ich hätte mir im November 1998 nicht vorstellen können, dass ich doch indem behördlichen Bereich bleibe“, sagt der ehemalige Offizier rückblickend. Er hatte in besagtem Jahr bereits den Vertrag als Controller bei der Deutschen Post unterschrieben. Einen Monat später, im Dezember – kurz nach Nikolaus –, machte ihn sein damaliger Kommandeur auf ein grünes Ausschreibungsblatt der damaligen Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik (heute: Bildungszentrum der Bundeswehr) aufmerksam. Die Bundesakademie in Mannheim suchte nach einem neuen Fachgebietsleiter, der die gesamte Ausbildung zukünftiger Controller der Bundeswehr durchführen sollte. Mit dem Zuspruch des Kommandeurs schickte Bohr seine Bewerbungsmappe nach Mannheim. Nicht nur die Bewerbung an sich war spontan. Erst einen Tag vor dem Vorstellungsgespräch hatte Manfred Bohr erfahren, dass er um 14 Uhr am folgenden Tag einen Vortrag halten sollte. Und zwar vor dem gesamten Lehrköper der Akademie. Beides kam gut an: „Von dem Tag an dauerte es noch insgesamt sechs Werktage und ich hatte die Urkunde der zivilen Seite in der Hand“, erzählt Bohr schmunzelnd. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch im Dienstverhältnis eines Soldaten war, fing er am 4. Januar 1999 als Fachgebietsleiter in Mann-

heim an. „Letztlich bin ich durch die zivile Wehrverwaltung feindlich übernommen worden, indem man mir eine neue Urkunde ausgehändigt hat“, erinnert sich Manfred Bohr. Fast sechs Jahre lang war der studierte Diplomkaufmann als Lehrgangsleiter für die Controllerausbildung der Bundeswehr tätig. Zum Ende des Sommers 2004 beschloss er, sich erneut umzuschauen. „Ich habe 265 Lehrstunden im Monat gemacht und hatte nebenbei die Position des Leiters der Außenstelle Berlin inne. Irgendwann war mir das dann zu viel“, besinnt sich Bohr zurück. Wieder durch eine Empfehlung gelangte Bohr zur Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS). Er habe weder gewusst, welche Aufgaben die BAKS hat, noch dass diese zur Bundeswehr gehört. „Der damalige Präsident der Akademie sagte: 'Wir wollen Sie haben. Kommen Sie doch einmal vorbei'“, berichtet der ehemalige Lehrgangsleiter. Wieder sollte er die neue Stelle direkt antreten: „Es waren ähnliche Strukturen. De facto hat man es dann geschafft, dass ich im zweiten Halbjahr 2004 bereits zur BAKS abgeordnet wurde, und die drei Wochen, in denen meine alte Dienststelle noch keinen Ersatz für mich hatte, bin ich zurück abgeordnet worden.“ Eine physische Versetzung gab es dann Anfang des Jahres 2005. Seitdem ist Manfred Bohr der BAKS treu geblieben.

Von Mosaiksteinchen zum Gesamtbild

Als Studienreferent Wirtschaftspolitik ist Manfred Bohr ein Vertreter von sieben Ressorts im Studienbereich der Akademie. In Zwei-Personen-Teams plant er Veranstaltungen wie z. B. Seminare, Konferenzen oder Fachtagungen der BAKS. Die Bundesakademie hat sich der Weiterbildung von Spitzenpersonal

aus Bund und Ländern sowie Führungskräften aus Wissenschaft, Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen verschrieben. Ihr Seminarangebot umfasst unter anderem das dreimonatige Kernseminar für Sicherheitspolitik (KS), das dreiwöchige Führungskräfte-

sieht dann die möglichen Alternativen und entscheidet sich schließlich für eine davon“, fasst Bohr seine Arbeitsweise zusammen. Für die Planung eines jeden Seminars schlüpft er zunächst in die Rolle der Teilnehmenden. Welche Fragestellung soll das Seminar schließlich

In der „Joint Security Area“ wird der Waffenstillstand kontrolliert: Seit Ende des Koreakriegs gilt das United Nations Command Military Armistice Commission (UNCMAC). Foto: BS/privat

seminar für Sicherheitspolitik (FKS) sowie spezielle Seminare wie das Fachseminar Digitalisierung und Sicherheitspolitik (FDS). Im nächsten Jahr wird vermutlich ein Fachseminar zum Thema Klimawandel und Sicherheitspolitik hinzukommen. Aktuell ist Bohr schwer beschäftigt. Er betreut ein Modul im KS24, indem die gesamte Gruppe nach nur einem halben Tag in Berlin nach Finnland aufbricht. Dort steht unter anderem ein Treffen mit der finnischen Außenministerin auf dem Programm. Dieses Treffen musste Bohr zusammen mit seinem Kollegen kurzfristig einplanen und dafür den gesamten Ablauf der kurzes Reise innerhalb eines Tages umstellen, da die Ministerin nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung hatte. Dank seines Organisationstalents und seiner jahrelangen Erfahrung in der Seminarplanung gelang es dem Team, dieses wichtige Treffen in die Reise zu integrieren. Beeinflusst durch seine Vergangenheit als Soldat, plant Bohr jedes Seminar sehr strukturiert und legt großen Wert darauf, ein ganzheitliches Bild zu konzipieren – das gilt sowohl für die Themen (darunter Digitalisierung und Cyber-Sicherheit, Klimaschutz und Integrierte Sicherheit u.v.m.), als auch für das Land, das bereist werden soll. „Man geht prozessual an eine Sache heran und prüft Dinge,

beantworten? Ganzheitlich heißt für Bohr aber auch nicht nur, die staatliche Seite darzustellen. Auch die privatwirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Seite bezieht er mit ein. Erst durch das Finden von Gemeinsamkeiten aller Seiten kann aus vielen kleinen Mosaiksteinchen ein vollständiges Bild entstehen –„dafür nehme ich mir viel Zeit“, betont der Beamte seinen eigenen Anspruch. Nicht immer könne er garantieren, dass die Erwartungen der Teilnehmenden vollständig erfüllt werden, speziell bei Reisen, bei denen die BAKS auf die Qualität der Experten im Gastland angewiesen ist. Ob die Seminare ein umfassendes Gesamtbild vermitteln, müssten letztlich auch die Teilnehmenden selbst beurteilen: „Das Beste, was einem passieren kann, ist, dass am Ende das Feedback der Gruppe positiv ausfällt.“

Der Irak steht oben auf der Liste Bohr hat in seiner Laufbahn bei der BAKS unterschiedlichste Länder bereist. Sich selbst bezeichnet er als „Krisenreisenbeauftragter“ der Akademie. Seine Arbeit brachte ihn auf den Balkan, nach Syrien, in den Libanon, in alle Landesteile Israels oder nach Georgien – Letzteres zwei Monate nach dem Krieg 2008. Seine Frau, die selbst acht Jahre bei der Bundeswehr tätig war, wisse immer sehr genau über die geplanten Reisen Bescheid. Wenn er unterwegs

sei, versuche er, sich regelmäßig bei ihr und seinen beiden Töchtern zu melden. Neben der Verantwortung für sich muss Bohr dabei jedoch auch jedes Mal Verantwortung für die gesamte Gruppe übernehmen. 2011 befand sich der Studienreferent auf einer Erkundungstour für ein bevorstehendes Seminar im Libanon. Die Straße nach Naqura führte ihn an die südlibanesische Grenze und somit ins Hisbollahgebiet. Diese Region ist für ihre Instabilität und Gefahren bekannt. „Während der Fahrt dorthin ging es plötzlich um Leib und Leben“, erzählt Bohr mit Nachdruck. „Vor uns detonierte eine Sprengfalle. Der Angriff galt einem gepanzerten UN-Fahrzeug, welches direkt vor uns fuhr. Da wurde uns anders“, sagt Bohr und hält kurz inne, als die Erinnerung ihn überkommt. Der Vorfall war nicht nur brenzlig, sondern lebensbedrohlich. Schnell hat der Bundesbeamte die Fassung zurückgewonnen. Er resümiert: Als ehemaliger Soldat könne er vermutlich besser mit solchen Erlebnissen umgehen und sie einsortieren. Jemand wie Bohr, der sich gut sortieren kann, zieht es zum Chaos, das in nahezu vielen Krisenregionen herrscht. Denn trotz dieses Vorfalls würde er gerne weitere Krisenregionen besuchen. Der Irak steht dabei ganz oben auf seiner Liste: „Für die BAKS vielleicht nur Erbil. Erst mal, weil es am einfachsten wäre. Aber ich würde sogar nach Bagdad gehen. Wahrscheinlich eher mit einem Führungskräfteseminar. Klein, fein, höher dotiert und damit auch mit einer anderen Sicherheitseinstufung.“ Wenig Begeisterung entfaltet er bei den regelmäßigen Besuchen der BAKS in Brüssel oder New York: Schema F ist nicht seins. Die Bundesakademie ist für Bohr nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch eine Herausforderung. Er schätzt die Freiheit und die Möglichkeit, sich in verschiedenen Projekten zu verwirklichen. Solange er diese Freiräume hat und weiterhin Neues gestalten kann, sieht er keinen Grund, etwas zu verändern. „Ich mache viel privat, wo ich mich dann noch mal austesten kann“, betont er. So engagiert sich Manfred Bohr ehrenamtlich an der Volkshochschule, wo er IT-Schulungen für Senioren anbietet. „Es ist unglaublich bereichernd zu sehen, wie wissbegierig die Senioren sind und wie ihre Augen leuchten, wenn sie plötzlich mit dem Internet umgehen können“, gibt er zu.

An der BAKS ist Manfred Bohr ein zentraler Akteur, der mit seinem Wissen und seiner Erfahrung die Akademie bereichert und deren Zukunft er aktiv mitgestaltet – den Blick immer auf viele spannende Herausforderungen gerichtet, die noch vor ihm liegen.

Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) wurde 1992 in Bonn gegründet. Seit 2004 hat sie ihren Sitz in Berlin. Die BAKS ist eine Weiterbildungseinrichtung der Bundesregierung. Außerdem dient sie der Vernetzung von Führungskräften aus Politik, Wirtschaft, Militär und Zivilgesellschaft im Bereich der Sicherheitspolitik. Hierfür bietet sie Seminare, Workshops und Konferenzen an, die sich mit nationalen und internationalen sicherheitspolitischen Fragestellungen befassen. Jährlich führt die BAKS über 70 Veranstaltungen mit bis zu 5.000 Teilnehmenden durch. Ziel der BAKS ist es, das Verständnis für sicherheitspolitische Herausforderungen zu vertiefen und interdisziplinäre Lösungsansätze zu fördern. Dies tut sie gemäß der Nationalen Sicherheitsstrategie Deutschlands.

Manfred Bohr reiste 2022, 2023 und 2024 mit der BAKS an die Grenze zu Nordkorea. Erst beim dritten Besuch in Begleitung des BAKS-Präsidenten, Generalmajor Wolf-Jürgen Stahl ,gelang es, bis an die Blauen Baracken heranzukommen. Foto: BS/privat
Vorsicht Eisbär: Ab der Stadtgrenze muss man per Gesetz bewaffnet sein – 2022 reiste Manfred Bohr zur Vorerkundung nach Svalbard. Foto: BS/privat

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