Behörden Spiegel Juni 2024

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Souverän durch und durch

Was macht einen souveränen Staat aus? In einer Demokratie sind es die Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrer aktiven Beteiligung am Staatsgeschehen für eine souveräne und gesicherte Staatsform sorgen. So dürfen bei der ausstehenden Wahl zum Europaparlament fünf Millionen Erstwähler in Deutschland abstimmen, erstmals auch die 16-jährigen. Wo Beteiligung in Form von Wahlen, in Vereinen oder Bürgerräten stattfindet, wird Souveränität gewährleistet. Souveränität hat aber auch noch andere Facetten.

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Ohne Angabe von Gründen

Politische Beamte – engbegrenzte Ausnahme (BS/Uwe Proll) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stuft Paragraph 37 Abs. 1 Nr. 5 des NRW-Beamtengesetzes, wonach alle Polizeipräsidenten (PP) politische Beamte sind, als mit dem im Grundgesetz definierten Beamtenstatus unvereinbar ein. Dieser Teil des Gesetzes sei verfassungswidrig, so das Gericht am 9. April dieses Jahres (Az. 2 BvL 2/22). Neues verkündet ist die Karlsruher Entscheidung keinesfalls, denn schon 2008 hieß es, dass politische Beamte eine eng begrenzte Ausnahme bleiben müssten. 2018 wiederholte das Gericht in schärferer Tonlage den Sachverhalt.

Anlass war diesmal die Klage des ehemaligen Kölner PP Wolfgang Albers, der infolge der Kölner Silvesternacht (2015/16) gehen musste und sich als Bauernopfer sah. Das BVerfG sieht die PPs in NRW nicht politisch. Sie exekutierten im Wesentlichen die Gefahrenabwehr auf Basis des Polizeigesetzes. Sie bekleideten kein „Transformationsamt“, also sei es nicht ihre Aufgabe, politische Vorgaben „über den bloßen[…]Vollzug bereits vorhandenen Gesetzesrechts hinaus[…]in Verwaltungshandeln umzusetzen“ (BVerfG). Es sei als PP auch nicht notwendig, in „fortwährender Über-

einstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung“ zu sein. Zudem bestehe eine Berichtspflicht gegenüber den zuständigen Landesämtern, also keine direkte Beratung der politischen Führung.

Laufbahnbeamte

An der verfassungswidrigen Praxis hat sich aber seit dem Urteil des BVerfG nichts geändert, weder im Bund noch in acht Ländern. In manchen sind nur Landespolizeipräsident und Verfassungsschutzchef politische Beamte. Der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke konstatiert: „Polizeipräsidentinnen und -präsidenten sollten aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) prinzipiell keine politischen Beamten sein. Es ist grundfalsch, wenn wichtige polizeiliche Entscheidungen möglicherweise von politischen Abwägungen überschattet, wenn nicht beeinflusst werden. Wie soll jemand unbefangen und polizeifachlich eine wichtige Entscheidung treffen, wenn sie oder er befürchten muss,

dass die weitere Karriere davon abhängt?“ Der Sicherheit generell und dem Vertrauen in eine neutrale Polizeiarbeit tue das nicht gut ergänzt er und begrüßt das Urteil des BVerfG. Für Kopelke ist unabdingbar: „Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten sollten bundesweit stets klassische Laufbahnbeamte sein.“ So ist es in Bayern. Zwar wird die Besetzung aller bayerischen Präsidentenposten durch einen Kabinettsbeschluss bestätigt, doch sie bleiben Laufbahnbeamte, für sie gilt weiter der Grundsatz des Lebenszeitprinzips.

Ein sanfter Sturz Für die Betroffenen des BVerfGUrteils ist der Fall nicht tief, denn 71,75 Prozent Übergangsgeld werden bis zu 36 Monate fällig, danach gesenkte Ruhestandsbezüge – Folgebeschäftigung nicht ausgeschlossen. Beim Rest des Apparats hinterlässt das dauerhaft negative Spuren: Mögliche Kandidaten fühlen sich übergangen und eventuell mangelnde Leistung der Günstlinge erfordert externe Expertise oder weitere Fachbeamte. Der Apparat wird aufgebläht und teurer, so sieht es der Staatsrechtler Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim Die rechtswidrige Ämterpatronage verstößt gegen die Strukturprinzipien des Beamtentums, das neben Alimentierung und Versorgung das

Lebenszeitprinzip gesetzt hat. Dies außer Kraft zu setzen, bedarf einer Funktion als engster und unmittelbarer Berater der Politik. Das trifft wohl auf die meisten politischen Beamtinnen und Beamten in Bund und Ländern nicht zu. Wegen der diesjährigen Landtagswahlen und der Bundestagswahl im nächsten Jahr, bleibt zu befürchten, dass sich dieses Ämterkarussell weiterdreht.1998 wurden 60 Prozent aller Staatssekretäre und Ministerialdirektoren durch Rot-Grün im Bund ausgetauscht, 2005 kam die CDU zurück in die Regierung, 40 Prozent mussten erneut wechseln. Das erklärt auch, warum die jeweilige Opposition keine Normenkontrollklage anstrebt es dreht sich immer. Das Karussel dreht sich immer ohne Ausschreibung, also ohne Bestenauslese (wie im Grundgesetz vorgesehen), häufig ohne notwendige Befähigung und am Ende steht eine Entlassung ohne Angabe von Gründen. Die Diskussion über die lieb gewonnene Praxis der Parteien erfährt nun eine neue Dimension. Maximilian Steinbeis, Gründer des Verfassungsblogs, rät der thüringischen Regierung, das Landesbeamtenrecht dringend zu ändern, „um zu verhindern, dass der Austausch sogenannter politischer Beamter zu einem Instrument autoritärer Populisten werden könnte“.

Wichtigste Ressource der Menschheit

Trinkwasser gewinnen wir zum Großteil aus dem Grundwasser, aber wie können wir diese wichtige Ressource schützen? Seite 14

Aus Frust auf den Staat

Auch die Gewalt gegen Bedienstete des Öffentlichen Dienst nimmt zu. Was kann dagegen unternommen werden? Seite 22

Auf die Liste setzen

Manche Dienste sind nicht dafür geeignet, dass Kinder sie nutzen. Michael Terhörst von der BzKJ prüft und indiziert. Seite 44

Leitmedium für den Öffentlichen Dienst ISSN 1437-8337 G 1805
Adressfeld
Nr. VI / 40. Jg / 23. Woche Berlin / Juni 2024 www.behoerdenspiegel.de
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Schwerpunktthema der Ausgabe Souverän durch und durch

Versuchte TikTok-Jugend

Engagement gefordert

Eine starke Demokratie geht von den Bürgern aus

Autarke Dörfer

Immer mehr Kommunen schlagen den Weg einer unabhängigen Energieversorgung ein

Stellschrauben für die Bundespolitik

Modelle zur kommunalen Bürgerbeteiligung

Ein souveräner Arbeitsplatz für die Verwaltung

Office- und Collaboration-Suite des ZenDiS

Impressum

Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Herausgeberin und Chefredakteurin Dr. Eva-Charlotte Proll

Stellvertretender Chefredakteur Guido Gehrt Leiter des Berliner Büros Ralph Kotsch Aktuelles Öffentlicher Dienst Ann Kathrin Herweg, Sven Rudolf, Hans-Jürgen Leersch, Anne Mareile Walter Kommune Marlies Vossebrecker, Scarlett Lüsser Digitaler Staat Christian Brecht, Mirjam Klinger, Paul Schubert, Anna Ströbele

Sicherheit & Verteidigung Bennet Biskup-Klawon, Jonas Brandstetter, Thomas Hönig, Lars Mahnke, Klaus Pokatzky

Sonderkorrespondenten BOS Dr. Barbara Held, Gerd Lehmann

Online-Redaktion Tanja Klement

Parlamentsredaktion Berlin

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Geschäftsführung Dr. Fabian Rusch

Anzeigenleitung Dr. Fabian Rusch

Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Maximilian Spuling, Karin Vierheller Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin

Druck Weiss-Druck GmbH & Co. KG, Hans-Georg-Weiss-Straße 7, 52156 Monschau

Herausgeber- und Programmbeirat Uwe Proll (Vorsitz)

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Dieses Icon finden Sie auf mehreren Seiten der aktuellen Ausgabe. Es zeigt an, dass es sich bei dem jeweiligen Beitrag um einen Schwerpunktartikel zum Thema souveräner Staat und Demokratie auf den Ebenen von Bund, Ländern, Kommunen aber auch der Europäischen Union handelt.

Kommentar

Souveränitätdelegation

(BS) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) haben in einer Reihe von Entscheidungen die Arbeit der Nachrichtendienste in den letzten Jahren durch mehrere Urteile in kritischer Weise eingeschränkt. Die durch nachrichtendienstliche Methoden gewonnenen personenbezogenen Daten dürfen nur noch im Falle schwerster bevorstehender Straftaten an Polizei und Staatsanwaltschaften weitergegeben werden. Mal konkret: Erfährt der BND von einem geplanten nächtlichen Banküberfall, darf er die Daten der Täter nicht weitergeben. Ist eine Geiselnahme und womöglich Erschießung von Geiseln tagsüber geplant, doch. So deutsches Recht. Wie verhält es sich mit Terroranschlägen? Die sogenannte Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BNDs, also die strategische Aufklärung von Telekommunikation und Internet-Verkehr nach Selektoren (Suchbegriffen) gegen Ausländer im Ausland, verstößt laut BVerfG gegen das Grundgesetz, weil auch Ausländer Träger der dort verbrieften Grundrechte seien. Was bedeutet das konkret? Deutschland macht sich blind, verzichtet auf eigenes Abhören, um

Kommentar

frühzeitig Terrorgefahren zu identifizieren. Also ist die Bundesrepublik auf ausländische Nachrichtendienste angewiesen, die solche Gefahren dann an deutsche Behörden weitergeben. Und so ist längst die Praxis.

Von Uwe Proll

Die meisten verhinderten Terroranschläge gehen auf ausländische Warnmeldungen zurück. Doch wann liefern andere Dienste? Das ist ihnen überlassen, nicht mehr der Souveränität der eigenen Behörden. Das BVerfG hat aber entschieden, dass Selektoren z. B. der US-Behörden, die beim weltweit größten Internet-Knoten, dem DE-CIX in Frankfurt, der jährlich 48 Exabyte abwickelt, anfallen, nicht veröffentlicht werden müssen. Also „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“.

Die digitale Souveränität bei der internationalen Gefahrenabwehr ist an ausländische Dienste outgesourct. Aus Frankfurt kommen die Daten, ihre Auswertung überlassen wir fremden Diensten. Diese Delegation dient dem guten Gefühl: Wir machen so was nicht, aber erwarten, dass ihr uns die ausgewerteten Daten als Warnhinweis liefert.

Unbezahlte Baustellen

(BS) Vier von fünf pflegebedürftigen Menschen werden in den eigenen vier Wänden versorgt. Dabei sind es – immer noch – zu 80 Prozent Frauen, die sich um diese Aufgaben kümmern. Das bringt naturgemäß Nachteile mit sich: In vielen Fällen müssen sie Abstriche in ihrer regulären Erwerbsarbeit für die Pflege in Kauf nehmen. Hinzu kommt: Oft führen sie zusätzlich den Haushalt und betreuen Kinder – das sind viele unbezahlte Baustellen. Da verwundert die folgende Zahl kaum: Für Sorgearbeit werden im Schnitt 20 Stunden pro Woche aufgewendet, was dem Umfang eines zusätzlichen Teilzeitjobs entspricht.

von Anne Mareile Walter

Die Folgen der weiblich dominierten Care-Arbeit liegen auf der Hand: Laut Statistischem Bundesamt ist die Rente von Frauen im Schnitt um 30 Prozent geringer als die von Männern. Das Bundesfamilienministerium machte sich kürzlich die Mühe und berechnete den Gender Care Gap, also die Lücke bezüglich des Zeitaufwands für die Sorge-Arbeit zwischen Männern und Frauen. Die Rechnung führte zu folgendem Ergebnis: Im Schnitt verbringen Frauen 44,3 Prozent mehr Zeit als Männer mit Angehörigenpflege und Kindererziehung – ein eklatanter Unterschied. Doch auch abseits davon gilt es, politische Lösungen für die Gleichstellung zu finden. Bis 2050 ist nach einer aktuellen Erhebung des Statistischen Bundesamtes mit einem Anstieg der Plegebedürftigkeit um 37 Prozent zu rechnen – und schon jetzt klafft in der gesetzlichen Pflegeversicherung ein gewaltiges Defizit. Parallel steigen die Eigenanteile für die Unterbringung im Heim, eine stationäre Unterbringung im Pflegefall ist daher für immer weniger Menschen finanziell zu stemmen. Deshalb dürften auch weiterhin viele „Care-Stunden“ zu Hause verbracht werden, die zu ungleichen Vermögensverhältnissen im Alter führen. Der Deutsche Beamtenbund fordert nun, Entgeltersatzleistungen für zu Hause Pflegende einzuführen. Wer pflegt, soll sich eine Auszeit vom Job nehmen können und dafür vom Staat einen finanziellen Ausgleich erhalten. Eine sinnvolle Maßnahme –die Umsetzung indes bleibt angesichts der klammen Haushaltslage mehr als fraglich.

Seite 2 Inhalt Behörden Spiegel / Juni 2024
Bildnachweise Seite 1: BS/ Anastasiia Soina, stock.adobe.com; Ralf Geithe stock.adobe.com; mehaniq41, stock.adobe.com; BzKJ/bundesfoto/Uwe Völkner Seite 2 BS/Hoffmann unter Verwendung von stock.adobe.com, jenny on the moon; stock.adobe.com, scusi; stock.adobe.com, rondabroc.com; stock.adobe.com, rondabroc.com; stock.adobe.com, Lori Li

Behörden Spiegel: Was sind die größten Errungenschaften binnen Ihrer zweijährigen Tätigkeit als Parlamentarische Staatssekretärin im BMFSFJ?

Deligöz: Wir haben bereits große und kleine Errungenschaften erzielt. Dass jetzt bei der Europawahl alle 16-Jährigen zur Wahl gehen können, ist eine große Errungenschaft, weil es unsere Demokratie stärkt und Jugendliche früher an Demokratie heranführt. Wir haben kleine Errungenschaften erzielt, die sich aber auf viele Menschen auswirken, wie die Ausweitung der Kinderkrankentage oder dass Jugendliche in der Jugendhilfe bei den Kosten nicht mehr mit herangezogen werden. Wir haben aber auch Gesetze, deren Wirkung sich erst in ein paar Jahren entfalten wird, wie z. B. das Ganztagsförderungsgesetz oder der Ausbau der Qualität in der Kindertagesbetreuung. Auch haben wir Maßnahmen zur Verringerung des Fachkräftemangels eingebracht, z. B. durch Weiterbildung unter anderem in der Pflege und in der Kindertagesbetreuung. Eine kleine Maßnahme, aber dennoch besonders für mich, ist das Zukunftsprogramm für Bewegung, Kultur und Gesundheit. Darüber können junge Menschen finanzielle Unterstützung für eigene Projektideen vor Ort beantragen. So sind zum Beispiel Fahrrad-Werkstätten in Augsburg entstanden. Andere Jugendliche haben sich Parkbänke für alle Generationen gewünscht. Eine Gruppe von geflüchteten Jugendlichen in Berlin hat sich für eine Begegnungsstätte zum Erlernen handwerklicher Tätigkeiten eingesetzt. Die Kreativität und das Engagement, wie Jugendliche aktiv ihr Umfeld selbst gestalten wollen und können, fasziniert mich dabei immer wieder aufs Neue.

Behörden Spiegel: Stichwort Kindergrundsicherung…

Deligöz: Die Kindergrundsicherung befindet sich in den Verhandlungen im Bundestag. Im Bereich der Sozialgesetzbücher ist es immer kompliziert. Daneben ist das Vorhaben als anspruchsvolles Digitali-

Jede fünfte Frau über 65 ist armutsgefährdet. Im Schnitt arbeiten sechs von zehn Frauen in Teilzeit. Pflegebedürftige Angehörige werden zu 80 Prozent von Frauen betreut. Ein Drittel der Bundestagsabgeordneten ist weiblich, ihr Anteil schwindet. Mit diesen Fakten startete die Bundesfrauenvertretung des DBB in ihre Tagung und fokussierte damit gleich zu Beginn die losen Stellschrauben in puncto Gleichstellung, an denen es künftig noch zu drehen gilt.

Für einen aktivierenden Staat

Familien stärken, Bedarfe decken

Von der finanziellen Absicherung bis hin zur Förderung von Kreativität und Engagement – die Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche zu unterstützen, sind vielseitig. Im Interview spricht Ekin Deligöz, Paralmentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), über die Kindergrundsicherung, bessere Chancen für benachteiligte Familien und Frauen in Führungspositionen des Öffentlichen Dienstes. Die Fragen stellte Dr. Eva-Charlotte Proll.

Die Großmutter ist für Ekin Deligöz ein Vorbild: eine der ersten Stadträtinnen in Anatolien, Hausfrau, Landwirtin und Mutter von sieben Kindern. So hängen in Deligöz' Büro diverse Kopftücher von Frauen der damaligen Zeit, die mit Stickerei oder Perlen Botschaften für andere Frauen in die Tücher geflochten haben, wie z. B. zur Verlobung. Die Staatssekretärin findet, dass das eine pfiffige Art von Frauen für Frauen gewesen sei, sich Freiheiten zu schaffen. Foto: BS/Dr. Proll

sierungsvorhaben komplex. Die drei Fraktionen, die die Kindergrundsicherung verhandeln, haben unterschiedliche Erwartungen und Ansätze. Aber ich bin zuversichtlich.

Behörden Spiegel: Die Kindergrundsicherung ist also auf dem Weg. Welche Fragen sind bis zur Einführung noch zu klären?

Deligöz: Die Kindergrundsicherung ist eine umfassende Reform der Familienförderung. Ziel ist, den Zugang zu Leistungen für anspruchsberechtigte Familien zu vereinfachen. Kernpunkt ist dabei die Digitalisierung, mit der wir schneller Leistungen feststellen und auszahlen können. Datenschutz ist dabei immer eine Herausforderung. Weil wir hier über die Zuwendung des Staates sprechen, sind wir an die Haushaltsordnung und das Sozialrecht gebunden. Dennoch wollen wir ein aktivierender Staat sein,

der Familien dort unterstützt, wo der Bedarf besteht. Natürlich darf alles, was wir im Sozialrecht neu schaffen, auf keinen Fall zu einem Mehr an Bürokratie führen. Wir reden deshalb im Zusammenhang mit der Kindergrundsicherung im Grunde nicht über eine neue Behörde, sondern setzen auf den Strukturen der Familienkassen auf, die bereits jetzt das Kindergeld auszahlen. Aufgrund der steigenden Zahl von Ansprüchen alleine beim bestehenden Kinderzuschlag wird hier mehr Personal benötigt. Es sollte künftig erreicht werden, dass möglichst viele anspruchsberechtigte Familien die Leistung auch erhalten. Es ist unser Auftrag, Verwaltungsarbeit zu beschleunigen, indem ein intelligenter, aber datenschutzrechtlich sicherer Abgleich mit Steuerdaten oder bei Behörden, wie der Rentenversicherung, ermöglicht werden kann.

Behörden Spiegel: Was sieht der Nationale Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ vor, um sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zu fördern?

Deligöz: Mit dem Nationalen Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ setzt Deutschland die 2021 verabschiedete EU-Ratsempfehlung zur Einführung einer Europäischen Kindergarantie um. Danach soll jedem Kind in der EU der Zugang zu Erziehung und Betreuung, Bildung, Gesundheit, Ernährung und Wohnraum gewährt werden. Als Koordinatorin für die Umsetzung des Aktionsplans in Deutschland besuche ich bundesweit Kommunen und Organisationen, die sich mit ihrer Arbeit für bessere Chancen von benachteiligten Kindern und ihren Familien einsetzen. Es ist beeindruckend, was schon alles vor Ort geleistet wird. Aus dem Familienbericht wissen wir, welche Rolle Zeit, Geld und Infrastruktur für Familien spielen. Das kombinieren wir im Nationalen Aktionsplan. An den materiellen

„Gemeinsam

kommen wir voran, nicht jeder Einzelne für sich.“

Leistungen arbeiten wir mit der Kindergrundsicherung. An der Infrastruktur arbeiten wir mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuungsplätze an Grundschulen, dem Startchancen-Programm sowie dem qualita-

Unbezahlte Sorge-Arbeit

Forderungen für eine gerechtere Gleichstellungspolitik

(BS/Anne Mareile Walter) Kinderbetreuung, Angehörigenpflege, reduzierte Arbeitszeiten und eine unzureichende Altersvorsorge: In puncto Finanzen und Karriere sind Frauen auch im Öffentlichen Dienst immer noch häufig schlechter aufgestellt als Männer. Doch welche Maßnahmen verändern den Status quo? Das wurde auf der 18. Frauenpolitischen Fachtagung des Deutschen Beamtenbundes (DBB) diskutiert.

Von einer Krise in die nächste „In Zeiten von internationalen Krisen, Krieg und einer angespannten Haushaltslage wird an den Gleichstellungsthemen zuerst gespart. Das ist falsch, weil wir so gleich in die nächste Krise laufen“, sagte die Vorsitzende der DBB-Bundesfrauenvertretung und stellvertretende DBBBundesvorsitzende, Milanie Kreutz. Da komme es nicht selten vor, dass sich schon jetzt junge Menschen gegen die Gründung einer Familie entscheiden würden. „Das müssen wir aber verhindern“, so Kreutz. Hinzu komme, dass im Falle einer erfolgreichen Gleichstellungspolitik auch die globale Wirtschaftsleistung „signifikant steigen“ würde. Tatsächlich ist die Situation in vielen Fällen folgendermaßen: Kinderbetreuung und Angehörigenpflege sind die häufigsten Ursachen für Altersarmut. Ekin Deligöz, Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, plädierte in ihrem Vortrag dafür, Care-Arbeit aufzuwerten – auch und vor allem monetär. Von den aktuell sieben Millionen Menschen, die Angehörige pflegen, seien rund 4,1 Millionen erwerbstätig, sagte sie und appellierte an dieser Stelle an den Staat, Entgeltersatzleistungen zu bezahlen. „Niemand soll durch Pflege in Armut landen“, fügte Deligöz hinzu. Annemarie Schoß, Referentin für Familienpolitik beim Sozialverband VdK, umriss die Folgen von „unsichtbarer Care-Arbeit“ noch ein wenig drastischer: Frauen hätten im

„Niemand

soll durch Pflege in Armut landen.“

Ekin Deligöz, Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium

Schnitt eine um 30 Prozent geringere Rente als Männer. Die überwiegend von Frauen geleistete SorgeArbeit beanspruche in vielen Fällen einen Zeitrahmen von 20 Stunden pro Woche und nehme damit bereits den Umfang eines zusätzlichen Teilzeitjobs an. Im Schnitt leisteten Frauen rund 44 Prozent mehr „unsichtbare Sorgearbeit“ als Männer. Die Ungleichverteilung habe ihre Ursache in immer noch fest verankerten Rollenbildern. Aus Sicht des DBB-Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach ist der drohende Fachkräftemangel im Öffentlichen Dienst ein zusätzlicher Grund, um Gleichstellungsthemen vehementer voranzutreiben. „1,36 Millionen Menschen werden in den nächsten zehn Jahren den Öffentlichen Dienst altersbedingt verlassen“, erläuterte er. Die so entstehende Lücke lasse sich nicht allein mithilfe von KI schließen. „Es muss in der Politik ein Umdenken geben“, so Silberbach. Die Forderungen des Gewerkschafts-

tiven Ausbau der Kitas. Wir diskutieren regelmäßig mit den anderen Bundesressorts, den Ländern, den Kommunen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie wir z. B. weitere Zugänge schaffen oder bei der Gewinnung neuer Fachkräfte voranschreiten können. Die Vernetzung von Akteuren und die Bekanntmachung von Maßnahmen vor Ort schaffen einen präventiven Mehrwert. Ganz wichtig ist mir dabei der Dialog mit den Kindern und Jugendlichen selbst. Gemeinsam kommen wir voran, nicht jeder Einzelne für sich.

Behörden Spiegel: Im zweiten Führungspositionen-Gesetz hat sich die Regierung vorgenommen, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen im Öffentlichen Dienst im Bund zu erreichen. Wie ist der aktuelle Stand und können Sie die Zielvorgabe bis 2025 einhalten?

Deligöz: Bei den obersten Bundesbehörden lag der Anteil von Frauen in Führung 2015 noch bei 33 Prozent. Im Jahr 2022 waren wir bei 41 Prozent, Tendenz steigend. Wir sind noch nicht bei 50, aber das erreichen wir sukzessive. Dabei gehen wir verschiedene Wege und versuchen, allen gerecht zu werden, wie z. B. flexible Formen des Arbeitens vorzulegen oder das Führen in Teilzeit zu ermöglichen. Erstmals erfassen wir auch die Zahlen von Sozialversicherungsträgern und Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung. Dort sind wir derzeit bei 24 Prozent. Schauen wir uns im Vergleich dazu die Privatwirtschaft an: Im gleichen Zeitraum gab es eine Steigerung von knapp 18 auf 25 Prozent. Es fehlen dennoch die Geschwindigkeit und die Zielwirkung. Aber „Frauen in Führungspositionen ist kein Dogma, es ist ein Mittel zum Zweck. Wir brauchen gemischte Teams, da ebenjene oftmals bessere Entscheidungen treffen, weil sie verschiedene Blickwinkel einnehmen. Deshalb fordere ich Quoten als Mittel zum Zweck. Irgendwann werden wir sie dann vielleicht nicht mehr brauchen.

chefs an die politisch Verantwortlichen: neue Arbeitszeitmodelle, Führen in Teilzeit, familienfreundliche Arbeitszeiten auch für Männer sowie finanzielle Entlastung für pflegende Angehörige.

Nicht nur über Erwerbsarbeit sprechen

Daneben unterstrich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, dass auch die Bedingungen für die Pflege verbessert werden müssten. Es solle vor der Sommerpause einen entsprechenden Regierungsentwurf geben, kündigte der Minister an und verwies dabei auf kürzlich umgesetzte Pflegereformen, wie die Erhöhung des Pflegegeldes. Die Tatsache, dass sich meist Frauen um pflegebedürftige Angehörige kümmern, verdiene mehr Respekt und gesellschaftliche Anerkennung als bislang üblich, betonte er weiter.

Die Vorsitzende der DBB-Bundesfrauenvertretung, Milanie Kreutz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach fordern mehr gesellschaftliche Anerkennung für Care-Arbeit. Bild: BS/DBB, Marco Urban

Dass an dieser Stelle auch ein gesellschaftliches Umdenken nötig ist, darauf machte die Soziologin und Haushaltsökonomin Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe aufmerksam. „In unserer Gesellschaft zählt nur das als produktiv, was Geld einbringt“, erklärte sie. Allerdings sei das die falsche Herangehensweise. Denn ohne Care-Arbeit gehe „alles den Bach hinunter“. „Es wird immer nur über Erwerbsarbeit gesprochen, aber nicht über das, was dieser zugrunde liegt“, kritisierte die Ökonomin weiter. Care-Berufe sollten zu echten Lebensberufen werden, in denen dauerhaft existenzsichernd gearbeitet werden könne. „Wir brauchen keine Politik, die Rüstung gegen das Soziale ausspielt. Stattdessen brauchen wir ein Miteinander.“

Seite 3 Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel / Juni 2024

Erst am letzten Maiwochenende wurde noch einmal klar, dass die demokratischen Werte unserer Verfassung bedroht sind. Wenn lauthals rassistische Parolen in umgedichteten Popsongs mitgeschmettert werden, wird klar, dass diese demokratiefeindlichen „Werte“ in Teilen der Bevölkerung Oberhand gewinnen. In den letzten Jahren ist auch wegen der europa- und weltpolitischen Krisen immer wieder deutlich geworden, dass die Demokratie in Gefahr ist: von demokratiefeindlichen Äußerungen über den Ruf nach einem Kalifat in Deutschland bis hin zu den geplanten Putschversuchen der Reichsbürger, die eine deutsche Monarchie wiederauferstehen lassen wollen. Extremistische Überzeugungen sitzen nicht nur wieder vermehrt in Parlamenten in ganz Europa, sondern stehen auch auf der Straße und begegnen den Bürgerinnen und Bürgern im Alltag. Erschüttertes Vertrauen

Gründe für diese Zunahme gibt es viele und einige von ihnen lassen sich in einer Unzufriedenheit mit der Demokratie finden. Bundespräsident a. D. Joachim Gauck erinnerte auf einer Veranstaltung der Organisation „Demokratie lebt“, dass Demokratie nicht aus sich selbst kommt. Ohne Engagement kämen Verschiebungen nach rechts außen zustande, mit denen Experten nicht rechneten. Als Beispiel nannte er die Wahl des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, die ihn damals überrascht habe. Der ehemalige Bundespräsident beschäftigte sich genauer mit der Frage, wie es zu solchen Entwicklungen nicht nur in Deutschland kommt. Sein Ergebnis: Es seien nicht unbedingt die sozialen Notstände, die dazu führten, dass Bürger Politiker wählten, die nicht im Sinne einer Demokratie handelten: „Es gibt Menschen, denen ist Sicherheit wichtiger als Freiheit, die haben immer Furcht vor Wandel

Engagement gefordert

Eine starke Demokratie geht von den Bürgern aus

(BS/Sven Rudolf) Widersprüche und intensive Debatten sind – systemimmanent – Kernbestandteil und politisches Tagesgeschäft einer pluralistischen Demokratie. Allerdings häufen sich in Deutschland die Wortmeldungen demokratiefeindlicher Gruppen und Extremisten an den Rändern des politischen Spekturms signifikant. Es stellt sich die Frage, wie man dem begegnet – oder anders: Was braucht eine starke Demokratie? Bürgerräte könnten hier ein Teil der Antwort sein.

und keine Freude daran. Die sind immer kritisch gegen jede Art von Risiko und sehnen sich nach einer möglichst großen Gefolgschaft der Bevölkerung. Sie wollen klare Ansagen bei den politischen Richtungsangaben“, erklärte Gauck. Dabei handele es sich um eine Gruppe, die für gewöhnlich die politisch konservative Mitte wähle. Deren Wahlprogramme genügten in Zeiten der großen Veränderungen aber nicht mehr. Gauck wies auch darauf hin, dass tatsächliche Missstände in Kombination mit mangelnder Kommunikation oder das fehlende Ein-

geständnis von Fehlern nicht förderlich für eine gesunde Entwicklung in einer Demokratie seien.

Laut Gauck ist es auch an den Bürgerinnen und Bürgern, durch ihr Engagement dafür zu sorgen, dass demokratische Werte zur Leitkultur werden und nicht die demokratiefeindliche Bestrebungen.

Mit Rat zur Tat Die Mittel, mit denen man ein demokratisches Engagement voranbringen kann, sind dabei vielfältig und können auch von Regierungen und Parlamenten ausgehen.

Ein Mittel, wie die Bevölkerung aktiv an der Gestaltung der Politik teilnehmen und somit ihren Beitrag zum Erhalt der Demokratie leisten kann, ist das Instrument der Bürgerbeteiligung. Der erste Bürgerrat des Bundestages zum Thema Ernährung lieferte Anfang 2024 seine Ergebnisse an die Bundesregierung. Aktuell werden diese Ergebnisse und ihre Umsetzung diskutiert. (Einen Einblick, wie Experten die Ergebnisse des Bürgerrates wahrnehmen, finden Sie auf Seite 7 in dieser der Ausgabe in einem Interview mit Dr. Margarete

„Wie man ein gutes Gesetz macht, will gelernt sein“

Büning-Fesel, Präsidentin der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.)

Auf Landes- und Kommunalebene werden Bürgerräte und Ähnliches schon seit einiger Zeit eingesetzt. In Baden-Württemberg trug der Entschluss eines solchen Rates dazu bei, dass dort wieder eine Umstellung auf den G9-Betrieb im Schulwesen stattfinden wird. Zwar ist Baden-Württemberg nicht das einzige Bundesland mit dieser Änderung, aber die Entscheidung des Bürgerrates bestätigt natürlich noch einmal, dass die Bevölkerung in einem Querschnitt hinter dieser Entscheidung steht.

Zwar müssen Bundes-, Landesund Kommunalparlamente nicht den Empfehlungen eines Bürgerrates folgen. Wenn sie sich jedoch dazu entschließen, dies nicht zu tun, müssen sie begründen, weshalb. Die Abgeordneten und andere Entscheider müssten, kurzum, auch legitime Gründe vorbringen, auf deren Grundlage sie einer Umsetzung – zum Beispiel der Umstellung auf ein G9-Schulsystem –nicht zustimmen. Die Einberufung eines Bürgerrats darf am Ende aber kein vorgespielter Entscheidungsprozess ohne Entscheidungsgewalt sein. Sonst leidet das Vertrauen in Exekutive und Legislative weiter. Grundsätzlich trägt erstmal aber jede Form der Bürgerbeteiligung zu einer offeneren und transparenteren Kommunikation bei.

Juristen lernen, wie man Recht anwendet, nicht wie man Gesetze macht. Wenn sie in einem Ministerium eingestellt werden und den Entwurf eines Gesetzes oder einer Verordnung schreiben sollen, machen sie Learning by Doing und fragen ältere Kollegen, ob sie helfen können. Angesichts der Bedeutung der Qualität von Recht verwundert es, warum das Jura-Studium nicht schon längst reformiert worden ist. Worin zeichnet sich ein gutes Gesetz aus? Was sind die Qualitätsmerkmale?

Notwendigkeit

Ob ein Gesetz notwendig ist oder nicht, unterliegt zunächst einmal der Entscheidungskompetenz des Gesetzgebers und ist nicht justitiabel. Die Frage stellt sich auch dann nicht, wenn eine EU-Richtlinie das Bundesgesetz erforderlich macht oder es vom Bundesverfassungsgericht verlangt wird. Letztlich ist es eine politische Frage, ob der Staat bestimmte Aufgaben übernimmt und dafür Regelungen getroffen werden sollen. Es geht also eher um das Thema der Kernaufgaben des Staates als um Rechtsqualität. Wer will bestreiten, dass der Staat inzwischen viel zu viel Aufgaben an sich gezogen hat? Die Frage der Notwendigkeit als Thema der Rechtsqualität spielt allerdings

eine zentrale Rolle, wenn es um die Frage geht, ob Vollzugsregeln notwendig sind (z. B. Antragserfordernisse oder Dokumentationspflichten). So haben sich die meisten Bundesländer die Selbstverpflichtung auferlegt, Normen nur dann zu erlassen, wenn ein wichtiges öffentliches Interesse daran besteht. Ich meine, dass z. B. Dokumentationspflichten, die nur zum Inhalt haben, dass Normadressaten bestätigen, sich ans Gesetz gehalten zu haben (Erfüllungsnachweise), grundsätzlich nicht notwendig sind.

Aufwandsschonende Normen

Dr. Gisela MeisterScheufelen, Dozentin, Autorin und ehemalige Vorsitzende des Normenkontrollrats Baden-Württemberg

Foto: BS/privat

Pkw-Führerschein ein Sehtest beim Optiker, während für den Lkw-Führerschein ein Augenarzt erforderlich ist? Und warum kann die praktische Prüfung für einen Lkw-Führerschein nur auf deutsch gemacht werden, obwohl wir dringend Lkw-Fahrer benötigen, auch aus dem Ausland?

und seine Angestellten im Laden unabkömmlich sind? Er überprüft die Qualität der Ware, wenn er sie abnimmt und den Lieferschein unterschreibt und dies in der Regel im Laden selbst. Er hat nicht die Zeit, die Bäckerei zu verlassen und die Kühltemperatur im Wagen des Lieferanten zu überprüfen.

Das Prüfmerkmal der Notwendigkeit korrespondiert damit, dass Normen für die Normadressaten, also auch für die Verwaltung, aufwandsschonend sein sollen. Sind die Möglichkeiten ausgeschöpft, dem Normadressaten möglichst nur solche Pflichten aufzuerlegen, die für ihn mit geringem Aufwand verbunden sind? Könnte die Nudging-Methode, d. h. die Beeinflussung von Verhalten (z. B. die Warnhinweise bei der Zigarettenwerbung) ein Verbot entbehrlich machen? Warum reicht für den

Praxistauglichkeit

Eine Vorschrift ist dann praxistauglich, wenn sie vom Normadressaten mit vertretbarem Aufwand umgesetzt werden kann. Die EU schreibt vor, dass Bäckereien beim Wareneingang sicherstellen müssen, dass der Lieferant von Lebensmitteln die notwendige Kühltemperatur bei der Anlieferung eingehalten hat. Wie soll der Bäckermeister mit nur einer Betriebsstätte dies schaffen, wenn er

In der Regel wird der Normgeber die Praktikabilität der geplanten Regelung nur dann erkennen können, wenn er potenzielle Normadressaten, also Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger sowie Mitarbeiter der Vollzugsverwaltung, in das Rechtsetzungsverfahren einbezieht und die Maßnahmen testet. Die Anhörung von Trägern öffentlicher Belange reicht dazu nicht aus. Ein gut eingeführtes und bewährtes Vorgehensmodell, das bereits in der Phase einsetzt, in der die politische Idee und noch nicht die Regelung entwickelt wurde, ist das Gesetzgebungslabor in Großbritannien, das Policy Lab.

Verständlichkeit

Kann der Normadressat oder zumindest ein fachkundiger Laie überhaupt verstehen, um welchen Sachverhalt es geht und unter welchen Voraussetzungen welche Rechtsfolgen ausgelöst werden? Die Unverständlichkeit wird regelmäßig als eine der größten Bürokratiebelastungen wahrgenommen. Unübersichtliche und zu komplexe Gesetze, wie z. B. die Datenschutzregeln, führen dazu, dass unnötig hohe Befolgungskosten entstehen und Vorschriften umgangen werden. Regelungen, die zu komplex und unpraktikabel sind, werden häufig nicht eingehalten und weichen damit die Rechtstreue der Wirtschaft und Gesellschaft auf. Dabei können Gesetze wesentlich verständlicher formuliert werden. Die Gesetzesredaktion im Bundesjustizministerium zeigt dies. Kurze Sätze, keine unnötigen Substantiva, klare Begriffe und Glossars etc. helfen. Resümee Neben den genannten Qualitätsmerkmalen gibt es weitere wie die Gesetzesfolgenabschätzung, die Digitalisierungstauglichkeit, die Evaluierbarkeit, die Systemgerechtigkeit und -verträglichkeit, die Widerspruchsfreiheit und das Primat der niedrigsten Regelungsstufe. Die Rechtsetzungslehre und dabei vor allem die Anforderungen an gutes Recht sollten fester Bestandteil des Jurastudiums und der Qualifizierung der Legisten sein. Die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer müsste hier eigentlich eine wichtige Rolle spielen können.

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 4 Aktuelles Öffentlicher Dienst
Eine Kolumne von Dr. Gisela Meister-Scheufelen
MODERNE VERWALTUNG MEISTERN
Auch wenn die Demokratie theoretisch dem Volk dient, kann sie dies nicht ganz ohne Bürgerinnen und Bürger tun. Denn Demokratie kann nicht von sich aus entstehen und bestehen. Foto: BS/Increa, stock.adobe.com

Aus diesen Überlegungen resultiert, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Digitalisierung sich nicht ausschließlich auf die technische Seite konzentrieren darf, sondern insbesondere Organisationsstrukturen, Kompetenzen der Beschäftigten und das Verständnis von Führung in den Fokus nehmen muss. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) lassen sich auch durch eine mangelnde Berücksichtigung dieser Faktoren erläutern. Im Kontext der dynamischen Veränderungen unserer Umwelt sollte eine nachhaltige Personalentwicklung in der öffentlichen Verwaltung so gestaltet werden, dass langfristig wirksame Strukturen und Prozesse entstehen können, die eine kontinuierliche Entwicklung der Beschäftigten sicherstellen, deren Zufriedenheit fördern und somit die Effizienz der Verwaltungsarbeit verbessern.

„Der Wert der Digitalisierung besteht aber nicht aus sich selbst heraus“

Verschiedene Forschungsprojekte des Instituts für Public Management (ifpm) der FOM Hochschule liefern vor diesem Hintergrund Ansatzpunkte, welche Schlüsselelemente eine nachhaltige Personalentwicklung prägen sollten, um mit Blick auf die Menschen in der Organisation die Digitalisierung erfolgreich zu meistern:

Kompetenzorientierung

Eine notwendige Voraussetzung ist die Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen der Beschäftigten. Dabei wird Wert daraufgelegt, dass die Angebote zur Kompetenzentwicklung nicht nur aktuelle Bedürfnisse decken, sondern auch zukünftige Anforderungen antizipieren. Eine hilfreiche Grundlage für den Umgang mit Wissen und Kompetenzen bietet der entsprechende Selbstcheck der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) für die öffentliche Verwaltung (zum Download verfügbar unter www.inqa.de/DE/angebote/inqa-checks/ inqa-check-verwaltung-wissen-kompetenz.html)

Partizipation und Empowerment

Die Beschäftigten werden aktiv in die Planung und Umsetzung von Entwicklungsmaßnahmen einbezogen. So konnte im Projekt „DigiSkills“ beobachtet werden, dass durch eine konsequente Einbindung der vollständigen Belegschaft die intraorganisationale Offenheit gegenüber der laufenden Digitalisierung verbessert und dadurch das Engagement und die Motivation der Belegschaft in Bezug auf die Ge-

Der Faktor Mensch

Agilität und Digitalisierung profitieren von nachhaltiger Personalentwicklung

(BS/Prof. Dr. Anja Seng/ Prof. Dr. Jan Tietmeyer) Der Trendreport Digitaler Staat 2024 ordnet die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen als enormes Veränderungsprojekt ein. Der Wert der Digitalisierung besteht aber nicht aus sich selbst heraus. Vielmehr wird sie erst dann wertvoll, wenn sie dem Menschen dient, Aufgaben bewältigt und allen gesellschaftlichen Gruppen Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen bietet.

Bei der Personalentwicklung gibt es als Arbeitnehmer und Arbeitgeber einiges zu beachten. Von einer Teilhabe der Beschäftigten an der Planung bis hin zu einer zukunftsorientierten Auslegung derselben. Foto: BS/XtravaganT auf

staltung der Veränderungsprozesse gefördert wurden.

Flexibilität und Agilität

Um auf Veränderungen in der Umwelt reagieren zu können, müssen Personalentwicklungsstrategien flexibel und adaptiv gestaltet werden. Dies kann durch die Anwendung agiler Arbeitsweisen unterstützt werden, bei denen vergleichsweise schnelle Anpassungen, Prototyping und iteratives Vorgehen in einer von Stabilität und hierarchischer Struktur geprägten Bürokratie der öffentlichen Verwaltungen ermöglicht werden. Im INQA-Experimentierraum „AgilKom“ wurden fördernde und hemmende Faktoren ermittelt, die im Rahmen der Einführung agiler Arbeitsweisen im Kontext der öffentlichen Verwaltung zu berücksichtigen sind.

Ganzheitlichkeit

Nachhaltige Personalentwicklung betrachtet die Organisation als Ganzes und nicht nur als Entwicklung des Einzelnen, wie das „Reallabor Agiles Arbeiten“ gezeigt hat. Neben der individuellen Kompetenzentwicklung sind auch strukturelle bzw. legitimierende Änderungen innerhalb der Organisation notwendig, zu denen die Rahmenbedingungen von Arbeit, verändertes Führungsverhalten sowie Sinnstiftung durch die eigene Tätigkeit und die der Organisation gehören.

Zusätzlich helfen eine begleitende Evaluation und eine damit verbundene kontinuierliche Verbesserung, die Wirksamkeit der Maßnahmen sicherzustellen. Es ist darauf zu achten, dass die Ressourcen – seien es finan-

zielle, materielle oder menschliche –effizient und (umwelt-)schonend eingesetzt werden. Dies umfasst auch die Förderung von digitalen Lernformaten und die Minimierung von Reiseaktivitäten dank virtueller Konferenzen und Seminare sowie die Etablierung von Train-the-Trainer- oder Multiplikationskonzepten, die wiederum an die vorstehend genannten Aspekte von Kompetenzentwicklung, Partizipation, Flexibilität und Ganzheitlichkeit anknüpfen. Zusammengenommen bilden diese Bereiche das Gerüst für eine nachhaltige Personalentwicklung, die darauf abzielt, nicht nur kurzfristige Bedürfnisse zu befriedigen, sondern langfristige Werte und Kapazitäten zu schaffen, die die öffentliche Verwaltung resilient und zukunftsfähig gegenüber den anstehenden Veränderungsprozessen machen.

Anja Seng, Professorin für BWL, insb. Personalmanagement Jan Tietmeyer, Professor für

Arbeit, ifpm Institut für

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Seite 5 Personalrecruiting- und entwicklung Behörden Spiegel / Juni 2024
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Werden Beschäftigte in Veränderungsprozesse eingebunden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese Veränderungen auch mittragen. Foto: BS/StartupStockPhotos auf pixabay.com
Public
BS/FOM-Hochschule
stock.adobe.com
Soziale
Management der FOM Hochschule Fotos:

Die Zeiten, in denen Bewerbungsgespräche in konspirativer Manier auf Bahnsteigen im Trenchcoat und Schlapphut abgehalten wurden, sind längst vorbei für den BND. Vielleicht gab es sie aber auch so noch nie. Wer weiß das schon … Klar ist jedoch, dass demografischer Wandel und Fachkräftemangel in Deutschland auch vor dem BND keinen Halt machen und die CoronaPandemie ihr Übriges getan hat, um den deutschen Arbeitsmarkt gehörig ins Wanken zu bringen. Um sich in diesem deutlich abzuheben und mehr Sichtbarkeit für seine etwa 450 unterschiedlichen Jobprofile zu generieren, hat der BND gemeinsam mit einer Employer-Branding-Agentur eine neue Arbeitgebermarke entwickelt.

BND-Präsident Dr. Bruno Kahl:

„Wir müssen uns als starke Marke präsentieren, die überzeugt. Unser Ziel ist, bei noch viel mehr Menschen als attraktiver Arbeitgeber auf dem Radar aufzutauchen. Viele passen zu uns – und wir zu ihnen, aber sie haben den BND noch nicht auf dem Schirm. Mit unserer neuen Arbeitgebermarke schaffen wir die Basis für mehr öffentliche Sichtbarkeit. Da ist der sonst eher verschlossene BND auch mal laut, macht auf sich aufmerksam, weckt Interesse.“

Eine neue Identität

„Nur was von innen leuchtet, kann auch nach außen strahlen.“ Deshalb spielten nach der Durchführung von Kick-off-Workshop, Desk Research und externer Marktforschung zur Wahrnehmung des BNDs als Arbeitgeber die Mitarbeitenden des Dienstes eine zentrale Rolle: In 14 Gruppen und sechs Einzelinterviews wurden über 100 Mitarbeitende, aber auch Führungskräfte und Interessenvertretungen anhand eines standardisierten Leitfadens befragt. Aus diesen Erkenntnissen wurden drei kommunikative Narrative zum BND als Arbeitgeber geschaffen, über die die gesamte Belegschaft in einer digitalen Umfrage abstimmen konnte. Drei anschlie-

Bei der Kombination aus den Stichworten Verwaltung und Führung denkt man vielleicht zunächst immer noch an recht starre Hierarchien und autoritär auftretende (männliche) Vorgesetzte. Doch in den letzten Jahrzehnten wurden immer mehr Konzepte eingeführt, in denen von kooperativen oder demokratischen Ansätzen die Rede war. Es wurden auch transaktionale Modelle aufgegriffen, die davon ausgehen, dass Mitarbeitende dann motiviert sind, wenn das, was sie der Organisation geben und das, was sie von der Organisation bekommen, im Gleichgewicht ist. Diese Austauschbeziehung wird zum Beispiel in Instrumenten wie Prämiensystemen oder Leistungszulagen sichtbar, durch die ein besonderer Einsatz für das Erreichen von Organisationszielen monetär ausgeglichen werden soll.

Veränderte Anforderungen

Doch durch viele frustrierende IT-Projekte und die Pandemie wurden neue Methoden im Projektmanagement eingeführt, die auch an Führungskräfte und Mitarbeitende neue Anforderungen stellen. Der Einsatz von agilen Methoden verlangt nach mehr Flexibilität, einer gewissen Ambiguitätstoleranz und Kreativität als Eigenschaften von morgen, die auch wahrgenommen und belohnt werden müssen. Und wenn wir an den demografischen

„Komm

dahinter“

Neue Arbeitgebermarke für die Karriere im BND

(BS/Ute Schiller*) Markante Farben und ein stilisierter Bundesadler verschaffen dem Bundesnachrichtendienst (BND) seit dem 15. März 2024 seinen neuen Look als Arbeitgeber. Mit einem prominenten Kick-off des neuen Erscheinungsbilds will der deutsche Auslandsnachrichtendienst – vormals absolute Blackbox für die Öffentlichkeit – künftig deutlich sichtbarer werden, um ins relevante Mindset potenzieller Bewerbender zu rücken.

Auf Plakaten und in Sozialen Medien sorgen prägnante Sprüche rund um die Mythen des BNDs für Aufmerksamkeit bei möglichen Bewerbenden. Grafik: BS/BND

ßende Workshops mit weiteren Mitarbeitenden gaben dann die Richtung für die neue Marke und den essenziellen Werten des BNDs als Arbeitgeber vor.

Die Lizenz zum Einstellen Mit einem neuen Logo, das einen stilisierten Adler mit der Abkürzung BND kombiniert, einer auffälligen Farbpalette sowie dem Claim „Komm dahinter“, will der BND ab sofort das Interesse bei potenziellen Bewerbenden wecken, die Behörde und ihre Arbeit besser kennen-

zulernen. Zentraler Baustein der neuen Markenidentität ist die neue Wort-Bild-Marke, in der der gesellschaftliche Auftrag und die intern identifizierten Werte des BNDs –Bereitschaft, Neugier, Integrität, Zusammenhalt, Akribie, Weltoffenheit – visualisiert werden. So deutet die runde Form des Adlers beispielsweise eine Weltkugel an, um den Auslandsbezug und den Mehrwert für unsere Welt und ihre Grundordnung zu zeigen. Die konzentrischen Kreise präsentieren die parlamentarische Sitzordnung und

damit die demokratische Legitimation. Nicht zuletzt zeigt der neue Adler eine moderne Form des Bundesadlers, die sich von anderen Organisationen und Bundesbehörden unterscheidet, ohne den Ursprung und die Zugehörigkeit zu verlieren. Der neue Claim repräsentiert einen Nachrichtendienst, der einlädt, potenzielle Talente selbstbewusst herausfordert und für mehr Offenheit einsteht. Er spielt mit der Entdecker-Charakteristik und den Mythen des BNDs und animiert dazu, hinter die Kulissen zu blicken.

Empathie im Führungsstil

Die Lösung für eine nachhaltige Personalbindung?

(BS/Prof. Dr. Christina Schuh) Die Entwicklung eines eigenen Führungsstils dauert sicherlich eine gewisse Zeit und bedeutet nicht nur Arbeit, sondern auch viel Selbstreflexion. Führung bedeutet unter anderem, Mitarbeitende zu motivieren und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um Organisationsziele zu erreichen. Ging man in der Wissenschaft zunächst davon aus, dass ein Führungsstil eng an stabile Persönlichkeitseigenschaften gekoppelt ist, weiß man heute, dass ein gewisser und wohl auch der größere Anteil eines Führungsstils erlernbar und weiterentwickelbar ist.

Es gehört zu einem guten Führungsstil, die Individualität der Mitarbeitenden zu kennen und jede und jeden mitzunehmen. Foto: BS/New Africa, stock.adobe.com

Wandel und die damit einhergehenden Herausforderungen für die Gewinnung und Bindung von Personal für die Bundesverwaltung denken, könnte eine reine Austauschbeziehung vielleicht nicht reichen, um Mitarbeitende dauerhaft zufrieden

zu machen und an die Verwaltung zu binden.

Das große Ganze In neueren Konzepten zu Führungsstilen, wie dem transformationalen, geht es darum, die Werte, die

Die neue Arbeitgebermarke startete nach einem vorgelagerten, internen Roll-out mit einer Imagekampagne in Berlin – typisch BND –zunächst im Verborgenen. Im Februar wurden erste Hinweise auf Instagram und in der Presse gestreut. Die Auflösung mittels offizieller Presseinformation wurde von ersten öffentlichkeitswirksamen Kommunikationsmaßnahmen flankiert, darunter eine Projektion an der BND-Zentrale.

Nach diesem ersten Schritt an die Öffentlichkeit folgten Mitte März eine Image- und eine RecruitingKampagne mit Out-of-Home-Maßnahmen wie großformatigen Plakaten und digitalen Anzeigen sowie Inhalten auf Instagram. Wer dem Aufruf „Komm dahinter“ folgte, konnte auf einer neugestalteten Landingpage die zahlreichen Berufsfelder des BNDs entdecken und sich direkt bewerben. Für große Aufmerksamkeit sorgten vor allem die gezeigten Sprüche wie „Wir suchen Terroristen (m/w/d). Finde sie mit uns.“

Attraktiv statt unsichtbar Als zentrales strategisches Tool der Personalgewinnung soll die Arbeitgebermarke dazu beitragen, Bekanntheitsgrad, Attraktivität und Präferenz für den BND als Arbeitgeber – und damit die Bewerbungsquantität und -qualität –zu steigern. Neben der intendierten externen Wirkung dient sie aber auch zur Stärkung der Bindung des vorhandenen Kollegiums, indem sie Identifikationsangebote für die bestehenden 6.500 Mitarbeitenden an diversen Standorten in Deutschland und der Welt schafft, denn: Nur wer die eigenen Stärken kennt und lebt, kann intern für Motivation, Stolz und Zusammenhalt sorgen und extern mit Authentizität und Überzeugung begeistern.

Weitere Informationen unter: karrierebnd.de

*Ute Schiller ist als Direktoratsleitung der Personalgewinnung, ­entwicklung und ­führung im BND tätig.

Mitarbeitende haben, mit den Werten der Organisation in Übereinstimmung zu bringen. Diese Werte sollen entsprechend transformiert werden, was eine große Herausforderung für die Führungskraft ist. Hierzu ist es notwendig, die Individualität der Mitarbeitenden zu erkennen und sie intellektuell herauszufordern. Dies setzt also voraus, dass eine Führungskraft ihre Mitarbeitenden schon einmal sehr gut kennen muss. Doch das wird in der Praxis oft durch hohe Führungsspannen und Fluktuation behindert. Außerdem sollte sich die Führungskraft nach diesem Ansatz klarmachen, dass sie immer auch Vorbild ist und ihre Mitarbeitenden inspirieren sollte, indem sie zum Beispiel versucht, Aufgaben in den Kontext des großen Ganzen, der Organisationsziele, zu setzen. Aber es scheint auch einen neueren Trend in Behörden zu geben, der versucht, mehr als eine reine Austauschbeziehung zwischen Organisation und Mitarbeitenden zu gestalten. Dazu gehört die

Prof. Dr. Christina Schuh lehrt Psychologie und empirische Methoden an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung und koordiniert im Studiengang „Master of Public Administration“ (MPA) ein Modul zu Kommunikation und Führung. Foto: BS/privat

Empathie im Führungsstil. Empathisches Führen kann auf den humanistischen Psycholgen Carl Rogers (1902-1987) zurückgeführt werden. Er versteht Führung als ein Beziehungsangebot, das Mitarbeitende dabei unterstützt, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten optimal einzusetzen und weiterzuentwickeln. In Rogers Person-Centered-Leadership-Ansatz fördert die Führungskraft dieses Klima, indem sie authentisch und echt ist, indem sie ihren Mitarbeitenden gegenüber eine wertschätzende und anteilnehmende Haltung einnimmt und versucht, sie einfühlend (empathisch) zu verstehen. Sicherlich ist das die hohe Kunst des Führens, in die viel Zeit und Kommunikation investiert werden muss. Doch sie verspricht für die Mitarbeitendenbindung vielleicht ein nachhaltiges – weil ehrliches und wertschätzendes – Fundament!

Personalrecruiting- und entwicklung Seite 6 Behörden Spiegel / Juni 2024

Behörden Spiegel: Frau Dr. Büning-Fesel, vor der BLE liegen in den kommenden Jahren große Herausforderungen. Wird in diesem Zusammenhang ein weiterer Personalzuwachs wie in den vergangenen Jahren anstehen?

Dr. Margareta Büning-Fesel: In den letzten Jahren haben wir nach einer umfangreichen Organisationsuntersuchung und Personalbedarfsermittlung rund 170 neue Stellen bekommen. In den kommenden Jahren wird es solche Zuwächse nicht mehr geben. Für 2024 haben wir noch einmal 36 unbefristete Stellen bekommen, um die neue gesetzliche Kontrollaufgabe für entwaldungsfreie Produkte zu übernehmen. Bei anderen neuen Aufgaben muss abgewogen werden, ob wir diese übernehmen können und dafür andere Aufgaben fallen lassen müssen.

Behörden Spiegel: Eine weitere neue Aufgabe des Hauses ist das Anfang März gestartete Bundesprogramm zum Umbau der Tierhaltung in Deutschland. Wie hoch ist die Anzahl der bisher eingegangenen Förderanträge?

Büning-Fesel: Beim Bundesprogramm zum Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Deutschland geht es unter anderem darum, dass zunächst für Schweine tiergerechte Neu- und Umbauten erreicht werden. Das Interesse an diesen Anträgen ist groß. Wir haben inzwischen aus acht Bundesländern Anträge erhalten, an der Spitze steht Niedersachsen mit 31 Anträgen. Da wir gerade erst angefangen haben, werden es sicherlich noch mehr werden. Die eingegangenen Anträge haben mittlerweile ein beantragtes Gesamtvolumen von

Wie

öffentliche Unternehmen sich entsprechend stabil und zukunftsträchtig aufstellen können, um so im Spannungsfeld zwischen Daseinsvorsorge und Wirtschaftlichkeit zu bestehen, war wichtiger Schwerpunkt der Tagung, die von Führungskräften aus Verwaltung, Politik und Wirtschaft auch dieses Jahr wieder gut besucht war. Rekommunalisierung der Energieinfrastruktur

Kaffee und Kautschuk

Vom Umbau der Tierhaltung bis zum Essen auf unseren Tellern

(BS) Wenn es um Nachhaltigkeit und Resilienz geht, steht meist die Energie im Fokus. Ein ebenso wichtiges Thema ist die notwendige Transformation Landwirtschaft. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) überwacht die staatlichen Getreidenotfallreserven und fördert tiergerechte Neu- und Umbauten. Im Gespräch mit BLE-Präsidentin Dr. Margareta Büning-Fesel werden die vielen wichtigen Aspekte der Arbeit der Bundesanstalt deutlich. Die Fragen stellte Sven Rudolf.

Dr. Margareta Büning-Fesel leitet als Präsidentin der BLE 1.700 Beschäftigte die unteranderem Förderprogramme betreuen und gesetzliche Kontrollfunktionen übernehmen.

knapp 103,6 Millionen Euro. Von dieser Summe werden knapp 51 Millionen Euro aus Eigenmitteln und knapp 52,6 Millionen Euro aus Zuwendung stammen. Das ist eine ganze Menge Geld, das schon beantragt wurde.

Behörden Spiegel: Welchen weiteren Herausforderungen sehen Sie sich mit der Bundesanstalt in den kommenden Jahren noch gegenüber und wie bereiten Sie sich auf diese vor?

Büning-Fesel: Als große Herausforderung ist das Thema Ressourcen- und Fachkräftemangel zu nennen. Wir müssen uns die Frage stellen: Wie schaffen wir es, mit Blick auf den demografischen Wandel und andere Entwicklungen ausreichend Fachkräfte zu bekommen?

Gerade im Bereich IT ist es schwierig, Fachkräfte zu finden. Vor allem hier in Bonn, wo attraktive privatwirtschaftliche Unternehmen sitzen, die mehr zahlen können als wir als Bundesanstalt. Meiner Meinung nach ist da Fantasie gefragt, um als attraktiver Arbeitgeber interessant für junge Menschen zu sein.

„Die Empfehlungen des Bürgerrats ergänzen sehr gut die Maßnahmen der Ernährungsstrategie der Bundesregierung […]“

Foto: BS/ BLE

Eine weitere Herausforderung ist der Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Sie kann potenziell aber auch beim Fachkräftemangel unterstützend wirken. Es gilt zu prüfen, inwieweit KI mangelnde Ressourcen ausgleichen kann, indem personalintensive Kontrollprozesse mithilfe von KI vorbereitet oder vorsortiert werden.

Die dritte große Herausforderung ist das Thema Cyber-Sicherheit. Unsere Systeme im Fischereiwesen sind kürzlich Opfer eines Cyber-Angriffs geworden. Zum Glück konnten wir die Systeme recht schnell wiederherstellen. Es hat uns aber gezeigt, dass man gerade dem Thema IT-Sicherheit noch größere Bedeutung beimessen muss angesichts der aktuellen, auch politischen Situation in Europa, der wir ausgesetzt sind.

Behörden Spiegel: Die BLE ist auch für die Überwachung und Überprüfung der staatlichen Getreidenotfallreserven verantwortlich. Hat der Aufgabenbereich durch die zunehmenden Umweltkatastrophen und den anhaltenden Krieg in der Ukraine an Bedeutung oder an Aufmerksamkeit gewonnen?

Büning-Fesel: Vor Corona und dem Angriffskrieg auf die Ukraine wurde diskutiert: Brauchen wir diese staatliche Lagerung überhaupt noch? Brauchen wir Getreide und Hülsenfrüchte, die eingelagert werden? Diese Stimmen sind seitdem leise geworden. Es gibt ein sehr großes Interesse an dieser Tätigkeit und es besteht auch in der Bevölkerung ein großes Interesse am Thema Notfallvorsorge. Auf www. ernaehrungsvorsorge.de haben wir beispielsweise Empfehlungen, wie viel für den persönlichen Bedarf eingelagert werden sollte.

Behörden Spiegel: Ist bei der privaten Vorsorge nicht auch häufiger Platzmangel ein Problem?

Büning-Fesel: Dieses Argument kommt von vielen und ist auch berechtigt. In einer Drei- oder Vierzimmerwohnung mit mehreren Personen große Mengen an Wasser, Konserven und anderen Vorräten zu lagern, ist schwierig. Hier kann gegenseitige Unterstützung helfen. Wenn alle Menschen versuchen, ein bisschen zu lagern soweit es geht, dann ist es auch möglich, sich gegenseitig zu unterstützen. Das

Gratwanderung öffentlicher Unternehmen

Zwischen politischem Wollen und haushalterischem Können

(BS/Prof. Dr. Michèle Morner/Johannes Hassemer*) Anlässlich der Eröffnung der 11. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance bezeichnete der Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz, Michael Ebling, kommunale Unternehmen als „Stabilitätsanker in bewegten Zeiten“. Gerade im Umgang mit aktuellen Herausforderungen und Krisen – Ebling spricht von „Stapelkrisen“ – seien solche Anker von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung.

heißt, man kann davon ausgehen, dass nicht alle alles lagern können, aber wenn viele vieles lagern und sich gegenseitig unterstützen, dann trägt das dazu bei, dass man in einem Katastrophenfall zumindest eine Basisversorgung hat, um sich eine Zeit lang damit versorgen zu können.

Behörden Spiegel: Wie sehen Sie die Arbeit des Bürgerrats Ernährung und die von ihm Anfang des Jahres veröffentlichten Empfehlungen?

Büning-Fesel: Ich bin Ernährungswissenschaftlerin. Daher fand ich es ausgesprochen spannend, dass der erste Bürgerrat des Deutschen Bundestages zum Thema Ernährung eingerichtet wurde, der ein möglichst repräsentatives Bild der Bundesrepublik darstellen sollte. Die Bürgerinnen und Bürger haben sich sehr intensiv mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt. Ich habe ein Interview mit einer Wissenschaftlerin gelesen, die als Expertin mit dabei war und den Eindruck hatte, dass die Bürgerinnen und Bürger sich mit manchen Fragen sehr viel intensiver beschäftigt haben als viele Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker das zu einem solchen Thema tun würden. Ich glaube, dass wir mit diesen 160 Menschen einen sehr authentischen Blick in die Auffassungen einer Querschnittsbevölkerung Deutschlands zum Thema Ernährung bekommen haben. Wenn man sich die Empfehlungen des Rates anschaut, sind diese unter anderem zum gleichen Ergebnis gekommen wie der wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) drei Jahre zuvor. Was ich persönlich sehr spannend fand, ist, dass unter diesen neuen Empfehlungen auch eine Altersgrenze für Energydrinks gewünscht wird. Da ich weiß, dass Energydrinks bei Kindern und Jugendlichen erhebliche gesundheitliche Probleme verursachen können, würde ich dem sofort zustimmen. Die Empfehlungen des Bürgerrats ergänzen sehr gut die Maßnahmen der Ernährungsstrategie der Bundesregierung, die vom BMEL betreut wird und die wir als BLE mit einer Koordinierungsstelle begleiten. Ich denke, dass damit gute Impulse für die Ernährungspolitik in Deutschland gegeben werden.

Christian Heine , Sprecher der Geschäftsführung der Hamburger Energiewerke (HEnW), stellte in seinem Vortrag vor, worin der Schlüssel auf dem Weg von einem Versorgungsunternehmen zum integrierten Energieversorger liegt –und wie man diesen nutzen kann, dass sich nach Möglichkeit neue Türen öffnen. Denn die Ziele sind ambitioniert: Bis 2030 soll dem Unternehmen der Ausstieg aus der Kohle gelingen und bis 2045 möchte es komplett klimaneutral werden. In Hamburg liegen die Schlüssel beispielsweise in der Rekommunalisierung von Energieinfrastruktur, um aktiv Sanierungsrückständen entgegenzuwirken, und in der kreativen Nutzung alternativer Energiequellen – unter anderem der Nutzung industrieller Abwärme. Ein weiteres wichtiges Thema war die Frage, wie neue Vorgaben im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Unternehmensalltag umgesetzt werden können und wie vorbildlich öffentliche Unternehmen dabei sein können. Ministerialdirektor Stefan Ramge, Abteilungsleiter Beteiligungen, Bundesimmobilien und Privatisierungen im Bundesministerium der Finanzen, präsentierte neue Entwicklungen des Public Corporate Governance Kodexes des Bundes und ging dabei auf den differenzierten Umgang mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung für

Bundesunternehmen unterschiedlicher Größen ein. Dabei sollte – so Ramge – nie vergessen werden, dass trotz Berichterstattung noch Zeit für die Erfüllung der eigentlichen Aufgabe bleiben müsse.

Der Wille zur Veränderung besteht in vielen öffentlichen Unternehmen, aber die Finanzmittel sind oft unzureichend. Grafik: BS/Ne Mariya auf stock.adobe.com

Unternehmenssteuerung im Spannungsfeld Mit Blick auf Unternehmenssteuerung im Spannungsfeld zwischen politischem Wollen und haushalterischem Können widmete sich Carmen Schwabl, Geschäftsführerin der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG), der Frage, wie Nahverkehr möglichst flächendeckend und zugleich klimaneutral angeboten werden kann. Wie insgesamt strategische Ziele auch für eine ganze Stadt verwirklicht werden können, zeigte Barbara Stahl-Polziehn, Leiterin Beteiligungen, Landeshauptstadt Stuttgart.

Zum Abschluss der Tagung widmete sich ein Panel der Rolle des Beteiligungsmanagements bei der Haushaltskonsolidierung. Dabei führte die Autorin dieses Beitrags, zugleich Gastgeberin der Tagung, aus, wie es gelingt, durch Nutzung von Spezialisierungsvorteilen und Synergien zwischen verschiedenen Beteiligungen ein Mehrwert zu erzielen. Bernadette Boot, Geschäftsführerin der WVV Wiesbaden Holding GmbH zeigte auf, was das für eine Stadt wie Wiesbaden bedeutet. Dr. Ferdinand Schuster, Geschäftsführer des Instituts für den öffentlichen Sektor e. V., betonte, die Rolle des Beteiligungsmanagements liege darin, „über den Tellerrand eines einzelnen Unternehmens“ zu schauen.

*Prof. Dr. Michèle Morner ist Inhaberin des Lehrstuhls für Personal, Führung und Entscheidung im öffentlichen Sektor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und leitet das Wissenschaftliche Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance. Johannes Hassemer, M.A., ist dort Wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Bund/Länder Seite 7 Behörden Spiegel / Juni 2024

Leitungsstab

-3020

MR'in Christina Volz

Abteilungsbezogene Koordinierung Grundsatz und Planung RD Andreas Mair am Tinkhof -3033 RD Andreas Mair am Tinkhof -3033

Büro für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

MR'in Nadia El Almi -3030 Stv. Pressesprecherin der Landesregierung Pressestelle MR'in Nadia El Almi -3030 MR Carsten Dehner -3040

Minister Thomas Strobl

Leiterin Ministerbüro MR'in Cathrin Wenger-Ammann -3003 Persönliche Referentin AR'in Jenny Asprion -3004 Büro des Stv. Ministerpräsidenten in Berlin AN Oliver Rolle 030/25456-500

Stabsstelle Moderne Führungsund Wertekultur MD a. D. Jörg Krauss -5220

Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnologie MD Stefan Krebs

Staatssekretär Thomas Blenke MdL

Persönlicher Referent PD Marcus Schmidt -3009

Koordinierungsstelle CIO AR Michael Willig -5203

Abteilung

6 Bevölkerungsschutz, Krisenmanagement, Verfassungsschutz

MDgt'in Karin Scheiffele -5400

Referat

61 Technik und Haushalt

AN'in Sabine Fohler -5410

Referat 62 Feuerwehr und Brandschutz

MR Thomas Egelhaaf -5420

Referat 63 Rettungsdienst MR'in Astrid Rumler -5430

Referat 64 Katastrophenschutz und Angelegenheiten der Streitkräfte LMR Stefan Gläser -5440

Referat 65 Krisenmanagement

MR Michael Willms -5450

Referat 66 Verfassungsschutz, Öffentliches Vereinsrecht MR'in Sylvie Delmotte -3460

Legende Zuständigkeit für Haushalt Personal, Organisation Fachaufsicht

Ministerialdirektor Reiner Moser

Beauftragte für Chancengleichheit AR'in Gloria Kempe -3352

Informationssicherheitsbeauftragter des Innenressorts RD Sascha Proch -3742

Persönlicher Referent RD Magnus Welsch -3012

Behördlicher Datenschutzbeauftragter RD Markus Klöpfer -3257

Abteilung

5 IT, E-Government, Verwaltungsmodernisierung

MDgt. Philipp Zinkgräf -3500

Referat 51 IT-Koordination

MR Dr. Albert Hermann -3510

Referat 52

E-Government, Open Government, Verwaltungsmodernisierung

MR Dr. Michael Zügel -3520

Referat 53 IT-Recht, Vergabewesen, Verwaltungsstruktur LMR Klaus Zimmer -3530

Referat 54 IT-Leitstelle, Landeseinheitliche E-Akte

MR'in Dr. Daniela Oellers -3540

Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen

Baden-Württemberg

Willy-Brandt-Str. 41, 70173 Stuttgart Postfach 10 34 65, 70029 Stuttgart E-Mail: poststelle@im.bwl.de

Telefon: 0711/231-4

Telefax: 0711/231-5000

Örtlicher Personalrat Vorsitzender OAR Marc Oliver Stümpflen -5566 Hauptpersonalrat Vorsitzender OAR Hans-Dieter Krieg -3989

Vertrauensperson der Schwerbehinderten beim Innenministerium AN'in Kathrin Häntsch -3995

Hauptvertrauensperson der Schwerbehinderten OAR Roger Hahn -3993

Stabsstelle Tax Compliance und Steuer MR'in Claudia Gassner -5460

Abteilung

4 Digitalisierung

MDgt. Dr. Arndt Möser -3400

Referat 41 Haushalt und Recht

MR'in Cornelia Hahn -3410 Referat 42 Digitalisierungsstrategie LMR Matthias Pröfrock -3420 Referat 43 Digitale Infrastruktur MR Daniel Röck -3430 Referat 44 Informationsund Cybersicherheit MR Jochen Wellhäußer -3440

Abteilung 3 Landespolizeipräsidium LPP'in Dr. Stefanie Hinz -3300 Stab VP Axel Mögelin -3380

Abteilung 2 Verfassung, Kommunales, Recht, Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa MDgt. Volker Jochimsen -3200

Abteilung 1 Personal, Finanzen, Organisation, Dienstrecht MDgt. Andreas Schütze -3100

Referat 21 Verfassung, Parlamentswahlen, Recht

MR'in Cornelia Nesch -3210

Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Polizei und Zentralstelle Soziale Medien

PD Björn Reusch -5310 Referat 31 Einsatz, Lagezentrum, Verkehr LPD Martin Feigl -3920 Referat 32 Kriminalitätsbekämpfung, Kriminalprävention, Kriminologie und Internationales LKD'in Sandra Zarges -3320 Gemeinsame Zentralstelle KKP Kommunale Kriminalprävention POR'in Franziska Müller -3981 KoSt PolAr Koordinierungsstelle Hasskriminalität u. a. KOR'in Tina Saile -3988 Referat 33 Personalund Organisationsmanagement MR'in Anke Ströbele -5334 Referat 34 Haushaltsmanagement und Liegenschaften MR Holger Scholz -3340 Referat 35 Recht und Grundsatz MR Marc Frank -3361

Referat 22 Kommunales Verfassungsrecht und Dienstrecht

MR Gerd Armbruster -3220

Referat 23 Kommunalwirtschaft, Kommunalfinanzen

MR'in Dr. Sibylle Müller -3230

Referat 24 Sparkassenwesen LMR Dr. Michael Pope -3240

Referat 25 Datenschutz, Informationsfreiheitsgesetz, Personenstandsrecht und andere Rechtsgebiete

MR Peter Poymann -3250

Referat 26 Glücksspielrecht, Melderecht

MR'in Barbara Cremer -3260

Referat 27 Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Staatsangehörigkeitsrecht

MR'in Evangelia Hüfner -3270

Referat 11 Personalrecht, Ausbildung

MR'in Dr. Simone Kontusch -3110

Referat 12 Personal –Strategische Planung, höherer Dienst, Fortbildung

LMR Andreas Mathäs -3120

Referat 13 Personal –gehobener und mittlerer Dienst, Stellen, Tarifrecht

MR Fridolin Hansmann -3130

Referat 14 Finanzen, Controlling

MR Dr. Stefan Schnöckel -3140

Referat 15 Organisation

MR Thomas Straile -3150

Verwaltung der Zukunft inSH, HH, HB, MV, NI, ST NORDL@NDER DIGITAL

5. September 2024 Grand Elysée Hotel Hamburg

BADEN- WÜRTTEMBERG

Pas de deux der Digitalisierung von Staat und Verwaltung 11. Juli 2024, Stuttgart

Personelles Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 8
und
Spiegel-Gruppe
Digitalisierung
Baden-Württemberg Stand: Mai 2024
Ministerium des Inneren, für Digitalisierung
Kommunen Baden-Württemberg Grafik: Behörden
Quelle: Ministerium des Inneren, für
und Kommunen
BS/Laurence Chaperon
Foto:

Das kriminelle Vorgehen der Täter in Hannover war beängstigend einfach: Sie richteten kleine Läden wie Tabakshops und Spätverkaufsstellen ein und heuerten bei der Postbank als Agenturen an, indem sie Briefmarken verkauften, Pakete annahmen, aber auch Geldauszahlungen an Postbank-Kunden vornahmen. Von im Ausland angeheuerten Strohmännern wurden Konten bei der Postbank eröffnet. Die Strohmänner verließen Deutschland wieder, und die Täter nutzten deren Konten für die Abwicklung ihrer Betrügereien wie Scheinverkäufe im Internet und andere kriminelle Machenschaften –auch für den sogenannten Enkeltrick. Pro Postbank-Agentur sollen nach Medienberichten pro Tag bis zu 28.000 Euro von diesen Konten in bar abgehoben worden sein – ohne die vorgeschriebenen Identitätskontrollen. Hatten die Agenturen nicht genug Bargeld, so wurde bei der Bank neues Geld bestellt. Das System funktionierte jahrelang, obwohl es von der Postbank-Zentrale mehrere Verdachtsmeldungen auf Geldwäsche an die Financial Intelligence Unit (FIU) gegeben haben soll. Dort wurden diese Meldungen offenbar nicht oder zu spät beachtet. Für Abhilfe soll ein seit Längerem geplantes Bundesfinanzkriminalamt sorgen. Der Entwurf des Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetzes von Finanzminister Christian Lindner (FDP) liegt bereits seit dem vergangenen Jahr vor; passiert ist jedoch seitdem nichts mehr. Bewegung gibt es stattdessen auf Länderebene. So gründete Nord-

Zu spät ausgezahlte Fördermittel, eine ineffektiv arbeitende Verwaltung und verschwenderisches Wirtschaften bei der Bundeswehr: Der Bundesrechnungshof (BRH) legt in aktuellen Prüfungsergebnissen, die seine „Bemerkungen 2023“ ergänzen sollen, gleich mehrere Schwachstellen offen. „Die Prüfungsergebnisse zeigen auf, an welchen Stellen der Bund seine Haushaltsmittel zielgerichteter und wirkungsvoller einsetzen und so seine Handlungsfähigkeit verbessern kann“, sagte BRH-Präsident Kay Scheller anlässlich der Veröffentlichung und erklärte weiter: „Es ist Zeit für mehr Effizienz.“

Verfügbarkeit des Personals wurde nicht überprüft

Konkret beanstandeten die Prüfer des Bundesrechnungshofs unter anderem die verspätete Auszahlung von Fördermitteln. Dabei geht es um einen Betrag von insgesamt zehn Milliarden Euro. Der Hintergrund: Bei der Übertragung des Fördermittelprogramms habe das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überlastet, schreiben die Prüfer. So habe das BMWK nicht nachgeprüft, ob dem BAFA für die Bearbeitung der Förderanträge ausreichend Personal zur Verfügung stehe. Infolgedessen habe das BAFA die verein-

Kriminelle betreiben Bankagenturen

Stockende Geldwäschebekämpfung

(BS/Hans-Jürgen Leersch) Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank, schrieb einst der Dichter Bert Brecht. Fast 100 Jahre nach seiner Dreigroschenoper orientierten sich im Großraum Hannover Kriminelle an dem berühmten Satz des Dichters und übernahmen Postbank-Agenturen in eigener Regie, um damit Geld zu waschen. Die Strafverfolgungsbehörden kamen erst später dahinter, weil die Geldwäschebekämpfung in Deutschland trotz einiger Fortschritte zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen immer noch nicht richtig funktioniert.

Während über das neue Gesetz zur Finanzbekämpfung auf Bundesebene keine Einigung zu finden ist, wagt NRW mit seinem neuen Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität einen eigenen Vorstoß.

rhein-Westfalen ein neues Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW). Das seit Jahresanfang tätige Amt bündelt alle Steuerfahndungsabteilungen in Nordrhein-Westfalen, um gegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Cyber Crime vorzugehen. Das

Foto: BS/ulleo, pixabay.com

LBF soll bis zu 1.200 Mitarbeitende haben, darunter 680 Steuerfahndende. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) kritisiert die Tatenlosigkeit auf Bundesebene. Nordrhein-Westfalen sieht er im „Sprinttempo“ beim Aufbau der landesweiten Steuer-

fahndungsbehörde. Dagegen stecke der Bund noch in den Kinderschuhen, so der Finanzminister. Er verweist auf Schätzungen, wonach das jährliche Volumen der Geldwäsche in Deutschland bei 100 Milliarden Euro liegen soll. Das Landesamt soll zu Beginn des kommenden Jahres erweitert werden, indem die zehn Finanzämter für Steuerstrafrecht und Steuerfahndung in NordrheinWestfalen in Niederlassungen des neuen Landesamtes umgewandelt werden.

Streitpunkt Vermögenseinfrierung

In Berlin dagegen steckt das Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz im Finanzausschuss des Bundestages fest. Das liegt unter anderem auch daran, dass es über ein weiteres Gesetz aus dem Hause Lindner keine Einigkeit in der Koalition gibt. Es handelt sich um das „Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz“, das dem Bundesfinanzkriminalamt neue Befugnisse geben soll. Auch wenn noch kein Strafverfahren eingeleitet wurde, soll die Klärung der Herkunft verdächtiger Vermögensgegenstände vorgenom-

Zu lange Wartezeiten auf Fördermittel

Aktuelle Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofs (BS/Anne Mareile Walter) In insgesamt neun Fällen attestiert der BRH dem Bund eine ineffiziente und wirkungsschwache Haushalts- und Wirtschaftsführung. Die vier gravierendsten Kritikpunkte im Detail.

Ineffiziente Abwicklung von Förderprogrammen und Unwirtschaftlichkeit bei der Bundeswehr: In seinem aktuellen Prüfungsbericht listet der Bundesrechnungshof etliche Schwachstellen auf.

Energie vorgesehen waren und unter anderem die Energieeffizienz im Gebäudesektor verbessert sollten, gefährdet.

„Das

BAFA muss in die Lage versetzt werden, Fördermittel fristgerecht an die Antragstellenden auszuzahlen.“

Auszug aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs

barten Bearbeitungsfristen in allen Programmen deutlich überschritten. Dadurch werde die Akzeptanz der Förderprogramme, die für die Bereiche Wirtschaftsförderung und

Unternehmen und Privatpersonen hätten durch die Versäumnisse des BAFA oft lange in Vorleistung gehen und auf die Auszahlung der Fördermittel warten müssen, merken

die Prüfer an und richten folgende Empfehlung an das BMWK: Bevor es Förderprogramme beschließe oder ändere, müsse es dafür sorgen, dass die Programme „ordnungsgemäß und wirtschaftlich umgesetzt“ werden könnten. „Das BAFA muss in die Lage versetzt werden, Fördermittel fristgerecht an die Antragstellenden auszuzahlen“, heißt es in dem Bericht des BRH. Darüber hinaus hatten die Prüfer beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) Missmanagement zu kritisieren: So sei die Behörde beim Aufbau einer Liegenschaftsdatenbank, die zur Steuerung und Kontrolle einer nachhaltigen und energetischen Gebäudesanierung vorgesehen war, zwei Jahre lang

men werden können und auch deren Einfrieren möglich sein. Dafür will Lindner ein „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ bei dem neuen Bundesamt einrichten. Bisher konnte er aber weder mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) noch mit den Grünen über die Betragsgrenze einig werden, von der an Vermögen eingefroren werden kann.

Unter den Bundesländern sind Lindners Pläne umstritten. NRW-Finanzminister Optendrenk will auch Vermögen einfacher abschöpfen können. Mehr als ein Eintrag ins Strafregister würde Angehörige krimineller Clans beeindrucken, wenn das Luxusauto plötzlich weg sei. Der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU) stellt hingegen das Bundesfinanzkriminalamt insgesamt infrage. Der Bund verfüge jetzt schon über große Behörden, die sich dem Thema widmen könnten: „Ich befürchte, das mit einer weiteren Mammutbehörde Arbeitsabläufe, Abstimmungen hinsichtlich Zuständigkeiten und Bürokratie eher komplexer als vereinfacht werden.“

Im Finanzausschuss des Bundestages begab sich Lindner angesichts der praktischen Probleme und angesichts drohender Milliarden-Löcher aufgrund der neuen Steuerschätzung lieber in höhere Sphären und schwärmte von einer EU-Kapitalmarktunion. Ihm schwebt dabei ein europäischer Sparbrief oder eine Anleihe auch für Kleinanleger vor, ein „standardisiertes, möglicherweise steuerlich privilegiertes Produkt“.

zehn Fachschulen seien nur zur Hälfte ausgelastet, sodass einige hätten geschlossen werden müssen, moniert der Bundesrechnungshof. Die frei werdenden Ressourcen hätte die Bundeswehr für ihre Kernaufgaben nutzen müssen. Zuletzt kostete der Betrieb der Fachschulen 25 Millionen Euro pro Jahr – Geld, das offensichtlich in Teilen verschwendet wurde.

Finanzierungslücke von mehr als 53 Millionen Euro

Foto: BS/Bundesrechnungshof

„nahezu untätig geblieben“. Die Datenbank sei Voraussetzung, um Investitionsmittel „wirtschaftlich für die ambitionierten Klimaschutzziele des Bundes einzusetzen“. Zudem schreibe eine Richtlinie der Europäischen Union vor, dass Energiedaten öffentlicher Gebäude bis zum Jahr 2025 veröffentlicht werden müssen. Dies ist ohne die Datenbank aber nicht möglich. Das BMWSB solle daher nun alles „Erforderliche tun, damit die Liegenschaftsdatenbank spätestens Ende 2025 funktionsfähig ist“, fordert der BRH. Auch bei der Bundeswehr herrscht Nachbesserungsbedarf: Die Kapazitäten der Bundeswehrfachschulen wurden seit Jahren nicht an die stark gesunkene Nachfrage angepasst. Die seit 2005 bestehenden

Auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) missachtete grundlegende Vorgaben des Haushaltsrechts, und das bereits seit mehreren Jahren. Konkret bezieht sich die Rüge des BRH auf die Verwaltung des 2013 eingerichteten Fonds „Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“, der mittlerweile eine Finanzierungslücke von mehr als 53 Millionen Euro aufweist. Da die Bundesregierung zwischenzeitlich beschloss, den Fonds einzustellen, soll das BMFSFJ diesen „geordnet abwickeln“. Der Fonds gewährt Betroffenen von sexuellem Missbrauch Leistungen wie therapeutische oder medizinische Hilfe. Auf Weisung des BMFSFJ bewilligte die Geschäftsstelle des Fonds Betroffenen Leistungen bis zu einer maximalen Höhe von 10.000 Euro. Dies sei allerdings unabhängig davon geschehen, ob zum jeweiligen Zeitpunkt die Haushaltsmittel vorhanden waren oder nicht. Ein Konzept zur Abwicklung des Fonds fehlt bislang, Tausende Bescheide wurden nicht abgerechnet. „Es wird mehrere Jahre dauern, bis die Betroffenen die Leistungen abgerufen haben und die Verfahren beendet sind“, prognostiziert der BRH und fordert deshalb, dass das Ministerium „zügig ein Konzept erstellt und umsetzt“. Die Betroffenen müssten sich darauf verlassen können, dass ihre Anliegen „zügig und rechtlich unangreifbar“ bearbeitet werden, machte er deutlich.

Seite 9 Finanzen
Behörden Spiegel / Juni 2024

Parteienfinanzierung in Deutschland

(BS/Marlies Voßebrecker) Staatliche Zuschüsse an Parteien werden oft zu Unrecht misstrauisch beäugt. Die staatliche Teilfinanzierung wird keineswegs willkürlich vergeben, sondern unterliegt strengen Regularien, die im Parteiengesetz geregelt sind. Und primär müssen sich die Parteien durch Beiträge und Spendengelder selbst finanzieren. Die zusätzlichen Mittel des Bundes dürfen gleich zwei Limitierungen nicht überschreiten: Einerseits gilt die relative Obergrenze – die Höhe der staatlichen Teilfinanzierung darf die Summe der durch eine Partei selbst erwi rtschafteten Einnahmen nicht überschreiten. Andererseits gilt die absolute Obergrenze, die an die allgemeine Preisentwicklung angepasst ist.

Zuschüsse für die Bundestagsfraktionen aus dem Bundeshaushalt Im Jahr 2022 in Millionen Euro

Globalzuschüsse an die parteinahen Stiftungen im Jahr 2024

Gesamt 148 Millionen Euro, auch hier in Millionen Euro

Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU-nah) Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD-nah)

Heinrich-Böll-Stiftung (Grünen-nah) Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nah)

Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linken-nah)

Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah)

Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung erhält keine Mittel aus dem Bundesetat

Staatliche Parteienfinanzierung in Deutschland (gesetzliche Obergrenzen) 2012 – 2023, in Millionen Euro

Staatliche Mittel für die Parteien Im Jahr 2022 (in Euro)

Quelle: BS/Jährliche Berichte der Bundestagspräsidenten (zuletzt Bundestagsdrucksache 20/6684 vom 03.05.2023). Rückwirkende Änderungen durch Neufassung des Parteiengesetzes vom 14.12.2023 (Bundestagsdrucksachen 20/9147 und 20/9774) aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2023 (Az.: 2/ BvF 2/18) berücksichtigt

Gesamtmittel für die Parteien Im Jahr 2022 (in Millionen Euro)

unterteilt in: staatliche Mittel / Mitgliedsbeiträge / Spenden / Sonstiges

Behörden Spiegel / Juni 2024 Zahlen & Daten Seite 10
Grafik: BS/Hoffmann unter Verwendung von Daniel, stock.adobe.com 29,86 31,97 19,51 16,45 16,77 11,52 CDU SPD Bündnis 90/Die Grünen FDP AfD Die Linke Quelle: Bekanntmachung der geprüften Rechnungen der Fraktionen im Deutschen Bundestag fü das Kalenderjah 2022 (Drucksache 20/8518) vom 26.09.2023 Quelle: BS/Rechenschaftsberichte der Parteien (Bundestagsdrucksache 20/10430 vom 21.02.2024; Bericht für 2023 noch nicht erschienen) Quelle: BS/Bundestagsdrucksache 20/10430 und Rechenschaftsbericht Deutscher Bundestag
BS/Bundeshaushalt 2024, Beschlussempfehlung des Bundestagshaushaltsausschusses vom 25.01.2024 (Drucksachen 20/7800, 20/7802, 20/8661)
kommen noch Zahlungen
Quelle:
Hinzu
für die Arbeit der Stiftungen im Ausland und für die Stipendiatenförderung.
44,89 39,96 18,15 17,63 15,39 11,99 2024 2023 2022 2017 2012 150,8 161,8 199,5 206,9 219,2
47.752.553 3.904.654 44.456.043 29.689.661 4.464.781 3.364.621 1.194.667 1.261.520 1.088.168 2.156.406 10.489.854 10.701.668 11.681.109 14.421.999 47,7 44,5 29,7 14,4 10,4 11,8 24,8 5,5 23,8 36,421,334,2 54,5 9,2 48,5 5,5 7,3 10,7 10,7 10,4 10,5 4,7 8,8 2,1 6,4 3,8 4 5

► AUSKUNFTSANSPRUCH

Zuschlagsbieter nennen

Aber keine Preisinformationen

Über den Weg der Informationsfreiheitsgesetze des Bundes oder der Länder haben schon mehrfach unterlegene Bieter versucht, Auskünfte über das für sie erfolglose Vergabeverfahren zu erlangen, die über dasjenige hinausgehen, was ihnen vergaberechtlich offenbart werden muss. Das war in aller Regel erfolglos. Im Land Berlin hat nun ein Unternehmer versucht, aus dem Umweltinformationsgesetz einen solchen Auskunftsanspruch herzuleiten. Er wollte wissen, wie viele Trinkwasserbrunnen in Berlin von welchen Firmen zu welchen Preisen errichtet worden waren und klagte auf Auskunft vor dem Verwaltungsgericht. Der Erfolg blieb überschaubar. Das Gericht sieht den Auskunftsanspruch grundsätzlich als gegeben an: Die Errichtung von Trinkwasserbrunnen ist eine Umweltinformation, über die Auskunft unabhängig von einem rechtlichen Interesse verlangt werden kann. Allerdings stehe der Auskunft über die gezahlten Preise der Schutz der Geschäftsgeheimnisse des Auftraggebers entgegen. Würden nämlich diese Preise öffentlich bekannt, könnte dies dazu führen, dass der marktwirtschaftliche Preisbildungsmechanismus gestört wird, was höhere Einkaufspreise nach sich ziehen könnte. Dies sei insofern noch relevant, als die Beschaffung weiterer 300 Brunnen geplant sei. Zu nennen waren also nur die Auftragnehmer und die Zahl der bisher realisierten Brunnen. Das eigentliche Ziel, die Preise der Konkurrenz zu erfahren, kann also auch über das Umweltinformationsgesetz nicht erreicht werden.

VG Berlin (Urt. v. 29.01.2024, Az.: 2 K 41/23)

► POSTDIENSTE

Saubere Zustellfahrzeuge

Quote richtig berechnen

Das Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (SaubFahrzeugBeschG) ist nicht nur auf den Kauf von Fahrzeugen anzuwenden, sondern auch bei der Beschaffung von Dienstleistungen, wenn der Dienstleister für seine Tätigkeit Straßenfahrzeuge einsetzt, z. B. für das Einsammeln und Verteilen von Postsendungen. Allerdings fehlt es dafür an branchenspezifischen Durchführungsbestimmungen des Bundes, wie die Vergabekammer Südbayern feststellt. Deswegen dürfen die Auftraggeber die im Bundesgesetz verankerte Standard-Quote für den Einsatz sauberer Fahrzeuge nicht unterschreiten. Diese Quote sieht vor, dass im zeitlichen Mittel innerhalb von vier Jahren bis Ende 2025 mindestens 38,5 Prozent der eingesetzten Fahrzeuge „sauber“ sein müssen. Der Auftraggeber verlangte allerdings, dass diese 38,5-ProzentQuote innerhalb des Auftragszeitraums, welcher nur bis zum 30.06.2024 laufen sollte, einzuhalten sei. Ein Bieter schrieb in seiner Eigenerklärung, dass sein Betrieb die gesetzliche Quote einhalten werde. Das ist nach Ansicht der Vergabekammer unzureichend, denn es könnte ja bedeuten, dass in den ersten Jahren die Quote unterschritten und erst zum Ende der gesetzlichen Frist durch eine Übererfüllung ausgeglichen würde, weil der Bestand sauberer Fahrzeuge erst langsam zunimmt. Damit ist also nicht sichergestellt, dass die Quote bereits 2024 erfüllt ist. Somit ist das Angebot wegen Änderung der Vergabeunterlagen auszuschließen.

VK Südbayern

(Beschl. v. 25.07.2023, Az.: 3194.Z3-3_01-22-59)

► WERTUNG

Mittlere Art und Güte

Aber kein Mittelwert!

Nach § 243 BGB hat ein Schuldner eine Sache mittlerer Art und Güte zu liefern, sofern nichts Näheres darüber bestimmt ist. Nun gibt es Beschaffungsgegenstände, bei denen es besonders schwierig ist, die Qualität dessen im Voraus zu bestimmen, was zu leisten ist, wie z. B. bei der Gebäudereinigung: Wie misst man eigentlich, ob ein Gebäude nach der Reinigung sauber ist? Was liegt da näher, als zu erwarten, dass die Bieter eine Art mittlerer Sauberkeit offerieren sollten, gemessen am produktiven Arbeitseinsatz der Reinigungskräfte? Ein Auftraggeber wollte daher denjenigen Bietern die höchste Leistungspunktzahl zuteilen, deren produktive Stunden am nächsten zum Medianwert aller Angebote liegen. Doch das ist unzulässig. Hinsichtlich der Bewertung des Preises ist schon lange ausgeurteilt, dass die Mittelwertmethode nicht verwendet werden darf, bei welcher das Angebot mit der geringsten Abweichung zum mittleren Angebotspreis die höchste Punktzahl erhält. Das gilt aber auch für die Leistungsbewertung. Ein solches Wertungssystem unterläuft den Grundsatz, objektive Wertungskriterien zu verwenden. Denn das Wertungsergebnis hängt nicht von objektiven Kriterien ab, sondern davon, wie – ohne Kenntnis objektiver Kriterien – die Mitbewerber angeboten haben. Zudem erhalten in diesem System Angebote mit geringerer Leistung mehr Punkte als ein solches mit überdurchschnittlich hoher, weswegen nicht sichergestellt ist, dass dasjenige mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis den Zuschlag erhält.

VK Bund

(Beschl. v. 06.11.2023, Az.: VK 1-77/23)

► ZUSCHLAG

Keine Nachprüfung mehr

Auch nicht als Feststellungsantrag

Dass ein erteilter Zuschlag nur noch „aufgehoben“ werden kann, wenn er von Beginn an nichtig war, ist allgemein bekannt. Weniger offensichtlich ist die Lage, wenn es darum geht, noch feststellen zu lassen, dass der Zuschlag aber rechtswidrig erteilt worden war. Die Ausgangslage zur Prüfung dieser Frage war folgende: Ein unterlegener Bieter bezweifelte die Eignung des Zuschlagsprätendenten. Er rügte die Zuschlagsentscheidung, was jedoch vom Antragsgegner zurückgewiesen wurde. Der daraufhin gestellte Nachprüfungsantrag ging bei der Vergabekammer am Nachmittag desjenigen Tages ein, der als frühester Zuschlagstermin benannt worden war. Der Antragsgegner hatte allerdings den Zuschlag bereits am Vormittag erteilt. Nachdem der Zuschlag nicht mehr aufgehoben werden konnte, beantragte der Bieter nur noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit. Ohne Erfolg! Sowohl die Vergabekammer als auch das OLG weisen den Antrag zurück. Er war bereits deswegen unstatthaft, weil der Zuschlag im Zeitpunkt der Antragstellung bereits erteilt war. Damit war das Vergabeverfahren abgeschlossen. Eine Zuständigkeit der Vergabekammer besteht aber einzig und allein in einem noch laufenden Vergabeverfahren, in welchem noch auf die Zuschlagserteilung Einfluss genommen werden könnte. Damit ist der unterlegene Bieter aber nicht rechtlos gestellt. Die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit und ein daraus resultierender Schadensersatz können noch immer vor den Zivilgerichten erstritten werden.

OLG Düsseldorf

(Beschl. v. 05.04.2023, Az.: Verg 27/22)

► WETTER Nicht unerwartet

Frost ist im Winter normal

Der Auftraggeber wollte eine Sporthalle für das örtliche Gymnasium errichten lassen. Er schrieb diese Leistungen mit der zeitlichen Vorgabe aus, dass die Arbeiten bis zum November 2019 abgeschlossen sein sollten. Der Auftragnehmer allerdings stellte fest, dass dieser Zeitplan nicht zu halten war. Er einigte sich mit dem Auftraggeber in der laufenden Auftragsausführung in sechs Fällen auf eine Verlängerung der Ausführungsfrist, in fünf davon wegen schlechter Wetterbedingungen, in einem wegen administrativer Probleme auf Auftraggeberseite. Dies sah die Aufsichtsbehörde kritisch, denn das Projekt wurde mit EU-Mitteln gefördert. Sie verhängte eine Finanzkorrektur in Höhe von 25 Prozent des Förderbetrages gegen den Auftraggeber wegen Verstoßes gegen das Vergaberecht. Diese Anordnung wurde letztinstanzlich vom Europäischen Gerichtshof bestätigt. Denn die Verlängerungen führen am Ende zu einer Verdopplung der tatsächlichen Ausführungszeit. Damit liegt eine wesentliche Änderung des Auftrages vor. Diese Änderung kam nach Überzeugung des Gerichtes auch nicht unerwartet. Bei einer ordnungsgemäßen Planung hätte dem Auftraggeber das schlechte Wetter im Winter bewusst gewesen sein müssen. Insofern war bereits die Ausschreibung unzureichend ausgearbeitet. Dieser Fehler des Auftraggebers rechtfertigt es nicht, dem Auftragnehmer nachträglich in diesem Umfang mehr Zeit zu gewähren. Der Vergabefehler lag hier also in der ungenügenden Vorbereitung.

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)

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Auf die Eignung kommt es an

Die Bedeutung von Nachunternehmern in der Vergabe

(BS/sr) Für ein Unternehmen ist seine „ Eignung" die wichtigste Voraussetzung, um in einem Vergabeverfahren berücksichtigt werden zu können. Aber auch Unternehmen, die selbst nicht für alle Aspekte eines Auftrages die volle Eignung besitzen, können mithilfe eines Nachunternehmers einen Zuschlag erhalten. Doch bei dessen Zulassung gibt es einiges zu beachten.

Wer zur Erfüllung der Eignungskriterien einen Nachunternehmer hinzuziehen muss, hat dies bereits bei der Einreichung einer Bewerbung bekannt zu machen. Dabei reicht es auch nicht, wenn Kostenaspekte für einen Nachunternehmer bereits berücksichtigt worden sind, aber Letzterer noch nicht benannt wurde. Die Benennung des Nachunternehmers ist daher wichtig, weil auch geprüft werden muss, ob dieser geeignet ist, die Teilaufgaben eines Auftrages zu erfüllen. Bieter, die einen Nachunternehmer einsetzen wollen oder müssen, sind daher dazu verpflichtet, auch dessen Unterlagen über Eignung einzureichen. Diese Unterlagen sind daher auch vor Ablauf der Bewerbungsfrist einzureichen. Dazu zählt auch die Verpflichtungserklärung des Nachunternehmens, wie Rechtsanwalt Dr. Rainer Noch anhand einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) darlegt. „Keinesfalls ist die Verpflichtungserklärung als eine Art Bestimmung für die Auftragsdurchführung anzusehen, welche vor dem Zuschlag ungeprüft bleiben darf.“ Sollte sich ein Nachunternehmen

in der Prüfung jedoch als nicht geeignet herausstellen, hat der EUGH beschlossen, Bietern die Möglichkeit zu geben, ihren Nachunternehmer auszutauschen, sofern der Auftraggeber dies zulassen möchte. Auch etwaige Verstöße eines Nachunternehmers seien nicht auf den Bieter selbst zurückzuführen, heißt es in der Entscheidung des EUGH.

Lücken in der Eignung sind nicht immer ein Grund für einen Ausschluss vom Vergabeverfahren – wenn man sie nachweislich schließen kann. Foto: BS/beeboys, stock.adobe.com

Die Benennung als Nachunternehmer im Gebot eines Bieters hindert ein Unternehmen im Übrigen nicht daran, in derselben Ausschreibung

selbst als Bieter aufzutreten (oder andersherum), wie aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig aus dem Jahr 2022 hervorgeht.

Eignungsleihe unbetroffen Von den Regelungen zur Angabe bei Nachunternehmen ausgenommen sind Sachleistungen, die zum Erhalt der Eignung des eigenen Unternehmens in Anspruch genommen werden. Beispiele, die hierunter fallen, sind das Leihen von nötigen Maschinen oder Werkstoffen. Der Auftraggeber hat also keinen Anspruch darauf, von einem Maschinenverleih Einblicke in die Kalkulationen seiner Preise zu verlangen. Der Bieter muss diese Kosten lediglich in seiner Preisaufklärung benennen. Der Ausfall eines Nachunternehmens kann für die Ausführung eines Auftrages gravierende Folgen haben. Noch zufolge stellt daher die Eignungsprüfung nicht nur des Bieters, sondern auch des Nachunternehmers eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Auftragsdurchführung und deren Wirtschaftlichkeit dar.

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Seite 11 Beschaffung/Vergaberecht Behörden Spiegel / Juni 2024
EuGH
v. 07.12.2023, Rs.
► Entscheidungen zum Vergaberecht
(Urt.
C-441/21)
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NEU

Strategisch wichtigster Partner in Europa

Ron Prosor

Berliner Gespräch mit dem israelischen Botschafter

(BS/ps) Als Ron Prosor im August 2022 nach Deutschland zurückkehrt, um seine Arbeit als Botschafter aufzunehmen, ist das sein zweiter beruflicher Aufenthalt in Deutschland. Zwischen 1988 und 1992 arbeitete er bereits in der Botschaft im Deutschland der „Bonner Republik“. Zu jenem Zeitpunkt waren die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel gerade einmal 23 Jahre jung. Sie gelten neben den Beziehungen zu den USA als die strategisch wichtigsten.

„Diefast 60 Jahre dauernden, engen und besonderen Verbindungen fußen auf unserer schmerzhaften gemeinsamen Vergangenheit, unserer großartigen Gegenwart und einer gemeinsamen Zukunft“, sagt Botschafter Prosor Im Lichte der gemeinsamen Geschichte hatte Angela Merkel 2008 den Begriff „Staatsräson“ geprägt, um die besondere Bedeutung der bilateralen Beziehungen zu beschreiben. Seit dem „Schwarzen Shabbat“ am 7. Oktober 2023 (Anm. der Redaktion: Hamas' Angriff auf Israel) haben die Bundesregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz und der Deutsche Bundestag die deutsche Solidarität mit Israel fortgeschrieben und den Begriff weiter in die Tat umgesetzt. „Vom Bundespräsidenten abwärts“, präzisiert der Botschafter, um auszudrücken, dass die Unterstützung Israels breiter Konsens ist. Schon vor dem 7. Oktober hatte Deutschland jedoch das israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3 gekauft. „Ein wichtiges Geschäft“ für den Botschafter, der sehr stolz darauf ist, dass Israel – 76 Jahre nach der Staatsgründung –den Himmel über Deutschland und Europa sicherer macht.

Wichtige Unterstützer Es ist Botschafter Prosor auch wichtig, für die deutsche Unterstützung vor dem Internationalen Gerichtshof zu danken. Damit, so der Botschafter, stelle Deutschland unmissverständlich klar, dass Israel in Gaza keinen Völkermord begehe. Deutschland beweise so seine wahre Freundschaft zu Israel und dem jüdischen Volk, fügt er hinzu. Jedoch betont er auch, dass sich Israel noch mehr Unterstützung auf der internationalen Bühne wünscht, etwa bei den Vereinten Nationen oder bei einigen EU-Institutionen. Dort werde Israel noch immer delegitimiert und dämonisiert, sagt er. Wie auch immer – es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Das ist aus Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“ von 1804 und auch heutzutage leider allzu wahr. Vor acht Monaten überfiel die Hamas Israel – an jenem Samstag im Oktober wurden in israelischen Ge-

meinden im Süden 1.140 Menschen ermordet und 250 verschleppt. Israel antwortet mit gezielten Bombardements und einer Bodenoffensive, die – mit Ausnahme des 20 Monate dauernden Unabhängigkeitskriegs 1948 – Israels längster Waffengang ist. In Rafah, im äußersten Süden des Küstengebiets, drängen sich rund eineinhalb Millionen Menschen und im Osten der Stadt stehen israelische Soldaten. Die Lage schien selten so unübersichtlich, hoffnungslos und ernst wie in diesem Mai.

Botschafter Prosor erinnert an Golda Meir (Anm. der Redaktion: Ministerpräsidentin von 1969–74), die einmal gesagt hat, es sei Israels Geheimwaffe, dass das jüdische Volk nirgendwo anders hingehen könne. „Deswegen müssen wir diesen einzigen jüdischen Staat, unsere einzige Heimat verteidigen“, so Prosor Er betont, dass Israels Kampf einzig und allein der Hamas gelte und nicht der Zivilbevölkerung.

Ein Kampf, vergleichbar mit dem des Herkules gegen Hydra, das vielköpfige Ungeheuer der griechischen Mythologie, dem nach einer Enthauptung zwei neue Köpfe wachsen. Wie also sieht ein Sieg für Israel aus?

„Siegen heißt für uns jetzt, die Geiseln nach Hause zu bringen und –im gleichen Atemzug – die Terrorinfrastruktur der Hamas dauerhaft unschädlich zu machen. Wenn die Leute fordern, dass wir jetzt – so kurz vor dem Ziel – aufhören, verstehe ich das nicht. Wenn ein Wald brennt, muss das Feuer ganz gelöscht werden, sonst steht bald alles wieder in Flammen“, so Botschafter Prosor

Derweil hält die Hamas noch immer 130 Geiseln gefangen und weigere sich beharrlich, mitzuteilen, welche von ihnen noch leben und wann der Austausch endlich beginnen könnte.

Unterschätzte Gefahr

„Dieser 7.Oktober ist ein Wendepunkt – es gibt kein Zurück mehr.

An vielen Orten – nicht nur in Israel – wurden die todbringende Ideologie und die blutrünstigen Ansprachen der Hamas als folgenloses Säbelrasseln abgetan. Das war fatal. Die Terroristen meinten es ernst mit dem, was sie sagten, todernst sogar. Sie haben es in die Tat umgesetzt.

Die Informationen über einen bevorstehenden Angriff hielten wir für Kettengerassel, dabei hat sich die Hamas schon in ihrer Charta zum

liegen ihm besonders am Herzen. Foto: BS/Botschaft von Israel, Boaz Arad

Ziel gesetzt, alle Juden zu töten und sie ins Meer zu treiben“, sagt er. „So, wie die Auslöschung des jüdischen Volkes die Staatsräson des nationalsozialistischen Regimes war, so ist die Auslöschung des jüdischen Staates erklärtes Ziel der Hamas.“ Das müsse man in Europa und in der gesamten westlichen Welt verstehen, appelliert der Botschafter. „Nie wieder darf von Gaza Terror ausgehen“, so Prosor weiter. Er präzisiert: „Echter Frieden ist nur möglich, wenn es Frieden für Israel und Wohlstand für die Palästinenser gibt. Die Unterstützung der arabischen Staaten – wie den Emiraten, Bahrain, Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien – ist dafür elementar.“

Während der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Terror mitnichten verurteile, beklage Laith Arafeh (palästinensischer Vertreter in Berlin) eine fehlende Empathie für seine Landsleute und Rassismus.

Prosor führt derweil aus: „Palästinenserchef Abbas hat sich seit 2006 keiner Wahl mehr gestellt und bei seinem letzten Besuch im Kanzleramt im August 2022 in Berlin vor versammelter Hauptstadtpresse übelsten Antisemitismus von sich gegeben.“ Berlin müsse sich daher fragen – so die Schlussfolgerung des Botschafters –, ob Abbas wirklich ein Partner für Deutschland sein könne. Er führt weiter aus, dass es fraglich sei, ob die Palästinenser selbst Abbas überhaupt noch als ihren Repräsentanten sehen. Nach Erhebungen eines palästinensischen Umfrageinstituts vom letzten

Rezept des Botschafters

Hähnchen-Reis-Pilaw

Dezember würden sich rund 90 Prozent der Menschen in Gaza und im Westjordanland wünschen, dass er seinen Hut nimmt und geht. Indes bezahlt die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Ramallah weiter Sozialleistungen für die Hinterbliebenen von Terroristen aus ihrem Haushalt. „Da stellt sich schon die Frage, ob diese PA ein Partner für den Frieden sein kann?“ Dass es dabei letztlich um Sein oder Nichtsein der ganzen Region geht, scheint nicht allseits die Frage zu sein. Ron Prosor ist mit all dieser Gefahr groß geworden. 1958 in der Nähe von Tel Aviv geboren, bekommt er die immer wieder auftretenden Spannungen und Konflikte mit den Palästinensern mehr und mehr mit, wird Offizier, macht an der Universität Jerusalem den Masterabschluss in Politikwissenschaft und ist nun seit fast 30 Jahren Diplomat. Seine Karriere führt ihn nach Washington, Bonn und London. 2000 ist er mit der israelischen Delegation in Camp David (Anm. der Redaktion: Sommersitz der amerikanischen Präsidenten), zu Verhandlungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde, um eine Entschärfung des Nahostkonfliktes zu erreichen. Der damals 49-Jährige wird 2007 Botschafter in Großbritannien, 2011 ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen in New York und leitet von 2016 bis zu seiner Akkreditierung in Berlin das Abba-Eban-Institut for International Diplomacy im 15 Kilometer nördlich von Tel Aviv gelegenen Herzlia.

„Ich bin gerne Ron Prosor und gerne Botschafter“, sagt er rückblickend, „und möchte auch mit niemandem tauschen. Für mich ist dieser Posten ein beruflicher und persönlicher Höhepunkt. Beruflich, weil mir die deutsch-israelischen Beziehungen besonders am Herzen liegen; persönlich, weil sich ein Kreis schließt. Mein Vater wurde 1927 hier in Berlin geboren und musste 1933 vor den Nazis fliehen. Dass ich – der Sohn des Ulrich Proskauer – als Botschafter des unabhängigen jüdischen Staates Israel nach Deutschland zurückkehre, berührt mich sehr. Schade, dass er das selbst nicht mehr erleben konnte.“ Er denke aber täglich an ihn und daran, was er dazu gesagt hätte, sagt Prosor bewegt.

Zu viel Theorie Botschafter Ron Prosor hat seine Berufung gefunden. „Ich habe früher Politikwissenschaft unterrichtet und gewissermaßen die Diplomaten von morgen ausgebildet. Der Austausch mit den jungen Studenten hat mir selbst viel gebracht, aber die Arbeit war oft recht theoretisch. Ich wollte zurück zu mehr Praxis.“ Als Botschafter könne er jetzt in der Wirtschaft, der Wissenschaft und dem Mittelstand jene Strukturen bauen, die Beziehungen der beiden Länder über Jahre hinweg "stärker, breiter und tiefer" machen würden. "Besonders liegt mir der Jugend- und Schüleraustausch am Herzen. Die Jugend ist unsere Brücke von einer schmerzhaften Vergangenheit in eine bessere gemeinsame Zukunft. Daran müssen wir alle zusammen arbeiten.“

Letzte Frage: Der jüdische Witz ist für seine Mischung aus Melancholie, Unverfrorenheit, Weisheit und Menschlichkeit berühmt. Können Sie uns einen erzählen? Hier ist der Botschafter plötzlich zurückhaltend: „Es ist nicht so witzig, einen Witz zu schreiben“, sagt er und fährt fort, dass der jüdische Witz „von seinen selbstkritischen Figuren getragen wird, die über sich selbst lachen können. Das verliert sich, wenn man einen Witz liest“, sagt er. Er schlägt den Bogen zum israelischen Volk, das mit den gleichen Eigenschaften gesegnet sei. „Kritische Fragen stellen und Selbstkritik üben sind Teile der israelischen DNA“, so der Botschafter. Und dann: doch noch ein Witz. „Moses war kein großer Navigator“, sagt Prosor, „er hat 40 Jahre gebraucht, um uns von Ägypten nach Israel zu führen – den einzigen Ort im Nahen Osten, an dem es weder Wasser noch Öl gab. Nur mit harter Arbeit ist es uns gelungen, das Land zu einem Innovator in den Bereichen Wissenschaft, Medizin und Technik zu machen.“ Darauf sei er sehr stolz, sagt der Botschafter.

Dieses Reisgericht ist in vielen verschiedenen Ländern verbreitet – immer mit etwas veränderten Zutaten und unter anderem Namen. Ein Pilaw ist einfach zubereitet, da alle Zutaten in einen Topf kommen und zusammen gegart werden. Pilaw, auch Pilav, Plov, Pilau, Palau, ist ein ursprünglich orientalisches Reisgericht und heißt: „Reis“. Es wird traditionell aus langkörnigem Reis, Zwiebeln, Brühe sowie eventuell Fleisch, Fisch oder Gemüse zubereitet.

Zutaten für 4 Personen: 200 g Langkornreis, Salz, 20 g grüne Bohnen, 40 g Mandelkerne ohne Haut, 2 gelbe Paprikaschoten, 200 g gelbe Kirschtomaten,100 g rote Kirschtomaten, 2 Zwiebeln, 4 Hähnchenfilets (à ca. 150 g), Pfeffer, Curry, 2 EL Öl, 800 ml Geflügelfond (Glas)

Zubereitung:

Der Reis wird mit der doppelten Menge Brühe aufgekocht und anschließend im abgedeckten Topf gedämpft. Je nach Zubereitungsart werden weitere Zutaten wie beispielsweise Fleisch, Fisch, Gemüse, Nüsse und Trockenobst während des Kochvorgangs oder erst beim Servieren hinzugefügt. Bohnen putzen, waschen und in Stücke schneiden. In kochendem Salzwasser ca. 8 Minuten garen, abgießen. Mandelkerne grob hacken. Paprika vierteln, putzen, waschen und in kleine Stücke schneiden. Tomaten waschen. Zwiebeln schälen und würfeln. Hähnchenfilets waschen, trocken tupfen und in Würfel schneiden. Mit Salz, Pfeffer und Curry würzen. Öl in einem Topf erhitzen, Zwiebelwürfel und Mandeln hineingeben. Zwiebeln glasig dünsten. Fleischwürfel zugeben und 3 Minuten anbraten. Paprika und Bohnen zufügen und weitere 3 Minuten braten, mit Geflügelfond auffüllen. Tomaten und Reis erwärmen und servieren. Als Getränk: Pilsner Bier.

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 12 Diplomaten Spiegel
Für Ron Prosor ist der Posten in Deutschland ein persönlicher und beruflicher Höhepunkt. Die deutsch-israelischen Beziehungen
Foto: BS/Schubert, firefly.adobe.com
Fehlerteufel In der Mai-AusgabedesBehörden Spiegel hatten wir angegeben, dass die Stadt Wernigerode eine Städtepartnerschaft mit dem ehemaligen Saigon (heute Ho Chi Minh Stadt) hat. Das trifft allerdings auf die Stadt Leipzig zu. Die Stadt Wernigerode hat eine Partnerschaft mit der vietnamesischen Hafenstadt Hoi-An.

Kommune

Autarke Dörfer

(BS/Anne Mareile Walter) Die Energiekrise und die damit verbundenen gestiegenen Stromund Gaspreisen haben in vielen Gemeinden zu einem Umdenken geführt: Mit Biomasse, Photovoltaik und Windkraft schlagen immer mehr Kommunen den Weg einer unabhängigen Energieversorgung ein.

25.–26. September 2024 Ludwigsburg

www.behoerdenspiegel.de

Drei Windparks, acht Biogasanlagen, zwei Fernwärmenetze und etliche Photovoltaiksysteme: Was die Nutzung von erneuerbaren Energien und die Versorgung aus eigenen Energiequellen angeht, leistet die 5.300-Einwohner-Gemeinde Flecken Steyerberg in Niedersachsen Pionierarbeit. Ihr erklärtes Ziel, energieautarke Kommune zu werden, hat sie bereits weitgehend erreicht. Ein zu diesem Zweck eingerichteter Energiemonitor, der online eingesehen werden kann, zeigt: An einem Wochentag gegen 10 Uhr morgens wird durch erneuerbare Energien in Steyerberg zehn Mal so viel Strom erzeugt, wie in den zurückliegenden 15 Minuten von den Einwohnenden verbraucht wurde. Der Eigenversorgungsgrad der Gemeinde liegt damit bei weit über 100 Prozent, die Produktion übersteigt den Bedarf. Energiewende findet auf dem Land statt

„Unser Gemeinderat ist der festen Überzeugung, dass die Energiewende auf dem Land stattfinden muss“, sagt Steyerbergs Bürgermeister Marcus Meyer. „Denn hier ist der nötige Platz für Windkraft und Photovoltaik vorhanden, um die Energiewende herbeizuführen.“ Im überarbeiteten Klimaschutzgesetz, das vom Bundesrat Mitte Mai gebilligt wurde, ist formuliert: Bis 2030 sollen 80 Prozent des bundesweiten Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden, bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Angetrieben durch die Energiekrise führt diese Zielvorgabe bei den Kommunen zu einem Umdenken, immer mehr Städte und Gemeinden setzen auf eine autarke Energiegewinnung. „Die Bestrebungen, eine bilanzielle Energieautarkie zu erreichen, nehmen zu“, sagt auch

Dr. Eva Bode. Sie ist Referatsleiterin für erneuerbare Energien und Kommunalwirtschaft beim Deutschen

Städte- und Gemeindebund (DStGB) und unterstützt naturgemäß die Forderung ihres Verbands, Kommunen an der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen finanziell zu beteiligen. „Wenn eine Kommune die Windräder nicht selbst besitzt, so soll sie wenigstens finanziell davon profitieren“, sagt Bode. Der daraus entstehende Profit könne schließlich an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben werden, das fördere die Akzeptanz.

„Wir setzen uns dafür ein, dass aus der freiwilligen Soll-Zahlung an die Kommunen eine Pflichtzahlung wird.“

Dr. Eva Bode, Referatsleiterin beim Deutschen Städte- und Gemeindebund

Bislang ist es Windpark- oder Wärmenetzbetreibern freigestellt, Städte und Gemeinden finanziell am Gewinn der Anlagen zu beteiligen. „Wir wollen aber, dass aus der freiwilligen Soll-Zahlung eine Pflichtzahlung wird“, sagt Bode. Es gebe derzeit noch viele Betreiber, die nichts an die Kommune bezahlen und das stehe einem „massiven Ausbau der erneuerbaren Energien“ entgegen.

Die gleiche Forderung vertritt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. „Eine verpflichtende finanzielle Beteiligung der Kommunen an erneuerbaren Projekten, wie Windrädern, fehlt bislang“, macht er in einem Pressestatement deutlich. Nur, wenn Geld aus erneuerbaren Energien direkt vor Ort hängen bleibe, führe das auch zu „mehr Akzeptanz für diese wichtigen Zukunftsprojekte“.

Bürger profitieren von attraktiven Zinssätzen

In Steyerberg macht sich die Energiewende auf dem Konto der Bürgerinnen und Bürger bemerkbar. Einer von drei Windparks innerhalb des Gemeindegebiets befindet sich im Besitz der Kommune und wird von den Energiewerken Steyerberg – einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Gemeinde – betrieben. Damit die Bürger, die in der Nähe des Windparks wohnen, finanziell profitieren, legte die Gemeinde einen Sparbrief auf, der ihnen attraktive Zinssätze gewährt. Hinzu kommt: Der Steyerberger Stromtarif liegt zehn bis 15 Prozent unter dem ortsüblichen Preis. Aufs Jahr gerechnet produziert der von der Gemeinde betriebene Windpark genau so viel Strom, wie der 5.300-Einwohner-Ort in seinen acht Ortsteilen verbraucht. Die zwei, aktuell noch im Repowering befindlichen Windkraftanlagen sollen ebenfalls in den Besitz der Kommune übergehen und dann einen Großteil des Energiebedarfs der Betriebe im Dorf abdecken. Damit wäre die Kommune nahe Hannover, die sich über eine Fläche von 101 Quadratkilometern erstreckt, in ihrer Stromproduktion weitestgehend autark. Bei der Wärmegewinnung geht Steyerberg einen ähnlichen Weg: Auf einem Großteil der gemeinde-

eigenen Liegenschaften wurden in den vergangenen Jahren Photovoltaikanlagen installiert. Die übrigen Gebäude werden derzeit auf eine Eignung für die Ausstattung mit PV-Elementen überprüft. Zudem sollen 0,9 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche für die Ausstattung mit Freiflächenphotovoltaik ausgewiesen werden, erklärt Bürgermeister Meyer. Damit werde die vom Land Niedersachsen vorgegebene Flächenquote eingehalten. Daneben besitzt die Gemeinde zwei Fernwärmenetze, die an Biogasanlagen hängen. Ein zusätzliches Netz wird aktuell ausgebaut.

Rechnerische Energie-Autarkie erlangen

In dem kleinen bayerischen Örtchen Ascha leben rund 2.000-Einwohner, bereits Anfang der 90er Jahre hat sich die Kommune auf den Weg zur energieautarken Gemeinde gemacht. Seitdem wurde peu à peu der kommunale Energiebedarf durch ein Nahwärmenetz auf Hackschnitzelbasis abgedeckt, mittlerweile wird ein Großteil der Einwohnenden auf diesem Weg versorgt. Parallel ließ die Gemeinde Photovoltaikanlagen auf Rathausund Schuldach errichten. Den Bürgern stellte man die Dachfläche der gemeindeeigenen Mehrzweckhalle zur Verfügung, damit sie dort als Eigentümer in eine PV-Anlage investieren und im Anschluss von den Steuervergünstigungen profitieren können.

Ein ambitioniertes Ziel hat sich auch der 12.000-Einwohner-Ort Linkenheim-Hochstetten in Baden-Württemberg gesetzt: Vor Ort soll so viel Strom aus erneuerbaren Energien produziert werden, wie die kommunalen Liegenschaften und

Gewerbebetriebe verbrauchen. Zu diesem Zweck wurden PhotovoltaikAnlagen auf gemeindeeigenen Dächern installiert, die Stromproduktion auf Blockheizkraftwerke und Hackschnitzelanlagen umgestellt. Zudem läuft die Straßenbeleuchtung komplett über LED-Technik. Verwaltungsgebäude und Gewerbebetriebe verbrauchen in Linkenheim-Hochstetten im Durchschnitt pro Jahr zwei Millionen Kilowattstunden Strom. Eine Million Kilowattstunden produziert die Gemeinde mittlerweile aus Erneuerbaren, die andere Million spart sie durch Einschränkung ihres Stromverbrauchs ein.

Doch nicht nur in puncto Strom will Linkenheim-Hochstetten unabhängig sein, auch die Wärmeproduktion will der Ort künftig komplett über erneuerbare Energien bewerkstelligen. Zwei große Freiflächen-PV-Anlagen befinden sich daher derzeit im Bau, darüber hinaus wird die Beleuchtung in Schulen und Sporthallen sukzessive auf LEDs umgestellt. „Wir haben ein großes Ziel vor Augen“, sagt Bürgermeister Michael Möslang. „Bis Ende 2025 wollen wir rechnerische Energie-Autarkie erlangen.“

Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Juni 2024
Illustration: BS/Hoffmann unter Verwendung von AlexZel, Taras Livyy, Lerbank-bbk22 – Zeitenwende für die Mobilität in Stadt und Land? –Weitere Information unter www.fokus-kommune.de

Zwar ist Grundwasser eine natürliche Ressource, die sich dank der Regenfälle immer wieder auffüllt, jedoch gibt es verschiedene Faktoren, die das Grundwasser bedrohen. Ein Faktor ist der Klimawandel. Durch die anhaltenden Dürreperioden der Jahre 2018 bis 2022 gab es zwar keinen „flächendeckenden Wasserstress“, jedoch sei es zu regionalen Engpässen gekommen, wie Dr. Jörg Rechenberg, Leiter des Fachgebiets „Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden“ des Umweltbundesamts (UBA), erklärt. Dies habe aber zusätzliche Gründe, wie die sich regional unterscheidende Niederschlagsmenge oder eine erhöhte Wassernutzung zu bestimmten Tageszeiten, was durch die Hitzeperioden zu teilweisem „Spitzenwasserbedarf“ geführt und „die Verteilungssysteme einiger Wasserversorgungsunternehmen an die Grenzen brachten“ habe, wie Rechenberg weiter ausführt.

Grundsätzlich sei aber keine Verknappung der Trinkwassergewinnung und eine damit einhergehende Rationierung des Wassers zu erwarten, wie Prof. Dr. Christoph Treskatis vom Institut IWAR der Technischen Universität Darmstadt meint, denn die Grundwasserspeicher hätten sich seit Herbst 2023 wieder erholt. Doch wie Dunja Kreiser (SPD) erklärt, müsse auch die Bundesregierung auf geänderte Voraussetzungen reagieren. Um die Sicherung der Qualität und Quantität von Trinkwasser zu gewährleisten, brauche es vor allem Daten. „Wir müssen wissen, über was wir entscheiden, was wir wie einsetzen, welche Mengen wo verbraucht und wo gebraucht werden,“ erläutert die Bundestagsabgeordnete. Darum müsse ein umfassendes, bundesweites Wassermonitoring in Echtzeit eingeführt werden. Rechenberg führt aus: Das Grundwasser-Echtzeitmoni-

Lebenswichtiges Gut schützen

Grundwasser als Teil der Trinkwasserversorung

(BS/Scarlett Lüsser) Mehr als 70 Prozent des Trinkwassers stammen in Deutschland aus dem Grundwasservorkommen, was die Ressource Grundwasser besonders schützenswert macht. Gerade wenn Dürren und Hitzeperioden den Stand unseres Grundwassers bedrohen, muss die Politik langfristig wirksame Maßnahmen ergreifen, um die ausreichende Versorgung mit trinkbarem Wasser auch für die Zukunft zu sichern.

toring solle Aufschluss darüber geben, welche Mengen tatsächlich entnommen werden, um ein risikoorientiertes Grundwassermanagement etablieren zu können. Auch ein Wasserregister solle eingeführt werden, in dem die tatsächlich erfolgte Wasserentnahme verpflichtend dokumentiert werden müsse. Diese Maßnahmen sollen einen „einheitlichen Orientierungsrahmen für lokal oder regional zu treffende Priorisierungsentscheidungen über Wassernutzungen schaffen“ und somit „eine Entscheidungshilfe für die Frage [Anmerkung der Redaktion: bereitstellen], welchen Nutzergruppen im Knappheitsfall in welchem Maße die Wasserentnahme gestattet werden sollte“, erklärt Rechenberg.

Präventive Maßnahmen

Doch die Nationale Wasserstrategie soll nicht nur der Überwachung und Reaktion auf sinkende Grundwasserspiegel dienen, sondern auch dabei helfen, aktiv den Grundwasserkörper zu schützen. Denn aus den Daten ließen sich auch eine Reihe von Maßnahmen ableiten, die man vorbeugend ergreifen könne. Kreiser nennt hier das Fördern von Flüssen, Seen und Auen. Gerade Auen würden Oberflächenwasser filtern und es in der Landschaft halten, sodass auch Dürren vorgebeugt werden könne. Zusätzlich würden sie Rückhalteräume als präventiven Hochwasserschutz bieten. Zudem müsse man auch für

Die Erdoberfläche ist zu drei Vierteln mit Wasser bedeckt, doch trinkbares Süßwasser sind davon nur ca. 2,5 Prozent. Foto: BS/Anastasiia Soina, stockadobe.com

weniger Flächenversiegelung, eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung und städtebauliche Integration von wasserwirtschaftlichen Maßnahmen sorgen.

Ergänzt wird die Liste durch den Fachgebietsleiter des UBA: Auch die Reaktivierung und der Erhalt von Bruch-, Moor- und Feuchtgebieten sowie der Rückbau von sogenannten Meliorationsmaßnahmen – also Maßnahmen zur Steigerung der Bodenqualität und zur Aufbereitung für die Bewirtschaftung des Landes – können trockenbedingten Extremwetterereignissen vorbeugen. Zusätzlich können auch „Agroforstsysteme“, also Gebiete, in denen sowohl Forstals auch Landwirtschaft und/oder Viehzucht betrieben werden, einen

Kostbar und verunreinigt

Neue Richtlinie für Trink- und Abwasser (BS/Marlies Vossebrecker) Das Wasser kommt aus dem Hahn: Die meisten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland machen sich kaum Gedanken über die Ressource, weil sie wie selbstverständlich rund um die Uhr und überall verfügbar ist. Doch wie ist es hierzulande um Frisch- und Abwasser bestellt?

Immer wieder machen angeblich große Verlustmengen an Trinkwasser aufgrund maroder und veralteter Leitungen Schlagzeilen – den Kommunen fehle es an Personal und Geld, um das Trinkwassernetz flächendeckend in Schuss zu halten. Undichte Stellen im Rohrsystem wären dabei in zweierlei Hinsicht fatal, weil hohe Geldbeträge und eine immer knapper werdende Ressource gleichermaßen einfach im Erdreich versickerten.

Trinkwasserinfrastruktur intakt Sowohl der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) als auch der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) widersprechen hier entschieden. Deutschland verzeichne im europäischen und auch im internationalen Vergleich nur sehr geringe Wasserverluste, erklärt Peter Frenz, Leiter Wasserversorgungssysteme beim DVGW, und stützt sich auf Daten der DVGWNetz- und Schadenstatistik für Wasser sowie des Umweltstatistikgesetzes. Dank einer zustandsorientierten Instandhaltungsstrategie bei den Versorgungsleitungen komme es nur selten zu Wasserverlusten, etwa durch Rohrbrüche. Gemäß einer neuen EU-Trinkwasserrichtlinie müssen die Wasserverluste bis 2026 ausgewertet und der EU-Kommission vorgelegt werden. Frenz geht davon aus, „dass der Bewertungsmaßstab auf europäischer Ebene problemlos eingehalten werden kann“.

Zustimmung erhält Frenz vom VKU. Das deutsche Wasser- und Abwassernetz befinde sich in gutem Zu-

stand, Wasserverluste konnten innerhalb der letzten 20 Jahre so weit reduziert werden, dass Deutschland im europäischen Vergleich den Spitzenplatz belege, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit: „Das liegt an der kontinuierlichen Instandhaltung und den Investitionen der deutschen Wasserwirtschaft von jährlich mehr als acht Milliarden Euro.“ Allerdings müsse hier in den kommenden Jahren mit einem Anstieg der Investitionen gerechnet werden, um bisherige Qualitätsstandards bei Ver- und Entsorgung einzuhalten und um Leckagen zu reduzieren. Beim Kanalnetz zur Abwasserentsorgung verhält es sich ambivalenter. Laut Dr. Lisa Broß, Sprecherin der Bundesgeschäftsführung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), befänden sich zwar rund 25 Prozent des Kanalnetzes in sehr gutem Zustand, zugleich bestehe jedoch bei etwa 20 Prozent kurz- bis mittelfristiger Sanierungsbedarf. Untätig sind die Kanalnetzbetreiber nicht: Jährlich werden laut Broß rund 6.000 Kilometer Kanal saniert – was jedoch nur ein Prozent angesichts einer Gesamtlänge von 600.000 Kilometern ausmacht. „Notwendig wäre aber eine Sanierungsquote von 1,5 bis 2 Prozent, um den volkswirtschaftlichen Schatz Kanalnetz, geschätzter Wiederbeschaffungswert rund 1000 Milliarden Euro, auch für die kommenden Generationen in einem guten Zustand zu erhalten“, erläutert Broß. Wie überall bereiten auch hier Fachkräftemangel und knappe Finanzmittel Probleme.

Für die Wasserentsorgung und -aufbereitung ist neben einer intakten Kanalisation die gründliche Reinigung des Wassers notwendig. Viele Inhaltsstoffe aus Medikamenten oder Kosmetika lassen sich nur schwer aus dem Haushaltsabwasser herauslösen. Die Verantwortung sollte aber nicht bei der Bevölkerung allein gesucht werden, heißt es vom VKU. Zwar entsorgten einige Verbrauchende noch immer Medikamente in der Toilette statt über den Restmüll, doch Aufklärungskampagnen zeigten hier ihre Wirkung. Noch wichtiger sei es, solche Verunreinigungen und bestimmte Schadstoffe gar nicht erst entstehen bzw. in Umlauf kommen zu lassen. Sowohl der VKU als auch Broß begrüßen die aktuell novellierte Kommunalabwasserrichtlinie der EU und den darin enthaltenen Ansatz, die Hersteller von wasserbelastenden Inhaltsstoffen stärker in die Pflicht zu nehmen.

Meilenstein im Gewässerschutz Zentral sei hier die Aufnahme einer vierten Reinigungsstufe zum Abbau von Medikamenten- und Kosmetikarückständen in Kläranlagen, so Broß: „Die Kosten für diese vierte Reinigungsstufe sollen nicht die Kläranlagenbetreiber, und damit ja die Bürger, übernehmen, sondern die pharmazeutische und kosmetische Industrie.“ Im Zuge einer erweiterten Herstellerverantwortung müssten diese Unternehmen 80 Prozent der Vollkosten der vierten Reinigungsstufe tragen – „ein Meilenstein für den Gewässerschutz“.

steller von Pflanzenschutzmitteln [...] durch Studien nachweisen, dass von diesen Stoffen keine Schadwirkung auf das Grundwasser ausgeht. Damit einher geht die Festlegung von nationalen und europäischen Schwellenwerten, die eine gute Grundwasserqualität sicherstellen.“

Schutz für das Grundwasser bieten. Denn die Bäume sorgen unter anderem für eine verbesserte Filterung von Schadstoffen, die häufig durch die Düngung von Ackerflächen auch ins Grundwasser gelangen. Verunreinigung vorbeugen Verunreinigung ist ein weiteres Problem, welches unser Grundwasser bedroht. Ein entsprechendes Grundwasser-Monitoring sei deshalb erforderlich, um Verunreinigungen frühestmöglich erkennen und gegensteuern zu können, erläutert Dr. Rechenberg. Um beispielsweise die Belastung durch Schadstoffe aus Düngemitteln zu minimieren, gebe es unter anderem das Instrument der Wirkstoffzulassung: „So müssen Her-

Zusätzlich können Punktquellen wie Kläranlagen, Industriebetriebe oder Altlasten für eine Verunreinigung sorgen. Auch hier ist es wichtig, die Ursachen schnell zu erkennen und zu beseitigen. Doch Schadstoffe können auch aus anderen Quellen ins Grundwasser gelangen. Zur Regulierung sei hier vor Kurzem die kommunale Abwasserrichtlinie auf europäischer Ebene verhandelt worden, erläutert Bundestagsabgeordnete Kreiser: „Wir werden den Eintrag von für die Gewässer problematischen Stoffen, wie Arzneimitteln, Mikroplastik oder Pestiziden, bereits an der Quelle reduzieren. Auch in der Landwirtschaft gilt es, diffuse, also schwer zu beseitigende Belastungen, zu reduzieren, die Spurenstoffe zurückzuhalten.“ Ein Meilenstein aus dieser Richtlinie sei die Herstellerverantwortung, mit der Hersteller von bspw. Arzneimitteln und Kosmetika finanziell für die erweiterte Reinigung von Abwasser in die Verantwortung genommen werden sollen. Ergänzend dazu sollen Kläranlagen ausgebaut und mit weiteren Reinigungsstufen ausgestattet werden. Mittels dieser zusätzlichen Reinigung solle auch die Wasserwiederverwendung ermöglicht werden, denn um auch hier Trinkwasser zu sparen, sieht Kreiser den Re-Use von Abwässern als große Chance. Gerade in der Landwirtschaft, bei der Haustechnik und bei der Bewässerung von Stadtgrün könne man so Trinkwasser sparen, was auch bei möglichen Engpässen für eine Entlastung sorgen würde.

Nach der Flut kommt das Wasser

Projekte zum Wiederaufbau im Ahrtal (BS/mv) Die aktuelle Hochwasserlage in Deutschland zeigt: Starkregen und Überflutungen drohen bald regelmäßig – die Flutkatastrophe im Ahrtal bleibt kein Einzefall. Dort werden nun zwei Projekte zur Trinkwasserbereitstellung mit Fördermitteln unterstützt.

Insgesamt rund 25 Millionen Euro werden für drei aktuelle Wiederaufbauprojekte bereitgestellt, zu denen auch der Neubau einer Kläranlage sowie die Fertigstellung der zentralen Trinkwasserversorgung zählen. Sowohl die rheinland-pfälzische Klimaschutz- und Umweltministerin Katrin Eder als auch Cornelia Weigand, Landrätin im Kreis Ahrweiler, betonen den nachhaltigen Charakter der Baumaßnahmen: „Diese Projekte zeigen, der Wiederaufbau im Ahrtal nimmt noch einmal deutlich an Fahrt auf. Dabei wird hochwasserresilient und klimafreundlich aufgebaut. Wir machen keinen Eins-zu-eins-Wiederaufbau […]“, so Eder Weigand ergänzt: „Mit den heute geförderten Projekten kommen wir unserem Ziel eines nachhaltigen, resilienten und zukunftsgerichteten Aufbaus unserer Region wieder einen entscheidenden Schritt näher.“ Die zentrale Wassertransportleitung, die sogenannte Tallinie, musste auf einer Strecke von etwa 27 Kilometern neu verlegt werden. Dabei werde auf Teilstücken eine modellhafte Infrastrukturtrasse errichtet, die verschiedene Leitungen, etwa für Abwasser, Breitbandkabel oder auch Biogasversorgung, umfasse, so Eder. „Bis Ende 2025 soll die gesamte Trinkwasserversorgung im Bereich der Verbandsgemeinden Adenau und Altenahr weitgehend hochwasserresilient wiederhergestellt sein“, erläutert sie. Unterstützt wird der Ausbau mit Fördermitteln in Höhe von rund

vier Millionen Euro. Die Kläranlage in Sinzig wurde durch das Hochwasser stark beschädigt, ebenso wie das gesamte Abwassersystem des Ahrtals. In den kommenden Jahren soll daher ein neues Klärwerk bei Remagen an einem vor Überflutung sicheren Standort entstehen.

Zerstörung als Chance: Startschuss für Modellprojekt Das Projekt hat Modellcharakter, setzt es doch die eben erst beschlossenen Vorgaben der EU-Kommunalabwasserrichtlinie für eine vierte Reinigungsstufe um. Diese filtert Mikroschadstoffe oder Medikamentenrückstände aus dem Abwasser. Zudem soll die neue Anlage emissionsarm gebaut werden und den eigenen Energiebedarf mittels Photovoltaik, Biogas und Wasserkraft selbst decken. Auch soll KI zum Einsatz kommen. Zu Recht bezeichnet Eder das Bauvorhaben als Leuchtturmprojekt und auch Weigand sieht darin „eine der modernsten Kläranlagen Deutschlands, deren Reinigungsleistung zukunftsweisend ist“. Auf etwa sieben Hektar soll die Anlage im Zeitraum von 2026 bis 2030 mit einer Kapazität von 174.000 Einwohnerwerten errichtet werden. Laut Eder beliefen sich die Investitionskosten für das „größte wasserwirtschaftliche Wiederaufbauprojekt im Ahrtal“ auf mehr als 130 Millionen Euro. Zum Start des Neubaus überreichte sie erste Förderbescheide in Höhe von 20 Millionen Euro.

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 14 Ressource Grundwasser

Dieses Bild suggeriert, unsere Demokratie sei stabil, habe sich bewährt – und stehe unter Denkmalschutz. Sie ist aber gar nicht in Beton gegossen, sondern gestaltbar. Vielleicht hilft es, sie eher als Zelt zu denken, denn als Gebäude: Die Zeltschnüre sind immer wieder nachzuziehen, damit es auf Spannung bleibt und nicht in sich zusammenfällt.

Zeltschnur 1: das Wahlrecht

Es gibt zahlreiche Vorschläge, das Wahlrecht zu modernisieren und damit auch für mehr Beteiligung zu werben. Aber das Wahlrecht scheint in Stein gemeißelt. Wahlrechtsreformen sind selten und werden sie beschlossen, wie jüngst die zum Bundestagswahlrecht, sind sie umstritten.

Um die Stagnation aufzubrechen, kamen die ProfessorenHermann Heußner und Arne Pautsch auf die Idee, Kommunen zu Laboren für ein modernes Wahlrecht zu machen. Dafür wäre in das Kommunalwahlrecht eine Experimentierklausel einzubauen. Diese würde die Kommunen in die Lage versetzen, bei ihren Wahlen einzelne Instrumente, die im Gesetz zu beschreiben wären, auszuprobieren.

Steht eine Kommunalwahl an, könnte der Gemeinderat beschließen, diesmal vielleicht die Briefwahlunterlagen automatisch an alle Wahlberechtigten zu versenden, was – wie wir aus der Corona-Zeit wissen – die Beteiligung um 15 Prozentpunkte steigern könnte.

Oder es würde die Möglichkeit einer Proteststimme, einer qualifizierten Enthaltung, geschaffen –ein Angebot für die, welche sonst ihr Kreuz bei einer autoritär-populistischen Partei machen würden. Oder, oder... Aus diesem Experimentierfeld könnte der Mut erwachsen, das Wahlrecht generell, auch für Landtag oder Bundestag, moderner und fairer zu gestalten.

Zeltschnur 2: die Bürgerbeteiligung Hier spielt die Musik lauter als in vergangenen Jahren. Nach dem Streit um Stuttgart 21 wurde „Bürgerbeteiligung“ zum Zauberwort. Gerade Baden-Württemberg hat aus dem Konflikt gelernt: Erst wurde eine Staatsrätin Bürgerbeteiligung an den Regierungstisch geholt, dann mit der Servicestelle Bürgerbeteiligung ein Kompetenzzentrum

aufgebaut, das die öffentliche Hand berät und Rahmenverträge mit Dienstleistern aushandelt. Zudem wird die Beteiligung evaluiert und es werden Rückschlüsse gezogen. Eine frühzeitige und dialogische Beteiligung wird hier zur Kultur. Dies wäre generell wünschenswert. Sind Bürgerinnen und Bürger willkommen oder lästig? Kleinvieh macht schließlich auch Mist. Das Gegenprogramm heißt: Viele Krumen machen ein Brot. Wir brauchen sie alle, jede und jeden. Niemand sollte sich als Krümel fühlen, den man vom Tisch wischen kann. Dieser Anspruch macht die losbasierten Bürgerräte so überzeugend. Das Format wurde bereits in den 70er-Jahren unter dem Titel „Planungszelle“ entwickelt. Heute

Die Demokratie – ein Zelt

Einsatz verspricht Stabilität

(BS/Ralf-Uwe Beck*) Wird unser demokratisches System grafisch dargestellt, dann oft als Gebäude, dessen Dach von drei Säulen getragen wird: in der Mitte die Wahlen, flankiert von der Bürgerbeteiligung auf der einen und der direkten Demokratie auf der anderen Seite.

werden Bürgerräte auch auf Länder- und seit einigen Jahren auch auf Bundesebene eingesetzt. Es hat Konjunktur, Fragestellungen von einer Gruppe ausgeloster Bürgerinnen und Bürger bearbeiten zu lassen, die einen Querschnitt der Bevölkerung darstellen. Das Losverfahren bietet die Chance, auch die zu erreichen, die sonst auf dem Sofa sitzen bleiben oder dort sitzen gelassen werden. Die Stadt Aachen hat unlängst gar den ersten permanenten Bürgerrat eingesetzt. Nur Achtung: Auch Bürgerräte legen am Ende des Tages lediglich ein Bürgergutachten vor und haben nichts zu entscheiden. Hier lauert, wie bei aller Bürgerbeteiligung auch, Frustpotenzial. So überzeugend Bürgerräte sein mögen: Sie sind exzellente Instrumente zur Qualifizierung politischer Entscheidungen, aber nicht eine Bürgerbeteiligung, die alle Menschen anspricht. Genau genommen stellt sich mit einem Bürgerrat erst die Aufgabe der Bürgerbeteiligung, also die Vermittlung in die gesamte Bevölkerung. Werden Bürgerräte wie ein Allheilmittel gehandelt, verengt sich die Tastatur der Beteiligung; wir müssen aber auf dem gesamten Klavier spielen. Hier gibt es Ausbaupotenzial.

Bei öffentlichen Petitionen ist der Bundestag vorangegangen, nur sechs Länder sind bisher gefolgt. Modelle partizipativer Gesetzgebung gibt es in Baden-Württemberg und Thüringen, hier ist der Bundestag am Zug.

Für die Kommunen könnte die Open-Source-Software Cosul geeignet sein. Entwickelt in Madrid, wird sie bereits in 25 deutschen und weltweit in 200 Kommunen eingesetzt. Städte können damit anstehende Entscheidungen zur Diskussion stellen, Bürgerhaushalte aufsetzen, Debatten anstoßen oder Bürgervorschläge einsammeln. Mit ihren Möglichkeiten öffnet sie immer wieder den Blick für die Vielfalt der Beteiligungsoptionen – und sie kann auf die Bedürfnisse vor Ort angepasst werden. Mehr Demokratie e. V. berät gern.

Zeltschnur 3: die direkte Demokratie

Bürger- und Volksbegehren sind die einzigen verbindlichen Instrumente, mit denen sich Bürgerinnen und Bürger vom Regierungshandeln unabhängig machen können. Allein die Möglichkeit wirkt auf die repräsentative Demokratie belebend: Es wird mehr mit den Menschen geredet und weniger über ihre Köpfe hinweg entschieden.

… probierte ich wieder einmal die leckeren Erdbeeren aus dem Garten meines Schwiegervaters. Es ist ja in Deutschland wieder Erdbeerzeit. In den Discountern, an den Straßen, fast überall werden diese wohlschmeckenden Früchte angeboten. Eigentlich leuchtet uns im Supermarkt fast das ganze Jahr über das verführerische Rot entgegen. In den Monaten März und April sind es oft Importe, vor allem aus der Region Huelva im spanischen Südwesten. Ob deutsch oder spanisch, die Erdbeeren haben eines gemeinsam, sie sind sehr durstig. Rund 300 Liter Wasser benötigt ein Kilo Erdbeeren. Das mag in Deutschland kein großes Problem darstellen. Aber in Huelva ist es notorisch trocken, dort herrscht extremer Wassermangel. Immer tiefer muss nach Wasser gegraben werden. Viele illegale Brunnen bewässern die spanischen Erdbeerplantagen. Vor allem der Nationalpark Coto de Doñana, UNESCO-Weltkulturerbe und Spaniens wichtigstes Feuchtgebiet, ist betroffen. Der Lebensraum vieler Tiere ist gefährdet.

Andererseits ist Spanien der Obstgarten Europas, der vielen Menschen eine Existenzgrundlage sichert. In Spanien werden einige Arbeitsplätze verloren gehen, wenn niemand mehr spanische Erdbeeren kauft. Fakt ist aber auch: Weil der Grundwasserspiegel sinkt, trocknet eine ganze Re-

Haben wir heute die direkte Demokratie in ausnahmslos allen Bundesländern für die kommunale und die Landesebene, fehlt sie auf der Bundesebene. In dem Bestreben, diese Lücke zu füllen, waren sich bis zum Brexit die Parteien – außer der CDU – einig. Der Brexit hat jedoch die Entwicklung vom Niederen zum Höheren verunsichert. Ganz zu Unrecht, denn er war eine von oben angesetzte Befragung. Die direkte Demokratie gehört aber in die Hand der Bürgerinnen und Bürger. Wollen wir eine schlüssige Antwort finden, mit der sich der (gefühlten) Wahrnehmung begegnen lässt, dass „die da oben machen, was sie wollen“, brauchen wir einen

Ausbau der direkten Demokratie. Denn mit ihr lässt sich am überzeugendsten erwidern: „Dann mach doch selbst, du kannst, du darfst, es liegt auch an dir, was aus diesem Land wird.“

Der Haken: Oft sind den Bürgerinnen und Bürgern ihre Bürgerrechte gar nicht bekannt. Hier bräuchte es Informationskampagnen, eine Zusammenarbeit der kommunalen Spitzenverbände mit den Ministerien und den Landeszentralen für politische Bildung.

Mehr Demokratie e. V. hat mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg eine Webseite gestaltet, die aufzeigt, welche Möglichkeiten Bürgerinnen und Bürger hier haben und wo Reformbedarf ist. Die Seite heißt: mach-doch.de

sprecher

26.  und 27. Juni 2024

Neulich …

war von 2004 bis 2020 Bürgermeister der Gemeinde Blankenheim. Foto: BS/privat

gion nicht nur aus. Es ist noch schlimmer: Dort, wo im Grundwasser das Süßwasser fehlt, fließt Salzwasser nach. Fast alle Pflanzen mögen kein Salzwasser. Es ist also durchaus denkbar, dass man bald nichts mehr anbauen kann, auch keine Erdbeeren mehr. Also nur Erdbeeren aus Deutschland kaufen? Natürlich indiziert Regionalität eine nachhaltige Kaufentscheidung. Doch ganz so einfach ist es nicht: Das Wasser wird langfristig nicht für alle in Spanien reichen. Für die Menschen, die vom Erdbeeranbau leben, müssen also Lösungen gefunden werden.

Enormer Wasserverbrauch

In Deutschland werden Erdbeeren vermehrt in Folientunneln und Gewächshäusern angebaut. Für die Bäuerinnen und Bauern ist das kostenintensiver, aber sie schützen so die Frucht vor extremen Wetterbedingungen; und es gibt noch eine Sekundärmotivation: Man setzt den spanischen Erdbeeren etwas entgegen. Erdbeeren aus dem Tunnel sind früher

reif. Somit stehen den deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern schon heimische Früchte zu einem Zeitpunkt zur Verfügung, an dem sonst der Markt von Importen aus Spanien und Marokko beherrscht wurde. Viele Kundinnen und Kunden zahlen gerne für heimische Produkte etwas mehr, wenn sie wohlschmeckender sind. Gut so, könnte man meinen. Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: Die Fläche unter den Tunneln gehe für die Tier- und Pflanzenwelt als Lebensraum verloren, kritisieren die Naturschutzverbände. Der Konkurrenzkampf deutscher mit spanischen Erdbeeren ist keine Lösung, weder für Spanien noch für Deutschland. Sowohl in Spanien als auch in Deutschland wird weniger mehr sein für die Lebensgrundlagen der kommenden Generationen. In Spanien könnte der Staat die Bäuerinnen und Bauern entschädigen, wenn sie auf Anbauflächen verzichten und mehr auf Bio als auf Pestizide setzen. In Deutschland muss es einen Ausgleich für Fauna und Flora geben, die durch Folientunnel überdacht sind. Wir müssen mehr auf Bio und Regionalität setzen. Das Grundwasser und die Tierwelt werden sich freuen.

Erdbeeren erntet man in Deutschland eben besser erst im Sommer. Wenn man sie selbst pflückt, kann das sogar auch ganz unterhaltsam und gut für die Seele werden.

Themenschwerpunkte 2024

Wenn Illegalität zur Normalität wird

Spielfreude und Spielerschutz –wie kann eine Kanalisierung gelingen?

Glücksspielmarkt – Quo Vadis?

Lootboxen – Kinder- und Jugendschutz in digitalen Spielangeboten

www.deutscher-gluecksspielkongress.de

Kommunalpolitik Seite 15 Behörden Spiegel / Juni 2024
HYBRIDEVENT Berlin oder virtuell
Kolumne Hartmann Ralf-Uwe Beck ist Bundesvorstands- von Mehr Demokratie e. V. Foto: BS/Inga Hanke Symbol für Demokratie? Aufrechten Stand und Stabilität garantieren die festgezurrten Schnüre Wahlrecht, Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie. Foto: BS/Aly, stock.adobe.com Rolf Hartmann

Den Auftakt gab Judith Pirscher Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, indem sie die Bedeutung von Forschung und Innovation für den Klimaschutz betonte: „Wir setzen ganz auf Forschung, denn Forschung ist die Basis.“ Daten, Empfehlungen und digitale Werkzeuge könnten durch Forschung ermittelt und abgeleitet werden, so Pirscher. Insbesondere dem digitalen Zwilling und KI-Anwendungen kämen gewichtige Rollen zu, um gleichermaßen schnell und effizient adäquate Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. „Wir haben kein Wissensproblem, wir haben ein Handlungsproblem“, erklärte Diplom-Meteorologe und Klimaexperte Sven Plöger. Bereits im Jahr 2023 sei die Erde um 1,48 Grad Celsius erwärmt gewesen. Für die 2030er-Jahre sei zu erwarten, dass das 1,5-Grad-Celsius-Ziel kontinuierlich überschritten werde. Die unausgesprochene Frage, ob der Unterschied zwischen zwei oder vier Grad Celsius Erderwärmung denn tatsächlich einen so großen Unterschied mache, nahm Plöger vorweg: Als die Erdtemperatur vor etlichen Jahrtausenden einmal vier Grad Celsius weniger betragen habe, habe etwa eine kilometerdicke Eisschicht weite Teile Deutschlands bedeckt. Problematisch sei es, dass sich die Wahrnehmung der Bevölkerung an die Temperaturen anpasse, führte Plöger aus. So sei das Jahr 2021 im unmittelbaren Vergleich der davor liegenden Jahre als eher kühl empfunden worden. Tatsächlich habe es jedoch im Zeitraum von 1900 bis 2021 nur ein einziges Jahr gegeben, das noch heißer gewesen sei. Gerade die Gefahr von Hitzeperioden während der Sommerzeit sei vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht bewusst, obwohl sehr hohe Temperaturen zu einer signifikanten Übersterblichkeit führten, mahnte Jonas Gerke, Referent für Hitzeschutz und Klimaanpassung bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG). Als heiße Tage würden sol-

Bis auf eine Ausnahme konnten im Jahr 2022 alle Landkreise mit ihren kreisangehörigen Gemeinden sowie die kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt die Auszahlungen der laufenden Rechnung durch Einzahlungen decken und sogar Überschüsse erzielen. Von 101 Kommunen konnten lediglich 29 die laufende Rechnung nicht ausgleichen. Unter den Landkreisen und kreisangehörigen Gemeinden erreichte die Region Saale mit 331 Euro je Einwohnerin bzw. Einwohner im Vergleich die zweithöchsten Überschüsse. Hier schlossen von insgesamt 16 Kommunen 14 das Jahr 2022 mit positivem Saldo ab. Tatsächlich sei der Landkreis Saalekreis nicht zuletzt aufgrund seiner beiden Chemiestandorte finanzstark, erläutert die Dezernentin für Innere Verwaltung, Christina Kleinert. Basierend auf den Ergebnissen der letzten Jahre könne die Haushaltssituation der kreisangehörigen Gemeinden als recht stabil eingeschätzt werden, so Kleinert weiter. Zudem trugen im Vergleich zu den anderen Landkreisen etwas höhere Einnahmen aus der Kreisumlage dazu bei, die teilweise zu geringe Finanzausstattung durch das Land Sachsen-Anhalt auszugleichen. Hinzu komme außerdem der sparsame und effiziente Umgang mit den vorhandenen Haushaltsmitteln.

Es ist nicht zu spät –

oder doch?

16. Klimaschutzkonferenz des DStGB

(BS/Marlies Vossebrecker) Der Klimawandel fordert die Kommunen: Maßnahmen gegen Wetterextreme müssen entwickelt, jahrzehntealte Strukturen erneuert und Emissionen drastisch reduziert werden – und zwar so schnell wie möglich.

Bei der 16. Klimaschutzkonferenz des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) in Bonn tauschten sich Fachleute über den aktuellen Sachstand, innovative Projekte und Handlungsspielräume aus.

che Tage bezeichnet, an denen die maximale Lufttemperatur über 30 Grad Celsius liege, so Gerke. Die Aufeinanderfolge heißer Tage und tropischer Nächte bezeichne man als Hitzewelle. Aufgrund des durch den Klimawandel bedingten Temperaturanstiegs gebe es inzwischen im Sommer mehr heiße Tage als früher. Dabei sei die Hitzeverteilung innerhalb Deutschlands zwar ungleich, es seien jedoch immer besonders dicht bebaute Regionen betroffen.

Unterschätzte Gefahr: Hitze Das Problem der Hitzeinseln ist in vielen Kommunen hinreichend bekannt. Die erste Maßnahme lau-

tet meist: mehr grüne und blaue Infrastruktur. Doch eine Umstrukturierung innerhalb einer Stadt ist aufwendig und oft auch teuer. Prof. Dr. Matthias Garschagen, Inhaber des Lehrstuhls für Anthropogeographie an der LMU München, stimmte Plögers Aussage zu, dass die 1,5-Grad-Celsius-Marke bereits schon in naher Zukunft erreicht werde. Die Folge seien mehr Hitzetage. Laut Garschagen seien für die Entstehung einer (Natur-)Katastrophe drei Komponenten entscheidend: erstens die Exposition, also die potenzielle Gefährdung der Bevölkerung durch Naturkatastrophen, zweitens die Naturgefahr selbst, und drittens die Vulnerabi-

lität, also die Verwundbarkeit der Menschen. Aktuell liege der Fokus zu sehr auf möglichen Naturkatastrophen allein, während die anderen beiden Faktoren weitgehend unbeachtet blieben. Doch gerade bezüglich der Exposition und der Vulnerabilität stünden größere Veränderungen bevor, wie etwa durch den demografischen Wandel oder den Klimawandel an sich. Vorliegende Daten dazu würden aktuell noch nicht ausreichend einbezogen, bedauert Garschagen Für die Hitzeinseln bedeute dies etwa, dass bestimmte Maßnahmen vernachlässigt würden, die eine schnelle Risikominderung ermöglichten.

Ausgaben verhindern ausgeglichenen Haushalt

Droht Landkreisen bald negativer Saldo?

(BS/Marlies Vossebrecker) Obwohl der Kommunalbericht 2022 des Rechnungshofs Sachsen-Anhalt den Landkreisen und kreisangehörigen Kommunen finanziell insgesamt eine positive Aufstellung bescheinigt, ist es um sie dennoch nicht gut bestellt: Ebenso wie die meisten deutschen Kommunen befinden auch sie sich in einer schlechten Finanzlage. Doch welche Entwicklungen sind zu erwarten?

Auch wenn viele Landkreise in den letzten Jahren finanziell noch gut dastanden, droht durch stetig wachsende Mehrausgaben ein strukturelles Defizit. Foto: BS/Tumisu, pixabay.com

re Entwicklung ab, soweit das Land für die Wahrnehmung der Aufgaben der Landkreise nicht ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stellt“, mahnt Kleinert.

Selbst wirtschaftlich starke Landkreise sind also durch stetig steigende Kosten und unzureichende finanzielle Ausstattung davon bedroht, in die roten Zahlen abzurutschen. Bei den finanziell schwächeren Landkreisen dürfte sich die Lage erst recht drastisch verschärfen.

Mit einem Hitzeaktionsplan greift die Stadt Bergisch Gladbach den Auswirkungen des Klimawandels vor. Die Ausarbeitung wurde durch zwei Fachbüros und eine Hochschule unterstützt, auch seien Empfehlungen von Bund und Ländern berücksichtigt worden, stellte Jana Latschan, Klimaschutzmanagerin der Stadt, das Projekt vor. Auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen habe eine Rolle gespielt.

Zuvor habe man Ziele und Zielgruppen genau definiert. Schließlich seien 18 Maßnahmen aus Analysen abgeleitet worden, so Latschan. Verteilt auf fünf Handlungsfelder werde innerhalb dieser 18 Maßnahmen nochmals priorisiert. Berücksichtigt würden etwa die Beteiligung der Verwaltung oder die Abschätzung möglicher Förderungen auf der Kostenseite.

Politisches Armutszeugnis?

Mit Blick auf Einzelmaßnahmen gegen die Auswirkungen des Klimawandels stellt sich die Frage nach einem Rahmen, einem Gesamtkonzept zur Klimaschutzpolitik. Die zentralen Ursachen für die Emissionsbildung in Deutschland, das immerhin im internationalen Ländervergleich auf Platz sieben in Sachen Treibhausgasausstoß liegt, seien laut Plöger Heizen, Kühlen und Mobilität. Oberstes Ziel müsse also sein, energetisch sparsamer zu werden.

Dr. Gerd Landsberg , Ehrengeschäftsführer des DStGB, brachte es auf dem Punkt: Für eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik gebe es zwei Voraussetzungen: Kommunikation und Rahmenbedingungen. Klimaschutz sei eine Gemeinschaftsaufgabe, die alle einbeziehe und nicht von oben festgelegt werde. Bund und Länder seien gefragt, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, greifbare Ziele auszuformulieren, eine Zukunftsvision herzuleiten und der Bevölkerung die Angst vor Veränderung zu nehmen. „Wenn das nicht gelingt, ist das ein politisches Armutszeugnis.“

kommunalen Ebene insgesamt kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem“, konstatiert er. Neben Personal- und Sachkosten sieht er insbesondere die Sozialausgaben für diese Entwicklungen verantwortlich, die sich unter anderem aus notwendigen Personalzuwächsen oder Kosten für Geflüchtete zusammensetzten. Während die Kommunen hier einen leichten Rückgang verzeichneten, liege der Kostenschwerpunkt für Geflüchtete aus der Ukraine bei den Landkreisen – ebenso wie bei den Ausgaben für Asylbewerberleistungen.

Mehrausgaben bewirken Defizit

Zwar könne dieses Defizit noch dank vorhandener Rücklagen ausgeglichen werden, weiß Kleinert. Doch steigende Ausgaben und Kosten bedrohten die Haushaltslage:

Doch trotz des positiven Abschlusses im Jahr 2022 ist für das Jahr 2023 laut vorläufigen Berechnungen ein Defizit in Höhe von 1,6 Millionen Euro zu erwarten.

„Legt man für die künftigen Haushaltsjahre das durchschnittliche Steueraufkommen der vergangenen Jahre sowie steigende Kosten für Personal, soziale Leistungen, ÖPNV, Schülerbeförderung, Unterhaltung der Grundstücke u. a. zugrunde, zeichnet sich auch beim Landkreis Saalekreis mittelfristig eine defizitä-

Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages, bestätigt die Entwicklungen, die der Saalekreis erwartet. Habe die kommunale Ebene noch im Jahr 2022 einen Überschuss erzielen können, so schloss sie das Jahr 2023 mit einem Defizit in Höhe von rund 6,5 Milliarden Euro ab. „Die Kreishaushalte haben in diesem Zusammenhang ein Defizit von 1,8 Milliarden Euro zu beklagen. Damit hat sich deren Situation gegenüber dem Vorjahr um fast 2,5 Milliarden Euro verschlechtert“, betont Sager. Er schließt sich bezüglich möglicher Ursachen der Einschätzung von Kleinert an: „Wir haben auf der

„Wir haben kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem.“

Reinhard Sager, Präsident Deutscher Landkreistag

Neben steigenden Kosten befürchtet Sager bei den Landkreisen außerdem eine Minderung der Einnahmen, da die Kreisumlage bestimmten gesetzlich festgelegten Grenzen unterliege und somit deren Möglichkeiten limitiert seien. „In der Praxis kann somit zu dem Ausgabeproblem der Landkreise schnell ein Einnahmeproblem hinzukommen.“

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 16 Kommunalpolitik
Laut Staatssekretärin Judith Pirscher kann die Forschung wesentliche Faktoren und Daten für den Klimaschutz liefern. Foto: BS/Henning Angerer, DStGB

VIER FRAGEN – VIER ANTWORTEN

Inter view mit Christian Herrgott, Landrat im Landkreis Saale-Orla

Foto: BS/privat

Behörden Spiegel: Seit Beginn dieses Jahres werden Geflüchtete in Ihrem Landkreis zu Arbeit verpflichtet. Kritiker befürchteten einen zu hohen organisatorischen Aufwand bei der Arbeitsverpflichtung. Wie gelingt die Umsetzung und welche Bilanz ziehen Sie aktuell?

Christian Herrgott: Wir verpflichten im Saale-Orla-Kreis Flüchtlinge seit Beginn des Jahres zu gemeinnützigen Tätigkeiten, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen und in der Lage sind, zu arbeiten. Zu diesem Zweck haben wir das Projekt, das auf einem Kreistagsbeschluss auf Antrag der CDU-Kreistagsfraktion beruht, seit vergangenem Herbst vorbereitet und den Umfang schrittweise erweitert. Im Vergleich dazu, die Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften mehr oder weniger sich selbst zu überlassen, bedeutet das für die Kreisverwaltung natürlich einen personellen Mehraufwand. Aber wir haben uns die gesamte Maßnahme im Vorfeld gründlich angeschaut und halten den Aufwand für machbar. In und an den Gemeinschaftsunterkünften der Flüchtlinge lassen sich die Arbeitsgelegenheiten relativ einfach auf den Weg bringen. Außerhalb der Unterkünfte – beispielsweise beim Sportverein, der Tafel oder der Gemeinde – bedeutet die Verpflichtung von Asylbewerbern zu gemeinnützigen Tätigkeiten hingegen insbesondere für unsere Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter einen erhöhten organisatorischen Aufwand. Wie sind die Arbeitszeiten? Wie ist die Erreichbarkeit? Wer leitet die Tätigkeit an und wie wird sie beaufsichtigt? Diese und weitere Aspekte müssen im Vorfeld geklärt werden. Die Mühe ist es uns aber wert und wir halten es für einen leistbaren Aufwand –insbesondere dann, wenn sich die Abläufe einmal eingespielt haben. Für den Moment können wir mit

In einer Videobotschaft betonte Außenministerin Annalena Baerbock die Bedeutung kommunaler Politik: „In den Kommunen erleben die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes am unmittelbarsten öffentliches und damit staatliches Agieren.“ Wie dieses Agieren wahrgenommen werde, beeinflusse das Vertrauen in staatliche Institutionen und somit in die Demokratie. „Deshalb ist die Stärkung der kommunalen Ebene ein wichtiges politisches Anliegen“, erklärte Baerbock

„Wenn wir die Menschen ins Handeln bringen, dann holen wir sie ab.“

Michael Salomo, Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim

Häufig wird die Kommunalpolitik als Stellschraube für die Entscheidungen der Bundesregierung betrachtet. „Die kommunale Ebene ist die Keimzelle für Demokratie. Hier

Pflicht sorgt für Akzeptanz

Arbeitsverpflichtung für Geflüchtete

(BS) Das Gesetz sieht es so vor, doch in den meisten Kommunen gelingt die Umsetzung aufgrund des Aufwands nicht: Geflüchtete sollen in Deutschland arbeiten. Im Landkreis Saale-Orla werden sie seit Beginn 2024 zur Arbeit verpflichtet.

Landrat Christian Herrgott erläutert die langfristigen Ziele und wie sich die Verpflichtung auf Bevölkerung und Geflüchtete auswirkt. Die Fragen stellte Marlies Vossebrecker.

Im Saale-Orla-Kreis übernehmen Geflüchtete im Rahmen der Arbeitsverpflichtung gemeinnützige Arbeit, wie z. B. die Pflege der Wohnanlage. Foto: BS/manfredrichter, pixabay.com

dem Stand der Umsetzung durchaus zufrieden sein: Wir haben im Saale-Orla-Kreis inzwischen über 70 Asylbewerbenden gemeinnützige Tätigkeiten zugewiesen, davon 15 an verschiedenen Einsatzstellen außerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte – und das bauen wir jetzt sukzessive aus.

Behörden Spiegel: Wäre es nicht hilfreicher, den Geflüchteten zu einer schnelleren Integration in den regulären Arbeitsmarkt zu verhelfen?

Herrgott: Unser Ziel ist es, dass die Geflüchteten nicht dauerhaft in

gemeinnützigen Tätigkeiten verbleiben, sondern zügig auf den ersten Arbeitsmarkt kommen. Die meisten Asylbewerbenden dürfen nach drei Monaten regulär arbeiten und wir machen als Behörde so gut wie alles möglich, um es Asylbewerbenden, die arbeiten dürfen, zu ermöglichen, einen regulären Job anzunehmen. Die Statistik bestätigt das: Im SaaleOrla-Kreis leben aktuell rund 300 volljährige Flüchtlinge im laufendem Asylverfahren, von denen circa 90 eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt haben.

Umgekehrt gibt es aber auch eine Reihe von Geflüchteten, die dauer-

haft nicht arbeiten dürfen, weil sie beispielsweise aus sicheren Herkunftsstaaten kommen und die Bleibeperspektive sehr gering ist. Diese Menschen sollen der Gemeinschaft und dem Steuerzahler in dem Zeitraum, in dem sie hier in Deutschland sind, über die gemeinnützige Tätigkeit etwas zurückgeben.

Behörden Spiegel: Wie sollte man mit überqualifizierten Geflüchteten umgehen, die studiert haben? Wirkt sich eine einfache Aushilfstätigkeit, wie Laub fegen, nicht eher negativ auf sie aus?

Herrgott: Wir gehen bei diesem Thema mit allen Geflüchteten, die volljährig sind und arbeiten können, gleich um. Aber natürlich sollten diejenigen, die arbeiten dürfen und verwertbare Zeugnisse, Nachweise und Abschlüsse mitbringen, perspektivisch auch eine Anerkennung dafür bekommen und in Deutschland entsprechend ihrer Qualifikation arbeiten dürfen. Zur Wahrheit gehört aber auch dazu, dass sich viele Anerkennungsverfahren für Zeugnisse und Abschlüsse sehr lange hinziehen und nicht wenige der Ausbildungen aus anderen Staaten nicht unseren Standards gerecht werden, weswegen sie in Deutschland nicht anerkannt werden können. Die einfachen Tätigkeiten im Bereich der gemeinnützigen Arbeit wirken sich aus unserer Sicht auch auf höher qualifizierte Geflüchtete

Stellschrauben für die Bundespolitik

Modelle zur kommunalen Bürgerbeteiligung

(BS/mk) Die Nähe zum Bürger ist eine Besonderheit kommunaler Politik. Dadurch entstehen Herausforderungen, aber auch Chancen für die Demokratie in Deutschland. Bei der diesjährigen „Jahreskonferenz des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen“ diskutierten die Teilnehmenden über die gegenseitigen Erwartungen an Bund und Kommunen.

erfahren die Bürger, dass sie selbst etwas bewegen können“, bekräftigt der Leiter des Arbeitsstabes des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland, Markus Gallander (SPD). Für Gallander ist der beste Schutz für die Demokratie speziell in den Bundesländern Ostdeutschlands der Zusammenhalt vor Ort. So sei es wichtig, dass Menschen sich nicht nur für die hauptamtlichen Funktionen zur Wahl stellten, sondern auch für die ehrenamtlichen Positionen und somit ein Zeichen für das Interesse an der Demokratie setzten.

Bürgerbeteiligung – aber richtig

Auch für Nils Naumann, Ortsbürgermeister von Thurland in Sachsen-Anhalt, ist das Ehrenamt ein wichtiger Teil demokratischer Stabilität. Er selbst sei in fünf verschiedenen Vereinen aktiv und agiere dort als Ansprechpartner. „Das finden die Menschen gut und so erhalte ich viel Zuspruch“, erklärt

Kommunalpolitik im Fokus: Moderatorin Sally Lisa Starken, Markus Gallander, Leiter des Arbeitsstabes Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, Elisabeth Niejahr, Geschäftsführerin „Demokratie stärken“ der Hertie Stiftung, Michael Salomo, Oberbürgermeister Heidenheim und Nils Naumann, Ortsbürgermeister Thurland (v.l.n.r.). diskutieren über die Sicherung lokaler Demokratie. Foto: BS/NJB, Sebastian Bolesch

Naumann. Der Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim, Michael Salomo, spitzt diese These zu: „Die Bürgermeister, die für die Demokratie brennen und den Vereinen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, erwecken die Demokratie wieder zum Leben.“ Nicht das nächste

nicht negativ aus. Vielmehr wird so den negativen Auswirkungen von Beschäftigungslosigkeit entgegengewirkt, da die Menschen auf diese Weise eine reguläre Tagesstruktur und eine sinnstiftende Tätigkeit bekommen. Zudem stellt es einen ersten Integrationsbaustein in den ersten Arbeitsmarkt dar und unser Ziel ist es ganz klar, dass diese Menschen dort – sofern sie es dürfen – perspektivisch einen Job finden.

Behörden Spiegel: Zielsetzung Ihres Vorstoßes ist eine erhöhte Integration und erhöhte Akzeptanz Geflüchteter in der Bevölkerung. Bemerken Sie hier bereits eine Verbesserung der Lage?

Herrgott: Migration ist ein Thema mit großer gesellschaftlicher Sprengkraft und hier bemerken wir seit Beginn des Jahres eine verbesserte Grundstimmung in der Bevölkerung. Die Resonanz auf unseren Vorstoß, Flüchtlinge flächendeckend zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen, ist zu 80 Prozent positiv. Es gibt natürlich auch Kritik, aber die besteht in erster Linie darin, dass die Aufwandsentschädigung von 80 Cent mit einem regulären Stundenlohn verwechselt wird, woraufhin wir immer wieder erklären müssen, dass es diese 80 Cent pro Stunde zusätzlich zu den Asylbewerberleistungen und den Leistungen für Wohnen und Unterkunft gibt. Auch im Landkreis selbst ist die Rückmeldung der Menschen positiv, weil sie sagen, dass jeder, der arbeiten kann, auch einen Beitrag leisten soll; vornehmlich natürlich auf dem ersten Arbeitsmarkt, um für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Und wenn das noch nicht geht oder dauerhaft nicht geht, dann eben in Form einer gemeinnützigen Tätigkeit, die einen Mehrwert für die Gesellschaft hier vor Ort bringt.

Förderprogramm der Bundesregierung bringe den Wandel, sondern die Menschen, die sich in Vereinen engagierten. Für den Heidenheimer Bürgermeister könnten sogar gleich alle 800 Förderprogramme der Bundesregierung abgeschafft werden: „Die Kommunen dürfen nicht der verlängerte Arm von Berlin sein.“ Richtig geführte Bürgerbeteiligungsformate auf kommunaler Ebene könnten laut Salomo das Vertrauen in die Politik wiederherstellen. Wichtig seien klare Zielsetzungen in der Einbeziehung der Bürger. Gebe man einen genauen Rahmen vor, innerhalb dessen Änderungen tatsächlich möglich seien, fühlten sich die Bürger einbezogen und gehört. „Wenn wir die Menschen ins Handeln bringen, dann holen wir sie ab“, so der Heidenheimer Bürgermeister.

Sowohl für Salomo als auch für Naumann steht fest: „Die Menschen, die rechts wählen, fühlen sich von der aktuellen Politik nicht mehr mitgenommen“, sagt Salomo

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 17 Kommunalpolitik

„Nichtnur meckern, sondern machen!“ Da, wo sonst Erwachsene für Kinder entscheiden, ist der Freiberger Nachwuchs mit seiner Expertise selbst gefragt. So lernen die Kinder in der sächsischen Universitätsstadt wie ganz nebenbei etwas über die Arbeit der Stadtverwaltung und des Stadtrates. Denn demokratische Teilhabe ist weit mehr als zu wählen oder zu einem Beschluss ja oder nein zu sagen. Im Kipa haben das schon mehr als 600 Schülerinnen und Schüler erfahren können.

Ein wichtiges Thema für die Jugendstadträte sind die Spielplätze der Stadt. Hier gestalten und planen sie nicht nur mit, sondern kontrollieren, ob sie sicher und sauber sind. Und noch mehr tun sie: Als ein großer Wasserspielplatz im Stadtpark entstehen sollte, organisierte das Kipa Spendenaktionen, um den Bau zu unterstützen, unter anderem mit der Bewerbung bei einer überregionalen Spielplatzinitiative. Von so viel Einsatz profitiert auch die Stadt: Seit 2021 ist Freiberg als „Familienfreundlicher Ort“ durch die Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen mbH (TMGS) zertifiziert.

Sicherheit auf dem Schulweg Sicher soll es nicht nur in der Freizeit sein, sondern auch auf dem Weg zur Schule. So hat es das junge Gremium durchgesetzt, dass vor einer Grundschule eine Kreuzung umgebaut wurde, eine weitere einen zusätzlichen Schallschutz erhielt, eine Turnhalle jetzt einen barrierefreien Zugang hat und andere Schulen mehr Parkplätze, Bänke und Spielplätze bekommen haben. Auch bei städtischen Ehrungen ist das Kipa gefragt: Der Freiberger Jugendpreis, 1997 ins Leben gerufen, wird jährlich ausgelobt. Die Vergaberichtlinien des Preises sind im vergangenen Jahr zugunsten des

Getragen

von Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung wurde Potsdams Bürgerhaushalt bereits im Jahr 2008 initiiert und seitdem regelmäßig durchgeführt. Das Angebot wird stets evaluiert und weiterentwickelt. So hat sich mittlerweile ein offenes Verfahren etabliert, das nun sogar zwei konzeptionell verschiedene Formate verknüpft. Burkhard Exner, Bürgermeister und Stadtkämmerer, beschreibt das Vorgehen wie folgt: „Potsdams Bürgerhaushalt bietet das Beste aus zwei Ansätzen. Er ist die gelungene Kombination aus einem inhaltlich offenen, gesamtstädtischen Beteiligungsverfahren, in dem alle dazu aufgerufen sind, sich zum Stadthaushalt und zur langfristigen Entwicklung der Finanzen zu äußern, sowie einer dezentralen, mit einem eigenen Budget ausgestatteten Möglichkeit, ganz konkrete Projekte kurzfristig und direkt vor Ort umzusetzen.“

Beim gesamtstädtischen Bürgerhaushalt werden zunächst Ideen der Potsdamerinnen und Potsdamer gesammelt, die haushaltsrelevant und somit darauf gerichtet sind, einen Beschluss der Stadtverordneten herbeizuführen. „Der große

Kinder an die Macht

28 Jahre Kinder- und Jugendparlament in Freiberg

(BS/Sandra Eberbach*) Jenen eine Stimme geben, die (noch) keine haben: Damit hat das sächsische Freiberg gute Erfahrungen gemacht. Für alles, was Kinder und Jugendliche in der Stadt bewegt, setzen sich die Mitglieder des Kinder- und Jugendparlamentes (Kipa) ein. Egal ob es um sichere Schulwege, Freizeit- und Spielplätze, Kinderrechte oder Ordnung und Sauberkeit in der Stadt geht – die Kinder in Freiberg gestalten mit. Und das schon seit 28 Jahren.

Im sächsischen Freiberg regieren die Kinder mit: die Mitglieder des Kinder- und Jugendparlaments zusammen mit Oberbürgermeister Sven Krüger bei ihrer jüngsten Sitzung im März.

Kipa geändert wurden. Es redet nun nicht mehr nur mit, sondern vergibt den Preis in Eigenregie. Über das Ergebnis wird dann das „große“ Vorbild – der Stadtrat – informiert. Sie sind sich ihrer Vorbildrolle bewusst und zeigen, dass zu ihrem Verständnis von Partizipation, „Einmischung“ und Engagement viel mehr gehört als „nur“ wichtige Sitzungen. So rufen sie zu vielen Aktionen auf und gehen dabei mit gutem Beispiel voran. Mit zahlreichen „Putzaktionen“ sind Schulhöfe und Spielplätze deutlich schöner geworden. Ein jüngeres Projekt des Kipa: die Podcast-Reihe „Silberstadt Vibes“. Kurz und knackig gibt sie Einblicke in die jahrhundertelange Geschichte der Stadt, deren Krönung 2019 der Welterbetitel war, aber auch in

Schulalltage oder ins Freizeitangebot. Die Liste der Beiträge des Jugendparlamentes ist lang. Die allererste Sitzung des Kipa war am 26. September 1996. Die Idee für das Gremium hatte die damalige Sozialamtsleiterin Monika Hageni. Es ist eines der ersten Kinderparlamente in den neuen Bundesländern. Fest stand von Anfang an, dass das Kipa ein Gremium für junge Leute werden soll, ähnlich dem Stadtrat, welcher als Vorbild dient.

Zweijährige Amtsperiode Ziel war und ist es heute noch, den jungen Menschen eine Plattform zu geben: ihre eigenen Ideen und Projekte in die kommunale Arbeit einzubringen, Probleme aus ihrem Umfeld aufgreifen und bearbeiten zu können sowie die

Foto: BS/Stadtverwaltung Freiberg,Detlev Müller

Möglichkeit, sich an der Arbeit des Stadtrates für Kinder und Jugendliche zu beteiligen. Eine Idee, die damals gar nicht so selbstverständlich erschien wie heute, hat sich seither immer wieder bewährt. Eine Amtsperiode des Kipa ist zwei Jahre lang. Die Arbeit der Mitglieder ist, wie im Stadtrat, ehrenamtlich. Die Kinder nutzen also ihre Freizeit für die Sitzungen und Teilnahme in den Arbeitsgruppen. Gewählt werden die Jungparlamentarier an ihren jeweiligen Schulen: an Grund- und Oberschulen je zwei, am Gymnasium sechs. Ab der dritten Klasse darf sich zur Wahl gestellt werden. Zweimal im Jahr findet eine große Sitzung statt, in der die Themen öffentlich vorgestellt, Fragen gestellt, über Beschlüsse abgestimmt und

Kein Haushalt ohne Bürgerhaushalt

Mitreden bei den Stadtfinanzen in Potsdam

(BS/Frank Daenzer*) Potsdam lebt den Bürgerhaushalt bereits über viele Jahre erfolgreich. Es gilt der Grundsatz: kein Haushalt ohne Bürgerhaushalt. Von Jahr zu Jahr ist dabei die Zahl der Teilnehmenden gewachsen. Auch dank der neuerlichen Ergänzung um dezentrale Bürger-Budgets lässt sich das Potsdamer Verfahren als Erfolgsmodell verbuchen.

Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass wir direkt und transparent informieren, was wir als Kommune alles machen. Dazu gehören in Potsdam aber auch die Fragen: Was geht und was geht nicht? Wie finanzieren wir verschiedenste Anforderungen, wo liegen die Prioritäten und finanziellen Nöte der Stadt?“, kommentiert Exner. In einem zweistufigen Verfahren werden dann die 20 wichtigsten Vorschläge ermittelt und zusammen mit der politischen Beratung des Haushalts in der Stadtverordnetenversammlung entschieden. Anschließend erfolgt die Umsetzung und später eine Rechenschaftslegung.

Bürger-Budget: Eigener Etat Ein Großteil der angenommenen Bürgervorschläge konnte in den vergangenen Jahren erfolgreich umgesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise der Bau oder die Sanierung von Spiel- und Sportplätzen, die finanzielle Förderung eines Tierheims bis hin zu konkreten Hinweisen zur Schuldentilgung. Darüber hinaus wurde der Bürgerhaushalt im Jahr 2021 um einen eigenen Etat, die sogenannten Bürger-Budgets, ergänzt. Damit können kleinere Projekte mit bis zu 5.000 Euro umgesetzt werden. Abwechselnd mit dem Bürgerhaushalt werden die Budgets nun dezentral in den Stadt- und Ortsteilen organisiert. Kooperationspartner

Der Info-Stand zum Bürgerhaushalt bietet den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zum Dialog. Foto: BS/Frank Daenzer, Landeshauptstadt Potsdam

übernehmen dabei die Sammlung der Ideen. Die Abstimmungen und Ermittlung der wichtigsten Projekte finden durch ehrenamtliche KiezJurys oder bei öffentlichen Veranstaltungen statt. Im Ergebnis hat Potsdam hierfür bisher 220.000 Euro aus städtischen Mitteln bereitgestellt und mehr als 70 Projekte finanziert. Dazu zählen unter anderem kleinere Sportgeräte im öffentlichen Raum, ein Wanderrastplatz, mehrere Baumpflanzungen und sogar ein kleines Wäldchen. Aber auch Workshops und Veranstaltungen, öffentliche Lastenfahrräder oder ein Barfußpfad wurden realisiert. Sowohl der gesamtstädtische Bürgerhaushalt als auch die dezentralen Bürger-Budgets sind in weiten Teilen der Stadtgesellschaft

bekannt. Sie werden, für Formate der indirekten Beteiligung, überdurchschnittlich stark genutzt. Beim stadtweiten Verfahren wurden bis zu 17.500 Beteiligungen gezählt, was rund zehn Prozent der teilnahmeberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner Potsdams entspricht. Bei den Bürger-Budgets machten in kleineren Ortsteilen sogar bis zu 45 Prozent der Menschen mit. Einen wichtigen Anteil daran, insbesondere im ländlichen Raum, haben die Kooperationspartner vor Ort. Sie sind Experten und kennen die Anliegen und Ansprüche der Anwohnenden am besten. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die aufsuchende und direkte Öffentlichkeitsarbeit. Die initiierten Kampagnen informieren über die Haushaltslage der Stadt und schaffen

die Themen an die Verwaltung und den Stadtrat weitergegeben werden. An diesen Sitzungen nimmt auch der Oberbürgermeister teil. Er steht dann vor den Schülerinnen und Schülern und legt Rechenschaft ab, informiert über die Arbeit und weitere Vorhaben der Stadt. Die Kinder haben das Recht, Fragen zu stellen und sie nehmen es wahr. Die Jungparlamentarier werden mit ihrer Arbeit nicht allein gelassen: Unterstützt werden sie u. a. durch Eltern, Lehrkräfte oder Mitarbeitende der Verwaltung. Allen voran jedoch Franziska Schwehm: Sie ist dem Kipa bereits seit 24 Jahren verbunden. Als Kind war sie selbst erst Mitglied und später Vorsitzende des Gremiums. Für ihr Engagement hat sie als Jugendstadträtin 2002 zusammen mit Claudia Dittmann den Jugendpreis der Stadt Freiberg erhalten. Heute ist sie hauptamtlich Kipa-Koordinatorin in der Stadtverwaltung Freiberg.

Kinderrechte ins Grundgesetz Die nächste Sitzung des Kipa ist im Januar 2025. Bis dahin sind die Kinder nicht untätig. Kürzlich feierte Freiberg mit einem Demokratiefest 75 Jahre Grundgesetz. Zum Fest haben die Kinder und Jugendlichen eine Postkartenaktion organisiert. Unter dem Motto „Kinderrechte ins Grundgesetz“ konnten die Besuchenden auf die Karten schreiben, warum Kinderrechte ins Grundgesetz gehören. Die Postkarten verschickte das Kipa an die Bundesregierung. Diese hatte sich vorgenommen, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, dies aber bisher noch nicht realisiert. Die Freiberger Nachwuchsstadträte hoffen, damit dieses Thema in Berlin noch einmal anzustoßen.

*Sandra Eberbach (B.A.) ist stellvertretende Pressesprecherin der Stadtverwaltung Freiberg.

Transparenz bzgl. der Umsetzung der wichtigsten Bürgervorhaben. Besonders hervorzuheben ist dabei die Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Karikaturisten Jörg Hafemeister. Seine Cartoons sprechen Menschen an, die bisher keine Berührung mit dem Stadthaushalt hatten und informieren anschaulich über das städtische Beteiligungsangebot.

„Potsdams Erfolg ist wesentlich auf den kontinuierlichen Dialog zwischen Zivilgesellschaft, Stadtverordneten und Verwaltung zurückzuführen. Der regelmäßige Austausch hilft, aktuelle Themen wahrzunehmen. Das ist besonders in Zeiten knapper werdender Kassen wichtig: Alle sind gefragt und werden einbezogen. Die Potsdamerinnen und Potsdamer spüren das. Mit dem Bürgerhaushalt nutzen sie die Möglichkeit, aktiv mitzugestalten. Das hilft uns, ein langfristiges Interesse für kommunale Themen und Entscheidungen zu wecken und das Vertrauen in demokratische Prozesse zu stärken. Wenn alle von der Notwendigkeit der bürgerschaftlichen Partizipation überzeugt sind und Politik sowie Verwaltung am selben Strang ziehen, nutzen die Menschen das städtische Angebot auch zukünftig so rege wie bisher. Dann sind die Chancen für den dauerhaften Erfolg vielversprechend“, fasst Exner zusammen.

Weitere Informationen finden sich online unter: Potsdam.de/Buerger haushalt.

*Der Medienwissenschaftler Frank Daenzer ist erster Ansprechpartner zum Bürgerhaushalt in der Stadt Potsdam.

Behörden Spiegel / Juni 2024
Kommunalpolitik Seite 18

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Der Landkreis Holzminden mit seinen 71.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt mit 32 zugehörigen Städten und Gemeinden im reizvollen Weserbergland in Niedersachsen.

Mit knapp 900 motivierten Mitarbeitenden versteht sich die Kreisverwaltung als moderne Dienstleisterin und kompetente Ansprechpartnerin für Bürgerinnen und Bürger sowie für Wirtschaft und Unternehmen. Das hohe Fachwissen in unserer Verwaltung wird eingesetzt, um wichtige Themen wie die Digitalisierung, die Mobilität und den Klimaschutz aktiv voranzutreiben und weiterzuentwickeln.

Zum nächstmöglichen Zeitpunkt sucht der Landkreis eine umsetzungsstarke und führungserfahrene Persönlichkeit als

Dezernentin * Dezernent (w/m/d) für Integration, Verkehr, Verbraucherschutz, Vormundschaften und Eigenbetriebe

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Die Personalberatung für den öffentlichen Sektor

Dynamische Führungspersönlichkeit mit strategischer Kompetenz in den Bereichen Finanzen und Digitalisierung gesucht!

Die Stadt Hagen liegt mit ihren rund 200.000 Einwohnerinnen und Einwohnern in einzigartig schöner Lage zwischen Ruhrgebiet und Sauerland. Gleichwohl steht auch die Stadt der FernUniversität vor vielfältigen gesellschaftlichen, finanzwirtschaftlichen, digitalen, sozialen und ökologischen Herausforderungen. Es gilt im betreffenden Vorstandsbereich unter anderem die haushalts- und finanzpolitische Situation zielführend zu lenken und zu steuern, die Digitalisierung voranzutreiben und kommunale Beteiligungen zukunftsweisend auszurichten.

Mit Blick auf die erfolgreiche Weiterentwicklung dieser Themen sucht die Stadt Hagen im Zuge einer Nachfolgeregelung eine überzeugende Führungspersönlichkeit als Beigeordnete*r und Stadtkämmer*in (w/m/d) für Finanzen, IT, Digitalisierung und Beteiligungen

Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt für die Dauer von acht Jahren. Wir bieten Ihnen eine Bezahlung nach Besoldungsgruppe B 4, bei Wiederwahl nach Besoldungsgruppe B 5 LBesG NRW.

Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Raza Hoxhaj, Elisa Heinen und Julia Schwick gerne zur Verfügung.

Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Die Personalberatung für den öffentlichen Sektor

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Bringen Sie sich bei uns ein und verwirklichen Sie zukunftsorientierte Bauprojekte für die Stadt Lünen!

Als Tochtergesellschaft der Stadt Lünen ist unser Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen AöR (SAL) verantwortlich für den effizienten Betrieb und die nachhaltige Instandsetzung der städtischen Abwasseranlagen sowie für die ordnungsgemäße Durchführung der Gewässerunterhaltung und des Gewässerausbaues. Wir sind ein moderner Abwasserbetrieb, bei dem die Zufriedenheit unserer Kund*innen im Mittelpunkt steht. Unsere 31 engagierten Mitarbeitenden und 4 Auszubildende geben tagtäglich ihr Bestes zum Wohle der Bürger*innen unserer Stadt. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine fachlich versierte und lösungsorientierte Führungspersönlichkeit als

Sachgebietsleitung

Entwässerungsplanung / Kanalbau (w/m/d)

In dieser Funktion berichten Sie direkt an die Vorständin des SAL. Diese attraktive Position ist für tariflich Angestellte nach EG 13 TVöD vergütet. Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Alexander Wodara, Annika Lachmann oder Roland Matuszewski gerne zur Verfügung.

Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Mit Ihrem ganzheitlichen Blick auf den Standort Erkelenz setzen Sie innovative Impulse für die nachhaltige und zukunftsorientierte Entwicklung unserer Stadt!

Die Kultur-, Schul- und Sportstadt Erkelenz mit ihren rund 47.000 Einwohner*innen besticht durch Vielseitigkeit. Erkelenz ist ausgezeichnet an den Bahn- und Autobahnverkehr angebunden und bietet damit einen idealen Standort für Industrie und Gewerbe. Als Stadt des Rheinischen Braunkohlereviers schafft Erkelenz Chancen mit dem tagebaubedingten Wandel und gestaltet das Tagebauumfeld aktiv mit. Die Stadt ist in Bewegung, dies zeigt unter anderem das integrierte Handlungskonzept „Erkelenz 2030“.

Zum 01.02.2025 suchen wir im Zuge einer Nachfolgeregelung eine erfahrene und teamorientierte Führungspersönlichkeit als

Technische Beigeordnete / Technischer Beigeordneter (w/m/d)

Die Berufung erfolgt für die Dauer von 8 Jahren in ein Beamtenverhältnis auf Zeit. Die Besoldung erfolgt nach A 16 LBesG NRW. Im Falle einer späteren Wiederwahl ist eine Eingruppierung in die Besoldungsgruppe B 2 LBesG NRW möglich.

Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Gianna Forcella, Elisa Heinen und Julia Schwick gerne zur Verfügung.

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Mit Ihrer Expertise gestalten Sie die soziale und familiengerechte Ausrichtung der Stadt Lippstadt mit!

Lippstadt als große kreisangehörige Stadt (72.000 Einwohner*innen) liegt verkehrsgünstig im landschaftlich reizvollen westfälischen Raum nahe dem Sauerland und dem Münsterland.

Die Stadt verfügt neben einem voll ausgebauten Schulsystem über attraktive Einrichtungen im Bildungs-, Kultur- und Sportsektor. Lippstadt ist zudem Standort der Fachhochschule Hamm-Lippstadt. Zur Erholung und Freizeitgestaltung bestehen in Lippstadt und nächster Umgebung vielfältige Möglichkeiten.

Im Zuge einer Altersnachfolgeregelung suchen wir eine fachlich erfahrene und gestaltungsstarke Führungspersönlichkeit als Fachbereichsleitung Familie, Schule und Soziales (w/m/d)

Die Vergütung erfolgt nach A 16 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 15Ü TVöD. Organisatorisch sind dem Fachbereich die folgenden Fachdienste mit insgesamt ca. 250 Mitarbeitenden zugeordnet: Schule (Schulverwaltung), Soziale Leistungen, Kindertagesbetreuung, Jugend und Familie, Soziales und Integration sowie Kinderund Jugendarbeit.

Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Gianna Forcella, Raza Hoxhaj und Julia Schwick gerne zur Verfügung.

Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Mit Ihrer Expertise gestalten Sie die Zukunft unserer Gewässer!

Alles im Fluss – Der Niersverband ist ein Wasserwirtschaftsverband mit Sitz in Viersen, der für das oberirdische Einzugsgebiet der Niers und des Nierskanals zuständig ist. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts arbeitet der Niersverband effizient, aber nicht gewinnorientiert und hat als regionales wasserwirtschaftliches Dienstleistungsunternehmen erheblichen Anteil an der Lösung ökologischer und ökonomischer Fragestellungen.

Zu den Aufgaben der Abteilung Gewässer gehören hauptsächlich die Bereiche Gewässerentwicklung und -unterhaltung, Hydrologie, Grundstücksmanagement und Vermessung. Außerdem ist die Abteilung maßgeblich für die Umsetzung des Masterplans Niersgebiet im Bereich Planung, Genehmigung und Bau mit eigenen Baukolonnen verantwortlich.

Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine fachlich versierte und kommunikationsstarke Führungspersönlichkeit als

Abteilungsleitung

Gewässer (w/m/d)

In dieser Funktion berichten Sie direkt an die Vorständin des Niersverbandes. Diese attraktive Position wird nach EG 15 Tarifvertrag Wasserwirtschaft NRW (TVWW/ NW) vergütet.

Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Alexander Wodara, Annika Lachmann oder Roland Matuszewskigerne zur Verfügung.

Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Seite 19 Personelles
den öffentlichen Sektor Anz_SGBL-Entwaesserung_SAL_06-2024.indd 1 24.05.24 13:01
Die Personalberatung für
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Die Personalberatung für den öffentlichen Sektor

Für

Uwe Zimmermann, den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Umschichtung von Mitteln in den Klima- und Transformationsfonds von Ende 2023 symbolischen Charakter: Aktuell gebe es in Deutschland zahlreiche Pläne und Ansätze, die jedoch jeder Finanzierung entbehrten. Die Vorgaben des Bundes seien häufig nicht umsetzbar, weil die Konnexität nicht festgelegt werde. Als Beispiele führte Zimmermann etwa den OGSAnspruch oder die Problematik bei der Unterbringung von Geflüchteten an – hier stiegen die Kosten für Kommunen, während verbindliche Regelungen von Bundesseite ausblieben. Aufgrund der schlechten Struktur reichten die enormen Einnahmen der öffentlichen Hand daher nicht aus. Für die kommenden Jahre sei keine Verbesserung zu erwarten: Innerhalb der nächsten zehn Jahre rechnet Zimmermann mit einem Investitionsrückstand in Höhe von rund einer Billion Euro auf kommunaler Ebene. Die Kosten verteilten sich etwa auf die Bereiche Wärme-, Energie- und Mobilitätswende sowie auf Klimaschutz oder Gesundheitswesen. Zimmermann verwies zugleich auf die schwierige wirtschaftliche Lage Deutschlands: „Aktuell ist die Wirtschaft in Deutschland nicht gut aufgestellt.“ Im europäischen Vergleich sei Deutschland weit abgeschlagen: Mit einem Wirtschaftswachstum von -0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das Jahr 2023 habe es die schwächste Wirtschaft in der EU. Daraus resultierten auch erhöhte Sozialausgaben, zu denen etwa die Eingliederungshilfe oder Jugendhilfeleistungen zählten, zumal beide sowohl Sach- als auch Geldleistungen umfassten. Hinzu komme ein gewaltiger Investitionsstau. Wirtschaftliche Herausforderungen stellten insbesondere bürokratische Hürden und kleinteilige Regulierungen, aber auch der weiter zunehmende Fachkräftemangel dar. Zimmermann forderte eine grundsätzliche Neuregelung der Finanzierungsströme durch den Bund, um den Weg zur Verbesse-

Durststrecke für Investitionen

Schwierige Finanzlage erschwert Projektumsetzungen

(BS/Marlies Vossebrecker) Wie können Kommunen trotz ihrer prekären finanziellen Lage und des allgegenwärtigen Personalmangels Projekte umsetzen, die Besserung versprechen? Zu diesem Thema diskutierten beim Kommunalen Finanz- und Wirtschaftsgipfel in Bonn Fachleute aus Kommunalverwaltung und Wirtschaft.

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer

erörterten die Auswirkungen der aktuellen Finanzlage Deutschlands auf die Kommunen. Foto: BS/Vossebrecker

rung der Lage zu ebnen. Trotz der allgemein schlechten Aussichten wurden Projekte und Herangehensweisen präsentiert, die Lösungsansätze enthielten und zugleich auf Probleme bei der Umsetzung eingingen.

Etappen zum Ziel genau planen

So erläuterte Dr. Ulrich Keilmann Direktor beim Hessischen Rechnungshof, die Vorgehensweise bei der Etablierung nachhaltiger Transformation gemäß der SDGs (Sustainable Development Goals) in Kommunen. Als erste Voraussetzung für Nachhaltigkeit nannte Keilmann einen gut aufgestellten und finanziell leistungsstarken Haushalt, der Generationengerechtigkeit einschließe. Wichtig sei darüber hinaus, ergebnis- bzw. zielorientiert zu arbeiten, statt sich um die bloße Finanzierung zu kümmern. So sei das gewünschte Ziel zwar oftmals klar definiert, wie etwa das 1,5- Grad-Celsius-Ziel, der Weg dorthin jedoch unklar. Für die

Dr. Ulrich Keilmann erläuterte Voraussetzungen für die Etablierung nachhaltiger Transformation. Foto: BS/Vossebrecker

erfolgreiche Bewältigung aller Etappen brauche es daher unbedingt ein effizientes Controlling, bei dem überprüft werde, wie und ob einzelne Schritte erreicht würden, so Keilmann. Im Sinne der Nachhaltigkeitstransformation sei ein nachhaltiges Controlling erforderlich,

das die Mittel den Stellen mit dem größten Wirkungspotenzial zuteile. Zu den konkreten Konsequenzen zähle vor allem die Haushaltssteuerung – ohne Input-Steuerung und kamerales Denken. Stattdessen plädierte Keilmann dafür, die SGDKennzahlen zu nutzen, Ziele klar

zu definieren sowie sie politisch zu diskutieren, um sie schließlich im Haushalt auszubringen. Dabei dürfe die unterjährige Berichtspflicht nicht vergessen werden.

Einen Einblick in die Planungspraxis bei der kommunalen Wärmewende und die damit verbundenen Herausforderungen gab Markus Hilkenbach von den Stadtwerken Wuppertal. Fest stehe bereits, dass Wärmeplanung und Ausbau des Wärmenetzes nicht innerhalb der vom Bund vorgegebenen Zeit umsetzbar seien. Man müsse offen über technische Lösungen, die Finanzierung sowie die notwendigen Ressourcen sprechen.

Akzeptanz der Bevölkerung unverzichtbar Fernwärme als einer wichtigen nachhaltigen Wärmequelle komme entscheidende Bedeutung zu. Jedoch würden aktuell lediglich acht bis zehn Prozent der Wuppertaler mit Fernwärme versorgt, so Hilkenbach. Selbst im Fall einer Verdopplung der Fernwärmeanschlüsse brauche es dann noch für rund 80 Prozent der Haushalte eine alternative Wärmeversorgung. Ebenfalls von großer Bedeutung sei eine klare Kommunikation zwischen allen Beteiligten, die auch und gerade die Bürgerschaft einschließe.

Denn hier sei ein Mangel an Akzeptanz zu befürchten: Einerseits müssten aktuell Investitionen aus dem bestehenden Investitionsstau der vergangenen Jahre vorgenommen werden, die auf wenig Verständnis stießen – wie etwa die Neugestaltung des Busbahnhofs. Andererseits zahlten sich die Maßnahmen im Rahmen der Wärmeplanung oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten aus, weil bestimmte Investitionen wie Wärmepumpen sich erst dann amortisierten. Aus finanzieller Sicht würden solche Entscheidungen die Hausbesitzenden also an ihre Immobilie binden. Rückhalt aus der Bevölkerung sei laut Hilkenbach in jedem Fall unabdingbar für den Erfolg eines so umfassenden Projekts wie der Wärmewende. Oberstes Ziel sollte es darum sein, einen realistischen Weg bezüglich Planung, Fristen und Umsetzung zu verfolgen.

Nachhaltigkeit bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen einzuschränken.

Damit die Nachhaltigkeitstransformation gelingt, sind zwei Aspekte von zentraler Bedeutung: Zum einen geht es um den Erhalt der finanziellen Leistungsfähigkeit. Zum anderen sind die finanziellen Mittel bestmöglich im Sinne der Nachhaltigkeitstransformation entlang der Trias aus Ökonomie, Ökologie und Sozialem einzusetzen.

„Nachhaltigkeitshaushalte“

Nachhaltige Transformation

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt.

Foto: BS/privat

Beide Aspekte nachhaltiger Kommunalfinanzen sind eng miteinander verknüpft. Deutlich wird dies nicht nur in den Regelungen der Hessischen Gemeindeordnung. Eine stetige Aufgabenerfüllung ist dauerhaft eben nur auf dem Fundament finanzieller Leistungsfähigkeit möglich. Umgekehrt können unterlassene oder falsch eingesetzte Aufwendungen zur Transformation die finanzielle Leistungsfähigkeit selbst gefährden. Das lässt sich anschaulich anhand unserer 232. (Kommunalwald) und 236. (Klima- und Energiemanagement) Vergleichenden Prüfung zeigen. So konnten beispielsweise Monokulturen (Fichten) im Kommunalwald die Jahrhundertkalamität (Hitze, Dürre, Borkenkäfer) nicht überleben. Damit fielen aber nicht nur die Verkaufserlöse aus. Auch der ökologische Waldumbau (SDG-Ziel 13) mit widerstandsfähigeren Baumarten muss zusätzlich finanziert werden. Das schlägt doppelt als Ertragsausfall und Investitionsnotwendigkeit auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der betroffenen Kommunen durch. Folglich muss eine wirklich nachhaltige Entwicklung beide Aspekte im Fokus haben, d. h. sowohl die

finanzielle Leistungsfähigkeit als auch den nachhaltigen Einsatz der Finanzmittel.

Staatsziel Nachhaltigkeit

Um die globalen Ressourcen langfristig zu erhalten, sollte deswegen Nachhaltigkeit die Grundlage aller politischen Entscheidungen sein, gleich ob im Bund, in den Ländern oder in den Kommunen.

Bereits seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro ist die nachhaltige Entwicklung als globales Leitprinzip international anerkannt. 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen mit der Agenda 2030 die Sustainable Development

Goals (SDGs). Sie dienen als Richtschnur für eine transformationsorientierte Mittelverwendung und sind weltweit gültig. Seit 2018 gibt es in Hessen das Staatsziel Nachhaltigkeit und seit 2024 auch im Saarland. Nach Artikel 26c der Verfassung des Landes Hessen haben Staat und Kommunen bei ihrem Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, um die Interessen künftiger Generationen zu wahren. Auch die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben sich im Jahr 2018 in ihrer Bonner Erklärung zur Nachhaltigkeit schon auf die Agenda 2030 der UN und damit auf die SDGs gestützt. Gerade der explizite Verweis auf die Agenda 2030 verdeutlicht, dass auch die Prüfbehörden

Grafik:BS/Dach;Quelle: Keilmann

neben der finanziellen Leistungsfähigkeit die transformationsorientierte Mittelverwendung als zwei zentrale Aspekte nachhaltiger Transformation sehen. Mit Prüfungen und Beratungen w o llen die Rechnungshöfe als unabhängige Institutionen einen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030 leisten.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Kommunalbericht 2023, Hessischer Landtag, Drucksache 20/11686 vom 21. November 2023, S. 35 ff und 178 ff. Der vollständige Bericht ist kostenfrei abrufbar unter rechnungshof. hessen.de.

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 20 Kommunaler Haushalt
des DStGB, Uwe Zimmermann, und Moderatorin Mechthild A. Stock, Stadtkämmerin a. D.,

Diese Erkenntnisse zeigt der Fahrrad-Monitor 2023 auf, der vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) aufgestellt wurde. Darin wurden 4.003 Bürgerinnen und Bürger im Alter zwischen 14 und 69 Jahren zum Thema Radfahren und Mobilität befragt. Demnach fühlen sich 40 Prozent der zweirädrigen Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr nicht ausreichend wahrgenommen. Besonders bei Kreuzungen und Straßen mit gemischtem Verkehr und ohne gesonderte Fahrradinfrastruktur fühlen sich viele der Befragten vor allem durch rücksichtlose Autofahrerinnen und -fahrer unsicher. Natürlich gibt es Städte und Gemeinden, bei denen das besser funktioniert und solche, bei denen noch Ausbaubedarf besteht. Ein Paradebeispiel ist die Gemeinde Baunatal in Hessen. Im Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), der alle zwei Jahre durchgeführt wird, schneidet Baunatal zum vierten Mal in Folge als „fahrradfreundlichste Stadt“ Deutschlands ab. Wie der Radverkehrsbeauftragte Baunatals, Hartmut Wicke, erklärt, habe die Stadt bereits vor über 15 Jahren damit begonnen, die Fahrradinfrastruktur zu fördern. Initiiert worden sei das Ganze bereits 2006 durch den damaligen Bürgermeister Manfred Schaub, der eine Radprojektgruppe gegründet habe, erklärt Wicke. „Diese Gruppe ermöglichte es Bürgern, aktiv an der Planung der Radwege mitzuwirken. Ziel war es, ein sicheres und attraktives Radverkehrsnetz zu schaffen, das sowohl Barrierefreiheit als auch überörtliche Vernetzung berücksichtigt.“

In Zukunft möchte Baunatal die Fahrradinfrastruktur weiter ausbauen. Unter anderem solle in diesem Jahr der Radweg R1 in Guntershausen umverlegt werden, ein Projekt, das über 500.000 Euro koste und durch die Landesförderung unterstützt werde, wie Wicke

Die Wärmeplanung ist die rechtlich unverbindliche, strategische Fachplanung, die die Möglichkeiten für den Ausbau und die Weiterentwicklung leitungsgebundener Energieinfrastrukturen für die Wärmeversorgung sowie zur Einsparung von Wärme aufzeigt und die mittel- und langfristige Gestaltung der Wärmeversorgung für das beplante Gebiet beschreibt. Grundlage für jeden Wärmeplan ist eine Bestands- und Potenzialanalyse. Eine wesentliche Rolle nehmen dabei treibhausgasneutrale Wärmenetze ein. Kommunen können durch Wärmenetze ihre Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen verringern, die effiziente Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien sicherstellen und auf diese Weise die gesetzlichen Klimaziele erreichen.

Förderung von Machbarkeitsstudien

Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) sieht Fördermittel vor, um die Kostenlast der Kommunen bei der Planung, der Realisierung und dem Betrieb kommunaler Wärmenetze zu senken. Diese sollen auch die Umstellung der Netze und den Neubau erneuerbar gespeister Netze unterstützen. Kommunen können u. a. Fördermittel für die Erstellung von Machbarkeitsstudien und die Errichtung oder Umrüstung eines Wärmenetzes erhalten. Die BEW ist im Herbst 2022 in Kraft getreten, viele Kommunen haben sie nur oberflächlich berücksichtigt.Die BEW findet trotz der zwischenzeitlich bestandenen Haushaltssperre Anwendung.

(K)ein Gefühl von Sicherheit

Wie ausbaufähig ist die deutsche Fahrradinfrastruktur?

(BS/Scarlett Lüsser) Die Fahrradfreundlichkeit hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland verbessert. Dennoch fühlen sich nur circa 60 Prozent der deutschen Fahrradfahrenden ausreichend sicher im Straßenverkehr. Gerade in großen Städten ist in Bezug auf das Sicherheitsgefühl für Radfahrende noch viel Luft nach oben.

Besonders in Großstädten ab 500.000 Einwohnenden wird das Fahrrad anteilig von 45 Prozent der Menschen genutzt – auf dem Land hingegen nur von 37 Prozent, zeigt der Fahrrad-Monitor 2023. Foto: BS/Kara, Adobe Stock

erläutert. Weitere Projekte wie Lückenschlüsse und die Integration des Radverkehrs in Fußgängerzonen sowie regelmäßige Ausbesserungen sollen für eine fahrradfreundliche Umgebung sorgen.

Tipps und Tricks Baunatals Empfehlung an andere Gemeinden, die ihre Fahrradfreundlichkeit erhöhen wollen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern zu fördern. Beispielsweise könne man mit der Gründung einer Radprojektgruppe die Bürgerbeteiligung stärken. Zudem reiche es nicht, das Thema Fahrradfreundlichkeit nur einmalig

anzugehen, denn die regelmäßige Durchführung von Maßnahmen „zur Verbesserung der Verkehrssicherheit, Barrierefreiheit und Vernetzung der Radwege“ sei wichtig, meint Wicke. Doch viele andere deutsche Kommunen haben laut den Befragten des Fahrradklima-Tests 2022 des ADFC nicht so gut abgeschnitten. Ausbaubedarf besteht beispielsweise in Halle (Saale). Die 552 für Halle abstimmenden Befragten bemängelten besonders die Sicherheit beim Radfahren und benannten dafür unter anderem Konflikte mit Autofahrenden sowie Fahrraddiebstähle. Auch der Winterdienst für Fahrradwege und die Führung an Bau-

stellen seien mangelhaft. Doch die Stadt in Sachsen-Anhalt arbeitet unaufhörlich daran, ihre Fahrradinfrastruktur zu verbessern. Bereits Anfang 2020 habe die Stadt die Umsetzung eines Radverkehrskonzepts für den Zeitraum 2020 bis 2025 beschlossen. Dafür habe Halle eine Reihe von Maßnahmen geplant, unter anderem sollen Radwege und Fahrradstreifen neu angelegt und bestehende saniert werden. Gerade mit der Öffnung der Einbahnstraße Lessingstraße für den Radverkehr „konnte nun eine elementare Lücke im Radverkehrsnetz geschlossen werden“, erklärt ein Sprecher der Stadt. Außerdem gebe es ein Gremium „Runder Tisch Radver-

Planung kommunaler Wärmenetze

Wesentliche Weichenstellung für den rechtssicheren Projekterfolg

(BS/Dr. Jan Bernd Seeger/Dr. Christian Kokew) Die klimaneutrale Wärmeversorgung hat Hochkonjunktur. Das Wärmeplanungsgesetz verpflichtet Kommunen – abhängig von ihrer Einwohnerzahl – bis spätestens zum 30. Juni 2026 bzw. 20. Juni 2028 eine Wärmeplanung zu erstellen und deren wesentliche Ergebnisse in einem Wärmeplan zusammenzufassen.

Kommunen müssen vor der Beantragung von Fördermitteln nach der BEW-Richtlinie prüfen, welche Leistungen für die Realisierung des kommunalen Wärmenetzes erforderlich sind und welche davon gefördert werden können. Erforderlich für die Realisierung eines Wärmenetzes sind insbesondere die Erstellung eines Transformationsplans für ein bestehendes Wärmenetz oder eine Machbarkeitsstudie für ein neues Wärmenetz, Planungsleistungen, Leistungen für die Transformation bzw. die Errichtung des Wärmenetzes und schließlich der Betrieb des Wärmenetzes.

Tücken bei der Planung

Im Zusammenhang mit der Beschaffung der vorgenannten Leistungen stellen sich eine Reihe vergaberechtlicher Fragen: Zahlreiche Kommunen wollen aus Kapazitätsgründen die Planungs- und Bauleistungen an einen Generalunternehmer vergeben und fragen sich, ob und wie dies vergaberechtlich gerechtfertigt werden kann. Unsicherheit besteht auch bei der Frage, ob die Gemeinden die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV), die Vergabeverordnung (VgV) oder den 2. Abschnitt der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen

Teil A (VOB/A-EU) anwenden müssen. Regelmäßig wird dabei zu prü-

Dr. Jan Bernd Seeger (links) und Dr. Christian Kokew (rechts) sind Rechtsanwälte, Fachanwälte für Vergaberecht und Partner bei LUTZ | ABEL Rechtsanwalts PartG mbB, München und Hamburg Foto: BS/Lutz | Abel

fen sein, ob für die Nutzung oder für den Betrieb des Wärmenetzes das Betriebsrisiko beim Auftragnehmer liegt und daher die KonzVgV Anwendung findet. Detailfragen können dabei auch von einem Anschluss- und Benutzungszwang abhängen. Auch der Umgang mit Beratern, die im Vorfeld der Auftragsvergaben z. B. zur Erstellung der Bestands- und Potenzialanalyse beauftragt werden, ist klärungsbedürftig. Neben dem Vergaberecht haben Kommunen im Falle einer BEWFörderung das Zuwendungsrecht zu beachten. Der Zuwendungsbescheid oder der Zuwendungsvertrag enthält fördertypische Nebenbestimmungen. Dazu zählt u. a.

kehr“, an dem neben Vertretetenden der Stadtverwaltung, der Polizei und der Halleschen Verkehrs-AG (HAVAG) auch radfahrende Bürger beteiligt seien. Dort würden Ideen und Vorschläge für den Radverkehr in Halle besprochen. Den Grundstein für eine bessere Fahrradinfrastruktur zu legen, sei in unserem bürokratielastigen Land gar nicht so einfach.

Liegt es nur an den Kommunen? Das hat auch das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) erkannt: In der Praxis habe sich herausgestellt, dass es beim Ausbau häufig an der Bürokratie, also an Verwaltungs-, Planungs- und Abstimmungsprozessen hänge, da für diese Prozesse viel Zeit verstreiche. Dabei sei eine Verbesserung der Radinfrastruktur ein wichtiger Baustein für die Mobilitätswende in Deutschland, meint die Teamleiterin des Forschungsbereichs Mobilität des Difu, Dr. Michaela Christ. „Oft dauert es Jahre, ehe eine neue Radverkehrsanlage errichtet ist“, so Dr. Christ. Daher gebe es nun ein vom BMDV gefördertes Projekt mit dem selbsterklärenden Titel „Radverkehrsförderung beschleunigen - Planungsprozesse optimieren“. Seit Juni 2023 entsteht im Rahmen des Projekts ein sogenanntes AcceleRAD-Programm, welches den Kommunen dabei helfen soll, ihre Prozesse zu verschlanken und Ressourcen zielgerichteter einzusetzen. Gleichzeitig sollen laut Difu auch Zielkonflikte minimiert werden. Die Erprobung des Programms soll ab Mitte 2024 in drei Modellkommunen erfolgen, wobei das Bewerbungsverfahren dafür noch aussteht. „Begleitet und kollegial unterstützt werden die Modellkommunen von einem Städtenetzwerk, das heißt von Mitarbeitenden anderer Kommunen, die mit Rat und Tat zu Seite stehen werden“, fügt Dr. Michaela Christ, die auch dieses Projekts leitet, hinzu.

die Einbeziehung der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gebietskörperschaften und Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften (ANBest-GK). Durch die ANBest-GK folgt eine (weitere) Verpflichtung zur Anwendung des Vergaberechts, die neben die sich aus den §§ 97 ff. GWB ergebenden Verpflichtung der Kommunen zur Einhaltung des Vergaberechts tritt. Verstöße gegen das Vergaberecht können erhebliche Folgen in Gestalt von Fördermittelkürzungen oder -rückforderungen haben. Kommunen müssen zudem das Verbot des vorzeitigen Maßnahmenbeginns beachten. Zuwendungen dürfen grundsätzlich nur für noch nicht begonnene Vorhaben bewilligt werden. Daher ist insbesondere zu prüfen, ob der Abschluss eines Vertrags zur Erstellung einer Machbarkeitsstudie, die Beschaffung von sonstigen Planungsleistungen oder die Vergabe eines Auftrages für Generalunternehmerleistungen gegen das Verbot des vorzeitigen Maßnahmenbeginns verstoßen.

Rechte und Pflichten Kommunen müssen zudem das Kartellrecht beachten: Eine Gemeinde ist zwar nicht zur Vergabe von Wegenutzungsrechten nach Maßgabe des § 19 GWB verpflich-

tet, wenn sie in ihrem Gebiet selbst ein Wärmenetz betreibt. Sie hat aber sicherzustellen, dass die Vergabe wegerechtlicher Gestattungen im Einklang mit dem Kartellrecht erfolgt, wenn sie ein solches Nutzungsrecht gewähren möchte. Das zeigt die jüngste Bundesgerichtshof-Entscheidung zum Stuttgarter Fernwärmnetz (BGH, Urteil vom 05.12.2023 – KZR 101/20). Danach wird nach Beendigung eines Betreibervertrags weder die Gemeinde kraft Gesetzes Eigentümerin des Fernwärmenetzes noch kann der Betreiber die Übereignung des Netzes verlangen. Ebenso wenig steht der Kommune ein Anspruch auf Beseitigung der in ihren Wegegrundstücken verlegten Fernwärmeleitungen zu. Das gilt auch für stillgelegte Leitungen, solange von diesen keine Gefahren ausgehen und die Leitungen nicht stören. Weiterhin, so der BGH, könne sich ein Anspruch auf Einräumung von (neuen) Nutzungsrechten nur ergeben, „wenn eine parallele Nutzung der städtischen Wege zum Aufbau von Fernwärmenetzen durch sämtliche Interessenten neben dem bereits bestehenden Fernwärmenetz möglich ist“. Allerdings sei der Ausbau paralleler Netzinfrastrukturen ökonomisch nicht tragfähig. Daher begründe ein bestehendes Fernwärmeversorgungsnetz ein natürliches Monopol. In der Folge können und müssen Kommunen in transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren entscheiden, wer nach Beendigung eines Betreibervertrags die Verfügungsbefugnis über die Netze bekommen soll.

Kommunale Infrastruktur Seite 21 Behörden Spiegel / Juni 2024

Behörden Spiegel: Bei einigen Befragungen hieß es bereits vonseiten der Bürgerinnen und Bürger: Mehr Polizeipräsenz = besseres Sicherheitsgefühl. Deckt sich diese Aussage mit den Ergebnissen Ihrer Untersuchung?

Tim Pfeiffer: Nein, mit Blick auf das von uns konkret verwendete Untersuchungsdesign lässt sich die Aussage, dass mehr Polizeipräsenz automatisch für ein besseres Sicherheitsgefühl sorgt, nicht bestätigen.

Im Gegenteil. Wir mussten feststellen, dass eine Erhöhung der polizeilichen Präsenz im öffentlichen Raum, auf Straßen, öffentlichen Plätzen, in Wohngebieten, an Angstorten und Kriminalitätsschwerpunkten, zu einer Verringerung des Sicherheitsgefühls beziehungsweise zu einer Steigerung des Unsicherheitsgefühls führen kann. Und das, obwohl sich in der Regel zwei Drittel der Menschen mehr sichtbare Polizeipräsenz wünschen. Erscheint die Polizei an einem Ort, wird schnell angenommen, dass etwas passiert ist oder dass der Ort, an dem man sich befindet, so unsicher ist, dass die Polizei regelmäßig kommen muss.

Gleichwohl heißt das nicht, dass Polizeipräsenz generell unwirksam ist. Vielmehr zeigt unsere Studie, dass Polizeipräsenz nicht das Universalmittel ist, für das sie so lange gehalten wurde und mit dem man nur allzu oft reflexartig auf Problemlagen reagiert, von denen man gar nicht weiß, ob eine erhöhte Polizeipräsenz überhaupt das Mittel der Wahl ist. Unsere Untersuchung belegt, dass Polizeipräsenz eine wertvolle Ressource ist, die dort eingesetzt werden sollte, wo sie den gewünschten Effekt erzielt. Wo genau das ist, darauf gibt unsere Studie bereits Hinweise. Nichtsdestotrotz bedarf es weiterer fundierter Forschung.

Anfang Mai wurde der sächsische SPD-Politiker Matthias Ecke beim Aufhängen von Wahlplakaten attackiert und schwer verletzt. Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey war bei einem Bibliotheksbesuch einem Angriff ausgesetzt. Und in Essen wurden kürzlich die beiden Grünen-Politiker Kai Gehring und Rolf Fliß attackiert. Vorfälle von gewalttätigen Übergriffen gegen Politiker haben in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen bestimmt. Doch auch verschiedene Studien belegen eine bundesweite Zunahme von Gewalt, Hetze und anderen verbalen Anfeindungen gegenüber Politikern. So präsentierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kürzlich eine Erhebung der Körber-Stiftung, laut der 40 Prozent der ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister schon einmal wegen ihrer Tätigkeit beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen wurden beziehungsweise davon berichten, dass dies Personen aus ihrem Umfeld passiert sei.

Gewaltprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe Dabei zeigt sich die zunehmende Gewaltbereitschaft aber nicht nur gegenüber politischen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern. Auch die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes sind immer häufiger von Übergriffen betroffen. Dabei stellt sich die Frage, mit welchen Maßnahmen sich den gewaltbereiten und aggressiven Tendenzen entgegenwirken lässt?

Für Andreas Hemsing, den stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes und Tarifunion, ist Gewaltprävention im

Mehr

Präsenz ≠ besseres Gefühl

Sicherheitsgefühl schaffen – aber wie?

(BS) Menschen wollen sich an ihrem Wohnort sicher fühlen. Das ist ein ureigenes Bedürfnis. Um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen, ist häufig mehr Präsenz von Ordnungshütern gefordert. Aber ist das überhaupt zielführend? Tim Pfeiffer von der Justus-Liebig-Universität Gießen ist der Frage mittels einer Studie nachgegangen und hat interessante Ergebnisse erhalten. Die Fragen stellte Bennet Biskup-Klawon.

Behörden Spiegel: Sie führten eine Kontrollstudie in Kassel zu diesem Thema durch. Was sind Ihre bisherigen Ergebnisse?

„Unsere Studie zeigt zunächst, dass Wunsch und Wirkung mitunter weit auseinandergehen können.“

Dipl.Jur. Univ. Tim Pfeiffer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Kriminologie der Justus-LiebigUniversität Gießen. Foto: BS/privat

Pfeiffer: Mithilfe unseres kontrollgruppengestützten Untersuchungsdesigns konnten wir feststellen, dass eine Erhöhung der Polizeipräsenz dazu führen kann, dass sich die Menschen unsicherer fühlen. Man fragt sich, was wohl passiert sei, dass die Polizei kommen müsse. Darüber hinaus sorgte die verstärkte polizeiliche Präsenz in der Interventionsgruppe dafür, dass die Problemwahrnehmung in Bezug auf die eingangs beschriebenen Incivilities stieg. Die Befragten aus der Gruppe mit mehr Polizei gaben im Vorher-NachherVergleich an, Drogenabhängige, Betrunkene und Lärmbelästigung stärker als Problem in der eigenen Wohngegend wahrzunehmen. Und das, obwohl es keinen physischen Nachweis über die Zunahme dieser Incivilities gab. Spannenderweise hatte die Problemwahrnehmung in Bezug auf diese Punkte in der Kontrollgruppe abgenommen. Die erhöhte Polizeipräsenz führte also nicht bloß zu einer Stärkung der Problemwahrnehmung, sondern zu einer Umkehrung des eigentlich abnehmenden Trends. Die Erklärung hierfür ist, dass die Menschen nach Gründen für die erhöhte Polizeipräsenz suchten und diese dann in den besagten Incivilities ausmachten. Natürlich könnte die Anwesenheit der Beamtinnen und Beamten auch zu einer Sensibilisierung der Problemwahrnehmung geführt haben. Festzuhalten bleibt jedoch, dass es hier um subjektive Wahrnehmungen geht. Und das ist ein ganz spannender Befund. Ebenso spannend ist der Befund, dass sich die Befragten dort, wo das Unsicherheitsgefühl und die Problemwahrnehmung

erst aufgrund der erhöhten Polizeipräsenz stiegen, ein Jahr später noch mehr Polizei zur Steigerung des Sicherheitsgefühls wünschten. Derselbe Wunsch hatte in der unbeeinflussten Kontrollgruppe abgenommen. Es deutet sich insofern ein Teufelskreis an, den eine erhöhte Polizeipräsenz in Gang setzen kann: Die Menschen wünschen sich mehr Polizei. Bekommen sie jedoch genau das, steigen das Unsicherheitsgefühl, was letztlich wiederum zu dem Wunsch nach noch mehr Polizei führt, die das Sicherheitsgefühl und die Sicherheitslage verbessern soll. In Bezug auf die polizeilich registrierte Kriminalität und die berichtete Opferwerdung konnten wir hingegen keinerlei signifikante Veränderungen feststellen. Hier brachte die verstärkte Polizeipräsenz keinen Effekt – weder in die eine noch in die andere Richtung. Lediglich in einem Bereich konnten wir einen positiven Einfluss von Polizeipräsenz feststellen: Mehr Polizei führte in der Interventionsgruppe zu einem minimalen Anstieg bei (nur) einer Frage zum Nachbarschaftsvertrauen. Die Befragten gaben nach der einjährigen Experimentalphase häufiger an, dass ihre Nachbarn Respekt vor Gesetz und Ordnung hätten. Dies dürfte auf den Umstand zurückzuführen sein, dass sich die Menschen gefragt haben, wer wohl die Polizei gerufen haben könnte. Wenn man es selbst nicht war, müssen es wohl die Nachbarn gewesen sein, so die These. Und

Aus Frust auf den Staat

Prävention gegen Gewalt im Öffentlichen Dienst

(BS/Anne Mareile Walter) Pöbeleien, Beleidigungen, Attacken mit Steinen, sexuelle Übergriffe: Nicht nur Politiker sind zunehmend von gewalttätigen Attacken betroffen, auch im Öffentlichen Dienst häufen sich die Vorfälle. Doch was hilft?

Immer mehr Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes sind von gewalttätigen Übergriffen und verbalen Attacken betroffen.

Öffentlichen Dienst eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dabei sei die aktuelle Situation besorgniserregend: In Deutschland vergehe kein Tag ohne Angriff auf Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes, erklärte Hemsing auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin. So seien 23 Prozent der Beschäftigten während ihrer Tätigkeit bereits einmal bedroht, belästigt oder beleidigt worden oder sexueller Gewalt ausgesetzt gewesen – doch nur 30 Prozent der Betroffenen hätten die Vorfälle am Ende gemeldet. Die hohe Dunkelziffer habe auch damit zu tun, dass „Meldungen in einigen Dienststellen nicht so gern gesehen“ seien, sagte Hemsing und machte damit auf eine folgenschwere Schwachstelle in puncto Aufklä-

Foto: BS/Adobe Stock, Ralf Geithe

rung der Vorfälle aufmerksam. Aus Sicht der Gewerkschaft sei es daher wichtig, dass zunächst einmal das Bewusstsein für derartige Attacken und Übergriffe geschärft werde. Der stellvertretende Vorsitzende des Beamtenbundes fordert deshalb: Deeskalationsschulungen müssten selbstverständlicher werden, auch solle es „regelmäßige Gefährdungsbeurteilungen für gefährdete Beschäftigte“ geben.

Gefährdungsbeurteilungen als „lästige Pflicht“ Michael Stock, Geschäftsführer der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, konkretisierte die Vorfälle von Gewalt. So kämen nicht nur Beschimpfungen oder Beleidigungen vor, es würden bisweilen auch

da für viele Menschen in unserem Land nach wie vor die Polizei für Gesetz und Ordnung steht, geht man davon aus, dass auch die Nachbarn Respekt davor haben, wenn sie die Polizei rufen.

Behörden Spiegel: Wie kann man das Sicherheitsgefühl steigern?

Pfeiffer: Unsere Studie zeigt zunächst, dass Wunsch und Wirkung weit auseinandergehen können und dass Präventionsmaßnahmen, die man jahrzehntelang aus gutem Glauben an ihre Wirksamkeit mit „Das wirkt schon“ etikettiert hat, fundierter Forschung bedürfen, die untersucht, ob eine Maßnahme den gewünschten Effekt bringt, den man sich von ihr erhofft.

Speziell im Hinblick auf Polizeipräsenz hat unser Experiment aber gerade nicht ergeben, dass diese generell unwirksam ist. Es hat sich lediglich gezeigt, dass sie in der von uns betrachteten Form zu gegenteiligen Effekten führen kann. Unsere Ergebnisse geben im Einklang mit der internationalen Forschung aber auch Hinweise darauf, dass Polizeipräsenz sehr wohl gute Effekte herbeiführen kann. In Bezug auf die Kriminalitätslage betrifft dies vor allem spezielle Maßnahmen des Hot Spot-Policings. Beim Sicherheitsgefühl scheint hingegen bürgernahe Polizeiarbeit, sogenanntes „Community Policing“, vielversprechend zu sein. All diese spezialisierteren Formen der Polizeipräsenz bedürfen aber tiefer gehender Wirkungsforschung. Andernfalls steht man hier vor demselben Dilemma wie damals vor unserem Experiment und muss im schlimmsten Fall feststellen, dass bestimmte Maßnahmen zwar gut gedacht sein mögen, am Ende aber genau den gegenteiligen Effekt hervorrufen. Das wiederum ist der Worst case einer jeden Präventionsmaßnahme.

„In einigen Dienststellen ist die Meldung von Vorfällen nicht gern gesehen.“

Andreas Hemsing, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes

Gegenstände wie Steine, Scheren oder Tacker geworfen. „Prävention funktioniert nur dann, wenn die Beschäftigten für das Thema sensibilisiert werden und sie auch den Mut aufbringen, ihre Vorgesetzten darüber zu informieren“, sagt auch er. Nach der Erfahrung des Hamburger Polizeipräsidenten Falk Schnabel sind allerdings eben diese Gefährdungsbeurteilungen für viele Vorgesetzte eine „lästige Pflicht“.

Andreas Stenger, Chef des badenwürttembergischen Landeskriminalamtes, appelliert in diesem Zusammenhang an die Betroffenen: „Meldet die Fälle und macht euch bewusst: Ihr seid weder schuld noch schädigt ihr den Ruf eurer Behörde.“ Bei der Suche nach der Ur-

sache für die zunehmende Gewaltbereitschaft weist Elke Hannack, die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, darauf hin: „Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes bekommen allen Frust auf den Staat ab. Der Staat ist gefordert, bessere Rahmenbedingungen für sie bereitzustellen.“ Das hat Folgen, gerade in Bezug auf das kommunalpolitische Ehrenamt. So denken sich laut Marc Elxnat, dem Leiter des Dezernats für Recht und Gesundheit beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), viele ehrenamtliche Bürgermeister über folgende Frage nach: „Tue ich mir das Amt noch an, wenn ich für politische Entscheidungen verhaftet werde, die gar nicht auf meiner Ebene getroffen wurden?“

Wartezeit als Grund für Gewalt Übergriffe auf Behördenbeschäftigte ereignen sich häufig auch aufgrund von Wartezeiten. „Es kommt immer wieder vor, dass Menschen der Ansicht sind, mithilfe von Gewalt hier eine Verkürzung herbeizuführen zu können“, berichtet Prof. Dr. Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft. „Wenn Beschäftigte im Öffentlichen Dienst Opfer von Gewalttaten werden, sind sie in dem Moment nicht das Individuum, sondern Repräsentant des Staates“, erklärt Manuela Söller-Winkler, Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein bei der Hilfsorganisation Weißer Ring. Das mache die gesamte Thematik noch einmal unberechenbarer als „Hasskriminalität, die sich gegen bestimmte Gruppen richtet“, unterstrich sie.

Behörden Spiegel / Juni 2024
Kommunale Sicherheit Seite 22

BADENWÜRTTEMBERG

Digitaler Staat

Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Juni 2024

Ein souveräner Arbeitsplatz für die Verwaltung

(BS/Anna Ströbele) Das Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) wird noch in diesem Jahr eine Office- und Collaboration-Suite anbieten, die auf die Bedürfnisse deutscher Behörden zugeschnitten ist. Dabei setzt es auf Open-Source-Software. Das ehrgeizige Ziel: die digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung zu stärken. Der praxisnahe Ansatz der GmbH stößt bereits auf internationales Interesse.

Pas de deux der Digitalisierung von Staat und Verwaltung 11. Juli 2024, Stuttgart

www.behoerdenspiegel.de

„Wirbrauchen keine weiteren Strategiepapiere, sondern funktionierende Lösungen“, bringt es ZenDis-Geschäftsführer AndreasReckert-Lodde auf den Punkt. Ob eine Alternative zu Microsoft Office, eine Plattform für Open-Source-Software (OSS) oder eine Videokonferenzlösung: Dem Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) geht es um die konkrete Umsetzung von Projekten. Die Ende 2022 gegründete und 2024 operativ gestartete Organisation hat derzeit 14 Mitarbeitende, wobei die Zahl in diesem Jahr auf 25 bis 30 ansteigen soll. Darüber hinaus unterstützen mehr als 20 Freelancer die Arbeit an den Projekten. „Wir sind überzeugt davon, dass wir mit dem Open-Source-Ansatz schnell Erfolge erzielen und Veränderung herbeiführen können“, sagt Reckert-Lodde. Außerdem könne man so föderal- und ebenenübergreifend arbeiten. Eines der ersten Projekte des ZenDiS ist openDesk. Die Office- und Collaboration-Suite bündelt verschiedene bestehende Open-Source-Lösungen zu einem Paket und soll Verwaltungen als Alternative zu Microsoft Office dienen. ZenDiS programmiert also selbst keine Software, sondern integriert praxiserprobte Tools in eine Suite „mit einheitlichem Look and Feel“. In der browserbasierten Anwendung openDesk werden etablierte OpenSource-Lösungen unter einer gemeinsamen Oberfläche kombiniert. Dazu gehören unter anderem Tools zur Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, E-Mail und Kalender. Aktuell befindet sich das Produkt noch in der Testphase. ZenDiS nutzt openDesk selbst produktiv und stößt immer wieder auf Verbesserungspotenzial: „Die Planung von Folgeterminen ist ein schönes Beispiel. Um

die tägliche Arbeit zu erleichtern, wurde eine Funktion eingefügt, die automatisch einen Termin sucht, an dem alle Zeit haben“, veranschaulicht Reckert-Lodde

Die Anwendung stetig an den Bedarf der Nutzer anpassen zu können, sei dem Geschäftsführer nach ein großer Vorteil von Open Source.

Ein vergleichbarer Feature-Wunsch an einen großen Hersteller würde

„Wir

wollen unser Produkt jederzeit anpassen können – je nach Bedarf.

Andreas Reckert-Lodde, Geschäftsführer des ZenDiS

entweder lange dauern oder schlicht unbeantwortet bleiben. Unter anderem im Robert-Koch-Institut (RKI) und im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) gibt es derzeit sogenannte Superuser, die openDesk testen. In User-Experience-Boards geben sie Feedback, welches in die Weiterentwicklung einfließt. Im Gegensatz zu anderen Verwaltungsprojekten erarbeite ZenDiS nicht erst Anforderungen auf dem Papier, sondern optimiere Schritt für Schritt auf Basis einer bestehenden Lösung. Um openDesk einfach in die Behörden zu bringen, werde das ZenDiS mit Partnern für Betrieb und Pflege zusammenarbeiten. Die Ausschreibungen hierfür liefen und interessierte Institutionen hätten sich bereits gemeldet. OpenDesk soll im vierten Quartal dieses Jahres als Software as a Service (SaaS) genutzt

werden können. Auf diese Weise soll der Zugang so einfach wie möglich gestaltet werden. Außerdem werde so ein einheitliches Sicherheitsniveau etabliert. Alternativ kann der Code von der Plattform OpenCoDE heruntergeladen und auf eigenen Servern installiert werden. Doch stellt sich die Frage: Braucht es openDesk überhaupt? Klar ist, dass die Zukunft von Microsoft Office in der Cloud liegt. Ein On-Premises-Betrieb sei dann nicht mehr möglich, verdeutlicht Reckert-Lodde Und das berge Risiken. So könnten Datenabflüsse nicht sicher verhindert und auch die Verfügbarkeit der Dienste nicht gewährleistet werden. Ein digital souveräner Staat müsse jedoch immer handlungsfähig bleiben. Mithilfe von openDesk? In den Sozialen Medien heißt es, es gebe schon gute Open-Source-Software, niemand habe nach einer weiteren Office-Suite gefragt. Doch ReckertLodde sieht Bedarf für ein professionell betriebenes Gesamtpaket. Das zeigten auch Anfragen von verschiedenen Akteuren nach openDesk. ZenDiS verfolge schließlich die Mission, der öffentlichen Verwaltung ein breites Spektrum an Software anzubieten und sie unabhängiger von einzelnen Herstellern zu machen. Zudem sei Flexibilität wichtig: „Wir wollen unser Produkt jederzeit anpassen können – je nach Bedarf“, erklärt der Geschäftsführer. Bislang ist nur das BMI Gesellschafter ZenDiS sei als GmbH gegründet worden, um als agile Einheit BundLänder-Kommunen-übergreifend agieren zu können und nicht zu sehr von politischen Entscheidungen abzuhängen, betont Reckert-Lodde. So könne auch das Aufgabenspektrum der Organisation angepasst werden.

Derzeit hat das Unternehmen zwei Geschäftsführer. Mit dem Bundesinnenministerium (BMI) findet ein wöchentlicher Austausch statt. Seit April gibt es einen Aufsichtsrat, sein Vorsitzender ist der Staatssekretär im BMI und CIO der Bundesregierung, Dr. Markus Richter. Auch er hält nach eigenen Aussagen „engen Kontakt zur Geschäftsführung“ und berät mit ihr unter anderem die Strategie und die Geschäftsentwicklung des Unternehmens. Für den Organisationsaufbau hat ZenDiS eine Anschubfinanzierung erhalten, darüber hinaus arbeitet das Zentrum auftragsfinanziert. Die Digitalpolitikerin Anke DomscheitBerg (Linke) bemängelt eine Unterfinanzierung. Im Haushalt 2024 stehen für ZenDiS 19 Millionen Euro zur Verfügung. Damit könne man arbeiten, meint Reckert-Lodde, aber mehr wäre besser und würde „in manchen Bereichen helfen, größere Schritte zu machen“. Künftig sollen sich die Länder als Gesellschafter beteiligen. Schleswig-Holstein und Thüringen haben bereits entsprechende Absichtserklärungen unterschrieben. Das Bundesinnenministerium bereitet aktuell den erforderlichen Antrag nach Paragraph 65 BHO vor, der zeitnah dem Bundesministerium der Finanzen und

dem Bundesrechnungshof übermittelt werden soll, teilt Richter mit. Für ihn ist die Beteiligung der Länder ein wesentlicher Baustein zum Erfolg des ZenDiS. Momentan arbeitet ZenDiS mit der Anschubfinanzierung in Höhe von 9,5 Millionen Euro. Ein Auftrag für OpenCoDE liegt bereits vor. Eine Verlängerung sowie die Beauftragung für openDesk und OpenConference sind laut Reckert-Lodde auf dem Weg. Kommunen und öffentliche IT-Dienstleister können über govdigital mit dem ZenDiS arbeiten. ZenDiS selbst ist seit Dezember 2023 Mitglied der Genossenschaft.

Interesse am deutschen Weg Auf europäischer Ebene ist das Interesse am ZenDiS groß. „Sehr viele blicken gerade auf Deutschland. Was ich hier als Feedback bekomme, ist, dass wir mit dem ZenDiS eine echte Vorreiterrolle einnehmen“, bekräftigt der Geschäftsführer. Einen solchen „Arbeitsmuskel“ wie das ZenDiS habe noch niemand aufgebaut. Mit Frankreich und Österreich gibt es bereits Vereinbarungen zur Zusammenarbeit, mit der Schweiz einen Austausch. Mit Frankreich sollen zudem gemeinsame Projekte aufgesetzt werden. Jüngst bekundeten auch die Vereinten Nationen (UN) Interesse an der Herangehensweise des ZenDiS. Auf der Konferenz „OSPOs for Good“ im Juli in New York werden Staatssekretär Dr. Markus Richter, AndreasReckert-Lodde und Adriana Groh vom Sovereign Tech Fund gemeinsam den deutschen Weg vorstellen. „Offensichtlich werden wir da sehr gut wahrgenommen“, folgert Reckert-Lodde. Er sei positiv überrascht und sieht die Einladung als Bestätigung für die Arbeit und die Idee des ZenDiS.

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Titelbild:
Verwaltung der Zukunft inSH, HH, HB, MV, NI, ST NORDL@NDERDIGITAL 5. September 2024 Grand Elysée Hotel Hamburg

Neun

Sachverständige äußerten sich im Rahmen der Anhörung, die von der Vorsitzenden Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen) geleitet wurde. Mehrere Expertinnen und Experten brachten die Bundesnetzagentur (BNetzA) als zentrale Aufsichtsbehörde für die Umsetzung des AI Acts ins Spiel. Die Bundesnetzagentur wurde bereits zum Digital Services Coordinator (DSC) in Deutschland ernannt und koordiniert in dieser Rolle das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG). Die zusätzliche Aufsicht über die KIVerordnung scheint eine naheliegende Lösung zu sein, die natürlich mit Folgefragen nach Budget, Personal und konkreten Zuständigkeiten einhergehen würde.

100 Mitarbeiter für KI-Büro

Kilian Groß von der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien (CNECT) ging zunächst auf die europäische Ebene ein: auf das geplante KI-Büro bei der Europäischen Kommission. Dieses solle rund 100 Mitarbeiter umfassen, von denen „bis Ende nächsten Jahres“ alle ihre Arbeit aufnehmen sollen. Auf nationaler Ebene drängt Groß zur Eile. Er plädiert für eine rechtzeitige Entsendung von Vertretern in das AI-Board. Denn bereits nach sechs Monaten könnten die ersten Verbote kommen, obwohl die Frist zur Be-

Favorit Bundesnetzagentur

Wer koordiniert den AI Act in Deutschland?

(BS/Christian Brecht) Das Gesetz zur Regulierung Künstlicher Intelligenz (KI-Verordnung bzw. AI Act) wurde im März vom Europäischen Parlament beschlossen, jüngst erfolgte die Verabschiedung durch den Europäischen Rat. Die große Frage für Deutschland und die anderen EU-Mitgliedsstaaten lautet: Wie wird die komplexe Verordnung auf nationaler Ebene umgesetzt? Darüber referierten geladene Sachverständige bei einer Anhörung des Digitalausschusses. Die Vorteile einer zentralen KI-Aufsichtsstelle kristallisieren sich heraus – und diese sollte schnell kommen.

nennung der zuständigen Behörde ein Jahr betrage.

Prof. Dr. David Roth-Isigkeit von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer sieht kaum eine Alternative zu einer Zentralisierung auf Bundesebene. Er sprach sich für zwei organisatorisch

getrennte Behörden aus – eine notifizierende Behörde und eine Marktüberwachungsbehörde –, die aber „unter einem Dach“ organisiert werden könnten. Möglich sind laut Roth-Isigkeit Bundesbehörden ohne Beteiligung der Länder, aber auch aufgabenteilige Kooperationsformen

zwischen Bund und Ländern – solange es nicht zu einer unzulässigen Aufgabenverflechtung komme. Für Nicole Büttner-Thiel, Bundesverband Deutsche Startups und CEO von Merantix Momentum, kann eine zentrale Anlaufstelle schnelle Verfahren gewährleisten. Auch sie sprach sich für eine zügige Umsetzung aus, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, etwa in Sachen Konformitätspflichten bei Hochrisikoanwendungen. Notwendig sei eine rechtssichere, praxistaugliche, bürokratiearme und innovationsfreundliche Umsetzung der KI-Verordnung, so Büttner-Thiel.

Lina Ehrig vom Verbraucherzentrale Bundesverband hatte die Verbraucherinnen und Verbraucher im Blick. Zu deren Bedürfnissen gehöre etwa ein niedrigschwelliges Beschwerdeverfahren. Ehrig nannte die Umsetzung des Digitale-Dienste-Gesetzes als Vorbild für die KI-

Verordnung. Sie hält es daher für folgerichtig, die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde in Betracht zu ziehen. Wie bei der Koordinierung des DDG könne auch für die Umsetzung der KI-Verordnung ein unabhängiger KI-Beirat innerhalb der Aufsichtsbehörde eingerichtet werden.

Für Dr. Robert Kilian, CEO und Geschäftsführer von CertifAI und im Vorstand des KI-Bundesverbands, solle es bei der Auswahl der Aufsichtsbehörde ausschlaggebend sein, dass eine grundsätzliche Bereitschaft da sei, sich neuen Themen zu öffnen. Er schlug zudem vor, die Aufsichtsbehörde mit einer Task Force zu flankieren, die die föderalen Strukturen berücksichtige. Kritik am AI Act

Prof. Dr. Patrick Glauner von der Technische Hochschule Deggendorf zeigte sich dem AI Act gegenüber grundsätzlich skeptisch. Durch die breite und unkonkrete Definition von Künstlicher Intelligenz (KI) in Verbindung mit der vagen Abgrenzung von Hochrisiko-Anwendungen bestehe die Sorge vor Bürokratiebelastungen und Innovationshemmnissen. Glauner warnte aufgrund dieser Unklarheiten auch vor einer potenziellen Vielzahl zivilrechtlicher Klagen, für die die Behörden und die Justiz zusätzliche eigene KIKompetenzen aufbauen müssten.

Das liebe Geld

OZG-2.0-Vermittlungsausschuss muss Finanzierungsfrage klären (BS/Mirjam Klinger) Im März dieses Jahres lehnte der Bundesrat die Erweiterung des Onlinezugangsgesetzes (OZG 2.0) ab. Die Bedeutung des OZG 2.0 ist sowohl der Bundesregierung als auch der Opposition bewusst. Nun ist der Vermittlungsausschuss in der Verantwortung. Er muss eine Lösung für das Gesetz finden, welche in beiden Kammern mehrheitsfähig ist.

„Konsequente Digitalisierung ist im Public Sector ein Muss. Mit DATEV können wir alles rechtssicher umsetzen.“

Digitale Prozesse zu initiieren und auszubauen, ist eine der großen Herausforderungen im Public Sector – die leistungsstarke und rechtssichere Software von DATEV für Finanzwesen, Personalwesen und Verwaltungsprozesse unterstützt Sie zuverlässig bei Ihren Vorhaben. Das macht DATEV und die steuerlichen Berater zu den idealen Partnern an Ihrer Seite.

„Wichtig wäre, dass das OZG 2.0 verabschiedet wird“, betonte der CIO der Bundesregierung und Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), Dr. Markus Richter, beim Online-Thementag des Behörden Spiegel zum OZG 2.0. Man helfe denen, die täglich an der Verwaltungsdigitalisierung arbeiteten. Sowohl Richter als auch Ernst Bürger, Abteilungsleiter „Digitale Verwaltung; Steuerung OZG“ im BMI, sehen keine Alternative zum OZG 2.0. Sollte das Gesetz nicht verabschiedet werden, könnten viele der bereits durch den Entwurf gewonnenen Errungenschaften wieder verloren gehen, z.B. die Abschaffung der Schriftform oder der Rechtsanspruch auf digitale Leistungen im Bund, warnte Bürger Nachdem das Gesetz im Bundesrat keine Mehrheit bekommen hatte, hatte die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Vermittlungsausschuss angerufen. Dort tagt nun auf Wunsch der Opposition eine sogenannte Unterarbeitsgruppe. „Die Regierungsfraktionen wollte diese zunächst nicht einrichten“, erklärte die Bundestagsabgeordnete Franziska Hoppermann (CDU/CSU). Laut Hoppermann sind sich Opposition und Regierung bei der Zielsetzung einig. Es gehe nun darum, wie man pragmatisch die Uneinigkeiten aus dem Weg räumen könne. Die Dauer der Verhandlungen sei jedoch noch nicht abzusehen.

Vier Kritikpunkte

Mehr Informationen unter go.datev.de/public-sector

Die Kritik der Bundesländer an der Weiterentwicklung des OZG konzentrierre sich auf vier Hauptpunkte, so Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Bei drei Punkten habe es bereits Zugeständnisse der Bundesregierunggegeben: Datenabrufe auf Registern sollen nun auch asynchron – also zeitversetzt – möglich sein und der IT-Planungsrat soll stärker einbezogen werden. So ist geplant, dass nur „im Einvernehmen“ mit dem Planungsrat Standards festgelegt werden können. Zudem soll das Steuer-Softwarezertifikat Elster dauerhaft als Identifizierungsund Authentifizierungsverfahren genutzt werden können. „Was jetzt noch übrigbleibt, ist der Haushalt“, erläuterte Funke-Kaiser

Eine Frage der gesicherten Finanzierung Bereits 2022 hatten die G9-Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen) in einem gemeinsamen Positionspapier eine gesicherte Finanzierung gefordert. Wer für die Verwaltungsdigitalisierung in Zukunft bezahle, lasse sich zum aktuellen Zeitpunkt jedoch noch nicht in Gänze klären, informierte Verena Schrewe-Mörk, Referentin im Innenministerium Baden-Württemberg und Leiterin des E-Government-Portals service-bw und des OZG-Hubs. Speziell Haushaltsjährlichkeiten und Legislaturperioden erschwerten eine dauerhafte Finanzierungsplanung. „Es war aber absehbar, dass die Länder und Kommunen langfristig, selbstständig Gelder für ihre Zuständigkeiten einstellen müssen“, stellte Schrewe-Mörk klar. Franziska Hoppermann sieht in der Finanzierungsthematik ein großes Risiko: „Bei der strukturellen Frage geht es für uns nicht darum, ob wir es wollen, sondern wie wir es umsetzen können – und das hängt vom Geld ab.“ Die Frage der Finanzierung bleibt somit eine zentrale Herausforderung, deren Lösung maßgeblich für den Erfolg des Onlinezugangsgesetzes 2.0 sein wird.

Behörden Spiegel / Juni 2024 Informationstechnologie Seite 24
Das kreative Potenzial von KI nutzen und zugleich deren Grenzen regulieren – das und mehr kommt auf die nationale Aufsichtsbehörde zu. Foto: BS/Alexander Limbach, stock.adobe.com

Behörden Spiegel: Herr Krebs, wie läuft aktuell die OZG-Umsetzung in Baden-Württemberg bei Land und Kommunen?

Krebs: In Baden-Württemberg haben wir bislang über 520 Onlinedienste umgesetzt. Wobei nicht jeder dieser Onlinedienste OZG-relevant ist. Acht Kommunen bieten im Land mehr als 200 Onlinedienste über unsere E-Government-Plattform servicebw an. Weitere rund 60 Kommunen bieten mehr als 100 Onlinedienste über service-bw an. Wir haben in Baden-Württemberg somit noch ein großes Stück Arbeit mit dem Namen Flächendeckung vor uns, d. h. die Anbindung aller kommunalen Vollzugsbehörden an die vom Land bereitgestellten Onlinedienste.

Als Flächenland mit einer hohen Zahl an kleinen Kommunen stehen wir hier vor einer ganz besonderen und zentralen Herausforderung. Wir bauen deswegen unter anderem gemeinsam mit dem IT-Dienstleister der Kommunen in Baden-Württemberg eine sogenannte Rollout-Einheit auf. Mit der Finanzierung von E-Government-Koordinatorinnen und -Koordinatoren, die bei allen 35 Landkreisen installiert sind, tragen wir als Land Baden-Württemberg zur allgemeinen Aktivierung und Sensibilisierung der Kommunen bei. Die Koordinatorinnen und Koordinatoren sollen als Multiplikatoren und Anlaufstelle vor allem für kreisangehörige Gemeinden fungieren. Nichtsdestotrotz werden wir die Flächendeckung nur dann erreichen, wenn alle Landkreise, Städte und Gemeinde in Baden-Württemberg aktiv mitwirken.

Behörden Spiegel: Der Deutsche Städtetag und andere haben vor mittlerweile rund drei Jahren die „Dresdner Forderungen“ aufgestellt, die, verkürzt gesagt, eine stärkere Zentralisierung bestimmter Verwaltungsservices auf der gesamtstaatlichen Ebene vorsehen. Gehen Sie da mit?

Krebs: Das Thema der Zentralisierung hat für mich eine – sozusagen – zentrale Bedeutung, wobei ich hier lieber von Bündelung spreche. Elektronische Verwaltungsleistungen von einer Stelle anbieten zu lassen, statt von Dutzenden oder Hunderten, ist auf den ersten Blick ein No-Brainer, wenn das gesamte Verfahren von der Antragstellung via Onlinedienst über die Durchführung des eigent-

Alle müssen aktiv mitwirken

Land unterstützt Kommunen bei flächendeckendem Onlinedienst-Rollout

(BS) Baden-Württemberg hat in seiner Digitalisierungsstrategie „digital@bw“ im Jahre 2017 das Ziel formuliert, das Land zur „digitalen Leitregion“ in Deutschland und Europa zu machen. Seitdem wird die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung insbesondere auch durch den IT-Beauftragten der Landesregierung und CIO/CDO des Landes, Stefan Krebs, vorangetrieben. Im Interview mit dem Behörden Spiegel gibt er einen Einblick in den Stand der Verwaltungsdigitalisierung im „Ländle“. Das Gespräch führte Guido Gehrt.

„Elektronische Verwaltungsleistungen von einer Stelle anbieten zu lassen, statt von Dutzenden oder Hunderten, ist auf den ersten Blick ein No-Brainer…“

lichen Verwaltungsverfahrens bis zur Bescheidung medienbruchfrei und automatisiert durchgeführt werden kann.

Das Paradebeispiel, das in diesem Kontext seit Langem genannt wird, ist die Fahrzeugzulassung. Die entsprechende Verwaltungsleistung ist komplett automatisierbar, die Zulassungsbehörden haben keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum.

Einen Ortsbezug gibt es nicht und inzwischen muss die Zulassungsbehörde vom Zulassungsnehmer auch nicht mehr physisch aufgesucht werden. Da Baden-Württemberg diese EfA-Leistung umgesetzt hat, wollen wir in einem nächsten Schritt prüfen und erproben, ob sich – und wenn ja, wie – eine Bündelung des Verwaltungsvollzugs bei einer Behörde bewerkstelligen lässt.

Bei näherer Betrachtung gibt es hier neben rein technischen und organisatorischen Aspekten auch rechtliche, finanzielle und politische Implikationen, die es zu bewerten gilt.

Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass wir aus Effizienzgründen und angesichts der Masse der noch Ende-zu-Ende umzusetzenden Verwaltungsleistungen gut daran tun, das Thema Bündelung oder Zentralisierung stärker als bisher in den Vordergrund zu rücken.

heitsanforderungen des KBA nicht kurzfristig nachweisen und wurden seitens des Kraftfahrtbundesamts vom i-Kfz-System abgekoppelt. In Baden-Württemberg ist von den erwähnten Abschaltungen durch das Kraftfahrtbundesamt allerdings keine Zulassungsstelle betroffen. Auch das von Baden-Württemberg angebotene i-Kfz-Portal, das bundesweit von vielen Ländern nachgenutzt wird, wurde zu keinem Zeitpunkt abgeschaltet. Die Sicherheit unseres i-Kfz-Portals war bisher und ist auch jetzt jederzeit gewährleistet. Wie bisher steht damit das Kfz-Onlinezulassungs-Portal vollumfänglich zu Verfügung.

Behörden Spiegel: Verwaltungsintern zählt in der Landesverwaltung seit Jahren die Einführung der elektronischen Akte (E-Akte) zu den Großprojekten. Wie ist der aktuelle Stand dieses Großprojekts?

Behörden Spiegel: Der Einsatz von KI-Lösungen in der öffentlichen Verwaltung wird aktuell sehr intensiv in der „Community“ diskutiert. Wie beurteilen Sie das Potenzial und gibt es in der Landesverwaltung BadenWürttemberg bereits konkrete Anwendungsszenarien bzw. erste Projekte?

Krebs: Künstliche Intelligenz wird das Arbeitsleben in der Verwaltung entscheidend verändern. Wir haben bereits heute sog. Justice-Tech-Anwendungen im Justizbereich in der Praxis erfolgreich erprobt – hierbei handelt es sich um die Unterstützung bei der Bearbeitung des Massenverfahrens der Dieselklagen im OLG Stuttgart sowie die Bearbeitung von Fluggastrechteverfahren beim Amtsgericht Frankfurt. Aber nicht nur im Justizbereich, sondern auch in anderen Geschäftsbereichen der Landesverwaltung sollen Geschäftsprozesse, die für einen erheblichen Arbeitsanfall sorgen, durch die Nutzung von KI-Modellen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten. Daneben gibt es zahlreiche weitere Anwendungsfelder, von der Textgenerierung und -prüfung – dies wird den Landesbe-

„Künstliche Intelligenz wird das Arbeitsleben in der Verwaltung entscheidend verändern.“ governikus.de

Behörden Spiegel: Sie haben die Zulassungsbehörden angesprochen. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat Anfang des Jahres zahlreichen Kommunen die i-Kfz-Portale gesperrt, da diese, so das KBA, die Sicherheitsanforderungen nicht erfüllten. Was war da los?

Krebs: Aufgrund erfolgreicher Cyberangriffe auf ein Rechenzentrum von Zulassungsbehörden in Nordrhein-Westfalen hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Einhaltung der geltenden Sicherheitsanforderungen strenger als bisher mit verhältnismäßig kurzer Frist eingefordert. Da die Zulassungsbehörden im Rahmen von i-Kfz „schreibenden Zugriff“ auf das Zentrale Fahrzeugregister des Bundes haben, ist es nachvollziehbar, dass nicht riskiert werden kann, dass mit solchen Rechten ausgestattete Behörden möglicherweise kompromittiert werden. Viele Zulassungsbehörden in der Bundesrepublik bzw. die Hersteller der dort eingesetzten Fachverfahren konnten die Einhaltung der Sicher-

Krebs: Das Projekt E-Akte BW ist mittlerweile fast abgeschlossen. Zum Ende des ersten Quartals 2024 waren rund 23.000 Arbeitsplätze in 209 Behörden ausgerollt. Damit fehlen nur noch vier Behörden. Die letzte Behörde wird am 8. Juli 2024 mit der E-Akte BW produktiv gehen. Der Rollout wird damit Mitte des Jahres wie geplant abgeschlossen sein.

Die Software VIS-Suite mit dem Landes-Add-On BW wird stetig weiterentwickelt. Dazu gehört die Umsetzung von Anforderungen, aber auch Themen wie die Potenziale von KI für die E-Akte werden diskutiert. Außerdem erfordern die zahlreichen Schnittstellen, z. B. zu service-bw, den besonderen elektronischen Behördenpostfächern (beBPo) und SAP RePro, die die E-Akte BW bundesweit einzigartig an umliegende IT-Systeme anschließen, fortlaufende Anpassungen.

Der Betrieb der E-Akte BW wird Ende des Jahres vollständig an den Betreiber BITBW übergehen. Diese Übergabe wird aktuell vorbereitet und in den kommenden Monaten Stück für Stück durchgeführt.

diensteten bereits mit F13 zur Verfügung gestellt – bis hin zur Bild- und Datenanalyse oder der Unterstützung bei der Entwicklung von Fachanwendungen.

Diese Entwicklung ist auch nicht mehr zu stoppen, vielmehr wollen wir sicherstellen, dass wir die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz datenschutz- und wertekonform nutzen können. Dazu werden wir im Land die bereits bestehenden KI-Projekte bündeln und eine eigene KI-Infrastruktur für die Umsetzung der verschiedenen Anforderungen aufbauen.

Eine Langversion des Interviews findet sich auf der Behörden SpiegelWebseite (www.behoerdenspiegel.de).

Seite 25 Behörden Spiegel / Juni 2024 Informationstechnologie
Stefan Krebs, CIO/CDO des Landes BadenWürttemberg, wird am 11. Juli in Stuttgart den diesjährigen Kongress „Baden-Württemberg 4.0“ mit einer Keynote eröffnen. Foto: BS/Laurence Chaperon
Einfache Legitimationsprüfung bei Banken und Sparkassen dank digitaler Identitäten

KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)

Das ungenutzte Potenzial digitaler Assistenten

Aus Beruf und Alltag sind digitale Assistenten kaum noch wegzudenken. Ihr Potenzial lässt sich auch für das Gemeinwohl nutzen.

In unserer Gesellschaft haben digitale Assistenten einen bedeutenden Platz eingenommen. Als datengesteuerte Navigatoren führen sie uns durch die Vielzahl an Möglichkeiten der digitalen und analogen Welt – wie schon Navigationssysteme zeigen. Die technologische Fähigkeit dieser Assistenten, riesige Datenmengen zu analysieren und daraus kontextbezogene, personalisierte Handlungsvorschläge abzuleiten, eröffnet komfortable Nutzungsmöglichkeiten, die direkt unser Verhalten beeinflussen. Damit wächst auch ihre Bedeutung für die Wahrnehmung und Gestaltung des öffentlichen Raums. Doch welche Werte sollten dabei im Vordergrund stehen?

Wertedesign und Gestaltungsprioritäten

Das aktuelle Whitepaper „Das Gemeinwohl-Potenzial digitaler Assistenten“ des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT) bietet Einblicke in die treibenden Entwicklungen digitaler Assistenten und veranschaulicht anhand konkreter Beispiele,

Bei einer Entwicklung hin zu einer Online-Wahl gelten jedoch hohe Hürden, die das Bundesverfassungsgericht für den Einsatz elektronischer Wahlgeräte gesetzt hat. Diese wurden für bundesweite Wahlen von der Europawahl 1999 bis zur Bundestagswahl 2005 genutzt. Im Jahr 2009 entschied das Bundesverfassungsgericht aber, dass ihr Einsatz nur zulässig ist, wenn die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können. Diese Anforderung gilt ebenso für eine Stimmabgabe über das Internet. Grund dafür ist der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl: Die Stimmabgabe muss natürlich geheim erfolgen, aber alle übrigen wesentlichen Schritte und Entscheidungen

bei einer Wahl in Deutschland sind öffentlich. Auch die Auszählung aller abgegebenen Stimmen anhand der Stimmzettel ist öffentlich, lässt sich wiederholen und damit Schritt für Schritt nachprüfen. Die Bürgerinnen und Bürger können ohne Anmeldung die Auszählung im Wahllokal beobachten. Die Ermittlung des Wahlergebnisses ist transparent und nachvollziehbar.

wie diese für das Gemeinwohl nutzbar gemacht werden können. Eine gezielte Informationsfilterung ist für eine bedarfsgerechte Nutzung digitaler Assistenten häufig unerlässlich. Entsprechend vermitteln digitale Assistenten Informationen nicht neutral, sondern durch selektive Darstellung, die das Verhalten und die Wahrnehmung ihrer Nutzenden beeinflussen. Ist diese Informationsfilterung allein auf individuelle Effizienzsteigerung ausgerichtet, wird der Handlungsraum verkürzt und wertvolle Handlungsmöglichkeiten können unbeabsichtigt übersehen werden. Indem digitale Assistenten eine umfassendere Perspektive einnehmen, die soziale Wechselwirkungen und den breiteren gesellschaftlichen Kontext einbezieht, können sie den Handlungsspielraum ihrer Nutzenden erweitern und zur Schaffung gesellschaftlichen Mehrwerts beitragen.

Stellschrauben für das Gemeinwohl Der Begriff des Gemeinwohls ist kontextabhängig und muss immer

Juni 2024

Digitale Assistenten können die Partizipation und Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger fördern und ihre informationelle Selbstbestimmung unterstützen.

wieder neu austariert werden. Dabei bemisst sich das Gemeinwohl nicht nur an ökonomischen Maßstäben, sondern auch durch den qualitativen Gebrauchswert und die Wirkungen für die Gemeinschaft. Gemeinwohlorientierung bedeutet, dass man den Beitrag einer digitalen Lösung zu einer positiven Entwicklung für alle betrachtet. Digitale Assistenten können dem Gemeinwohl auf vielfältige Weise dienen, indem sie etwa die Partizipation und Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger fördern und ihre informationelle Selbstbestimmung unterstützen. Das veranschaulichen Navigationssysteme, die den Verkehr intelligent lenken, um Belastungen gleichmäßig zu verteilen, oder Assistenten, die öffentliche Ressourcen und Unterstützungsangebote sichtbar machen, indem sie Informationen zu lokalen Diensten

Online-Wahlen

Grafik: BS/ÖFIT

und sozialen Einrichtungen direkt in ihre Funktionalität integrieren. Auch bieten sie eine niedrigschwellige Möglichkeit, anonymisierte Daten zu teilen, um etwa städtische Planungsprozesse zu unterstützen oder Ressourcen effizienter zu nutzen. Einen besonderen Mehrwert bietet auch die Priorisierung von Informationen, die den Bedürfnissen vulnerabler Bevölkerungsgruppen etwa durch erweiterte Filteroptionen gerecht wird.

Anreize schaffen Möglichkeiten, den gesellschaftlichen Nutzen digitaler Assistenten zu steigern, bestehen nicht nur in einer staatlichen Förderung, die gezielte Anreize für die Berücksichtigung breiter gesellschaftlicher Belange in der Entwicklung von Assistenten schafft. Auch der Zugang zu verlässlichen öffentlichen

Wie schätzt die Bundeswahlleiterin Chancen, Risiken und Realisierbarkeit ein?

(BS/Dr. Ruth Brand) Als Bundeswahlleiterin bin ich – zusammen mit den Wahlorganen auf kommunaler und Landesebene – für die Vorbereitung und Durchführung bundesweiter Wahlen zuständig, also für Bundestags- und Europawahlen. Wir sorgen für einen sicheren und ordnungsgemäßen Wahlprozess und dazu gehört natürlich auch die Stimmabgabe. Grundlage unserer Arbeit ist das geltende Wahlrecht, das eine Online-Wahl derzeit nicht vorsieht. Wenn sie künftig als Form der Stimmabgabe zulässig werden soll, braucht es zuvor einen politischen Abwägungs- und Entscheidungsprozess zwischen den Fraktionen des Deutschen Bundestages und im Ergebnis eine Änderung des Wahlrechts.

Derzeit kennen wir kein Wahlgerät und kein Online-Wahlverfahren, das all dies sicherstellt. Eine entsprechende Lösung müssen die Softwareentwickler erst noch finden.

Herausforderung bei Absicherung gegen Cyber-Angriffe Auch die Absicherung einer IT-gestützten Stimmabgabe gegen Cyber-Angriffe wäre angesichts der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland eine Herausforderung: Die Gemeinden entscheiden selbst, wenn sie IT-Systeme unterstützend zur Übermittlung der vorläufigen Ergebnisse in der Wahlnacht einsetzen und sind auch für deren Absicherung verantwortlich. Wenn also künftig einmal geeignete ITSysteme für die Stimmabgabe verfügbar sein sollten, werden wir zusammen mit den Gemeinden und Bundesländern entsprechende Lösungen für deren Einsatz und Absicherung bei einer bundesweiten Wahl entwickeln müssen.

Auch aus Sicherheitsgründen halte ich unsere bewährte Wahl mit Zettel und Stift daher derzeit für die beste Lösung. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine sichere und ordnungsgemäße Wahl und deren Akzeptanz sind wesentlich für das Vertrauen in unsere Demokratie.

Ich verstehe aber natürlich den Wunsch vieler Wählerinnen und

Dr. Ruth Brand ist seit Januar 2023 Präsidentin des Statistischen Bundesamtes und Bundeswahlleiterin.

Foto: BS/Die Bundeswahlleiterin

Wähler nach einer digitalen Wahlmöglichkeit. In unserem Leben sind immer mehr Prozesse digital steuerbar, warum nicht auch die Wahl?

Dass man in vielen Gemeinden inzwischen die Briefwahlunterlagen über einen QR-Code auf der Wahlbenachrichtigung schnell und unkompliziert beantragen kann, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Erleichterte Stimmabgabe für noch mehr Wählerinnen und Wähler

Die große Chance einer OnlineWahl läge darin, dass sie noch mehr Menschen die Stimmabgabe erleichtern würde – beispielsweise Menschen, die sich länger im Ausland aufhalten oder in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Aber natürlich könnte grundsätzlich jede und jeder, die oder der sich ein wenig mit dem Internet auskennt, damit besonders einfach an der Wahl teilnehmen. Für alle anderen Wahlberechtigten müsste es selbstverständlich weiterhin ein analoges Verfahren geben. Der Grundsatz

Daten ist essenziell. Dabei muss ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und deren Nutzung für das Gemeinwohl gefunden werden. Techniken wie Anonymisierung und die Erzeugung synthetischer Daten können hierbei unterstützen.

Das Whitepaper „Das Gemeinwohl-Potenzial digitaler Assistenten“ empfiehlt, mit einem klaren Fokus auf Transparenz, Datenschutz und ethischen Grundsätzen das volle Potenzial digitaler Assistenten auszuschöpfen, um das Gemeinwohl zu stärken und Fragen der Gerechtigkeit zu adressieren. Weitere praxisnahe Beispiele und Gestaltungsmöglichkeiten finden sich im kostenfreien Whitepaper unter: www.oeffentliche-it.de/publikatio nen?doc=333511

der Allgemeinheit der Wahl fordert, allen Wahlberechtigten die Stimmabgabe zu ermöglichen. Diesen Grundsatz gewährleistet heute auch die Briefwahl. Sie ist vielleicht nicht ganz so schnell und unkompliziert, wie es eine OnlineWahl sein könnte; so müssen Deutsche mit Wohnsitz im Ausland teils lange Postlaufzeiten für die Wahlunterlagen in Kauf nehmen. Aber die Briefwahl setzt – in Kombination mit der Urnenwahl – die Grundsätze der Allgemeinheit und der Öffentlichkeit der Wahl um: Durch die beiden Wege der Stimmabgabe haben alle Wahlberechtigten die Möglichkeit, an der Wahl teilzunehmen. Zugleich ist die Auszählung der Urnen- und der Briefwahlstimmen öffentlich und die Ergebnisermittlung transparent. Eine Online-Stimmabgabe würde sich auch auf die Kosten der Wahl auswirken: So ließen sich etwa ein Teil der Kosten für die Beschaffung der Wahlunterlagen und ein Teil der Portokosten einsparen. Demgegenüber wären deutlich höhere Kosten für Entwicklung, Betrieb und Absicherung der IT-Systeme zu erwarten. Doch wie gesagt, bislang kennen wir keine IT-Systeme, die eine sichere Stimmabgabe unter Einhaltung aller Wahlrechtsgrundsätze gewährleisten. Dies ist jedoch eine Momentaufnahme. Wenn es zukünftig entsprechende Systeme für parlamentarische Wahlen geben sollte, die sich zuvor bei anderen Wahlen – etwa der Online-Sozialwahl – als praxistauglich erwiesen haben, werden wir sie natürlich genau prüfen. Neben der Sicherheit und Nachvollziehbarkeit eines solchen Systems ist dann auch entscheidend, ob die Bürgerinnen und Bürger die Online-Stimmabgabe als zusätzliche Alternative zur Stimmabgabe an der Urne oder per Brief akzeptieren.

Potenzial bei Digitalisierung der Wahlvorbereitung Bei anderen Prozessen im Rahmen der Wahlvorbereitung sind die Hürden für eine Digitalisierung von Verfahrensschritten jedoch geringer. So regen Parteien und sonstige politische Vereinigungen an, in den kommenden Jahren elektronische Lösungen für das Einholen und Bescheinigen von Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge zur Europawahl anzubieten. Daneben würde die Digitalisierung des Antrags auf Eintragung in ein Wählerverzeichnis Deutschen mit Wohnsitz im Ausland die Wahlteilnahme erleichtern. Dafür setze ich mich, wie bereits mein Vorgänger, ein. Eine Digitalisierung bei solchen vorgelagerten Schritten halte ich in absehbarer Zeit für realistisch –eine Online-Stimmabgabe aus den genannten Gründen vorerst nicht. Bis auf Weiteres bleiben wir also bei unserem bewährten Wahlverfahren. Wir haben in Deutschland eine allgemeine und öffentliche Wahl mit einem etablierten, sicheren und nachvollziehbaren Wahlverfahren. Natürlich sind wir dennoch aufgeschlossen für zukünftige Entwicklungen und gespannt auf die Potenziale, die sie für das Wahlverfahren bieten können.

Behörden Spiegel / Juni 2024
Informationstechnologie Seite 26

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Behörden Spiegel: Herr Schönbohm, was beinhaltet das neue Leitbild der BAköV?

Schönbohm: Es bringt mehrere Aspekte zum Ausdruck. Zunächst einmal haben wir den Leitspruch entwickelt, dass die Bundesakademie die zentrale Fortbildungseinrichtung des Bundes ist und die Voraussetzung für eine agile und nachhaltige Bundesverwaltung schafft. Ferner wollen wir darstellen, warum es Spaß macht, in der Bundesakademie zu arbeiten, wie Fortbildung funktioniert und dass diese essenziell ist, um einen guten Job zu machen.

„Es braucht spannende Wissens-Snacks oder Knowledge Nuggets.“

Behörden Spiegel: Warum hat sich die BAköV das Leitbild gegeben?

Schönbohm: In der heutigen digitalen Welt hat man mittlerweile alle 18 Monate ein neues Update, z. B. ein neues Smartphone. Die letzte Version des Leitbildes der BAköV wurde vor 22 Jahren erstellt. Es war an der Zeit, dieses zu aktualisieren. In dem Wort „Bundesakademie“ steht jeder einzelne Buchstabe für etwas. B steht für bedarfsorientiert, U steht für universell, N steht für nachhaltig, D für digital, E für engagiert, S für serviceorientiert, A für agil, K für kompetent, das zweite A für ambitioniert, D für divers, E für empathisch, M für methodenstark, I für innovativ und E für erfolgreich. So sehen wir uns selbst und so wollen wir auch von außen wahrgenommen werden. Dies ist unser Anspruch und daran wollen wir auch gemessen werden.

Behörden Spiegel: Wie setzen Sie das neue Leitbild organisatorisch um?

Als erster Platinum-Partner von Aleph Alpha positioniert sich Materna an der Spitze des technologischen Wandels mit innovativen Lösungsansätzen für den öffentlichen Sektor. Im Zentrum dieser strategischen Partnerschaft stehen Aleph Alphas Sprachmodelle, auf denen KI-Applikationen spezifisch für den Einsatz in der öffentlichen Verwaltung entwickelt werden können. Die Integration von Aleph Alphas Technologien innerhalb der IT-Dienstleistungen von Materna verspricht, die Effizienz, Sicherheit und Zugänglichkeit öffentlicher Dienste signifikant zu verbessern, wobei die Technologie direkt in den Rechenzentren der Endkunden implementiert werden kann, ohne externe Anbindung. Zusätzlich ermöglicht die Materna-KIKofferlösung, eine vorkonfektionierte KI-Umgebung mit Aleph Alphas Luminous, einen schnellen Einsatz mit Echtdaten.

Gemeinsame Vision für eine innovative öffentliche Verwaltung „Wir sind sehr erfreut über die exklusive Platinum-Partnerschaft, die es uns ermöglicht, die bereits gute Zusammenarbeit mit Aleph Alpha im Sinne unserer Kunden weiter zu intensivieren. Die Verwaltung benötigt innovative, sichere und souveräne Lösungen. Nun können wir gemeinsam intensiv daran arbei-

Von bedarfsorientiert bis erfolgreich

Neues BAköV-Leitbild formuliert klaren Anspruch an Fortbildung

(BS) Die Explosion der Wissensgesellschaft erfordert eine ständige Erneuerung des Wissens auch für Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung. Dementsprechend sollte Fortbildung nach dem Präsidenten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV), Arne Schönbohm, als Voraussetzung für eine agile, nachhaltige Verwaltung verstanden werden. Im Gespräch mit Dr. Eva-Charlotte Proll erläutert er die Beweggründe für das neue Leitbild der Bundesakademie und Maßnahmen zu dessen Umsetzung.

Arne Schönbohm, Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV), präsentiert das neue Leitbild der Behörde.

Schönbohm: Wir werden in Zukunft deutlich digitaler. Wenn Sie zum Beispiel einen Arbeitsweg von 30 Minuten mit der Bahn haben, hören viele Menschen Podcasts. Lerne, wann und wo du möchtest. Warum sollte man nicht auch Wissenspodcasts der BAköV hören, in denen Fragen des Haushaltsrechts, der Zuwendung etc. einfach erklärt werden? Es braucht spannende Wissens-Snacks oder Knowledge Nuggets. Damit wird es auch skalierbarer. Darüber hinaus braucht es zielgruppenspezifische Lernpfade. Ich werde 55 Jahre alt, gehöre also zur Gruppe der älteren Männer. Ein 23-jähriger Berufsanfänger hat andere Lernanforderungen. Das wollen

Foto: BS/Dr. Proll

wir in einer engen Kooperation mit der Wirtschaft und mit der Wissenschaft angehen.

Behörden Spiegel: Was bedeutet dies für die inhaltliche Weiterentwicklung?

Schönbohm: Unsere Aufgabe ist es, die Beschäftigten der Bundesverwaltung zu qualifizieren und auf neue Themen wie den Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder Maschinellem Lernen vorzubereiten. Wir haben allein in den letzten zehn Jahren rund 8.000 neue Verordnungen auf Bundesebene hinzubekommen. Mit dieser Entwicklung muss man nicht nur in seinem eigenen Fachgebiet, sondern auch übergreifend Schritt

Kräfte gebündelt

halten. Das müssen wir europäisch mitdenken. Informationssicherheit, Digitalisierung, Quereinsteiger ohne juristische Vorkenntnisse müssen Grundprinzipien erlernen können. Auch Onboarding-Programme müssen im Bereich der Fortbildung anders gestaltet werden: Wie funktio-

der obersten Zielsetzungen für mich war, diese Wartelisten abzubauen und die Anzahl der Schulungsmaßnahmen zu steigern. Hierzu haben wir entschieden, nicht mehr alles selbst und individualisiert anzubieten, sondern mit großen externen Schulungsanbietern zusammenzuarbeiten. Die Kontrolle über den Inhalt und die Qualität der jeweiligen Schulung verbleibt bei der BAköV. Hier haben wir eine Vielzahl von Rahmenverträgen abgeschlossen. Dies gibt uns die Möglichkeit, unsere Ressourcen besser in Bereichen zu konzentrieren, in denen eine Art Einzelmanufaktur erforderlich ist. So haben wir etwa gerade ein sogenanntes „Academy Leadership Program“ für obere Führungskräfte

„Wenn wir keine Fortbildung hätten, dann hätten wir Sand im Getriebe.“

niert öffentliche Verwaltung? Was ist öffentliches Recht? Wie funktionieren Zuwendungsbescheide? Was ist über das Aufenthaltsrecht in Erfahrung zu bringen? Derartige Fragestellungen werden stärker trainiert werden.

Behörden Spiegel: Wie passt das Angebot der BAköV mit der Nachfrage im Bereich digitale Kompetenzen der Bundesverwaltung zusammen?

Schönbohm: Zunächst einmal bin ich sehr dankbar, dass vor drei Jahren die Digitalakademie als Speerspitze eingerichtet wurde. Wir gehen jetzt operativ in die Fortführung. Dort haben wir Digital Journeys für die Entscheiderebene entworfen. Die Herausforderung besteht nun darin, dies zu skalieren und – neben dem Netzwerk – auszubauen.

Behörden Spiegel: Wie hat sich die Nachfrage von Schulungen insgesamt entwickelt?

Schönbohm: Sie geht steil nach oben. Als ich mein Amt angetreten habe, standen bei uns rund 6.000 Personen auf der Warteliste. Eine

Exklusive Partnerschaft zwischen Materna und Aleph Alpha (BS/Sascha Rentzing*) In einem wegweisenden Schritt haben Materna und Aleph Alpha, ein Pionier im Bereich generativer KI-Technologien, ihre Kräfte gebündelt. Diese Zusammenarbeit, die Materna den exklusiven Platinum-Status bei Aleph Alpha sichert, kündigt wichtige Veränderungen in der Bereitstellung und Nutzung öffentlicher Dienstleistungen an.

ten, das Potenzial in der Verwaltung durch den Einsatz von Luminous zu erschließen“, sagt Michael Hagedorn, CEO von Materna.

Jonas Andrulis, Gründer und CEO der Aleph Alpha GmbH, sagt: „Als etabliertes Familienunternehmen genießt Materna seit Jahrzehnten einen ausgezeichneten Ruf in der Entwicklung hochwertiger Technologien für den öffentlichen Sektor. Mit unserer Platinum-Partnerschaft verbindet uns ein ganz konkretes

Ziel: die noch schnellere und effizientere Integration von KI-Technologien für die öffentliche Hand. Gemeinsam werden wir unser Angebot an sicheren KI-Lösungen für die öffentliche Verwaltung deutlich erweitern und dabei helfen, robuste, souveräne Strukturen in sicherheitskritischen Bereichen zu etablieren.“

Veränderungen und Verbesserungen

Durch die „Materna Generative AI Factory“, die auf den Sprachmodellen von Aleph Alpha basiert, können Behörden aus ihren vorhan-

Michael Hagedorn, CEO von Materna, und Jonas Andrulis, Gründer und CEO von Aleph Alpha, wollen das Angebot an sicheren KI-Lösungen für die öffentliche Verwaltung gemeinsam deutlich erweitern.

Foto: BS/Materna

denen öffentlichen und internen Daten wertvolle Einsichten gewinnen. Diese Innovation ermöglicht eine natürliche und mehrsprachige Kommunikation, die den Arbeitsalltag von Mitarbeitenden vereinfacht

und die Interaktion mit Bürger/-innen und Unternehmen beschleunigt. Anwendungsbereiche wie die elektronische Aktenführung, Portalwesen und Fachanwendungen erfahren durch diese Technologie

aus verschiedenen Ressorts gestartet. Im Jahr 2023 konnte somit die Anzahl der Fortgebildeten um rund 20 Prozent gesteigert werden.

Behörden Spiegel: Was sind die zentralen Herausforderungen für die Zukunft?

Schönbohm: Entscheidend wird sein, welcher Stellenwert dem Thema Fortbildung beigemessen wird. Ist sie schlicht ein Kostenfaktor oder bildet sie die Voraussetzung für eine agile und nachhaltige Bundesverwaltung? Wenn wir etwa über Verwaltungsmodernisierung nachdenken, dann ist die Fortbildung essenziell. Wenn wir keine Fortbildung hätten, dann hätten wir Sand im Getriebe. Wie in anderen Branchen auch, muss in der öffentlichen Verwaltung auch die Erkenntnis gelten, dass der Mensch die entscheidende Ressource ist – mit all seinen Fähigkeiten und Eigenschaften. Ihn müssen wir fordern und fördern – auch geistig. Diese Art des Erweckens und Voranbringens brauchen wir, um eben keinen Sand ins Getriebe zu bekommen.

bedeutende Veränderungen und Verbesserungen. Ein herausragendes Merkmal dieser Partnerschaft ist die von Aleph Alpha bereitgestellte Möglichkeit zur Erklärbarkeit von KI-generierten Inhalten. Diese Funktion gewährleistet, dass Ergebnisse transparent und nachvollziehbar sind, was insbesondere in Bereichen mit hoher Komplexität und rechtlichen Anforderungen von unschätzbarer Bedeutung ist.

Bessere Zugänglichkeit und Qualität

Kunden und Bürger profitieren unmittelbar von dieser Zusammenarbeit durch eine signifikante Verbesserung der Zugänglichkeit und Qualität öffentlicher Dienstleistungen.

Die Automatisierung von Prozessen und die Vereinfachung der Kommunikation ermöglichen es den Behörden, sich effektiver auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren und gleichzeitig den Bürgern einen verbesserten Service zu bieten. Die Partnerschaft zwischen Materna und Aleph Alpha setzt somit einen neuen Standard für die Nutzung generativer KI zur Förderung der Effizienz, Sicherheit und des Wohlergehens der Bürger.

*Sascha Rentzing ist als Unternehmenssprecher bei Materna tätig.

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 28 Informationstechnologie

Die Abhängigkeit von chinesischen Technologien ist eine der größten Sorgen im Zusammenhang mit digitaler Souveränität. Unternehmen wie Huawei und ZTE haben in den letzten Jahren eine bedeutende Präsenz in verschiedenen Bereichen der digitalen Infrastruktur aufgebaut, sei es bei der Bereitstellung von Hardware, digitalen Kommunikationsnetzen wie 5G oder Software. Diese Abhängigkeit und der Versuch Pekings, Einfluss auf die digitale Infrastruktur westlicher Staaten zu nehmen, bergen große Risiken. Dabei stehen Sicherheitsbedenken im Vordergrund. Durch Artikel 7 des „National Intelligence Law“ sind chinesische Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen und Organisationen dazu verpflichtet, mit den Nachrichtendiensten zusammenzuarbeiten und gegebenenfalls Daten weiterzugeben. Dies birgt das

Europäische digitale Souveränität

Unabhängig, sicher und innovativ

(BS/Maik Außendorf) In einer zunehmend vernetzten Welt gewinnt die digitale Souveränität immer mehr an Bedeutung. Angesichts der rasanten technologischen Entwicklung und der zunehmenden Abhängigkeit von internationalen Technologiegiganten rückt die digitale Souveränität in den Mittelpunkt politischer und wirtschaftlicher Debatten – sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene.

Potenzial für Spionage und den Missbrauch sensibler Informationen. Zudem warnen Sicherheitsexperten seit Langem davor, dass China im Konfliktfall westliche Netzwerke lahmlegen könnte.

Die Vision eines souveränen digitalen Ökosystems auf europäischer Ebene umfasst Hard- und Software, digitale Kommunikationsnetze und Know-how, die unabhängig von externen Zulieferern und Dienstleistern sind. Ziel ist es, ein vollständig unabhängiges und sicheres Ökosystem zu schaffen, das auf europäischen Technologien und Innovationen basiert. Diese Souveränität erhöht nicht nur die Sicherheit und Resilienz, sondern auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit Europas.

Um die digitale Souveränität Europas zu stärken und die Abhängigkeit von chinesischen Technologien zu verringern, bedarf es konkreter Maßnahmen und strategischer Projekte, die konsequent in diese Rich-

Vorgezogen

Delos Cloud soll im März 2025 kommen

(BS/Uwe Proll) Hatte Delos noch wegen der befürchteten Dauer der Zertifizierungsverfahren mit einem Start der souveränen Cloud 2026/2027 gerechnet, wurde der operative Betrieb jetzt auf März 2025 vorgezogen. Auch Google sieht sich mit seinem deutschen Konsortialpartner auf einem guten Weg. Einige Stufen seines Modells bis hin zu einer gekapselten souveränen Variante laufen schon, alle sollen spätestens Anfang 2025 live gehen.

Microsoft habe bisher 800 Millionen Euro investiert, um den Wettbewerbern voraus zu sein, heißt es aus Unternehmenskreisen. Aus dem SAPUmfeld ist zu hören, dass mit dem Auswärtigem Amt und dem ITZBund sowie der Bundeswehr konstruktive Gespräche liefen, um mit Testkunden dann Anfang 2025 zu starten. Potenziell könnte der Bund ca. 800.000 User in die Microsoft-basierte Cloud bringen. Weil etliche Bundesbehörden nicht „cloudready“ sind, rechnet man unternehmensintern mit einem Startvolumen von 150.000 bis 200.000 Usern. Darüber werden aktuell Vertragsverhandlungen mit dem Bundesinnenministerium (BMI) geführt. Unklar ist derzeit noch, wer Vertragspartner wird. In Frage käme das ITZBund, das weiterhin für die Betriebskonsolidierung der IT aufseiten des Bundes zuständig ist. Da das Bundesfinanzministerium (BMF) auf die Delos-Lösung setzt, gilt dies als wahrscheinlich. Das BMF will den Arbeitsplatz Microsoft 365 (Office) für alle Beschäftigten des Bundes sichern, gleichzeitig ist das BMF selbst SAP-Anwender. Die Delos Cloud soll die Anwendungen in ihren Rechenzentren anbieten, hauptsächlich in Frankfurt. Doch die Kunden müssen dahin kommen. Das geschähe für manche Behörden durch BDBOS-Anbindungen. Die Bundesanstalt für den Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben hat hierfür eine Task-Force eingerichtet. Für Behörden, die diese Anbindung nicht haben sowie für Zugriffe aus dem Homeoffice, wird nach einer Lösung gesucht. Wie aus dem BSI zu erfahren war, ist man zuversichtlich, dieses Problem mit Partnern aus der Industrie in den Griff zu bekommen. Der Aufwuchs der Kunden könnte allerdings schleppend verlaufen,

denn etliche große Behörden sind mit anderen Anbietern von CloudLösungen im Gespräch oder haben bereits Verträge abgeschlossen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass hier Lösungen zum Einsatz kommen, die im Wesentlichen Daten-Hosting betreiben und nicht die Verfahren selbst in den Rechenzentren liegen haben.

Bemerkenswert ist auch, dass das Bundesverteidigungsministerium direkt mit Delos verhandelt und nicht über die Tochter BWI, die ja selbst eine Bundeswehr-Cloud anbietet und, ähnlich wie govdigital für den Kommunalbereich, als Broker für kommerzielle Public Clouds antreten will.

Sichergestellt soll bei Delos sein, dass, wenn die US-Regierung den Export von Updates und Releases unterbindet, der Betrieb uneingeschränkt weiterlaufen kann – eine Voraussetzung für Souveränität. Die Frage, wie lange ohne Releases weitergefahren werden kann, ist zwischen Anbieter und BMI noch strittig.

Delos setzt bei den derzeitigen Verhandlungen auf Musterkunden des Bundes, will aber, um der Rentabilität willen, auch Länderbehörden und Kommunen gewinnen. Das Rennen um diese nimmt nun Fahrt auf. Nachdem es in den Verhandlungen zwischen SAP und der BertelsmannTochter arvato – diese soll die technischen Services sicherstellen – zu Verzögerungen gekommen war, ist Delos wieder zuversichtlicher gestimmt. Doch die beteiligten Unternehmen SAP und Microsoft bieten Behörden ihre eigenen Cloud-Lösungen an. Ein turbulenter Markt, bei dem noch Überraschungen möglich sind und der politisch geprägt ist durch die Zeitenwende, die Distanz zu chinesischen Bauteilen in deutschen Telekommunikationsnetzen und die US-Wahl.

tung gehen. So kann beispielsweise der verstärkte Einsatz von OpenSource-Software zu mehr Transparenz und Sicherheit beitragen. Wir haben bereits vertrauenswürdige und leistungsfähige Hersteller von Netzwerkkomponenten und sind nicht auf Produkte aus China angewiesen. Dass dies funktioniert, zeigt beispielsweise das Unternehmen 1&1 in Deutschland, das konsequent auf nicht-chinesische Komponenten setzt. Der weitere Ausbau muss ohne chinesische Komponenten erfolgen und für den Bestand ist eine ExitStrategie überfällig. Viele Unternehmen und Organisationen nutzen Cloud-Dienste außerhalb Europas, was Fragen der Datensicherheit aufwirft. Zudem hat es bereits Angriffe auf Satellitenkommunikation und Unterseekabel gegeben. Ein orchestrierter Angriff auf Überseekabel hätte weitreichende Folgen für die europäische Wirtschaft. Zur Souveränität gehört daher auch eine funktionie-

rende und attraktive europäische Cloud-Infrastruktur.

Abgesicherte Rechenzentren und resiliente Lieferketten Wir benötigen neue Strukturen, um hybride Bedrohungen zu erkennen und abzuwehren. Deshalb brauchen wir das KRITIS-Dachgesetz, das all das leistet. Auch die kommunalen Rechenzentren, die die Kommunen mit Daten und IT-Dienstleistungen versorgen, müssen besser geschützt werden. Der Hackerangriff auf das Rechenzentrum Südwestfalen IT ist dafür ein eindrückliches Beispiel. Der Zugang des IT-Dienstleisters, der zahlreiche kommunale Einrichtungen in der Region unterstützt, war nur unzureichend geschützt. Der Vorfall macht deutlich, dass eine mangelnde Absicherung der IT-Infrastruktur weitreichende Folgen hat, die weit über die betroffenen Kommunen hinausgehen. Für die Wirtschaft bedeutet Souveränität auch resiliente Lieferketten.

Maik Außendorf, Bundestagsabgeordneter (Bündnis 90/Die Grünen) und ordentliches Mitglied des Ausschusses für Digitales Foto: BS/Stefan Kaminski

Besonders deutlich wurde dies bei den Engpässen in der Versorgung mit Halbleitern. Halbleiter sind nicht nur die Grundlage der digitalen Infrastruktur, sondern auch für eine Vielzahl von Produkten unverzichtbar. Zur Souveränität gehört daher auch eine Halbleiterstrategie, die eine möglichst breite Selbstversorgung auf europäischer Ebene zum Ziel hat. Erste Erfolge sind mit geplanten Ansiedlungen in Dresden, Magdeburg und im Saarland bereits sichtbar. Als grüne Bundestagsfraktion setzen wir uns seit Jahren dafür ein, diese Bedrohungslagen ernst zu nehmen. Die Sicherung unserer kritischen Infrastruktur und die Verringerung der Abhängigkeit von Technologien aus autoritären Staaten sind zentrale Sicherheitsfragen. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und unsere Abhängigkeit von russischem Gas haben uns dies deutlich vor Augen geführt. Aus diesen Fehlern müssen wir lernen.

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Seite 29 Informationstechnologie Behörden Spiegel / Juni 2024
Für erfolgreiche IT-Teams von morgen

Cyber-Kriminalität entwickelt sich sehr schnell, Hackergruppen sind dezentral organisiert und operieren zunehmend internationaler – häufig werden sie dabei von anderen Staaten orchestriert. Am Beispiel Russlands zeigt sich, wie internationale Kriege und Konflikte auch immer deutlich im Digitalen zutage treten. Der Kreml unterstützt bereits Angriffe auf unser Stromnetz, Banken, Regierungsparteien und den Deutschen Bundestag. Und wir dürfen uns hierbei keinen Illusionen hingeben: Straftaten im Bereich der Cyber-Kriminalität werden in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Schließlich befinden wir uns in einer Zeit zunehmender Digitalisierung, die noch lange nicht abgeschlossen ist. Mit dem Internet of Things vervielfacht sich die Angriffsfläche nochmal. Potenziell kann jeder Netzwerkdrucker und jeder smarte Kühlschrank als Einfallstor für Kriminelle dienen. Mit der Entwicklung von KI dürfte das von Cyber-Angriffen ausgehende Risiko künftig noch weiter sprunghaft ansteigen.

Die Rolle des BSI Wir stehen dem nicht machtlos gegenüber. Aber um effektiv handeln zu können, müssen wir unsere Kompetenzen bündeln. Das ist aktuell nicht der Fall. Die Länder verantworten Cyber-Abwehr zum Großteil selbst, allerdings ohne Unterstützungsmöglichkeiten durch den Bund. Kooperation beschränkt sich dabei nur auf punktuelle Amtshilfe, dauerhafte Unterstützung kann nicht angeboten werden. Aus diesem Grund schlug Innenministerin Nancy Faeser (SPD) 2022 vor, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zur bundesweiten Zentralstelle für die Abwehr von Cyber-Gefahren auszubauen. Es hält bereits Expertise auf

Dezentralen Bedrohungen begegnen

Gebündelte Cyber-Abwehr im BSI

(BS/Daniel Baldy) 200 Milliarden Euro: So hoch war im vergangenen Jahr der monetäre Schaden durch Cyber-Kriminalität in Deutschland. Die Dunkelziffer ist dabei hoch – Anzahl und Intensität der Angriffe steigen von Jahr zu Jahr. Der kürzlich veröffentlichte „Bundeslagebericht Cybercrime 2023“ verdeutlichte noch einmal unsere Vulnerabilität.

dem Gebiet vor und hat sich in den vergangenen Jahren einen guten Ruf als kompetenter Ansprechpartner erarbeitet. Insofern ist es nur konsequent, die Koordination der bundesweiten Cyber-Abwehr auch dort anzusiedeln. Dabei sollen die Länderkompetenzen gewahrt und um Dienstleistungen des Bundes ergänzt werden. Durch solch eine enge Verzahnung aller Akteure auf Landes- und Bundesebene ermöglichen wir bessere Formen der Kooperation und können uns Synergien zunutze machen.

Zum einen kann das BSI als zentrale Informations- und Meldestelle fungieren. So werden effektive Informationswege statt der bisher

nötigen multilateralen Absprachen etabliert. Die im BSI vorgehaltene Expertise und Kapazität zur CyberAbwehr kann zudem im Krisenfall von den Ländern einfacher zu Hilfe genommen werden. Mit den im BSI zusammenlaufenden Informationen können außerdem Lagebilder für Landesbehörden und die Betreiber Kritischer Infrastruktur erstellt werden.

Bisher darf das BSI den Ländern nur Berichte zur Verfügung stellen, die ohnehin für andere Bundesbehörden angefertigt wurden, spezifische Briefings sind nicht möglich. Außerdem bleiben bisher viele Möglichkeiten der Synergie ungenutzt: Durch das BSI angebotene

Serviceleistungen entlasten die Länder. Neben den angesprochenen Lagebildern und dem gemeinsamen Informationsmanagement ist auch denkbar, dass das BSI den Ländern eigens angefertigte Tools zur CyberAbwehr zur Verfügung stellt und bundesweite Sicherheitsüberprüfungen übernimmt.

Zentralstelle mit internationalem Netzwerk Vor allem mit Blick auf die angespannte Personallage im IT-Sektor ist es sinnvoll, Doppelstrukturen zu vermeiden und den administrativen Aufwand minimal zu halten. Ein zentrales BSI bietet den Ländern zusätzliche Dienstleistungen und

entlastet deren Haushalte, schließlich übernimmt der Bund die Finanzierung. Daneben hat eine Zentralstelle auch eine internationale Ebene: Bereits heute ist das BSI deutscher Ansprechpartner für Cyber-Sicherheit bei der NATO. Mit der Umsetzung von NIS2 werden hier noch weitere Schnittstellen zu internationalen Organisationen und europäischen Sicherheitsbehörden eingerichtet werden. Es ist wichtig, dass das BSI Erkenntnisse aus diesen Partnerschaften schnell in die Länder streuen kann. Eine solche Zusammenarbeit ist auch flexibel genug ausgestaltet, um auf neuartige Bedrohungen reagieren zu können. Cyber-Bedrohungen entwickeln sich rasant – die Gesetzeslage sollte dem Rechnung tragen. Gemeinsam mit der anstehenden Umsetzung der NIS2-Richtline kann eine Reform der bundesweiten Zusammenarbeit besondere Wirkung entfalten. Wir können eine neue Sicherheitsarchitektur aus einem Guss vornehmen und demonstrieren, wie „Cyber-Security made in Germany“ aussehen kann: föderalkooperativ, agil und zukunftsoffen. Eine Stärkung unserer eigenen Abwehrfähigkeiten ist von zentraler Bedeutung, auch hier müssen wir ein „De-Risking“ vornehmen und eigene Ressourcen aufbauen. Damit kommt die Zeitenwende auch im digitalen Raum an. Zeigen wir, dass wir auch dort verteidigungsfähig sind.

Daniel Baldy ist Mitglied des Bundestags und Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für Cyber-Sicherheit.

Foto: BS/privat

Als langjähriger IT-Sicherheitspartner der Bundesrepublik Deutschland gestalten wir schon heute souveräne Cloud-Lösungen ganz nach Ihren Bedürfnissen – on-premise, public oder auch kombiniert als flexible Hybrid Cloud.

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 30 IT-Security made in Europe
BS/kebox,
Laut MdB Daniel Baldy muss sich Deutschland in den nächsten Jahren auf vermehrte Cyber-Angriffe einstellen. Könnte das BSI als zentrale Stelle für Cyber-Abwehr für mehr Resilienz sorgen? Foto: stock.adobe.com
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zu Ende gedacht.
– Cloud-Lösungen

Das im Mai veröffentlichte Bundeslagebild Cyber-Kriminalität von BKA und BSI zeigt, dass auch im vergangenen Jahr die Bedrohung durch Cyber-Kriminalität weiter gestiegen ist. Neben großen, zahlungsfähigen Unternehmen sind auch weiterhin kleinere Betriebe sowie öffentliche Einrichtungen und Ämter betroffen. Während bei Letzteren kein Lösegeld für gesperrte Unternehmensdaten zu erpressen ist, sind diese aufgrund ihrer sensiblen Daten ein attraktives Ziel.

Fehlende Prioritäten und Kapazitäten als größte Gefahr IT-Sicherheit scheint angesichts der immer weiter steigenden Angriffszahlen wie eine Mammutaufgabe, doch mit dem Bewusstsein über die Bedrohung ist bereits der erste Schritt hin zur Resilienz getan. Besonders verwundbar sind

„Um die Souveränität [...] sicherzustellen, lohnt es sich, auf Angebote ‚Made in Europe‘ zu setzen.“

Unternehmen und Behörden nämlich dann, wenn sie der Absicherung ihrer IT-Systeme und der Sensibilisierung ihrer Mitarbeiter nicht die nötige Priorität geben. Insbesondere die Einrichtung und Pflege sicherer Systeme ist aber leider nicht nebenbei getan, sondern komplex und zeitaufwendig. Wenn es also keine

Digitalisierung und Resilienz

Souveräne Systeme im Fokus

(BS/Isabel Weyerts) Weg von Scans und unzähligen Behördengängen, hin zu vernetzten Einrichtungen und digitalen Signaturen: Eine flächendeckende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist ein wichtiger und längst überfälliger Eckpfeiler der digitalen Transformation. Doch sie steckt voller Herausforderungen, nicht zuletzt die der Cyber-Sicherheit und des Datenschutzes, die mit Digitalisierung und Vernetzung unweigerlich verbunden sind. Daher muss von Anfang an der Fokus auf den Aufbau resilienter Systeme gelegt werden – zur Absicherung gegen Cyber-Kriminalität und zur selbstbestimmten Gestaltung der digitalen Zukunft.

Aus Europa für Europa: IT-Sicherheitslösungen von europäischen Herstellern könnten die digitale Souveränität des Kontinents – und somit Deutschlands – stärken. Foto: BS/gopixa, stock.adobe.com

dedizierte IT-Abteilung gibt, schleichen sich schnell Schwachstellen in die Systeme ein und die Daten werden nicht ausreichend gesichert. Gleichzeitig haben die wenigsten kleineren Unternehmen und Einrichtungen die Kapazitäten, ihre Daten inhouse zu sichern und ihre IT-Infrastruktur auf einem eigenen, abgesicherten Server zu hosten. Daher empfiehlt die Fachgruppe IT-Sicherheit des Bundesverbands IT-Mittelstand e.V. (BIT-

Mi) kleinen und mittelständischen Unternehmen, auf Cloud-Services und Dienstleister zurückzugreifen. Um dabei die Souveränität sensibler Daten sicherzustellen, lohnt es sich, auf Angebote „ Made and hosted in Europe" zu setzen.

Digitale Souveränität durch Angebotsvielfalt IT-Produkte, die von europäischen Unternehmen hergestellt und in lokalen Rechenzentren

Externe Schutzinfrastruktur benötigt

Fünf Gründe für den Einsatz gegen Cyber-Angriffe Verwaltungsstellen sind zunehmend Ziele von Cyber-Angriffen, welche die Verfügbarkeit von digitalen Diensten und Fachverfahren gefährden. Moderne Schutzmaßnahmen sind daher unerlässlich. Durch den Einsatz einer externen Infrastruktur als vorgelagerter Schutzwall lassen sich Sicherheit und Effizienz der IT-Systeme in der öffentlichen Verwaltung verbessern.

Basis einer solchen Infrastruktur ist ein externes Content Delivery Network (CDN), welches das bestehende Netzwerk erweitert. Ein CDN besteht aus zahlreichen Servern und ermöglicht eine zuverlässige sowie schnelle Auslieferung von Webseiten und Onlineportalen. Außerdem verbirgt das CDN die IP-Adresse des Ursprungsservers, sodass dieser nicht mehr direkt attackiert werden kann. Zugleich erhöht die Schutzlösung durch den Zusammenschluss mehrerer Rechenzentren die Abwehrkapazität gegen Überlastungsangriffe (DDoS). Funktionsprinzip der vorgelagerten Schutzinfrastruktur Im Idealfall kommt zur DDoS-Mitigation zusätzlich ein mehrschichtiges Filtersystem zum Einsatz, das schädliche Anfragen automatisch verwirft. Die gesamte Kommunikation nach außen sollte dabei vollständig TLS-verschlüsselt und die

Datenverarbeitung rechtssicher DSGVO-konform erfolgen.

Mehr Schutz und Verfügbarkeit Wenn der gewählte Dienstleister diese Voraussetzungen erfüllt, ergeben sich aus dem Einsatz einer externen Schutzinfrastruktur zahlreiche Vorteile:

Skalierbarkeit: Eine cloudbasierte Schutzlösung lässt sich schneller skalieren als vergleichbare Inhouse-Systeme. Das externe Netzwerk gewährleistet eine konstant hohe Verfügbarkeit Ihrer digitalen Dienste.

Expertise und Spezialisierung: Externe Schutzdienstleister verfügen über abgesicherte Prozesse und hochqualifiziertes Fachpersonal. Als Nachweise auf Anbieterseite dienen einschlägige Zertifizierungen wie ISO 27001 auf Basis von IT-Grundschutz oder Testate wie BSI C5. Kontinuierliche Aktualisierungen: Eine externe Schutzinfra-

struktur hält Ihre Sicherheitsmaßnahmen immer auf dem aktuellen Stand, ohne dass Sie intern fortlaufend nachrüsten müssen.

Reduzierter Ressourcenbedarf: Die Auslagerung der Cyber-Sicherheit entlastet Ihre internen Ressourcen, sodass Sie sich voll auf Ihre Kernaufgaben konzentrieren können.

Kosteneffizienz: Die Nutzung einer cloudbasierten Schutzinfrastruktur ist kosteneffizienter als Betrieb und Wartung interner Sicherheitslösungen, da keine Investitionen in Hardware, Software oder Fachkräfte nötig sind. Der Einsatz einer externen Schutzinfrastruktur bietet Behörden und öffentlichen Einrichtungen eine effektive Möglichkeit, sich vor Cyber-Angriffen zu schützen. Eine passende Lösung aus CDN und DDoS-Schutz kann direkt über das Kaufhaus des Bundes bezogen werden.

ranging aus den USA und China, manövriert. Das zeigt der Digitale Dependenz Index (DDI) des Centers for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, der für alle untersuchten europäischen Länder, darunter Deutschland, aufgrund ihrer digitalen Abhängigkeiten eine hohe Vulnerabilität verzeichnet. Neben

Isabel Weyerts, Verbandsreferentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverbands IT-Mittelstand e. V. (BITMi)

Foto: BS/SGFotografie

möglichen geopolitischen Risiken einer solchen Vulnerabilität besteht auch die Gefahr, dass wir die Gestaltung der digitalen Zukunft immer weiter aus der Hand geben und lediglich zu deren Anwendern werden. So verlieren wir die Mitbestimmung, nach welchen Werten die Angebote, auf die wir in einer digitalisierten Welt angewiesen sind, erstellt werden.

gehostet werden, zahlen nicht nur auf IT-Sicherheit und Datenschutz ein, sondern auch auf das Ziel der digitalen Souveränität Deutschlands und Europas, die unerlässlich für resiliente digitale Strukturen ist. Über die vergangenen Jahrzehnte haben wir uns in einseitige Abhängigkeiten von großen Tech-Konzernen, vor-

Kleine und mittlere Unternehmen prägen den IT-Sektor Gegensteuern können wir mit Angebotsvielfalt und einem kritischen Blick auf die IT-Lösungen, die wir in Unternehmen und im öffentlichen Sektor einsetzen. Die Suche nach qualitativen Alternativangeboten zu denen von internationalen Großkonzernen ist dabei nicht schwer. Denn es gibt eine Vielzahl innovativer Unternehmen in Deutschland und Europa, die diese zur Verfügung stellen und dabei Datensouveränität und sicheres Hosting garantieren. Ein weiterer Vorteil: Der Großteil des europäischen IT-Sektors besteht aus kleinen und mittelständischen Unternehmen, die für Anwenderunternehmen- und Einrichtungen ein Partner auf Augenhöhe sind, der speziell auf deren Bedürfnisse eingehen kann.

Cribl ist eine herstellerunabhängige

Data-Engine für IT- und Security und bietet eine softwarebasierende Low-/no-code Lösung mit diesem Fokus:

Offene Architektur: Sammeln und speichern Sie Ihre (Log-)Daten in einem offenen Format und normalisieren und routen Sie diese für und an beliebige Analyse-Systeme.

Datenminimierung: Filtern Sie bis zu 40% unbrauchbarer Daten und stellen Sie sicher, dass Sie die Daten nur für den ursprünglich festgelegten Zweck verwenden.

Maskierung: Anonymisieren und pseudonymisieren Sie personenbezogene (PII) und andere sensible Daten, um die Wahrscheinlichkeit von Datenverstößen oder Datenschutzverletzungen zu verringern.

Revisionssicherheit: Reichern Sie z.B. Log-Daten so an, dass der Ursprung der Daten nachvollziehbar ist und Daten vollständig protokollierbar sind. Besuchen Sie uns auf der PITS 2024 in Berlin. Wir zeigen Ihnen ein neues Konzept für ein besseres IT- und Security-Lagebild.

Schicken Sie uns eine E-Mail an: behoerden@cribl.io

Seite 31 IT-Security made in Europe Behörden Spiegel / Juni 2024
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Die Zahl der von Tätern mit Sitz im Ausland verübten CyberStraftaten, die Institutionen und Privatpersonen in Deutschland betreffen, stieg 2023 um 28 Prozent auf 140.285 Fälle. Dies übersteigt erneut die Zahl der Inlandstaten (134.407 Fälle). 82 Prozent der Inlandstaten sind Fälle von Computerbetrug. Die Aufklärungsquote konnte im Vergleich zum vergangenen Jahr um drei Prozentpunkte auf 32 Prozent gesteigert werden.

Phishing & Ransomware sind die gängigsten Attacken

Die durch Cyber-Angriffe verursachten Schäden beliefen sich laut Branchenverband Bitkom 2023 auf 148 Milliarden Euro. Unternehmen wurden immer wieder Opfer von Ransomware-Angriffen, der gängigsten Cyber-Crime-Form. Dabei verschlüsseln die Täterinnen und Täter die Systeme und erpressen Lösegeld. Im Jahr 2023 haben bundesweit über 800 Unternehmen und Institutionen Ransomware-Fälle bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Ein häufig genutzter Einfallsvektor, auch zum Platzieren von Ransomware, bleibt weiterhin Phishing. Dabei spielen sowohl Mails mit maliziösen Anhängen oder Links sowie maliziöse Webseiten selbst eine Rolle, heißt es im Bundeslagebild. In den Mails werden häufig bekannte und weit verbreitete Marken und Unternehmen aus der Finanz- und Logistikbranche nachgeahmt. Insbesondere die Zugangsdaten für Online-Banking bleiben weiter beliebte Ziele von Phishing-Attacken. Dem Bundeskriminalamt (BKA) gelang es 2023, mehrere kriminelle Netzwerke und Infrastrukturen der Cyber-Kriminalität zu zerschlagen, unter anderem die Geldwäsche-Plattform „Chipmixer“ und den Marktplatz „Kingdom Market“. Ferner wurde mit „Qakbot“ ein gefährliches Schadsoftware-Netzwerk zerschlagen. Qakbot kontrollierte über 700.000 infizierte Systeme im Internet, die für kriminelle Zwecke

Zunahme von Auslandstaten

Bundeslagebild Cybercrime 2023 veröffentlicht

(BS/Paul Schubert) Die Zahl der verübten Cyber-Straftaten in Deutschland sind erneut besorgniserregend hoch. Insbesondere die sogenannten Auslandstaten, bei denen sich die Täter im Ausland befinden, aber in Deutschland Schaden anrichten, haben zugenommen. Die Aufklärungsquote konnte zwar leicht erhöht werden, die Schadenssumme steigt aber ebenfalls. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), BKA-Präsident Holger Münch und BSI-Präsidentin Claudia Plattner mahnten zu mehr Aufmerksamkeit beim Cyber-Schutz.

Präsentierten in

wie die Erpressung von Lösegeldzahlungen mittels Ransomware genutzt wurden.

Attacke auf SIT Im Bereich der öffentlichen Verwaltung listet der BKA-Bericht den Cyber-Angriff auf die SüdwestfalenIT (SIT) 2023 auf. Er gilt als einer der größten Angriffe auf eine Behörde im Jahr 2023. Durch einen Ransomware-Angriff waren Beeinträchtigungen bei 72 Kommunen zu spüren: „So fiel u. a. die Telefonund E-Mail-Kommunikation aus, die Koordination von Rettungskräften wurde erschwert, Standesämter

Erfasste Auslandstaten Cyber-Crime

Der Indexwert zeigt die Veränderung der erfassten Auslandstaten. Dabei wird das Jahr 2020 als Basiswert auf 1 festgelegt. Die Werte der Folgejahre stehen in Relation zu diesem Basiswert und zeigen damit den Trend der steigenden Zahl von Auslandstaten. Grafik BS/BKA

und das Wohnungswesen waren teilweise nur eingeschränkt arbeitsfähig und es kam zu Verzögerungen bei Fahrerlaubnisbehörden“, heißt es im Lagebild.

Warnung vor Produktionsstillstand Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst warnt vor Schäden für die Wirtschaft: „Fast jedes zweite Unternehmen (48 Prozent) befürchtet, dass eine erfolgreiche Cyber-Attacke die eigene Existenz bedrohen könnte.“ Er fordert eine stärkere Konzentration von Know-how und Zuständigkeiten für die Sicherheitsbehörden. Des Weiteren könne ein Cyber-Angriff nicht nur einen Computer lahmlegen, sondern auch für einen Produktionsstillstand sorgen oder die Energieversorgung zusammenbrechen lassen. Wintergerst hält deshalb eine enge Zusammenarbeit von inländischen Sicherheitsbehörden, den Nachrichtendiensten und der Bundeswehr für nötig. Ferner forderte er, verpflichtende Standards zum Schutz und zur Abwehr von Cyber-Angriffen einzuführen. Der Hauptgeschäftsführer des Bitkom, Bernhard Rohleder, warnte besonders vor Gefahren aus dem Ausland, insbesondere aus China und Russland. Aus Russland sei innerhalb von zwei Jahren eine Verdopplung der Angriffe gemeldet worden, erklärte Rohleder im ZDF. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP)

tretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz forderte, der Polizei neben ausreichend fachlich qualifiziertem Personal wichtige Ermittlungsinstrumente zur Verfügung zu stellen. Dazu zählen Mindestspeicherfristen von Kommunikationsdaten und die Möglichkeit zur Online-Durchsuchung: „Auch eine Sparpolitik zulasten der Digitalisierung der Sicherheitsbehörden hilft hierbei keineswegs“, warnte der Gewerkschafter.

appllierte an die Politik, sie technisch und personell besser auszustatten. Der für Digitalisierung und Kriminalpolitik zuständige stellver-

Erstes Lagebild mit BMI und BSI Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) Holger Münch und die Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Claudia Plattner betonten auf der gemeinsamen Pressekonferenz die Notwendigkeit einer verstärkten Cyber-Sicherheit und internationalen Zusammenarbeit. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen sollten sich präventiv schützen, indem sie Updates installierten, starke Passwörter verwendeten und Zwei-Faktor-Authentisierung aktivierten. Das Bundeslagebild wurde dieses Jahr zum ersten Mal vom Bundeskriminalamt in Kooperation mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Bundesinnenministerium vorgestellt. Im vergangenen Jahr fand die Vorstellung des Lagebildes noch zusammen mit dem Branchenverband Bitkom statt.

„Die Identifizierung und erfolgreiche Verfolgung von Straftätern, aber vor allem auch die Zerschlagung der Infrastruktur der Cyber-Kriminellen, sind ein effektiver Ansatz zur Bekämpfung der Cyber-Kriminalität.“

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts

Mehr strafbares KI-Material

Meldungen zu KI-generierten Missbrauchsdarstellungen nehmen zu (BS/sp) Die Bekämpfung von Kinderpornografie wird durch Künstliche Intelligenz (KI) in mancher Hinsicht erschwert. Denn: Durch die Generierung von kinder- und jugendpornografischem Film- und Fotomaterial gerät mehr und mehr Medieninhalt in Umlauf. Die Darstellungen sind entweder komplett künstlich generiert oder basieren auf echten Kinderbildern. Rein KI-generierte Inhalte sind im Vergleich zu realen Bildern laut Bundesregierung noch gering verbreitet, aber die Meldungen zu KI-generierten Missbrauchdarstellungen nehmen zu.

Durch die Anzahl und Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen und frei zugänglichen KI-Tools erwartet die Bundesregierung in den nächsten Jahren ein erhöhtes Aufkommen von kinderpornografischem Material. Das geht aus einer Antwort der Koalition aus einer schriftlichen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hervor.

Im Rahmen der KI-Verordnung der Europäischen Union (EU) soll für mediale Inhalte eine Kennzeichnungspflicht eingeführt werden. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, digitale Wasserzeichen sowie automatisierte Verfahren zur Erkennung von KI-generierten Bildern zu nutzen.

Auch der Digital Services Act (DSA) soll bei der Bekämpfung von illegalen Inhalten im Netz helfen. Darüber hinaus würden „die Anbieter von Online-Plattformen dazu verpflichtet, geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen zum Online-Schutz von Minderjährigen zu ergreifen“, heißt es in der schriftlichen Antwort.

Die Bundeszentrale für Kinderund Jugendmedienschutz (BzKJ) organisiert im Rahmen des Dis-

kursformates Zukunftswerkstatt einen inhaltlichen Schwerpunkt auf „Sexuelle Gewalt und Belästigung online“. Dort wird auch das Thema „KI-generierte Missbrauchdarstellungen" behandelt (mehr zur Arbeit der BzKJ auf S. 44)

Im Bereich der Strafverfolgung sieht die Bundesregierung keine Defizite bei der Verfolgung von strafrechtlich relevantem KI-generierten Material.

Konferenz zu Metaverse und generativer KI

Das Bundesministerium für Justiz (BfJ) veranstaltete Anfang Mai eine Konferenz, die sich mit dem Thema „Strafrecht im neuen digitalen Zeitalter – Metaverse und generative KI" befasste. Die Bundesregierung sagte in der schriftlichen Antwort, dass sich aus dem Event das weitere Vorgehen zur Bekämpfung strafrechtlich relevanten KI-Materials ergeben werde. Das BfJ teilte mit, dass die Erkenntnisse der Konferenz den Landesjustizministerinnen und -ministern voraussichtlich bei der nächsten Justizministerkonferenz im Herbst 2024 vorgestellt werden sollen.

Behörden Spiegel / Juni 2024
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Wiesbaden das Bundeslagebild Cybercrime erstmals gemeinsam: BKA-Präsident Holger Münch, Bundesinnenministerin Nancy Faeser und BSI-Präsidentin Claudia Plattner. Foto: BS/BKA

Verfahren gegen Microsoft

US-Unternehmen hält dem BSI wichtige Informationen vor (BS/mk) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat ein Verwaltungsverfahren gegen das US-amerikanische Unternehmen Microsoft eingeleitet. Bereits seit Herbst vergangenen Jahres versucht das BSI, Informationen über die Sicherheitsvorkehrungen von Microsoft zu erhalten – bis jetzt ohne Erfolg.

Cyber-Kriminelle

hatten in der Vergangenheit mehrfach cloudbasierte

Produkte des Unternehmens angegriffen und somit Informationen von Microsoft selbst, aber auch von deren CloudKunden abgreifen können. So warnte das BSI im März dieses Jahres vor den Sicherheitslücken von MicrosoftExchange-Servern.

Insbesondere Schulen, Hochschulen und Kliniken seien von Cyber-Spionage und Ransomware-Angriffen betroffen gewesen. „Dass es in Deutschland von einer derart relevanten Software zigtausende angreifbare Installationen gibt, darf nicht passieren“, äußerte sich Claudia Plattner, die Präsidentin des BSI, und rief zur sofortigen Handlung auf.

Trotz mehrfacher Nachfragen und Klagedrohungen: Microsoft hält dem BSI sicherheitsrelevante Informationen vor. Grafik: BS/hasan, stock.adobe.com

Nachdem die Schwachstellen entdeckt worden waren, hatte das Bundesamt Microsoft immer wieder dazu aufgefordert, wichtige Informationen zu den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen herauszugeben. Dem kam das SoftwareUnternehmen nicht nach.

So fand ein für September 2023 geplantes, gemeinsames Treffen bei Microsoft in Redmond nicht statt.

Zwar gab Microsoft inzwischen Informationen preis, laut eines BSISprechers aber nicht von ausreichendem Umfang. Deshalb macht das BSI nun erstmalig von Paragraf 7a des BSI-Gesetzes Gebrauch. Der Paragraf ermöglicht es dem Bundesamt unter anderem, die Herausgabe von Informationen einzuklagen. Dr. Volker Redder, Bundestagsabgeordneter und Obmann für die FDP im Digitalausschuss, befürwortet das juristische Vorgehen des BSI. „Es war längst überfällig“, so Redder auf Facebook. Ob Microsoft durch das härtere Vorgehen zu mehr Kooperation bewegt werden kann, bleibt abzuwarten. WIE MAN

Systemhärtung

Der oft unterschätzte Schutzschild für Ihre IT-Systeme

Warum lieben Hacker die IT-Systeme vieler Behörden und anderer Organisationen? Weil sie oft leichte Beute sind! Hier stehen buchstäblich alle Türen offen. Ist das vielleicht auch bei Ihnen so? Und was können Sie dagegen tun? Die Lösung heißt Systemhärtung.

Stellen Sie sich vor, Sie besitzen ein Haus, in dem die Türen nie geschlossen sind. Jeder könnte hineingehen und Ihr Inventar stehlen. Würden Sie das tolerieren? Wohl kaum! Überträgt man das Bild des Hauses auf die IT-Infrastruktur von Unternehmen und Behörden, gibt es hier teilweise erheblichen Nachholbedarf. Warum? Die IT-Verantwortlichen installieren zwar sinnvolle Überwachungskameras in Form von Anti-Malware-Suiten und anderen Systemen zur Angriffserkennung (SzA), um Eindringlinge zu erkennen. Aber die Eingangstüren stehen weit offen – oder sie sind zwar zu, aber nicht verriegelt. So können Cyber-Gangster relativ einfach in Computer, Server, Notebooks und Cloud-Architekturen eindringen, dabei sensible Informationen stehlen, Daten verschlüsseln oder Systeme lahmlegen. Der daraus resultierende Schaden ist immens.

Wie kann die digitale Haustür gesichert werden? Die Antwort lautet: Systemhärtung (englisch: System Hardening)! Wer sowohl einzelne Anwendungen wie Browser und Office-Produkte als auch die grundlegenden Betriebssysteme so konfiguriert, dass sie weniger Sicherheitslücken und Angriffsflächen bieten, schließt bildlich gesprochen seine Haustür. Hackern wird es so deutlich schwerer gemacht, einzudringen und umfassenden Schaden anzurichten. Systemhärtung ist eine noch wenig bekannte, aber äußerst sinnvolle IT-Sicherheitsmaßnahme. Und auch eine, die in immer mehr gesetzlichen Regularien explizit eingefordert wird. Allerdings kann die Umsetzung für die – meist überlasteten – IT-Abteilungen, die hunderte oder gar tausende Systeme betreuen, eine ziemliche Herausforderung darstellen. Daher ist es ratsam, die Systemhärtung und deren Überwachung zu automatisieren. Eine Lösung hierfür ist der Enforce Administrator. Mit dem Enforce Administrator wird zunächst ein Schutzschild aufgespannt und dann eine Art

selbstheilendes System geschaffen. Das bedeutet, dass mit dem Tool einerseits große und komplexe IT-Landschaften mit geringem Aufwand nach allen strengen Regularien und Standards gehärtet werden. Andererseits überwacht der Enforce Administrator die gehärteten Systeme und korrigiert etwaige Abweichungen automatisch. So entsteht ein nachhaltiger und dauerhafter Schutz, der das Risiko erfolgreicher Cyber-Angriffe deutlich reduziert.

Mehr über den Enforce Administrator erfahren Sie unter https:// www.fb-pro.com/enforce-adminis trator/.

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Besuchen Sie uns: Messestand: Saal New York / Genf Stand S 51 Highlight: Give users a choice. Ab sofort haben Sie die Wahl. Vortrag von Dr. Christoph Erdmann, Geschäftsführer Secusmart GmbH 26. Juni 2024, 15:45 Uhr Plenarsaal Bundestag

ABHÖRSICHERE MOBILE KOMMUNIKATION

IT-Security made in Europe Seite 33 Behörden Spiegel / Juni 2024
Härtere und dadurch selbstheilende IT-Systeme – mit dem Tool Enforce Administrator ist das möglich. Foto: BS/FB PRO

Die Antwort auf diese Fragen lautet vermutlich: jein. Wir erinnern uns schwach an den CookieBanner, den wir genervt weggeklickt haben und an das ungute Gefühl, das uns beim Anblick der Werbeanzeige, die so genau zu unserer Suchanfrage gepasst hat, beschlichen hat. Die wenigsten InternetNutzerinnen und -Nutzer haben aber die Zeit, die Kapazitäten oder das Wissen, um die vielen MikroEntscheidungen zum Umgang mit unseren Daten tagtäglich bewusst und informiert zu treffen.

Genau das ist aber ein Grundrecht: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt das Recht von Individuen, selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer Daten zu entscheiden. Es ist ein vergleichsweise junges Grundrecht, das im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde. Ab den 1950er-Jahren nahm die Nutzung von Computern und die Speicherung personenbezogener Daten durch staatliche Stellen und Unternehmen zu. Dies führte zu ersten Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und Forderungen, Einzelpersonen mehr Kontrolle über die Verarbeitung ihrer Daten zuzustehen (iRightsLab, 2017). 1971 wurde der Begriff durch ein umfangreiches Gutachten geprägt, entscheidend war aber eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil von 1983. Nach dem Volkzählungsgesetz sollte 1983 eine Volkszählung durchgeführt werden, die zu einer kontroversen und intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Datenschutz im öffentlichen Diskurs führte

Datensammlung widerspricht

Grundwerten

Das Bundesverfassungsrecht folgte in seinem Urteil der Argumentation der Beschwerdeführer und erklärte das Bundesgesetz für verfassungswidrig, da es in erheblichen Umfang und ohne Rechtfertigung in die Grundrechte von Einzelnen eingriff und dabei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung missachtete (Franzius, 2015). In seinem wegweisenden Urteil erkannte das Bundesverfassungsgericht die Gefahren an, die

Die Hessische Cybersicherheitsstrategie spiegelt eine umfassende und innovative Antwort auf die wachsenden Sicherheitsbedürfnisse im Cyber-Raum wider. Ein zentrales Element ist das Ökosystemmodell, das die Wechselwirkungen zwischen Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft berücksichtigt. Dies ermöglicht es, eine integrierte Cyber-Sicherheitsarchitektur zu entwickeln, die nicht nur reaktiv, sondern proaktiv auf

Datenschutz im 21. Jahrhundert

Braucht unser Datenverständnis ein Update?

(BS/Svea Windwehr) Waren Sie heute schon im Internet? Vielleicht haben Sie eine Wetter-App gecheckt, bevor sie aus dem Haus gegangen sind, auf dem Weg zur Arbeit einen Zeitungsartikel auf dem Handy gelesen oder bei einer Online-Suche auf eine Werbeanzeige geklickt. Wissen Sie, welche Daten von Ihnen dabei gesammelt und verarbeitet wurden und zu welchen Zwecken? Und haben Sie dem eigentlich zugestimmt?

sich aus unkontrollierten und nicht nachvollziehbaren Datensammlungen für demokratische Grundwerte ergeben können. Wenn ich nicht weiß, wer Daten über mein Verhalten, meine Meinungen oder Vorlieben erhebt und ge- bzw. missbraucht, ist es wahrscheinlicher, dass ich mich vorsichthalber an die Vorstellungen der Mehrheitsgesellschaft anpasse. Anders gesagt: Ohne Privatsphäre und effektive Kontrolle über meine Daten sind meine Möglichkeiten zur Entfaltung meiner Persönlichkeit eingeschränkt. Das wiederum kann negative Konsequenzen für die Demokratie haben, denn nur Bürgerinnen und Bürger, die sich frei von der Angst vor Repressionen entwickeln können, haben die Möglichkeit, sich selbstbestimmt an demokratischen Prozessen beteiligen zu können (Wachter, 2017). Wer nicht weiß, ob die Teilnahme an einer Demonstration erfasst wird, verzichtet eventuell darauf. Wer nicht weiß, ob die eigene Online-Suchhistorie zum Verhängnis werden kann, zensiert sich womöglich selbst. Das Volkzählungsurteil legte entscheidende Grundsteine für das deutsche Datenschutzrecht und hat das Bundesdatenschutzgesetz sowie die Landesdatenschutzgesetze geprägt. Auf der europäischen Ebene schützt Artikel 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union personenbezogene Daten und die Datenschutzgrundverordnung stellt seit 2018 einen umfassenden Rechtsrahmen für die Verarbeitung von persönlichen Daten. Aber hat die Entwicklung des Datenschutzes mit den rasanten technischen Entwicklungen der letzten Jahre mitgehalten?

Auch wenn es mit der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung noch hapert, sind das Internet und die vielen Anwendungen, die darauf

Wie werden persönliche Daten verarbeitet, wenn Konzerne das gesamte Internet für ihre Algorithmen nutzen? Svea Windwehr hält neue, kreative Wege für unumgänglich, um User-Daten zu schützen. Foto: BS/Bernhard Leitner

aufbauen, aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Vom öffentlichen Diskurs, der zunehmend von Debatten im Netz geprägt wird, über Unterhaltungsangebote bis hin zu ganzen Wirtschaftszweigen, die auf digitalen Technologien aufbauen, und der Online-Werbeindustrie, die mit all diesen Angeboten untrennbar verbunden ist: Wir leben inzwischen in einer weitgehend digitalisierten Gesellschaft.

Schwer den Überblick über die Nutzung eigener Daten zu behalten Insbesondere Online-Plattformen wie Google, Amazon oder Instagram sind die Torwächter und Hausmeister unseres Online-Lebens. Ihre Regeln bestimmen, wie wir auf Informationen, Güter und Dienstleistungen zugreifen und wohin unsere Aufmerksamkeit gelenkt wird. Sie sind es auch, die unsere Daten erheben, analysieren, verarbeiten und gegebenenfalls weiterverwerten. Dabei als Nutzende den Überblick zu behalten, ist beinahe unmöglich geworden. Insbesondere bei der Frage, wie unsere Daten analysiert und genutzt werden, um uns Inhalte zu empfehlen oder Produkte zu verkaufen, wird es immer komplexer, zu verstehen, welche (persönlichen) Daten dazu genutzt werden. Predictive Analytics, also die Praxis, mithilfe von Maschinellem Lernen Voraussagen über

Nutzerinnen und Nutzer zu treffen, ist ein elementarer Bestandteil der Technologien, die Online-Werbung ausspielen, algorithmische Empfehlungen darüber abgeben, welche Inhalte Nutzende interessieren könnten, aber auch von Systemen, die die Kreditwürdigkeit von Personen schätzen oder in HR-Software eingesetzt werden (Citron & Pasquale, 2017). Predictive Anlaytics stellt den Datenschutz, wie wir ihn kennen, gleich vor zwei Herausforderungen.

Informationelle Selbstbestimmung ist individuelles Recht Schon für das Training eines Modells, das im zweiten Schritt genutzt werden kann, um Voraussagen über Individuen zu treffen, sind Unmengen von Daten nötig. Die Sammlung dieser Daten beruht auf unzähligen Entscheidungen von Individuen, bestimmte Dienste zu nutzen oder Privatsphäreeinstellungen vorzunehmen. Der Datenschutz konzipiert das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als ein individuelles Recht, aber in vielen Fällen haben die Entscheidungen von unzähligen anderen direkten Einfluss auf den Schutz unserer Privatsphäre. Beim Einsatz eines solchen Modells ergibt sich eine zweite Herausforderung für den Datenschutz: Wenn Rückschlüsse über eine einzelne Person anhand eines großen Modells gezogen werden, ähnelt das einer Wette: Der Output eines Predictive-Analytics-Modells kommt zu einer Aussage über eine Person auf Grundlage der Daten und tatsächlichen Attributen eines unbekannten Kollektivs. Damit werden dem Individuum Merkmale zugewiesen, die der Person vielleicht gar nicht entsprechen, aber trotzdem ausschlaggebend für den Zugang zu Dienstleistungen, Gütern oder für

Cybersicherheitsstrategie erhöht Resilienz

Hessens digitales Kompetenzzentrum

(BS/Rolf Richter*) Im September 2023 ist die Hessische Cybersicherheitsstrategie in Kraft getreten. Entwickelt wurde sie vom Hessischen Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz (HMdI) unter Federführung des Hessen CyberCompetenceCenter (Hessen3C).

potenzielle Bedrohungen reagiert.

Die Struktur der Hessischen Cybersicherheitsstrategie ist in vier Bereiche gegliedert: Bedeutung, Gegenwart, Schwerpunkt/Zielset-

12.-13. Juni 2024, Hotel Adlon Berlin

zung und Verantwortlichkeit. Dieser strukturierte Ansatz ermöglicht eine zielgerichtete Umsetzung von Projekten, die alle relevanten Sektoren umfassen und mit dem die

die diskriminierungsfreie Behandlung durch algorithmische Systeme sein können (Mühlhoff & Ruschemeier, 2024).

Zuletzt hat uns eine neue Generation der Technologie, die sogenannte generative Künstliche Intelligenz, die Wechselwirkungen zwischen den eigenen Daten und dem digitalen Kapitalismus noch einmal vor Augen geführt. Für das Trainieren der großen KI-Modelle, die hinter den neuen, leistungsstarken Chatbots und anderen Anwendungen stecken, werden gigantische Datensets benötigt. Große TechnologieKonzerne, die diese Modelle auf den Markt bringen, haben inzwischen zugegeben, dass sie schlicht das gesamte Internet zum Training nutzen. Ist es da überhaupt noch möglich, nachzuvollziehen oder darüber zu entscheiden, wie die eigenen Daten verarbeitet werden?

Kreative Technologien zur Selbstbestimmung

Und ist das überhaupt die Frage, die wir uns stellen müssen? Mit jedem Schritt durch die digitale (und zunehmend auch durch die analoge) Welt hinterlassen wir Datenspuren, während die technischen Umgebungen und Dienste, mit denen wir interagieren, immer komplexer werden. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Nutzung und den Schutz unserer Daten, sondern auch auf die von Kollektiven, denen wir zugeordnet werden. Ist es da noch zeitgemäß, von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern zu verlangen, differenziert zu entscheiden, in welchen Situationen sie welchen Akteuren das Verarbeiten ihrer Daten erlauben möchten? Um mit den technologischen Entwicklungen unserer Zeit mitzuhalten, braucht es neue, kreative Ansätze, damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung weiterhin seine Wirkung entfalten kann. Von neuen Technologien, die bei der Anonymisierung von Daten helfen können, über ein Recht auf verschlüsselte Kommunikation und die Entlastung des Einzelnen hin zu einem kollektiven Verständnis von Datenschutz – wir alle sind gefragt, um den Herausforderungen des Datenschutzes im 21. Jahrhundert zu begegnen.

wurden. Die Verantwortung für die Umsetzung spezifischer Maßnahmen bleibt klar bei den jeweiligen Ressorts, die Koordination und das Controlling der Fortschritte erfolgen durch das HMdI.

Zuständigkeiten den jeweiligen verantwortlichen Bereichen zugewiesen werden. Dazu gehören neben der Landesverwaltung und den Sicherheitsbehörden auch Schulen und Universitäten, die Verkehrsund Versorgungsinfrastruktur, der Finanzplatz Hessen sowie die Cyber-Sicherheit des Weltraumprogramms.

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Über die in der Sicherheitsstrategie genannten Maßnahmen und Ziele geht die Landesregierung mit dem "Aktionsprogramm kommunale Cybersicherheit" schon jetzt deutlich hinaus. Dieses wurde in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden und weiteren kommunalen Vertretern entwickelt und befindet sich in der Umsetzung. Der integrative Ansatz der Cybersicherheitsstrategie wurde bereits durch regelmäßige Workshops und Konsultationen unterstützt, bei denen alle Ressorts und kommunalen Spitzenverbände aktiv in den Prozess einbezogen

Cyber-Sicherheit betrifft alle Bereiche unserer digital vernetzten Gesellschaft, kleine und mittlere Unternehmen genauso wie Großunternehmen, den Gesundheitsebenso wie den Bildungssektor. Cyber-Sicherheit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und betrifft alle Zuständigkeitsbereiche der Landesverwaltung. Hessen hat sich durch seine koordinierte Herangehensweise als Vorreiter im Bundesvergleich etabliert und nimmt eine Schlüsselrolle in der nationalen Cyber-Sicherheitspolitik ein. Nicht zuletzt muss Hessens Cybersicherheitsstrategie an die europäische NIS2-Richtlinie (Richtlinie über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cyber-Sicherheitsniveau in der EU) angepasst werden. Hessen ist gut aufgestellt, um auch diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden.

*Rolf Richter ist kommissarischer Leiter der Abteilung Cyber- und IT-Sicherheit, Verwaltungsdigitalisierung im HMdI und Leiter des Hessen CyberCompetenceCenters (Hessen3C).

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 34 IT-Sicherheit
Grafik: VectorMine, stock.adobe.com

& Verteidigung

Kältester Hotspot

Die sicherheitspolitische Lage in der Arktis ändert sich

(BS/Jonas Brandstetter) Die Temperaturen in der Arktis steigen bis zu viermal schneller als auf dem übrigen Erdball. Immer mehr Gebiete werden deshalb für die Schifffahrt und den Rohstoffabbau zugänglich. Großmächte konkurrieren um die besten Positionen. Gleichzeitig spiegelt die Arktis die angespannte globale Sicherheitslage wider. An das Postulat der konfliktarmen Region will die Bundesregierung nicht mehr recht glauben.

Etwa die Hälfte der arktischen Küsten gehört zum russischen Territorium. Nach dem NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands entfallen die üblichen Küstenflächen auf NATO-Mitgliedsländer. Am oberen Ende des Globus rücken also nicht nur Asien, Europa und Nordamerika zusammen, auch systemische Rivalen stehen sich unmittelbar gegenüber. Dass sich die Landschaft durch den Klimawandel stark und mit zunehmendem Momentum verändert, trägt zur herausfordernden Lage bei. Schifffahrt, Kommunikation und Rohstoffabbau müssen neu gedacht werden. „Die Arktis kann nicht als regionaler Komplex, sondern muss als globaler Komplex verstanden werden“, stellte Rasmus Gjedssø Bertelsen, Professor für Nordische Studien und Inhaber des BarentsLehrstuhls für Politik an der Arctic University of Norway (UiT), deshalb in Berlin fest. Die klimatischen Veränderungen in der Region sind dramatisch: Seit November 1971 sind die Temperaturen um drei Grad Celsius angestiegen. Gleichzeitig kommt es zu neun Prozent mehr Niederschlag und 24 Prozent mehr Regen. Der Permafrost erwärmte sich um zwei bis drei Grad Celsius. Im Frühling fällt 21 Prozent weniger Neuschnee und das Meereis hat 43 Prozent seiner Fläche eingebüßt. Die neuen klimatischen Bedingungen spiegeln sich bereits im Schiffsverkehr wider. Zwischen 2013 und 2023 stieg die Anzahl der Schiffe in der Arktis laut Daten der Clean Arctic Alliance um 37 Prozent. Die zurückgelegten Distanzen legten um 111 Prozent zu. Der Klimawandel und neue Technologie trügen dazu bei, dass sich die Arktis zunehmend für Akteure öffnet, die nicht selbst Arktisanrainer seien, führte Bertel-

sen deshalb aus. Prominentestes

Beispiel für diese Entwicklung sei der Beobachterstatus asiatischer Staaten im Arktischen Rat. Seit 2013 haben China, Indien, Japan, Singapur und Südkorea diesen inne.

Arktisnah heißt nicht nah an der Arktis

Lange Zeit galt die Arktis als Musterbeispiel für friedliche globale Zusammenarbeit. Der Arktische Rat, bringt als multilaterales Gremium die fünf arktischen Anrainerstaaten (Dänemark, Kanada, Norwegen, Russische Föderation, USA sowie Island, Finnland und Schweden) an einen Tisch. Ziel der Zusammenarbeit ist die Bekämpfung des Klimawandels und die Sicherheit in der Region. Doch der arktische Frieden sei durch den Krieg in der Ukraine unter enormen Druck geraten, erklärte Bertelsen. Darunter leide auch die jahrzehntelange fruchtbare Arbeit im Rat. Die angespannte Sicherheitslage in Europa und der globale Trend zur Multipolarität fänden sich in der Arktis wieder. „Alles, was in Europa geschieht, spiegelt sich in der Arktis wider“, so Dr. Olena Podvorna, Senior Researcher, Friedensforschungsinstitut Frankfurt (PRIF). In dieser komplexen, zunehmend multipolaren Welt ist „nah an der Arktis“ zu sein kein Kriterium, um ein arktisnaher Staat zu sein. Im Weißbuch Außenpolitik 2018 definierte sich China selbst als „Near Arctic State“. Damit untermauert die Volksrepublik zum einen ihre Ansprüche, bei der Ausbeutung der fossilen Rohstoffe in der Region mitzuspielen, und hinterlegt zum anderen ihr Ziel, das Infrastrukturprojekt „Belt and Road Initiative“. Diese macht sich auch den Ausbau der nördlichen Seeroute von Asien

nach Europa zum Ziel. Auch Russland ist daran gelegen, die eigene Position in der Arktis auszubauen. Das Land hat seine Ziele in der Region für einen Zeitraum von 15 Jahren in der „Strategy for Developing the Russian Arctic Zone and Ensuring National Security through 2035“ aufgeschlüsselt. Sicherheitspolitische Ziele dominieren, aber auch umweltpolitische Gedanken finden Eingang. „Die Arktis ist eine Hochburg der russischen Streitkräfte“, beschrieb Admiral Rob Bauer, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, auf der Arctic Assembly 2023 den Status quo. Der Hohe Norden sei Heimat der Nordflotte Russlands mit Nuklear-U-Booten, Radarstationen und einer großen Anzahl russischer Truppen.

„Die zunehmende Konkurrenz und Militarisierung in der Arktis, insbesondere durch China und Russland, gibt Anlass zur Sorge.“

Admiral Rob Bauer, Vorsitzender des NATOMilitärausschusses

Darüber hinaus bemüht sich

Russland laut Yury Sergeev, Berater für Arktisprojekte bei der Bellona Foundation, um den Ausbau der Nördlichen Seeroute. Das Projekt schreite allerdings schleppend voran, weil Sanktionen den Flottenausbau erschwerten. Zwar habe der

Containerverkehr auf dem Seeweg im vergangenen Jahr ein Allzeithoch erreicht, die selbst gesteckten Transportziele habe man aber dennoch verfehlt. Etwa 200 neue eisbrechende Containerschiffe seien notwendig, um das Projekt wie geplant abzuschließen.

Fähigkeiten den neuen

Bedingungen anpassen

Der NATO sei diese Entwicklung nicht entgangen, stellt Marco Dordoni, Gastwissenschaftler beim Centre for Maritime Research and Experimentation (NATO STO-CMRE), klar. Der Ukrainekrieg habe einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Nach dem Ende des Kalten Krieges habe die NATO die Region aus dem Fokus verloren. Mit der russischen Aggression in der Ukraine habe sich dies grundlegend gewandelt. Dabei nimmt die NATO auch die klimatischen Veränderungen in den Blick. Bereits im „Strategic Concept“ aus dem Jahr 2022 identifizierte die Allianz den Klimawandel als sicherheitsrelevant. Dr. George Nikolakakos, Klimawissenschaftler beim NATO STO-CMRE, sieht insbesondere die Anti-Submarine-Warfare (ASW) durch den Wandel der klimatischen Verhältnisse herausgefordert. Die üblichen Identifikationsmethoden seien unter Wasser nicht anwendbar. Aus diesem Grund sei ASW zentral von Sonar-Technologie abhängig. Diese macht sich die Ausbreitung von Schallwellen unter Wasser zunutze. Allerdings sei diese von Faktoren abhängig, die ihrerseits Veränderungen durch den Klimawandel unterworfen seien. Dazu zählen insbesondere die Wassertemperatur und die Salinität eines Gewässers. Darüber hinaus hat der Geräuschpegel der Umgebung Einfluss auf die Performance

von Sonarsystemen. Der zunehmende Schiffsverkehr in der Region ist daher auch für die ASW relevant. Laut einer Studie des NATO SECMRE wird die mittlere Sonar-Zielerfassungsreichweite in der Arktis bis 2050 um 50 Prozent abnehmen. Deutschland zeigt mehr Präsenz und investiert

Die Arktisstrategie der Bundesrepublik basiert auf einem Papier aus dem Jahr 2019. Dort bezeichnet sie die Arktis noch als konfliktarme Region, die es als solche zu erhalten gelte. Diese Leitlinien seien, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LinkenBundestagsfraktion hervorgeht, auch weiterhin gültig. Allerdings stellt die Bundesregierung klar, dass sich die sicherheitspolitische Lage in der Region geändert habe. An das Postulat der konfliktarmen Region will man in Berlin nicht mehr recht glauben. Die zunehmende Beteiligung deutscher Streitkräfte bei NATO-Übungen im Hohen Norden sind dafür Zeuge. Zuletzt entsendete die Bundeswehr 1.500 Männer und Frauen, die sich an der Übung „Nordic Response 2024“ in Norwegen beteiligten. Darüber hinaus investieren die Streitkräfte in Gerät für den Einsatz in kalten Gefilden. Knapp eine Milliarde Euro aus dem Sondervermögen bringt die Bundeswehr für das Überschneefahrzeug Collaborative All Terrain Vehicle (CATV) auf. Während seiner Nordamerika-Reise lud der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) seinen kanadischen Amtskollegen zu einer Sicherheitspartnerschaft ein. Pistorius möchte gemeinsam mit dem kanadischen Partner Kommunikationsverbindungen durch den nördlichen Atlantik und die Arktis sichern.

Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Juni 2024
www.behoerdenspiegel.de Sicherheit
19.–20.
www.euro-defence.eu
14Tagenach derPräsidentschaftswahlindenUSA
November 2024, Berlin
NATO, EU and their Allies: Deterring Threats to Freedom and Democracy
Titelbild: BS/Hoffmann unter Verwendung von stock.adobe.com, KrisGrabiec

Auf der zweiten Demonstration, die unter strengen Auflagen stattfand, war dann lediglich noch von einem „Kalifat im Nahen Osten“ die Rede. Die Mehrzahl der gut 2.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren junge Männer, Frauen waren nur wenige vor Ort. Die Versammlungsbehörde hatte eine Geschlechtertrennung untersagt.

Die Organisatoren, allen voran der einstweilen zu bundesweiter Bekanntheit gelangte Joe Abade Boateng, achteten tunlichst darauf, dass alle Auflagen eingehalten und anwesenden Journalisten keine Auskünfte gegeben wurden. Das Gesicht von Muslim Interaktiv war zuvor nur einer begrenzten Fangemeinde auf den Plattformen TikTok und Instagram bekannt gewesen. Der Hamburger Verfassungsschutz stuft die Gruppierung als „gesichert extremistisch“ ein und ordnet sie dem Phänomenbereich des „Islamismus und islamistischen Terrorismus“ zu. Sie gilt, ebenso wie „Generation Islam“ und „Realität Islam“, als Ableger der 2003 verbotenen Organisation Hizb ut-Tahrir.

Kein Verbot in Aussicht Für ein Verbot reichen die Kalifatsforderungen allerdings nicht aus. Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP), betrachtet sie als „politisch absurd und abwegig“, sieht aber keinen Anlass für ein Einschreiten der Justiz. Das Bundes-

Gefahr für die Demokratie?

NRW-Lagebild Islamismus warnt vor hoher abstrakter Gefahr

(BS/Lars Mahnke) Die Aufregung nach den von der islamistischen Gruppierung Muslim Interaktiv organisierten Demonstrationen war groß. Die Forderung nach einem weltweiten Kalifat und die damit verbundene Ablehnung der rechtsstaatlichen Grundordnung Deutschlands löste Entsetzen aus. Parteiübergreifend wurde ein Verbot der Gruppe gefordert.

verfassungsgericht habe festgestellt, dass die Äußerung einer dem Grundgesetz widersprechenden Meinung ertragen werden müsse, solange keine Maßnahmen ergriffen würden, die Ordnung des Grundgesetzes zu beseitigen oder andere Rechtsgüter zu verletzen.

Sein Parteikollege, der Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle (FDP), forderte derweil ein verschärftes Vorgehen gegen Islamismus in Deutschland. Vereine, die „Radikalisierung

KLOSTER-KLAUSUR:

DIGITALE KRIMINALISTIK ALS KOMPLEXE HERAUSFORDERUNG FÜR DIE KRIMINALPOLIZEI

27. – 29.08. 2024 KLOSTER DRÜBECK, HARZ

und Gewalt mittels islamistischer Botschaften vorbereiteten“, sollten konsequent verboten werden. „Im Ergebnis dürfen verbotene Gruppen gar nicht erst in der Lage sein, hier zu Veranstaltungen oder Versammlungen einzuladen“, so Kuhle weiter. Muslim Interaktiv greift mit seinen Inhalten in den Sozialen Medien gesellschaftliche Debatten auf – beispielsweise die Uiguren-Verfolgung in China oder ein mögliches Kopftuchverbot in Deutschland. Dabei macht die Gruppe sich auch das Potenzial von Influencern als Multiplikatoren seiner Inhalte zunutze. Navid Wali vom Violence Prevention Network berichtet, dass sie sich dabei explizit auch an Studierende und sogar Akademikerinnen und Akademiker richte. Das Vorgehen von Muslim Interaktiv sei juristisch versiert, der Rechtsrahmen werde bewusst ausgereizt.

fassungsschutz Mitte Mai veröffentlichte, bestätigt diese Einschätzung. NRW-Innenminister Herbert Reul bestätigte bei dessen Vorstellung: „Der Islamismus ist weiter auf dem Vormarsch.“ Vom Islamismus, als „Sammelbezeichnung für alle politischen Auffassungen und Handlungen, die aus dem Islam einen hegemonialen politischen Anspruch und eine religiös legitimierte Gesellschafts- und Staatsordnung ableiten“, gehe nach wie vor eine sehr hohe abstrakte Gefahr terroristischer Anschläge aus. „Die latente Gefahr von islamistisch motivierten Anschlägen ist infolge der Geschehnisseim Nahen Osten gestiegen“, konstatiert auch das Bundesamt für Verfasungsschutz (BfV). Die Ideologie habe zwar an Strahlkraft eingebüßt, besitze für einige aber nach wie vor eine hohe Attraktivität, so das NRWLagebild. Der Bericht bestätigt, dass Islamisten vor allem das Internet zur Vermittlung ihrer Ideologie, zur Vernetzung mit Gleichgesinnten und zur Missionierung nutzten. Reul warnt explizit vor „identitären Islamisten“ im Umfeld von Hizb ut-Tahrir, die durch ihre Propaganda eine größere Zahl an Unterstützern mobilisieren könnten.

Wir bieten:

• eine abwechslungsreiche Tätigkeit in Vollzeit

www.fuehrungskraefte-forum.de; Suchwort: Kloster

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bund sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine (n) Nachfolger:in (m/w/d) für die aus Altersgründen ausscheidende Geschäftsführerin in Berlin.

Der Islamwissenschaftler Prof. Dr. Mouhanad Khorchide vom Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster macht jedoch deut-

Als weltweit größte Polizeigewerkschaft betreibt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bund für über 208.000 Mitglieder an den Standorten Berlin, Brüssel und Hilden eine Bundesgeschäftsstelle mit derzeit rund 30 Beschäftigten. Im Dachverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und in einer deutschlandweit föderalen Gewerkschaftsstruktur werden Positionen und Interessen für Polizeibeschäftigte vertreten und durchgesetzt.

• eine Vergütung, angelehnt an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD)

• Übernahme der Tariferhöhungen des TVöD

• 30 Tage Jahresurlaub

• Weihnachtsgeld analog dem TVöD

• zentrale Lage in Berlin

• PKW-Parkplatz am Büro

• Deutschlandticket

• gute Erreichbarkeit mit dem ÖPNV

• profilgenaue Weiterbildung

Zu den Aufgaben der Geschäftsführung gehören:

• Geschäftsführung am Hauptstandort Berlin, sowie Brüssel und Hilden (bei Düsseldorf)

• Personalverantwortung in der Personalführung und -organisation

• Budgetverantwortung und hauptverantwortliche Haushaltsplanungen der Organisation

• politische und strategische Beratung des GdP-Bundesvorstands, insbesondere des Geschäftsführenden Bundesvorstandes, in allen gewerkschaftspolitischen Fragen

• Erarbeitung gewerkschaftspolitischer Grundsatzpositionen und Konzeptionen für die kurz-, mittel- und langfristige Ausrichtung der Organisation

• inhaltlicher und organisatorischer Austausch zwischen den DGB-Gewerkschaften auf Geschäftsführungsebene

• Konzeption der gewerkschaftspolitischen Arbeit, Kampagnen und Aktionen

• Entwicklung und Verantwortung von Projekten

• Planung, Verantwortung, Durchführung des Bundeskongresses alle 4 Jahre, sowie weiterer satzungsgemäßer ordentlicher und außerordentlicher Sitzungen

• fachliche Betreuung des Bundesschiedsgerichts

Mit der Tätigkeit, vor allem durch die Teilnahme an Gremiensitzungen, sind Reisetätigkeiten verbunden.

Gesuchtes Profil

• abgeschlossenes Hochschulstudium, z.B. Rechtswissenschaften, Polizeimanagement oder Sozialwissenschaft oder einschlägige Berufserfahrung in Leitungsposition,

• Berufs- und Leitungserfahrung im Gewerkschaftsbereich, gewerkschafts-, stiftungs- oder politiknah,

• betriebswirtschaftliche Kompetenzen, buchhalterische Kenntnisse,

• mindestens gute Englischkenntnisse für die Kommunikation mit ausländischen Schwesterorganisationen,

• Vertrautheit mit den Belangen der Polizei sowie ihrer Beschäftigten und des öffentlichen Dienstes,

• souveränes Auftreten, Kommunikationsstärke und Fingerspitzengefühl im wertschätzenden Umgang mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden,

• Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit politischen Gremien und/oder der Bundesverwaltung, sowie Kommunalverwaltungen,

• Motivation und Bereitschaft, ein breites und vielfältiges Aufgabenspektrum zu betreuen,

• Identifikation mit den Zielen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Bewerbungsunterlagen oder Fragen

Ihre Bewerbung und Fragen zur Stelle richten Sie bitte bis 01.07.2024 an den Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, Stromstraße 4, 10555 Berlin oder per E-Mail an Jochen.Kopelke@gdp.de

lich, dass die Rekrutierung neuer Anhänger eher weniger unter Studierenden geschehe. Er sieht vor allem den provozierenden Habitus als Anreiz für den Zulauf von jungen Muslimen. Zugleich zweifelt Khorchide daran, dass die Anhängerinnen und Anhänger tatsächlich in einem solchen Kalifat leben wollten. Seiner Meinung nach handele es sich eher um einee Reaktion auf ein Gefühl der Ausgeschlossenheit aus der Mehrheitsgesellschaft, das Muslim Interaktiv Auftrieb verleiht. Die erst im April eingerichtete Forschungsstelle „Islam und Politik“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Verhältnis von Islam und Muslimen zur Politik in und außerhalb Europas zu erforschen. Die Religionspsychologin Sarah Demmrich erklärt, die Forschungsstelle wolle Ansprechpartner für Politik, Journalismus und die Bevölkerung sein und über den aktuellen Islam aufklären. Sie warnt: Fünf bis zehn Prozent der Muslime in Deutschland stimmten der Aussage „Ungläubige sollten getötet werden“ zu. Klar sollte sein: Nicht alle Muslime sind Islamisten.

Der größte Teil ist friedliebend. Bei fünfeinhalb Millionen in Deutschland lebenden Muslima und Muslimen machten diese Prozentzahlen bezüglich einer solch drastischen Aussage aber das Ausmaß der islamistischen Bedrohung deutlich. Auch das Lagebild Islamismus, das der NRW-Ver-

Nur 500 Euro für Notebooks

Sparmaßnahmen beim Zoll

(BS/Anne Mareile Walter) Der Bund kürzt das Budget für den IT-Bereich des Zolls, mit Folgen für die Materialausstattung. Die Zollgewerkschaft rechnet zudem mit künftigen Personalengpässen.

Notebooks werden nicht nachbestellt, vorhandene Software nicht weiterentwickelt und die Digitalisierung tritt auf der Stelle: Beim Zoll wird aktuell gespart – und das bundesweit. Wie die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) gegenüber dem Behörden Spiegel berichtete, sei das Budget für den IT-Bereich der Zollbehörden im laufenden Jahr um 40 Prozent gekürzt worden. „Es gibt erhebliche Einschnitte bei den Haushaltsmitteln und nun machen sich die ersten Auswirkungen davon bemerkbar“, erklärt der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel Aus zwei internen, vom „Spiegel“ veröffentlichten Schreiben des Hamburger Hauptzollamtes ging kürzlich hervor, dass im aktuellen Haushaltsjahr für die IT-Ausstattung lediglich noch ein monatlicher Finanzrahmen von 500 Euro zur Verfügung stünde, beschädigte Notebooks würden daher in größerer Zahl nicht mehr ersetzt. Mit 2.000 Mitarbeitenden ist die Hamburger Zollbehörde die größte in Deutschland.

Digitalisierung gerät ins Stocken Liebel prognostiziert mit Blick auf die bundesweiten Zoll-Standorte weitere Folgen: Die geplante flächendeckende Ausstattung der Mitarbeitenden mit Smartphones werde ebenfalls nicht mehr möglich sein. Auch die Anschaffung von „dringend benötigter Software“ für die „Financial Intelligence Unit“ müsse auf die lange Bank geschoben werden. Auf Eis gelegt sei auch die Einführung der digitalen Staatsakte. „Wir werden beim Zoll erst einmal weiterhin im analogen Zeitalter unterwegs sein“, sagt Liebel Die angespannte Finanzsituation stehe in enger Korrelation mit der geplanten Einrichtung eines Bundesamtes zur Bekämpfung von Finanzkriminalität. Die neue, noch zu gründende Behörde soll kostenneutral arbeiten, dabei sollen sich die hierfür vorgesehenen Planstellen ausschließlich aus Mitarbeitenden des Zolls speisen. Circa 120 Stellen werden für die neue Behörde benötigt. „Das wird dazu führen, dass insbesondere aus den Bereichen der Zollabfertigung und der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität Personal abgezogen wird“, erklärt Liebel. Vor allem erfahrene Kräfte und Spezialisten gingen dem Zoll dann verloren, bereits bestehende Personallücken würden vergrößert. „Es handelt sich hier um einen Ausverkauf des Zolls für die neue Behörde“, konstatiert der Gewerkschaftsvorsitzende.

BMF sieht Zoll gut aufgestellt Auf Anfrage des Behörden Spiegel erklärte hingegen ein Pressesprecher des Bundesfinanzministeriums: Dem Zoll stünden aktuell alle erforderlichen Haushaltsmittel in angemessenem Umfang zur Verfügung. „Es ist sichergestellt, dass der Zoll sowohl seinen rechtlichen Verpflichtungen jederzeit nachkommen als auch den ihm gesetzlich übertragenen Auftrag in vollem Umfang ausführen kann“, bekräftigte der Sprecher.

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 36 Innere Sicherheit

Der Sprengsatz, der die Detonation ausgelöst hatte, läutete die islamistischen Terroranschläge von Paris ein, bei denen 130 Menschen getötet und Hunderte verletzt wurden. Die Geschehnisse sind in vielerlei Hinsicht eine Blaupause für die Sicherheitslage bei der UEFA EURO 2024 in Deutschland – im Guten wie im Schlechten: Während moderne Stadien Festungen gleichen und Anschläge unwahrscheinlich machen, sieht es an öffentlichen Plätzen, auf den Fanmeilen und in den Bars der Spielorte naturgemäß anders aus.

Anschlagsversuche nach dem Muster von Paris 2015 sind auch für die erhoffte Fußballparty im Sommer vorstellbar. Die Terrorgefahr in Deutschland wird nach wie vor als „abstrakt hoch“ beschrieben. Ein Großereignis wie die EM stellt für terroristische Organisationen ein attraktives Angriffsziel dar, um sich zu profilieren.

Dabei geht die aktuelle Gefahr nicht wie früher von Schläferzellen aus. Dahingehend gebe es keine konkrete Bedrohung. Vielmehr sorgt man sich um Einzeltäter oder kleine Gruppen, die durch Propaganda und Aufrufe in den Sozialen Medien aktiviert werden. Unlängst hatte der IS-Ableger „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) in seinem Online-Magazin „Voice of Khorasan“ zu Anschlägen aufgerufen und dabei Berlin, München und Dortmund als mögliche Ziele genannt. Der ISPK gilt ohnehin als die derzeit gefährlichste islamistische Bedrohung. Ein altbekanntes Problem stellen die gewaltbereiten Fans dar. Um die von Hooligans ausgehende Gefahr zu minimieren, soll auch die Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ genutzt werden. Seit 2011 ist die Zahl der in ihr gespeicherten Personendaten von 13.000 auf 5.500 gesunken. Nun soll sie mit den Daten der EM-Teilnehmer zeitweise angereichert werden. Gewaltbereite Fans aus Großbritannien wird die Ausreise für die Dauer der EM gar nicht erst gestattet. Zudem werden 400 szenekundige Beamte aus dem In- und Ausland die Anhänger genau beobachten. Die personelle Belastung für die Polizistinnen und Polizisten ist ausgesprochen hoch, man rechnet mit insgesamt zwei Millionen Überstunden. Bundespolizei und Landespolizeien haben schon jetzt Urlaubssperren verhängt und Zwölf-Stunden-Schichten angeordnet. 22.000 Beamtinnen und Beamte werden pro Spieltag im Einsatz sein. Um Hooligans und terroristische Gefährder aus dem Ausland frühzeitig abzufangen, werden bereits zwei Wochen vor Beginn des Turniers die Kontrollen an den deutschen Außengrenzen ausgeweitet. Aktivistinnen und Aktivisten drohen den reibungslosen Ablauf des Turniers zu stören und die weltweite Aufmerksamkeit für ihre Zwecke zu nutzen. Dies gilt für Umweltund Klimaschützer ebenso wie für pro-palästinensische Gruppen. Von russischer Seite ist neben gezielten Desinformationskampagnen und Cyber-Attacken auch mit Sabotageakten zu rechnen. Auch einzelne Hacker könnten mit Cyber-Angriffen die EM als Plattform nutzen. Vor allem das elektronische Ticketing-System der UEFA bietet sich dabei als Ziel an, aber auch klassische Ziele wie Stromversorgung und Übertragungstechnik. Zum Schutz des Luftraums sollen spezielle Einsatzfahrzeuge schädliche Drohnen identifizieren und durch Störung der Funksignale die Flugkörper zur Umkehr zwingen. Ein Abschuss über einer Menschenmenge wäre zu gefährlich.

Sichere Spiele in unsicheren Zeiten

Die Europameisterschaft im Zeichen weltweiter Konflikte

(BS/Lars Mahnke) 13. November 2015, 21:20 Uhr, Fußballstadion Stade de France in Paris: Beim Freundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland ist eine Detonation zu hören, deren Intensität über die der üblichen Stadionböller hinausgeht. Das Spiel wird unterbrochen, Spieler, Verantwortliche und Fans sind irritiert. Dann geht es weiter – zunächst.

Vom 14. Juni bis 14. Juli wird die Polizei nicht nur gewalttätige Fans im Blick haben. Die Fußballbegeisterten müssen auch vor möglichen terroristischen Angriffen geschützt werden. Foto: BS/Rene Lang Zwickau, stock.adobe.com

Mit Übungen und Sicherheitstests bereiten sich die Sicherheitsbehörden seit Monaten auf die bevorstehende UEFA EURO 2024 vor. Sie sollen die Einsatzkräfte für reale Ausnahmesituationen während der Europameisterschaft fit machen. Mitte Mai führten Polizeiund Rettungskräfte in Stuttgart in Anwesenheit von Innenminister Thomas Strobl ihre Vorbereitungen fort. Dieser blickte optimistisch auf das bevorstehende Großereignis: „Stuttgart wird an fünf Spieltagen der Fußball-Europameisterschaft wieder zur Bühne des europäischen Fußballs. Dafür laufen auch bei unserer Polizei die Vorbereitungen auf Hochtouren.“

Beteiligt waren an der Großübung in der Stuttgarter MHP-Arena rund 15 Einsatzzüge des Präsidiums Einsatz, zwei Einsatzzüge des Präsidiums Stuttgart, zwei Einsatzeinheiten der Bundespolizei sowie 200 Schülerinnen und Schüler der landeseigenen Hochschule für Polizei. Auch 30 Rettungsdienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter waren involviert. Der Schwerpunkt lag laut baden-württembergischem Innenministerium auf dem Vorgehen bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen wie einem Terrorangriff oder demWerfen von Pyrotechnik im Stadion mit mehreren Verletzten. „Die heutige Übung hat gezeigt: Unsere Einsatz- und Rettungskräfte sind gut vorbereitet, optimal aufeinander abgestimmt, so dass alle Rädchen sauber ineinandergreifen“, resümierte Strobl

Bedrohungslage abstrakt hoch Manuel Ostermann, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), betont, man decke von Stabsübungen bis hin zu Übungen mit robusten Einsatzkräften das gesamte Portfolio ab. Er bewertete die terroristische Bedrohungslage als „so akut wie schon lange nicht mehr“. Die Sicherheitsbehörden seien allerdings explizit darauf geschult und aufgrund der latenten Bedrohungslage sehr sensibel. Die Polizeipräsidentin von Berlin, Barbara Slowik, macht deutlich: „Solche großen Veranstaltungen werden regelmäßig weltweit dazu genutzt, gezielt für terroristische Propaganda und Hetze Raum zu schaffen – um Menschen zu verunsichern, um Angst zu machen, um Freude zu nehmen.“ Man treffe für alle Personen, von denen potenziell eine Gefahr ausgehe, entsprechende Maßnahmen, egal „ob aus dem politischextremistischen Spektrum oder aus der Sportgewaltszene“.

Bis zu 15 Millionen Fans werden insgesamt erwartet, fünf Millionen allein in Berlin. Die Stadien, die 2,7 Millionen Besucherinnen und Besucher fassen, spielen bei den deutschen Sicherheitsbehörden eine untergeordnete Rolle, da die UEFA

hier für die Sicherheit zuständig ist. Die Hauptsorge gilt den Innenstädten, insbesondere den Fanmeilen und Public Viewings. Diese gelten als weiche Ziele und sind besonders gefährdet für terroristische Anschläge, zumal so gut wie nicht zu schützen. Die Stadien seien wie Tresore gesichert, die vielen kleinen Partys sind die Achillesferse, so wie 2015 in Paris. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz richtet sein „Augenmerk“ auf Personen, die „durch Trigger-Ereignisse zu Aktionen gegen weiche Ziele inspiriert werden können.“ Zudem stellen die durch das Land reisenden Nationalmannschaften und ihre Anhänger eine besondere Herausforderung für die föderal organisierten Polizeien dar. Die insgesamt 51 Spiele der 24 Mannschaften werden an zehn verschiedenen Spielorten stattfinden. Ein besonderes Augenmerk wird dabei laut Innenministerin Nancy Faeser dem ukrainischen Team zukommen müssen, das unter Sonderschutz

gestellt wird. Manche sind froh, dass Israel sich nicht qualifiziert hat.

Kurz vor Beginn der EM tagen die beteiligten Sicherheitsbehörden immer dienstags. Das Bundeskriminalamt versorgt die Teilnehmenden mit ständig aktualisierten Lagebildern zur aktuellen Sicherheitssituation.

Mit dabei sind das Bundesministerium des Innern und für Heimat, die Bundespolizei, das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Sie orientieren sich zwar an der Weltmeisterschaft 2006, doch sind die Bedingungen unter dem Einfluss des russischen Angriffskriegs und der angespannten Lage im Nahen Osten deutlich andere. Koordiniert werden die Kräfte über das International Police Cooperation Center (IPCC), in dem alle Informationen zusammenlaufen. Bei aller Vorsicht und trotz der massiven Vorbereitungen weisen die Sicherheitsbehörden explizit darauf hin, dass „keine konkreten Hinweise auf eine Anschlagsplanung“ gegeben seien, so Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik Auch die Bundesinnenministerin ist zuversichtlich: Die Sicherheit der EM genieße höchste Priorität. Deutschland könne sich auf ein „großes Fußballfest“ freuen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sucht in ihrer Bundesgeschäftsstelle Berlin beim Bundesvorstand zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein:e Referent:in (m/w/d) in Vollzeit

Als weltweit größte Polizeigewerkschaft betreibt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bund für über 208.000 Mitglieder an den Standorten Berlin, Brüssel und Hilden eine Bundesgeschäftsstelle mit derzeit rund 30 Beschäftigten.

Im Dachverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und in einer deutschlandweit föderalen Gewerkschaftsstruktur werden Positionen und Interessen für Polizeibeschäftigte vertreten und durchgesetzt.

Wir bieten:

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• eine Vergütung, angelehnt an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD)

• Übernahme der Tariferhöhungen des TVöD

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Zu den Aufgaben der neu eingerichteten Stelle im Bereich der Abteilung Organisation gehören:

• Zentrale Ansprechperson für Kostenplanung von Projekten und Budgetplanungen

• die Aufstellung des Haushaltsplans

• die Vorbereitung und Bearbeitung der Beschlüsse der Abteilung Finanzen

• die Aktualisierung der Beitragstabellen der Landesbezirke/Bezirke

• die Vorbereitung von Finanzausschuss-Sitzungen

• Bearbeitung des Jahresabschlusses nach Erstellung durch Buchhaltung

• die Ausarbeitung des Haushaltsplans

• der Kontakt zu Versicherungen

• die Weiterentwicklung der Kostenstellen, ggf Budgetierung

• Erstellung des Finanzberichts für den Bundeskongress

• die Bestellung des Abschlussprüfers initiieren,

• Unterschriftsberechtigung im Zahlungsverkehr

• die Prüfung der Jahresabschlüsse der Landesbezirke/Bezirke

• Freigabe von Zahlungen

• die Beantragung und Abrechnungen von Fördermittel

• die Beantragung und Abrechnungen von Förderprogrammen und Forschungsprojekten

• die Prüfung der Streikgeldabrechnungen

• Analyse der Bundes- und Landeshaushaltsgesetzgebung

Gesuchtes Profil

• Wünschenswert ein Studium der Ökonomie oder BWL, eine abgeschlossene Berufsausbildung im Finanzwesen bzw. eine einschlägige Berufserfahrung,

• Betriebs- oder volkswirtschaftliche Kompetenzen und Kenntnisse,

• Motivation und Bereitschaft, ein breites und vielfältiges Aufgabenspektrum zu betreuen,

• Identifikation mit den Zielen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

• Erfahrungen in der Anlage von liquiden Mitteln, Kapitalmarkterfahrung.

Bewerbungsunterlagen oder Fragen

Ihre Bewerbung und Fragen zur Stelle richten Sie bitte bis 01.07.2024 an den Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, Stromstraße 4, 10555 Berlin oder per E-Mail an Jochen.Kopelke@gdp.de

Innere Sicherheit Seite 37 Behörden Spiegel / Juni 2024

Unsere Demokratie wird aktuell von vielen Seiten angegriffen. Mit Populismus und einfachen Ansätzen werden zu Themen der Inneren Sicherheit in der Bevölkerung Ängste geschürt. Mit Parolen nach einem starken Staat wird versucht, auch Akteure der Sicherheitsbehörden auf die Seite von Demokratiefeinden zu bringen. Wie aber ist es möglich, die Polizei widerstandsfähiger gegen Angriffe rechtsextremer Gruppierungen zu machen? Klar ist: Ein oberlehrerhaftes Predigen vom verfassungstreuen Beamtentum scheint nicht der richtige Weg zu sein. Dies kann im Gegenteil Widerstände erzeugen, weil es oft mit einem Generalverdacht verbunden ist. Eine allgemeine Misstrauenskultur wäre kontraproduktiv. Ein besserer Weg ist es, es positiv anzugehen. Unsere Verfassung hat starke Werte – diese gilt es täglich zu leben, diese Haltung gilt es in der Polizei stark zu machen. Für demokratisches Engagement, Bildungsinitiativen und vorbildliche Haltung können wir eine Kultur schaffen.

Demokratiestarke Polizei

Zwei Beispiele aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen

(BS/Alexandra Dorndorf und Gwendolin von der Osten) Die Polizei ist zentraler Akteur im demokratischen Gefüge. Sie ist nicht nur für die Sicherheit der Bürger verantwortlich, sondern auch dafür, die demokratischen Werte zu wahren. Gerade wenn das Vertrauen in staatliche Institutionen sinkt, ist es entscheidend, dass die Polizei eben kein „Spiegelbild der Gesellschaft“ ist. Die Polizei, ausgestattet mit dem Gewaltmonopol, muss über jeden Zweifel erhaben sein.

telpunkt: „Was können wir aus der eigenen Geschichte lernen und wie gehen wir als Polizei mit Angriffen

Welche Initiativen gibt es bei der Polizei Münster? Die Mitarbeitenden der Polizei Nordrhein-Westfalen

wir selbst an Grenzen geraten, ein Scheitern erfahren oder mit unzureichenden Rahmenbedingungen konfrontiert sind, sind wir gefordert, uns auf unser Versprechen zu besinnen. Auf Initiative des Innenministers Herbert Reul vom Oktober 2020 hat eine Stabsstelle Handlungsempfehlungen entwickelt, um die Polizei NRW in ihrer demokratischen Resilienz zu stärken. Extremismusprävention ist damit zu einer echten Daueraufgabe von der Ausbildung bis zur Pensionierung geworden. Extremismusbeauftragte gehen in die Dienststellen, sind niedrigschwellig ansprechbar. Neuerdings wird ihre Arbeit flankiert durch eigens eingestellte Psychologinnen

dem Leiter des NRW-Büros in Israel, Dr. Gil Yaron, haben wir die Veranstaltung „Resilienz gegen Antisemitismus“ für Studierende der Polizei Münster, der Kommunalverwaltungen und der Lehrerfortbildung ins Leben gerufen. Unsere Partner: die Hochschule für öffentliche Verwaltung NRW und die Universität Münster. 2. Führung ist für die demokratische Resilienz unserer Organisation ein entscheidender Erfolgsfaktor. Wir brauchen Führungskräfte, die bei Werteverschiebungen sensibel sind, genau hinsehen, Haltung zum Thema machen. Ganz nach dem Motto „Führung geht uns alle an“ haben wir in der Polizei Münster einen Führungskompass entwickelt. Unser Kompass soll Richtung weisen, Orientierung geben. Gerade in den aktuellen Zeiten schnellen Wandels und großer Herausforderungen braucht es eine gemeinsame Blickrichtung und klare werteorientierte Führung und Haltung, um unsere Demokratie zu schützen.

Behörden Spiegel / Juni 2024
Innere Sicherheit Seite 38 SECURE YOUR BUSINESS Bevölkerungsschutz und zivile Verteidigung 17. – 20. September 2024 www.security-essen.de Die Leitmesse für Sicherheit BESUCHEN SIE UNS! Alexandra Dorndorf leitet seit Mai 2022 das Polizeipräsidium Münster und ist Botschafterin der Initiative #sicherimDienst. Foto: BS/Peter Newels/Polizei Münster Gwendolin von der Osten ist Volljuristin und seit April 2023 Polizeipräsidentin in Hannover. Foto: BS/PP Hannover Alexandra
Dorndorf betont, der Diensteid setze eine Haltung voraus, die Richtschnur und Kompass für lebenslanges demokratisches Handeln sei. Foto: BS/Wolfgang Breiteneicher

Perspektivisch werde man das bundesweite deutsche TetraBOS-Netz noch bis „in die hohen 30er Jahre“ weiter betreiben, erklärte Frank Buddrus, Vizepräsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), kürzlich auf dem Europäischen Polizeikongress. Damit liegt die BDBOS im Trend. Im Konferenzprogramm der „Critical Communications World (CCW)“, die der internationale Branchenverband für kritische Kommunikation TCCA dieses Jahr in Dubai ausrichtete, nahm der Tetra-Standard viel Raum ein: Netze, Applikationen, Sicherheitsfragen und Endgeräte aller Art standen zur Debatte. Überhaupt befindet sich Tetra auf globalem Erfolgskurs: Auf rund 8,7 Milliarden US-Dollar wird sein Markt für 2024 beziffert, die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate lag von 2022 bis 2032 bei 11,8 Prozent. Geschätzt werden von BOS und KRITIS-Betreibern der sparsame Umgang mit dem Spektrum und die robuste, langlebige Technik des schmalbandigen Standards.

Hybride Netze als Standard International betreiben die meisten Länder ihre bewährten Tetra-Sprachfunknetze (oder andere schmalbandige Standards) für BOS weiter, während sie den Aufbau ihrer einsatzkritischen Breitbandnetze in unterschiedlicher Formation und Geschwindigkeit vorantreiben. Das Angebot an hybriden Systemkomponenten und Endgeräten wächst entsprechend. Viel Neues gibt es darüber hinaus nicht. So hört man vom einstigen Vorreiter, dem Vereinigten Königreich, das schon 2016 mit dem Aufbau einer Breitband-Infrastruktur begann, keine Fortschrittsberichte mehr. Unter den Europäern setzt jetzt Finnland Maßstäbe, das Gesetzänderungen, Ausschreibungsverfahren und den grundlegenden Netzaufbau zusammen mit kommerziellen Providern bereits bewerkstelligt hat. Mit Spannung werden die Bemühungen der neuen ACMOSS-Behörde beobachtet, die Frankreich schon zu

Der Rettungsdienst hätte die Möglichkeit, zur Verringerung der Überlastung beizutragen. Unnötige Einweisungen in die Kliniken könnten durch Zuweisung zur kassenärztlichen Versorgung oder durch fallabschließende Behandlung vor Ort vermieden werden. Das wird bisher durch mangelhafte Koordination und ungeklärte Zuständigkeiten und Kompetenzen erschwert. Auch der Rettungsdienst selbst wird durch Patienten mit Bagatellverletzungen und nicht akut behandlungspflichtigen Erkrankungen belastet. Die Einsatzzahlen des Rettungsdienstes steigen jährlich vor allem im Bereich dieser sogenannten LowCode-Einsätze. Hilfesuchende mit unkritischen Beschwerden melden sich in Unkenntnis des rettungsdienstlichen Aufgabenbereichs über die Notrufnummer 112. Dadurch kommt es zum oft vermeidbaren Einsatz spezialisierter Ressourcen (Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeuge), die während der Dauer des Einsatzes für dringliche Notrufe blockiert sind.

Veränderungen dringend notwendig

Ständige Überlastung und Tätigkeit außerhalb des eigentlichen Aufgabenbereichs führen zu steigender Unzufriedenheit des knappen rettungsdienstlichen Fachpersonals mit spürbarer Abwanderung in andere Bereiche. Es ist erkennbar,

Zurück in die Zukunft

BOS-Digitalfunk im Wandel

(BS/Dr. Barbara Held) Weltweit sind die Breitband-Visionen für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben vielfältig wie weitreichend. Angefangen von KI-gestützter Verkehrsplanung und automatisierter Fahndung bis hin zur Echtzeitübertragung riesiger Datenmengen über Satelliten und 6G soll Technik den Einsatzkräften ihre herausfordernden Tätigkeiten erleichtern. Den Alltag der meisten prägen aber nach wie vor Tetra und Co.

Weltweites Aufsehen erregt die Polizei Dubai mit ihren gerade noch straßentauglichen Boliden aus der Fabrikation internationaler Nobelmarken. Vollautomatisches Kennzeichen-Screening des umgebenden Verkehrs gehört da zu Grundausstattung. Foto: BS/Dr. Held

den Olympischen Spielen mit ersten Breitband-Services versorgen will. Und natürlich spielt das von AT&T betriebene amerikanische FirstNet in einer anderen Liga, auch weil die Rahmenbedingungen so anders sind. Rein technologisch betrachtet, hat das CCW-Gastgeberland Dubai die Nase vorn. Nach einem erfolgreichen Piloten für die Weltausstellung 2024 ist der zuständige Netzbetreiber Nedaa gerade dabei, das Roll-out für ein flächendeckendes 5G-BOS-Netz abzuschließen. Aber auch da fährt man hybrid: Das bewährte Tetra-Netz bleibt.

Vision 6G

Dabei taucht am BOS-Horizont schon die Vision von 6G auf. Die Versprechungen sind nicht nur aus Sicht der BOS-Community groß: extrem große Bandbreiten mit entsprechend rasanter Übertragungsgeschwindigkeit kombiniert mit

minimalen Latenzen, integrierten KI-Funktionen, Sensoren aller Art, verbesserte Sicherheitsfeatures etc. Holographische Echtzeitkommunikation könnte beispielsweise Polizei und Feuerwehr einen ganz neuen Zugang zu ferngelegenen Einsatzorten ermöglichen. Bei der Standardisierungsorganisation 3GPP haben die Arbeiten an den technischen Spezifikationen begonnen. Inwieweit dort BOS-Interessen eingehen, wird davon abhängen, inwieweit die BOS aus aller Welt ihre Anforderungen dort unterbringen können. Skepsis ist angesagt, da der BOSDigitalfunk im Milliardenmarkt der Telekommunikation nur eine kleine Nische darstellt.

Himmlische Zukunft

Erst der Einsatz von Satellitenkommunikation werde die 6G-Vorzüge weltweit und flächendeckend zur Geltung bringen, prognostiziert

Prof. Marko Hoyhtya vom VTT Technical Research Centre of Finnland, der den BOS dringend nahelegt, stärker auf Satellitentechnologie zu setzen. Diese sind aber eher zurückhaltend: Standardszenarien für den Einsatz von Satellitenkommunikation sind mobile Basisstationen und das traditionelle Satellitentelefon für Krisensituationen. Dabei explodieren Markt und Infrastrukturen der Satellitenkommunikation derzeit geradezu. So hat sich die Anzahl der gelaunchten Satelliten allein zwischen 2018 und 2023 von rund 400 auf über 2.500 pro Jahr gesteigert. Gleichzeitig sinken die Kosten für den Start erdnaher Satelliten (LEO) und damit auch die Kosten für die Payload ständig weiter, berichtet Zoltán Wirth, Leiter des Airbus-5G/6G-Programms. Im Zuge der Implementierung von 5G/6G arbeite die Industrie an der nahtlosen Integration von traditio-

Studium für mehr Befugnisse

Aktuelle Probleme und Akademisierung im Rettungsdienst (BS/Frank Flake, Peter Gretenkort*) Viele der aktuellen Probleme unseres Gesundheitssystems betreffen auch den Rettungsdienst. Dies zeigt sich in besonderer Weise in der Überlastung der Notaufnahmen durch sogenannte Bagatellfälle. Die Notaufnahmen der Krankenhäuser werden vielfach von Patientinnen und Patienten aufgesucht, deren Beschwerden weder akut noch zeitdringlich zu behandeln sind. Die Ressourcen zur Versorgung ernstlich erkrankter oder verletzter Patienten (Räumlichkeiten, Personal, Material und Geräte) werden dadurch beeinträchtigt. Betroffen davon ist auch die Übernahme von Patienten des Rettungsdienstes mit der Folge längerer Wartezeiten und verzögerter Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft.

dass grundlegende Reformen und Systemumstellungen notwendig sind.

Die von der Regierungskommission veröffentlichten Vorschläge zur Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland sieht das Bündnis Pro Rettungsdienst insgesamt als richtungsweisend an. Kerngedanken sind eine gezielte Lenkung der Notfallpatienten zur ambulanten oder stationären Versorgung, Notfallversorgung nach verbindlichen Qualitätsstandards sowie Aufbau von komplementären Versorgungsstrukturen (ambulante pflegerische Notfallversorgung, Palliativdienste, Gemeindenotfallsanitäter, telemedizinische Beratung etc.). Ergänzend sieht die Regierungskommission vor, die Befugnisse von Notfallsanitätern zu erweitern. Hierzu wird die Einführung verschiedener Ausbildungs- und Qualifikationsstufen und die damit verbundene Anhebung der Kompetenzen empfohlen. Die Möglichkeit

zur Weiterqualifizierung von Rettungsfachpersonal und insbesondere die Einführung akademischer Studiengänge für Notfallsanitäter ist ausdrücklich zu begrüßen. Auf diese Weise kann Personal langfristig gebunden und mit entscheidenden Karriere- und Entwicklungsperspektiven ausgestattet werden. Derzeit dominieren vor allem Studiengänge im pädagogischen Bereich sowie im Bereich des rettungsdienstlichen Managements. Eine Empfehlung der Regierungskommission geht dahin, „besonders qualifizierte Notfallsanitäter/innen“ mit einer fachgebundenen Heilkundebefugnis nach Vorbild anderer Staaten (z. B. Advanced Paramedic Practioner) auf Bachelor/MasterNiveau weiter zu qualifizieren, damit diese den jetzigen Notarztdienst substituieren und die ärztliche Ressource nur bei Bedarf anfordern müssen.“

Die Einführung von Studiengängen zur medizinischen Kompetenzausweitung mit dem Ziel der

nellen, sehr hoch fliegenden GEOund MEO-Satelliten mit erdnahen LEO-Konstellationen und den terrestrischen Netzen. Hinzu kommen noch fliegende Plattformen wie Drohnen, Ballons, Flugzeuge etc. Idealerweise entsteht für die Nutzenden daraus der Eindruck eines einzigen, äußerst performanten erdumspannenden Kommunikationsnetzes, das immer und überall verfügbar ist. Ein Wunschtraum für BOS-Einsatzkräfte.

Finnland hat auch hier die Nase vor. Antti Kauppinen, CTO des staatseigenen Netzbetreibers Erillisverkot, berichtet über diverse Studien und Teststellungen zu Einsatzszenarien. Wegen Finnlands für GEO-Satelliten ungünstigen Lage im hohen Norden habe der dortige BOS-Digitalfunkbetreiber Virve ein besonderes Interesse an der Integration von LEO-Satellitennetzen. U. a. hat man bereits ein Szenario erfolgreich getestet, bei dem hochauflösende LEO-Satelliten-Bilder aus der Grenzüberwachung über einen Link via GEO-Satellit an die gewünschte Bodenstation übermittelt wurden. Die Beurteilung der Alltagstauglichkeit fällt trotzdem zurückhaltend aus: zu komplex, zu teuer. Prof. Hoyhtya, der eng mit Erillisverkot zusammenarbeitet, würde das so nicht unterschreiben. Tests des VTT-Instituts im Zusammenhang mit großflächigen Waldbränden attestieren den verfügbaren LEO-Konstellationen von OneWeb, Starlink und Iridium durchweg eine gute Performance. Allerdings muss auch Prof. Hoyhtya zugeben, dass bis zur Umsetzung dieser Konzepte noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig sein werde. Das betrifft zunächst die Schaffung einer neuen Generation von Endgeräten für die direkte Kommunikation mit Satelliten, Regeln für einen sparsamen Umgang mit Übertragungsressourcen, die Kontrolle über sicheren Datenverkehr und die Optimierung der Kosten. Dennoch ist die Botschaft des Professors eindeutig: Für die BOS-Kommunikation werden 6G und Satellitennetze einen Paradigmenwechsel bringen. Sie müssen nur die Chance ergreifen.

Substitution des Notarztes wird jedoch bis zum verbreiteten Einsatz von Absolventen keinerlei Wirkung auf die aktuellen Probleme im Rettungsdienst entfalten. Es ist ungewiss, in welchem Zeitraum eine ausreichende Anzahl von Studienplätzen und Studierenden für diese Aufgabe zur Verfügung steht und ob die kritischen Fähigkeiten, die für eine Kompetenzausweitung jenseits des Pyramidenprozesses notwendig wären, vermittelt werden können.

Vorhandenes erweitern Bereits heute verfügen Notfallsanitäter bei Ausnutzung der Delegationsmöglichkeiten für Maßnahmen und Medikamentengabe im Rahmen des sogenannten Pyramidenprozesses über eine breite Palette an Möglichkeiten zur Behandlung von Notfallpatienten. Durch die Festschreibung eigenverantwortlicher heilkundlicher Befugnisse in bestimmten Situationen durch den nachträglich ergänzten § 2a

des Notfallsanitätergesetzes sowie durch die Öffnung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) mit der Möglichkeit der eigenständigen Verabreichung von Schmerzmitteln, die dem BtMG unterliegen, durch Notfallsanitäter wurden weitere Möglichkeiten geschaffen. Durch deren konsequente Umsetzung müssten aus Sicht des Bündnisses bereits jetzt die ärztlichen Ressourcen deutlich weniger und somit nur bei Bedarf eingesetzt werden. Das Bündnis pro Rettungsdienst würde sich wünschen, zuerst durch entsprechende Kraftanstrengungen und das gemeinsame Vorgehen aller am Rettungsdienst Beteiligten bundesweit einheitlich geltende Behandlungsrichtlinien in Kraft setzen zu können. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Sobald diese Entwicklung fortgeschritten ist, wird man aus unserer Sicht die Frage nach einer weitergehenden Kompetenzübertragung auf Notfallsanitäterinnen und -sanitäter vor dem Hintergrund von Zielvorgaben des Bildungssystems und des zunehmenden Fachkräftemangels erneut stellen.

*Frank Flake ist Leiter des Rettungsdiensts im Landkreis Oldenburg und 2. Vorsitzender des DBRD.

Dr. Peter Gretenkort von der Simulations- und Notfallakademie am Helios Klinikum Krefeld ist Stellvertr. Vorsitzender der BAND e.V.

Katastrophenschutz Seite 39 Behörden Spiegel / Juni 2024

Heute die Zukunft sichern

Gemeinsam mit der deutschen Industrie stellen wir heute der deutschen Bundeswehr die Plattformen zur Verfügung, um die Sicherheit von Morgen zu gewährleisten.

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Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat seine Überzeugung, dass Deutschland eine Art der Wehrpflicht benötigt, wiederholt geäußert und damit die Diskussion über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland angestoßen. Für eine Umsetzung müssen zunächst aber auf mehreren Ebenen die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden. In Deutschland zeichnet sich für ein Wiedereinsetzen der alten Wehrpflicht allein schon innerhalb der Regierung keine politische Mehrheit ab. Nach Auffassung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird es einen „Wehrdienst wie früher“ nicht wieder geben. Die Bewältigung des Personalmangels bei der Bundeswehr sei eine „überschaubare“ Aufgabe. Tatsächlich aber ist statt der angestrebten Erhöhung des militärischen Personalumfangs auf 203.000 die Zahl real auf 181.500 gesunken und nach der Bewertung des Verteidigungsministeriums ist es auch mit einem optimierten Status Quo wenig erfolgversprechend, diese Entwicklung umzudrehen, da zu wenig Bewerber erreicht werden können, um den Bedarf von bis zu 40.000 Soldaten zu decken. In keiner der drei Regierungsparteien scheint ein übergreifender Konsens zur Unterstützung des Verteidigungsministers bei diesem Thema erzielbar zu sein. Die Sprecherin für Sicherheitspolitik in der Grünen-Fraktion, Sara Nanni, sprach zwar von einer „notwendigen Diskussion um die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes", die Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripur sehen aber derzeit keine schlüssige Begründung für eine Rückkehr zur Wehrpflicht. Diese Auffassung wird auch von der FDP geteilt, deren verteidigungspolitischer Sprecher Alexander Müller kürzlich äußerte, „dass der Entzug der Freiheit junger Menschen sehr gut begründet werden muss, und eine solch bedrohliche Lage haben wir absehbar nicht“.

Anders stellt sich die Situation bei der CDU dar, die auf dem letzten Parteitag die schrittweise Rückkehr zur Wehrpflicht verabschiedete, welche dann in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführt wer-

Zeit ist heute ein kritischer Faktor für den Fähigkeitsaufbau der Bundeswehr, erläuterte der Abteilungsleiter Planung im Bundesministerium der Verteidigung, Generalleutnant Gert Friedrich Nultsch auf dem Defence Procurement Day des Behörden Spiegel Anfang Mai. Dabei ginge es nicht nur um den eigentlichen Beschaffungsprozess, sondern auch um den vorgeschalteten Planungsprozess, der – ausgehend von den Planungszielen der NATO über das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr bis hin zur Haushaltsaufstellung und Realisierung – den seit der Zeitenwende-Rede des Bundeskanzlers deutlich gestiegenen Bedarf der Streitkräfte abbildet. Zusätzlich seien neben der nationalen Ausrichtung der Streitkräfte auch die bündnispolitischen Wechselwirkungen sowie die industriellen Kapazitäten und Fähigkeiten zu berücksichtigen, die zusätzliche Komplexität mit sich brächten.

Zeitenwende und Realität aus Sicht des Beschaffers

Der Leiter des Justiziariats des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, Matthias Mantey, stellte die wesentlichen Veränderungen seit der Zeitenwende aus der Sicht des Beschaffers dar. So habe der Faktor Zeit gegenwärtig absolute Priorität bei der Beschaffung,

Wehrpflicht – aber wie?

Voraussetzungen für die Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht

(BS/th) Angesichts des Ukraine-Krieges und der allgemeinen Verschlechterung der sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen haben die baltischen Staaten sowie die nordischen Länder den Wehrdienst in unterschiedlichen Ausprägungen wieder eingeführt, nachdem die allgemeine Wehrpflicht infolge des Falls der Berliner Mauer in fast allen europäischen Staaten abgeschafft oder ausgesetzt wurde.

Die vorerst letzten Wehrpflichtigen der 5. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 371 Marienberg bei ihrer Rekrutenbesichtigung am 22.03.2011. Foto: BS/Sebastian Wilke, Bundeswehr

den soll. Ein konkretes Modell, das Frauen und Männer gleichbehandelt, wird derzeit erarbeitet. Die AfD ist ebenfalls der Auffassung, dass die Wehrpflicht ernsthaft diskutiert werden müsse – am besten mit der Rückkehr zu dem ehemaligen System, da dies aus Sicht der AfD am einfachsten und am schnellsten umsetzbar sei.

Rechtliche Aspekte Aus rechtlicher Sicht wäre die Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht tatsächlich mit einfacher Mehrheit des Parlaments erreichbar. Jedoch würden damit nur Männer erfasst werden, da Artikel 12a des Grundgesetzes die Wehrpflicht ausdrücklich nur für Männer vorsieht. Aspekte der Freiwilligkeit, der Wehrgerechtigkeit sowie der Gleichbehandlung von Männern und Frauen blieben nur unzureichend berücksichtigt. Diese sind aber wesentliche Bestandtei-

le der politischen Diskussion über die Verteidigungsfähigkeit und Resilienz Deutschlands, sodass hier bestenfalls ein politischer Konsens über die Wiedereinführung als Zwischenschritt hin zu einer allgemeinen Dienstpflicht oder einem Gesellschaftsjahr erreichbar wäre. Ein solches würde wiederum ein Bündel an Änderungen im Grundgesetz erfordern, welches nur mit einer Zweidrittel-Mehrheit des Parlaments durchsetzbar wäre und absehbar langwierige Diskussionen mit sich brächte – Zeit, die wir nicht haben.

Gesellschaftlicher Konsens Nach einer im Februar vom NDR durchgeführten Meinungsumfrage sind 58 Prozent der Befragten für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland, 33 Prozent sind dagegen. Allerdings haben nur etwa 30 Prozent der Befragten unter 30 Jahren signalisiert, dass sie auch bereit wären, Wehrdienst zu

leisten. Ein weiteres Ergebnis dieser Umfrage: Mehr als 70 Prozent der Befragten sind dafür, dass auch Frauen Wehrdienst leisten sollten. Eine einfache Wiedereinsetzung der Wehrpflicht nur für Männer würde damit eher nicht von einem gesellschaftlichen Konsens getragen werden; ein verpflichtender Dienst müsste zumindest auch auf andere Bereiche wie den Zivil- und Katastrophenschutz sowie die sozialen Bereiche ausgedehnt werden. Gerade aus den letztgenannten Bereichen kommen jedoch trotz der angespannten personellen Situation eher skeptische Signale, welche sich insbesondere auf die Kosten und den administrativen Aufwand beziehen, die eine Aufnahme von hunderttausenden Pflichtdienstleistenden mit sich brächte. Auch seitens der Wirtschaft wird die Wehrpflicht eher kritisch gesehen, da die temporäre Nichtverfügbarkeit von potenziellen Bewerbern

Der Faktor Zeit in der Beschaffung

Geschwindigkeit und Marktverfügbarkeit bleiben Priorität

(BS/th) Wie können öffentliche Auftraggeber im Vorfeld einer Vergabe Zeit einsparen und damit den Vergabeprozess insgesamt beschleunigen? Dieses Thema diskutierten renommierte Fachleute aus den Bereichen Bundeswehr, Wissenschaft und Industrie auf dem Defence Procurement Day in Bonn.

was sich in den Zeitvorgaben für die Bearbeitung von Initiativen und von „Fähigkeitslücken und Funktionalen Forderungen mit Lösungsvorschlägen“ widerspiegle. Zwingende Anforderungen würden sich an existierenden technischen Möglichkeiten orientieren und Modifikationen nur noch zugelassen, wenn dies unverzichtbar sei. Sofern es sich nicht um ministeriell festgelegte Entwicklungsprojekte handele, würden grundsätzlich marktverfügbare Lösungen angestrebt. Bundeswehrinterne Vorschriften, die gesetzliche Regelungen verschärfen, wären ausgesetzt, was erhebliche Zeitvorteile mit sich brächte.

Diese Maßnahmen seien im Wesentlichen Ausflüsse aus dem seit Juli 2022 geltenden Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwBBG), welches mit dem Ziel einer schnellen Erhöhung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr erlassen wurde. Instrumente für die Beschleunigung von Vergabeverfahren seien beispielsweise die Vereinfachung europäischer Beschaffungskooperationen und die verstärkte

Berücksichtigung von nationalen Sicherheitsinteressen. Allerdings kollidierten diese neuen Regelungen in der Praxis häufig mit den Entscheidungen der Vergabekammern, die weiterhin ein bestimmtes Maß an zusätzlichem Aufwand für zumutbar erachteten. So seien beispielsweise für Nachfolgebeschaffungen mit Produktvorgabe weiterhin detaillierte Beschreibungen der Gründe erforderlich. Insgesamt sei es daher nicht hinreichend, innerhalb der Bundeswehr am Faktor Zeit zu arbeiten, die Zeitenwende müsse vielmehr als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden, zu deren zügiger Abwicklung alle Beteiligten ihren Beitrag leisten müssten.

Strategische Kompetenz in der Beschaffung

Die Beschaffung bestehe nicht nur aus der Vergabe einer Leistung, sondern müsse vielmehr als Lieferkettensteuerung verstanden werden, erläuterte Professor Dr. Michael Eßig von der Universität der Bundeswehr München. Die ersten

die jetzt schon schwierige Situation bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen mit geeigneten Bewerbern weiter verschärfen würde.

Bundeswehrinterne Maßnahmen Eine allgemeine Wehrpflicht würde mehr Menschen in Kontakt mit der Bundeswehr bringen und – wie die Zeit bis 2011 gezeigt hat – das Interesse junger Menschen für den längerfristigen Dienst in den Streitkräften deutlich erhöhen. Über diesen Weg könnte eine in Bezug auf Umfang und Altersstruktur angemessene Reserve aufgebaut werden. Für die damit einhergehende signifikante Erhöhung des Streitkräfteumfangs müssten aber zunächst die logistischen und organisatorischen Voraussetzungen in Form einer reibungslos funktionierenden Erfassung, Musterung und Aufnahme, einer guten persönlichen Ausrüstung, einer fundierten Ausbildung an modernem Gerät sowie einer angemessenen Unterbringung geschaffen werden.

Hierauf ist die Bundeswehr gegenwärtig nicht vorbereitet und das Schaffen der genannten Voraussetzungen würde neben erheblichen zusätzlichen finanziellen Mitteln vor allem auch Zeit für die Umsetzung benötigen. Die für die Musterung zuständigen Kreiswehrersatzämter wurden 2011 geschlossen und ein großer Teil der ehemals vorhandenen Immobilien wurde für andere Zwecke freigegeben. Selbst die Aktivierung noch vorhandener, nicht mehr aktiv genutzter Infrastruktur dürfte erhebliche Mittel verschlingen. Gleiches gilt für die Beschaffung zusätzlicher persönlicher Ausrüstung und moderner Waffensysteme. Die Ausbildungsorganisation müsste ebenfalls signifikant erhöht werden, um die gestiegene Zahl an Kurzzeitdienenden zielführend ausbilden zu können. Voraussetzung hierfür wäen neben Ausbildern auch zusätzliche Ausbildungsmittel und -einrichtungen. Eine ernstgemeinte Zeitenwende braucht ernsthaftes Engagement und signifikante Mittelerhöhungen auf vielen Ebenen und in vielen Bereichen – zumindest der Bundesverteidigungsminister hat dies erkannt.

Erreichte setzte. Zwar attestierte er einige positive Veränderungen in der Beschaffung, aber insgesamt verbleibe noch viel Gestaltungsraum bei der Vereinfachung von Verfahren und Nebenprozessen, wie beispielsweise in den Bereichen der Güteprüfung und der technischen Abnahmen.

Schritte seien immer eine Marktanalyse und die Prüfung der Marktverfügbarkeit eines Produkts, weil es die Märkte seien, die uns trieben. In den USA spreche man eher von „Geschwindigkeit“ anstelle von „Zeit“ und der Grundsatz sei, sich an die Geschwindigkeit einer sich ändernden Welt anzupassen, anstatt mit festen Zeitvorgaben zu arbeiten. Dies könne zu Lasten anderer Dinge, wie zum Beispiel Kosten und Qualität, gehen. Die Leistungen seien der Schlüssel, daher seien für unterschiedliche Produkte auch differenzierte Beschaffungsstrategien erforderlich, die wiederum eine gewisse strategische Kompetenz erforderten.

Die Perspektive der Industrie Einen neuen Blick auf die Veränderungen seit der Zeitenwende vermittelte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Dr. Hans C. Atzpodien, indem er den Fokus auf das, was noch zu verändern ist, anstatt auf das seit der Zeitenwende

Unter Verweis auf die in Frankreich vor zwei Jahren initiierte „Économie de guerre“ erläuterte er die noch verbleibenden systemischen Baustellen der deutschen öffentlichen Vergabeprozesse und die gerade für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie weiterhin bestehenden Risiken. Zwar habe diese bereits in erheblichem Umfang neue Kapazitäten aufgebaut, auch auf eigenes Risiko und ohne Aufträge, aber diese müssten nun durch langfristig belastbare Bestell- und damit Budget-Perspektiven untermauert werden. Mit Blick auf die weiter ansteigende Bedrohungslage und die geforderte „Kriegstüchtigkeit“ müsse Deutschland jetzt in den Modus einer „Resilienzwirtschaft“ schalten, damit der steigenden Bedrohung mit einer glaubwürdigen Abschreckung entgegengetreten werden kann. Hierzu sei auch die Aufhebung des Konflikts zwischen Sicherheit und Nachhaltigkeit erforderlich, da Nachhaltigkeit ohne Sicherheit keine realistische Zielsetzung wäre.

Seite 41 Verteidigung Behörden Spiegel / Juni 2024

Die militärische Nutzung unbemannter Fahrzeuge in den Domänen See und Luft, sogenannte Unmanned Surface Vehicels (USV) bzw. Unmanned Aerial Vehicels (UAV), hat in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen. Während UAVs seit Anfang der Nullerjahre zum Standardrepertoire internationaler Streitkräfte geworden sind, ist der Einsatz von USVs ein neues Phänomen. Meist handelt es sich dabei um Schiffskörper, die entweder autonom agieren oder ferngesteuert werden. Im Kontext des russischen Angriffs auf die Ukraine wurde der militärischstrategische Nutzen von USVs für eine breite Öffentlichkeit erstmals durch die erfolgreichen Angriffe auf die Krim-Brücke sowie russische Kriegsschiffe erkennbar. Der Vorteil von USVs und UAVs liegt auf der Hand: Sie sind einfach und günstig herzustellen. Sie sind meist klein und wendig. Sie sind schwer vom Radar zu erfassen. Sie können präzise angreifen. Sie hinterlassen großen Schaden. Zudem können sie für verschiedene Einsatzszenarien verwendet werden, etwa im Angriff, in der Aufklärung, in der elektronischen Kampfführung und der Logistik. Diese Vielfältigkeit eröffnet dem Anwender neue Dimensionen der asymmetrischen Kriegsführung und damit eine potenzielle Beherrschung des Kampfgeschehens.

Neue Technologie fordert neue Strategie

Technologische Weiterentwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, der fortschrittlichen Navigationssysteme und der Schwarmtechnologie werden die Gefahr von USVs und UAVs in Zukunft potenzieren. Sie ermöglichen neuartige, komplexe und plattformübergreifende Angriffsszenarien mit einer hohen Anzahl angreifender Elemente, die es den verteidigenden Streitkräften erschweren, effektive Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Traditionelle Verteidigungsstrategien bieten vor diesem Hintergrund nur unzureichende Antworten. Benötigt werden neue Strategien sowie Taktiken, Technik und Prozedere (TTP). Konkret bedeutet das: Neue Waffensysteme müssen entwickelt beziehungsweise vorhandene System technisch aufgerüstet werden.

Datenschutz, zu viele Schnittstellen innerhalb der IT-Systeme und eine unzureichende Sachkenntnis der Mitarbeitenden: Für eine komplette Digitalisierung der militärischen Gesundheitsversorgung muss an etlichen Stellschrauben gedreht werden. Stefan Hefter, Partner bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, führte gleich zu Beginn die Dringlichkeit des Themas vor Augen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundeswehr maßgeblich mehr junge Frauen und Männer einer Alterskohorte für sich gewinnen kann als andere Organisationen", sagte er. „Die Sanitäter, die in 18 Jahren ihren Dienst antreten, sind bereits geboren und es werden nicht mehr." Daher müsse das Gesundheitswesen massiv digitalisiert werden. Dr. Olaf Iseringhausen , Leiter des Competence Center Health Care bei Bechtle, startete mit positiven Ausblicken in die Diskussionsrunde: „Im politischen Kontext wäre die Bundeswehr in der Lage, Vorreiter für die Digitalisierung zu werden.“ Die Bundeswehr agiere sowohl als Krankenversicherer als auch als Leistungserbringer.

Innovative Zieldarstellung

Gefahren unbemannter Flug- und Seefahrzeuge minimieren

(BS/Matthias Gröger*) Unbemannte See- und Luftfahrzeuge werden zu einer immer größeren Gefahr für nationale und internationale Streitkräfte. Es braucht neue Strategien zur Abwehr. Wichtig ist deshalb ein frühzeitiges Training der Streitkräfte, um effektiv auf neue Angriffsszenarien reagieren zu können.

Die HammerHead ist als unbemanntes Überwasserfahrzeug für komplexe Angriffsmuster und Szenarien geeignet. Foto: BS/QinetiQ

Folglich müssen auch neue und innovative Trainingsmethoden eingeführt werden. Die Trainingsmethoden müssen dabei sowohl die Bedienung neuer Waffensysteme umfassen als auch aktuelles taktisches Wissen vermitteln. Nur wenn realistische Angriffsszenarien vor dem Einsatz ausreichend erprobt werden, können die Verteidigungsmaßnahmen im Ernstfall effektiv umgesetzt werden. Und damit das Leben der Streitkräfte und der zu verteidigenden Bürgerinnen und Bürger schützen.

Zieldarstellung als effektives Trainingsmittel Realistische Einsatzszenarien lassen sich mithilfe der sogenannten Zieldarstellung effektiv erproben. Mit der Zieldarstellung kann das Abfangen oder Zerstören von Zielen trainiert werden. Zur Bekämpfung von USVs und UAVs werden dafür unbemannte Oberflächenfahrzeuge bzw. Zieldrohnen genutzt. In der Domäne See arbeitet die QinetiQ Group und die Deutsche QinetiQ GmbH seit vielen Jahren mit verschiedenen Marinen weltweit zusammen. Dafür wurde das Training mit dem „HammerHeadUSV“-konzipiert. Der HammerHead ist ein autonomes Oberwasser-

fahrzeug mit einer Breite von ca. 1,50 Metern und einer Länge von bis zu sechs Metern. Es ist das leistungsstärkste Oberflächenziel seiner Klasse. Durch den starken Antrieb des Fahrzeugs und die hohe Manövrierfähigkeit sind komplexe Angriffsmuster und Szenarien, wie etwa Hochgeschwindigkeitsangriffe und Schwarmtaktiken, möglich. Der Betrieb, die Navigation und die Bewegungsplanung des HammerHead werden durch die innovative „Northstar“-Software gewährleistet. Die Software nutzt vorhandene Umweltdaten, um einen digitalen Zwilling ihrer Umgebung zu erstellen. Dieser wird durch Sensoren an Bord permanent aktualisiert. Basierend auf diesen Daten können in Echtzeit und autonom Angriffsrouten erstellt werden, die Einflüsse wie Wellengang und Wetter berücksichtigen. Der Anwender kann über „Northstar“ zusätzlich Missionsziele definieren, um sein Training so effektiv und individuell wie möglich zu gestalten. Das System lernt selbstständig aus den Trainingserfahrungen und kann dadurch seine Leistungsfähigkeit kontinuierlich erweitern. So ist die Abbildung zukünftiger Bedrohungslagen einfacher möglich. Kombiniert werden kann das System auch mit weite-

ren Plattformen z. B. Drohnen oder Unterwasserfahrzeugen.

Um der aktuellen strategisch-taktischen Bedeutung von Drohnenangriffen gerecht zu werden, bietet die QinetiQ GmbH innovative Möglichkeiten zur Erprobung von Angriffsszenarien im Nah- und Nächstbereich an.

Durch den Einsatz verschiedener Drohnentypen können unterschiedliche Szenarien einzeln oder in Kombination simuliert werden. Der Anwender kann über eine innovative Software der Firma Helsing die Eigenschaften der Trainingsszenarien individuell gestalten. Damit können die spezifischen Bedürfnisse und die bereits vorhandenen militärischen Ausbildungen berücksichtigt werden. Zu den möglichen Trainingsszenarien zählen die Abwehr von Schwarmangriffen mit scharfer Munition sowie der Test von Radaren oder Mitteln der elektronischen Kriegsführung gegen Spionagedrohnen. Gesteuert werden die verschiedenen Angriffsszenarien von einer Bodenstation. Aktuell ist es möglich, bis zu zehn UAVs zeitgleich zu Trainingszwecken zu nutzen. Die Bodenstation unterstützt die einzelnen Trainingsmissionen durch die Integration innovativer

Von der Verwundung an digital

Sanität und zivile Gesundheitsversorgung

(BS/Anne Mareile Walter) Wie gelingt die Digitalisierung des militärischen Gesundheitswesens? Dieser Frage ging das Politische Frühstück des Behörden Spiegel in Kooperation mit Bechtle und KPMG zum Thema „Digitale Vernetzung und Prozessstandardisierung für eine effektive Versorgung durch die Sanität“ auf den Grund.

Dr. Peter Gocke, Leiter der Stabsstelle Digitale Transformation bei der Berliner Charité, wies indes darauf hin: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens sei keine technologische Frage, sondern vielmehr „eine Prozessfrage“. „Die Prozesse, die es tatsächlich im Krankenhaus gibt, sind nicht die, die irgendwo aufgeschrieben sind“, erläuterte er. Stattdessen erfahre man die zu digitalisierenden Prozesse von den Mitarbeitenden, die eben diese Prozesse umsetzten. 80 Prozent der Daten, auf die die Charité derzeit zugreift, sind in PDF-Dokumenten abgespeichert –auch dieser Umstand müsse beim Prozess der Digitalisierung mitgedacht werden. Deshalb müssten die Daten zunächst strukturiert werden. „Wir müssen uns die Frage stellen: Welche Daten brauchen wir tatsächlich und was muss zwingend digitalisiert werden?“, erläuterte Gocke weiter und nannte hierfür ein Beispiel: Akten von bereits verstorbenen Patienten

zu digitalisieren, sei vollkommen sinnlos, ist in der Vergangenheit aber bereits in Kliniken umgesetzt worden.

Daten gemeinschaftlich nutzen Ein weiteres To-do: Die Anzahl der Schnittstellen innerhalb der IT-Systeme reduzieren. Andernfalls ziehe jedes einzelne Update ein Nacharbeiten an den Schnittstellen nach sich und verzögere den gesamten Prozess. Ein weiterer Hinweis des Digitalexperten: Backup-Systeme müssten zwar vorhanden sein, würden aber nur bei einer regelmäßigen Inanspruchnahme funktionieren. „Das Schlimmste ist, wenn Sie die Systeme im Backup-Fall hochdrehen, um erst dann zu überprüfen, ob sie noch funktionieren“, so Gocke

Auch wenn die Digitalisierung des zivilen Gesundheitsbereichs parallel zu der des militärischen Versorgungssektors voranschreitet – zwei

Software. Das ermöglicht eine kontinuierliche Erweiterung der Leistungsfähigkeit sowie die leichte Adaption an unterschiedliche Bedürfnisse und Einsatzszenarien. Basierend auf den Testszenarien können im Anschluss Gegenmaßnahmen entwickelt und getestet werden, darunter elektronische Kampfführung, der kinetische Abwehrmethoden und Cyberabwehrstrategien.

Verschiedene Betreibermodelle senken Kosten für Beschaffung Ob See oder Luft: Anwender haben die Möglichkeit, zwei verschiedene Betreibermodelle zu nutzen. Sie können die Trainings durch die Experten der QinetiQ GmbH durchführen lassen. Oder sie erhalten von der QinetiQ GmbH eine Ausbildung, um selbstständig Trainings durchführen zu können. Die Durchführung durch die QinetiQ GmbH hat den Vorteil, dass unsere Experten aufgrund der vielen internationalen Trainings ein detailliertes Bild verschiedener militärischer Anforderungen haben und bei der Entwicklung von Einsatzszenarien auf einen großen Wissensbestand zurückgreifen können. Die Durchführung des Trainings erlaubt mehr Flexibilisierung des Trainings für den Anwender. Klar ist: Unabhängig vom Betreibermodell sorgen die lernfähigen Trainingssysteme für USVs und UAVs dafür, dass rasch auf neue technologische und militärische Herausforderungen reagiert werden kann. Zudem braucht es dafür keine Einführung wechselnder Systeme. Neue Bedrohungsszenarien werden kontinuierlich analysiert und antizipiert. Das senkt die Risiken und die Kosten für die Beschaffung deutlich und hilft den Anwendern, die Hoheit über das Kampfgeschehen jederzeit beizubehalten und für den bestmöglichen Schutz der Soldatinnen und Soldaten zu sorgen.

*Matthias Grögor ist Head of Strategic Business Development der QinetiQ GmbH. Die QinetiQ GmbH ist Teil der international tätigen QinetiQ Group und einer der erfahrensten Anbieter von Zieldarstellungen, Einsatzausbildungen sowie weiteren Lösungen für deutsche und internationale Teilstreitkräfte.

unterschiedliche Geschwindigkeiten der digitalen Transformation seien an dieser Stelle hinderlich. „Wir brauchen die gemeinsame Nutzung der Daten“, so Gocke Ein weiteres Stichwort für einen erfolgreichen Transformationsprozess ist das zentrale Datenmanagement . Generalstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann, Inspekteur des Sanitätsdiensts der Bundeswehr, machte in dem Zusammenhang klar: „Um digitale Patientenakten zu generieren, müssen alle Daten eingespeist werden.“ Für ein sinnvolles Datenmanagement sei es daher notwendig, die Patientendaten vom Zeitpunkt der Verwundung bis zum Abschluss der Rehabilitation digital zugänglich zu machen.

Schulterschluss mit ziviler Gesundheitsversorgung Für den Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung ist der Digitalisierungsprozess noch einmal von

einer anderen Seite zu betrachten, zeigte die Diskussionsrunde zudem auf. Aktuell gibt es bundesweit fünf Bundeswehrkrankenhäuser, jede Einrichtung könne laut Hoffmann 300 bis 1.000 Patienten pro Tag versorgen und transportieren. Für den Fall eines Krieges wären die Kliniken innerhalb von zwei Tagen voll. „Der Schulterschluss mit der zivilen Seite ist deshalb notwendig“, erklärte Hoffmann Für die Digitalisierung der Sanität stellt der Bund in den kommenden vier Jahren Fördermittel bereit. „Das ist wenig Zeit und wenn das Geld abfließt, ist es weg“, so Hoffmann. Eine ausreichende Sachkenntnis, um alle Bestandteile der Digitalisierung zu beleuchten, sei aktuell nicht vorhanden, aber: „Wir können uns dafür Partner von außen hereinholen.“

Dass mit dem Ende des Subventionsprogramms nach vier Jahren auch der Endpunkt der Digitalisierung erreicht sei, sei unwahrscheinlich. „Hier muss man ganz klar sagen: Für eine so rasche Entwicklung ist die Bundeswehr nicht gut aufgestellt“, so Hoffmann. Bislang werde die Digitalisierung allerdings nicht als Hauptsache, sondern eher als Beiwerk betrachtet.

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 42 Verteidigung

PORTRAIT-REIHE: Was machen Sie denn da gerade – General Carsten Breuer?

„Wichtig ist der menschliche Austausch!“

(BS) Wenn der Generalinspekteur ein paar Wünsche frei hätte, dann wären das: Die Soldatinnen und Soldaten begegnen ihm (weiterhin!) auf Augenhöhe und der Tag hätte besser 48 Stunden. Davon erzählt General Carsten Breuer Klaus Pokatzky –und auch, wie soldatisch gutes Kochen sein kann…

Hier unterhalte ich mich mit ukrainischen Soldaten auf dem Truppenübungsplatz Baumholder. Gerade ist eine Schießpause bei der Ausbildung „Schießen mit der Panzerhaubitze 2000“. Im Hintergrund sieht man einen unserer Übersetzer. Hier habe ich einerseits erfahren, wie unsere Ausbildung den Soldaten aus der Ukraine hilft. Auf der anderen Seite berichten die ukrainischen Soldaten aber auch, wie sie den Krieg in ihrem Land erleben. Aus der militärisch-professionellen Perspektive ein fesselndes Gespräch, gleichzeitig berührt es mich als Mensch tief. Dieses Bild stellt für mich sehr deutlich dar, in welcher sicherheitspolitischen Lage wir leben – und bebildert, warum wir kriegstüchtig werden müssen. Die ukrainischen Kameraden spiegeln bewegend wider, worum es in unserem soldatischen Beruf geht. Und so bekommt unser Eid, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, eine neue und eindringliche Bedeutung: verteidigen vor der Bedrohung, der wir uns gegenübersehen – vordringlich aus Russland. Das ist für mich klar. Was mir von dieser Begegnung in Baumholder im Kopf hängen geblieben ist, das ist: Tapferkeit. Tapferkeit, wie ich sie auch bei der Bevölkerung erlebt habe, als ich die Ukraine mehrfach besuchte: Diese Tapferkeit, die buchstäblich jeden Tag aufs Neue dort gelebt wird. Die Widerstandskraft in den Kämpfen an der Front – und genauso in der Gesellschaft in den ukrainischen Städten. Mir ist dort erneut deutlich geworden, wie widerstandsfähig eine Gesellschaft sein muss – weil das die Voraussetzung für die Widerstandskraft des Staates und seine Verteidigungsfähigkeit ist. Was ich in der Ukraine erlebt habe und mir in Baumholder erzählt wurde, hat mir wieder gezeigt: Nur dann, wenn wir Zivilgesellschaft und Streitkräfte zusammendenken, sind wir zur Verteidigung und damit zu einer glaubhaften Abschreckung fähig. So wird es hoffentlich nicht zu einem Krieg gegen NATO-Staaten und damit auch gegen uns kommen. Der Blick von außen Kürzlich, bei einer internationalen Konferenz, hat ein britischer Kamerad zu mir gesagt: „Wisst Ihr eigentlich, was Ihr gerade in Deutschland bewegt? Und wie sich auch die Einstellung verändert hat? Wisst Ihr, was Ihr gerade macht und wie das auch bei uns in Großbritannien wahrgenommen wird? Wir beobachten die Veränderungen, die Ihr in Deutschland anschiebt, das ist wirklich beeindruckend.“ Wir sollten öfter mal diese Sicht von außen wahrnehmen, sollten mal einen Schritt von der Lagekarte zurücktreten, uns selbst von außen betrachten. Man nimmt von uns wahr, dass wir Verantwortung übernehmen, dass wir Verantwortung übernehmen als eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt. Das bedeutet Verantwortung

„Was mir von dieser Begegnung in Baumholder im Kopf hängen geblieben ist, das ist: Tapferkeit.“ Foto: BS/Bundeswehr/Jankowski

in allen Politikfeldern – und eben auch militärische Verantwortung. Das hat Rückhalt in unserer Bevölkerung – so nehme ich es zumindest immer wieder wahr. Gerade bei Bürgerdialogen im zivilen Umfeld. Auf Einladung einer Stadt oder eines Vereines kommen oftmals zwischen 250 und 350 Bürgerinnen und Bürger zusammen. Nach einem kurzen Vortrag gelingt es meist recht gut, ins Gespräch zu kommen – und die Menschen verstehen dann auch recht gut, warum die Ukraine gerade jetzt unterstützt werden muss. Natürlich haben wir alle ein Bedürfnis nach Frieden und Harmonie und natürlich möchten wir, dass dieser Krieg möglichst bald zu Ende ist. Wir würden gerne wieder in einer Situation leben, wo alles um uns herum friedvoll, einfach und weniger komplex ist. Das ist aber leider nicht die Realität – und genau das verstehen die Menschen, wenn man sich mit ihnen austauscht. Es kann dann eingeordnet werden. In der Gesellschaft entwickelt sich nach meiner Wahrnehmung ein neues sicherheitspolitisches Interesse. Ich glaube, dass gerade auch die Prägung des Begriffes „Kriegstüchtigkeit“ durch Minister Boris Pistorius einiges in den Köpfen und Herzen der Leute bewegt hat. Das ist bei meinen Gesprächen immer wieder ein Anknüpfungspunkt und kommt direkt bei den Menschen an. Und Russland hat per Duma-Beschluss auf Kriegswirtschaft umgestellt: Eine erhebliche Anzahl von Rüstungsgütern – gerade Panzer, Raketen und Flugzeuge wird dort heute produziert. Damit werden nicht nur Lücken an der ukrainischen Front aufgefüllt, sondern auch neue Verbände aufgestellt. Da entsteht das Potenzial für Putin, in fünf bis acht Jahren einen Angriff auf Nato-Staaten durchführen zu können. Das heißt nicht, dass er angreifen wird – aber: dass er es könnte. Und das ist das, was mich umtreibt und weshalb ich auch unbedingt glaube, dass wir uns schnell anpassen, dass wir schnell mit unseren Bemühungen voranschreiten müssen. Aber so viel jetzt auch schon angeschoben wurde: Das Material und die Ausrüstung für die Truppe brauchen Zeit, um dort anzukommen. Einen Panzer produziert man eben nicht innerhalb einer Woche. Das weiß die Truppe. Die Truppe weiß, dass wir uns gerade verändern. Sie sieht auch die Notwendig-

keit, dass wir uns verändern müssen. Und sie sieht, was bereits alles angestoßen worden ist. Bei uns Soldatinnen und Soldaten hat ein Bewusstseinswechsel eingesetzt. Wir leben nicht mehr in einer Welt, die durch internationale Einsätze und Stabilisierungsoperationen geprägt ist – in der wir uns quasi aussuchen konnten, wo wir hingehen. Wir lernen, dass jemand von außen uns einen Krieg aufzwingen könnte. Das ist der Unterschied. Und dass wir darauf vorbereitet sein müssen. Was Landes- und Bündnisverteidigung bedeutet, gelangt mehr und mehr in die Köpfe. Und wir müssen uns

„Die Truppe

weiß, dass wir uns gerade verändern. Sie sieht auch die Notwendigkeit, dass wir uns verändern müssen.“

natürlich der Frage stellen: Welche Aufwuchsfähigkeit brauchen wir für eine glaubhafte und durchhaltefähige Landes- und Bündnisverteidigung? Das berechnen wir jetzt, auch auf Grundlage der vorliegenden NATO-Pläne.

Flexibel im Dienst für Deutschland Um diese Aufwuchsfähigkeit sicherzustellen, lautet die schnelle Antwort: zurück zur Wehrpflicht. Das ist zu einfach. Unsere alte Wehrpflicht hält sich hartnäckig in den Köpfen. Aber die Wehrpflicht des Kalten Krieges und in der Zeit unmittelbar danach, ist nicht die, über die wir jetzt nachdenken müssen. Wir müssen ein flexibles Modell entwickeln: für den Fall eines Verteidigungskrieges. Hierzu können verschiedene Wehrpflichtmodelle herangezogen werden und wir werden sehen, welches davon am besten passt, um die Truppe, wie nötig, aufwachsen zu lassen. Als ich 1984 Soldat wurde, wollte ich bei der Bundeswehr nicht zuletzt eine interessante Ausbildung erleben und studieren. Dann habe ich erkannt, welche Möglichkeiten dieser Beruf bietet; ich habe gesehen, was ich als Soldat bewirken kann. Heute

würde ich sagen: Ich bin Soldat, weil ich fest davon überzeugt bin, dass wir Soldatinnen und Soldaten brauchen, um unseren Staat und seine Unabhängigkeit, seine, unsere Freiheit und auch die unserer Verbündeten zu schützen – unsere gemeinsamen Werte. Unser soldatischer Eid ist ein Bekenntnis zu unserer Verfassung, zu unserem Grundgesetz. Und welches darin mein Lieblingsartikel ist? Natürlich der allererste: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Dieser Artikel ist Mutter – oder Vater – des gesamten Grundgesetzes, ist Dreh- und Angelpunkt unseres Zusammenlebens und unserer Werte. Besser kann man es gar nicht formulieren. Und genau dazu ist unsere Truppe das Spiegelbild – wo die soziale oder ethnische Herkunft genauso gleichgültig ist wie die Religion oder die sexuelle Orientierung. Wir respektieren die andere und den anderen: unsere Kameradinnen und Kameraden. Und darauf bin ich stolz! Zum Schönsten für mich in der Bundeswehr gehört: dass ich keinen, wirklich keinen Tag missen möchte.

Karriereplanung? Entspricht nicht meinem Selbstverständnis. Ich habe mir von Anfang an immer wieder gesagt: Ich möchte die Aufgabe, die ich gerade habe, vernünftig machen – egal ob als Gruppenführer oder als Zugführer, als Batteriechef oder als Bataillonskommandeur. Die Möglichkeit dazu hatte und habe ich bis heute. Dafür bin ich dankbar. Und ich habe dabei erlebt, dass ich einen Beruf gewählt habe, der ungemein vielseitig ist, der jeden Tag etwas Neues bringt, auch manchmal mehrfach am Tag. Das möchte ich nicht missen. Jetzt als Generalinspekteur sehe ich, wie viele Dinge zusammenlaufen, die ich vorher in Einzelfacetten in der Bundeswehr erlebt habe und wie sie ein großes Ganzes erzeugen. Ich habe über Jahre erlebt, dass unsere Männer und Frauen richtig gut sind. Dass sie machen, wenn man ihnen Freiraum und Verantwortung gibt. Truppe macht. Truppe kann immer wieder umsetzen. Die Männer und Frauen der Bundeswehr sind klasse. Sie brauchen, sie verdienen unser aller Einsatz. Sie verdienen die beste Führung. Dass unsere Soldatinnen und Soldaten liefern, ist etwas, was ich über alle Führungsebenen hinweg gelernt habe. Immer dann, wenn irgend-

wo Situationen aufgetreten sind, die gelöst werden mussten, egal ob Pandemie, Hochwasser oder Waldbrände, dann ist Truppe, dann sind Soldatinnen und Soldaten in der Lage, das zu bewältigen. Und zwar mit einer ungeheuren Flexibilität, weil unser Ausbildungssystem uns zu genau dieser Flexibilität befähigt. Der Kern, der dahintersteckt, ist soldatisches Handwerk. Und darauf müssen all unsere Bemühungen hinzielen: dass wir verstehen, dass es am Ende nur darauf ankommt, dass Soldatinnen und Soldaten ihren Auftrag ausführen können. Bei allen Konzepten, die wir schreiben, bei allen Strategien, die wir entwickeln – es dient diesem einen Ziel. Und als Generalinspekteur muss ich dabei über den heutigen Tag hinausdenken. Und vor allem muss ich natürlich die Truppe im Blick haben. Und das heißt: den Soldatinnen und Soldaten auf Augenhöhe begegnen – wie bei meinen Gesprächen mit den ukrainischen Kameraden auf dem Truppenübungsplatz Baumholder. Unabhängig vom Dienstgrad ist mir nicht nur der fachliche, sondern auch der menschliche Austausch wichtig. Wichtig ist, dass wir offen miteinander umgehen: mit einer ordentlichen Portion Vertrauen. Diese Offenheit und dieses Vertrauen habe ich gegenüber meinen Soldatinnen und Soldaten. Deswegen gefällt mir das Format der Townhalls so, also die Begegnung auf Augenhöhe mit allen Dienstgraden an einem Standort, in einem Verband. Man kann ja auf höchster Ebene alle möglichen Entscheidungen treffen – aber diese Entscheidungen müssen wir auch gegenüber denen klar machen, auf die es ankommt, die diese Entscheidungen umsetzen sollen. Wenn wir nicht die Soldatinnen und Soldaten haben, die dieses umsetzen, bleiben solche Entscheidungen ziemlich zahnlos. Bei allen Truppenbesuchen lege ich daher Wert auf Gespräche, die manchmal wehtun. Und das ist gut so. Auch um ein Gefühl dafür zu bekommen: Wo sind denn unsere Schwierigkeiten? Aber hoffentlich auch: Wo läuft es denn gut? Die größte Herausforderung bei meiner Arbeit ist die Zeit. Ich hätte gerne jeden Tag 48 Stunden. Entspannung? Entspannen kann ich dann am besten am Wochenende: beim Kochen. Allerdings ist auch dafür die Zeit jetzt etwas knapp geworden. Aber, wenn es denn mal möglich ist: Je mehr Gäste dann da sind, desto besser. Am liebsten koche ich im Moment nach Rezepten von Yotam Ottolenghi, einem britischen Koch mit israelischen Wurzeln. Das ist mediterran und mit sehr intensiven Gewürzen. Es sind Gerichte, die immer wieder überraschen. Und das macht Spaß. Was wichtig ist beim Kochen? Ich empfehle, sich anfangs – wenn man noch ungeübt ist – durchaus an Rezepte zu halten. Das hilft. Und dann aber die Freiheit zu entwickeln, selbst etwas ganz Eigenes auszutesten, seine eigenen Gerichte zu schaffen. Probieren schadet nie! Aber zunächst wirklich mit einfachen Dingen anfangen. Wenn das nach einem soldatischen Rezept klingt: Schwierige Dinge auf das Einfache herunterbrechen und dann einen komplexen Geschmack auch mit wenigen Zutaten hinbekommen – damit sollten wir auch als Soldaten überzeugen können. Am Ende wird etwas Gutes dabei herauskommen – davon bin ich überzeugt.

Verteidigung Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 43

Auf die Liste setzen

Für Schutz, Befähigung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in digitalen Medien (BS/Sven Rudolf) Im Internet gibt es nichts, was es nicht gibt. Das gilt sowohl für positive als auch hässliche Seiten der Menschheit. Letzteren würden die meisten Menschen am liebsten niemals begegnen. Damit auch gerade Kinder vor solchen Inhalten, die ihre Entwicklung gefährden könnten, geschützt sind, müssen sich Michael Terhörst und sein Team bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) regelmäßig mit diesen Inhalten auseinandersetzen.

Schon vor seiner Beschäftigung bei der BzKJ war Terhörst in der Jugendarbeit tätig. Während seines Jurastudiums in Münster hatte er einen Nebenjob, in dem er Kinder über die Risiken des Alkoholkonsums aufklärte. Genauer gesagt informierte er an Schulen über den angemessenen Umgang mit Alkohol, damit die Jugendlichen zumindest informiert sind, wie sie sich zu verhalten haben, sollte einmal etwas schiefgehen. Später folgte dann die Ausrichtung von sogenannten Medienparcouren an Grundschulen. Diese Zeit stellte einen ersten Berührungspunkt mit seinem heutigen Arbeitsthema dar. Weil ihm diese Tätigkeit gefiel, überrascht ihn seine Schwerpunktwahl im weiteren Studienverlauf manchmal rückblickend doch ein wenig: Steuerrecht, das eher von Zahlen dominiert ist und recht wenig mit jungen Menschen zu tun hat.

Etwas fehlt

Während einer kurzen Zeit an der Botschaft in Stockholm entdeckt er dann die Arbeit im Öffentlichen Dienst für sich. Aber vor einer längeren Station dort arbeitet er erst einmal für etwas mehr als ein Jahr als Anwalt. „Die Tätigkeiten und Aufgaben waren spannend, aber irgendetwas fehlte“, sagt Terhörst rückblickend. „Es war halt einfach nur ein Job.“ Darum bewirbt er sich 2017 auf eine Ausschreibung bei der damaligen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Seine Erfahrungen im Jugendschutz während des Studiums führen da-

Die

zu, dass er den Job als Referent, der Prüfentscheidungen vor- und nachbereitet, bekommt. Bevor er schließlich Referatsleiter wird, durchläuft er dort und im der heutigen Bundeszentrale vorgesetzten Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die verschiedensten Stationen So begleitete Terhörst unter Abordnung an das BMFSFJ – „also in den Nachbarflur“, wie er selbst scherzhaft ergänzt – die Novellierung des Jugendschutzgesetzes (JuSchG), welches 2021 in Kraft trat. Bei seiner Rückkehr in die BzKJ bewirbt er sich dann auf die Position als Referatsleiter und übernimmt dort auch im Gremium für jugendgefährdende Medien einen Sitz.

Er übt den Vorsitz des Gremiums im Wechsel mit dem stellvertretenden Direktor der Bundeszentrale und Vorsitzenden der Prüfstelle, Thomas Salzmann, und seiner stellvertretenden Referatsleitung Nilani Möhrle aus.

Immer im Wandel

In seiner aktuellen Position gehen der Lernprozess und die Veränderungen aber stetig weiter. „Einen richtigen Alltag gibt es bei mir nicht. Zum einen ist da die Personalverantwortung, die für mich noch verhältnismäßig neu ist“, erklärt der 36-jährige „Zum anderen sind da die inhaltlichen Unterschiede bei den Medien, die wir sichten.“ Neben den Medienformen meint Terhörst vor allem die sich ständig verändernde Gesellschaft, ihre Wahrnehmung von Themen und wie er

Prüfstelle für jugendgefährdende Medien

Die Arbeit der bei der BzKJ angesiedelten Prüfstelle für jugendgefährdende Medien besteht darin, festzustellen, ob digitale Medien, deren Indizierung beantragt bzw. angeregt wurde, als „jugendgefährdend“ indiziert werden sollten oder nicht. Dazu werden die Medien von den Prüferinnen und Prüfern eingesehen und anschließend wird in einem Gremium diskutiert, ob dieses Medium nun zu indizieren ist oder nicht. In diesem Gremium werden die zu betrachtenden Medien von den Referentinnen und Referenten, die sich damit auseinandersetzen, samt etwaiger Umstände und Hintergründe vorgestellt. Auf Grundlage dieser Informationen und der eigenen Sichtung der Medien entscheidet das pluralistisch besetzte Gremium, das neben dem Vorsitz aus der BzKJ auch mit vielen verschiedenen und wechselnden Expertinnen und Experten der Medienbranche sowie Vertretungen gesellschaftlicher Gruppen besetzt ist, ob ein Medium zu indizieren ist. Um das 12er-Gremium von offensichtlichen Fällen zu entlasten, existiert für deutlichere und dringlichere Fälle, die schneller entschieden werden müssen, eine schnellere Methode. Bei Inhalten, wie zum Beispiel sexualisierter Gewalt oder aufgezeichneten Hinrichtungen, werden die Inhalte von einem Dreier-Gremium geprüft, das dann einstimmig entscheiden muss. Die Fälle, über die es hier zu entscheiden gilt, sind in der Regel aber so eindeutig, dass nahezu 99 Prozent der Entscheidungen des Gremiums einstimmig ausfallen und dies auch müssen, um zu einer Listenaufnahme zu kommen. Dieses „beschleunigte Verfahren“ hat auch eine deutlich höhere Zahl an Fällen. Zusätzlich zum schnelleren Verfahren kann die Prüfstelle auch die Reihenfolge der Bearbeitung von Fällen selbst wählen und sich so bei der Bearbeitungszeit nach dem Gefährdungspotenzial richten.

der dargestellten Gewalt hatte sich verändert und wurde nicht mehr als so kritisch angesehen.

„Unser Ziel ist

es, Kinder und Jugendliche zu schützen und nicht Erwachsene von irgendetwas abzuhalten.“

betont auch die Kompetenz der Kinder. Seit 70 Jahren gibt es die Prüfstelle, in dieser Zeit hätten sich die Aspekte mehrfach gewandelt „Die Arbeit hat nichts mehr mit dem zu tun, wie sie bei der Gründung der Prüfstelle war. Eines der ersten Medien, die indiziert wurden, waren Comics wie: „Der kleine Sheriff“. Das Schlimmste, was in diesen Comics passierte, war, dass der kleine Sheriff einer Person auf den Kopf haut. Seitdem haben sich das Ver-

Terhörst spricht aber noch einmal deutlich an, dass die Rechtsfolgen seiner Arbeit für Kinder und Jugendliche gelten und nicht für Erwachsene. „Das ist ein häufiges Missverständnis. Unser Ziel ist es, Kinder und Jugendliche zu schützen und nicht Erwachsene von irgendetwas abzuhalten“, stellt er klar. In der Regel dürfen für Kinder und jugendliche verbotene Medien weiter an Erwachsene verkauft werden. Natürlich können etwaige Erschwernisse auch Volljährige treffen. Diese können sich die Medien dann aber immer noch auf mehreren Wegen legal beschaffen, außer diese sind ebenfalls strafrechtlich relevant.

Der Gefährdungsatlas So ist seit etwa einem Jahr auf das Verfassungsfeindliche Thema der Demokratiegefährdung ein großes Thema im Jugendmedienschutz.

Die erste Iteration der Fighting-Game-Reihe Mortal Kombat wurde 1994 indiziert. Nachfolger, gerade in der jüngeren Zeit, wurden allerdings nicht auf die Liste gesetzt und auch der erste Teil ist seit 2020 nicht mehr auf derselben geführt. Foto: BS/mehaniq41, stock.adobe.com

ständnis und auch die Spruchpraxis der Prüfstelle weiterentwickelt. Dadurch entstehen auch immer wieder neue Tatbestände.“ Dieser Erkenntnis trägt die Prüfstelle Rechnung. Medien werden nach 25 Jahren noch einmal dahin gehend überprüft, ob sie aus heutiger Sicht immer noch auf die Liste jugendgefährdender Medien, den sogenannten „Index“, gehören. Gleichzeitig besteht für die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber des Mediums auch die Möglichkeit eine erneute Prüfung zu beantragen, wenn sie der Ansicht sind, dass ihr Medium heute anders zu bewerten ist. Ein Beispiel für den ständigen Wandel ist die Indizierung von Videospielen. Sie sind nicht nur als Medium und technisch ständigen Veränderungen unterworfen, auch in der gesellschaftlichen Debatte hat sich ihr Ansehen allgemein gewandelt. Daher wurde zum Beispiel das Videospiel „Doom“, das im Erscheinungsjahr 1993 noch auf dem Index landete, 2011 nach erneuter Prüfung wieder aus der Liste entfernt. Die Wahrnehmung

jeden. „Damit niemand in einer stillen Kammer sitzt und sich solchen Eindrücken aussetzen muss, sind bei uns die Türen generell offen“, erklärt Terhörst. Daneben spricht das Team regelmäßig mit der Sozialberatung, die allen Kolleginnen und Kollegen auch unkompliziert und unbürokratisch bei Bedarf zur Verfügung steht. Natürlich ist es aber so, dass jede und jeder eigene Bewältigungsstrategie hat. Die weniger belastenden Fälle haben aber auch ihre Vorteile wie Terhörst ausführt. So habe ihm eine Kollegin berichtet, dass sie seit Beginn ihrer Tätigkeit bei der BzKJ ihr Kind besser verstehen könne. Terhörsts zwei Kinder sind noch ein wenig zu jung, um aktiv an digitalen Diensten teilzuhaben. Aber dennoch verändere die Tatsache, selbst Kinder zu haben, den Blick auf die eigene Arbeit noch einmal deutlich, erzählt er. Das eigene Kind soll im besten Fall ohne große Risiken Telemedien oder neuerdings auch digitale Medien nutzen können.

Zurück zur Prävention Diese neuen Bezeichnungen wurden durch Vorgaben im Digital Services Acts (DSA) erforderlich. Durch dessen Umsetzung in deutsches Recht gibt es für die BzKJ zudem eine Reihe neuer Verantwortlichkeiten. Um diesen nachzukommen, wurde die Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten (KidD) eingerichtet, die bereits ihre Arbeit aufgenommen hat. In dieses Arbeitsfeld wird Terhörst zeitnah wechseln. Er freut sich auf die neuen Aufgaben, die mit dieser Stelle einhergehen werden. Die Stelle wird dabei auch autonomer von anderen Bundesbehörden agieren und digitale Dienste durch Vorsorge und Prüfung für Kinder und Jugendliche sicherer machen, solange die Dienste weniger als 45.000.000 Nutzende aufweisen. Andernfalls ist die EU selbst für die Regulierung zuständig. Dabei stehen wie bei der Prüfstelle auch der Schutz, die Befähigung und die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an den digitalen Diensten im Vordergrund, erklärt Terhörst. So werden die Angebote z. B. darauf geprüft, ob ihre Schutzvorkehrungen zum Inhalt passen oder ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für Kinder und Jugendliche verständlich sind.

Die Anzahl an Medienphänomenen, die jugendgefährdend sein können, ist groß genug, damit die Bundeszentrale einen eigenen Gefährdungsatlas herausgibt, in welchem die verschiedenen Phänomene erklärt werden. Bei einer solchen Anzahl an Medien und der Tatsache, dass die Prüfstelle nur auf Antrag tätig werden darf, ist besonders die Zusammenarbeit mit Behörden und anderen Organisationen wie z. B. jugendschutz.net und der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) wichtig. Durch eine enge Zusammenarbeit auch mit dem Bundeskriminalamt (BKA) soll, unter anderem bei strafrechtlichen Inhalten, möglichst an einem Strang gezogen werden.

Dazu gehört unter anderem auch, ob eine Altersverifizierung den nötigen Sicherheitsstandards entspricht. Eine einfache Checkbox mit dem Text „Ja, ich bin 18 Jahre oder älter.“ reicht nicht. Die KidD werde Anbietern und Verbrauchern Orientierung geben, die in diesem Bereich bisher gefehlt habe, sagt Terhörst. Einen eigenen Internetauftritt erhält die KidD im Juni. Dann sind nähere Informationen unter www.kidd.bund.de zu finden.

Grafik: BS/BzKJ

Offene Türen Terhörst und sein Team müssen sich nicht nur mit Gewalt und anderen jugendgefährdenden Themen in Videospielen und Musiktexten beschäftigen. Sie bekommen auch regelmäßig Fälle von sexualisierter Gewalt, auch an Kindern, zu sehen. Solche Bilder mit sich herumzutragen, belastet

Der Gefährdungsatlas gibt eine Orientierung über 43 Medienphänomene und die mit ihnen verbundenen potenziellen Gefährdungen. Sie können ihn hier herunterladen: https://www.bzkj.de/bzkj/ zukunftswerkstatt/gefaehrdungsatlas

Behörden Spiegel / Juni 2024 Seite 44 Letzte Seite
Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln. Aktualisierte und erweiterte 2. Auflage
Gefährdungsatlas Digitales
Michael Terhörst ist trotz der teils belastenden Inhalte, mit denen er sich beschäftigen muss, immer motiviert. Foto: BS/BzKJ/bundesfoto/Uwe Völkner

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