Berlin und Bonn / Mai 2024
www.behoerdenspiegel.de
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Weit mehr als nur Sport: Die Fußball-Europameisterschaft ist ein Großereignis für das ganze Land, bei dem es diversen Interessenslagen zu genügen gilt. Neben der Freude am Spiel, prägen abseits des Rasens Nachhaltigkeit, Sicherheit und Kommerz das Turnier – insbesondere für die Austragungsstädte eine Herausforderung.
Mehr dazu auf S. 2
Ressourcen für den Vollzug der Migrationspolitik ausgestalten (BS/Mirjam Klinger/Dr. Eva-Charlotte Proll) Das Thema Migration hat in Deutschland gesellschaftliches Sprengpotenzial. Behörden bemängeln die Herausforderung durch unkontrollierbare Migration, Länder und Kommunen kommen an ihre Grenzen bei Unterbringung und Integration. Die Vermengung von Migration, gestiegener Ausländerkriminalität und der Organisierten Kriminalität (OK) stößt an juristische und personelle Grenzen. Gleichzeitig wird das Thema politisch instrumentalisiert. der gemeinsamen Migrationspolitik eher vor Augen führen zu können. Das Rückführungsabkommen Großbritanniens mit Ruanda, ähnlich dem australischen Vorbild, zielt mittels Abschreckung genau darauf ab, irreguläre Migration über das Meer zu unterbinden.
Pullfaktoren verringern
Die Notwendigkeit, mehr in Kooperationen mit den Herkunftsländern zu investieren, liegt auf der Hand. Laut Frontex-Direktor haben 2023 insgesamt 420.000 Menschen eine Rückführungsentscheidung erhalten, davon seien 90.000 zurückgeappelliert: „Wenn wir über Glaubwürdigkeit im Migrationsmanagement sprechen – mehr als 300.000 Menschen sind in der Europäischen Union geblieben, obwohl sie die Entscheidung zur Rückkehr hatten.“
Ylva Johansson, EUKommissarin für Inneres, möchte verbesserte Kooperationen, Ende-zu-Ende, für Institutionen innerhalb der EU ermöglichen, die sich beispielsweise um Ausländerangelegenheiten kümmern. Es braucht aber auch Projekte in der Praxis, wie sie Leijals „Premiere“ benennt: in der Republik Moldau würden Polizistinnen und Polizisten in europäischer
Uniform bewaffnet Grenzkontrollen an der ukrainisch-moldawischen Grenze durchführen.
Mecklenburgs-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel hegt „große Erwartungen“, dass die Bundesregierung auch ihre Bemühungen intensiviere, Rückführungsabkommen abzuschließen. Bei fehlenden Ausweispapieren seien die Länder alleine machtlos. Zieht man die zunehmenden Fluchtbewegungen aus der Subsahara heran, verfügt Deutschland nur über ein Rückführungsabkommen mit Guinea. Isabell Schmitt-Falckenberg, Abteilungsleiterin Bundespolizei im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), betont, es brauche jedoch noch mehr Ressourcen. Und auch Leijtens fügt hinzu, auf europäischer Ebene würde die Bedürfnisse EU-Mitgliedsstaaten die Ressourcen übersteigen. Hinzu kommen weitere innenpolitische Sachverhalte: In Deutschland lebten zum Jahresende 2023 – laut einer kleinen Anfrage im Bundestag – 3,42 Millionen Menschen, die Zuflucht gesucht haben. Die Kommunen klagen über Aufnahme- und Versorgungskapazitäten. Die Thematik wird zunehmen instrumentalisiert und polarisiert. Am Ende, so der Polizeipräsident von Dortmund, Gregor Lange, dürfe das Vertrauen in die Lösungskompetenz der Institutionen, die für Sicherheit sorgen, jedoch nicht darunter leiden.
75 Jahre Grundgesetz
Der Öffentliche Dienst ist Deutschlands erster und oberster Dienstleister – eine Sonderbeilage zum Jubiläum. Seite 8
Wohnungen für alle Das Bundesbauministerium will die Wohnungslosigkeit reduzieren. Ein erster Referentenentwurf weist noch Lücken auf. Seite 18
Zivilschutz 2024
Seit der veränderten Bedrohungslage durch Russlands Angriff auf die Ukraine gilt: Zivilschutzthemen und KRITISGefahrenlagen gehören zusammen betrachtet. Seite 45
Berlin und Bonn / Mai 2024
Das Europäische Parlament hat nach zähen Verhandlungen dem gemeinsamen Migrations- und Asylpaket zugestimmt. „Der Pakt ist (…) aus europäischer Perspektive der Eintritt in ein gemeinsames Asyl- und Migrationsmanagement, welches es bisher noch nicht gab“, resümiert Lena Düpont (CDU), Mitglied des Europäischen Parlaments beim Europäischen Polizeikongress Mitte April (siehe hierzu Seite 47–49). Dr. Michael Spindelegger, Generaldirektor des Internationalen Zentrums für die Entwicklung von Migrationspolitik, begrüßt Aspekte, wie die Kooperation mit Herkunfts- und Transitländern oder Voruntersuchungen an den Grenzen. „Für dieses und für nächstes Jahr wird uns dies jedoch nicht helfen“, so der ehemalige Außenminister und Vizekanzler Österreichs. Binnen dieses Zeitrahmens sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, den Pakt zu implementieren – gleichzeitig sei eine steigende Zahl von Asylsuchenden zu erwarten. Die Zahlen würden bereits jetzt an die der Jahre 2015/2016 erinnern. Vor allem irreguläre Migration nach Europa sei das große Problem, bestätigt Hans Leijtens, Exekutivdirektor von Frontex. Für das vergangene Jahr verzeichnete seine Agentur einen Zuwachs von irregulären Geflüchteten und Grenzübertritten. Laut einer Studie von
Weit mehr als nur Sport: Die Fußball-Europameisterschaft ist ein Großereignis für das ganze Land, bei dem es diversen Interessenslagen zu genügen gilt. Neben der Freude am Spiel, prägen abseits des Rasens Nachhaltigkeit, Sicherheit und Kommerz das Turnier – insbesondere für die Austragungsstädte eine Herausforderung.
Mehr dazu auf S. 2
Ressourcen für den Vollzug der Migrationspolitik ausgestalten (BS/Mirjam Klinger/Dr. Eva-Charlotte Proll) Das Thema Migration hat in Deutschland gesellschaftliches Sprengpotenzial. Behörden bemängeln die Herausforderung durch unkontrollierbare Migration, Länder und Kommunen kommen an ihre Grenzen bei Unterbringung und Integration. Die Vermengung von Migration, gestiegener Ausländerkriminalität und der Organisierten Kriminalität (OK) stößt an juristische und personelle Grenzen. Gleichzeitig wird das Thema politisch instrumentalisiert.
Europol zu kriminellen Banden, hätten sich dies viele zum Geschäft gemacht: 48 der gefährlichsten 821 kriminellen Banden sind im Bereich des Menschenhandels und 38 in der Schlepperei aktiv. Insgesamt, so der Exekutivdirektor von Frontex, versuchten 380.000 Menschen, nach Europa zu kommen. Er konstatiert, ein größerer Teil komme zunehmend aus den Ländern der Subsahara. Dabei überkreuze der Hauptstrom der Geflüchteten das Mittelmeer auf der westafrikanischen Route von Mauretanien und dem Senegal bis nach Spanien. Dies sei, so Leijtens, die gefährlichste Route, die man sich
„Wir
der gemeinsamen Migrationspolitik eher vor Augen führen zu können. Das Rückführungsabkommen Großbritanniens mit Ruanda, ähnlich dem australischen Vorbild, zielt mittels Abschreckung genau darauf ab, irreguläre Migration über das Meer zu unterbinden.
Pullfaktoren verringern
leben immer noch einem Krisenmodus.“
Dr. Michael Spindelegger, Generaldirektor des Internationalen Zentrums für die Entwicklung von Migrationspolitik
vorstellen könne: Die Überquerung finde in provisorischen Metallbooten statt, gebaut binnen 24 Stunden, nicht sicher, um überhaupt irgendwo zu fahren.
Ziel der Schlepper ist es zudem, möglichst viele Boote parallel loszuschicken, um die Behörden an ihre Kapazitätsgrenzen zu bringen und der Öffentlichkeit ein Scheitern
Die Notwendigkeit, mehr in Kooperationen mit den Herkunftsländern zu investieren, liegt auf der Hand. Laut Frontex-Direktor haben 2023 insgesamt 420.000 Menschen eine Rückführungsentscheidung erhalten, davon seien 90.000 zurückgekehrt. Leijtens appelliert: „Wenn wir über Glaubwürdigkeit im Migrationsmanagement sprechen – mehr als 300.000 Menschen sind in der Europäischen Union geblieben, obwohl sie die Entscheidung zur Rückkehr hatten.“
Ylva Johansson, EUKommissarin für Inneres, möchte verbesserte Kooperationen, Ende-zu-Ende, für Institutionen innerhalb der EU ermöglichen, die sich beispielsweise um Ausländerangelegenheiten kümmern. Es braucht aber auch Projekte in der Praxis, wie sie Leijtens als „Premiere“ benennt: in der Republik Moldau würden Polizistinnen und Polizisten in europäischer
Uniform bewaffnet Grenzkontrollen an der ukrainisch-moldawischen Grenze durchführen.
Mecklenburgs-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel hegt „große Erwartungen“, dass die Bundesregierung auch ihre Bemühungen intensiviere, Rückführungsabkommen abzuschließen. Bei fehlenden Ausweispapieren seien die Länder alleine machtlos. Zieht man die zunehmenden Fluchtbewegungen aus der Subsahara heran, verfügt Deutschland nur über ein Rückführungsabkommen mit Guinea. Isabell Schmitt-Falckenberg, Abteilungsleiterin Bundespolizei im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), betont, es brauche jedoch noch mehr Ressourcen. Und auch Leijtens fügt hinzu, auf europäischer Ebene würde die Bedürfnisse EU-Mitgliedsstaaten die Ressourcen übersteigen. Hinzu kommen weitere innenpolitische Sachverhalte: In Deutschland lebten zum Jahresende 2023 – laut einer kleinen Anfrage im Bundestag – 3,42 Millionen Menschen, die Zuflucht gesucht haben. Die Kommunen klagen über Aufnahme- und Versorgungskapazitäten. Die Thematik wird zunehmen instrumentalisiert und polarisiert. Am Ende, so der Polizeipräsident von Dortmund, Gregor Lange, dürfe das Vertrauen in die Lösungskompetenz der Institutionen, die für Sicherheit sorgen, jedoch nicht darunter leiden.
75 Jahre Grundgesetz
Der Öffentliche Dienst ist Deutschlands erster und oberster Dienstleister – eine Sonderbeilage zum Jubiläum. Seite 8
Wohnungen für alle Das Bundesbauministerium will die Wohnungslosigkeit reduzieren. Ein erster Referentenentwurf weist noch Lücken auf. Seite 18
Zivilschutz 2024
Seit der veränderten Bedrohungslage durch Russlands Angriff auf die Ukraine gilt: Zivilschutzthemen und KRITISGefahrenlagen gehören zusammen betrachtet. Seite 45
04.09.2024
Polizeitag Düsseldorf
06.11.2024
Polizeitag Hamburg
05.12.2024
Polizeitag München
Veranstaltungstermine des Behörden Spiegel und der Gewerkschaft der Polizei (GdP)
09.10.2024
Polizeisymposium Wiesbaden
15.10.2024
Digitaler Polizeitag
Veranstaltungstermine des Behörden Spiegel
www.polizeitage.de
Schwerpunktthema der Ausgabe
Alles auf Anpfiff
Der kommunale Warm-up
So bereiten sich die Städte auf die Europameisterschaft vor......... ..............Seite 17
Vorfreude und Vorbereitungen
Gelsenkirchen als Gastgeberstadt der Europameisterschaft Seite 25
Smarte Stadien
Wie moderne Sportstätten zu Testlaboren für Smart Cities werden.... .........Seite 32
Einfallstor für Cyber-Gangster
Erhöhte Bedrohungslage ohne konkrete Gefährdungsszenarien..................Seite 39
Folgen Sie diesem Icon: Dieses Icon finden Sie auf mehreren Seiten der aktuellen Ausgabe. Es zeigt an, dass es sich bei dem jeweiligen Beitrag um einen Schwerpunktartikel zum Thema „Smarte Stadien – Wie moderne Sportstätten zu Testlaboren für Smart Cities werden“ handelt.
Kommentar Demokratie in Gefahr
(BS) Schlechte finanzielle Ausstattung, Investitionsstau, gewalttätige Übergriffe und verbale Anfeindungen: Das Amt des Bürgermeisters steht vielerorts unter Beschuss. Jeder dritte ehrenamtliche Mandatsträger war sogar bereits einmal psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt. Bei den weiblichen Bürgermeisterinnen trifft dies sogar auf jede zweite Amtsträgerin zu. Das ist das Ergebnis einer kürzlich veröffentlichten Studie der Körber-Stiftung. Eine parallel publizierte Umfrage des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen zeigt ebenfalls Schwachstellen innerhalb des Amtes auf: Nur 52 Prozent der befragten Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sind zufrieden mit ihrer Arbeit. Vor allem die schlechte finanzielle Situation der Kommunen erschwere das Regieren, so der Tenor beider Umfragen. Für ein Ehrenamt, das ohnehin von der Sorge um adäquate Nachfolgerschaften umgetrieben wird, sind die beiden Statistiken ein Brandbeschleuniger, weil sie das Problem des Nachwuchsmangels mitunter noch verschärfen.
Kommentar
Impressum
Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de
Herausgeberin und Chefredakteurin Dr. Eva-Charlotte Proll
Stellvertretender Chefredakteur Guido Gehrt Leiter des Berliner Büros Ralph Kotsch Aktuelles Öffentlicher Dienst Ann Kathrin Herweg, Sven Rudolf, Hans-Jürgen Leersch, Anne Mareile Walter Kommune Marlies Vossebrecker, Scarlett Lüsser Digitaler Staat Christian Brecht, Mirjam Klinger, Paul Schubert, Anna Ströbele
Sicherheit & Verteidigung Bennet Biskup-Klawon, Jonas Brandstetter, Thomas Hönig, Lars Mahnke, Klaus Pokatzky
Sonderkorrespondenten BOS Dr. Barbara Held, Gerd Lehmann
Online-Redaktion Tanja Klement
Parlamentsredaktion Berlin
Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10
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Verlag Berlin 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0
Geschäftsführung Dr. Fabian Rusch
Anzeigenleitung Dr. Fabian Rusch
Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Maximilian Spuling, Karin Vierheller Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin
Druck Weiss-Druck GmbH & Co. KG, Hans-Georg-Weiss-Straße 7, 52156 Monschau
Herausgeber- und Programmbeirat Uwe Proll (Vorsitz)
Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch IVW (www. ivw.de). Jahresabonnement 9,80 Euro (12 Ausgaben inkl. Porto und MwSt.) Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Altpapieranteil 100 Prozent
Für Bezugsänderungen:
Gleichzeitig sind die Umfrageergebnisse aber auch eine Chance, lenken sie doch den Blick auf Missstände in einem Amt, dessen Besetzung für viele Bürgerinnen und Bürger nur allzu selbstverständlich ist. Den Finger in die Wunde zu legen, ist dabei der erste Schritt zu einer Verbesserung des Status quo. Danach müssen jedoch Taten folgen. Stichwort Prävention: Schulungen für Amtsinhaber, um Anfeindungen zu begegnen – dieses Thema sollte beispielsweise auf der Agenda der Kommunalverwaltungen stehen. Denn nicht zuletzt stellen Hetze und Gewalttaten gegen Bürgermeister auch eine Gefahr für die Demokratie dar.
Von Anne Mareile Walter
Trotz aller Schwierigkeiten steht das kommunale Ehrenamt nicht vor dem Aus. So stimmt ein Ergebnis aus der Umfrage des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen hoffnungsfroh: 73 Prozent bezeichnen ihr Amt als Traumjob.
It’s the digitalization, stupid!
(BS) „It’s the economy, stupid!“. Dieser Wahlkampf-Slogan trug maßgeblich dazu bei, dass Bill Clinton im Januar 1993 ins Weiße Haus in Washington einzog und George H. W. Bush, eine zweite Amtszeit als US-Präsident verwehrt blieb.
Dessen Wiederwahl fiel der damaligen wirtschaftlichen Rezession in den USA zum Opfer, die von der Clinton-Kampagne u. a. mit dem obigen Slogan klug und erfolgreich aufgegriffen wurde.
Von Guido Gehrt
Eine derartig hemdsärmelige „political catchphrase“ könnte die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung hierzulande ebenfalls sehr gut vertragen. Leider wird hier noch allzu oft – unmittelbar oder sinnbildlich – die mittlerweile legendäre Ruck-Rede von Alt-Bundespräsident Roman Herzog aus dem Jahr sichtbar. Aus dem Jahre 1997. Dort heißt es: „Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen, vor allen Dingen von den geistigen, von den Schubläden und Kästchen, in die wir gleich alles legen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen.“ Besser hätte der Top-Jurist Herzog,
der als Präsident des Bundesverfassungsgerichtes ins Schloss Bellevue wechselte, die Anforderungen an einer erfolgreiche Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland nicht beschreiben können. Die Entwicklung der Verwaltungsdigitalisierung der letzten Jahre und Jahrzehnte – nicht zuletzt das vorläufige Scheitern des OGZ-Änderungsgesetzes im Bundesrat –lassen Herzogs Weckruf aktueller denn je erscheinen. Im Zentrum des Transformationsprozesses darf weder der Föderalismus stehen, der hier regelmäßig als Modernisierungsverhinderer bemüht wird, noch der Parteienwettbewerb um seiner selbst willen. Zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger, der Unternehmen, aber auch der Beschäftigten in den Behörden bedarf es sachorientierter Lösungen im Sinne von Herzogs „alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen.“ Denn über allem darf nur eines stehen: It’s the digitalization, stupid!
Lesen Sie zum Scheitern des OZGÄnderungsgesetzes im Bundesrat auch die Kommentare von Hessens Digitalministerin Prof. Kristina Sinemus und dem rheinland-pfälzischen COD/CIO, Staatssekretär Dr, Fedor Ruhose, auf Seite 30 in dieser Ausgabe
Diskussionen
über eine Zusatzvereinbarung zum Berlin/ Bonn-Gesetz sind nichts Neues, eine feste Zusage vom Bund gab es aber erst im September 2023, als sich Vertreter der Region Bonn, des Bundes und der Länder Nordrheinwestfalen und Rheinlandpfalz trafen. Seit April 2024 gibt es nun feste Eckpunkte für eine Zusatzvereinbarung. Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, äußerte sich dazu wie folgt: „Die Region Bundesstadt Bonn ist ein Aushängeschild für die Bundesrepublik. Hier ist Exzellenz zuhause die sich z. B. in der Kultur mit dem Beethoven-Schwerpunkt, in der Sicherheit und im Bevölkerungsschutz durch Bundesbehörden wie das BSI oder das BBK widerspiegelt, aber auch in der Tatsache, dass Bonn Konferenzstandort und Sitz für zahlreiche renommierte internationale Organisation ist. Mit den vorgestellten Eckpunkten wird deutlich, dass sich die Region als bundesrepublikanisch wichtiger Standort weiterentwickelt und damit einen Mehrwert für das ganze Land leistet. Die Eckpunkte bilden nun eine gute Grundlage für unsere weiteren Gespräche, die das nachweisliche Bundesinteresse aufzeigen müssen. Ich bin zuversichtlich, dass wir den vereinbarten Zeitplan halten und bis Jahresende die Zusatzvereinbarung abschließen können.“ Die Eckpunkte unterstützen vor allem die bisherigen Schwerpunkte der Region weiter. Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner sieht in den Eckpunkten mehr als eine Stärkung der Region: „Die nun in die Eckpunkte aufgenommenen Projekte stärken einerseits die Entwicklung der Region, haben andererseits auch klare Vorteile für den Bund mit Blick auf den Wettbewerb um die besten Fachkräfte und die Resi-
Neben den begeisterten deutschen Fans werden auch viele internationale Fußballfans zu den Spielen anreisen. Natürlich werden neben den Tausenden von Live-Zuschauern auch viele vor dem Fernseher dabei sein. Beste Voraussetzungen, um zu zeigen, wie man ein nachhaltiges Großereignis austrägt. Der Nationale Koordinierungsausschuss (NKA) zur UEFA EURO 2024, der von der Bundesregierung (unter Federführung des BMI), den Bundesländern sowie den Austragungsstädten in Zusammenarbeit mit dem DFB, der EURO 2024 GmbH und der UEFA eingerichtet wurde, dient der Vorbereitung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele.
Verpflichtende Definitionen Im Rahmen der Zusammenarbeit hat man sich im NKA auf ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit geeinigt, das insgesamt vier Punkte umfasst. Der erste Punkt ist das Thema ‚Umwelt und Klima‘, bei dem vor allem die Mobilität zu und von den Spielen und anderen Veranstaltungen im Vordergrund steht. Der zweite ‚Good Governance‘, wo es vor allem um die nachhaltige Ver-
Die Zukunft der Bundesstadt ist gesichert
(BS/sr) Debatten, ob und wie das Berlin/Bonn-Gesetz gelebt und vollzogen wird, gibt es bereits lange. Aus diesem Grund forderten Vertreter der Bundesstadt Bonn und der umliegenden Region eine konkrete Regelung in Form eines Vertrages. Die Eckpunkte, die ein solcher Vertrag beinhalten sollte sind nun geklärt.
Das Bonner Regierungsviertel in der Nähe der Rheinaue ist auch für viele Internationale Organisationen ein attraktiver Standort und könnte demnächst weiter anwachsen. Foto: BS/Adrian72, stock.adobe.com
lienz des Staates.“ Damit entspricht die Investition ihrem Motto „Global denken lokal handeln“.
Internationaler Drehpunkt Ein weiterer Ausbau der Bundesstadt Bonn als Standort der Vereinten Nationen (UN) und von internationalen Organisationen ist einer der Eckpunkte, auf die sich die Parteien einigten. Der Bund wird in diesem Zusammenhang eine Gesamtstrategie „Region Bundesstadt Bonn als Sitz der Vereinten Nationen und von internationalen Organisationen“ erarbeiten. Dabei wird ein Schwerpunkt auf der verstärkten Anwerbung von UN-Einrichtungen und internationalen Organisa-
tionen sowie auf einer Verbesserung des Informationsaustauschs liegen. Nach außen soll die Wahrnehmung des internationalen Standorts Bonn durch die Ausrichtung internationaler Konferenzen gestärkt werden. Vor allem Konferenzen zu Themen wie nachhaltige Entwicklung sowie IT- und Cybersicherheit, für die Bonn ein wichtiger Veranstaltungsort ist, sollen hierbei besonders in den Fokus genommen werden (mehr zum Standort Cybersicherheit auf Seite 41 der aktuellen Ausgabe). Als Kulturstandort soll weiterhin der Schwerpunkt des musikalischen Erbes Ludwig van Beethovens wichtig bleiben. So wird der Bund sich auch weiterhin für die
Pflege dieses Erbes in der Bundesstadt Bonn engagieren. Daneben soll die Sichtbarkeit der Bundesstadt Bonn als Ort der wechselhaften Geschichte der deutschen Demokratie gestärkt werden. Jenseits sonstiger Einzelförderungen verfolgt Bonn mit der Gründung eines zentralen Netzwerks aller Institutionen der Demokratievermittlung, insbesondere der authentischen Orte, die das Grundgesetz über Jahrzehnte mit Leben gefüllt haben, ein Projekt mit Alleinstellungsmerkmal. Das Projekt zeigt einen innovativen methodischen Ansatz und soll zu einer nachhaltigen, professionellen sowie vielfältigen und inklusiven Realisierung demokratiefördernder und -vermittelnder Vorhaben beitragen.
Zentrum für Resilienz
Ein gänzlich neuer Ansatz stellt hingegen die Schaffung eines nationalen Resilienzzentrums dar. Bislang werden zwar einzelne Projekte durch den Bund gefördert es fehlt allerdings an einer Koordinierungsstelle und einem Ort, an dem dauerhafte Forschung betrieben werden kann. Der Fokus soll auf einem zukunftsorientierten Umgang mit Naturextremen liegen. Darüber hinaus soll zur Stärkung von Selbstschutz und Selbstvorsorge der Menschen beigetragen werden. Da Bonn nicht nur das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, sondern als Praxispartner auch
Die Pläne des Bundes für eine Europameisterschaft in Deutschland
(BS/sr) In rund einem Monat beginnt die Fußball-Europameisterschaft auf deutschem Boden. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, das Fußball-Großereignis zu einem Vorbild für nachhaltige Großveranstaltungen zu machen. Dazu wurden im Vorfeld der Veranstaltung ein umfangreiches Begleitprogramm entwickelt und Standards festgelegt.
sorgung der Stadien mit Strom und der Fans mit Lebensmitteln und anderen Dingen geht. Drittens geht es um die Bedeutung der Events zur Förderung einer nachhaltigen ‚Gemeinschaft‘. Dazu soll ökologische, soziale und menschenrechtliche Verantwortung insbesondere für die Wertschöpfungs- und Lieferketten des Turniers übernommen werden. Die zu diesem Zweck von allen Mitgliedern des NKA unterzeichnete Menschenrechtserklärung für die UEFA EURO 2024 sei als Meilenstein für die Zusammenarbeit zu bewerten, so eine Sprecherin des BMI. Es sei das erste Mal, dass die UEFA eine solche Menschenrechtserklärung für ein Turnier unterzeichnet habe. Das Dokument benennt die individuellen Verantwortlichkeiten der Beteiligten bei der Achtung, Wahrung und Gewährleistung der Menschenrechte im Turnierkontext. Dies gilt auch in Zusammenarbeit mit den Veranstaltern, Lizenznehmern und Sponsoren des Turniers. Der letzte Punkt ist das Thema ‚Bewegungund Gesundheit‘. Ziel ist unter anderem die Motivation zu einem aktiveren Lebensstil.
Konkrete Ziele
Im Rahmen der Umsetzung der Nationalen Strategie Sportgroßveranstaltungen fördern BMI und BMUV gemeinsam das Projekt „Nachhaltige Sport[groß]veranstaltungen in Deutschland“.
Veranstalter, Gastgeberland und Host Cities vereinbarten erstmalig einen gemeinsamen, ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz bei der Vorbereitung und Ausrichtung der Sportgroßveranstaltung. Foto: BS/Kara, stock.adobe.com
In diesem Projekt werden in enger Zusammenarbeit von Sport, Wissenschaft und Politik über den Deutschen Olympischen Sportverbund (DOSB) und seine Projektpartner, die Deutsche Sporthochschule Köln und das Öko-Institut, konkrete Standards und Empfehlungen für nachhaltige und wertorientierte Sportveranstaltungen erarbeitet. Dabei knüpfen sie an die Arbeit des Portals Green Champions 2.0 für nachhaltige Sportveranstaltungen an. Über den bisherigen ökologischen Fokus hinaus sollen künftig auch Instrumente zur Stärkung der ökonomischen und sozialen Dimensionen von Nachhaltigkeit entwickelt werden, heißt es aus dem BMI: „Ganz konkret sollen dadurch Unterstützungselemente für Ver-
den Leitungssitz des THW beherbergt, ist die Stadt gut als Standort für ein solches Zentrum geeignet. Der Bund in der Bundesstadt Im Sinne eines Zusatzes für den Berlin/Bonn-Vertrag ist der Eckpunkt, der sich zu einer weiteren Investition in Bonn als zweitem Standort bundesstaatlicher Ämter und Behörden äußert wichtig. So sollen in Zukunft weitere Investitionen in die Bonner Dienstliegenschaften getätigt werden. Ein wichtiger Punkt, denn in den Eckpunkten heißt es: „Die Bestimmungen zu Dienstsitz und Verteilung der Beschäftigten in den Bundesbehörden des Berlin/Bonn-Gesetzes gelten weiterhin“. Ein Zustand in der Beamtenverteilung der schon lange nicht mehr der Realität entspricht. Aktuell ist es gerade mal etwas mehr als ein Viertel der Beschäftigten, die noch in Bonn sitzen.
Auch der Wohnungsneubau durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zum Zwecke der Wohnungsfürsorge gegenüber Bundesbediensteten soll verstärkt werden. Auf Nachfrage bei der Bundesanstalt heißt es, dass in den kommenden sechs Jahren der Neubau von 300 Wohnungen mit einem Kostenpunkt von 100 Millionen Euro geplant ist. 80 dieser Wohnungen sollen bereits bis 2027 fertiggestellt sein. Zu den aktuell 2.000 Wohneinheiten kommen in den nächsten Jahren also noch einige hinzu.
Da die von der BImA verwalteten Dienstliegenschaften in unterschiedlichen Jahren gebaut wurden, haben sie auch alle einen anderen Erhaltungszustand. Auf Nachfrage bei der BImA heißt es jedoch, dass sämtliche Liegenschaften mindestens in einem guten Bauzustand sind.
unterstützten, soll das Turnier umfassend und auf Grundlage der drei Nachhaltigkeitsdimensionen sowie in Abstimmung mit den an der Turnierorganisation beteiligten Stakeholdern, wissenschaftlich begleitet werden. Auf dieser Basis sollen die Auswirkungen der Fussballgroßveranstaltungen bewertet und weitere Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden. Durchgeführt wird die Studie durch einen wissenschaftlichen Verbund der Universität Bielefeld und der Sporthochschule Köln.
anstalter von Sportgroßveranstaltungen und Sportverbände zur Berücksichtigung und Einhaltung der Nachhaltigkeitsanforderungen entwickelt und getestet werden“, so eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage. Das Projekt läuft in dieser Phase noch bis Ende 2024 und konkrete Standards werden noch erarbeitet. Die Frage, wie diese Standards überprüft werden sollen, ist ebenfalls noch zu klären. Die Ergebnisse des Projekts werden also erst nach der Europameisterschaft vorliegen.
Was also bleibt? Um eine zielgerichtete Weiterentwicklung von Sportgroßveranstaltungen in Deutschland
Ein Mehr an Verwaltungsaufwand Die UEFA EURO 2024 verursacht natürlich auch an Verwaltungsaufwand, der zusätzlich zu den sonstigen Aufgaben anfällt. Im BMI wurde zum Beispiel ein Stab EURO 2024 eingerichtet, in dem 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausschließlich bzw. überwiegend (mehr als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit) mit der Vorbereitungen der Europameisterschaft befasst sind. Das meiste Personal binden aber die Sicherheitskräfte der Länder und Austragungsstädte. Zusätzlich wird durch die Koordinierung und Organisation von Sonderfahrplänen eine Menge Personal gebunden. Vor dem Hintergrund des Aspekts der Nachhaltigkeit entstehen zudem bei nicht direkt mit den Sportveranstaltungen befassten Organisationen zusätzliche Mühen. Im BMI sind in Zusammenarbeit mit vielen Vereinen und Organisationen Projekte geplant, in denen Schülerinnen und Schüler oder Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhalten sich mit den gesellschaftlichen Zielwerten des nachhaltigen Sportgroßevents vertraut zu machen.
Behörden Spiegel: Wir hatten während der Corona-Pandemie gesperrte Parkbänke, abgeriegelte Spielplätze, widersprüchliche Kontaktbeschränkungen. Die CoronaAllgemeinverfügung und Gesetze haben Spuren eines überbordenden und übergriffigen Staates auch bei den Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes hinterlassen. Viele Beamtinnen und Beamte hatten teilweise Hemmungen, die eine oder andere Beschränkung durchzusetzen. Wie lautet Ihre Bilanz der Pandemiebekämpfung?
Prof. Dr. Hendrik Streeck: Es ist gar nicht so leicht, eine Bilanz zu ziehen. Deutschland ist weder besonders gut noch besonders schlecht durch die Pandemie gekommen. Wir würden uns allen einen großen Gefallen tun, wenn wir eine Aufarbeitung durchführen. Es geht nicht darum, mit dem Finger auf irgendjemanden zu zeigen oder irgendwelche Entscheidungen zu kritisieren, sondern um die Frage, wie wir das bei einer nächsten Krise besser machen. Die nächste Krise muss nicht unbedingt eine Pandemie sein. Es könnte ein Krieg oder eine Naturkatastrophe sein. Wir müssen die Pandemie als einen Proxy sehen und aus dieser Krise für andere Krisen lernen: von der Kommunikation bis hin zu Expertenberatungen. Wie sollen Experten zum Beispiel die Politik beraten, ohne dass man in eine „Expertokratie“ rutscht? Wir müssen das Spannungsfeld Politik – Wissenschaft – Öffentlichkeit beleuchten und die Aufgaben besser definieren.
Behörden Spiegel: Hilft dabei die Veröffentlichung der geschwärzten Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI)?
Streeck: Die geschwärzten Protokolle haben mir eigentlich gezeigt, dass das RKI sehr ergebnisoffen und vielfältig in alle Richtungen diskutiert hat. Ich war sogar beruhigt, diese Protokolle zu sehen, weil sie gezeigt haben, dass das RKI sehr wohl unterschiedliche Meinungen oder auch unterschiedliche Bewertungen zur Grundlage ihrer Entscheidungen gemacht hat.
Ich sehe da keinen Skandal in den Protokollen, wie das manchmal gesagt wird. Der Skandal besteht für mich darin, dass so viel geschwärzt wurde. Es geht hier nicht um die
Nicht alle Bahnstrecken in Deutschland sind mit Oberleitungen versehen, sodass dieselbetriebene Züge auch heute noch eine wichtige Grundlage für den Bahnverkehr sind. Eine wirkliche Alternative zu diesen kommt nun in Baden-Württemberg zum Einsatz. Mit einer Eröffnungsfahrt von Offenburg nach Oberkirch und zurück startete ein neues Kapitel der Eisenbahngeschichte, wie Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann es bei der Eröffnungsfahrt formulierte. Aktuell sind erst einmal vier der Hybridzüge auf den Strecken von Offenburg nach Bad Griesbach sowie von Offenburg nach Hornberg im Bahnnetz des Landes im Einsatz. Bis zum Juni 2024 soll auch das restliche Bahnnetz Ortenau in großen Teilen auf „Battery-electric multiple unit (BEMU)“ Fahrzeuge umgestellt werden. Bei den wenigen Strecken, die dann noch von dieselbetriebenen Fahrzeugen befahren werden, geschieht dies aufgrund von noch nicht abgeschlossenen Infrastrukturanpassungen. Auf Nachfrage erklärt das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, dass diese Strecke nach der Reaktivierung der Hermann-Hesse-Bahn
Streeck zu Krisen, RKI und Misstrauen
(BS) Spätestens seit der Corona-Pandemie ist er auch außerhalb von Fachkreisen bekannt. Als Virologe hat Prof. Dr. Hendrick Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, eigene Akzente gesetzt. Dr. Eva-Charlotte Proll traf ihn zum Gespräch. Im Interview erklärt er, was aus der Pandemie gelernt werden muss und wie man das Robert Koch-Institut (RKI) in Zukunft aufstellen sollte.
alten und neuen
die
Schwärzung von bestimmten Namen, sondern es geht um ganze Sachverhalte. Das gibt im Grunde Verschwörungstheorien oder sonstigen Interpretationen Auftrieb, den es nicht geben müsste. Daher wünsche ich mir umso mehr, dass man hier eine volle Transparenz schafft. Das hat der Bundesgesundheitsminister auch angekündigt. Es sollte auch kein Unterschied zwischen seiner Amtszeit und der Vorgängeramtszeit gemacht werden. Die Protokolle haben in meinen Augen auch gezeigt, dass das RKI sehr gut eine Rolle des Moderators unterschiedlicher Expertisen einnehmen kann und soll. Das RKI hätte nach außen treten und sagen können: Wir wissen, es gibt Diskussionen um verschiedene Ansätze und unterschiedliche Bewertung der Datenlage. Wir haben beides abgewogen und deswegen geben wir folgende Empfehlung. Die Entscheidung treffen die gewählten Volksvertreter, also die Politik.
Behörden Spiegel: Nicht nur der Politik wird seit Corona teilweise misstraut, durch diese Schwärzungen wird nun auch der Wissenschaft misstraut.
Streeck: Ich habe im letzten Jahr immer wieder und auf verschiedene Weisen dafür geworben, dass wir eine Aufarbeitung der Pandemie brauchen. Das ist leider nicht erfolgt. Deswegen habe ich angefangen, ein Buch darüber zu schreiben, um aus meiner Sicht diese Lehren zu ziehen. Mein Blick im Buch ist nach vorne gerichtet und konzentriert sich darauf, was wir aus dieser Pandemie lernen, um es beim nächsten Mal besser machen zu können. Es wird den Titel „Nachbeben“ haben. Das Buch kommt im Herbst heraus, aber Abgabetermin ist jetzt. Dadurch setzen mich die Protokolle ein bisschen unter Druck, da ich an der einen oder anderen Stelle weitere Aspekte aufnehmen muss. Aber ich glaube, auch von der Wissenschaftsseite
sind wir es schuldig, Antworten zu geben, was vom Stand der Wissenschaft richtig gewesen ist und was nicht. Denn eines muss man festhalten: Die Datenlage der Pandemie
„Deutschland
ist weder besonders gut noch besonders schlecht durch die Pandemie gekommen.“
wird nicht mehr besser werden. Wir werden nicht zusätzliche Daten erheben können, da die Pandemie vorbei ist. Wir werden nicht irgendwelche neuen Erkenntnisse aus dieser Zeit herausziehen können, weil die Studien, die in der Pandemie nicht durchgeführt wurden, jetzt nicht nachgeholt werden können.
Da haben wir viel versäumt und das muss man ansprechen.
Behörden Spiegel: Zur Bewältigung von Krisen braucht es mehrdimensionale Betrachtungen. Auf der einen Seite haben wir die Lage, aus der man Schlüsse für Konsequenzen ziehen kann. Gleichzeitig ist eine reine Information, z. B. „die Infektionszahlen steigen“, noch kein Ausruf einer Krise. Nur weil man informiert, ist es noch kein Krisenmachen. Von der Bevölkerung wird das aber oft so empfunden. Sind wir in Deutschland nicht krisenresilient genug?
Streeck: Hier kommen zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen zusammen. Auf der einen Seite haben wir uns in der Pandemie zu sehr auf eine Fachexpertise versteift, nämlich die der Virologie. Die Antwort der
Batteriehybridzüge gehen in Baden-Württemberg an den Start (BS/sr) Ein batteriebetriebener Zug hört sich nach einem Spielzeug an, ist es aber nicht. Im April ging in Baden-Württemberg mit den Batteriehybridzügen Mireo Plus B eine klimaschonende Bahnalternative im Regionalverkehr an den Start.
auch von den neuen Fahrzeugen befahren werden wird.
Aufgrund der Umstellungen im Fahrplan sind zusätzliche Weichenverbindungen im Bahnhof Freudenstadt und mehrere Bahnsteigverlängerungen nötig. Die Bahnsteigverlängerungen wären aber beim Einsatz von längeren Zügen mit höherer Kapazität unabhängig von der Antriebsart notwendig geworden.
Die weit wichtigeren Umbauten sind die zur Schaffung von Ladeinfrastruktur. Diese wurde für die Züge in den Bahnhöfen Achern und Biberach in Baden durch die SWEG Schienenwege GmbH errichtet. Insgesamt belaufen sich die Kosten, welche dem Land durch die Schaffung der Ladeinfrastruktur entstehen, auf 900.000 Euro. Größter Vorteil der neuen BEMU-Fahrzeuge gegenüber den bisher eingesetzten dieselbetriebenen Regio-Shuttles ist natürlich die Klimafreundlichkeit. Hermann
Den offiziellen Start der Batteriehybridzüge markierte eine exklusive Eröffnungsfahrt von Offenburg nach Oberkirch und zurück. Foto: BS/Michael Bode
sagte dazu: „Baden-Württemberg ist Pionierland mit innovativer Zug-Technologie. Alle Züge sollten klimafreundlich unterwegs sein.
Virologie auf die Infektionszahlen ist relativ simpel: Abstand halten, Kontakte beschränken. Dadurch hat man weniger Infektionszahlen. Wir haben die anderen Fachbereiche, Soziologie, Psychologie, Kinderärzte, ja sogar Philosophie, außer Acht gelassen. Zum Teil hatten wir in der Tat philosophische Fragestellungen. Hier haben wir zu wenig von anderen Expertisen gelernt.
Auf der anderen Seite ist die Frage nach der gesellschaftlichen Resilienz wichtig und aktuell, denn wir haben immer mehr Krisen. Eine gesellschaftliche Resilienz entsteht eben auch in der Demokratie vor allem dadurch, dass man Diskussionen führt und Meinungsvielfalt zulässt. Das Kanzleramt hat den Expertenrat „Gesundheit und gesellschaftliche Resilienz“ ins Leben gerufen, wo ich auch ein Teil von bin. Wir fangen jetzt erst an, zu arbeiten. Ich bin gespannt, was dabei rauskommt.
Behörden Spiegel: Sie fordern ein starkes und unabhängiges RKI. Sollte es vom BMG entkoppelt werden und wie sollte es dann aufgebaut sein?
Streeck: Wir haben in der Pandemie, aber auch vor allem aus den RKI-Protokollen gelernt, dass wir ein gutes Institut mit guten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben, die aber zum Teil gehemmt waren, das zu machen, wofür sie da sind. Wir haben auch gelernt, dass wir besser mit so einem Infektionsgeschehen umgehen können, wenn wir ein handlungsstarkes RKI haben. Dazu bedarf es aber einer gewissen politischen Unabhängigkeit. Es bedarf auch der Möglichkeit, dass das RKI unabhängig forschen kann. In dem Sinne, dass es z. B. einfach nach Heinsberg fährt und das Ausbruchgeschehen erforscht, ohne vorher Gelder zu beantragen oder den Ministerpräsidenten auf die Füße zu treten. Daher brauchen wir eine größere Unabhängigkeit, Handlungsfähigkeit und mehr Freiräume für die Wissenschaft. Vielleicht kann man das ähnlich aufbauen, wie andere internationale Centers for Disease Control aufgebaut sind, die oft zweigeteilt sind: einmal unabhängige Forschung mit einem eigenen, unabhängigen Forschungstopf, auf der anderen Seite verantwortlich für Auftragsforschung.
Instandhaltung der Fahrzeuge. Dank modernster Datenanalyse werden mögliche Störungen erkannt, bevor sie zu Ausfällen führen.
Dort, wo es noch keine Oberleitungen gibt, setzen wir auf alternative und klimafreundliche Lösungen.“ Wenn alle RegioSchuttles im Netz durch die Batteriehybridzüge ersetzt werden, wird das Land rund 1,8 Millionen Liter Diesel weniger verbrauchen. Neben der gesteigerten Klimafreundlichkeit bietet die Umstellung des Verkehrsnetzes einen besseren Anschluss und gesteigerte Verlässlichkeit im Schienenverkehr. Ersteres erfolgte bereits im Rahmen einer Fahrplanänderung im Dezember 2023, mit der Taktlücken geschlossen wurden. „Mit dem neuen Netz und den neuen Zügen bieten wir einen verbesserten Takt und größere Kapazitäten an. Die Fahrgäste erhalten ein komfortables, attraktives Angebot zum Um- und Einsteigen – egal ob in der Stadt oder auf dem Land“, kommentierte Hermann die Änderung. Eine erhöhte Zuverlässigkeit garantiert – laut Hersteller – die zustandsbasierte, vorausschauende
Anfangs hatte Baden-Württemberg bei der Suche nach Alternativen noch auf eine technologieoffene Ausschreibung gesetzt. Daher konnten sich auch Hersteller von Brennstoffzellenfahrzeugen bewerben. Im wirtschaftlichen Vergleich setzten sich jedoch die Batteriezüge von Siemens durch. Seit der Ausschreibung haben vom Land veranlasste Analysen darüber hinaus aufgezeigt, dass Brennstoffzellenfahrzeuge nur in Ausnahmefällen in Baden-Württemberg zum Einsatz kommen werden. Bei nicht elektrifizierten Strecken wird somit weitgehend auf batterieelektrische Fahrzeuge gesetzt werden. Eine entsprechende Fahrzeugausschreibung für rein elektrische Fahrzeuge (EMU) und batterieelektrische Fahrzeuge (BEMU) läuft derzeit. Die Fahrzeuge sollen ab Ende der 2020er-Jahre zugestellt werden und dann sukzessive die Dieselfahrzeuge ersetzen. Kurzum: In Baden-Württemberg wird auch ohne Oberleitungen der Zugverkehr immer klimafreundlicher.
AdM 1
Büro des Ministers
RRin Anne Diener -1856
Pers. Referent: RB Michael Schweitzer -1860
Bürgerbeauftragte: RBe Ann-Kathrin Becker -1566
Task Force Unternehmenssicherung
WD Christian Klaß -1737
AdM 2
Kommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
RBe Kathrin Fries -1690
Staatssekretärin, CIO Ständige Vertreterin des Ministers Elena Yorgova-Ramanauskas
AdM 3
Ministerrat, Landtag, Bundesrat, Ministerkonferenzen
ROR Dr. Matthieu Choblet -4179
AdM 4
Grundsatzangelegenheiten, Politische Planung
RORin Lisa Maas -1558
Landesbeauftragter für Informationssicherheit (CISO)
MR Thorsten Sokoll -2829
Abteilung A Zentralabteilung
LMRin Barbara Walz -1530
Vertretung:
MR Dominik Becker-Trésoret -1551
Referat A/1 Haushalt, Rechnungswesen
MRin Elke Wagner -1589
Referat A/2 Personal
MR Dominik Becker-Trésoret -1551
Referat A/3 Justiziariat, Vergaberecht
RD Christian Lehmann -1591
Referat A/4 Organisations- und Personalentwicklung, Zentrale Dienste
MRin Petra Eckstein -4183
Referat A/5 IT-Prozesse, Digitalisierung
MR Bernhard Schwarz -3669
Abteilung B Wirtschaftsförderung und Mittelstandspolitik
LMR Dr. Holger Gillet -4229
Vertretung: RBe Susanne Commerçon-Mohr -3424
MR Michael Hager -4170
Referat B/1 Gründungen, Nachfolge, Förderung Unternehmertum
RDin Gudrun Jakobs-Müller -4203
Referat B/2 Handel, Handwerk, Messe- und Kongresswesen, Kreativwirtschaft
RBe Susanne Commerçon-Mohr -3424
Referat B/3 Investitions- und Regionalförderung
MR Michael Hager -4170
Referat B/4 Unternehmensfinanzierung, Kapitalmarkt, Finanzierungsprogramme
WD Christian Klaß -1737
Referat B/5 Sparkassen- und Versicherungsaufsicht, Kammern
RORin Viviane Kerger -4598
Referat B/6 Internationales, Mittelstand, Standortmarketing
RDin Stefanie Rauber -1684
Außenwirtschaft, Wirtschaftsbeziehungen in der Großregion
RORin Juliette Ripp -4770
Referat B/7 Coronahilfen
MR Jörg Kugler -4277
Handel und Innenstadtentwicklung
RORin Ulrike Emmerich-Schryen -1707
Abteilung C Forschung und Innovation
LMR Dr. Jens Rosenbaum -7240
Vertretung:
MR Stefan Köhler -1548
Referat C/1 Innovationspolitik, Technologietransfer, Forschungsbau
MR Stefan Köhler -1548
Referat C/2
Technologieförderung von Unternehmen, Forschungsförderung an Hochschulen
ROR Michael Molitor mdWdGb -7130
Referat C/3 Förderung von außeruniversitärer Forschung, Forschungskapazitäten
RDin Anna Echterhoff -7306
Referat C/4 Breitband und Mobilfunk
ROR Jochen Krämer -3375
Referat C/5 Forschungspolitik, Außeruniversitäre Forschung
WD Christian Mees mdWdGb -1883
Abteilung D Digitalisierung in Wirtschaft und Verwaltung
LMR Lars Altenkirch -4182
Vertretung:
RB Gerald Maruhn -3432
RD Markus Woll -2830
Referat D/1 Digitalpolitik, Digitalstrategie und digitale Netzwerkbildung
RB Gerald Maruhn -3432
Referat D/2
Digitalförderung, Digital-HubFörderung und netzwerkbasierte Innovationsförderung
RB Michael Bachmann -1638
Referat D/3 Strategie der digitalen Verwaltung, Projekt-Controlling, IT-Architektur, Geschäftsstelle CIO
RD Markus Woll -2830
Referat D/4
Digitale Verwaltung für Bürger und Wirtschaft, Basisdienste, Zusammenarbeit mit Kommunen und Kammern
RB Frank Heil -2839
Referat D/5 Binnendigitalisierung der Verwaltung
RBe Nina Kriebel -2849
Referat D/6 Informationssicherheits- und Datenschutzmanagement, IT-Recht
MR Thorsten Sokoll -2829
Datenschutzbeauftragter
Abteilung E Wirtschafts- und Strukturpolitik
RB Dr. Anselm Römer -1433
Vertretung:
MR Dr. Rainer Schryen -4232
Referat E/1 Wirtschafts- und Standortpolitik, EU Struktur-/Regionalpolitik, Gewerbeflächen, Preisrecht
MR Stefan Lang -4181
Referat E/2 Tourismuspolitik, Tourismusförderung
MR Dr. Rainer Schryen -4232
Referat E/3 Gewerberecht, Geldwäscheprävention
MRin Dorothee Untersteller -1848
Referat E/4 Verwaltungsbehörde des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, EFRE-Bescheinigungsbehörde
WD Stefan Pfander -1659
RD Christian Lehmann -1591
Frauenbeauftragte
ROARin Sabine Rauch -4241
GS Sondervermögen Zukunftsinitiative
LMRin Barbara Walz -1530
Regulierungskammer
RB Christoph Küntzer -4238
Vergabekammern
MRin Dorothee Untersteller -1848
Abteilung F Energie-, Industrie- und Dienstleistungspolitik
RBe Dr. Lesya Matiyuk -1507
Vertretung: RBe Beate Sehn -3800
Referat F/1
Grundsatzfragen der Energiepolitik
RBe Henrike Jacob -3246
Referat F/2 Energiewirtschaft, Montanindustrie
MR Markus Körbel -4133
Referat F/3 Förderung der Energieeffizienz und der Erneuerbaren Energien
RB Klaus-Dieter Uhrhan -4298
Referat F/4 Grundsatzfragen der Industrie- und Dienstleistungspolitik
WDin Dr. Nadine Staub-Ney -3383
Referat F/5
Clusterplanung und Industrieerweiterung
RBe Denise Minnerath mdWdGb -1798
Referat F/6 Aus- und Weiterbildung, Fachkräftesicherung
RBe Beate Sehn -3800
Antikorruptionsbeauftragter
ROR Dennis Meyer -3357
Fachkraft für Gesundheitsmanagement
MRin Petra Eckstein -4183
Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers
RBe Susanne Lauer -1672
Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen
ROARin Astrid Hoff-Decker -3368
Vorsitzende des Personalrates
RBe Susanne Commerçon-Mohr -3424
Franz-Josef-Röder-Str. 17 66119 Saarbrücken T 0681 501 - 00 presse@wirtschaft.saarland.de wirtschaft.saarland.de
Behörden Spiegel: Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts und dem daraus resultierenden Sparzwang ist der Zivil- und Katastrophenschutz finanziell gut aufgestellt: Für 2024 steht dem THW ein Gesamthaushalt von 401,6 Millionen Euro zur Verfügung. Hinzu kommen 15 Millionen Euro, die der Haushaltsausschuss zusätzlich bewilligt hat – der Etat liegt damit nur geringfügig unter dem des Vorjahres. Woher rührt diese „Großzügigkeit“?
Sabine Lackner: Ich würde das nicht Großzügigkeit nennen, sondern strategische Planung der Bundesregierung. Wir sehen auf der einen Seite eine deutliche Zunahme von Extremwettereignissen und wir sehen, dass der ehrenamtliche Katastrophen- und Bevölkerungsschutz in Deutschland gebraucht wird. Hinzu kommt auch, dass wir zwei Jahre nach dem völkerrechtswidrigen Überfalls Russlands auf die Ukraine auch das Thema des Zivilschutzes leider wieder ganz neu in den Fokus rücken müssen.
Behörden Spiegel: Zu den von Ihnen angesprochenen Extremwetterereignissen zählt auch das Sturmtief Zoltan, das zu Beginn des Jahres große Teile im Norden Deutschlands überflutet hat. Welchen Einfluss hatte dieser Vorfall?
Lackner: Die Notwendigkeit für den Katastrophenschutz wird durch solche Ereignisse noch einmal ganz anders in den Fokus genommen. Wenn ich mir anschaue, dass das Sturmtief Zoltan an Weihnachten und Neujahr im nördlichen Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen rund 80 Prozent der Fläche überschwemmt hat und wie schnell unsere Ehrenamtlichen an den Feiertagen am Start waren – dann zeigt das, wie sehr unser gutes und hohes Sicherheitsniveau in Deutschland auf ehrenamtlichen Schultern ruht. Das wird von der Politik gesehen und geschätzt. Und das ist gut und richtig so!
Der Präsident des Bundesrechnungshofs fungiert gleichzeitig als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Der Beauftragte wirke durch Vorschläge, Gutachten oder Stellungnahmen auf eine wirtschaftliche Erfüllung der Bundesaufgaben und eine dementsprechende Organisation der Bundesverwaltung hin, heißt es auf der Website des Bundesrechnungshofs. Scheller beschreibt seine Aufgabe so: „Wirtschaftlichkeit heißt nicht nur schöne Zahlen. Wirtschaftlichkeit heißt zuallererst, dass die elementaren Staatsfunktionen effizient erfüllt werden. Darauf kommt es heute mehr denn je an.“
Sparzwang beim Bund und die Finanzsituation des THW
(BS/Anne Mareile Walter) Das Technische Hilfswerk ist aus der angespannten Haushaltsdebatte Anfang des Jahres gestärkt hervorgegangen: Sein Gesamtetat liegt nur geringfügig unter dem des Vorjahres. Über die aktuelle Finanzsituation sprach THW-Präsidentin Sabine Lackner im Interview mit dem Behörden Spiegel.
Behörden Spiegel: Demnach hat es Sie nicht überrascht, dass der Rotstift nicht angesetzt wurde?
„Ich gehe davon aus, dass für die Regierung die Innere und Äußere Sicherheit Priorität hat.“
Lackner: Nein, offen gestanden nicht. Zwischen Januar 2020 und Januar 2024 gewann das Technische Hilfswerk rund 10.000 ehrenamtliche Kräfte hinzu. Das ist ein enormes Potenzial und zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger füreinander einstehen wollen. Laut Statistischem Bundesamt leben 84,4 Millionen Menschen in Deutschland, dem THW steht ein Haushalt von rund 400 Millionen Euro zur Verfügung –pro Bürgerin und Bürger gibt der Bund also gerade einmal 4,70 Euro aus. Die durchschnittliche Packung Zigaretten kostet das Doppelte. Behörden Spiegel: Sind die beschlossenen finanziellen Mittel denn ausreichend?
Lackner: Das ist eine spannende Frage. Im aktuellen Haushaltsjahr 2024 kommen wir damit hin. Wir stehen allerdings auch vor einigen Herausforderungen: Der Bundesverteidigungsminister spricht von Kriegstüchtigkeit und sieht die Ge-
„Wir müssen mit den gesellschaftlichen Veränderungen mitgehen“: THW-Präsidentin Sabine Lackner erklärt im Interview, wie aktuelle und künftige Herausforderungen finanziell zu meistern sind.
samtverteidigung Deutschlands als eine gesellschaftliche Aufgabe – das führt natürlich auch beim THW zu neuen Herausforderungen. Hinzu kommt: Unsere Liegenschaften befinden sich nicht mehr in einem adäquaten Zustand. Zwar haben wir in den vergangenen Jahren vom Konjunkturpaket profitiert und sind dafür auch sehr dankbar. So haben wir allein in den vergangenen drei Jahren mehr als 2.500 neue Fahrzeuge bekommen und unseren Einsatz damit taktisch gut aufgestellt. Auch konnten wir mehr Mädchen und Frauen als Helferinnen gewin-
Foto: BS/THW
nen. Aber bei dieser Entwicklung sind unsere Liegenschaften nicht mitgekommen. Das betrachten wir mit Sorge. Zudem haben wir aktuell gegen neue Bedrohungsszenarien anzukämpfen, beispielsweise Cyberattacken – da müssen wir uns natürlich neu aufstellen. Das alles führt dazu, dass mit dem aktuellen Haushaltsansatz eine solide Grundfinanzierung ab 2025 so nicht mehr zu machen ist. Aber ich gehe auch davon aus, dass die Bundesregierung in ihrer Gesamtstrategie die Innere und Äußere Sicherheit als Priorität sehen wird.
„Ernste Lage der Bundesfinanzen“
Schuldenbremse vor Lockerung?
(BS/Hans-Jürgen Leersch) Im ewigen Kampf ums Geld hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) mächtige Unterstützung erhalten: Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofs, unterstützt massiv die Sparpolitik des Ministers. In seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hält Scheller es für „unerlässlich, sich über die ernste Lage der Bundesfinanzen bewusst zu werden“. Er warnt: „Veränderungen dürfen nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.“ Lindner steht jedoch unter massivem Druck, die Ausgabenschleusen zu öffnen und die unbeliebte Schuldenbremse zu lösen.
Lindners Vorstöße in der Kritik Und zur effizienten Erfüllung muss schon bald einiges getan werden. Denn auf die Bundesfinanzen werden in den nächsten Jahren erhebliche Belastungen zukommen. Das Schlüsseljahr ist das Jahr 2028. Dann wird etwa das infolge des Ukraine-Krieges geschaffene Sondervermögen Bundeswehr ausgeschöpft sein. Um das Ziel der NATO einzuhalten, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, muss der Einzelplan 14 (Verteidigung) des Bundeshaushals von bisher für 2027 vorgesehenen 52 Milliarden auf 75 bis 85 Milliarden Euro angehoben werden. Zugleich beginnen dann die Rückzahlungen der für das Sondervermögen Bundeswehr aufgenommenen Kredite sowie die Rückzahlungen für in der Pandemie aufgenommenen Kredite in Höhe von 9,2 Milliarden Euro. Und nicht vergessen werden darf die Rückzahlung der von der EU für die Finanzierung des EU-Wiederaufbaufonds aufgenommenen Kredite. Lindner muss bei der Aufstellung des Haushalts Farbe bekennen. Denn die im Etat enthaltene mit-
Welcher Kurs sollte bei den Bundesfinanzen verfolgt werden? Trotz vieler Ideen und Ansätze konnte unter den Verantwortlichen noch keine Einigung erzielt werden.
Foto: BS/jonicartoon, stock.adobe.com
telfristige Finanzplanung reicht jeweils drei Jahre in die Zukunft, sodass das finanzpolitische Schicksalsjahr 2028 im Etat für 2025 erstmals mit Summen abgebildet werden muss. Lässt Lindner dabei bereits absehbare Risiken weg, wird ihm unseriöse Planung vorgeworfen werden. Folgt er den Empfehlungen von Scheller, wird er sich schnell
Behörden Spiegel: In welche Bereiche des THW fließen die Zuwendungen des Bundes?
Lackner: Zum einen finanzieren wir davon die Mieten für unsere Liegenschaften, aber auch Sanierungen. Auch für die Aus- und Fortbildung brauchen wir das Geld: Dem „Mehr“, das wir an neuen Helferinnen und Helfern gewonnen haben, müssen wir auch ein „Mehr“ an Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten. Und wir müssen mit den gesellschaftlichen Veränderungen mitgehen. Die Menschen wollen Angebote für Ausund Fortbildung, die auch zeit- und ortsunabhängig sind. Also müssen wir verstärkt digitale Angebote bereitstellen. Darüber hinaus investieren wir in die Ausstattung der Fahrzeuge. Beim Sturmtief Zoltan sind all unsere Pumpengrößen zum Einsatz gekommen. Wir brauchen aber auch größere Aggregate. Dabei richten wir uns nach dem Operationsplan Deutschland, beantworten Fragen wie: Was wird zum Schutz vulnerabler Gruppen benötigt, was sind Anforderungen an die zivile Seite?
Behörden Spiegel: In vielen ehrenamtlichen Bereichen mangelt es an Nachwuchskräften. Wie ist die Situation hier beim THW?
Lackner: Wir haben mit über 89.000 ehrenamtlichen Kräften so viele Helfer wie noch nie in unserer Geschichte. Mehr als 16.000 Mädchen und Frauen sowie über 17.000 Kinder und Jugendliche unterstützen uns. Das ist schon ein sehr toller Trend. Aber es kommen auch verstärkt Menschen zu uns, die zwischen Ende 30 und Anfang 50 sind, deren Kinder aus dem Haus sind und die sich jetzt einbringen und etwas Sinnstiftendes tun möchten. Viele Menschen sind in der Corona-Zeit ins Nachdenken gekommen. Nun müssen wir alles daransetzen, damit das so bleibt und wir die richtigen Rahmenbedingungen für ein ehrenamtliches Engagement bieten. Denn nur dann werden sich die Menschen auch weiterhin einsetzen.
auf eisigen Gegenwind einstellen müssen. Den bekommt Lindner bereits zu spüren. Seine jüngsten Vorschläge zur Einführung einer Steuerfreiheit für Überstunden, für eine Erhöhung des Grundfreibetrags, für einen Abbau des Solidaritätszuschlags, Einschränkungen beim Bürgergeld und die Abschaffung der Rente mit 63 für langjährig Versicherte erinnern die SPD an die Vorstellungen amerikanischer Investmentbanker. Für den SPDVorsitzenden Lars Klingbeil ist insbesondere die Rente ab 63 nicht verhandelbar. Die FDP-Pläne hält er für einen „Angriff auf die Leistungsträger unserer Gesellschaft“. Schon im Haushalt des kommenden Jahres, dessen Entwurf derzeit aufgestellt wird, soll ein Loch von bis zu 30 Milliarden Euro klaffen. Lindners eigene Vorschläge zur Schließung des Lochs waren heftig: Sogar bei seinem Parteifreund, Verkehrsminister Volker Wissing, will er fünf Milliarden Euro einsammeln – nicht nachvollziehbar angesichts der maroden Infrastruktur bei Bahnen und Straßen. Der schon seit Monaten geführte Streit um die Kindergrundsicherung belastet die Koalition enorm. Vor allem die Schaffung von 5.000 neuen Stellen für die Bearbeitung von Leistungen für Kinder neben den bereits bestehenden Kindergeldkassen lehnt Lindner ab. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) wiederum beharrt auf dem ihrer Ansicht nach „größten sozialpolitischen Reformprojekt der Ampel“.
Diskussion um Lösungsansätze Lösungen sind noch nicht in Sicht. Diskutiert wird das erneute Ausrufen einer Haushaltsnotlage wegen der Belastungen durch den Ukraine-Krieg. Davon rät Scheller ab. SPD und Grüne sind offen für Änderungen an der Schuldenbremse, um über Kredite mehr Geld in die Kassen zu bekommen. Lindner und die FDP sind strikt dagegen, die CDU/CSU auch, sodass bisher keine Mehrheit für eine Grundgesetzänderung in Sicht ist. Doch wie lange der Unions-Widerstand hält, ist eine ganz andere Frage. Die schwarz-rote Berliner Landesregierung unter Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bereitet gerade eine Bundesratsinitiative zur Lockerung der Schuldenbremse vor, die in den CDU-geführten Staatskanzleien von Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen-Anhalt auf großes Interesse stößt. Denn alle eint dasselbe Problem: zu geringe Einnahmen bei wachsenden Aufgaben und damit Ausgaben.
► AUFTRAGSART
VOB oder VgV?
Sensorik im Straßenraum Zur Lenkung von Verkehrsströmen will ein Gemeinschaftsunternehmen mehrerer Gebietskörperschaften Sensoren im Straßenraum errichten, um Bewegungsdaten der Verkehrsteilnehmer zu erlangen. Ziel ist es, eine Sensor-Infrastruktur aufzubauen, die die notwendigen Daten liefern soll, deren Analyse unter anderem zur Parkraumüberwachung und -lenkung genutzt werden soll. Datenanalyse und Verkehreslenkung sind ebenfalls Bestandteil des Auftrages. Der Auftraggeber erkennt darin einen Bauauftrag, weil die Errichtung der Sensoren jedenfalls eine bauliche Maßnahme darstellt. Er sieht darin den Hauptgegenstadt des Auftrages. Demnach wäre nur ein nationales Verfahren vonnöten. Ein unterlegener Bieter, welcher auf eine Nachprüfung hofft, bezweifelt das. Er sieht darin einen Dienstleistungsauftrag, für den der Schwellenwert weit überschritten wäre. Damit hat er Erfolg. Die Sensoren und ihr Einbau bleiben nutzlos, wenn die Daten nicht ausgewertet werden. Insofern verfolgt der Auftrag das Ziel der Datenanalyse. Die Bauleistungen sind als untergeordnete Hilfsleistungen zu qualifizieren. Davon zeugt auch der dem Auftrag zugrunde liegende Vertragsentwurf, der auf ein EVB-IT-Kaufvertragsmuster aufbaut. Daher ist der Rechtsweg zur Nachprüfung eröffnet, obwohl die Vergabe zuvor ungerügt national durchgeführt worden war. Der Bieter kann die Korrektheit seines Wertungsergebnisses also überprüfen lassen, ohne dass das Verfahren europaweit wiederholt werden müsste.
OLG Schleswig (Beschl. v. 05.12.2023, Az.: 54Verg 8/23)
► NACHFORDERUNG
Alles oder nichts
Bieter fühlte sich getäuscht Und das zu Recht, wie die Vergabekammer entschieden hat! Was war geschehen? Zu liefern waren verschiedene Typen von Reparaturasphalt. Für den Typ 3 fehlte eine Herstellererklärung zu dessen Eigenschaften vollständig. Für Typ 5 lag zwar eine Herstellererklärung vor, sie beinhaltete jedoch nicht alle geforderten Angaben. Der Auftraggeber machte von der in diesem Falle einschlägigen Möglichkeit der VgV Gebrauch, fehlende Angaben nachzufordern, beschränkte sich dabei aber auf die fehlende Erklärung zu Typ 3. Nach endgültiger Wertung schloss er das Angebot aus, weil die Erklärung zu Typ 5 unvollständig war. Es ist schlicht vergaberechtswidrig, nur einen Teil der fehlenden Unterlagen nachzufordern. Es ist auch sinnwidrig: Wenn am Ende eine Unterlage fehlt, die nicht nachgefordert wurde, hätte man sich auch die Nachforderung der anderen sparen können. Dem Bieter wurde so eine unnütze Arbeitsleistung abverlangt – und darüber hinaus noch der falsche Eindruck erweckt, dass das Angebot bis auf die ausdrücklich verlangte Nachforderung vollständig sei. Darauf musste sich der Bieter im Sinne des Transparenzgebotes auch verlassen dürfen. Es steht dem Auftraggeber nicht frei, nur einzelne fehlende Unterlagen nachzufordern. Wenn er sich zur Nachforderung entschließt, muss er alles verlangen, was noch fehlt (und im Übrigen auch bei allen Bietern gleichermaßen).
VK Westfalen
(Beschl. v. 21.12.2023, Az.: VK 1-37/23)
► SCHLECHTLEISTUNG
Vertrag gekündigt
Folgegewerk übernimmt den Rest
Der Aushub einer Baugrube verlief so schleppend, dass der Zeitplan für die gesamte Baustelle ins Wanken geriet. Wegen dieser Nichteinhaltung der Terminvorgaben kündigte der Auftraggeber den Vertrag mit dem Tiefbauunternehmen und ließ die Restarbeiten kurzerhand von dem Hochbauunternehmen ausführen, das danach in der Grube weiterarbeiten sollte. So konnten die Arbeiten trotz der anfänglichen Verzögerungen wieder in den geplanten Zeitkorridor gelangen. Allerdings stieß dieses Vorgehen auf Kritik des gekündigten Unternehmens: Die Kündigung sei unrechtmäßig erfolgt. Bei einer Neuvergabe hätten die Restarbeiten wieder ausgeschrieben werden müssen.
Dies sehen die Nachprüfungsinstanzen ebenso, allerdings mit unterschiedlicher Begründung. Die Vergabekammer betrachtet den Fall aus der Sicht des Hochbauauftrages: Er sei ohne Ausschreibung um den Tiefbaurest erweitert worden. Dies sei eine wesentliche Auftragsänderung im Hinblick auf das Auftragsvolumen. Im Beschwerdeverfahren nimmt der Vergabesenat den Tiefbauauftrag in den Blick: In diesem Auftrag war der Auftragnehmer ersetzt worden (nämlich durch den Hochbauer). Dies sei eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den Auftragnehmer. Gleich welchen Blickwinkel man einnimmt: Die wesentliche Änderung des Auftrages ist ohne Ausschreibung nicht erlaubt. Dadurch war der Tiefbauunternehmer in seinen Rechten verletzt, weil er sich nicht erneut bewerben konnte. BayObLG
(Beschl. v. 21.02.2024, Az.: Verg 5/23)
► LEITPRODUKT Unzulässige Vorgabe
Nicht für einfache Spezifikationen Für den Auftraggeber ist es oft der einfachste Weg, bestimmte Vorgaben an ein zu lieferndes Produkt zu stellen, in dem er ein genehmes Produkt, welches ihm in der Markterkundung begegnete, als Leitprodukt benennt und dann gleichwertige andere Fabrikate zulässt. Doch das geht nicht immer gut. So hatte ein Westfälischer Auftraggeber für einen Sporthallenboden ein Leitprodukt vorgegeben und erklärt, gleichwertig sei ein Produkt mit gleicher Belagsdicke, gleicher Rutschhemmung und gleichem Verschleißwert. Das sieht auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich aus. Ein Bieter stellte aber fest, dass es für diese Kombination der drei Anforderungen kein anderes als das Leitprodukt gibt. Er bemängelte dies als unzulässig. Die Vergabekammer klärt den Auftraggeber darüber auf, dass es für eine solche enge Vorgabe einer besonderen Begründung bedarf. Eine solche war hier der Vergabeakte jedoch nicht zu entnehmen. Es tritt ein Weiteres hinzu: Die Vorgabe eines Leitproduktes ist nur dann zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht anders beschrieben werden kann. Die Erleichterung des „Verständnisses“ der Anforderungen allein rechtfertigt eine solche Vorgabe nicht. Wenn es allerdings nur darum geht, einige wenige technische Parameter festzulegen, ist die Beschreibung der Anforderungen auch ohne Bezug auf ein Leitprodukt möglich. Insofern wäre die Benennung des Leitproduktes hier selbst dann unzulässig gewesen, wenn es am Markt Gleichwertiges gäbe.
VK Westfalen
(Beschl. v. 27.10.2023, Az.: VK 1-31/23)
► ZUVERLÄSSIGKEIT
Zu oft geschwänzt
Baubesprechung ist Pflicht
Manchmal sind es Kleinigkeiten, welche den Bauablauf massiv stören können. Um derartiges zu vermeiden, gibt es auf jeder Baustelle regelmäßige Baubesprechungen aller gerade tätigen Gewerke. Werden diese Termine dann nicht wahrgenommen, ist es vorprogrammiert, dass sich die Gewerke gegenseitig behindern. So geschehen bei einem Bauauftrag, bei dem das Material für ein Gewerk nicht angeliefert werden konnte, weil ein anderes die dafür erforderliche Baustraße blockiert hatte. Das brachte das Fass für den Auftraggeber zum Überlaufen, zumal die zwingende Teilnahme an den Besprechungen vertraglich fixiert war. Er kündigte den Bauauftrag fristlos. Gegen die Folge, bei einem neuen Auftrag aufgrund dieser fristlosen Kündigung ausgeschlossen zu werden, wehrt sich der säumige Unternehmer. Der Vertragsverstoß sei nicht wesentlich, weil die Kommunikation per E-Mail möglich gewesen wäre. Die Vergabekammer gibt dem Auftraggeber Recht. Allein der geschilderte Vorfall belege, wie wichtig die Teilnahme gewesen wäre. Zudem hatte der Auftraggeber nachgewiesen, dass der Unternehmer 22 von 31 Terminen versäumt hatte. Ersteres zeigt die Bedeutung der Anforderung, Letzteres die Schwere der Pflichtverletzung. Damit sind alle drei Grundlagen für den Ausschluss wegen vorheriger Schlechtleistung kumulativ erfüllt: Kündigung (1.) aufgrund einer erheblichen Verletzung (2.) einer wesentlichen Pflicht (3.). VK Bund (Beschl. v. 17.08.2023, Az.: VK 2-56/23)
Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)
jeden Monat im Behörden Spiegel ◄
Gutachten des BMWK zu Zinssatz und Gewinnen bei öffentlichen Aufträgen
Auswirkungen auf die Ertragskraft der Auftragnehmer sollen die Gutachter neben den kalkulatorischen Zinsen auch den Gewinnzuschlag analysieren. Das Zusammenspiel von kalkulatorischen Zinsen und Gewinnzuschlag spielt insbesondere für Auftragnehmer in den Bereichen Ent- und Versorgung eine große Rolle. Gewöhnlich begrenzt die KAG-Rechtsprechung den Gewinnzuschlag in den gebührenden Bereichen Abfall und Abwasser auf ein Prozent bei Selbstkostenerstattungspreisen bzw. drei Prozent bei Selbstkostenfestpreisen. Den betroffenen, mehrheitlich kommunalen Unternehmen bleiben häufig nur die kalkulatorischen Zinsen als Puffer, um nicht anerkannte Kostenpositionen aufzufangen. Darüber hinaus könnte das Gutachten erhebliche Ausstrahlungs-
Prof. Dr. Andreas Hoffjan, TU Dortmund, Lehrstuhl Unternehmensrechnung und Controlling. Foto: BS/privat
wirkungen auf die Zuwendungen auf Kostenbasis entfalten. Dort wird standardmäßig in den Nebenbestimmungen ein kalkulatorischer Zinssatz von sechs Prozent vorgeschrieben. Sollte das Gutachten eine darüber hinausgehende Absenkung des Zinssatzes empfehlen oder die Höhe der Zinsen an einen Referenzzinssatz koppeln, müssten auch die Kalkulationsbedingungen bei der staatlichen Förderung gewerblicher Unternehmen angepasst werden. Aufgrund der in den Bereichen Klimaschutz und Energiewende zahlreich geplanten Förderprogramme könnte sich dies in der Zukunft auf die Zuwendungsempfänger auswirken. Das Gutachten soll bis Ende Juni 2024 abgeschlossen werden.
Am 6. Juni findet ein Praxisseminar zum Thema Zuwendungen auf Kostenbasis statt:
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(BS/Prof. Dr. Andreas Hoffjan) Bei öffentlichen Aufträgen spielt das Preisrecht eine wesentliche Rolle. Die zuständige Verordnung VO PR Nr. 30/53 wurde 2021 novelliert. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat sich im Ergebnis der Ressortabstimmung zur neuen VO PR Nr.30/53 verpflichtet, den Höchstzinssatz für die kalkulatorische Verzinsung evaluieren zu lassen. Bei der Evaluation muss auch der kalkulatorische Gewinn berücksichtigt werden. Die Aufgabe der Gutachter besteht darin, die Auswirkungen einer möglichen Anpassung des Höchstzinssatzes auf die betroffenen Auftragnehmer und die Folgen einer Anpassung zu bewerten. Als Grundlage soll dazu u. a. ein fundierter Überblick zur etablierten Vereinbarungspraxis bei Festlegung der kalkulatorischen Zinssätze und zum kalkulatorischen Gewinn bei öffentlichen Aufträgen gewonnen werden. Auf der Grundlage der Evaluierung soll eine mögliche Anpassung des kalkulatorischen Höchstzinssatzes geprüft werden. Seitdem der gegenwärtige Höchstzins von 6,5 Prozent 1972 beschlossen wurde, haben sich die Verhältnisse am Kapitalmarkt entscheidend verändert. Eine Evaluation des Zinssatzes erscheint geboten. Die Ergebnisse des Gutachtens haben erhebliche Auswirkungen für die Preise bei öffentlichen Aufträgen. Besonders betroffen von möglichen Anpassungen des Höchstzinssatzes wären Aufträge in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung. Dort gelangen sehr häufig mangels Wettbewerb keine Marktpreise, sondern Selbstkostenpreise zur Anwendung. Aufgrund der möglichen
Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Mai 2024
Das Grundgesetz ist auch die Geschichte des Öffentlichen Dienstes
www.behoerdenspiegel.de
(BS/Christian Brecht) 75 Jahre Deutsche Verfassung stehen für Neubeginn, Demokratie und Rechtsstaat. Nicht zuletzt bedeuten sie auch 75 Jahre Öffentlicher Dienst. Ein Dienst von Deutschland für Deutschland, der durch das Grundgesetz am 23. Mai 1949 geformt wurde und dieses bis heute auf allen staatlichen Ebenen bestmöglich umsetzt. Der Öffentliche Dienst ist Deutschlands erster und oberster Dienstleister. Im Jubiläumsjahr der Verfassung steht er vor großen Umbrüchen und einer ungewissen Zukunft. Mal wieder.
kel 33 des Grundgesetzes ist das Herzstück der verfassungsrechtlichen Ausformung des Öffentlichen Dienstes in Deutschland. Das in Artikel 33 Absatz 3 GG verankerte Treueprinzip lässt keine Zweifel daran, wie eng die Dienerinnen und Diener des Staates mit dessen Werten verbunen sind: Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und für deren Einhaltung eintreten.
Pflichten und Rechte
Die Dienstpflicht, wonach Beamte ihre Aufgaben gewissenhaft und pflichtgemäß zu erfüllen haben, ist ebenso ein Grundpfeiler wie die Neutralitätspflicht, wonach sie unparteiisch und politisch gemäßigt sein müssen. Nicht zuletzt besagt das Legalitätsprinzip, dass alle „hoheitlichen Handlungen“ des Öffentlichen Diensts auf einer Rechtsgrundlage beruhen müssen. Weitere Artikel zeigen, wie demokratisch, aber auch sorgfältig bei der Auswahl des Beamtentums nach 1949 vorgegangen wurde und wird. Nach Art. 33 Abs. 2 GG haben
„Jeder
Deutsche hat nach seiner [...] Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“
Art 33 Abs. 2 GG
gang zu allen öffentlichen Ämtern. Für zu viel Theorie blieb nach der Geburtsstunde des Grundgesetzes allerdings kaum Zeit. Der damals noch als Staatsdienst bezeichnete Öffentliche Dienst stand vor einer enormen praktischen Aufgabe: dem Wiederaufbau des zerstörten Deutschlands. Dieser ging mit einer schnellen Ausweitung der Stellen und Aufgaben im Öffentlichen Dienst einher. Das Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre trieb diesen Prozess voran. Der Aufbau der
dass sich der Öffentliche Dienst der Erweiterung Deutschlands zum Sozialstaat widmen konnte. Eine neue Arbeitsmarktpolitik und das System der Sozialversicherung wurden durch den Öffentlichen Dienst ausdifferenziert und umgesetzt. Die Zahl der Beamten stieg weiterhin kontinuierlich an.
Vereint verwaltet Einen Verwaltungsaufwand unbekannten Ausmaßes brachte die deutsch-deutsche Wiedervereinigung von 1990. Der Öffentliche Dienst musste die unterschiedlichen Verwaltungssysteme der BRD und der DDR zusammenführen und seine Strukturen in den neuen Bundesländern etablieren. Der Aufbau Ost war noch in vollem Gange, als zum Ende des Jahrtausends schon die nächste Mammutaufgabe anklopfte und spätestens in den 2000er-Jahren mitten im Raum stand: der digitale Wandel. Eine zunehmend digitalisierte Welt erforderte die Modernisierung des Öffentlichen Diensts, die bis heute andauert.
Neue digitale Management-Konzepte aus der Privatwirtschaft
politische Alleingänge essenziell –erweist sich dahingehend bis heute auch als Verkomplizierung. Entsprechende Innovations- und Modernisierungsmaßnahmen wurden von Bund, Ländern und Kommunen spät oder inkonsequent angegangen. Die Agilität des Öffentlichen Dienstes in Deutschland fiel hinter der vergleichbarer Staaten zurück. Mittlerweile sind die Bemühungen immerhin gebündelt: Art. 91c GG erweiterte die Verfassung 2009 um die Föderalismusreform II, aus der der IT-Planungsrat hervorging. Gemeinsame IT-Standards für Bund und Länder sind das Ziel.
Eine neue Kultur Um eine bürokratische Brücke zu schlagen, braucht es eine moderne, vom Verständnis für digitale Prozesse geprägte Verwaltungskultur. Die deutschen Behörden haben indes nicht nur komplexe technische Themen wie Datenschutz und Cyber-Sicherheit zu bewältigen: in unsicherer Weltlage wecken verfassungszerstörerische Kräfte unschöne Erinnerungen an die Zeiten vor dem Grundgesetz. Der Öffentliche Dienst steht vor alten und neuen
eine Verfassung vor ihren Feinden, deren Teilhabe am Staat sie qua ihrer demokratischen Werte selbst legitimiert? Wie greifen Menschenrechte in der oft wenig greifbaren Welt des Internets? Gelingt die digitale Konsolidierung, um den demografischen Wandel und den dadurch eintretenden Fachkräftemangel abzufedern? Viel mehr Frauen als 1950 gibt es mittlerweile im Öffentlichen Dienst: 58 Prozent. Der Altersdurchschitt allerdings ist seitdem von 33 auf 45 Jahre gestiegen. Nicht wenige Menschen blicken ähnlich besorgt in die Zukunft wie Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des DBB Beamtenbund und Tarifunion: Sollte der digitale Wandel nicht gelingen, könne das die "staatliche Leistungsfähigkeit insgesamt signifikant schwächen" – ebenso wie das Vertrauen der Bürger in den Staat.
Sieht man sich jedoch die über 75 Jahre gewachsene Geschichte des Öffentlichen Dienstes in Deutschland an, ergibt sich womöglich eine andere Perspektive: Der Öffentliche Dienst kriegt das hin. Er hat schon ganz anderes geschafft.
Grafik: BS/Hoffmann unter Verwendung von nmann77, wolcan, Christin Klose; alle stock.adobe.comDas heutige Bundesministerium des Innern und für Heimat ist ein Haus mit erfahrungsreicher Tradition, aber auch mit zweifelhafter Gründungsgeschichte. Gerade in den Anfangsjahren der noch jungen Bundesrepublik wurden, auch mit Blick auf die kriegsbedingte Personalnot, viele Beamte mit nationalsozialistischer Vergangenheit im Bundesinnenministerium beschäftigt. Der erste Staatssekretär, Hans Ritter von Lex, hatte 1933 als Abgeordneter im Reichstag Hitlers „Ermächtigungsgesetz“ zugestimmt und war während der gesamten NSZeit als Beamter im Reichsinnenministerium tätig. Es war gerade diese Verwaltungserfahrung, die ihn für Bundeskanzler Konrad Adenauer dafür qualifizierte, ab 1949 das Bundesministerium des Innern neu aufzubauen. Für den Staatssekretär war eine frühere NSDAP-Mitgliedschaft bei der Personalauswahl kein Ausschlusskriterium. Maßgeblich war, wie erfahren die Bewerber waren. Erst in den 1970er-Jahren unter Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher sank der Anteil ehemaliger NSDAP-Mitglieder im Haus auf unter 50 Prozent. Dass diese Entwicklung so lange dauerte, war eine Hypothek für die junge Bundesrepublik. Sie bremste nachweislich über Jahrzehnte die Aufarbeitung der mörderischen NS-Herrschaft und das Verinnerlichen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in der deutschen Bevölkerung aus. Innenminister Thomas de Maizière stellte sich der historischen Last und gab eine umfassende Aufarbeitung in Auftrag. Von 2014 bis 2018 untersuchten Wissenschaftler des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin und des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam die Nachkriegsgeschichte des BMI schonungslos. Ich bin davon überzeugt: Die Aufarbeitung dieser Zeit hat für unsere Demokratie eine große Bedeutung. Ehrlichkeit und das Vermögen, eigene Fehler einzu-
Demokratiefeindliche Tendenzen nehmen zu: Aktuelle Umfragen sehen die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im kommenden September ganz weit vorne. Auch wenn sich das politische Stimmungsbarometer bis zum Herbst noch verändern kann, zwingt die Tatsache zur Auseinandersetzung. Ein Blick auf die Angriffe von rechtsautoritären Parteien in Ungarn, Polen oder Israel auf die dortigen Verfassungsgerichte rückt die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung in den Fokus, um eine ähnliche Einflussnahme hierzulande zu verhindern. Auf dem Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) wies Präsident Thomas Haldenwang kürzlich darauf hin: „Die innere Sicherheit ist stark abhängig von den Konfliktlagen in anderen Teilen der Welt."
Bislang sind viele Regeln, die die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts bestimmen, in einem einfachen Gesetz festgeschrieben. Dementsprechend können sie auch mit einer einfachen Mehrheit geändert werden – im Falle neuer politischer Mehrheitsverhältnisse eine Gefahr. Wären die Regeln allerdings stattdessen im Grundgesetz verankert, ließen sie sich nur mit einer ZweiDrittel-Mehrheit verändern. Hier müssten Regierung und Opposition zustimmen.
Einseitige Einflussnahme verhindern
Um eine entsprechende Grundgesetzänderung auf den Weg zu bringen, hatte Bundesjustizminis-
Das Bundesinnenministerium als Garant für die wehrhafte Demokratie
(BS/Nancy Faeser*) Die Geschichte des Bundesinnenministeriums ist eine der steten Anpassung an die konkreten Bedürfnisse der Zeit. Alle Innenminister prägten das Haus in ihrem eigenen Stil und nahmen dabei große Verantwortung für die Sicherheit der deutschen Bevölkerung auf ihre Schultern. Sich seine Vergangenheit zu vergegenwärtigen, hilft dabei, das Ministerium als das zu erkennen, was es in den 75 Jahren seit seiner Gründung geworden ist: der Garant für eine wehrhafte Demokratie.
gestehen, sind wichtige Prämissen unserer demokratischen politischen Kultur. Nur wer bereit ist, die eigene Historie zu hinterfragen, kann sich gut für die Zukunft aufstellen.
Neue Antworten auf neue Bedrohungen
Die Bundesrepublik Deutschland ist heute eine starke und stabile Demokratie. Sie hat in ihrer 75-jährigen Geschichte dabei viele Herausforderungen gemeistert. Auch auf dem Feld der Innenpolitik, nicht zuletzt im Umgang mit Extremismus und Terrorismus. So versetzten über mehrere Jahrzehnte die linksextremistischen Terroristen der RAF das Land in Angst und Schrecken. Für mehrere Dutzend mörderischer Anschläge tragen sie die Verantwortung, 34 Opfer verloren ihr Leben. Die damaligen Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher und Werner Maihofer setzten während der ersten Jahre des RAF-Terrors vor allem auf Repression und die massive Aufrüstung der Sicherheitsorgane. Die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes erbrachten zahlreiche Fahndungserfolge. Es war Bundesinnenminister Gerhart Baum ab 1978, der mit dem Strategiewechsel in der Phase der „neuen Nachdenklichkeit“ einen wichtigen Beitrag dazu leistete, den RAF-Terror weiter zurückzudrängen. Eine zentrale Erkenntnis war: Gewalt entsteht in den Köpfen, bevor sie real wird. Wir brauchen mehr als Repression, um Extremismus an seinen Wurzeln zu bekämpfen.
Denn den Feinden der Demokratie
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) leitet „die Mutter aller Ministerien“. Foto: BS/Henning Schacht
müssen wir mit einem breiten Instrumentenkasten begegnen, der beides umfasst: Repression und Prävention. Mit den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 wurde schmerzhaft deutlich, dass die Sicherheitsbehörden auf international agierende Terroristen neue Antworten brauchten. Es war das beherzte Handeln von Bundesinnenminister Otto Schily, der auf die islamistische Bedrohung umgehend und umfassend reagierte – und diesem Anspruch Rechnung trug. Es brauchte zusätzliche Kompetenzen, unter anderem für Bundesverfassungsschutz und Bundeskriminalamt, um schnell und unbürokratisch sicherheitsrelevante Informationen einholen zu können. Unter Otto Schily erarbeitete das BMI in Rekordzeit neue Gesetze und Maßnahmen zur Terrorabwehr und löste damit das
Versprechen ein, unser Land auch vor neuen Bedrohungen effektiv zu schützen. Als der Islamist Anis Amri 15 Jahre später einen gestohlenen Lkw in einen Berliner Weihnachtsmarkt steuerte und insgesamt 13 Menschen tötete, mussten das BMI und seine Sicherheitsbehörden erneut berechtigte Kritik aufnehmen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière reagierte schnell und stellte die Kooperation der Sicherheitsbehörden untereinander neu auf. Das 2004 von Otto Schily gegründete Gemeinsame Terrorabwehrzentrum durchleuchtete in der Folge alle ihm bekannten Gefährder nochmals genau. Und auch dank der intensiven Aufarbeitung eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages konnten viele der identifizierten Schwachstellen adressiert und behoben werden. Für die zehn
Diskussion über Grundgesetz-Änderung für das Bundesverfassungsgericht
(BS/Anne Mareile Walter) Die Ampelkoalition will das Bundesverfassungsgericht besser vor extremistischer Einflussnahme schützen. Erste Gespräche mit der Union gab es bereits, eine Entscheidung steht noch aus.
Über eine Neuausrichtung des Grundgesetzes für das Bundesverfassungsgericht diskutieren Ampelkoalition und Union. Foto: BS/Bundesverfassngsgericht, Uwe Stohrer, Fotografie Freiburg
ter Marco Buschmann (FDP) Anfang April Mitglieder der Regierungsfraktionen sowie Vertreter der CDU/ CSU-Fraktion zu einer Beratung eingeladen. Zusammen mit der Einladung wurde auch ein Arbeitsentwurf für eine mögliche Änderung der Artikel 93 und 94 des Grundgesetzes verschickt. War die Zustimmung der Union Anfang des Jahres noch fraglich, scheint nun eine Einigung von Regierung und Opposition realistischer zu werden. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums teilte auf Anfrage des Behörden Spiegel mit, dass das Gespräch im April aktuell noch zu keinem konkreten Ergebnis geführt habe, die Beratun-
gen zu dem Thema sollen aber fortgesetzt werden. Der Plan zur Änderung des Grundgesetzes sieht Folgendes vor: Der Status des Gerichts als Verfassungsorgan soll im Grundgesetz verankert werden. Daneben sollen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bindend sein und Gesetzeskraft haben. Zudem sollen folgende Strukturen aufgenommen werden: zwei Senate mit je acht Richtern, eine zwölfjährige Amtszeit, eine Altersgrenze von 68 Jahren für Richterinnen und Richter sowie der Ausschluss einer Wiederwahl. „Wir wissen aus anderen Ländern, dass höchste Gerichte und ihre Un-
Mordopfer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) kamen diese Reformen leider zu spät. Auch hier wurden aus Aufklärungs- und Ermittlungsergebnissen nicht die richtigen Schlüsse gezogen und wichtige Erkenntnisse zwischen Behörden nicht geteilt. Die abscheulichen Taten der rechtsextremistischen Terroristen wurden lange Zeit völlig falsch zugeordnet. Dass dies geschehen konnte, ist eine historische Last, aus der wir lernen müssen. Um niemals zu vergessen – und um alles dafür zu tun, dass sich so etwas nicht wiederholen kann.
Eine zeitgemäße Ausrichtung
Die Gründung der Abteilung für Heimat, Zusammenhalt und Demokratie durch Bundesinnenminister Horst Seehofer, die sich auch im Namen des Hauses wiederfindet, war 2018 sehr umstritten. Aus meiner Sicht spiegelt sie jedoch eine zentrale Lehre aus der Geschichte des Ministeriums wider: Unsere Demokratie kann sich ihrer Feinde nur erwehren, wenn die Gesellschaft zusammenhält. Das BMI ist heute gut aufgestellt, um diesen Zusammenhalt zu fördern. Hauptaufgabe jedes Bundesinnenministers und jeder Bundesinnenministerin ist es, für die Sicherheit der Menschen in Deutschland zu sorgen und unsere Demokratie zu schützen. Dafür stehen unter anderem mit der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz starke Sicherheitsbehörden und ein großer Instrumentenkasten bereit. Über 85.000 Männer und Frauen sorgen im BMI und seinen 19 Geschäftsbereichsbehörden für die Sicherheit unseres Landes – jeden Tag. Mit Engagement, Erfahrung und einem demokratischen Wertekanon. Denn es geht um nichts weniger als um unsere Demokratie.
*Nancy Faeser (SPD) ist Bundesministerin des Innern und für Heimat.
abhängigkeit eines der ersten Ziele von Rechtsextremen sind, da man so rechtsstaatliche Errungenschaften verwässern und beseitigen kann“, konstatierte Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen. „In einer sicherheitspolitisch derart angespannten Situation das Schutzniveau für das Bundesverfassungsgericht nicht zu erhöhen, wäre politisch naiv und in höchstem Maße fahrlässig.“ Deshalb sei es zu begrüßen, dass die Union an den Verhandlungstisch zurückgekehrt sei, ergänzte von Notz
Verfassungsgerichte gegen politische Blockaden absichern Indes erklärte Andrea Lindholz, die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass man derzeit zwar keine „akute Gefahr“ für einen Angriff auf das Bundesverfassungsgericht sehe. Aber: „Wir nehmen die Bedenken und Diskussionen ernst“, sagte sie. Demokratie lasse sich nicht allein dadurch schützen, dass Regelungen in einem einfachen Gesetz oder dem Grundgesetz niedergeschrieben würden. „Es ist vor allem wichtig, dass eine politische Auseinandersetzung erfolgt, um Menschen mit guter Politik überzeugen zu können“, führte Lindholz weiter aus. Von juristischer Seite kommt ebenfalls Zustimmung: Der Deutsche
Juristinnenbund hält eine Änderung des Grundgesetzes für sinnvoll. „Uns allen sollte klar sein, dass unser Rechtsstaat gefährdet ist“, so DJB-Präsidentin Ursula Matthiessen-Kreuder. Die Unabhängigkeit eines Verfassungsgerichts durch verfahrensrechtliche Regelungen im Grundgesetz zu stärken, bedeute auch, „die Resilienz des Rechtsstaats zu stärken und insbesondere Frauen- und Minderheitenrechte wirksam zu schützen“.
Es könne nicht sein, dass die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts in einem einfachen – und daher auch mit einfacher Mehrheit zu ändernden – Gesetz niedergelegt sei, fügte sie hinzu.
Der Deutsche Richterbund (DRB) hält eine Neuausrichtung des Grundgesetzes ebenfalls für angebracht. „Es ist an der Zeit, die Verfassungsgerichte in Bund und Ländern in den Verfassungen besser gegen politische Blockaden abzusichern und vor zielgerichteten Eingriffen zu schützen“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn gegenüber dem Behörden Spiegel. Rebehn richtet dabei auch einen Appell an die verhandelnden Parteien: „Finden die demokratischen Parteien jetzt nicht die Kraft für gemeinsame Lösungen, um den Rechtsstaat auf allen Ebenen abwehrfähiger zu machen, dann wäre dies eine kalte Dusche für die Millionen Menschen, die in Deutschland seit vielen Wochen engagiert gegen Rechtsextremismus und für Rechtsstaatlichkeit auf die Straße gehen“, sagte er.
Behörden Spiegel: Wie blicken Sie aus Ihrer dienstlichen Brille auf die Debatte über eine Gefährdung demokratischer Institutionen durch die Zunahme extremistischer Tendenzen?
Anna Gallina: Dieses Problemfeld beschäftigt uns nun schon seit einigen Jahren – und das mit vermehrtem Druck, weil wir eben an unterschiedlichen Stellen problematische Zunahmen sehen. Im Bereich Delegitimierung des Staates sehen wir in unserer Zentralstelle Staatsschutz der Generalstaatsanwaltschaft sehr Unterschiedliches: Das reicht von der Corona-Leugner-Ecke über klassischen Rechtsextremismus bis hin zu islamistischen Motiven. Wir haben also ein breites Spektrum, das uns beschäftigt. Wir haben in Hamburg unter anderem die Möglichkeit geschaffen, bei Hasstaten im Netz online Anzeige zu erstatten. Aber allein,dass wir die Notwendigkeit sehen, solche Tools zu schaffen, zeigt ja: Es gibt ein großes Problem. Wie kann der Staat tätig werden? Das ist die eine Frage. Die andere ist aber: Was unternehmen wir als Gesellschaft gemeinsam gegen solche Tendenzen?
Behörden Spiegel: Wie sehr sind demokratische Institutionen denn durch die AfD gefährdet?
Gallina: Anfang des Jahres gab es einen großen Schockmoment im Land, als im Zuge der Correctiv-Recherchen über die Pläne der AfD zur Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund berichtet wurde. Menschen mit einer deutschen Staatsbürgerschaft, die hier Rechte haben, will man in diesem Land nicht haben. Und man meinte, sie sollten besser woanders hingehen. Im Zweifel ist man seitens derer, die sich da getroffen haben, auch bereit, diesen Prozess selbst zu organisieren. Überrascht hat es mich persönlich nicht, weil solche Gedankenspiele in der Vergangenheit an anderer Stelle schon dokumentiert wurden. So legte beispielsweise das Deutsche Institut für Menschenrechte im vergangenen Sommer eine Untersuchung zu einem möglichen AfD-Verbot vor, die bereits darlegte, dass es bei der AfD auch um Deportationen von Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft geht und wie massiv das unserem Grundgesetz zuwiderläuft. Nach dem ersten Schock, der zu vielen wichtigen Demonstrationen geführt hat, ist es jetzt die Aufgabe, an dem Thema dranzubleiben und dafür zu sorgen, dass diese Blut-und-Boden-Politik bei uns keinen Raum bekommt.
Behörden Spiegel: Seitens der Regierung gibt es Bestrebungen, das Grundgesetz zu ändern, um das Bundesverfassungsgericht vor einer möglichen extremistischen Einflussnahme zu schützen. Wie hilfreich ist das?
Christian Waldhoff: Mit Blick auf die Landtagswahlen in Thüringen, wo es nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegt, dass die AfD ein Drittel der Landtagsmandate bekommen könnte, kann man sagen: Tritt dieser Fall ein, dann gäbe es Probleme. Insofern ist es richtig, sich damit zu beschäftigen. Dabei sollte man jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass schon alle Felle davonschwimmen. Ich plädiere auch dafür, die Kirche im Dorf zu lassen. In Polen oder Ungarn allerdings wurden die Verfassungsgerichte, die zuvor ganz gut funktioniert haben, durch neue politische Mehrheiten behindert. Um es dramatisch zu formulieren: Dort wurde teilweise versucht, die Gerichte auszuschalten. Die Besonderheit des deutschen Bundesverfassungsgerichts besteht darin, dass im Grundgesetz nur rudimentäre Regelungen festgehalten sind, während vieles Wichtige im
Gesprächsrunde „Demokratiestarker Dienst“
(BS) Vor den Landtagswahlen im Herbst sind die Zustimmungswerte für die AfD konstant hoch. Wie sich der Öffentliche Dienst im Falle extremistischer Mehrheiten positionieren sollte und wie er vor populistischen Einflüssen geschützt werden kann, diskutierten die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Bündnis 90/Die Grünen) und der Berliner Jurist Prof. Dr. Christian Waldhoff mit dem Behörden Spiegel. Die Fragen stellten Dr. Eva-Charlotte Proll und Anne Mareile Walter.
Rechtswissenschaftler Dr. Christian Waldhoff lehrt an der Humboldt-Universität in Berlin. Er hat den Bundestag bei zwei NPDVerbotsverfahren vertreten. Foto: BS/Privat
„Es ist jetzt die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Blut-und-BodenPolitik bei uns keinen Raum bekommt.“
Anna Gallina
Ausführungsgesetz, im Bundesverfassungsgerichtsgesetz steht. Deshalb wird nun in Berlin über die politischen Grenzen hinweg diskutiert, welche Regelungen man ins Grundgesetz „hochziehen“ muss, um das Gericht dem Einfluss von destruktiven politischen Mehrheiten oder Minderheiten zu entziehen beziehungsweise Blockadesituationen zu vermeiden.
Gallina: Wir begehen in diesem Jahr das Jubiläum 75 Jahre Grundgesetz und es gibt keinen besseren Moment, als sich jetzt mal über ein solches Projekt, wie die Änderung des Grundgesetzes, zu verständigen. Ich halte es wie Prof. Waldhoff für eine Notwendigkeit, dass wir hier entsprechende Nachschärfungen vornehmen. Zudem zeigen die zwischen Regierung und Opposition geführten Gespräche: Wenn etwas fundamental wichtig ist für unsere Demokratie, dann sind wir um eine Einigung über die Parteigrenzen hinweg bemüht.
Behörden Spiegel: Wir sprechen hier über kein kleines Phänomen. Gerade im Osten des Landes sind die Zustimmungswerte für die AfD hoch. In anderen europäischen Ländern haben wir die rechte Position von Parteien, die sehr populär sind: Geert Wilders in den Niederlanden oder Marine Le Pen in Frankreich. Die Taktik, sich nicht mit der AfD auszutauschen, hat also genau zum Gegenteil geführt. Wie hoch können wir „eskalieren“, damit es beim Wähler nicht dazu führt, dass er aus Protest sein Kreuz doch bei der AfD setzt?
„Man kann nicht von vornherein sagen, die Partei würde nicht den Finger in bestimmte Wunden legen.“
Prof. Dr. Christian Waldhoff
Das Grundgesetz ist in Kenntnis und als Reaktion auf den Nationalsozialismus entstanden. Es ist darauf ausgerichtet, dass es keine politische Legitimation für Extremismus gibt. Eine Anmerkung zur Migration: Sie haben eben beschrieben, dass von der AfD bestimmte Themen aufgenommen werden. Die Ansicht, dass sie nicht genug besprochen werden, teile ich überhaupt nicht. Die Migrationsdebatte ist für mich eine völlig verdrehte Debatte, die komplett weggeht von dem, was die Migrationsforschung an Erkenntnissen hat. Den Fachkräftemangel bekommen wir nur mit einer Arbeitsmarktintegration in den Griff. Wenn wir aber nur schauen: Wer ist im Ausland schon so weit, wer kann perfekt Deutsch? – und den holen wir zu uns, dann können wir damit die Bedarfe nicht decken. Es muss darum gehen, den Menschen, die hier sind und die eine Chance wollen, auch eine Chance zu geben. Weil es auch eine Chance für uns ist. Das wäre ein anderer Umgang mit dem Thema, ohne dass man permanent das AfD-Narrativ bespielt.
Behörden Spiegel: Herr Waldhoff, wie erfolgversprechend wäre denn ein AfD-Verbotsverfahren?
fahren der Grundrechtsverwirkung und den Entzug der Möglichkeit politischer Betätigung. Es gibt also auch Instrumente, die die Väter und Mütter des Grundgesetzes geschaffen haben, um die Wehrhaftigkeit der Demokratie zu festigen.
Waldhoff: Bekanntermaßen stellt sich der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke gerade in Halle einem Strafverfahren wegen Volksverhetzung. Eine mögliche Sanktion, neben einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe, ist der Verlust des passiven und aktiven Wahlrechts. Diesen strafrechtlichen Aspekt finde ich wichtig. Von einer Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 Grundgesetz halte ich allerdings wenig. Dann kann man auch gleich ein gegebenenfalls auch regional begrenztes Parteiverbotsverfahren forcieren. Denn da sind die Voraussetzungen ähnlich und die Risiken etwa gleich groß und das dauert ebenfalls drei bis vier Jahre. Hinzu kommt: Selbst wenn ein solches Verfahren im Fall Höcke erfolgreich wäre – was wäre gewonnen? Ein solches Verfahren bezöge sich auf eine einzelne, wenn auch herausgehobene Person, die ganze Parteistruktur und die Parteifinanzierung blieben unangetastet.
Behörden Spiegel: Zum Schluss noch einmal ein Schwenk zurück zum Öffentlichen Dienst: Wie können die Beschäftigten in der Verwaltung vor Populisten geschützt werden?
Waldhoff: Ich würde den Akzent etwas anders setzen und die politische Ebene von der rechtlichen trennen. Die AfD, die mal als radikal-liberale Partei gestartet ist, dann rechtspopulistisch wurde und jetzt in Teilen rechtsextremistisch geworden ist, hat in ihrer kurzen Geschichte oft Repräsentationslücken erkannt. Sie hat Themen benannt, die bei den etablierten Parteien vernachlässigt wurden. Und mit dem wichtigen Thema Migrationspolitik hat die AfD auch einen Punkt, der politisch relevant ist. Man kann also nicht von vornherein sagen, die Partei würde nicht den Finger in bestimmte Wunden legen. Das Problem ist daher, dass sie Punkte benennen, wo Teile der Bevölkerung ein Repräsentationsdefizit sehen. Selbstverständlich bietet die AfD aber überhaupt keine überzeugenden Lösungen für die angesprochenen Probleme. Insofern finde ich eine vollständige Kommunikationsverweigerung nicht richtig. Üblicherweise sagt man zutreffend: Man muss die Partei politisch stellen. Ich finde, das geschieht aber nicht immer in ausreichendem Maße.
Gallina: Sie haben gerade von der Repräsentationslücke gesprochen: Im Grundgesetz haben wir eine gewollte Repräsentationslücke und die haben wir natürlich auch im Parteienstreit.
Gallina: Aus politikwissenschaftlicher Perspektive ist es nicht das Problem, dass wir zu wenig mit der AfD geredet hätten. Das Einzige, was gegen Extremisten und autoritäre Kräfte hilft, ist eine klare Brandmauer, eine massive Ausgrenzung und die damit verbundene Notwendigkeit, dass sich Parteien des demokratischen Spektrums miteinander einigen können müssen. Zum Beispiel: Man einigt sich auf einen gemeinsamen Kandidaten, um zu verhindern, dass der Kandidat einer autoritär-populistischen Partei gewählt wird. Das sind die zentralen Strategien, die zum Erfolg führen. Historisch vergleichend zeigt sich, dass eine Einbindung autokratisch-populistischer und extremistischer Kräfte eben nicht dazu führt, dass man diese zurückdrängt – im Gegenteil: Wenn man einen solchen Weg einschlägt, hat die Demokratie verloren.
Waldhoff: Ich halte politisch davon wenig und rechtlich sehe ich große Risiken, und zwar aus folgendem Grund: Die immer noch deutlich extremistischere NPD (jetzt: „Die Heimat“) wurde nicht verboten. Das Bundesverfassungsgericht hat damals – ganz grob vereinfacht – gesagt, es handele sich zwar der Sache nach um eine Art Nazipartei, ihrem Programm und ihrem Verhalten nach. Aber die Partei sei zu unbedeutend, als dass das Gericht sie verbieten wollte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: Bei der AfD ist es genau andersherum. Das Einzige, was bei der AfD sicher ist, ist, dass sie nicht zu unbedeutend wäre, um verboten zu werden. Da müssen wir uns nur die Umfrageergebnisse und die Präsenz in den Parlamenten auf Bundes- und Landesebene anschauen. Ob die zu Recht sehr strengen Voraussetzungen, die das Gericht für ein Parteiverbot aufgestellt hat und die sich im Übrigen auch aus dem Grundgesetz selbst ergeben, erfüllt werden, ist aber zweifelhaft. Für eine abschließende Antwort müsste man die Materialsammlung der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern zur AfD bewerten. Wir haben es seinerzeit in den NPDVerfahren mit enormem Aufwand geschafft, die Verfassungsfeindlichkeit der Partei nachzuweisen, obwohl dort das Material dramatischer, extremistischer und nationalsozialistischer war, als es vermutlich für die AfD gilt. Meine Prognose ist deshalb, dass die Voraussetzungen für ein Verbot nicht vorliegen könnten. Hinzu kommt: Wenn ein Verbot scheitert, wäre das ein fatales Signal, weil die Partei dann eine Art ‚Gütesiegel' aus Karlsruhe erhalten würde. Ein Verbotsverfahren würde drei bis vier Jahre dauern und die AfD hätte die Möglichkeit, ihr Narrativ von der ‚verfolgten Unschuld' währenddessen permanent weiter zu bedienen. Auch politisch könnte das verheerend sein.
Behörden Spiegel: Es gibt noch extremere Maßnahmen als ein Parteiverbot, beispielsweise das Ver-
Gallina: Für uns ist zunächst einmal entscheidend, dass wir Extremisten aus dem Öffentlichen Dienstes heraushalten. Mit der Reform des Disziplinarrechts vom 1. April dieses Jahres hat der Bund nun Bewegung in dieses Thema gebracht (Verfassungsfeinde können infolge der Reform schneller als bisher aus dem Öffentlichen Dienst entfernt werden, Anm. d. Red.). Ich gehe davon aus, dass nicht nur mein Bundesland, sondern auch andere Länder intensiv prüfen, was das für das eigene Zugehen auf dieses Thema bedeutet. Sicher haben wir auch Bedarf, das deutsche Richtergesetz noch einmal anzufassen. Klar ist aber auch, dass vor allem unsere Führungskräfte ausstrahlen müssen, dass wir die Vielfalt dieses Landes im Öffentlichen Dienst auch repräsentieren – und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen, ob das nun die Einstellungspraxis betrifft oder das tägliche Miteinander. Waldhoff: Im Beamtenrecht sind die Schwellen sehr viel niedriger als bei einem Verbotsverfahren. Bei Parteiverbotsverfahren kann man immer nur beurteilen, was im Kampf gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv vorangetrieben wird – und dann muss man schauen: Ist das tatsächlich verfassungsfeindlich? Bei den Beamtinnen und Beamten prüft man auch das, aber sie müssen sich auch für eine freiheitliche demokratische Ordnung aktiv einsetzen. Es muss im Vergleich zu einem Parteiverbot sehr viel weniger passieren, um Beamte disziplinarrechtlich zu belangen oder nicht einzustellen. Ich würde mir wünschen, dass disziplinarrechtliche Verfahren und entsprechende Maßnahmen im Öffentlichen Dienst, also bei Beamten und Tarifbeschäftigten, noch konsequenter angewendet werden, als dies aktuell der Fall ist. Vorgesetzte müssen ohne Ansehen der Person fragwürdige Vorkommnisse melden, sie müssen dies in den Bahnen des Rechts verfolgen und entsprechend einschreiten. Wenn da zu viel einreißen sollte, dann hätten wir ein Problem.
Die drei Militärgouverneure
Lucius D. Clay (USA), Pierre Kœnig (Frankreich) und Sir Brian Robertson (Großbritannien) „ermächtigten“ in einer Besprechung in Frankfurt/Main am 1. Juli 1948 die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder, bis zum 1. September 1948 eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen. Der fertige Verfassungsentwurf sollte von den Militärgouverneuren genehmigt und in einem Referendum vom Volk ratifiziert werden. Ein Besatzungsstatut, das von deutscher Seite explizit gewünscht worden war, um alliierte Willkürherrschaft zu verhindern, sollte ein „Mindestmaß der notwendigen Kontrollen“ festgelegen.
Vom 8. bis 10. Juli 1948 erörterten die Ministerpräsidenten auf ihrem Treffen auf dem "Ritterstutz" bei Koblenz die sogenannten Frankfurter Dokumente. Sie weigerten sich, an der Spaltung Deutschlands mitzuwirken und schlugen deswegen vor, durch einen „parlamentsähnlichen Rat“ nur eine „provisorische“ Verfassung ausarbeiten zu lassen. Doch die Alliierten erklärten am 20. Juli 1948, dass es sich bei den Frankfurter Dokumenten um „Anweisungen“ gehandelt habe und sie selbst für die deutsche Teilung die Verantwortung übernehmen würden. Lediglich die Bezeichnungen „Parlamentarischer Rat“ statt „Nationalversammlung“ sowie „Grundgesetz (vorläufige Verfassung)“ statt „Verfassung“ ließen die Alliierten zu.
Der Verfassungskonvent der Ministerpräsidenten
Im Auftrag der Ministerpräsidenten erarbeiteten wenige Wochen später westdeutsche Verfassungsexperten, überwiegend Juristen und nur wenige Politiker, vom 10. bis 23. August 1948 auf der Insel Herrenchiemsee einen ersten Entwurf. Dieser Entwurf bildete bis hin zur Artikelnummerierung die Grundlage der gesamten Arbeit des Parlamentarischen Rates. Hatte Herrenchiemsee die inhaltliche Vorbereitung getroffen, musste im Parlamentarischen Rat die politische Entscheidung getroffen werden. Von Anfang an standen sich die Auffassungen der stets national oder unitaristisch orientierten SPD und der föderalistischen CDU/ CSU entgegen. Es war auch für die Zeitgenossen erkennbar, dass die Auffassungen der CDU/CSU, die allerdings keinen Gesamtentwurf des Grundgesetzes entworfen oder vorgelegt hatte, den Forderungen der Alliierten am nächsten standen. Die von den Landtagen in den drei westlichen Besatzungszonen gewählten 65 Mitglieder des zum 1. September 1948 nach Bonn in die Pädagogische Akademie am Rhein einberufenen Parlamentarischen Rates wählten Konrad Adenauer (CDU) zum Präsidenten und Carlo Schmid (SPD) zum Vorsitzenden des Hauptausschusses. Angesichts des Viermächtestatus von Berlin nahmen dessen Vertreter nur als Gäste teil. CDU/CSU und SPD konnten jeweils 27 Abgeordnete entsenden (davon 19 CDU und acht CSU), FDP fünf, die Deutsche Zentrumspartei sowie DP und KPD jeweils zwei Abgeordnete.
Beginn der Arbeit in Bonn
Am 9. September 1948 konstituierten sich die Fachausschüsse. Ihre Ergebnisse wurden ab 11. November 1948 im Hauptausschuss presseöffentlich beraten in der Hoffnung, dass die Arbeit bei der Bevölkerung größere Beachtung und das Grundgesetz später größere Akzeptanz erfährt.
Berlin-Blockade und Spaltung Deutschlands
(BS/Michael Feldkamp*) Einer der Meilensteine in der Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland war die Entscheidung der westlichen Alliierten auf der Londoner Außenministerkonferenz im Sommer 1948, aus ihren Besatzungszonen einen westdeutschen Teilstaat zu errichten. Schon vorher waren mit der Einführung der Deutschen Mark (D-Mark) die Weichen für einen westdeutschen Teilstaat gestellt worden, worauf die Sowjetunion mit der Berlin-Blockade antwortete.
Beim Elternrecht und den Kirchenartikeln traten ideologische und weltanschauliche Unterschiede zutage, weswegen diese erst unmittelbar vor der Verabschiedung des Grundgesetzes entschieden wurden. Auf Theodor Heuss (FDP) ging der Vorschlag zurück, die Kirchenregelungen aus der Weimarer Reichsverfassung zu übernehmen (Staatskirchenrecht). Die Mitwirkung der Länder wurde erst im Frühjahr 1949 vor allem in Verhandlungen mit den alliierten Verbindungsstäben vorentschieden. Der Bundesrat erreichte demnach wegen eines umfassenden Katalogs an Vorranggesetzgebung des Bundes nicht die volle Gleichberechtigung mit dem Bundestag. Der Präambel-Entwurf erhielt auf Antrag von CDU/CSU und Zentrumspartei seit dem 16. November 1948 die Anrufung Gottes („Invocatio Dei“). Am 28. April 1949 stellte die SPD die Anrufung Gottes erneut zur Diskussion, doch hielten CDU/ CSU diese für unverzichtbar. Thomas Dehler (FDP) vermittelte und schlug die noch heute gültige Präambel-Fassung mit Invocatio Dei
vor, wie sie erstmals am 21. Februar 1949 formuliert worden war. Die Finanzfragen blieben offen, solange die Frage nach der Gestaltung der Länderkammer (Bundesrat oder Senat) ungeklärt blieb.
Eingreifen der Alliierten
Die Militärgouverneure hatten an dem ersten Entwurf am 20. Oktober 1948 bemängelt, dass er nicht den Grundsätzen der Frankfurter Dokumente entsprach und dass der Föderalismus viel zu wenig Beachtung gefunden hätte. Um nicht den Eindruck zu erwecken, einem „Diktat“ der Alliierten zu unterliegen, wurde das Schreiben der Militärgouverneure zu den Akten genommen. Die Annahme eines zweiten Schreibens, das den Ministerpräsidenten am 1. Juli 1948 nicht ausgehändigt wurde, verweigerte Präsident Adenauer am 22. November 1948, weswegen ihm der Text vorgelesen wurde. Inhaltlich kam das Schreiben den Positionen der CDU/CSU-Fraktion sehr entgegen.
1949 den Weg zum Grundgesetz. Die Militärgouverneure übermittelten am 10. April 1949 das in den Frankfurter Dokumenten angekündigte Besatzungsstatut und brachten das „Vertrauen“ zum Ausdruck, dass der Parlamentarische Rat den Empfehlungen der Militärgouverneure die nötige Beachtung schenken würde.
Eine zweite Note der Außenminister veröffentlichten die Militärgouverneure am 22. April 1949. Darin übermittelten sie ihr Wohlwollen gegenüber der bisherigen Grundgesetzarbeit.
Am 25. April 1949 wurden die bislang von den Alliierten abgelehnten Artikel mit einer Delegation des Parlamentarischen Rates diskutiert. Nur bei der Frage der Konfessionsschule hielten sich die Alliierten heraus.
Nach der vierten Lesung im Hauptausschuss und der zweiten und dritten Lesung im Plenum bis zum 8. Mai 1949 wurde das Grundgesetz mit 53:12 Stimmen verabschiedet. Sechs Abgeordnete der CSU sowie DP, KPD und Zentrumspartei lehnten es ab. Die CSU vermisste bei dem Entwurf des Grundgesetzes grundlegende föderalistische Vorgaben und ein Bekenntnis zur christlichen Staatsauffassung. Am 12. Mai 1949 genehmigten die Militärgouverneure das Grundgesetz. Gleichzeit war das der Tag, an dem nach Geheimverhandlungen zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika die sogenannte Berlin-Blockade offiziell beendet worden war. Nun verzichteten bemerkenswerterweise auch die Alliierten auf die Annahme des Grundgesetzes durch einen Volksentscheid (Referendum). Es war weniger die Angst vor dem Wähler als vielmehr vor einer Steuerung und Manipulation der öffentlichen Meinung durch sowjet-kommunistische Agitation aus Moskau bzw. Ostberlin. So wurde vom 18. bis 21. Mai 1949 das Grundgesetz in den Landtagen angenommen. Nur der Bayerische Landtag lehnte in einer ersten Abstimmung das Grundgesetz ab, stimmte aber in einer zweiten Abstimmung dafür, dass bei Annahme des Grundgesetzes in zwei Dritteln der deutschen Länder die Rechtsverbindlichkeit des Grundgesetzes auch für Bayern anerkannt wird. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz in Bonn ausgefertigt und verkündet. Außer den beiden kommunistischen Abgeordneten hatten alle Mitglieder des Parlamentarischen Rates, alle Ministerpräsidenten und alle Landtagspräsidenten das Grundgesetz mit ihrer Unterschrift ratifiziert.
Nach einer Besprechung am 16./17. Dezember 1948 in Frankfurt warfen SPD, FDP, DP und KPD dem Leiter der Deutschen Delegation, Präsident Adenauer, vor, er habe in den kontroversen Fragen die Militärgouverneure zu Schiedsrichtern angerufen. Auf Anregung Adenauers wurde am 26. Januar 1949 ein interfraktioneller Fünferausschuss eingerichtet, dessen Ergebnisse im Hauptausschuss beschlossen, doch von den Alliierten abgelehnt wurden, weil der Parlamentarische Rat an der Bundesfinanzverwaltung, einer umfangreichen Vorranggesetzgebung des Bundes sowie am sogenannten Berufsbeamtentum festhielt. Auch das Ergebnis des interfraktionellen Siebenerausschusses, der mit alliierten Finanzexperten verhandelte, lehnten die Alliierten Ende März 1949 ab.
Die Entscheidungen der alliierten Außenminister Erst die Washingtoner Außenministerkonferenz ebnete am 5. April
Das Grundgesetz trat um Mitternacht vom 23. auf den 24. Mai in Kraft. Die Wahlbeteiligung von 78, 5 Prozent bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 wurde stets als Zustimmung zum Grundgesetz gewertet.
Erst mit der Konstituierung von Bundesrat und Bundestag am 7. September 1949 war auch aus völkerrechtlicher Perspektive sowie aus Perspektive der Alliierten die Gründung der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, woraufhin in der Sowjetischen Besatzungszone am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) gegründet wurde.
* Dr. Michael F. Feldkamp ist promovierter Historiker in Berlin und hat über 40 Bücher verfasst. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt neben der Kirchen- und Papstgeschichte seit dem Mittelalter insbesondere die Geschichte des Parlamentarismus in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert.
Kleines Werk, große Wirkung: Am 8. Mai 1949 erblickte die Urschrift des Grundgesetzes das Licht der Welt und führ te eine traumatisierte Nation in eine neue, demokratische Zukunft. Zeit für die wichtigsten Fakten zum wohl bedeutendsten Buch der Bundesrepublik Deutschland.
1949: 146 Artikel
Am 8. Mai 1949 wurde die Urschrift des Grundgesetzes vom Parlamentarischen Rat verabschiedet und 15 Tage später unterzeichnet.
Zu Beginn hatte das Grundgesetz 146 Artikel. Durch einige Änderungen hat sich die Zahl der Artikel bis heute auf 202 erhöht.
2024: 202 Artikel
handgeschöpftes Büttenpapier
1.396 g
wiegt die Urschrift und ist
35 x 24 cm
groß.
Die Urschrift wurde auf „Grundgesetzpapier“ geschrieben. Es handelt sich um handgeschöpftes Büttenpapier, das aus hochwertigen Fasern besteht, die eine lange Haltbarkeit gewährleisten.
rund 21.000 Wörter
Aus rund 21.000 Wörtern besteht das Grundgesetz. Artikel 31 ist der kürzeste: „Bundesrecht bricht Landesrecht.“
Texte von Hand geschrieben
Die Texte des Grundgesetzes wurden von Mitgliedern des Parlamentarischen Rates von Hand geschrieben. Jeder Abschnitt wurde von verschiedenen Personen niedergeschrieben, um die Authentizität und Sicherheit des Dokuments zu gewährleisten.
Füllfederhalter und schwarze Tinte
Die Urschrift wurde mit Füllfederhaltern und schwarzer Tinte geschrieben. Beides wurde sorgfältig ausgewählt, um eine dauerhafte und gut lesbare Schrift zu gewährleisten.
Die ersten originalgetreuen Kopien wurden ab August 1949 hergestell t.
Sie hatten einen roten Ledereinband, um sich optisch von der Urschrift abzuheben. Sogar Fingerabdrücke und Tintenflecken werden bei den Reproduktionen übernommen.
Nach der Fertigstellung wurde die Urschrift in speziellen Behältern aufbewahrt, um sie vor Beschädigungen, Feuer und anderen Gefahren zu schützen.
Heute lagert sie in einem Panzerschrank im Deutschen Bundestag.
Dass dieser Schritt gelingen konnte und ihm eine solche Erfolgsgeschichte beschieden sein sollte, verdanken wir unserem Grundgesetz. Denn es ist – auch wenn es auf jede ausdrückliche wirtschaftspolitische Programmatik verzichtet – das Grundgesetz der Sozialen Marktwirtschaft. Im Parlamentarischen Rat war man damals übereingekommen, in das Grundgesetz nur die klassischen Grundrechte aufzunehmen und die Ausgestaltung einer Sozialund Wirtschaftsordnung zukünftigen Generationen zu überlassen. Dies lag zum einen daran, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes 1949 noch davon ausgingen, zunächst nur eine provisorische Verfassung zu konstituieren. Zudem sollten, in klarer Abgrenzung zur Weimarer Republik, keine Programmsätze und Verfassungsaufträge formuliert, sondern unmittelbar geltendes Recht in Gestalt der Freiheitsrechte geschaffen werden. Dieses „freiheitsrechtliche Provisorium“ feiert dieser Tage seinen 75. Geburtstag.
Wirtschaftsverfassung
Auch wenn explizite Aussagen zur Wirtschaftsordnung fehlen, definiert das Grundgesetz relevante Charakteristika unserer Wirtschaftsverfassung, die den gesetzgeberischen Spielraum klar einschränken. Beispielsweise garantiert das Grundgesetz die Existenz von Privateigentum und dessen wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit, es gewährt eine freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl und damit zugleich die Freiheit, gewerblich und unternehmerisch tätig zu werden. Ferner sind in unserer Verfassung auch die Vertrags- und Koalitionsfreiheit verankert. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes ist dabei zugleich als sogenannte Institutsgarantie ausgestaltet. Demnach ist der Gesetzgeber verpflichtet, sich auch bei der Ausformung der Privatrechtsordnung
Beruflich bedingt liegt für einen Finanzminister ein besonderer Fokus auf der Finanzverfassung des Grundgesetzes und für einen bayerischen Finanzminister, als Repräsentant des größten „Geberlandes“, insbesondere auf dem dort in Artikel 107 GG verankerten Finanzkraftausgleich. Bereits vor nun mehr als 75 Jahren hatte man erkannt, dass die in unserer föderalen Bundesrepublik so wichtige Solidarität zwischen den Ländern notwendigerweise auch einen finanziellen Ausgleich der Finanzkraft unter den Ländern erfordert. Unser bundesstaatliches Prinzip begründet für seine einzelnen Glieder eben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Die konkrete Ausgestaltung wurde dem Bundesgesetzgeber aufgegeben.
Seitdem ist der Finanzkraftausgleich (früher Länderfinanzausgleich) in seiner bundesrechtlichen Ausgestaltung wiederholt Gegenstand von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, und damit zum „Dauerbrenner“ der Finanzverfassung, geworden. Die Pflicht besteht darin – so auch bereits im ersten Band der Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts zu finden –, dass die finanzstärkeren Länder den schwächeren Ländern in gewissen Grenzen Hilfe zu leisten haben. Doch wo genau liegen diese Grenzen?
Zumutbare Solidarität
Letztlich geht es dabei um die zentrale Frage der Angemessenheit, d.h. um die Frage, wie viel
Wie das Grundgesetz unsere Wirtschaftsordnung prägt
(BS/Christian Lindner) Ende der 1940er-Jahre soll die damals junge Volkswirtin Marion Gräfin Dönhoff ihren Redaktionskollegen der ZEIT fassungslos von einer Pressekonferenz des Wirtschaftsrates der Bizone berichtet haben. Sie sagte über den neuen Direktor der Wirtschaftsverwaltung: „Wenn Deutschland nicht schon eh ruiniert wäre, dieser Mann mit seinem absurden Plan, alle Bewirtschaftung aufzuheben, würde es gewiss fertigbringen. Gott schütze uns davor, dass der einmal Wirtschaftsminister in Deutschland wird.“ Dieser Mann, dessen Ausführungen Gräfin Dönhoff so sehr besorgten, war niemand Geringeres als der spätere Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Das Zitat zeigt uns heute eindrücklich, wie höchst umstritten die Pläne und Methoden Erhards damals waren. Unter seiner Leitung erließ der Wirtschaftsrat am 20. Juni 1948 ein Gesetz zur Preisfreigabe und hob die Zwangsbewirtschaftung auf – parallel zur Einführung der Deutschen Mark durch die Alliierten. Erhard legte damit das Fundament für eine neue Wirtschaftsordnung: die Soziale Marktwirtschaft. Sie sollte in ihrer Synthese aus freiem Wettbewerb und einem ordnenden Staat das Versprechen der Teilhabe an Wirtschaftswachstum und Wohlstand letztlich einlösen.
Seit 1999 hat das Bundesfinanzministerium seinen Sitz im Detlev-Rohwedder-Haus in der Wilhelmstraße in Berlin.
am Leitbild privatnützigen Eigentums zu orientieren. Betrachtet man die genannten Freiheitsrechte, die zentrale Eigentumsgarantie sowie die Konstituierung der Bundesrepublik als föderalen Bundesstaat, wird also schnell klar, was in der Bundesrepublik Deutschland auf keinen Fall entstehen konnte: eine Zentralverwaltungswirtschaft. Der Grundrechtskatalog der Verfassung gewährt der und dem Einzelnen vielmehr das Recht, die Wirtschaftsordnung eigenverantwortlich und unter Verfolgung privatnütziger Ziele mitzugestalten. Durch diese Entscheidung, die Wirtschaftsplanung zu delegieren
Foto: BS/BMF
und zu dezentralisieren und lediglich die wirtschaftlichen Aktivitäten gleichberechtigter Beteiligter zu koordinieren, hat sich das Grundgesetz de facto also sehr wohl für eine Wirtschaftsform entschieden, nämlich die der Wettbewerbswirtschaft. Wie wir inzwischen wissen: mit großem Erfolg. Auch dank unseres Grundgesetzes hat sich Deutschland bis heute zu einer der stabilsten liberalen Demokratien der Welt entwickelt. Und es war die Soziale Marktwirtschaft, die uns über Jahrzehnte Wohlstand und Wachstum sicherte und quasi zum „Exportschlager“ wurde. Inzwischen bekennt sich auch die Europäische
Union im Vertrag von Lissabon zum Leitbild einer „in hohem Maße wettbewerbsfähige[n] soziale[n] Marktwirtschaft“.
Die Marktwirtschaft im Wandel Die Kombination aus marktwirtschaftlicher Effizienz, aus Freiheit, Absicherung und sozialer Fairness macht die Soziale Marktwirtschaft bis heute aus. Dabei ist es ganz selbstverständlich, dass die ordnungspolitischen Prinzipien permanenter Pflege bedürfen und einem gewissen Wandel unterliegen. So ist ein Gebot der Sozialen Marktwirtschaft die eigene Solidität und damit letztlich auch, die Geldwertstabilität nicht durch eine übermäßige Staatsverschuldung zu gefährden. Aus dieser Erkenntnis ist die Schuldenbremse entstanden. Sie ist heute bedeutsamer denn je. Gerade in Zeiten hoher Inflation und Zinsen, schwächelnder Konjunktur und wachsender Verbindlichkeiten verlangt sie eine Selbstbeschränkung des Staates und eine klare Priorisierung von Ausgaben. Nur das schafft langfristig verlässliche Rahmenbedingungen für Unternehmerinnen und Unternehmer und stärkt den Standort Deutschland. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist also auch ein Garant für eine funktionierende Soziale Marktwirtschaft.
Der Dauerbrenner in der Finanzverfassung
(BS/Albert Füracker) 75 Jahre Grundgesetz – ein stolzes Jubiläum unserer Verfassung! Sie ist die grundlegende Basis unseres demokratischen und freiheitlichen Zusammenlebens in Deutschland, damals wie heute. Die Weitsicht, mit der die Mütter und Väter des Grundgesetzes die Grundzüge unseres Gesellschaftssystems damals verfasst haben, bleibt bis heute ungebrochen beeindruckend und verdient vollsten Respekt.
finanzstärkeren Ländern mit Blick auf eine zweifelsohne zu Recht erwartbare Solidarität „zugemutet“ und wie viel demgegenüber den anderen Ländern an Eigenverantwortung abverlangt werden darf. Denn eines ist klar: Der Finanzkraftausgleich darf nicht dazu führen, dass finanzschwächeren Ländern der Wille zur Selbsthilfe und den übrigen Ländern die Kraft zur Entfaltung eigener Initiative und Leistungssteigerung genommen wird. Solidarität und Eigenverant-
Albert Füracker (CSU) ist Bayerischer Staatsminister der Finanzen und für Heimat. Foto: BS/Thomas Langer
wortung müssen sich also in der bundesgesetzlichen Ausgestaltung zum Finanzkraftausgleich die Waage halten.
Und genau deshalb fordert Bayern aktuell mittels seines vor dem Bundesverfassungsgericht eingereichten Normenkontrollantrags eine Überprüfung des aktuellen Finanzkraftausgleichssystems. Die Zahlen sprechen für sich: Ins-
gesamt wurden zwischen den Ländern bis dato deutlich über 300 Milliarden Euro umverteilt. Der Freistaat Bayern selbst hat davon über die Jahre hinweg rund 117,7 Milliarden Euro bezahlt – das ist mehr als ein Drittel des gesamten Finanzkraftausgleichsvolumens. Bayern ist seit 1993 durchgehend „Geber-Land“ und hat in den Jahren als „Nehmer“ insgesamt lediglich rund 3,4 Milliarden Euro aus dem Finanzkraftausgleichssystem erhalten. Mittlerweile stemmt Bayern seit vielen Jahren unter den 16 Bundesländern rund die Hälfte des jährlichen Gesamtausgleichsvolumens.
Bayerns finanzielle Belastung über den Finanzkraftausgleich wird noch deutlicher, wenn man die bayerischen Leistungen in Relation zum bayerischen Staatshaushalt setzt: Im Jahr 2022 erreichte die Ausgleichsleistung des Freistaats einen Rekordbetrag von rund 9,9 Milliarden Euro (Gesamtausgleichsvolumen 2022: rund 18,5 Milliarden Euro). Zum Vergleich: Die gesamten Staatsausgaben des Freistaats Bayerns beliefen sich nach dem Haushaltsplan 2022 insgesamt auf rund 71,1 Milliarden Euro. Bayerns Leistungen im Rahmen des Finanzkraftausgleichsystems entsprachen 2022 damit etwa
Christinan Lindner ist Bundesminister der Finanzen und Bundesvorsitzender der FDP. Foto: BS/Bundesministerium für Finanzen
Aber auch darüber hinaus ist der Zusammenhang zwischen Marktkräften, ihren sozialen Folgen und der Wirkung externer Eingriffe, wie der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, eindrücklich zeigt, komplex. Das entbindet die Politik jedoch nicht von der Pflicht, sich damit auseinanderzusetzen. Die Legitimation der Wirtschaftsordnung muss immer wieder neu erarbeitet werden. Unsere Wirtschaftsverfassung ebenso wie das Sozialstaatsprinzip belassen dem Gesetzgeber dafür ausreichend politischen Gestaltungspielraum. Ihr Zusammenspiel hat sich bewährt, es will jedoch sorgsam austariert sein. Dies gilt gerade in Zeiten der Krise, in denen das soziale Standbein unserer Wirtschaftsordnung außerordentlich stark belastet wird. Und so, wie die „unerhörten“ Reformen Ludwig Erhards sein tiefgreifendes Vertrauen in die Kräfte des Marktes belegen und zugleich das Fundament für den wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegsjahre bildeten, so wird die Soziale Marktwirtschaft auch weiterhin die Grundlage einer zukünftigen Wirtschaftswende sein. Vielleicht lohnt es sich ja noch einmal darüber nachzudenken, ob die Soziale Marktwirtschaft nicht doch explizit im Grundgesetz verankert werden sollte, so wie dies in einigen Landesverfassungen bereits geschehen ist. Denn Beständigkeit und Vertrauen in den freien Wettbewerb – unser 75-jähriges Grundgesetz zeigt es eindrücklich – sind die besten Zutaten für den langfristigen Erfolg.
Euro je Einwohner finanzstärker als der Freistaat Bayern als Zahler-Land.
13,8 Prozent der Gesamtausgaben des Freistaats Bayern. Lässt man die einmalig geleisteten Sonderzahlungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie außer Betracht, betrug der Abschlag Bayerns für den Finanzkraftausgleich sogar 15,03 Prozent.
Bayern stellt sich damit zu Recht die Frage der Angemessenheit – die Auswirkungen des Finanzkraftausgleichs auf den eigenen Landeshaushalt sind aktuell enorm.
Zurück zum Ursprungsgedanken Und auch ein Blick auf die Ergebnisseite des aktuellen Ausgleichssystems zeigt, dass die Grenzen solidargemeinschaftlicher Mitverantwortung mittlerweile bei Weitem überschritten werden und die ursprüngliche Intention der Verfassungsgeber sowie Sinn und Zweck der grundgesetzlichen Regelung nicht mehr gewährleistet sind. So betrug im Jahr 2022 beispielsweise die Finanzkraft Bayerns vor dem Finanzkraftausgleich 6.463 Euro je Einwohner, die Finanzkraft Bremens als Nehmerland hingegen 5.067 Euro (demnach 1.400 Euro pro Bürger niedriger als in Bayern). Nach Ausgleich im Wege des Finanzkraftausgleichs kehrte sich das Verhältnis jedoch um: Bremen war nach Ausgleich rund 1.300
Dieses Ergebnis zeigt anschaulich, dass das aktuelle Finanzkraftausgleichssystem durch seine bundesgesetzliche Ausgestaltung nicht mehr dem Grundgedanken Rechnung trägt, den die Verfassungsgeber vor 75 Jahren im Blick hatten. Es bedarf daher dringend einer Korrektur – bei regelmäßig vier oder fünf „Geberländern“, in der Regel gleichzeitig elf oder zwölf „Nehmerländern“ und einem geltenden Mehrheitsprinzip sind jedoch keinen weiteren Ausführungen dazu nötig, dass diese nicht im Rahmen einer Reform im Verhandlungswege realisierbar ist.
Das Gute: Die Verfassungsgeber handelten, wie eingangs beschrieben, insgesamt mit enormem Weitblick. Mittels verfassungsrechtlich verankerten Normenkontrollantrags konnte Bayern daher im vergangenen Jahr den Weg vor das Bundesverfassungsgericht beschreiten und so das Ungleichgewicht des aktuellen Ausgleichssystems auf den rechtlichen Prüfstand stellen. Das Verfahren läuft – wäre aber eigentlich unnötig, würden sich alle Länder auf den Kerngehalt der verfassungsrechtlichen Regelung zum Finanzkraftausgleich zurückbesinnen und eine Reform gemeinsam anschieben.
Das Grundgesetz ist das höchste Gut in unserem Rechtsstaat, es hat es auch nach 75 Jahren verdient, von allen – ohne Blick auf den eigenen Vorteil – als solches behandelt zu werden.
Dass unsere Verfassung durch einen starken europäischen Rahmen ergänzt und zum Teil begrenzt wird, ist kein Widerspruch, sondern ein Mehrwert. Das Grundgesetz ist in einem nationalstaatlichen Kontext entstanden, es konnte die tiefe europäische Integration noch nicht vorhersehen. In Zeiten, in denen die Demokratie in ganz Europa unter Druck steht, ist die europäische Ergänzung entscheidend, um die gemeinsame Verteidigung unserer Rechte und Rechtsstaatlichkeit zu wahren.
Gefahr autoritärer Kräfte
Deutlich zutage tritt die Gefahr durch Rechtsextreme und Antidemokraten, die mit Unterstützung Kreml-naher Kräfte versuchen, unsere Demokratie zu schwächen, die gesellschaftliche Spaltung voranzutreiben und die grundlegenden Werte unserer Demokratie infrage stellen. Umsturz- und Deportationspläne werden in AfD-Kreisen offen diskutiert, Desinformation, Hacks und Leaks sowie Hass und Hetze fluten die Sozialen Medien. Diese demokratiefeindlichen Strömungen verfolgen das Ziel, die demokratischen Institutionen und Akteure zu delegitimieren und den Weg für eine größere Einflussnahme autoritärer Kräfte zu ebnen.
Unser Grundgesetz wurde als Antwort und aus den Lehren der faschistischen Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus formuliert. Es fußt auf dem Kerngedanken, ein Bollwerk demokratischer Strukturen zu schaffen, das jeder künftigen potenziellen antidemokratischen Bestrebung in Deutschland standhält. Im Rahmen der Feierlichkeiten zu
Denn heute neigen wir dazu, alles bis ins kleinste Detail zu regeln. Mikromanagement ist die neue Krankheit einer Politik, die auf jede Eventualität Antworten geben will. Das Ergebnis: Zum Stichtag 1. Januar 2024 gab es 1.792 bundesrechtliche Gesetze mit 52.155 Einzelnormen und 2.854 bundesrechtliche Verordnungen mit 44.272 Einzelnormen. Damit lassen sich viele Aktenschränke füllen. Dagegen das Grundgesetz: Wenn Sie ein Exemplar bei der Bundeszentrale für politische Bildung bestellen, bekommen Sie ein schmales Buch von rund 150 Seiten im Hosentaschenformat. Aber der Inhalt hat es in sich. Dieses Buch ist ein juristisches Meisterwerk, das in den letzten 75 Jahren zwar ab und an Änderungen erfahren, sich aber immer als krisenfest und resistent erwiesen hat. Das Grundgesetz ist das Fundament unseres Landes und setzt den Grundstein für unser demokratisches und gesellschaftliches Miteinander. Für ein Wortdokument, das bei seiner Entstehung eigentlich nur als Provisorium gedacht war, eine bemerkenswerte Leistung. Kein Wunder also, dass dieses Werk auch junge Demokratien auf der ganzen Welt zum Vorbild genommen haben. Was kaum jemandem bewusst ist: Unser Grundgesetz ist ein Exportschlager „Made in Germany.“ Und wir sind alle in der Pflicht, diesen zu schützen und behutsam weiterzuentwickeln.
Bürgernah statt bürokratisch Also alles schön? Leider nicht. Lassen Sie mich mit zwei beunruhigenden Befunden beginnen. Zunächst einmal wissen wir aus Umfragen und erleben es in unserer Arbeit tagtäglich: Das Vertrauen in die Lösungskompetenz der Politik und das generelle Vertrauen in demokratische Institutionen und Verwaltung hat abgenommen. Zugleich ist
Das Grundgesetz liegt in den Händen der kommenden Generationen
(BS/Emily Büning*) 75 Jahre deutsches Grundgesetz: ein Anlass zum Feiern, Reflektieren und Nachvorneschauen. Das Grundgesetz garantiert die Rechte und Freiheiten aller Bürger/-innen, es bildet das Fundament unserer liberalen Demokratie und unserer vielfältigen Gesellschaft. Es liegt an uns, die Werte und Prinzipien des Grundgesetzes zu stärken und die Bedeutung einer robusten Verfassung für unsere Gesellschaft hervorzuheben – vor allem in diesen Zeiten, in denen rechte und autoritäre Akteure versuchen, unsere Demokratie gezielt zu unterminieren.
75 Jahren Grundgesetz sollten wir auch daran erinnern, dass nicht für alle Menschen in Deutschland dieses Jubiläum greift. Für einen Teil unseres Landes gilt das Grundgesetz erst seit der Wiedervereinigung 1990. Dieses Jahr schenken wir daher einem weiteren Jubiläum besondere Beachtung: Mit 35 Jahren friedlicher Revolution gedenken wir den starken Vorkämpferinnen und Vorkämpfern der Bürgerrechtsbewegung, die 1989 in der DDR für ihre Freiheit eingetreten und gegen die Diktatur der SED auf die Straße gegangen sind.
Unabhängiges Verfassungsgericht Wir Grüne stehen für eine wehrhafte Demokratie, die den Bürgerinnen und Bürgern dient. Ein unabhängiges Verfassungsgericht stellt eine wichtige Säule unserer Demokratie dar und sichert den Schutz der Grund- und Menschenrechte in unserem Land. Unsere Demokratie ist stark – dank des Engagements ihrer Bürgerinnen und Bürger und den Grundfesten, auf denen sie steht. Sie gilt es zu verteidigen. Gerade mit Blick auf die aktuelle Bedrohungslage müssen wir die Gesetze und Regelungen, die unseren Rechtsstaat sichern sollen, struk-
turell überprüfen und anpassen. Ein zentrales Anliegen ist es, das Verfassungsgericht besser vor politischer Einflussnahme zu schützen. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in einem funktionierenden Rechtsstaat unerlässlich. Zusammen mit den demokratischen Parteien setzen wir uns dafür ein, das Verfassungsgericht zu stärken und abzusichern. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen, ist
Kern unserer wehrhaften Demokratie, entsprechend sind alle Institutionen im Rahmen ihrer Möglichkeiten aufgefordert, dies zu tun und dabei auch gegen verfassungsfeindliche Akteure mit rechtsstaatlichen Mitteln vorzugehen. Im Laufe der Zeit sind schon viele Artikel des Grundgesetzes verändert worden, einige davon auch mehrmals. So fanden etwa Umwelt- und Tierschutzrechte nach jahrzehntelangen intensiven politischen Debatten endlich ihren Weg ins Grundgesetz. Aus unserer Sicht bleibt noch Raum für weitere Anpassungen. So brauchen zum Beispiel die Rechte von Kindern und Jugendlichen endlich ihren Platz im Grundgesetz. Die besonderen Bedarfe nach Schutz, Förderung und Beteiligung sollten auch in der Verfassung Einklang finden. Kinderrechte stärken Unsere Gesellschaft verändert sich. Der demografische Wandel schreitet voran, die Zahl der unter 18-Jährigen schrumpft im Verhältnis zu den über 60-Jährigen erheblich. Umso wichtiger ist es, endlich die Rechte der jungen Generation anzuerkennen: Kinder sind Trägerinnen und Träger aller Grund-
Wie würde das Grundgesetz heute entstehen?
(BS/Carsten Linnemann*) Stellen wir uns einmal vor, wir wären heute aufgerufen, uns eine Verfassung zu geben. Wie lange würde wohl die Erarbeitung des Textes dauern? Und würde uns heute abermals ein derart großer Wurf gelingen? Ich wage die Prognose: Mit der kurzen Zeit, die die Frauen und Männer des Parlamentarisches Rates unter Vorsitz von Konrad Adenauer damals gebraucht haben, um eine ganze Verfassung zu schreiben, würden wir vermutlich nicht auskommen. Und ich bezweifle auch, dass wir an dieselbe Qualität herankämen.
offensichtlich: die Anforderungen an unseren Staat haben zugenommen, ohne dass seine Leistungsfähigkeit im gleichen Maße mitgewachsen wäre. Ein besonders frappierendes Beispiel: eine Nachfolgelösung für die Köhlbrandbrücke in Hamburg ist seit vielen Jahren in der Planung. Die Brücke wurde im Jahr 1974 nach vierjähriger Bauzeit eröffnet. In etwa 16 Jahren soll die neue Brücke fertig sein. Egal, wohin wir schauen, ob auf Bauanträge, auf Elterngeldanträge oder Anträge für Lehrmaterialien in den Schulen: Alles ist unterschiedlich und kompliziert. Aber vor allem: Alles ist nicht bürgernah gedacht und vor allem nicht digital genug. Unser Land hat es einmal geschafft, sich in neun Monaten eine Verfassung zu geben – heutzutage dauert es oftmals länger, eine Baugenehmigung zu bekommen oder ein Einzelgesetz zu beschließen. Und ich meine: Genau darin liegt eines unserer Kernprobleme und eine wesentliche Ursache für den beschriebenen Vertrauensverlust in unsere Demokratie. Dem Staat wird heute zu oft nicht mehr zugetraut, mit den großen Herausforderungen unserer Zeit umzugehen – weil es in der Alltagsbeobachtung zu vieler Bürger bereits hakt. Wohlgemerkt: An unserem Grundgesetz liegt es nicht, dass wir uns einengen und selbst ausbremsen. Im Gegenteil, in keiner Zeile dieses großen Textes wird uns vorgeschrieben, dass wir uns im Klein-Klein verlieren sollen oder dass wir als Staat nicht den
Dienst am Bürger, den Service für ihn in den Vordergrund stellen dürfen. Das Grundgesetz gab uns nach dem Zweiten Weltkrieg eine stabile, verlässliche Ordnung, auf deren Basis wir politische Lösungen und einen funktionierenden Staat erarbeiten mussten und müssen. Die Ausgestaltung liegt bei uns.
Digitaler Dienstleister
Schauen wir uns einmal an, welche Veränderungen sich in den vergangenen zehn bis 20 Jahren in so vielen Bereichen unseres Alltags ergeben haben. Für die Art, wie wir konsumieren und kommunizieren, wie wir denken und uns fortbewegen. Alles ist direkter, schneller und oft bequemer geworden. Das weckt verständlicherweise auch Erwartungen, dass staatliche Stellen hier mithalten und mit der Zeit gehen. Kurzum, der Staat muss sich auch als digitaler Dienstleister verstehen. Die Politik hat kein Erkenntnisproblem. Auch wir Politiker müssen einen neuen Ausweis beantragen, eine Wohnung anmelden oder möchten nicht auf dem Weg nach Hause im Stau stehen, weil die Sanierung einer Brücke zu lange dauert. Aber was der Politik oft fehlt, ist der Mut, die Probleme anzugehen –auch auf vielleicht ungewöhnlichen Wegen. Viel zu oft lassen wir uns davon abhalten, tragen Bedenken vor und suchen regelrecht nach Gründen, uns erst gar nicht auf den Weg zu machen. Was wir also brauchen, ist eine neue Mentalität des Machens und den Mut, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
rechte und gleichzeitig besonders schutzbedürftig. Das muss sich auch im Grundgesetz wiederfinden. Besonders deutlich zeigte sich dies während der Corona-Pandemie, die für Kinder und Jugendliche massive und teils folgenschwere Einschnitte nach sich zog. Bis heute stellt sich die Frage, inwieweit die Bedürfnisse und Rechte von Kindern in den Abwägungen ausreichend berücksichtigt wurden. Die Rechte unserer Folgegenerationen geraten immer wieder zu stark aus dem Blick. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Kinderrechte im Grundgesetz stärken Kinder und Familien. Es ist an der Zeit, die nächsten Schritte zu gehen, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern und darüber hinaus auch die Absenkung des Wahlalters für die Bundestagswahl auf 16 vorzusehen. Dadurch ermöglichen wir es Jugendlichen in diesem Jahr erstmals, bei Europawahlen demokratische Verantwortung zu übernehmen und unsere Gesellschaft mitzugestalten. Das wollen wir auch auf Bundesebene umsetzen.
Unser Grundgesetz setzt den Rahmen für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Es ist kein statisches Dokument, sondern wird fortwährend mit Leben gefüllt und entwickelt sich weiter. Anlässlich des 75. Geburtstags gilt es, unser Grundgesetz zu feiern, über weitere Entwicklungsperspektiven nachzudenken und vor allem unsere Demokratie gegen Rechts zu verteidigen.
*Emily Büning ist die Politische Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen.
Mit Blick auf einen leistungsstarken und attraktiven Öffentlichen Dienst heißt das: mehr Mut zu bundeseinheitlichen Standards! Mehr Mut zu einem flexibleren Laufbahnrecht und stärker leistungsorientierter Bezahlung! Mehr Mut zu interdisziplinären Teams und zur Durchlässigkeit zwischen Verwaltung und Wirtschaft! Und grundsätzlich muss bei der Digitalisierung der Verwaltung viel stärker in Ergebnissen gedacht werden statt in Prozessen. Die digitalen Werkzeuge müssen endlich vernünftig eingesetzt werden.
Entscheidungsfreiraum im Öffentlichen Dienst Mindestens genauso wichtig aber ist es, dass der Staat lernt, sich selbst einzuhegen. Denn Bürokratie schafft immer neue Bürokratie. Und genau das lähmt inzwischen das ganze Land. Warum also nicht den Mitarbeitenden des Öffentlichen Dienstes mehr Entscheidungsspielräume geben? Was spricht dagegen, ihnen wieder mehr Eigenverantwortung zuzugestehen? Zu oft scheitert das schnelle Entscheiden im Öffentlichen Dienst an hierarchischen Strukturen, obwohl der handelnde Mitarbeiter die Lösung schon parat hätte, aber auf das Okay von drei Ebenen über ihm angewiesen ist. Wir müssen den Männern und Frauen im Öffentlichen Dienst aber nicht nur etwas abverlangen, sondern ihnen alles geben, was sie brauchen, um ihre Arbeit machen und ihren Beitrag zu einem funktionierenden Staat leisten zu kön-
nen. Dass unser Land auf einem so starken Fundament steht, ist nicht zuletzt auch ihr Verdienst. Über Jahrzehnte hinweg haben sie das, was das Grundgesetz vorgibt, mit konkretem Leben gefüllt. Ohne leistungsfähige und motivierte Angestellte und Beamte kann kein Rechtsstaat dieser Welt funktionieren. Mein Fazit: Einen neuen Gründergeist, wie er bei der Erarbeitung des Grundgesetzes herrschte, braucht es auch heute wieder. Denn die Herausforderungen sind angesichts zahlreicher Umbrüche und Krisen so groß wie lange nicht mehr. Deutschland braucht einen Mentalitätswandel, um weiterhin stabil, verlässlich und leistungsfähig sein und in einer immer schneller werdenden Zukunft bestehen zu können. Das mag zuweilen anstrengend und unbequem sein, aber unser Land ist es wert.
Digitalisierung, die Rolle des Öffentlichen Dienstes und mehr Bürgernähe hängen für Carsten Linnemann (CDU) zusammen. Foto: BS/Thorsten Schneider
*Carsten Linnemann ist Generalsekretär der CDU und Mitglied des Deutschen Bundestages.
Das staatliche Wächteramt zum Schutz des Kindeswohls auf Basis von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG geht noch weiter. Seine zusätzliche Gewährfunktion besteht im Hinblick auf den Kinder- und Jugendschutz darin, dass es auch Gefährdungsbeobachtung, Information, Prävention und Persönlichkeitsbildung sowie ordnungsrechtliche Gefahrenabwehr mit dem Ziel der vorbeugenden Abwehr drohender Gefahren für das Kindeswohl umgreift.
Das staatliche Wächteramt beschränkt sich dabei nicht auf die Überwachung des elterlichen Erziehungsauftrags des Art. 6 Abs. 1 GG, sondern hat darüber hinaus die Funktion einer Garantienorm mit leistungs- und schutzpflichtrechtlichen Aspekten. Für das Aufwachsen, den Schutz und die Förderung der Kinder in unserer komplexen und modernen Gesellschaft tragen nicht nur die Eltern, sondern auch die staatliche Gemeinschaft Verantwortung. Das Kind als Grundrechtsträger hat selbst Anspruch auf den Schutz des Staates (BVerfGE 24, 119, 144). Vorrang elterlicher Erziehung Zu beachten ist aber der Vorrang des elterlichen Erziehungsrechts des Art. 6 Abs. 1 GG. Es besteht ein staatliches Gebot zur Subsidiarität, soweit im Hinblick auf das Wohl des Kindes die Erziehungsverantwortung der Eltern ausreichend wahrgenommen wird. Es gehört somit nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine objektiv bestmögliche Förderung oder Gefahrenabwehr zu sorgen.
Staatliche Maßnahmen – auch präventiver Natur – sind nur dort zu ergreifen, wo die Eltern ihrer Verantwortung entweder individuell oder auch generell nicht in der Weise nachkommen (können), als
Das gilt auch für Themen der postmigrantischen Gesellschaft, die die Frage, ob Deutschland nun ein Einwanderungsland ist oder nicht, hinter sich gelassen haben und die gleichberechtigte Partizipation in den Vordergrund rücken. Das Grundgesetz ist dabei bislang kaum Austragungsort für diese Debatten. Dabei taucht es in nahezu jeder Integrationsdebatte früher oder später auf. Allerdings meist in einer merkwürdigen Wendung, die ihr insbesondere der ehemalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gegeben hat, der zur Eröffnung der Deutschen Islamkonferenz im Jahr 2006 sagte: „Das Grundgesetz ist nicht verhandelbar.“ Auch dieser Satz ist offensichtlich falsch. Die Demokratie hat in den vergangenen 75 Jahren davon gelebt, dass das Grundgesetz und der von ihm gesetzte Rahmen des Zusammenlebens verhandelbar ist, offen für demokratische Auseinandersetzung, Kompromiss- und Konsensfindung. Nicht nur der Text des Grundgesetzes wurde über 60 mal geändert, auch das Verständnis der Verfassung hat sich gewandelt und entwickelt. Das Diktum von der Unverhandelbarkeit des Grundgesetzes nimmt der Verfassung ihren integrativen Clou, der in der Offenheit für demokratische Aushandlungsprozesse besteht.
Veränderung durch die Gesellschaft
Dass das Grundgesetz hier eine wahre Erfolgsgeschichte zu bieten hat, zeigen Schritte zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen, gleichgeschlechtlichen Paaren und der Anerkennung des „Dritten Geschlechts“, Entwicklungen, die nur zum Teil auf Änderungen des Ver-
Das Grundgesetz balanciert Meinungsfreiheit und Kinder- und Jugendschutz aus
(BS/Sebastian Gutknecht*) Kinder und Jugendliche haben ein Grundrecht auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG. Entwicklungsziel ist eine „eigenverantwortliche Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft, wie sie dem Menschenbilde des Grundgesetzes entspricht“ (BVerfGE 83, 130, 140). Bezugspunkt ist somit das Kindeswohl, das alle Aspekte und Wirkungsfaktoren der positiven Entwicklung eines Kindes erfasst. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG manifestiert sich in diesem Grundrecht nicht nur eine abwehrrechtliche Dimension gegen Grundrechtseingriffe, sondern auch eine positive Schutzpflicht des Staates, die sich auf die Gewährleistung der für die Persönlichkeitsentfaltung konstitutiven Bedingungen bezieht (vgl. BVerfGE 96, 56, 64).
dass durch sie Gefährdungen für das Wohl ihrer Kinder abgewendet werden können.
Kinder- und Jugendschutz als Schranke der Meinungsfreiheit
Art. 5 Abs. 2 GG rechtfertigt ausdrücklich die Beschränkung der Grundrechte der Meinungs- und Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG durch die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend wie das Jugendschutzgesetz oder den JugendmedienschutzStaatsvertrag. Maßnahmen auf Grundlage dieser Gesetze müssen im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung für den freiheitlich-demokratischen Staat besonders sensibel angewandt werden, um die Meinungsfreiheit nicht unverhältnismäßig zu beschränken. Der Einschränkung des Art. 5 Abs. 1 GG durch eine Norm des Kinderund Jugendschutzes setzt die sogenannte Wechselwirkungslehre damit ihrerseits eine Schranke.
Institutionelle Umsetzung durch die BzKJ
Ein institutioneller Rahmen zur Umsetzung der Wechselwirkung dieser Grundrechte wurde fünf Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes durch die Einrichtung der damaligen Prüfstelle für jugend-
Der Schutz junger Menschen vor Cyber-Mobbing ist eine der wesentlichen Aufgaben der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) Foto: master1305, stock.adobe
Digital Services Act
75 Jahre nach Inkrafttreten des grundgesetzlichen Schutzsystems hebt der Digital Services Act der Europäischen Union den hoheitlichen Schutz von Kindern und Jugendlichen in digitalen Diensten auf eine europäische Ebene: Plattformanbieter müssen Maßnahmen ergreifen, die ein möglichst hohes Maß an Schutz, Sicherheit und Privatsphäre in ihren Angeboten gewährleisten. Die Aufsicht hierüber führt bei großen Plattformen mit über 45 Millionen Nutzenden die Europäische Kommission, bei Bezug zur Bundesrepublik Deutschland die Bundeszentrale für Jugendmedienschutz sowie die Landesmedienanstalten.
*Sebastian Gutknecht ist Jurist und Direktor der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ).
gefährdende Schriften in Bonn geschaffen. Mittlerweile ist sie als Prüfstelle für jugendgefährdende Medien in die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) integriert und ihre Aufgabe ist dieselbe wie vor 70 Jahren: Medien sind von der Prüfstelle in die Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen (also zu indizieren), wenn sie die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefährden. Im Sinne möglicherweise widerstreitender Verfassungsgüter ist indes vor jeder Indizierung das Schutzgut Jugendschutz mit den Grundrechten der Rechteinhaber an den Medien im konkreten Einzelfall abzuwägen, wie z. B. der Kunstund Meinungsfreiheit oder auch der Wissenschaftsfreiheit. Wird ein Medium indiziert, so unterliegt es weitreichenden Verbreitungs- und Werbebeschränkungen. Zur Wahrung des Verbots staatlicher Vorzensur von Medien vor ihrer Veröffentlichung gibt es keine Vorlagepflicht bei der Prüfstelle und diese wird auch nicht eigeninitiativ tätig, sondern auf Antrag oder Anregung von Behörden oder Stellen mit Bezug zum Kinder- und Jugendschutz. Mit der Novelle des Jugendschutzgesetzes von 2021 hat der Gesetzgeber die Bedeutung der gerichtsähnlichen Indizierungsverfahren weiter gestärkt. Abgestellt wird nicht mehr nur auf die abschirmende Funktion, die von Indizierungsentscheidungen ausgeht, sondern auch auf ihre orientierungsgebende Funktion, die dadurch entsteht, dass unbestimmte Rechtsbegriffe wie Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit als Erziehungs- und Entwicklungsziele mit Leben gefüllt werden. Ebenso wurde der Schutzauftrag auf die Gefährdung der persönlichen Integrität von Kindern und Jugendlichen und somit über rein inhaltliche Risiken hinaus ausgeweitet, um beispielsweise Interaktionsrisiken in Kommunikationsangeboten oder glücksspielähnliche Mechanismen erfassen zu können.
Verfassungsrechtliche Aushandlungsprozesse in der postmigrantischen Gesellschaft (BS/Tarik Tabbara*) Bundeskanzler Olaf Scholz sagte 2022: „Jeder Mensch – ob mit oder ohne Einwanderungsgeschichte –hat die gleichen Rechte. Das ist das fundamentale Versprechen unserer Demokratie.“ Faktisch ist diese Aussage falsch. Wer nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hat, darf nicht wählen und kann sich nicht auf die Deutschengrundrechte berufen. Auf einer grundsätzlicheren Ebene gewinnt Scholz' Aussage aber an Wahrheit: Was dabei mitschwingt, ist der freiheitlich-demokratische Verheißungsgehalt des Grundgesetzes. Als demokratische Verfassung beschränkt sich das Grundgesetz nicht auf die Regelung staatsrechtlicher Verfahren, sondern enthält Aspirationen von Freiheit, Gleichheit, und Solidarität. Das Versprechen der Demokratie des Grundgesetzes ist damit immer seiner Zeit voraus.
Tarik Tabbara beschäftigt sich mit der Frage, wie es um die Gleichheit der Menschen im postmigrantischen Deutschland bestellt ist. Foto: BS/Manuel Schönfeld, stock.adobe
fassungstextes beruhen, sondern angetrieben wurden durch gesellschaftliche Entwicklungen, denen ein verändertes Verständnis des Grundgesetzes zugrunde liegt. Bei der Migration hat das Grundgesetz sein integratives Potenzial bislang kaum ausgespielt. Im Gegenteil: Der Ausweitung demokratischer Teilhabe hat das Bundesverfassungsgericht mit seinen Entscheidungen zum kommunalen Ausländerwahlrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein 1990 einen Riegel vorgeschoben. Obwohl oder gerade weil sich im Grundgesetz keine Bestimmung dafür findet, die das Wahlrecht an die deutsche Staatsangehörigkeit bindet, griff Karlsruhe tief in die etatistische Mottenkiste und befand, dass Wahlen, bei denen Ausländer wahlberechtigt seien, keine demokratische
Legitimation vermitteln könnten. Im Rückblick ist es zwar wenig überraschend, dass sich die Entscheidungen im Jahr der Wiedervereinigung mehr mit der nationalen Identität – Wer ist das Volk? – beschäftigten als mit der Lebensrealität von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Der Verweis des Gerichts auf eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts war jedoch schon damals unrealistisch und ist es heute – trotz der eben verabschiedeten nächsten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts –mit fast 14 Millionen Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit noch mehr. Eine realistische Möglichkeit, die inzwischen klaffende Repräsentationslücke zu schließen, bietet das bürokratisch schwerfällige Instrument der Einbürgerung jedenfalls nicht. Die für
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eher ungewöhnliche Realitätsverweigerung wirkt bis heute nach.
Deutschengrundrechte und Rassebegriff
Auch bei den Deutschengrundrechten, also den Grundrechten, die für Deutsche reserviert sind, zeigen sich Defizite bei der Gewährleistung der gleichberechtigten demokratischen Teilhabe. Das Bundesverfassungsgericht hat hier an einem zumindest symbolischen Abstandsgebot beim Grundrechtsschutz festgehalten. Bei den Diskussionen um Demonstrationen nach den Terrorattacken der Hamas vom 7. Oktober tauchte diese lange vor sich hinschlummernde Frage plötzlich mit einiger Brisanz auf, als Politikerinnen und Politiker der Ampelkoalition lautstark darauf hinwiesen, dass es sich bei der in Art. 8 und 9 GG garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit „aus Gründen“ um Deutschengrundrechte handele. Auch wenn dies letztlich keine direkten Auswirkungen hatte, die repressive Botschaft haben die Betroffenen sicher vernommen. Auch beim Schutz vor rassistischer Diskriminierung bleibt das Grundgesetz noch unter seinen Möglich-
keiten der Gewährleistung gleichberechtigter Teilhabe. Das hat viel mit der verunglückten Formulierung in Art. 3 GG zu tun, die die Existenz menschlicher „Rassen“ nahelegt. Die Gerichte jedenfalls tun sich schwer mit dieser paradoxen Formulierung und haben die Gewährleistung von Teilhabe bisher eher umschifft, als effektiven Schutz vor Rassismus zu gewährleisten. Erst im Jahr 2020 und auch nur in einer Kammerentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, worum es eigentlich gehen sollte: den Schutz vor „rassistischer Diskriminierung“. Ob das allerdings schon genügt, um die problematische Formulierung so auf ihre antirassistischen Füße zu stellen, dass dies auch im letzten Winkel der Republik ankommt, ist zweifelhaft. Die Diskussion um eine Ersetzung des Begriffs „Rasse“ ist noch nicht zu Ende. Zumal es auch an einer der Gleichberechtigung von Mann und Frau entsprechenden positiven Gewährleistung der gleichberechtigten Teilhabe im Grundgesetz fehlt, wie sie im Zuge der kleinen Verfassungsreform 1994 in Art. 3 Abs. 2 GG aufgenommen wurde. Das Grundgesetz sichert heute nicht, dass alle Menschen, die in Deutschland dauerhaft leben, die gleichen Rechte haben. Es garantiert noch nicht einmal, dass das in Zukunft so sein wird. Das Grundgesetz bietet aber immerhin die Chance – das lehren seine letzten 75 Jahre –, dass sich die Verfassung wandeln kann, um denen Gehör zu verschaffen, die heute noch von Teilhabe ausgeschlossen sind.
*Dr. Tarik Tabbara ist Professor für Öffentliches Recht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.
Berliner Gespräch mit Vietnams Botschafter Vu Quang Minh (BS/ps) Die Sozialistische Republik Vietnam unterhält seit 1975 beste diplomatische Beziehungen, die uns zu ihrem größten Partner in der EU und seit 2020 auch im übrigen Südostasien machte – ein Erfolg des im August desselben Jahres unterzeichneten Freihandels- und Investitionsschutzabkommens (EVFTA). Allein das Handelsvolumen zwischen unseren beiden Ländern erreichte 2023 über elf Milliarden US-Dollar, wobei Vietnam Waren für 7,4 Milliarden US-Dollar exportierte und für 3,7 Milliarden US-Dollar importierte. In diesem Jahr jährt sich überdies unsere „Strategische Partnerschaft“ in den Bereichen Politik/Diplomatie, Wirtschaft/Handel/Investitionen, Kultur/Bildung/ Ausbildung, Wissenschaft/Technologie, Justiz/Sicherheit und Verteidigung zum 13. Mal.
Botschafter Vu Quang Minh ist stolz darauf, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sein Land als „Deutschlands Dreh- und Angelpunkt im asiatisch-pazifischen Raum“ bezeichnet. Foto: BS/ Botschaft der Sozialistischen Republik Vietnam
Seit März 2022 kümmert sich um das Wohl und Wehe dieser Kontakte und Verbindungen in Berlin Hanois Botschafter Vu Quang Minh. Seit 1990 im Auswärtigen Dienst, ist der 60-Jährige u. a. stellvertretender Außenminister und Botschafter in Großbritannien, Irland und Kambodschagewesen. „Das heutige Vietnam hat starke Ambitionen, um 2045 von einem Middle Income Country zu einem mit hohem Einkommen zu werden, das bis 2050 emissionsneutral ist. 2025 feiern wir ein halbes Jahrhundert diplomatischer Beziehungen mit Deutschland, zu denen eine ganze Reihe sehr gute kommunale Partnerschafts- und Kooperationsbeziehungen, wie etwa Leipzig – Ho-Chi-Minh-Stadt oder Wernigerode mit dem früheren Saigon, kommen. Auch die über 100.000 Deutschsprachigen in Vietnam sind ein wichtiger völkerverbindender Faktor. Wir lieben deutsche Kultur, Werte, deutschen Geist, das Know-how, hiesige Produkte und Dienstleistungen.“ Er bewundere besonders die Haltung der Deutschen zu ihrer Geschichte, die Ehrlichkeit der Aufarbeitung, dass man ihr nicht aus dem Weg gehe und große Anstrengungen unternehme, um so zum Aufbau einer besseren Welt beizutragen. In einer Welt voller Unsicherheit und ständigem Wandel seien Deutschland und Vietnam treue und vertrauenswürdige Freunde. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier sieht Vietnam als „Deutschlands Dreh- und Angelpunkt im asiatischpazifischen Raum“.
Dem Lebensstil anpassen Dass dabei die Chemie stimmt, mag mitunter an der Mentalität unserer vietnamesischen Freunde liegen, die sich sagen: Wenn du in eine fremde Familie kommst, musst du dich ihrem Lebensstil anpassen und Verständnis zeigen, um erfolgreich zu sein. Was nicht schwer fällt, wenn man „Made in Germany“ samt ideellem und materiellem Wertekanon mag und schätzt. Verlass ist, seiner Meinung nach, auf die Zusammenarbeit mit unserer Bürokratie, da die vietnamesische, vorsichtig ausgedrückt, ähnlich komplex sei – sodass er sich fast wie zu Hause fühle. Ihm liegen der Arbeitsstil und die unkomplizierte und ehrliche Art der Deutschen,
über ihre Meinungen und Ideen, nicht zu schweigen, sondern Taten folgen zu lassen. Die deutschen Investoren finden Vietnam überaus interessant. Sie
Das Gedicht von Heinrich Heine, „Der Brief, den du geschrieben“, niedergeschrieben von Nguyen Minh Hanh – der Frau des Botschafters. Foto: BS/Vu Quang Minh
steigern ihre Geschäftsaktivitäten, stellen Mitarbeitende ein und suchen neue Lieferanten, um ihre Lieferketten zu diversifizieren. Insbesondere mit der Strategie der Risikominimierung und Diversifizierung der Märkte entscheiden sich viele aus der Maschinenbau-, Elektronikoder Chemiebranche, die in China investierten, nun für Vietnam. Auch Investitionen in grüne Umwelttechnologie, Ressourceneinsparung und die IT nehmen tendenziell stark zu:
„Nach Angaben des Ministeriums für Planung und Investitionen hat Vietnam bis Ende 2023 463 deutsche Direktinvestitionsprojekte mit einem Volumen von 2,683 Milliarden US-Dollar eingeholt. Damit belegt Deutschland Platz 17 von 144 Ländern mit Investitionsprojekten bei uns“, erzählt Quang Minh. Mit einigem Unbehagen werden in unserem Autoland die Projekte des 2017 gegründeten, börsennotierten Automobil- und Elektromotorradherstellers VinFast mit Hauptsitz in Hai Phòng beäugt, der seine E-Autos auch in Deutschland herstellen will und geeignete Produktionsstätten sucht.
Im Tourismus boomt es seit Langem. Der langgestreckte Küstenstaat am Südchinesischen Meer, dessen Fläche zu 93 Prozent der Deutschlands entspricht, gilt nicht nur bei uns als eines der attraktivsten Reiseziele weltweit. „Es fällt mir daher schwer, alle unsere Se-
henswürdigkeiten aufzuzählen“, meint Quang Minh, „aber folgende sind eine Reise wert: Hanoi, unsere Hauptstadt mit dem Literaturtempel Quoc Tu Giam, die Zitadelle von Co Loa mit Relikten aus der Bronzezeit, Da Nang, Großstadt in Zentralvietnam und ihre sechs weltschönsten Strände, Ho-Chi-Minh-Stadt, früher Saigon, mit der Kathedrale Notre Dame und dem Ben-Thanh-Markt, Phu Quoc, die Perleninsel mit malerischen Sandstränden und der Cuc Phuong Wald. Dies ist der älteste des Landes mit dem Primate Rescue Center, einer Einrichtung, die dank der Initiative und wertvollen Unterstützung des Leipziger Zoos in den letzten 20 Jahren gegründet wurde. Ein Symbol der Solidarität und Zusammenarbeit zum Schutz der Artenvielfalt zwischen Deutschland und Vietnam.“
Der Krieg in der Ukraine macht auch dem Wirtschaftsstandort Vietnam zu schaffen, weil Russlands Ausschluss vom internationalen Zahlungsnachrichtensystem SWIFT es dortigen Unternehmen erschwert, Einzahlungen von und Auszahlungen an russische Unternehmen entgegenzunehmen bzw. zu tätigen. Der kriegsbedingte Anstieg der weltweiten Erdölpreise verursacht auch Schwierigkeiten für die landwirtschaftliche Produktion und den Im- und Export von Agrar-, Forst- und Fischereiprodukten. Hinzu kommen die unterbrochenen Liefer- und Transportketten, die die
Rezept des Botschafters
Preise zusätzlich in die Höhe treiben, was für die vom Export abhängige Volkswirtschaft besonders bitter ist. Darüber hinaus hat Hanoi auch ein Flüchtlingsproblem, weil Menschen mit vietnamesischer Herkunft nun von der Ukraine oder Russland nach Vietnam fliehen.“
Gute Beziehung zu Russland Für die Außenbeziehungen wird die Luft dünner, da das Land seit der Sowjetzeit traditionell gute und freundschaftliche Beziehungen sowohl zu Russland als auch zur Ukraine pflegt. Beide Staaten standen ihm in sehr schwierigen Zeiten stets zur Seite. „Vietnam hat eine Tradition der Loyalität gegenüber Freunden, daher ist es für uns in der heutigen komplizierten Beziehung sehr schwierig, zu schweigen, von den Auswirkungen auf unsere Beziehungen zu anderen Partnern ganz abgesehen, die Interessen und Bedenken hinsichtlich des Konflikts haben, darunter wichtige Partner wie Deutschland, die USA und die EU.“
Es müsste jedoch betont werden, dass die Position Vietnams zum Ukraine-Russland-Konflikt mit den außenpolitischen Grundsätzen Hanois im Einklang mit der Achtung der Unabhängigkeit, Souveränität, territorialen Integrität eines jeden Landes und des Völkerrechts stehe. Die legitimen Rechte aller Konfliktparteien müssen berücksichtigt, respektiert und ohne Anwendung von
Banh Mi – das Street-Food-Sandwich-Baguette in Vietnam und Asien
Zutaten für 1 Brötchen/Baguette: 1 EL grobe Schweinepastete, 1.5 cm dicke Scheibe Lyoner, 1 dickere Scheibe gegrilltes Bauchfleisch 1 Salatgurke, 1 Karotte, 1 Handvoll Korianderblätter zum Garnieren,1 EL Mayonnaise, 2 EL Nuoc Cham Sauce, Chilisauce
Zubereitung: Baguette kurz auf dem Toaster aufbacken, längs auf-, nicht durchschneiden und mit der Schweinepastete bestreichen. Stattdessen kann man auch ½ Knoblauchzehe feingehackt zusammen mit 1 Messerspitze „Fünf Gewürze Pulver“ (eine klassische chinesische Gewürzmischung aus Fenchel, Sternanis, Szechuan-Pfeffer, Nelken, Zimt, die es im Supermarkt gibt) und 1 Teelöffel Zucker in Öl anbräunen, 50 g Schweinehack dazugeben, fertigbraten und mit Fischsauce würzen. Lyoner und Bauchfleisch in schmale Streifen schneiden und hineingeben. Darauf Gurke, Karotte und Koriander verteilen. Die Mayonnaise und etwas Nuoc Cham, evtl. auch etwas Chilisauce dazu geben. Dazu passt Grüner Tee.
Gewalt auf völkerrechtlicher Grundlage gelöst werden, so Quang Minh „Ich möchte für einen Tag mit Wladimir Putin tauschen und verstehen, wie er seine spezielle Militäroperation einschätzt, was ihn dazu veranlasste und unter welchen Bedingungen er am Verhandlungstisch sitzt, um ihn zu beenden? Vielleicht erführe ich dann auch, ob es eine Chance gab, den Ausbruch dieses Krieges zu verhindern? Wie alle Diplomaten wünsche ich mir Frieden.“ Leider sind die Zeiten, in der das Wünschen noch half, vorbei. Über die Hälfte seines Lebens ist Vu Quang Minh im Diplomatenberuf aktiv. Eigentlich galt seine Leidenschaft seit der Studienzeit der theoretischen Physik und der Erforschung des Weltraums. Letztlich bewahrte er Bodenhaftung und studierte in Moskau Internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsdiplomatie.
„Wenn ich meinen Traum von damals verwirklichen könnte, würde ich gerne theoretischer Physiker und Raumfahrer werden.“ So ist aus ihm „nur“ ein kenntnisreicher, erfahrener diplomatischer Fahrensmann geworden, der seinen Teil zur Stärkung der kooperativen Beziehung und Freundschaft zwischen den Menschen beitragen und dabei die legitimen nationalen Interessen Vietnams auf der Welt vertreten kann.
Eine sehr persönliche Begeisterung hat er sich bis heute bewahrt: Die für Heinrich Heine, einen der bedeutendsten deutschen Autoren des 19. Jahrhunderts, dessen Werke wie kaum die eines anderen deutschen Dichters bis heute so häufig übersetzt wurden wie seine. Auch die vietnamesischen Dichter Te Hanh und Hoang Trung Thong taten dies mit vielen Heine-Gedichten. Und eines davon gefiel anfangs der 80er-Jahre dem jungen Studenten Vu besonders. Vielleicht weil es seine damalige Freundin und heutige Frau Nguyen Minh Hanh auch sehr mochte und um 1981/82 in ihr Notizbuch schrieb. Das Blatt mit dem Gedicht hat Vu, nun Botschafter Quang Minh, heute noch (s. Foto links): Der Brief, den du geschrieben Der Brief, den du geschrieben Er macht mich gar nicht bang Du willst mich nicht mehr lieben, Aber dein Brief ist lang.
Zwölf Seiten, eng und zierlich! Ein kleines Manuskript! Man schreibt nicht so ausführlich, Wenn man den Abschied gibt.
„Vielen Dank, dass Sie mir diese Frage gestellt haben, denn sie lässt mich meine unbeschwerte Studienzeit und meine pure Liebe noch einmal durchleben. Danke auch Dir Heinrich Heine“!, erzählt Quang Minh zum Schluss.
(BS/Marlies Vossebrecker) Die Vorbereitungen der austragenden Kommunen auf die Europameisterschaft 2024 (EM 2024) bieten Möglichkeiten für die positive Stadtwahrnehmung, bergen aber auch Herausforderungen, etwa im öffentlichen Nahverkehr.
Wenn im Sommer zahlreiche nationale und internationale Gäste zu den Spielen in die Stadien strömen, soll nichts schiefgehen: keine langen Wartezeiten auf Busse und Bahnen, oder gar Ausfälle. Zwar liegt die Verantwortung für die ÖPNV-Konzepte nicht in der Hand der Deutschen Bahn, doch in vielen Städten kommt es etwa aufgrund von Personalengpässen immer wieder zu Verspätungen oder Ausfällen.
Die gastgebenden Städte haben gründlich vorgesorgt: Umfassende Mobilitätskonzepte sollen den schnellen und sicheren Transport vieler Menschen garantieren. So ist das BVB-Stadion in Dortmund in nur wenigen Minuten aus der Innenstadt heraus mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Während der Europameisterschaft solle das ÖPNV-Angebot an die Nachfrage durch den Mehreinsatz von Fahrzeugen und Personal angepasst werden, erläutert ein Sprecher der Stadt auf Anfrage.
Auch Stuttgart passt den ÖPNV an die gesteigerten Anforderungen an. Die Stadtbahnen fahren in engerer Taktung. Außerdem soll eine zusätzliche Veranstaltungslinie zum Stadion zum Einsatz kommen. Sund Regionalbahnen sollen mit maximaler Langzug-Behängung verkehren. Laut der verantwortlichen in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft mbH & Co. KG könnten im ÖPNV bei voller Auslastung durch Fahrgäste je nach Uhrzeit zwischen 38.000 und 53.000 Personen innerhalb einer Stunde transportiert werden.
Für das Mobilitätskonzept in Hamburg steht die finale Endabstimmung unter den beteiligen Akteuren noch aus, wie die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende
mitteilt. In der Stadt mit knapp zwei Millionen Einwohnenden legt man ebenfalls großen Wert auf die „reibungslose An- und Abreise regionaler, nationaler und internationaler Besuchender“ und hat zudem einen Blick auf die Förderung nachhaltiger Konzepte. Darüber hinaus gilt für Ticketbesitzerinnen und Ticketbesitzer an den Spieltagen ein „36-h-travel-pass“, mit dem sie das ÖPNV-Angebot kostenlos nutzen können. Neben Taktverdichtungen bei S-Bahn und Bussen werden zusätzliche Abstellplätze für Fahrräder und E-Scooter sowie ein „Accessible Shuttle“ für mobilitäts-
einmal mehr zu zeigen, wie der Sport – und speziell der Fußball –Menschen verbindet und den Zusammenhalt stärkt“, heißt es aus der Behörde für Inneres und Sport. Hamburg könne sich im Rahmen des Fußballfestes und in seiner Rolle als Gastgeber als internationale, lebenswerte und sportbegeisterte Metropole präsentieren. Außerdem erwachse aus der Europameisterschaft 2024 die Möglichkeit, als Gesellschaft zusammenzurücken und das Verbindende in den Mittelpunkt zu stellen.
„Die UEFA EURO 2024 ist ein internationales Großereignis mit einer
„Für Hamburg […] bietet sich die Chance, einmal mehr zu zeigen, wie der Sport […] Menschen verbindet und den Zusammenhalt stärkt. “
Behörde für Inneres und Sport, Hamburg
eingeschränkte Personen auf einer Strecke eingerichtet. Ein temporäres Beschilderungskonzept insbesondere im Stadionumfeld und an den wichtigen Bahnhöfen soll die Orientierung für Gäste erleichtern.
Sportliches Erleben verbindet die Menschen
Für die positive Wahrnehmung der gastgebenden Städte sorgt neben gelungenen Mobilitätskonzepten ohne Wartezeiten primär die Atmosphäre im Zeichen des Sports.
Die Austragungsort wissen um die Vorteile: „Für Hamburg als weltoffene und sportbegeisterte Metropole bietet sich damit die Chance,
enormen medialen Reichweite. Zudem kommen Fans und Gäste aus ganz Europa und der Welt nach Deutschland und Stuttgart. Stuttgart rückt in den Fokus, das ist im Hinblick auf das Stadtmarketing, den Tourismus und das Image von Stuttgart und der gesamten Region von enormer Bedeutung“, hebt ein Sprecher der Stuttgarter Veranstaltungsgesellschaft die Wirkung auf das Stadtimage hervor. Alle Spiele sollen auf zwei Großleinwänden auf dem Schlossplatz übertragen werden, zwischen dem 14. Juni und dem 14. Juli werde zudem ein Fan Festival in der Innenstadt mit vier Fan Zones stattfinden. Dass dabei
eine herzliche, ausgelassene Stimmung aufkommt, erklärt sich von selbst.
Anhand bestimmter potenzieller Risiken in den Bereichen Sicherheit, Mobilität und Nachhaltigkeit hat Stuttgart gleichzeitig umfangreiche Konzepte erstellt, um auf Zwischenfälle bestmöglich vorbereitet zu sein.
Auch in Dortmund wird die EM 2024 zugleich als Chance und als Herausforderung gesehen: Sie diene außer wirtschaftlichen Aspekten der Imagesteigerung und solle den Ruf der Stadt als Innovations- und Fußballstadt weiter stärken. Dortmund als weltoffene und lebensfreudige Stadt begrüße nicht nur während der Europameisterschaft 2024 seine Gäste, sondern lade auch in den kommenden Jahren herzlich ein, heißt es aus der Stadt. Anhand der Veranstaltung könne die Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsaspekten für künftige Großveranstaltungen erprobt werden.
Droht eine Überflutung der Innenstädte?
Die ungewohnte Masse an Gästen stellt Herausforderungen an die Kapazität in den Innenstädten. So erwarte die Stadt Leipzig an nur einem einzigen Spieltag knapp 60.000 internationale Fans im Zentrum, erklärt Stefan Schedler, Leipzigs Projektleiter für die Europameisterschaft 2024, auf dem 27. Europäischen Polizeikongress (EPK) in Berlin. Im Stadion finden knapp 42.500 Fans Platz, in der Fanzone im Zentrum nochmals 15.000. Die als Überlauffläche gedachte Pufferzone, ein weiterer Platz mit Videoleinwänden, könne ebenfalls 15.000 Personen aufnehmen, so Schedler weiter. Können alle Fans gleichmäßig auf die verschiedenen Bereiche
verteilt werden? „Wir […] tun alles dafür, um die Infrastruktur bereitzustellen, die […] dazu beiträgt, dass jeder […] ein entsprechendes Erlebnis mitnehmen kann […]“, sagt Schedler Wie genau das geschehen soll, erwähnt er nicht weiter. Aber: die Stadt stehe in engem, regelmäßigen Austausch mit allen involvierten Behörden sowie mit der Polizei, um bis zum Startschuss der Europameisterschaft gute Lösungskonzepte zu entwickeln. Schedler betont die positiven Effekte der Europameisterschaft für Deutschland: „Wir haben jetzt die Chance – nicht nur die Städte, sondern auch das Land –, so dazustehen, wie wir sind […]: weltoffen, tolerant und Demokratie fördernd.“
Die geplanten Kosten für die Europameisterschaft liegen bei Hamburg, Stuttgart und Dortmund je in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe. Während in Stuttgart rund 38 Millionen Euro bereitstehen, plant Dortmund mit Sachkosten von etwa 21 Millionen Euro.
Hamburg will bis zu 30 Millionen Euro aufbringen. Ein Großteil ist für Sicherheitskosten angedacht, die sich allerdings zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht genau beziffern lassen.
Es ist ein ehrgeiziges Ziel: Bis zum Jahr 2030 soll die Wohnungslosigkeit in allen Mitgliedsstaaten der EU beendet werden. Hierzulande bedeutet das: Bis zur gesetzten Frist soll jeder wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Person das Angebot für eine Wohnung gemacht werden können. Ergänzend sollen Präventionsmaßnahmen und der Rechtsanspruch auf ordnungsrechtliche Unterbringung im Falle von Wohnungslosigkeit etabliert werden.
Diese Leitlinien bilden die Grundlage für den Aktionsplan, an dem staatliche und nichtstaatliche Akteure beteiligt sind. Vertreten sind hier etwa neben dem BMWSB die Bauministerkonferenz sowie der Deutsche Städtetag (DST) oder der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). Die Intention des Aktionsplans wird klar herausgestellt: „Die Leitlinien und Impulsmaßnahmen des Aktionsplans sollen die bestehenden Aktivitäten von Bund, Ländern und Kommunen sichtbar machen, an geeigneten Stellen ergänzen und den Wirkungsgrad der Wohnraumversorgung für wohnungs- und obdachlose Menschen erhöhen, um somit Wohnungslosigkeit zu überwinden.“
Entwurf zu Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit
(BS/Marlies Vossebrecker) Immer mehr wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen und gleichzeitig kaum bezahlbarer Wohnraum: Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) will der Notlage mit dem „Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit 2024“ entgegentreten. Ein erster Referentenentwurf liegt vor, grobe Ziele sind gesteckt. Doch verspricht das Programm eine Verbesserung der Lage?
Grundstein für Erfolg jetzt legen Grundsätzlich stößt der Entwurf auf positive Resonanz. Dr. Carolin Martin, Expertin für Wohnungsmärkte am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung, begrüßt die beschriebenen Maßnahmen, gibt jedoch zu bedenken, dass die Umsetzung Zeit in Anspruch nehme. Martin plädiert für zusätzliche, kurzfristig wirkende Maßnahmenpakete, um den kommunalen Wohnungsbau anzukurbeln. Mit Blick auf den Vorsatz für 2030, die Obdachlosigkeit zu überwinden, stellen sich einige Fragen. Einmal abgesehen davon, dass es durchaus Menschen geben könnte, die das Leben ohne festen Wohnsitz aus Gründen der Selbstbestimmung
Jede Person, die wohnungslos ist oder von Wohnungslosigkeit bedroht ist, soll bis 2030 ein Wohnungsangebot erhalten. Foto: BS/fizkes, stock.adobe com
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den staatlichen Angeboten vorziehen und es dadurch auch weiterhin obdachlose Menschen geben dürfte, stellt sich die Frage nach dem Grundstein, der gelegt werden muss. Aktuell prägen Wohnungsmangel, Krisen in der Baubranche und eine wachsende Zahl von Wohnungslosen das Geschehen. Um diese Zustände bundesweit abzuschaffen, bleiben nur wenige Jahre. Allerhöchste Zeit also für einen ersten Schritt. Doch welche Entwicklungen darf man für das Jahr 2024 erwarten?
„Beim kommunalen Wohnungsbau in Deutschland droht sich der mas-
sive Einbruch der Baufertigstellungen auch 2024 wegen der weiterhin hohen Zinsen und Baukosten zu verschärfen“, weiß Martin. Sie befürchtet einen weiteren Kapazitätsabbau in der Bauwirtschaft. Der kommunale Wohnungsbau stehe ebenso wie der bezahlbare Wohnungsbau insgesamt vor enormen Herausforderungen, bestätigt auch Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. (GdW). Die aktuellen Bedingungen machten den Bau bezahlbarer Wohnungen unmöglich, führt Gedaschko aus, und be-
… las ich ein interessantes Interview mit der Bundesbauministerin Klara Geywitz. Es ging um die Mietpreisbremse im Besonderen und die Wohnungsnot im Allgemeinen. Unter anderem forderte sie die Länder auf, für schnellere Baugenehmigungsverfahren zu sorgen. Um die Digitalisierung des Bauantragsprozesses ging es schon 2018, als ich noch Bürgermeister war. Grund genug, dieses Thema aus der Wiedervorlage zu holen. Mittlerweile hat das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen ein digitales Bauportal entwickelt. Immerhin rühmt sich NRW als Vorreiter der Digitalisierung im Baugenehmigungsverfahren. Das bevölkerungsreichste Bundesland hat 396 Kommunen. Bis Sommer letzten Jahres haben sich 22 Städte am Verfahren beteiligt. Für die Bundesrepublik kann man nur hoffen, dass NRW mit der Behauptung der Vorbildrolle etwas zu dick aufgetragen hat. Eine Beteiligung von nur fünf Prozent der Kommunen ist nicht gerade viel. Digitalisierung ist jedoch der Schlüssel zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die Architektenkammer NRW sieht hier nicht ohne Grund dringenden Handlungsbedarf. Neben den Bauaufsichtsbehörden müssen aber auch die beteiligten Institutionen und Stellen mit ent-
mängelt: „Schon seit zwei Jahren hält die Krise beim Wohnungsbau an – ohne dass die Regierung Gegenmaßnahmen in auch nur annähernd ausreichendem Umfang ergriffen hätte.“ Obwohl Zins- und Baukostenexplosionen sowie Materialengpässe massive Probleme bereiteten, seien durch die Regierung statt Förderungen vielmehr Förderstopps bewirkt worden. Die Wiederaufnahme des kommunalen Wohnungsbaus kann allerdings trotz der bestehenden Schwierigkeiten gelingen. Gedaschko schlägt ein kostenfreies und breit angelegtes Zinsprogramm für bezahlbaren Wohnraum vor. Außerdem fordert er Quartierslösungen für einen passenden KlimaschutzMix vor Ort, anstelle pauschal an verschärften Energieeffizienzstandards festzuhalten, sowie Bürokratieabbau und vereinheitlichte Landesbauordnungen. Baugenehmigungsverfahren sollten ebenfalls vereinfacht werden. Gedaschko konstatiert: „Keine überzogenen Standards und deutlich mehr Förderung – nur so schafft Deutschland den Weg aus der Wohnungsbau-Krise.“
Wohnungsbau neu beleben Hilfreich sind aus Gedaschkos Sicht auch Sonderförderungen durch Bund und Länder, denn jährlich würden rund 23 Milliarden Euro an Subventionen benötigt, von denen 15 Milliarden Euro auf neue Sozialwohnungen entfielen und acht Milliarden auf den Neubau bezahlbarer Wohnungen. Auch Martin sieht Möglichkeiten, um den kommunalen Wohnungsbau zu beleben. Eine Erweiterung des kommunalen Vorkaufsrechts, auch für Bodenvorratspolitik, sei sinnvoll, ebenso die Weiterentwicklung des städtebaulichen Entwicklungsrechts, ein Bodenfonds auf Länderebene zur Unterstützung des kommunalen Bodenerwerbs oder eine Erhöhung bestehender KfWProgramme zum Wohnungsbau.
sprechender Hard- und Software ausgestattet sein. Schließlich möchten nicht selten die Standortgemeinde, der Denkmalschutz, der Bergbau, die Eisenbahn, die Straßenbaulastträger, die Religionsgemeinschaften und natürlich der Naturschutz u. a. angehört werden.
Digitaler Antrag mit analogen Dokumenten?
Den Antrag digital stellen zu können, sollte mittlerweile kein Problem mehr sein. Allerdings gilt dies bei Weitem nicht überall für die Pläne, die anschließende Kommunikation und die Genehmigungserteilung. Vielmehr müssen sämtliche Planungsunterlagen sehr oft in vierfacher Ausfertigung analog vorgelegt werden. Papierlosigkeit und digitale Offensive sehen jedenfalls anders aus. Da kann man von finnischen Verhältnissen nur träumen. Dort werden die Bauvorhaben durch einen digitales Prüfsystem vorab gecheckt, ob sie mit finnischem Baurecht kollidieren. Wird diese vorgeschaltete Konformitätsprüfung nicht bestanden, erfolgt auch keine Registrierung. Zeitaufwendige Prüfungen und Schriftwechsel kommen dann erst gar nicht vor. Die ohnehin knappen Personalressourcen werden sinnvoll eingesetzt und können sich auf die registrierten Anträge konzentrieren. Künftig wird die Künstliche Intelligenz (KI) eine im-
mer wichtigere Rolle spielen. Unsere Bauaufsichtsbehörden könnten sich ähnlich wie in Finnland durch KI-unterstützte Standardprüfungen auf fachliche Abwägungen wie z. B. Abweichungen beschränken. Aber im Moment ist das Baugenehmigungsverfahren in Deutschland weitgehend leider immer noch ein bürokratisches Papiermonstrum. Unsere Bundesbauministerin hält ein smartes Genehmigungsverfahren für wichtig. Dennoch redet sie sich das deutsche Defizit klein. Wir hätten vor allem ein Baurealisierungsproblem. Natürlich bedeutet ein genehmigter Bauantrag noch keine neuen Wohnungen. Aber vor jeden Hausbau hat die deutsche Bürokratie jedenfalls immer eine Baugenehmigung gesetzt. Bei diesen verkrusteten Genehmigungsstrukturen müssten eigentlich die Alarmglocken unaufhörlich schrillen. Den Mangel zu relativieren, ist zwar politischer Pragmatismus, jedoch nicht dem Problem angemessen. Deutschland scheint die Digitalisierung gar nicht zu verschlafen, nein, unser Land will sie einfach nicht.
Rolf Hartmann war von 2004 bis 2020 Bürgermeister der Gemeinde Blankenheim.
Foto: BS/privat
Behörden Spiegel: Viele Ludwigsburgerinnen und Ludwigsburger haben einen Migrationshintergrund. Daher gibt es viele Angebote zur Teilhabe, und auch ein Arbeitsplatz ist dabei wichtig. Sollte es eine Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit für Geflüchtete geben, wie sie Landrat Christian Herrgott gefordert hat?
Dr. Knecht: Ich sehe den Handlungsbedarf an anderer Stelle. Es geht darum, Geflüchtete in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren. In Deutschland fehlt uns eine große Zahl an Arbeitskräften – das sind sowohl qualifizierte Fachkräfte als auch Personen für andere Tätigkeiten. Ich bin der Meinung, dass wir auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene alle Kräfte bündeln sollten, die geflüchteten Menschen in Arbeit zu bekommen, für die sie erstens unserer Wirtschaft enorm weiterhelfen und zweitens entsprechend entlohnt werden. Wir brauchen Arbeitskräfte in Handwerksberufen, in der Altenpflege, im Krankenhauswesen, in der Verwaltung – um nur einige Beispiele zu nennen. Das muss der Anspruch des Bundes und seiner Regelungen sein: die Arbeitskraft und die Talente der geflüchteten Menschen schnell in den Arbeitsmarkt zu bringen und zeitnah alle bürokratischen Hürden abzubauen. Ehrenamtliche Tätigkeiten der Menschen können aber natürlich begleitend oder in der Zeit, in der rechtlich eine Arbeit noch nicht möglich ist, sinnvoll sein.
Behörden Spiegel: Unter den Angeboten ist auch der Ehrenamtliche Dolmetscherdienst, der vor einigen Jahren mit dem Europäischen Bürgerpreis ausgezeichnet worden ist. Welchen Stellenwert nimmt für Sie ein solches ehrenamtliches Engagement ein und welche Möglichkeiten für Geflüchtete bietet Ludwigsburg dadurch?
Betrachten wir die Menschen näher, fallen oftmals traurige, durch Leid geprägte Gesichter und nicht selten Verwahrlosung auf. Dabei sind die Gründe, die in die Obdachlosigkeit führen können, äußerst vielfältig. Dazu zählen zum einen äußere Einflüsse, z. B. der Verlust des Arbeitsplatzes, ein Zerwürfnis mit Verwandten oder der Familie, die zur Wohnungslosigkeit führen können. Zum anderen können hierzu aber auch (Sucht-) Erkrankungen führen, welche die Betroffenen aus der Bahn werfen. Gesellschaftlich fällt hier auf, dass ein durch Arbeitslosigkeit verursachter Wohnungsverlust durchaus anders betrachtet und auch bewertet wird als ein Wohnungsverlust bedingt durch den Konsum diverser Substanzen. Es drängt sich bei Letztgenanntem doch die Frage auf, ob hier die Obdachlosigkeit nicht auch selbstverschuldet wurde? Bei näherer Betrachtung lässt sich diese These nahezu ausnahmslos widerlegen. So fußt eine Suchterkrankung oftmals auf individuellen Schicksalsschlägen. Das können einerseits anderweitige psychische Erkrankungen wie Depressionen sein oder aber auch persönliche Erfahrungen bzw. Erlebnisse in der (früheren) Vergangenheit wie Gewaltdelikte, die letztendlich in der Abhängigkeit münden.
Einsatz für sozial Benachteiligte Die Obdachlosenhilfe Aktion Brücke e. V. ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein, der inzwischen aus über 100 ehrenamtlichen Teammitgliedern besteht.
Ludwigsburg nimmt Bürgeranliegen ernst
(BS) Ehrenamtliche Unterstützung für Geflüchtete, Dialogangebote und Verbesserung der Lebensqualität von Anwohnenden – Ludwigsburg setzt auf sozialen Zusammenhalt. Im Interview betont Oberbürgermeister Dr. Matthias Knecht die Bedeutung der Eingliederung von Geflüchteten, lobt ehrenamtlichen Einsatz für Migrantinnen sowie Migranten und erläutert klimaneutrale Verkehrskonzepte. Die Fragen stellte Marlies Vossebrecker.
Dr. Knecht: Der ehrenamtliche Dolmetscherdienst leistet seit 20 Jahren enorm wichtige Arbeit. Die aktuell 70 Dolmetscherinnen und Dolmetscher unterstützen Menschen mit Migrationshintergrund insbesondere bei Gesprächen mit Behörden. Dabei vermitteln sie nicht nur auf sprachlicher, sondern auch auf kultureller Ebene. Sie klären über etwaige Missverständnisse auf und werben für gegenseitiges Verständnis. In herausragender Weise stärken die Ehrenamtlichen mit ihrem Einsatz den Zusammenhalt der Gesellschaft und fördern Integration, indem sie auch selbst als positive Beispiele fungieren. Für mich zeigt dieses Beispiel, dass wir dauerhaft gute Sozialstrukturen brauchen. Denn diese sind es, die uns in Krisenzeiten helfen. Weil wir unseren ehrenamtlichen Dolmetscherdienst vor Jahren professionell aufgestellt haben, konnten wir uns ab 2015 auf unsere Arabisch sprechenden Ehrenamtlichen verlassen und ab Februar 2022 sofort auf eine tolle Unterstützung der Ukrainisch sprechenden Ehrenamtlichen zählen.
Behörden Spiegel: Für Ihre Stadt liegt ein Stadtentwicklungskonzept vor. Gibt es daraus aktuell ein Projekt, das Ihnen besonders wichtig ist?
Dr. Knecht: Ludwigsburg ist eine Stadt, die immer das Gemeinsame im Besonderen gesucht hat. Das kommt auch in unserem Stadtentwicklungskonzept zum Ausdruck. Die Stärkung des sozialen Zusammenhalts in unserer Stadt ist in der aktuellen Zeit mit vielen gesellschaft-
Für Ludwigsburgs Oberbürgermeister Dr. Matthias Knecht haben Zuhören und das Gespräch mit Anwohnerinnen und Anwohnern seiner Stadt oberste Priorität.
Foto: BS/Stadt Ludwigsburg
lichen Spannungen entscheidend. Wir müssen als Kommunen den Dialog fördern, bürgerschaftliches Engagement wertschätzen und verstärken, die Menschen ernst nehmen und vor allem: zuhören. Das sehe ich in der Agenda der Stadt Ludwigsburg für die nächsten Jahre als absolute Priorität. Das ist viel mehr als ein Projekt. Aber sicher ist ein Projekt wie das Bildungszentrum West, das Schulzentrum, Bibliothek, Stadtteilzentrum und Klimaschutzprojekt ist, ein herausragendes, sichtbares Beispiel dafür.
Behörden Spiegel: Welche Möglichkeiten sehen Sie im Rahmen der Mobilitätswende, um die Verkehrsemissionen in der Stadtluft dauerhaft zu senken?
Dr. Knecht: Ludwigsburg ist eine Stadt der kurzen Wege und bietet
damit vielen die Chance, die täglichen Wege auch ohne das Auto zurückzulegen. Dafür braucht es dauerhaft gute Angebote des ÖPNV und politisch und kommunikativ trotzdem kein Festhalten an Dogmen. Wenn jemand mit dem Auto einkaufen gehen möchte, dann darf er das in Ludwigsburg und findet seinen Parkplatz. Wir möchten im Rahmen unseres Klimaneutralitätskonzeptes mit den Menschen in den Stadtteilen ins Gespräch kommen. Ziel ist es, zu erfahren, was konkret verbessert werden kann, um die Alltagswege noch nachhaltiger zu gestalten. Über den Stadtverkehr hinaus wollen wir den Durchgangsverkehr reduzieren. Mitten durch Ludwigsburg läuft mit der B27 eine vierspurige Bundesstraße mit fast 60.000 Fahrzeugen am Tag – eine Planung, die man heute sicherlich nicht so gestalten würde. Diese Straße trennt die Stadt und sorgt für erhebliche Lärm- und Schadstoffbelastungen bei den Menschen, die direkt an der Straße wohnen. Für diejenigen, die pendeln oder die Stadt besuchen, soll das Angebot des öffentlichen Verkehrs verbessert werden. Dazu läuft die Planung einer Stadtbahn,
die bisherige regionale Schienenverbindungen gut ergänzen wird. Zudem wird unser Zentraler Omnibusbahnhof umgebaut und noch moderner werden.
Behörden Spiegel: Wie könnten Fahrradwege und Carsharing-Konzepte weiter ausgebaut werden, und wie könnten noch mehr Menschen zum Umstieg auf klimaneutrale Verkehrsmittel überzeugt werden?
Dr. Knecht: Beim Thema Fahrrad setzen wir auf ein Gesamtkonzept. Einerseits wollen wir in Verbindung mit den Planungen von Radschnellwegen in der Region Stuttgart auch die innerstädtischen Radwegeverbindungen deutlich verbessern. Andererseits werden wir gerade an den Bahnhöfen gute und sichere Radabstellanlagen schaffen, damit die Kombination Fahrrad und ÖPNV funktioniert. Wichtig ist mir bei der Umsetzung einer nachhaltigen Mobilität auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit: Die Stadt Ludwigsburg organisiert hier Veranstaltungen, hat eine eigene Kampagne entwickelt und ist selbstverständlich auch in Social Media aktiv. Dabei setzen wir auf ein Miteinander aller Verkehrsteilnehmenden. Carsharing und andere Sharing-Angebote werden wir weiter bewerben und die Anbieter bei offenen Fragen unterstützen. Ein Ziel dabei ist es, an wichtigen Orten im Stadtgebiet Mobilitätspunkte einzurichten, an denen die Menschen den Bus oder die Bahn und Angebote von Carsharing, E-Rollern und E-Scootern gleichermaßen nutzen können.
26.–27. September 2024 Ludwigsburg
Unterstützung für Menschen in sozialen Notlagen
(BS/Anja Sauer*) Die Landeshauptstadt München gehört zweifellos zu den wohlhabenderen Ballungszentren der Bundesrepublik. Trotzdem sehen wir an zahlreichen Plätzen Menschen, die ihr Leben in Obdachlosigkeit fristen. Doch wie kommt es dazu?
Sozial benachteiligte Menschen finden im Verein Aktion Brücke e. V. eine Anlaufstelle mit vielseitigen Hilfsangeboten. Foto: BS/wal_172619, pixabay.com – Zeitenwende für die Mobilität in Stadt und Land? –Weitere Information unter www.fokus-kommune.de
Neben dem Vereinssitz in Germering im Landkreis Fürstenfeldbruck sind wir vor allem im Stadtgebiet München aktiv. Der Verein ist unabhängig von Dachverbänden und finanziert sich ausschließlich durch Spenden und Fördermitgliedschaften. Die Tätigkeit des Vereins lässt sich im Wesentlichen in drei Bereiche gliedern: Obdachlosenhilfe, Straffälligenhilfe und Hilfestellung bei Suchterkrankungen. In der Obdachlosenhilfe versorgen wir die Ärmsten unserer Gesellschaft auf wöchentlichen Versorgungstouren im Stadtgebiet München mit dem Allernötigsten. So konnten wir inzwischen drei feste Touren im Osten, im Süden und im Zentrum der Stadt etablieren. An insgesamt acht Stationen verteilen unsere Teammitglieder warme Mahlzeiten, Heiß-
und Kaltgetränke, Lebensmittel für die unterwöchige Selbstversorgung, Hygieneartikel, Kleidung und Weiteres. Während wir vor allem Kleidung und Lebensmittel durch großzügige Spenden erhalten, bereiten wir viele Mahlzeiten selbst zu. Zusätzlich bieten wir an einer weiteren Station nur Kleidung an, um auch Bedürftigen, die nicht unmittelbar obdachlos sind, helfen zu können. Jedoch beschränken wir uns nicht auf die Versorgung unserer Gäste, sondern bieten auch Langzeitbetreuung an. Dies kann eine Unterstützung bei Behördengängen sein, aber auch das kontinuierliche vertrauliche Gespräch mit den Gästen. Denn nicht selten leiden Obdachlose zunehmend unter Einsamkeit, vor allem verursacht durch soziale Ausgrenzung.In der Straffälligen-
hilfe betreuen wir Inhaftierte und bieten ihnen mit unseren Besuchen oftmals den einzigen Kontakt zur Außenwelt. Wir helfen dabei, Perspektiven für ein Leben nach der Inhaftierung zu entwickeln und unterstützen nach der Entlassung bei der Suche nach einer Unterkunft sowie bei der gesellschaftlichen Reintegration. Zudem können Straffällige auch Sozialstunden bei uns ableisten und somit ein Teil unseres Teams werden. Oftmals verlieren Inhaftierte den Bezug zu einer Tätigkeit im geregelten Tagesablauf. Auch hier versuchen wir zu helfen. So können wir mithilfe einer professionell ausgestatteten Küche einen Beitrag zur beruflichen Reintegration leisten. Schließlich ist die Aktion Brücke e. V. im Bezirk des Oberlandesgerichts München auch zum Empfang von Geldzahlungen anlässlich der Verurteilung in Strafprozessen ermächtigt.
Hilfe bei Suchterkrankungen Unsere Hilfestellung bei Suchterkrankungen ist so verschieden, wie die Menschen vielschichtig sind, die zu uns kommen.
Zu Beginn steht hier oftmals ein offenes Ohr und das vertrauliche Gespräch. Im Rahmen einer ersten Analyse des Unterstützungsbedarfs stellen wir den Kontakt zu ärztlichen
und therapeutischen Einrichtungen her. Zudem unterstützen wir bei der Suche nach einer geeigneten Therapieeinrichtung. Die medizinische Versorgung Suchtkranker stellt hier den ersten Schritt in die Rückkehr in ein geregeltes Leben dar. Nach dem ärztlich begleiteten Entzug von einer Substanz oder nach dem Abschluss einer Therapie ist die Gefahr hoch, rückfällig zu werden und damit erneut durch Abhängigkeit sein soziales Leben zu verlieren. Hier bieten wir neben der Möglichkeit der aktiven Einbringung in unseren Verein die gemeinsame Entwicklung von Perspektiven für das zukünftige Leben unserer Gäste an. Denn häufig sind es das konkrete Ziel oder der manifestierte Wunsch des Einzelnen, die als Motivation für ein Leben in nachhaltiger Abstinenz dienen. Selbstverständlich stehen wir auch bei Rückfällen unterstützend zur Seite und vermitteln ärztliche Hilfe. Bei all unseren Engagements sind wir auf die Unterstützung unserer qualifizierten Teammitglieder und die Großzügigkeit der Gesellschaft angewiesen. So benötigen wir laufend Sach- und Geldspenden, um unser Hilfsangebot aufrechterhalten und weiter ausbauen zu können. Zudem freuen wir uns immer über neue Teammitglieder, die gemeinsam mit uns für Menschen da sein wollen, die oft am Ruin ihrer Existenz angekommen sind. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!
*Anja Sauer ist Erste Vorsitzende des Vereins Aktion Brücke e. V. zur Obdachlosenhilfe.
Gewalt, Hetze, Anfeindungen –bundesweit geraten kommunale Mandatsträger mitunter stark unter Beschuss. Jeder dritte ehrenamtliche Bürgermeister und sogar jede zweite ehrenamtliche Bürgermeisterin hat schon einmal die Erfahrung gemacht, wegen seines oder ihres Amtes beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen worden zu sein oder berichtet, dass dies jemandem aus dem privaten Umfeld passiert sei.
Finanzielle Situation erschwert das Regieren
Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Körber-Stiftung unter 1.549 ehrenamtlichen Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen, die im Februar dieses Jahres durchgeführt wurde und von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue vorgestellt wurde. „Wenn Bürgermeister oder Gemeinderäte bestimmte Reizthemen nicht mehr ansprechen, ihre Social-Media-Accounts löschen oder sogar ihr Amt oder Mandat niederlegen, um sich und ihre Familie vor Anfeindungen zu schützen, dürfen das Demokratinnen und Demokraten nicht einfach achselzuckend hinnehmen“, positionierte sich Steinmeier zu den Ergebnissen der Studie. Sein Appell: Zivilcourage beweisen und gerade in kleineren Städten und Gemeinden „Gesicht zeigen“.
Bundespräsident würdigt ehrenamtliche Mandatsträger
(BS/Anne Mareile Walter) Vor mehr als 80 ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern würdigte Frank-Walter Steinmeier deren Engagement und präsentierte parallel eine Umfrage zum kommunalpolitischen Ehrenamt.
Immerhin 28 Prozent der befragten Mandatsträgerinnen und -träger gaben in der Studie an, aufgrund von Anfeindungen und Gewalterfahrungen in der Vergangenheit schon einmal darüber nachgedacht zu haben, sich aus der Politik zurückzuziehen. „Wir müssen Amts- und Mandatsträger in den Kommunen besser schützen“, folgerte Steinmeier aus den Ergebnissen. Dabei zeichnet die Studie auch in anderen Bereichen ein problembehaftetes Bild. So sind 50 Prozent der Befragten mit den Rahmenbedingungen für die Ausübung ihres Bürgermeisteramtes unzufrieden. In Rheinland-Pfalz, das kommunal-
politisch überwiegend im Ehrenamt regiert wird, ist mit 63 Prozent die Unzufriedenheit besonders hoch. Grund dafür ist vor allem die mangelnde Unterstützung durch die Landes- oder Bundespolitik. 88 Prozent sagen, diese sei ‚weniger gut‘ bis ‚schlecht‘. Auch die finanzielle Situation erschwert das Regieren in vielen Kommunen. So bezeichnen 63 Prozent die finanzielle Situation ihrer Gemeinde als ‚weniger gut‘ bis ‚schlecht‘. In eine ähnliche Kerbe schlägt dieses Studienergebnis: 86 Prozent sehen finanzielle Engpässe als große Herausforderung für die Zukunft ihrer Gemeinde.
Behörden Spiegel: Frau Römhild, die nun vorgelegte Studie der Körber-Stiftung zeigt, dass es an vielen Stellen um die Rahmenbedingungen im kommunalpolitischen Ehrenamt schlecht bestellt ist. Warum haben Sie sich trotzdem für dieses Amt entschieden?
Sina Römhild: Ich habe aus einer eigenen Unzufriedenheit heraus für das Amt kandidiert. Ich wollte nicht nur meckern, sondern auch selbst meine Ideen einbringen. Motiviert hat mich, dass ich als Bürgermeisterin den Ort verschönern und verbessern, ihn innovativer und lebenswerter gestalten kann. In der Kommunalpolitik sieht man Ergebnisse relativ schnell und es ist einfach toll, wenn man im Ort etwas umsetzen konnte. Deshalb habe ich trotz Familie und 35-Stunden-Job nie gesagt, ich lass es wieder sein.
Behörden Spiegel: Ein Ergebnis der Studie istauch, dass ein Großteil der befragten Bürgermeisterinnen und
Gespräch mit Bürgermeisterin einer 600-Einwohner-Gemeinde
(BS/Anne Mareile Walter) Sina Römhild ist seit zwei Jahren ehrenamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde Oechsen in Thüringen. Im Interview mit dem Behörden Spiegel erzählt die 26-Jährige, inwiefern die Ergebnisse der Körber-Studie auch ein Spiegel ihres Amtsalltags sind.
Bürgermeister fehlende Haushaltsmittel als eine der größten Herausforderungen für die Zukunft betrachten. Wie ist die Situation in Ihrer Gemeinde?
Sina Römhild: Das kann ich für unsere Gemeinde bestätigen. Unsere finanzielle Ausstattung ist schon jetzt zu knapp, um alle Aufgaben vor Ort lösen zu können. In Thüringen werden die kleineren Gemeinden finanziell immer schlechter ausgestattet und deshalb wird es für unseren 600-Einwohner-Ort auch immer schwieriger, eigenständig zu sein. Lösbar wäre das Problem der fehlenden Finanzen nur, wenn wir uns einer größeren Gemeinde anschließen würden. Aber gerade das wollen wir nicht. Auch das Thema Fördermittel ist sehr diffizil. Es gibt zig
verschiedene Töpfe, auf die wir theoretisch zugreifen könnten. Aber als Bürgermeisterin habe ich praktisch nicht die Zeit, um mir einen Überblick zu verschaffen und diese Fördermittel dann auch tatsächlich abzurufen.
Behörden Spiegel: Für welche Projekte fehlt denn konkret das nötige Geld?
Sina Römhild: Da gibt es einige. Wir müssten zum Beispiel unseren Bauhof besser ausstatten und wir bräuchten dringend mehr Personal in der Verwaltung. Es fehlt auch an Geld, um den Ort besser zu pflegen und den Kitabetrieb aufrechtzuerhalten. Wir haben Personalengpässe in der Kita und dadurch beding-
Themenschwerpunkte 2024
Wenn Illegalität zur Normalität wird Spielfreude und Spielerschutz –wie kann eine Kanalisierung gelingen?
Lootboxen – Kinder- und Jugendschutz in digitalen Spielangeboten 26. / 27. Juni 2024
Glücksspielmarkt – Quo Vadis?
te außerplanmäßige Schließzeiten. Hinzu kommen marode Straßen und das Dorfgemeinschaftshaus muss saniert werden. Wir sind auf Fördermittel angewiesen, aber die Frage ist, in welcher Höhen wir sie am Ende tatsächlich bekommen.
Behörden Spiegel: Laut der Studie sind Anfeindungen und Gewalt gegen Amtsträger kein seltenes Problem. Haben Sie damit auch schon Erfahrungen gemacht?
Sina Römhild: Ich persönlich bin bisher glücklicherweise nicht angefeindet worden, aber ich habe schon von Kollegen gehört, denen Schweineköpfe vor die Haustür gelegt wur-
Weitere problembehaftete Themen, die die Studie zutage förderte: 71 Prozent der ehrenamtlichen Bürgermeister fürchten, dass in Zukunft nicht ausreichend geeignete Nachfolger für ihr Amt gefunden werden. 35 Prozent sehen im Rechtsextremismus für die kommenden Jahre eine große Herausforderung und 17 Prozent berichten von vermehrt demokratiefeindlichen Tendenzen, in Ostdeutschland sind es 24 Prozent.
Diskussionsrunde zeigte weitere brisante Themen Dass den ehrenamtlichen Bürgermeistern weitere Themen auf den Nägeln brennen, zeigte eine anschließende Diskussionsrunde mit dem Bundespräsidenten. „Bürokratischer Blödsinn“ beim Beantragen von Fördermitteln, Vereinbarkeit des Ehrenamtes mit Beruf und Familie, Schwierigkeiten beim Gewinnen von jungen Menschen für das Amt, Diskriminierung von Amtsträgern mit Migrationshintergrund: All diese Kritikpunkte brachten die geladenen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit in die Runde. Daneben hatten sie auch von positiven Erlebnissen zu berichten. So bezeichnete eine Bürgermeisterin aus Rheinland-Pfalz ihr Mandat als „unfassbar schönes Ehrenamt“ und eine niedersächsische Kollegin ergänzte: „Wenn man verliebt ist in den eigenen Heimatort, dann ist dieses Amt eine ideale Möglichkeit, um das zu zeigen.“
Als „Kraftquellen der Kommunen“ lobte Bundespräsident Steinmeier derweil die geladenen Gäste, denen er abschließend mit folgenden Worten dankte: „Ihre Leidenschaft, Ihre Tatkraft, Ihr Gemeinsinn, all das verdient größten Respekt und höchste Anerkennung.“
den. Womit ich allerdings zu tun habe: Als junge Mutter habe ich immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen. Ich bekomme etwa zu hören, dass ich meine Familie vernachlässige. Das ärgert mich, weil ich einfach nur meinen Job gut machen möchte. Deshalb bin ich aber noch lange keine Rabenmutter.
Behörden Spiegel: Ist Demokratiefeindlichkeit in Ihrer Kommune ein Thema und wenn ja, wie reagieren Sie darauf?
Sina Römhild: Demokratiefeindliche Tendenzen nehme ich schon wahr. Ich denke, das liegt daran, dass die Menschen mit der aktuellen Politik auf Bundes- und Landesebene unzufrieden sind, und wir Bürgermeister bekommen das als Erstes zu spüren. Ich versuche dann aufzuklären und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Mit Gesprächen kann man solche Tendenzen aus meiner Sicht am besten eindämmen.
www.deutscher-gluecksspielkongress.de
Bei ihrer Amtseinführung vor zwei Jahren zählte Sina Römhild zu den jüngsten ehrenamtlichen Bürgermeistern Deutschlands. Foto:
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KiTa Bremen ist ein städtischer Eigenbetrieb und zugleich Bremens größter Träger für Kindertagesbetreuung. Mit ca. 2.500 Mitarbeitenden betreibt KiTa Bremen insgesamt 89 Kinder- und Familienzentren und leistet einen wichtigen Beitrag zur flächendeckenden Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in der Stadt Bremen Der vorurteilsbewusste Umgang mit Diversität sowie die aktive Förderung von Teilhabe und Partizipation sind wesentliche Grundsätze des Selbstverständnisses von KiTa Bremen. Unsere Kinder- und Familienzentren nehmen sowohl die Kinder als auch deren familiäres Umfeld in den Blick und arbeiten nach den Prinzipien der Stadtteilorientierung mit Institutionen und politischen Gremien im Stadtteil zusammen.
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Wir suchen Spurenhinterlasser (w/m/d)!
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Mit Deiner Tätigkeit machst Du den Unterschied!
Alles, was wir als Mitarbeitende der Stadt Offenburg tun, hinterlässt Spuren bei den 62.000 Bürger*innen, für die wir arbeiten. Damit wir dies auch weiterhin tun können, suchen wir Menschen, die bereit sind, mit uns als Arbeitgeberin zusammen Spuren zu hinterlassen.
Denn es macht für die Menschen, die hier leben, einen Unterschied, ob wir unseren Job machen oder eben nicht.
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Bei uns begegnen Ihnen abwechslungsreiche, sinnstiftende Aufgaben und ein großer Gestaltungsspielraum.
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In dieser herausgehobenen Position obliegt Ihnen die Leitung des Dezernates II sowie die Funktion der allgemeinen Vertretung der Bürgermeisterin. Dem Dezernat zugeordnet sind das Amt für Stadtmarketing und Kultur, das Schulverwaltungsamt, das Sozialamt sowie das Jugendamt. Eine Änderung des Dezernatszuschnitts bleibt vorbehalten.
Die Wahlzeit beträgt acht Jahre. Die Besoldung erfolgt nach Besoldungsgruppe B 2 LBesG NRW zuzüglich Aufwandsentschädigung.
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Kultur und Kultureinrichtungen haben bei den Kommunen in Deutschland traditionell einen hohen Stellenwert. Nach dem zuletzt 2022 veröffentlichten Kulturfinanzbericht gaben die Städte und Gemeinden in Deutschland 5,7 Milliarden Euro im Jahr 2020 für Kultur aus. Damit trugen die Kommunen den größten Anteil (39,1 Prozent) neben den Ländern (38,6 Prozent) und dem Bund (22,4 Prozent) an den Kulturausgaben der öffentlichen Hand.
Dr. Ulrich Keilmann
leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat
Der Aufgabenbereich Kultur stellt überwiegend eine freiwillige Leistung dar. Die Angebote haben sich in Hessen nach § 10 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) grundsätzlich an der Leistungsfähigkeit der Kommune zu orientieren. Gleichwohl haben die Kommunen nach § 19 HGO die für ihre Einwohnerinnen und Einwohner erforderlichen kulturellen öffentlichen Einrichtungen in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bereitzustellen. Nach dem Landesentwicklungsplan Hessen haben darüber hinaus Oberzentren überregionale Kultur- und Wissenschaftsangebote vorzuhalten, während bei Mittelzentren die Angebote regional auszurichten sind. Für den Kommunalbericht 2023 beleuchteten wir die Wirtschaft-
Wir Kommunen brauchen frisches Geld“, eröffnet Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns die Tagung. Denn nur gestärkte Städte und Gemeinden könnten das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger stärken, so Kleine-Frauns
Da Politik für die Bevölkerung in den Kommunen erlebt wird, droht eine erneute Verschlechterung der Lage die aktuelle Unzufriedenheit vieler Menschen zu befeuern, während das Vertrauen weiter schrumpft. Angesichts der Finanznot vieler Kommunen appelliert Verena Göppert, Beigeordnete des Deutschen Städtetags und Dezernatsleiterin Finanzen, es müsse dringend zuerst die Finanzierung gesichert werden, ehe neue Aufgaben beschlossen würden. Ohne ausreichende finanzielle Ausstattung mutiere die kommunale Selbstverwaltung zur leeren Hülle, mahnt Christof Sommer an, Hauptgeschäftsführer des Städteund Gemeindebunds NRW. Es sei eine strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen bei gleichzeitiger Überlastung mit staatlichen Aufgaben zu beobachten, so Sommer weiter. Mit Sorge sieht er die Entwicklung der kommunalen Unternehmen: Konnten diese bisher den kommunalen Haushalt durch Mehreinnahmen unterstützen, so seien sie inzwischen selbst immer häufiger auf Investitionskapital angewiesen. Wie ernst die Situation ist, verdeutlichten Zahlen aus eigenen Umfragen, die Sommer präsentiert: Schätzten Städte und Gemeinden die eigene Finanzsituation durch-
„Kulturausgaben“
lichkeit von kulturellen Veranstaltungsorten bei sechs Sonderstatusstädten dreidimensional (Besucher, Erträge und Zuschussbedarf je Besucher) anhand der Auslastung von Theatern.
Zuschussbedarfe individuell prüfen
Die Untersuchung zeigte, dass die Theater in Bad Homburg v. d. Höhe, Fulda, Marburg sowie Rüsselsheim am Main vergleichbare Besucherströme aufwiesen.
Das Theater in Gießen hatte die meisten Besucher, die höchsten Erträge sowie allerdings auch den zweithöchsten Zuschussbedarf je Einwohner.
Den höchsten Zuschussbedarf je Besucher wies Rüsselsheim am Main mit 59 Euro auf. Bereits im Kommunalbericht 2012 hatten wir der Stadt Rüsselsheim am Main empfohlen, für Zwecke der Haushaltskonsolidierung ihren Theaterbetrieb auf den Prüfstand zu stellen. Neben dem Theater in Rüsselsheim am Main befinden sich weitere Theater in der näheren Umgebung. Die hessischen Großstädte Darmstadt, Frankfurt am Main und Wiesbaden sowie die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz liegen im Umkreis von 30 Kilometern und stel-
len mit ihren Theaterangeboten die entsprechende kulturelle Versorgung sicher. Die Überörtliche Prüfung empfiehlt allen Kommunen, die Zuschussbedarfe ihrer Kultureinrichtungen zu prüfen und vor dem
Hintergrund der Haushaltslage, der Verschuldung, des kulturellen Angebots in der Umgebung sowie eines ggf. absehbaren Sanierungsbedarfs der jeweiligen Einrichtung, ihr kulturelles Engagement regelmäßig zu hinterfragen.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Kommunalbericht 2023, Hessischer Landtag, Drucksache 20/11686 vom 21. November 2023, S. 70 ff. Der vollständige Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof. hessen.de abrufbar.
Besucher, Erträge und Zuschussbedarf je Besucher* der Theater 2019
*Die Kreisflächen und der Wert stellen den Zuschussbedarf in Euro je Besucher dar.
Quelle: BS/Rechnungswesendaten 2019, eigene Erhebungen; Stand: März 2023 | Grafik: BS/Spuling
Dringender Handlungsbedarf bei Kommunalfinanzen
(BS/Marlies Vossebrecker) Dass die Kommunalfinanzen in Deutschland keiner rosigen Zukunft entgegensehen, ist nichts Neues. Die Probleme sind bekannt: Die zu große Aufgabenlast trifft auf eine unzureichende finanzielle Ausstattung durch die Länder. Bei den ersten Lüner Gesprächen ging es um Lösungsansätze aus der Praxis und auch um die strittige Vollversorgerrolle des Staates.
Lünens Stadtkämmerer Dr. André Jethon beobachtet die konstante Steigerung der Kosten bei der Eingliederungshilfe mit Sorge. Foto: BS/Tim Schablitzki
schnittlich in den vergangenen fünf Jahren einschließlich 2023 noch überwiegend als gut ein, so bewerten sie die zu erwartende Finanzsituation für das laufende Jahr tendenziell schlecht und für die kommenden fünf Jahre ebenfalls sehr nachteilig.
Kommunen als Bundessozialamt?
Doch nicht nur die drückende Aufgabenlast bei zu geringen Finanzmitteln macht den Kommunen zu schaffen. Da sie in zunehmendem Maße auch zumindest in finanziel-
ler Hinsicht die soziale Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger übernehmen, sieht Professor Marc Hansmann , Vorstandsmitglied der enercity AG Hannover und Lehrbeauftragter an der LeibnizUniversität Hannover, sie in der Entwicklung zu einer Art „Bundessozialamt“. Nicht nur haben sich laut Hansmann die Ausgaben für Soziales und Jugend seit 1980 vervielfacht. Die Sozialausgaben verdrängten Investitionen, wie er am Beispiel der Stadt Hannover veranschaulicht: Betrug dort das Ver-
hältnis von Investitionen zu Sozialausgaben im Jahr 1973 noch drei zu eins, so hat es sich im Jahr 2020 ins Gegenteil verkehrt, mit den Anteilen eins zu drei.
Als potenziellen Ausweg zur Entlastung der Kommunen schlägt Hansmann vor, dass Bund und Länder die Kosten der Eingliederungshilfe zu 100 Prozent übernehmen. Dadurch ließe sich ein Entlastungsvolumen von rund 15 Milliarden Euro erzielen. Den Zahlungen zur Eingliederungshilfe steht auch Dr. André Jethon, Kämmerer der Stadt Lünen, kritisch gegenüber. Allerdings spricht er sich selbstverständlich für die soziale Teilhabe durch die Integration von Menschen aus, die eine Beeinträchtigung physischer oder psychischer Natur erleiden mussten. Er merkt an, dass eine immer größere Zahl an jüngeren Menschen und an Berufstätigen unter den Menschen mit Behinderungen zu verzeichnen sei. Seit dem Jahr 1981 hätten sich die Kosten im Bereich der Eingliederung vervierzehnfacht: Knapp 23 Milliarden Euro betrugen die Kosten bundesweit im Jahr 2021. Problematisch sei in diesem Zusammenhang, dass die Kosten teilweise bis zu 100 Prozent bei den Kommunen lägen, so Jethon. Dazu zählten etwa NRW,
Hessen, Bayern, Baden-Württemberg oder Thüringen. Die meisten übrigen Bundesländer trügen die entstehenden Kosten lediglich anteilig. Jethon stellt die vorsichtige Frage in den Raum, ob nicht möglicherweise zu viele Menschen in NRW Einlass in das System fänden. Dialog verspricht Erfolg Wie erfolgreich die Kooperation von Land und Kommunen ausfallen kann, wenn auf Dialog gesetzt wird, erklärt Dr. Ulrich Keilmann, Direktor des Hessischen Rechnungshofs, am Beispiel zweier Entschuldungsprogramme. Bereits im Jahr 2012 wurde ein kommunaler Schutzschirm etabliert. Das Land Hessen investierte rund drei Milliarden Euro und erwirtschaftete einen Konsolidierungseffekt in Höhe von etwa 27 Milliarden Euro. Einige Jahre später folgte dann die Hessenkasse, die den hessischen Kommunen gleichermaßen Möglichkeiten zu Entschuldung wie Förderung bietet. Auf diese Weise wurden laut Keilmann Kassenkredite abgelöst und Investitionen gefördert, wobei Kommunen mit überschaubaren Kassenkrediten diese wahlweise auch selbst ablösen könnten. Mehrfach betont Keilmann die Bedeutung des von Gleichwertigkeit geprägten Dialogs mit den Kommunen vonseiten des Landes. Wichtige Voraussetzungen bei der Entwicklung ähnlicher Programme nach dem Vorbild der Hessenkasse seien die doppische Buchung sowie sorgfältige Beratungs- und Kommunikationsangebote im Sinne des Prinzips: Kommunalaufsicht statt Kommunalnachsicht.
VIER FRAGEN – VIER ANTWORTEN
Interview mit Karin Welge, Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen
Foto: BS/Stadt Gelsenkirchen
Behörden Spiegel: Welche Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten ergeben sich für Gelsenkirchen als Austragungsort der Fußball-Europameisterschaft 2024?
Karin Welge: Zum Glück haben wir in Gelsenkirchen bereits viele Erfahrungen mit überregional beachteten Großveranstaltungen und internationalen Fußballspielen. In Gelsenkirchen kommen ein wunderbares Stadion, eine erprobte Infrastruktur und eine riesige Fußballbegeisterung zusammen. Das macht Gelsenkirchen zu einem besonderen Austragungsort der Europameisterschaft. Es ist ja kein Zufall, dass Gelsenkirchen bei allen Fußballweltmeisterschaften und Europameisterschaften, die in Deutschland ausgetragen wurden, dabei war.
Dennoch gibt es Herausforderungen wie etwa die Organisation der Fan Zones und der Fan Meeting Points, für die ein attraktives Programm mit Show Acts erstellt und auch Publing Viewing ermöglicht wird. Auch das Lenken der Fanströme in der Stadt muss organisiert werden. Nach der Auslosung der Spiele wurden die jeweiligen Fußball- und Fanverbände kontaktiert, um die weiteren Planungen anzugehen und zu konkretisieren.
Wichtige Aufgaben haben die 1.600 Volunteers, die aber auch erst mal gewonnen und für ihre Aufgaben geschult werden mussten. Die reichen von der Betreuung der Gäste des UEFA-VIP-Programms, aber auch der Fans in den Fan Zones, bis zur Unterstützung bei der temporären technischen Infrastruktur wie Strom- und Wasserversorgung. Dies sind nur ein paar der vielen, vielen Arbeiten, die im Hintergrund abliefen und dazu beitragen, dass alles rund um die Spiele möglichst reibungslos abläuft.
Zu den vier Spielen erwartet die Stadt eine sechsstellige Zahl an Fußballfans. Hotels, Pensionen und Privatunterkünfte sind vielfach schon ausgebucht. Darüber hinaus werden zahlreiche Campingtouristen erwartet. Für diese haben wir temporäre Campingplätze in vierstelliger Zahl geschaffen. Und die Besucherinnen und Besucher stimulieren natürlich Gastronomie, Handel und weitere Dienstleistungen.
Behörden Spiegel: Wie kann für die Sicherheit zum Schutz der zahlreichen Besucherinnen und Besucher gesorgt werden, etwa in den Fan Meeting Points?
Welge: Bei diesem Thema spielt für uns natürlich die Sicherheitspartnerschaft mit der Polizei die zentrale Rolle, da dort zentrale Stränge der Sicherheitslage zusammenlaufen.
Gelsenkirchen als Gastgeberstadt der Europameisterschaft
(BS) Gelsenkirchen freut sich als Gastgeberstadt auf internationales Publikum während der Fußballeuropameisterschaft.
Oberbürgermeisterin Karin Welge erklärt die Bedeutung als Austragungsort für die Stadt, gibt einen Überblick über die aufwendigen Vorbereitungen und betont, warum begleitende kulturelle Projekte eine Bereicherung sind. Die Fragen stellte Marlies Vossebrecker.
Blicken der Europameisterschaft 2024 mit Spannung und Vorfreude entgegen: Oberbürgermeisterin Karin Welge (rechts) und Christina Rühl-Hamers, Vorstandsmitglied des FC Schalke 04.
Mit unserem städtischen Referat für Öffentliche Sicherheit und Ordnung flankieren wir darüber hinaus die Aktivitäten der Polizei bei allen Veranstaltungen und Fan-Feiern im öffentlichen Raum.
Das Polizeipräsidium Gelsenkirchen hat umfassende Erfahrungen bei der Bewältigung von Fußballgroßereignissen aus dem Bundesliga- und internationalen Spielbetrieb. Eine eigene Projektgruppe koordiniert seit 2023 alle Fragen der Sicherheit, der Einsatztaktik, des Verkehrs und der Öffentlichkeitsarbeit. Und am Ende sind natürlich Fragen der Sicherheit eine Angelegenheit des Bundes und des Landes NRW. Zusätzlich zu den oben genannten Maßnahmen haben aber auch die Volunteers eine wichtige Aufgabe für das Sicherheitsgefühl unserer Gäste. Sie werden Fans aus der ganzen Welt willkommen heißen, Informationen und Ratschläge geben und Unterstützung leisten, wo Hilfe benötigt wird. Die Volunteers werden die sichtbaren „Gesichter“ und „hilfreichen Geister“ der jeweiligen Gastgeberstadt sein. Die Stadt Gelsenkirchen hat zudem ein Awareness-Konzept entwickelt, welches sich gegen jede Form von Diskriminierung, Gewalt und Grenzverletzung richtet. Dies ist unabhängig davon, ob es sich um sexistische, rassistische, homophobe oder vergleichbare Übergriffe handelt. Konzipiert wurde es in einer Zusammenarbeit zwischen dem EM-Büro, der Gleichstellungsstelle der Stadt, der Arbeiterwohlfahrt, der Diakonie, dem Gesundheitsamt sowie dem Mädchenzentrum Gelsenkirchen. Unterstützt wurde
die Konzeption durch Schalke und das Schalker Fan Projekt.
Behörden Spiegel: Welchen Stellenwert haben für Sie begleitende kulturelle Projekte, wie es zum Beispiel das Stadion der Träume ist?
Welge: Kulturelle Projekte sind sehr bereichernd für das Turnier – wir entwickeln in Gelsenkirchen so die Europameisterschaft zu einem nachhaltigen Ereignis, das in viele Bereiche der Gesellschaft ausstrahlt. Dazu gehört beispielsweise auch, dass wir bei Veranstaltungen vielen anderen Sportarten Möglichkeiten geben, sich zu präsentieren. Das Thema Sport und Bewegung haben wir in unsere Grundschulen getragen. Seit Monaten sind wir mit Trainerinnen und Trainern unterwegs und begleiten Sportstunden. Mich freut es sehr, dass die Botschafterin des Projekts FußballWeltmeisterin Steffi Jones ist. Sie hat über das Stadion der Träume gesagt, dass dort all die Werte gelebt werden, die für den Fußball und auch für das Leben unerlässlich seien, wie Teamgeist, Kreativität, der Glaube an sich selbst und der Wille, über sich hinauszuwach-
„Wenn die Stadt Gelsenkirchen als freundliche und herzliche Gastgeberstadt bei den Besucherinnen und Besuchern aus aller Welt in Erinnerung bleibt, ist schon viel erreicht.“
Foto: BS/Stadt Gelsenkirchen
sen. Ich finde, besser kann man es nicht auf den Punkt bringen. Fünf Wochen vor dem Anpfiff der UEFA EURO 2024 entsteht vor dem Musiktheater im Revier das Stadion der Träume. Gefördert von der Stiftung Fußball und Kultur EURO 2024 aus Mitteln des Bundes spielen rund 120 Kinder und Jugend-
liche dort vom 6. bis 27. Mai ein kreatives Turnier um ihre Träume.
Behörden Spiegel: Die Angebote im Zusammenhang mit den Spielen und das zugehörige Rahmenprogramm sollen kostenlos sein. Wie werden die entstehenden Kosten finanziert?
Welge: Die Kosten werden zunächst einmal weit überwiegend durch den städtischen Haushalt beglichen. Hier ist ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag für Kosten der Bereiche Mobilität, Sicherheit, Volunteering, Nachhaltigkeit, Fan Zones und Fan Services eingestellt. Für eine Stadt wie Gelsenkirchen ist es natürlich eine enorme finanzielle Herausforderung, aber wenn es ein gelungenes Fußballfest wird – und davon bin ich überzeugt, ist es gut investiertes Geld. Gelsenkirchen wird die Chance haben, sich international zu präsentieren, auch wenn sich die daraus resultierenden Effekte monetär nicht direkt beziffern lassen. Wenn die Stadt Gelsenkirchen als freundliche und herzliche Gastgeberstadt bei den Besucherinnen und Besuchern aus aller Welt in Erinnerung bleibt, ist schon viel erreicht. Wenn darüber hinaus die Bekanntheit der Stadt durch die Millionen von Fußballfans in aller Welt, die die TV-Übertragungen schauen, gesteigert wird, ist das ein immenser Imageeffekt für Gelsenkirchen. Nicht zuletzt wirkt eine solche Großveranstaltung auch nach innen. Das Sommermärchen 2006 ist heute noch vielen Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchenern positiv in Erinnerung als eine Zeit, in der durch die vielen internationalen Gäste eine besondere Atmosphäre in der Stadt herrschte, und das hat sie auch ein bisschen stolz auf ihre Stadt gemacht.
Köln, 22.-23.05.2024
Behörden Spiegel: Welchen aktuellen Herausforderungen sehen Sie sich als Ordnungsdezernentin der Landeshauptstadt Düsseldorf derzeit ausgesetzt?
Britta Zur: Der vielfältige Aufgabenbereich des Ordnungsamtes ist sehr umfangreich und komplex. Hinzu kommen immer wieder neue Herausforderungen, die auch durch den stetigen gesellschaftlichen Wandel begünstigt werden. Hier sind flexible Lösungen gefragt.
Aktuell beschäftigen uns das neue Cannabisgesetz sowie der steigende Crackkonsum. Beide Themen ziehen organisatorische Veränderungen nach sich, erfordern aber auch ein Umdenken. Weitere Herausforderungen die uns immer beschäftigen, sind Sicherheit und Sauberkeit, insbesondere im Bahnhofsumfeld. Dabei setzten wir stets auf enge Kooperationen mit der Polizei und anderen Behörden, um den Problemstellungen besser und effektiver begegnen zu können.
Behörden Spiegel: Der Gewalteskalation in der Düsseldorfer Altstadt wurde mit einem Sicherheitspaket entgegengetreten. Die erste Bilanz der Sicherheitsbehörden Ende Sommer 2023 fiel durchaus positiv aus. Welche Maßnahmen erachten sie als besonders effektiv? Gibt es Pläne, das Sicherheitspaket in diesem Jahr auszubauen?
Zur: Das Projekt Sicherheit in der Innenstadt wurde im Jahr 2022 konzeptioniert und gemeinsam mit dem Polizeipräsidium Düsseldorf und dem Innenministerium Nordrhein-Westfalen erfolgreich umgesetzt. Es wurden ganzheitliche präventive sowie ordnungs- und polizeibehördliche Maßnahmen etabliert und die behördenübergreifende Zusammenarbeit inten-
In Deutschland finden regelmäßig Großveranstaltungen statt. Die meisten davon wären ohne den Einsatz von Freiwilligen (sog. Volunteers) nicht durchführbar. Denken wir etwa an die geplanten World University Games 2025 an Rhein und Ruhr mit voraussichtlich 12.000 Freiwilligen oder den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2025 in Hannover mit etwa 5.000 Freiwilligen. In diesen Kanon reiht sich auch die größte Veranstaltung in diesem Jahr in Deutschland ein: die Fußball-Europameisterschaft der Männer. Hier werden ca. 16.000 Freiwillige zum Einsatz kommen und die Durchführung ermöglichen. Trotz der wohl größeren internationalen Bedeutsamkeit kamen die zwei in den letzten zwanzig Jahren in Deutschland durchgeführten Fußball-Weltmeisterschaften mit weniger Freiwilligen aus (Fußball-WM der Herren 2006: knapp 13.000 Freiwillige; FußballWM der Frauen 2011: knapp 3.000 Freiwillige). Mittlerweile sind die Einsatzfelder der Freiwilligen immer breiter geworden. Knapp 146.000 Personen bzw. 124 Nationalitäten haben sich auf einen freiwilligen Einsatz während der vom
Kommunale Sicherheit in Düsseldorf im Fokus
(BS) Kommunale Ordnungsdienste sind häufig die Ansprechpartner, wenn es um die Sicherheit vor Ort geht. Wie sich die Sicherheit in der Landeshauptstadt Düsseldorf verbessern ließe und wie man den Ruf von Ordnungsämtern ins Positive wandeln kann, verrät die Ordnungsdezernentin der Stadt Düsseldorf, Britta Zur. Die Fragen stellte Dr. Eva-Charlotte Proll.
„Der Ruf hat sich durch Transparenz und Aufklärung in den letzten Jahren stetig verbessert.“
siviert. Zum Erfolg des Projektes hat unter anderem die Einführung der Doppelstreife wie auch der Waffenverbotszone, die Optimierung der Beleuchtung und die Arbeit der Streetworker beigetragen. Ein Mosaik aus unterschiedlichen Maßnahmen ist der Weg zur Herstellung von Sicherheit und Ordnung. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger und die damit verbundene Aufenthaltsqualität in der Düsseldorfer Altstadt konnten verbessert werden. Der regelmäßige Austausch zwischen den Behörden ermöglicht eine kurzfristige Optimierung von Maßnahmen und die etablierten Strukturen und Kommunikationswege helfen uns dabei, auch in Zukunft auf gesellschaftliche Veränderungen und neue Herausforderungen im Bereich der kommunalen Sicherheit effektiv reagieren zu können.
Behörden Spiegel: Das Ordnungsamt hat in der breiten Bevölkerung nicht den besten Ruf. Gibt es Maßnahmen, um dies zu ändern?
Britta Zur (links), Ordnungsdezernentin der Stadt Düsseldorf, im Gespräch mit Dr. EvaCharlotte Proll Foto: BS/Proll
Zur: Das Ordnungsamt ist auch im Bereich der Verkehrsüberwachung tätig und ahndet Verstöße. Dies trifft bei den Verursachern naturgemäß nicht immer auf Verständnis. Bei der Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt es sich um einen Spagat zwischen Eingriffsund Serviceverwaltung. Zugleich wächst der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach Sicherheit und Ordnung, dem wir stetig durch mehr Personal, mehr Präsenz und Aufklärung gerecht werden.
Oftmals ist neben der Verkehrsüberwachung nicht bekannt, welche facettenreichen Aufgaben sich hinter dem Ordnungsamt verbergen. So sind wir maßgeblich an Veranstaltungen, Märkten, Messen usw. beteiligt sowie an der Gestaltung und Überwachung der Gastronomie und Terrassen. Um dieses vielfältige Tätigkeitsfeld in die Bevölkerung zu transportieren, präsentiert sich das Ordnungsamt z. B. auf der Blaulichtmeile und informiert über die Tätigkeiten in Schulen. Der Ruf hat sich durch Transparenz und Aufklärung in den letzten Jahren stetig verbessert.
Behörden Spiegel: Sie engagieren sich seit Jahren im Bereich Gewalt gegen Einsatzkräfte. Welche Ratschläge können sie Betroffenen geben? Welche Präventivmaßnahmen empfehlen sie, sodass Bedienstete erst gar keine Übergriffe erleben müssen?
Zur: Mit der Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind häufig Konflikte verbunden, bei denen Einsatzkräfte Opfer von verbalen oder körperlichen Aggressionen werden. Jede Einsatzkraft, die in Ausübung ihres Dienstes für die Allgemeinheit angefeindet, angegriffen oder sogar verletzt wird, erhält die größtmögliche Unterstützung durch die Vorgesetzten, damit Tatverdächtige ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden können. Mir ist es wichtig, dass alle Übergriffe gemeldet werden. Die Einsatzkräfte des Ordnungsamtes werden professionell in ihren Aufgabenbereichen geschult, um schwierigen Situationen besonnen und deeskalierend zu begegnen, aber auch um sich bei unvermeidbaren Übergriffen erfolgreich wehren zu können. Präventiv werden Ausrüstungsgegenstände fortlaufend auf Aktualität überprüft sowie neue präventive Instrumente implementiert, wie etwa Bodycams.
„Mir
ist es wichtig, dass alle Übergriffe gemeldet werden.“
Die Rolle der Freiwilligen bei der UEFA EURO 2024
(BS/Jan Holze) Knapp 29 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland auf verschiedenste Weise. Üblicherweise tun sie dies in über 615.000 Vereinen über einen längeren Zeitraum. Unabhängig von dieser immensen Zahl hat eine Form des Kurzzeit-Engagements in den vergangenen Jahren stark an Attraktivität zugenommen: das sog. Event-Volunteering.
Auf den vielen Public-Viewing-Events sind die örtlichen Veranstalter auf die Hilfe von ehrenamtlichen Kräften der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr angewiesen. Foto: BS/Ingo Bartussek, stock.adobe.com
14. Juni bis 14. Juli 2024 an zehn Orten stattfindenden EM beworben. Die Personalsuche begann bereits ein Jahr zuvor. Die Freiwilligen erhalten für ihren Einsatz, der jedes Mal sechs bis neun Stunden dauert, keine Entlohnung. Auch Reisekosten zum Einsatzort werden nicht erstattet. Für die Unterkunft muss jede und jeder selbst sorgen. Während des Einsatzes werden die Freiwilligen verpflegt, bekommen ein Ticket für den Nahverkehr und eine umfangreiche Ausstattung mit Bekleidung und Taschen. Diese dürfen sie nach dem Turnier behalten. Während des Einsatzes sind die Freiwilligen unfall- und haftpflichtversichert.
Die Einsatzmöglichkeiten der Freiwilligen sind vielfältig. Überall rund um das jeweilige Stadion, im Stadion sowie auf dem Weg dorthin werden die Freiwilligen an ihrer einheitlichen Kleidung erkennbar sein. Vorbereitet wurden sie auf ihren Einsatz in auf die jeweilige Position zugeschnittenen Fortbildungen. Darüber hinaus hat die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt mit Unterstützung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat eine Volunteer-Akademie aufgelegt. Diese ermöglicht es den Freiwilligen, sich in zahlreichen digitalen oder analog durchgeführten weiteren Qualifizierungsformaten fortzubilden. Dazu zählen unter anderem Erste-Hilfe-Kurse, Englisch-Intensiv- oder Gebärdensprachkurse.
Freiwillige als Bindeglied Der EM-Ausrichter sorgt mithilfe der Freiwilligen für den reibungslosen Ablauf des Turniers. Insgesamt 25 verschiedene Einsatzbereiche stehen zur Auswahl. Das sog. Accessmanagement unterstützt die Sicherheits- und Zutrittsteams beim Ein- und Auslass der Fans. Vorgelagert ist das Akkreditierungsteam, dass Akkreditierungen für Berechtigte wie Schiedsrichter, Spieler, Offizielle oder die Presse ausstellt. Sicherlich ein Highlight ist der Einsatz für Freiwillige im Rahmen der diversen Zeremonien. Allerdings bedingen diese oftmals lange Trainings- und Probenphasen. Einen
Führerschein sollten die Freiwilligen in den diversen Fahrdiensten mitbringen, um Gäste und Offizielle zwischen Veranstaltungsorten, aber auch Material zu transportieren. Den ersten Eindruck auf Fans werden die Freiwilligen in den Fan-Willkommenszonen hinterlassen. Hierfür werden mit Abstand die meisten Freiwilligen benötigt. Ihre Aufgaben bestehen im Zuschauerempfang und der Weitergabe von Informationen, damit die Zuschauerströme sicher und problemlos zum gewünschten Ziel gelangen. Vor und nach dem Spiel werden sich viele Fans in den Fanzonen einfinden, um gemeinsam zu feiern (oder sich zu trösten). Auch hier werden Freiwillige mit Informationen und Ratschlägen zum Aufenthalt in der Stadt eingesetzt.
Sicherheit durch Freiwillige Neben den Freiwilligen des Organisationskomitees gibt es zahlreiche weitere Engagierte in diversen weiteren Diensten während der EM. Hierzu zählt auch der Zivil- und Katastrophenschutz. Während der UEFA EURO 2024 werden unter anderem das Technische Hilfswerk (THW) oder das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit zahlreichen freiwilligen Ersthelferinnen und Ersthelfern unterstützen. Ihr Einsatzfeld erstreckt sich insbesondere auf den Notfall. Das THW ist mittels gemeinsamer Sicherheitskonzepte in die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren des
Behörden Spiegel: Sie waren von Dezember 2019 bis April 2022 Deutschlands jüngste Polizeipräsidentin. Gelsenkirchen ist dabei sicherlich kein einfaches Pflaster –wie bewerten Sie diese Zeit im Rückblick?
Zur: Meine Zeit in Gelsenkirchen war rückblickend sicherlich eine der prägendsten beruflichen Phasen in meinem Leben. Eine Zeit, die mit zweieinhalb Jahren zwar relativ kurz war, sich mir aber nachhaltig im Gedächtnis eingeprägt hat. Ich habe wahnsinnig viel gelernt, gelacht und geweint. Es waren teils dunkle, schwere Tage, teils aber auch tolle und schöne – und leider lag nahezu meine gesamte Amtszeit unter dem grauen Corona-Einfluss. Aus dieser intensiven Zeit habe ich noch viele Freunde und Bekannte zurückbehalten, für die ich sehr dankbar bin. Gelsenkirchen und all die Menschen dort – innerhalb wie außerhalb der Behörde – sind mir ans Herz gewachsen und sie werden immer ein Teil von mir sein.
Zivil- und Katastrophenschutzes wie z. B. der Feuerwehr eingebunden, wenn etwas passiert. Man denke etwa an einen Stromausfall oder einen Brand. Die Kräfte sollen schon vor Ort sein, um im Bedarfsfall schnell reagieren zu können und um einer langatmigen Alarmkette vorzubeugen. Die eigentlichen Freiwilligen des Organisationskomitees werden hierfür aufgrund fehlender Kompetenzen bzw. fehlender Einsatzmittel nicht herangezogen. Gleichwohl können diese Freiwilligen die Sanitätsdienste im konkreten Einsatz unterstützen, um etwa zum Einsatzort zu gelangen oder dabei zu helfen, Sprachbarrieren mit den internationalen Gästen zu überwinden.
Die Engagierten, unabhängig vom Einsatzgebiet, werden das Gesicht der UEFA EURO 2024 sein und das Bild der Gäste vom jeweiligen Austragungsort bzw. von Deutschland prägen. Umso wichtiger ist eine professionelle Auswahl, Schulung und Begleitung der Freiwilligen vor und während der EM. Die bislang stattgefundenen Kick-off-Veranstaltungen für die Freiwilligen versprechen genau das: Professionalität und Einsatzfreude. Damit kann es losgehen – Die UEFA EURO 2024 kann kommen.
Jan Holze ist seit 2020 Gründungsvorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Von 2016 bis 2020 gehörte er dem Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbunds an. Foto: BS/Benjamin Jenak
12.–13. Juni 2024
Hotel Adlon Berlin
Grafik: Lagunov, stock.adobe.com
29. Mai
11. Juli
HEssen Digital www.hedigital.de
BADENWÜRTTEMBERG
Baden-Württemberg 4.0 www.bw-4-0.de
5. September
26. November
31. Oktober
Rheinland-Pfalz 2024
Digitale Verwaltung Rheinland Pfalz www.dv-rlp.de
Plattformen mit regelmäßigen Online-Events
www.digitaler-staat.online
www.neuestadt.org
„Ichbin froh, dass wir den Digitalcheck live geschaltet haben. Alle Häuser haben sich verpflichtet, ihn einzusetzen und sie tun es auch“, bekräftigte der IT-Beauftragte der Bundesregierung und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), Dr. Markus Richter, auf dem Digitalen Staat. Durch einen Kabinettsbeschluss im August 2023 sei die Verbindlichkeit des neuen Werkzeugs gestärkt worden. Richter führte weiter aus: „Bei jedem Gesetzgebungsverfahren wird abgeklärt: Hat das einen IT-Bezug? Und wenn ja: Was muss ich beachten, damit es hinterher praxistauglich ist?“ Es würden oft schon diejenigen direkt am Anfang an den Tisch geholt, die später für die Umsetzung sorgen müssten. So könnten „ganz neue“ Erkenntnisse einfließen, schloss der CIO.
Gesetze werden visualisiert
Der Digitalcheck wurde am 1. Januar 2023 eingeführt und wird unter der Federführung des BMI in Zusammenarbeit mit dem DigitalService fortführend weiterentwickelt. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) nimmt eine prüfende Rolle ein. Aktuell gilt der Check für Vorhaben auf Bundesebene. Seine Methodik umfasst zwei Schritte: Erst wird analysiert, ob das Gesetzesvorhaben einen Digitalbezug hat. Im zweiten Schritt wird der Gesetzestext so digitaltauglich wie möglich verfasst. Ein Fragebogen, die begleitende Dokumentation und Visualisierung unterstützen diesen Prozess. Auch das von Richter benannte Expertenwissen aus der Praxis fließt hier ein. Dabei orientiert sich der Digitalcheck an fünf Prinzipien: (1) Digitale Kommunikation sicherstellen, (2) Wiederverwendung von Daten und Standards
ermöglichen, (3) Datenschutz und Informationssicherheit gewährleisten, (4) Klare Regelungen für eine digitale Ausführung finden und (5) Automatisierung ermöglichen.
Der Visualisierung des Vollzugsprozesses kommt dem NKR zufolge eine entscheidende Rolle zu. In Flussdiagrammen werden die einzelnen Schritte eines Gesetzesvorhabens konkret dargestellt. Dadurch würden Digitalisierungshürden sichtbar, erklärt der NKR. „Die Visualisierung soll helfen, zu verstehen: Wie sind die Abläufe, woher kommen die Informationen und wer
ist dafür zuständig?“, verdeutlicht Malte Spitz, Mitglied des NKR. Abgeordnete könnten so schnell verstehen, welche Änderungen gerade vorgenommen werden.
Die Mitwirkenden des Digitalchecks ziehen nach einem Jahr eine sehr positive Bilanz. So hätten sich bereits konkrete Erfolge gezeigt, zum Beispiel die Streichung der Schriftformerfordernis beim Familienstartzeitgesetz. Im Fall der Kinderzuschlag-Datenabrufverordnung (KiZDAV) habe der Digitalcheck bereits die Datenabrufverfahren verbessert, sodass die Familienkassen
„Bei jedem Gesetzgebungsverfahren wird abgeklärt: Hat das einen IT-Bezug? Und wenn ja: Was muss ich beachten, damit es hinterher praxistauglich ist?“
Dr. Markus Richter, CIO Bund
auf die Kindergelddaten für die Bearbeitung des Kinderzuschlags zurückgreifen konnten. Die Anwendungsquote des Digitalchecks bei neuen Gesetzen sei im Jahr 2023 kontinuierlich angestiegen und liege mittlerweile bei über 80 Prozent, berichtet der DigitalService. „Nach nur einem Jahr ist das ein starkes Zeichen, dass wir die Aufgabe erfolgreich in die Arbeitsprozesse der Legistinnen und Legisten integrieren konnten“, bekräftigt eine Sprecherin des BMI auf Anfrage. Zusätzlich seien die Rückmeldungen von Legisten insgesamt positiv
ausgefallen. Die Angebote rund um den Digitalcheck seien ebenfalls gut angenommen worden und auch der Einsatz der Visualisierungen nehme stetig zu, teilt der DigitalService mit. So wurde im dritten Quartal von 2023 bei knapp einem Drittel aller Regelungsvorhaben mit Digitalbezug eine Visualisierung erarbeitet. Bei rund 60 Prozent der geprüften Regelungsvorhaben sei ein Digitalbezug festgestellt worden, informiert der NKR in seinem Jahresbericht 2023. Dabei bezieht er sich auf Daten der ersten Jahreshälfte 2023. Außerdem bestätigt der Rat: Als Teil
(BS/Mirjam Klinger/Anna Ströbele) Nach einem Jahr der Anwendung ziehen das Bundesinnenministerium (BMI), der DigitalService des Bundes GmbH und der Nationale Normenkontrollrat (NKR) eine positive Bilanz zum Digitalcheck. Dieser wurde entwickelt, um Gesetzesvorhaben auf ihre digitale Umsetzbarkeit zu prüfen, und ermöglicht es, Digitalisierungshindernisse von Anfang an zu vermeiden.
des erweiterten Digitalchecks werden oftmals Fachexperten sowie Betroffene einbezogen. Allerdings biete der Digitalcheck nicht nur Chancen, sondern stelle die Ressorts vor neue Herausforderungen: Das Denken in Prozessen sowie die zuvor erläuterte Methode der Visualisierung seien für Legisten eine neue Vorgehensweise, so der NKR. Dieser „elementare Kulturwandel in der Gesetzgebung“ gelinge nicht von heute auf morgen. Außerdem benennt der NKR in seinem Jahresbericht den derzeitigen Trend, weniger Zeit für die Gesetzgebung zu benötigen. Dieser stehe der ausführlichen Überprüfung auf Praxistauglichkeit entgegen. Zwar habe eine frühe Untersuchung des NKR gezeigt, dass Legisten für die reine Dokumentation „deutlich weniger als eine Stunde“ brauchten –die gewünschte Visualisierung von Prozessen dürfte allerdings aufwendiger sein. Als nächsten Schritt soll die Wirkung des Digitalchecks skaliert werden. Der DigitalService will dazu die Wirksamkeit der Werkzeuge und Unterstützungsangebote weiter erhöhen und in eine breitere Anwendung kommen. Die Zielsetzung des BMI für 2024 sieht unter anderem vor, die positiven Effekte digitaltauglicher Regelungen durch konkrete Beispiele zu verdeutlichen. Außerdem sollen im laufenden Jahr die Qualität und Quantität der Visualisierungen erhöht werden. Hierzu werde aktuell ein digitales Tool getestet, welches Legisten bei der Auswahl geeigneter Visualisierungsmethoden unterstütze. Doch nicht nur die Bundesministerien kennen den Digitalcheck. Mittlerweile ist das Instrument auch auf Landesebene verbreitet: Acht Bundesländer haben bereits eigene
Digitalchecks eingeführt, darunter Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Hessen. Weitere Länder wie Schleswig-Holstein und Bayern ziehen nach. Dabei stützten sich viele auf die Herangehensweise auf Bundesebene, informiert der DigitalService. Der neue Länderindex des Bitkom zeigt: Es lohnt sich, einen Digitalcheck einzuführen. Denn im Digital-Ranking wirkt sich das Vorhandensein eines Digitalchecks positiv auf den Digitalisierungsgrad eines Bundeslandes aus. Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst bezeichnete den Check daher jüngst als „wichtiges Instrument“.
Internationales Interesse
Und sogar von außerhalb der Bundesrepublik zeigt sich Interesse am deutschen Ansatz für digitaltaugliche Gesetzgebung. In seiner Jahresbilanz zum Digitalcheck erläutert der DigitalService, man habe bereits einzelnen Ländern wie Dänemark und Großbritannien die eigenen Erfahrungen vorgestellt. Auch mit der Europäischen Kommission gebe es einen engen Austausch, detailliert das BMI. Als Good Practice diene der Digitalcheck auch im internationalen Kontext als Orientierungspunkt.
Im Vergleich mit früheren Neuerungen im Gesetzgebungsprozess habe der Digitalcheck sehr schnell eine breite Akzeptanz und Anwendung erreicht, teilt der NKR mit. Dennoch sei es zu früh, um konkrete Schlussfolgerungen anhand quantitativer oder qualitativer Kriterien zu ziehen. Diese würden sich in den kommenden Jahren zeigen. Bis jetzt zumindest scheint das Projekt „Digitalcheck“ von Erfolg gekrönt zu sein – als bringe es echten Fortschritt in die digitale Transformation von Deutschland.
Zu finden ist sie im virtuellen Reallabor smartBRIDGE Hamburg, das im Januar 2024 startete. Darin dreht sich alles um den digitalen Zwilling als virtuelles Abbild der realen Köhlbrandbrücke. Mithilfe simulierter Daten kann hier erkundet, erlebt und verstanden werden, wie ein digitaler Zwilling arbeitet und welche Vorteile er bringt. Was heute noch fiktiv und simuliert geschieht, soll morgen in Echtzeit und mit realen Daten funktionieren. Davon wird dann auch die Freie und Hansestadt Hamburg profitieren, die für diese Brücke verantwortlich ist.
Digitale Zwillinge heben das Betreiben und Erhalten von Verkehrswegen und Bauwerken auf eine neue Evolutionsstufe. Sie machen vieles effizienter, schneller und leichter. Und sie helfen, die Lebensdauer von Bauwerken entscheidend zu verlängern, weil Schäden rechtzeitig identifiziert und behoben werden können. Digitale Zwillinge erkennen zum Beispiel, ob der Betonüberbau einer Brücke Risse bekommen hat, der Stahl durchgerostet ist oder sich auf der Fahrbahn Spurrinnen gebildet haben. Für das Beobachten und Erkennen wird der digitale Zwilling mit dem realen Bauwerk vernetzt und gekoppelt. Über Sensoren, die an der Brücke installiert sind, bekommt das virtuelle Modell Echtzeitdaten zu Zustand und Verhalten. Hinzu kommen die Daten aus der regelmäßigen Bauwerksprüfung und -diagnostik. Durch das digitale Zusammenspiel dieser Informationen können das Verhalten der Brücke prognostiziert, Belastungen und Schwachstellen erkannt und Defizite beseitigt werden.
Seit dem Frühjahr 2024 steht unter anderem ein neues dreidimensionales Stadtmodell der Hansestadt frei zur Verfügung, in das Planungsdaten für das gesamte Stadtgebiet Hamburgs integriert werden können. Entwürfe neuer Bauwerke werden so für Planerinnen und Planer genauso wie für betroffene Anwohnerinnen und Anwohner anschaulich visualisiert. Auswirkungen neu geplanter Gebäude auf die Umwelt und auf städtisches Leben lassen sich so besser einschätzen – vom veränderten Verkehrsfluss bis zum Schattenwurf. Das innovative 3D-Stadtmodell ist einer von mehreren Bausteinen des geplanten digitalen urbanen Zwillings, den der Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung (LGV) im Auftrag des Hamburger Senats entwickelt. Konkret ist nicht nur ein Zwilling, also ein einziges digitales Abbild der Stadt, sondern ein Verbund diverser, zielgruppenspezifischer Fachzwillinge vorgesehen. Diese Fachzwillinge basieren alle auf einer gemeinsamen technischen Infrastruktur, der sogenannten Urban Data Plattform Hamburg. Die vom LGV seit 2017 stetig weiterentwickelte Plattform verfolgt den Ansatz, Daten aus unterschiedlichsten Fachsystemen über standardisierte, offene Schnittstellen zu verknüpfen und somit einfacher nutzbar zu machen. Dem Open-Data-Prinzip folgend löst die Stadt Hamburg auf diesem Weg die Problematik sogenannter Daten-Silos, die bislang den Zugriff auf zwar vorhandene, aber oftmals nicht für alle relevanten Zielgruppen abrufbare Datensätze verhindern. Der Zugang kann zwar aus regulatorischen Gründen nur auf Mitarbeitende der Hamburger Verwaltung begrenzt werden. In der Regel sind die Datensätze aber öffentlich mit automatisierter Registrierung im Hamburger Transparenzportal abrufbar. Über die gemeinsame Urban Data Plattform führt der Hamburger Senat so ver-
Digitale Zwillinge für effizientes Betreiben und Erhalten
(BS/Volker Wissing) Der Himmel verdunkelt sich, Regen setzt ein, der Wind wird immer stärker: Über der Hamburger Köhlbrandbrücke zieht ein Orkan auf. Das beansprucht das Bauwerk und beeinträchtigt die Verkehrssicherheit. Für Lkws, Pkws mit Anhänger und Wohnmobile sollte die Brücke gesperrt werden. Das klingt bedrohlich, ist aber nur eine Simulation.
Für das Erhalten und Betreiben von Brücken spielen digitale Zwillinge künftige eine wichtige Rolle. Am Beispiel der Köhlbrandbrücke kann derzeit in einem digitalen Reallabor erkundet werden, wie das funktioniert. Foto: BS/Mattoff, stock.adobe.com
Diese Vorteile wollen wir nicht nur für Bauwerke wie Brücken, sondern für das Gesamtsystem Bundesfernstraßen nutzen. Mit der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) sowie Akteuren aus Verwaltung und Wissenschaft wurde dafür ein Definitionspapier erstellt. Darin enthalten ist nicht nur eine abgestimmte Definition, es wird auch auf die Beziehung zur Methode Building
Information Modeling (BIM) eingegangen. BIM trägt dazu bei, dass digitale Zwillinge die Bauwerksdaten bekommen, die sie benötigen. Bei BIM werden alle planungs-, bauund betriebsrelevanten Informationen über ein Bauprojekt von Anfang an digital zusammengeführt. Daraus wird ein vernetztes, strukturiertes Datenmodell erstellt, an dem alle Beteiligten zeitgleich und gemeinsam arbeiten können. Planungen und Arbeiten werden so besser aufeinander abgestimmt, niemand kommt sich mehr in die Quere. Durch diese neue Form der Zusammenarbeit kann effizienter, wirtschaftlicher und nachhaltiger geplant und gebaut werden. Bei den Verkehrswegen führen wir BIM deshalb als Standard flächende-
Vernetzte digitale Zwillinge bieten Potenziale für eine bürgernahe Stadtplanung
(BS/Jannis Beckermann/André Stark) Mithilfe digitaler urbaner Zwillinge lassen sich Städte und ihre Entwicklungsdynamiken in vielfältiger Weise realitätsnah abbilden und für Bürgerinnen und Bürger erlebbar machen. Dies birgt weitreichende Potenziale nicht zuletzt bei der Planung neuer Bauvorhaben im urbanen Raum. Als Teil des Modellprojekts „Connected Urban Twins“ treibt der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg die Nutzung digitaler Zwillinge vor allem in der integrierten Stadtentwicklung aktiv voran – zum Beispiel bei digitalen Beteiligungsverfahren.
Ein Vergleich zur Überlagerung des Planungszwillings und des digitalen Zwillings zeigt die verschiedenen Ebenen. Foto: BS/LGV
Jeder kann onlinen Blick auf das digitale Hamburg werfen. Foto: BS/LGV
schiedenste Daten unterschiedlicher Herkunft zusammen und macht sie für diverse Zwecke niedrigschwellig nutzbar. Das Modell des Hamburger Digitalzwillings setzt dabei auf einen sogenannten Geobasiszwilling als
einheitliche Grundlage. Alle bereitgestellten Daten haben also in der Regel einen Orts- oder Raumbezug und können in eine kartografische Darstellung oder in das 3D-Stadtmodell integriert werden. Der Bandbrei-
Dr. Volker Wissing ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Bundesminister für Digitales und Verkehr. Foto: BS/Denzel Jesco, Bundesregierung
ckend und einheitlich ein. Nachdem der simulierte Orkan über Hamburg abgezogen ist, beruhigt sich die Lage an der Köhlbrandbrücke wieder, der Verkehr fließt sicher. So zeigt es das digitale Abbild im Reallabor smartBRIDGE Hamburg. Dieses Projekt macht digitale Zwillinge anschaulich und verständlich – und zwar für jeden, der daran Interesse hat. Von den Erfahrungen, die dabei gesammelt werden, profitieren auch andere Projekte. Zum Beispiel die Nibelungenbrücke in Worms. Mit einem weiterentwickelten Modell sollen hier die Kenntnisse und Fähigkeiten des digitalen Zwillings der Köhlbrandbrücke funktional erweitert und anschließend praktisch nutzbar gemacht werden. Der Fortschritt geht weiter, eine Erfolgsgeschichte wird geschrieben. Denn die digitalen Möglichkeiten, die Infrastruktur nachhaltig, langlebig und resilient zu gestalten, überzeugen einfach. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie den Arbeitsalltag erleichtern und Jobs attraktiver machen. Damit helfen sie, die dringend benötigten Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Es lohnt sich also, auf mehr Digitalisierung zu setzen.
Jannis Beckermann (li.) ist Verwaltungswissenschaftler und Mitarbeiter in der Präsidialabteilung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) der Freien und Hansestadt Hamburg. Foto: BS/privat
André Stark ist Pressesprecher und Leiter des Referats Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) der Freien und Hansestadt Hamburg. Fotos: BS/Felix Amsel
te der kombinierbaren Datenarten sind dann kaum Grenzen gesetzt, solange die Vorgaben des Datenschutzrechts eingehalten werden. Digital zusammenführen lassen sich zum Beispiel statistische Daten zur Bevölkerungsentwicklung, Bebauungspläne, Echtzeitdaten des Straßenverkehrs sowie Daten, die Nutzerinnen und Nutzer selbst generieren (sogenanntes Crowdsourcing), wie etwa Informationen zur Radwegnutzung oder Meldungen zur öffentlichen Infrastruktur über den „Melde-Michel“. Am Ende steht ein Baukasten unterschiedlichster Informationen, deren Kombination im System der urbanen Zwillinge auch komplexe Analysen für das Hamburg der Zukunft ermöglicht. Praktischen Nutzen entfaltet dies nicht nur in der
Stadtentwicklung, sondern auch bei der Planung neuer Kitas und Schulen oder bei der Ausgestaltung einer nachhaltigen Energieversorgung. Weil bei Bedarf Daten aus der Vergangenheit gespeichert bleiben, können Nutzerinnen und Nutzer zudem langfristige Entwicklungen zuverlässig nachvollziehen. Das System der vernetzten urbanen digitalen Zwillinge bleibt dabei eine Daueraufgabe für Stadt und Verwaltung. Daten werden regelmäßig aktualisiert und erweitert, um Nutzerinnen und Nutzern den bestmöglichen Mehrwert zu bieten. Zudem lassen sich durch Vernetzung und einheitliche Standards über Stadtund Landesgrenzen hinaus zusätzliche Synergieeffekte erzielen. Die Stadt Hamburg konnte hier neben dem Modellvorhaben der „Connected Urban Twins“ an einem weiteren erfolgreichen Pilotprojekt entscheidend mitwirken. In Kooperation mit dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie wurde bereits seit 2021 die Metropolregion Hamburg für den „Digitalen Zwilling Deutschland“ dreidimensional erfasst.
So kann ein digitaler Zwilling dazu genutzt werden, um Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu planen. Ein Beispiel hierfür sind Starkregenereignisse und die mit ihnen verbundenen Auswirkungen. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit eröffnet sich in der Waldbewirtschaftung. Der digitale Zwilling kann für das großflächige Monitoring des Baumbestandes in Deutschland verwendet werden.
Starkregengefahren
Extreme Wetterereignisse treten unter dem Einfluss des weltweiten Klimawandels in den letzten Jahrzehnten zunehmend häufiger und intensiver auf. Neben Hitzewellen und Dürren rücken insbesondere Starkregenereignisse sowie deren Folgen in den Fokus. Die bei solch einem Ereignis auftretenden Niederschlagsmengen können in kürzester Zeit derart hoch ausfallen, dass es auch abseits von Gewässern zu katastrophalen Überflutungen mit hohem Schadenspotenzial kommt.
Mit einem digitalen Zwilling lassen sich beispielsweise Starkregengefahrenhinweiskarten erstellen, um Gefahren besser abschätzen zu können und um konkrete Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Dafür werden die Ausmaße eines durch Starkregen verursachten Hochwassers simuliert und visualisiert. Diese Berechnungen für unterschiedliche Niederschlagsmengen liefern mögliche Überflutungshöhen und Fließgeschwindigkeiten. Sie können somit helfen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Schadensausmaß zu verringern.
In Deutschland existieren bereits für viele Gebiete unterschiedliche Hinweiskarten zu Starkregengefahren. Zumeist geben einzelne Kommunen oder Länder sie in Auftrag. Sie decken aber nur Teile des Bundesgebietes ab und unterscheiden sich teilweise in den zugrunde liegenden Daten sowie in den Kartendarstellungen.
Aktuell verbleiben großflächige Gebiete, für die es keine Karten gibt. Außerdem machen Starkregen und Sturzfluten keinen Halt vor administrativen Grenzen. Daher werden andere Systeme mit vergleichbaren Ergebnissen für das gesamte Bundesgebiet benötigt, wie den digitalen Zwilling, der auch für andere Einsatzgebiete eine echte Bereicherung ist.
Ein zweites Beispiel widmet sich der Waldgesundheit. Das Thü-
Eine virtuelle Kopie der Bundesrepublik
(BS/Prof. Dr. Paul Becker) Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) entwickelt, einen digitalen Zwilling für ganz Deutschland. Klingt ambitioniert, ist es auch. Aber die Vorteile liegen auf der Hand: Politik und Bundesverwaltung erhalten verlässliche 3-D-Daten als Entscheidungsgrundlage für Planungen in vielen Bereichen wie z. B. Energie, Verkehr, Umwelt und Innerer Sicherheit.
nen-Institut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) untersucht den Zustand und die Entwicklung der Wälder in Deutschland. Bäume spielen eine entscheidende Rolle bei der Kohlenstoffspeicherung, Wasserversorgung und Stadtklimaregulierung. Gemäß der Bundeswaldinventur gibt es in deutschen Wäldern etwa 7,5 Milliarden Bäume. Zusätzlich existiert eine beträchtliche Anzahl von Bäumen in offenem Land und in Siedlungsgebieten, deren genaue Anzahl bisher unbekannt ist. In Zusammenarbeit mit dem Thünen-Institut führt das BKG eine Pilotanwendung zur Baumkroneninventur mit dem digitalen Zwilling durch. Die Erdoberfläche – und damit auch alle Baumkronen – werden mittels der Fernerkundungsmethode des Airborne Laserscannings (ALS) erfasst. Das ermöglicht eine deutschlandweite Auswertung der Vegetationsstruktur. Die Daten werden hierzu nach Landschaftselementen wie Vegetation und Gewässer etc. klassifiziert und Einzelbäume identifiziert. Parameter wie Baumhöhe, Kronendurchmesser und Biomasse lassen sich aus dieser 3-D-Erfas-
sung ableiten. Zukünftig soll ergänzend untersucht werden, ob jeder
auch eine Baumart
zugewiesen werden kann. Mithilfe der ALS-Daten aus der Metropolregion Hamburg haben das BKG
und das Thünen-Institut bereits demonstriert, wie solche Baumeigenschaften abgeleitet werden können, um einen Überblick über den vollständigen Baumbestand zu erhalten. Der „Digitale Zwilling Deutschland“ und seine hochaufgelösten 3-D-Daten modernisieren somit die Forstinventur und liefern wichtige Informationen zur Biodiversität und Ressourcennutzung in Deutschland. Dies sind nur einige Beispiele. Das BKG wird mit dem „Digitalen Zwilling Deutschland“ der gesamten Bundesverwaltung dauerhaft eine innovative Dienstleistung anbieten können. Ausgewählte Anwendungsfälle werden von Beginn an gemeinsam mit und für Projektpartner aus der Bundesverwaltung umgesetzt, um diese Dienstleistung bedarfsgerecht aufzubauen. Die ersten Projektergebnisse sind vielversprechend, sodass der digitale Zwilling sich zu einem verlässlichen Instrument zur Gestaltung Deutschlands entwickeln kann.
Ob Kommunen oder kommunale Unternehmen: Wir fördern Ihre nachhaltigen Ideen rund um neue Energien. Neugierig? Wir beraten Sie gerne persönlich.
OZG 2.0
(BS) Der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung hat im Bereich der gesetzgeberischen Rahmensetzung einen deutlichen Dämpfer erfahren. Das „Gesetz zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes sowie weiterer Vorschriften zur Digitalisierung der Verwaltung“ – kurz OZG-Änderungsgesetz (OZGÄndG) –erhielt am 22. März im Bundesrat nicht die erforderliche Zustimmung der Länder. Ebenso verwehrte das „Parlament der Landesregierungen“ die Anrufung des Vermittlungsausschusses, welche jedoch wenige Wochen später durch den Bund initiiert wurde. Hier kommentieren zwei Digitalverantwortliche der Länder das vorläufige Scheitern des sogenannten OZG 2.0.
Gedrosselt und gegängelt: Wie das OZG-Änderungsgesetz Länder und Kommunen belastet
Vorwärts auf dem gemeinsamen Digitalisierungspfad statt politische Spielchen
Erste DMK in Potsdam (BS/sp) Um neue Impulse im Transformationsprozess zu setzen, fand Mitte April am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam unter Vorsitz der Länder Brandenburg und Berlin die erste Digitalministerkonferenz (DMK) statt.
sich mit einem solch erwartbaren Abstimmungsergebnis selbst in der Umsetzung drosselt und mangels Beteiligungsoptionen die Länderinteressen gängelt. Auch der IT-Planungsrat ist durch den Gesetzentwurf ungenügend eingebunden.
Ein Gastkommentar von Prof. Dr. Kristina Sinemus, Hessische Ministerin für Digitalisierung und Innovation Foto: BS/Hessische Staatskanzlei/Paul Schneider
Vorab sei bemerkt: Hessen ist nicht an einer langfristigen Verzögerung des Inkrafttretens des OZG-Änderungsgesetzes interessiert. Das Gesetz ist für die weitere Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung notwendig. Es muss jedoch für alle föderalen Ebenen in Deutschland gangbar sein. Bund, Länder und Kommunen haben sich vielfach dazu bekannt, die Verwaltungsdigitalisierung als gemeinsame Aufgabe anzunehmen. Im Hinblick auf die Finanzierung der Verwaltungsdigitalisierung wirkt dies von Seiten des Bundes jedoch wie ein bloßes Lippenbekenntnis: Mit dem aktuellen Gesetzesentwurf überlässt er die finanzielle Verantwortung nahezu vollständig den Ländern und Kommunen. Das ist inakzeptabel. Verwaltungsdigitalisierung in der Bundesrepublik Deutschland ist eine g e meinsame Aufgabe: Viele Verwaltungsleistungen werden durch die Kommunen vollzogen. Hessen und seine Kommunen nehmen ihre Verantwortung wahr und wir fordern, dass sich auch der Bund seiner Verantwortung in finanzieller Hinsicht bewusst ist und dieser nachkommt.
Beratungsresistenz der Bundesregierung
Der Bundesrat hat in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass Anpassungen im OZGÄndG notwendig sind, um die Verwaltungsdigitalisierung erfolgreich voranzutreiben. Diesen Vorschlägen und Anpassungen ist die Bundesregierung nicht gefolgt. In einem gemeinsamen CIO-Papier der Länder wurde neben der Finanzierungsfrage auch die Berücksichtigung der Länderbeteiligungsrechte thematisiert. Diese Forderungen blieben durch den Bund unbeachtet. Es ist aus hessischer Sicht nicht nachvollziehbar, weshalb die Bundesregierung
Hessen will keine Insellösungen –aber Beteiligung auf Augenhöhe Den Zentralisierungskurs des Bundes in der Verwaltungsdigitalisierung lehnen wir in Hessen konsequent ab. ITStandards sind ein wichtiges Instrument im Rahmen der Verwaltungsdigitalisierung. Diese Standards müssen jedoch konsensual zwischen den beteiligten Akteuren abgestimmt und nicht vom Bund zentralistisch vorgegeben werden. Ansonsten werden diese Standards wirkungslos bleiben. Hessen will keine Insellösungen, aber eine Beteiligung auf Augenhöhe unter Wahrung der Beteiligungsrechte von Ländern und Kommunen. Der vereinbarten Interoperabilität zwischen Bund- und Länderinfrastrukturen wird mit diesem Gesetzesentwurf nicht Rechnung getragen. Das OZGÄndG ist für die weitere Umsetzung zweifelsohne notwendig. Es beinhaltet wesentliche gesetzliche Regelungen etwa im Bereich des Datenschutzes und stellt die Grundlage für einheitliche Rahmenbedingungen (bspw. Once-Only-Generalklausel) dar, die für das Voranschreiten der Verwaltungsdigitalisierung erforderlich sind. Hessen begrüßt daher die Einberufung eines Vermittlungsausschusses, um das OZGÄndG besser zu machen.
Angesichts technologischer Umwälzungen und demografischer Notwendigkeiten führt an der Digitalisierung der Verwaltung kein Weg vorbei. Darüber herrscht allgemeiner Konsens.
Auf dem gemeinsamen Digitalisierungspfad haben einige Länder nun allerdings ein großes StoppSchild aufgestellt. Das OZG-Änderungsgesetz hat im Bundesrat keine Mehrheit. Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, lohnt es sich, die technische, politische und strategische Dimension der Debatte zu betrachten.
Auf der Sachebene ist man sich einig: Sieben Jahre nach der Verabschiedung des Onlinezugangsgesetzes brauchen wir ein Update. Das OZG 2.0 beschreibt Wege, um vom Online-Zugang wirklich zur digitalen Verwaltung zu gelangen. Das Aufhalten des Gesetzgebungsverfahrens wird das Tempo der Digitalisierung nun spürbar verlangsamen.
wichtiger Schritt zur Etablierung eines Ökosystems gelungen ist, schreibt der Bund gleichzeitig die Zentralisierung von Standards ins Gesetz. Wenn wir Verwaltungsdigitalisierung als Teamaufgabe begreifen wollen, müssen wir hier weiterhin auf das Einvernehmen im IT-Planungsrat setzen, der aktuell mit der föderalen Digitalisierungsstrategie zudem wichtige strategische Leitplanken für die Verwaltungsdigitalisierung in Bund, Ländern und Kommunen entwickelt.
Auf der politischen Ebene geht es – wie so oft –ums liebe Geld. Der Bund wische die finanziellen Sorgen von Ländern und Kommunen vom Tisch, so der Vorwurf. Bei aller berechtigten Kritik muss hier politisch sauber argumentiert werden: Im Gesetzentwurf werden die unmittelbaren Rechtsgrundlagen für eine stärkere finanzielle Verantwortung des Bundes im föderalen Kontext gelegt. Auch aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist es doch der richtige Weg, dass der Bund Ländern und Kommunen zentrale Basisdienste wie das Bürgerkonto, den Suchdienst und den Siegeldienst bereitstellen wird. Das ist ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich.
Ein Gastkommentar von Fedor Ruhose, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung und CDO/CIO des Landes Rheinland-Pfalz
Foto: BS/ MASTD/Jana Kay
Daneben gilt es, die finanziellen Herausforderungen zu lösen. Alle kennen die verfassungsrechtliche Ausgangslage ebenso wie die aktuellen Haushaltslagen. Es braucht ein tatsächliches Commitment, dass Verwaltungsdigitalisierung eine gemeinsame Aufgabe ist – statt ewiges Gegeneinander und politische Spielchen. Und dann muss es auch um eine langfristige Finanzierungsstrategie gehen.
Künftig weiter im Gleichschritt unterwegs?
Der brandenburgische Digitalstaatssekretär Dr. Benjamin Grimm klärte nach dem Treffen über diskutierte Themen auf. So sei über Ressourcenschonung unter anderem durch den Einsatz von digitalen Zwillingen gesprochen worden. Im Bereich der digitalen Teilhabe werde Digital First bzw. Digital Only vorangetrieben, ohne den Menschen „die einfachen Zugänge zu verwehren“. Des Weiteren sollen keine analogen Prozesse fortgeführt werden, wo auch digitale möglich würden, so Grimm
Für die Berliner CDO Martina Klement war es „dringender als je zuvor“ das Gremium einzurichten. In der Digitalisierung sollen sich die Länder abstimmen: „Keiner sollte sein eigenes Süppchen kochen“, sagte Klement in Potsdam. Der Bund sei an der Seite des Gremiums: „Herr Wissing hat das Vorhaben unterstützt und vorangebracht.“ Nun müsse die Schlagkraft des Gremiums bewiesen werden, so Berlins CDO.
Hoffnung auf den Vermittlungsausschuss
Auf der strategischen Ebene sollten die anstehenden Verhandlungen nun genutzt werden, um die zum Teil gegensätzlichen Digitalisierungsagenden von Bund und Ländern zu synchronisieren. Während dem IT-Planungsrat mit dem Standardisierungsboard etwa ein
Dienstag, 14. Mai 2024, 10:30 – 13:45 Uhr
Auch ohne das OZG 2.0 gehen wir bei der Digitalisierung weiter voran. Die Frage ist, ob wir auf diesem Weg künftig weiter im Gleichschritt unterwegs sein werden. Auch wenn das Gesetz über die Ziellinie kommt – das aus meiner Sicht falsche Politisieren der Digitalisierung hat verunsichert. Aber auch hier gibt es Hoffnung: Es gibt im Bund und in den Ländern einen Kern entschiedener Digitalisierungsbefürworter, die bereit sind, auf dem Digitalisierungspfad gemeinsam voranzuschreiten.
Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) stellte nicht ohne Stolz fest, dass Deutschland es verstanden habe, die Digitalisierung als einer der wichtigen Themen der Zeit zu begreifen. Die Gigabit- und Digitalstrategie würden gut vorrankommen und auch beim Netzausbau zeigt sich der Bundesminister zufrieden: „97 Prozent der Fläche sind bereits mit Mobilfunk-4G ausgestattet, über 91 Prozent mit dem Hochleistungsstandard 5G, konstatierte Wissing. Auf der Konferenz äußerte er Enttäuschung über das Scheitern des OZG-Änderungsgesetzes (siehe hierzu auch die Kommentare auf dieser Seite) und hoffte auf eine schnelle Einigung im Vermittlungsausschuss.
Gamechanger KI auch Risikofaktor Stetig neue Angriffsvektoren auf KI-Systeme erforderten aber auch eine permanente Weiterentwicklung von Gegenmaßnahmen, heißt es aus dem BSI. Cyber-Kriminelle würden KI zum Beispiel für Ransomwareattacken nutzen. So sei es möglich, dass Angreifende mit vergleichsweise geringem IT-Wissen mithilfe von KI-Programmierassistenten Schadsoftware erstellen könnten.
Ein Thema, das auch auf der DMK präsent war, war der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI): „Der Gamechanger KI verändert alles“, sagte Wissing. Er sei sich sicher, dass keine Volkswirtschaft ohne KI wettbewerbsfähig bleiben könne, resümierte der Bundesdigitalminister. Cyber-Kriminelle würden KI zum Beispiel für RansomwareAttacken nutzen. So sei es möglich, dass Angreifende mit vergleichsweise geringem IT-Wissen mithilfe von KI-Programmierassistenten Schadsoftware erstellen könnten. Die Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Claudia Plattner, unterstrich in Potsdam, dass sie den Ländern beiseite stehen möchte. „Wir als BSI würden den Ländern gerne eine ganzheitliche Beratung zu allen Aspekten der IT-Sicherheit in Verbindung mit KI anbieten und unsere Informationen und Tools bereitstellen“, so Plattner
Laut
Dr. Jens Zimmermann, Mitglied des Deutschen Bundestags und digitalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, habe jeder deutsche Bürger 1,5 – 1,6 Kontakte mit dem Staat pro Jahr. „Und einer davon ist die Steuererklärung“, so Zimmermann. Bei Unternehmen spricht man dagegen von 200 bis 300 Behördenkontakten im Jahr. Dennoch wird wenig über und mit der Wirtschaft gesprochen. „Die Verwaltung muss die Sprache der Unternehmen verstehen“, so Ariane Schulze von der Software AG beim diesjährigen Public Summit mit dem Thema „Vom bürokratischen Bremsklotz zum Beschleuniger – Wie können Bund, Länder und Kommunen unsere Wirtschaft beleben?“. Laut Schulze sei es bekannt, dass es einige Schwierigkeiten für Unternehmen bei der Umsetzung bestimmter Anforderungen oder Antragsstrecken gebe: „Stellen Unternehmen Anträge bei einer Behörde, kann es Monate dauern, bis diese bearbeitet werden.“ Laut Schulze müsse man eine gemeinsame Sprache finden und zusammen Standards einführen.
Auch Steven Heckler vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) plädiert dafür, dass die Digitalisierung in der Verwaltung viel mehr aus der Sicht der Industrie gedacht werden müsse: „Die Verwaltung ist ein Standortfaktor.“ Für viele Unternehmen dauere es vom Antrag bis zur Genehmigung einfach zu lange. Es gebe zu viel Bürokratie, „egal, ob bei Infrastruktur-
Sprachlosigkeit zwischen Wirtschaft und Verwaltung auflösen
(BS/mk) Die Diskussionen zur Digitalisierung der Verwaltung konzentrieren sich meist auf den Nutzen für Bürgerinnen und Bürger. Dagegen ein noch nicht ausreichend betrachteter Faktor ist die Wirtschaft. Jedoch liegt gerade in der Verbindung von digitaler Verwaltung und Wirtschaft viel Potenzial.
projekten oder bei einem Bau von Fabriken“, so Heckler. Somit fehle der Wille, weiter in diese Standorte zu investieren. Ohne gemeinsame Kommunikation und Bürokratieabbau würden die Unternehmen ihren Standort schließlich verlassen. „Wir gehen woanders hin, da wird man an die Hand genommen und freut sich über unsere Investitionen“, erklärt Heckler über die Überlegungen der Unternehmen.
Eine gemeinsame Sprache für Verwaltung und Wirtschaft Als Möglichkeit für gemeinsame Sprache und Standardisierung in der Verwaltung hat Sachsen-Anhalt das Föderale Informationsmanagement, kurz FIM, eingeführt. Bis zum 31. Dezember 2016 wurde das FIM als Steuerungsprojekt des ITPlanungsrates unter Leitung des Landes Sachsen-Anhalt und des Bundesministeriums des Innern geführt. Seit dem 1. Januar 2017 ist das FIM eine Anwendung des IT-Planungsrates. Das Ziel des FIM ist es, den Übersetzungs- und Implementierungsaufwand rechtlicher Vorgaben zu senken. Hierfür nutzt es sogenannte Stammdaten, die
EfA-Prinzip nicht immer die beste Option
(BS/sp) Das Onlinezugangsgesetz 2.0 hat es im ersten Anlauf nicht durch den Bundesrat geschafft. Nun tagt der Vermittlungsausschuss. Bei der 2. Parlamentarischen Digitalnacht waren sich nicht alle einig, ob das OZG 2.0 in der aktuellen Form sinnvoll ist. Die Ampelpolitiker bekräftigen, sich beim Gesetz innerhalb des Machbaren bewegt zu haben – und berichten, wodurch sie ausgebremst werden.
Für Stephan Hauber, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Databund, ist das OZG 2.0 nicht der große Wurf: „OZG 2.0 wird uns nicht retten“. Stattdessen solle man das OZG 1.0 analysieren: „Ein PDF für die Verwaltung bringt nichts. Auch technische Vorgaben in ein Gesetz zu schreiben bringt nichts“, erklärte Hauber. Prof. Dr. Thomas Meuche von der Hochschule Hof hinterfragte auch die Register aus den alten Organisationsstrukturen: „Die Digitalisierung ist ohne eine Strukturveränderung erfolgt.“ Auch mit dem Registermodernisierungsgesetz zeigte sich Meuche nicht zufrieden. Dieses ließe die grundsätzlichen Strukturen unberührt und erlaube die Digitalisierung nur innerhalb dieser. Auch mit dem Einer-für-AllePrinzip (EfA) sei er nicht vollends zufrieden. Mit dem EfA-Prinzip soll verhindert werden, dass z. B. einzelne digitale Dienstleistungen von mehreren Ländern parallel entwickelt werden. Stattdessen sollen sich die Länder der ersten etablierten Lösung anschließen.
Föderaler Staat gibt Struktur vor Auch der Innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Manuel Höferlin zeigte sich vom EfA-Prinzip nicht ganz überzeugt. Er würde zwei bis drei mögliche Lösungen in einem wettbewerbszentrierten Angebot präferieren. Die Kritik am OZG teilte er nicht: „Der föderale Staat gibt uns eine Struktur vor, wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben“, erklärte Höferlin. Die digitale Verwaltung könne nicht so organisiert werden, wie man das in der Industrie mache. Der Bund
könne nicht den Ländern und den Kommunen vorgeben, wie etwas zu funktionieren habe. Die Kommunen hätten teilweise in ihren eigenen Verwaltungen jahrelang nichts transformiert. Im Endeffekt sei aber das Grundübel klar zu benennen: „Verwaltungsmodernisierung scheitert zwischen Bund und Ländern immer an der Frage des Geldes“, bemängelte der FDP-Politiker. Sein Fraktionskollege, Dr. Volker Redder, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion ergänzte, dass im letzten Jahr „jährlich 1,2 Milliarden Euro für Digitalisierung ausgegeben wurde“ und das Land seit 50 Jahren digitalisiert werde. Die Kommunen hätten „irres Geld“ erhalten, wovon auch die mittelständischen Unternehmen profitiert hätten. An Standards hätte dabei aber leider keiner gedacht, bemängelte Redder. Ferner würden die IT-Dienstleister von den unterschiedlichen Standards bei den Kommunen profitieren. Dadurch wären sie in der Lage mehr Aufträge zu generieren.
Auch Misbah Khan, Digitalpolitikerin bei Bündnis 90/Die Grünen wehrte die Kritik am OZG ab: „Mit dem OZG 2.0 haben wir uns im Rahmen des Föderalismusabsatzes, also was der Bund machen darf, bewegt.“ Der Föderalismus habe unterschiedliche Interessen und Gemengelagen. Die weitere Kritik solle man auch eher an die ehemalige Koalition richten: „Seit 2017 sind die Fehler vom OZG 1.0 bekannt“, so Khan. Abschließend fordert sie eine vernünftige Registermodernisierung für eine proaktive Verwaltung mit Nutzerorientierung.
V. l. n. r.: Moderator Guido Gehrt diskutierte u. a. mit Dr. Fedor Ruhose, CDO/CIO des Landes Rheinland-Pfalz, und Ariane Schulze von der Software AG notwendige Veränderungen in der Kommunikation zwischen Verwaltung und Wirtschaft. Foto: BS/privat
sich aus Leistungs-, Prozess- und Datenfeldinformationen zu einer Verwaltungsleistung zusammensetzen.
Jörg Rudowski, Leiter des Referats Digitale Verwaltung und Informationstechnik im Ministerium für Inneres und Sport von Sachsen-
Anhalt, bezeichnet FIM als „Esperanto zwischen Verwaltung und Wirtschaft“. An zwei Seiten setze die Wirtschaft als potenzieller Kunde für die Verwaltung an, auf der einen als Leistungsempfänger und auf der anderen als Dienstleister. In Bezug auf FIM sei die Wirtschaft haupt-
sächlich Anbieter digitaler Leistung. Man müsse dort ansetzten und auf prozessualer Ebene die gemeinsamen Ziele klären und diese auch verstehen. Durch FIM-Schulungen seien Verwaltungsmitarbeitende selbstständig in der Lage, Behörden auf einer Prozessebene zu digitalisieren. FIM fungiere somit als universelle Sprache zwischen den Bereichen Wirtschaft und Verwaltung. Erst mit einem gemeinsamen Begriffsverständnis „wird die Wirtschaft sowohl als Kunde, als auch als Dienstleister an der Digitalisierung partizipieren“, so Rudowski. Für den CDO/CIO des Landes Rheinland-Pfalz, Staatssekretär Dr. Fedor Ruhose, ist ein weiterer Weg gegen die gemeinsame Sprachlosigkeit nun das durch den IT-Planungsrat eingerichtete Föderale IT-Standardisierungsboard. Im Rahmen der Standardisierungsagenda setzt sich das Board zusammen aus dem Bund, Kommunen und Ländern, der FITKO und sowohl öffentlichen als auch privaten Dienstleistern. Laut Ruhose liefere das Standardisierungsboard die Möglichkeit, gemeinsam mit Vertretern aus der Wirtschaft zu sprechen und Standards auszuarbeiten. „So lösen wir die Sprachlosigkeit auf, die es bisher gab. Und beantworten die Frage: Wie beziehen wir diejenigen ein, die Digitalisierungsprojekte vorantreiben?“, erklärt Ruhose.
LÖSUNGEN IN DIE
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Digitale Methoden wie BIM haben nicht nur bei der Planung, sondern auch anschließend im laufenden Gebäudebetrieb mehrere Vorteile. In der Bauphase können alle Projektbeteiligten und Gewerke besser vernetzt und aufeinander abgestimmt werden. Im späteren Gebäudebetrieb profitieren Nutzer und Eigentümer vor allem davon, dass alle relevanten Informationen zu einem Gebäude an einer Stelle digital gebündelt und jederzeit abrufbar sind.
Der BLB NRW hat bereits früh die Vorteile von BIM erkannt und engagiert sich seit 2013 aktiv in Fachkreisen wie dem VDI 2552, BIM Deutschland, buildingSMART und anderen nationalen Initiativen, um BIM in der öffentlichen Hand zu standardisieren. Die erfolgreiche strategische Ausrichtung auf BIM wurde durch sechs Pilotprojekte ab dem Jahr 2019 eingeleitet, die mittlerweile erfolgreich in die Bauphase übergegangen sind. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse flossen konsequent in die Weiterentwicklung der BIM-Richtlinien ein.
Über 40 neue Projekte mit BIM gestartet
Der BLB NRW bekräftigt sein Bekenntnis zur BIM-Implementierung durch die verpflichtende Anwen-
Vor der Herausforderung, ihren Nutzerinnen und Nutzern Datensätze und Auswertungen schnell und in adressatengerechter Form zur Verfügung zu stellen, steht die amtliche Statistik in Deutschland und weltweit. „Wir nutzen jederzeit moderne Verfahren und Methoden bei der Statistikerstellung“, so lautet der entsprechende Eckpunkt der Hausstrategie des Statistischen Bundesamts. Dieses sammelt seit 2015 Erfahrung im Einsatz von Verfahren des maschinellen Lernens beispielsweise zur Codierung (Einordnung in die standardisierten Klassifikationssysteme für wirtschaftliche Tätigkeiten, Konsumgüter usw.), Plausibilisierung (Finden und Korrigieren fehlerhafter Werte) und Imputation (Ersetzen fehlender Werte). Insbesondere Aufgabenstellungen im Bereich Textverarbeitung, die mit Natural Language Processing bearbeitet werden, treten in der amtlichen Statistik zunehmend häufiger
Einsatz von Building Information Modeling beim BLB NRW
(BS/Conny Klingsporn/Benjamin Himmerich*) Die Herausforderungen der Zukunft gestaltet der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) unter anderem mit dem Einsatz innovativer, digitaler Technologien wie Building Information Modeling (BIM). Der landeseigene Immobilienbetrieb setzt auf Digitalisierung, steigert damit die Effizienz seiner Bauvorhaben und verbessert die Nachhaltigkeit seines Gebäudebestands.
dung von BIM bei Projekten mit hohen Gesamtkosten und die klare Empfehlung zur Anwendung auch bei Vorhaben mit mittleren Gesamtkosten. Über 40 neue Projekte wurden bereits mit BIM gestartet, wobei nicht nur planungsbezogene Anwendungen, sondern auch lebenszyklusübergreifende Anwendungen wie das Gebäudemanagement und ökologische Betrachtungen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Ein weiterer wichtiger Eckpfeiler ist der Wissensausbau, der durch kontinuierliche Schulungsangebote gewährleistet wird. Neue Formate wie eine elektronische Lernplattform und Online-Tutorials ermöglichen es Mitarbeitenden, sich flexibel und in ihrem eigenen Tempo weiterzubilden.
Der landeseigene BLB NRW setzt nicht nur auf die Begleitung von Forschungsprojekten. Er adressiert auch aktuelle Themen wie den
Digitale Planung mit BIM ist für den landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb ein wichtiger Hebel, um den Bau und Gebäudebetrieb effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Grafik: BS/BLB NRW
Internationale Tagung des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden
(BS/Theresa Küntzler/Steffen Moritz/Florian Dumpert*) Das Statistische Bundesamt lud die Community im April zur internationalen Konferenz Foundations and Advances of Machine Learning in Official Statistics nach Wiesbaden ein.
auf. Die Ziele des Einsatzes von maschinellem Lernen sind dabei stets effizientere Prozesse (beispielsweise in der Datenaufbereitung), umfangreichere Analyseoptionen (beispielsweise durch Zuschätzung von Merkmalen an bestehende Erhebungen ohne Mehrbelastung der Auskunftgebenden) oder eine höhere Qualität (beispielsweise durch automatisierte Durchführung von andernfalls nicht erfolgten Plausibilisierungen).
Susanne Dandl von der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigte auf der Konferenz zwei konkrete Ansätze interpretierbaren maschinellen Lernens auf. Solche Techniken sind erforderlich, um das erlernte Modell besser zu verstehen: Sie öffnen die
vermeintliche Black Box und erhöhen dadurch das Vertrauen in das Verfahren. Dabei wies Susanne Dandl auch auf konkrete Umsetzungen in für jedermann nutzbare Open-SourceSoftwarelösungen hin.
Francesca Kay vom Central Statistics Office Ireland, dem irischen zentralen Statistischen Amt, stellte das aktuelle Projekt Eurostat, den One-Stop-Shop for Artificial Intelligence/Machine Learning for Official Statistics (AIML4OS), vor. Dieses auf vier Jahre angelegte Projekt umfasst einerseits konzeptionelle Komponenten, beispielsweise zu Standards und Rahmenwerken. Andererseits gibt es auch auf spezielle Fragestellungen und Anwendungen ausgerichtete
Arbeitspakete, wie z. B. zur automatisierten Klassifikation von textuellen Beschreibungen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, zur Erzeugung und Nutzung von synthetischen Daten oder zum Einsatz von Large Language Models. Die Ergebnisse dieses Projekts werden sukzessive von Eurostat veröffentlicht werden. Weil der Umgang mit Unsicherheit auch und insbesondere beim Einsatz von maschinellem Lernen eine wichtige Rolle spielt, entwickelten Marco Puts und Piet Daas vom Centraal Bureau voor de Statistiek das „Total Survey Error Model“ zum „Total Machine Learning Error Model“ weiter und hinterlegten diese Arbeiten mit einem konkreten Anwendungsfall im
BIM-basierten digitalen Bauantrag oder die CO2-Schattenpreisermittlung, die die Berücksichtigung CO2-bezogener Klimafolgekosten bei der erweiterten Bewertung des Gebäudebestands und den Bestandserhalt ermöglicht. Die modellgestützte Ökobilanzierung und der BIM-basierte Gebäuderessourcenpass, der vorhandene Bau- und Rohstoffe genau erfasst, tragen dazu bei, Umweltfaktoren positiv zu beeinflussen.
Pilotprojekte initiiert Darüber hinaus werden Pilotprojekte zum Aufbau eines Bauteil- und Materialkatasters initiiert. Dies soll der Ressourcenverknappung entgegenwirken und die Grundlage für zukünftige Entwicklungen schaffen – etwa im Urban Mining, bei dem Gebäude entgegen der früheren Praxis als Rohstoffoder Materiallager betrachtetet werden, die später erneut genutzt werden können. Weitere zukunftsorientierte Themen wie Robotik im Hochbau und Holzbau werden ebenfalls vorangetrieben. Auch diese Fortschritte werden die Zukunft des BLB NRW prägen.
*Conny Klingsporn und Benjamin Himmerich sind im Fachbereich Planen, Bauen und Instrumente beim BLB NRW tätig.
niederländischen Statistischen Amt. Ziel dieses erweiterten Modells ist die Erfassung der Unsicherheiten, die im Laufe eines Prozesses, von der Konzeption über den Dateneingang bis zur Veröffentlichung von Ergebnissen, Einzug halten.
Über Data Science bei Statistics Canada berichtete Wesley Yung und bot wertvolle Einblicke in die Statistikproduktion jenseits des Atlantiks. Unter anderem präsentierte er die automatisierte Extraktion von Informationen aus Financial Statements oder die fernerkundungsdatenbasierte Erfassung des Bestandes an holzartiger Biomasse als konkrete Anwendungen von maschinellem Lernen. Alle Abstracts und Foliensätze unter: www.destatis.de/ml-conference
*Die Autorin sowie die Autoren sind im Referat Künstliche Intelligenz, Big Data der Gruppe Digitale Transformation, Standards und Governance des Statistischen Bundesamts tätig.
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Ein kluger Einkauf
Use Cases für mobile Themen durchziehen die gesamte Verwaltung. Dies reicht von Bürgerservices bis zu administrativen Prozessen, die heute überwiegend noch mit Zettel und Stift aufgenommen werden. – um dann später zeitintensiv digital erneut erfasst zu werden. Es gibt Kontrollszenarien bei Zoll und Polizei, mobile Beratungsleistungen wie etwa bei den Job-Centern, administrative Querschnittsverfahren, Lagedarstellungen in Echtzeit wie im Umfeld der Verkehrssicherheit, Vorgangsbearbeitung und Kollaboration. In nahezu allen Ressorts sind Mitarbeitende mobil unterwegs und profitieren davon, wenn sie Daten und Vorgänge direkt digital mobil erfassen und bearbeiten können. Effizientes und zeitgemäßes Verwaltungshandeln benötigt fachliche Anwendungen auch für mobile und ultramobile Endgeräte. Der entscheidende Fortschritt besteht darin, die unternehmens-
Nun ist die BSR keine kommunale Verwaltung, auf die die Kurzstudie „Kaizen für Kommunen“ abzielt. Jedoch ist sie ein landeseigenes Unternehmen, hat damit also eine Verwandtschaft zur Verwaltung und sich in den letzten Jahren deutlich verändert und verbessert. Also könnte es sich lohnen, von diesem Lernen zu lernen.
Auch Australien lässt sich nicht eins zu eins mit Deutschland vergleichen, die öffentliche Verwaltung funktioniert „Down Under“ anders als hierzulande. Genau deshalb könnte man aber genauer hinschauen. Daher haben wir mit Dr. Robert Gerlit gesprochen, der die australische Verwaltungswelt täglich erlebt und regelmäßig darüber schreibt.
Föderale IT-Kooperation
Die FITKO richtet sich primär auf die Zusammenarbeit von Bund und Ländern aus. Jedoch geht der Blick zum Glück auch über diesen Tellerrand bis zu den Kommunen. Und Kooperation ist ein Aspekt auf dem Weg zu mehr Wirkung und Nutzen für Bürgerinnen und Bürger wie auch für Unternehmen, der ebenenübergreifend verbessert werden kann. Wir haben mit Dr. André Göbel gesprochen, der seit 2023 Präsident der FITKO ist, die
(BS/Johannes Rosenboom*) Verwaltungsprozesse werden zunehmend mobil. Dafür sind zwei Aspekte wichtig: Mobile Applikationen müssen die erforderliche Fachlichkeit rechtssicher abbilden und auf sicheren Plattformen bereitstehen. Für die Umsetzung hat Materna ein Gesamtpaket aus Produkten, Projektumsetzung und Experts on Demand geschnürt.
kritische Fachlichkeit der Verwaltung mobil und gesichert verfügbar machen zu können und damit das Verwaltungshandeln insgesamt zu flexibilisieren und zu beschleunigen. Mit anderen Worten: Es ist jetzt möglich, den produktiven Dreiklang aus Fachlichkeit, Sicherheit und Mobilität umzusetzen.
Eine wichtige Rolle in diesem Kontext spielt die Usability, damit Nutzende die Applikationen auf dem Smartphone wie selbstverständlich aufrufen und bearbeiten können, so wie sie es aus dem privaten Umfeld gewohnt sind. Dazu wird die komplexe Fachlichkeit so ausgestaltet, dass Apps sinnvoll auf einem kleinen Screen nutzbar, aber dennoch rechtssicher sind.
Gute Usability ist das A und O für Applikationen und damit das zentrale Credo für die Fachverfahrensmanufaktur von Materna.
Sichere Plattformen
Der nächste wichtige Schritt für eine mobile Verwaltung ist es, die Fachlichkeit auf eine sichere Plattform zu bringen. Eine solche sichere Plattform bietet das Tochterunternehmen Materna Virtual Solution mit SecurePIM für iOS und Android an. Die Lösung ist BSI-zertifiziert, zugelassen für die mobile Arbeit mit Verschlusssachen (VS-NfD und NATO RESTRICTED) und Made in Germany. Das Gesamtsystem SecurePIM besteht aus drei wesentlichen Kom-
ponenten: der SecurePIM-App mit Funktionen wie Mail, Kontakten und Kalender, einem eigenen Gateway im Backend sowie einem Management-Portal.
Vor kurzem hat Apple mit Indigo eine eigene, sichere Trägerplattform herausgebracht. Indigo steht für "iOS native devices in government operations" und setzt iPhones und iPads mit neuesten Chips voraus. Der App-Funktionsumfang von Indigo umfasst dabei aber nur Funktionen für Mail, Kontakte und Kalender. Mit diesen Basics lässt sich noch kein behördlicher Arbeitsalltag gestalten, da die Umsetzung von Fachverfahren als mobile Anwendungen fehlt. Materna Virtual Solution hat ein Kompe-
Über die NEGZ-Studie „Kaizen für Kommunen“ (BS/Andreas Steffen, Lea Mersch, RobertAngst*) „Wer nichts mehr lernen kann, ist nicht perfekt, sondern tot.“ Das sagt Andreas Thürmer, Leiter Organisation, Projekte, Digitale Innovation und New Work bei der Berliner Stadtreinigung (BSR), der für mehr als 60 Beschäftigte mit einem Budget von rund zehn Millionen Euro verantwortlich ist. Thürmer und drei weitere Expertinnen und Experten wurden im Rahmen einer neuen Studie des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums (NEGZ) interviewt, die sich mit dem Aufbau von Kompetenzen als Lernende Verwaltungsorganisation beschäftigt.
Verwaltungswelt aus einer Vielzahl von Perspektiven kennt und Kooperation tagtäglich im Sinne von mehr Gemeinwohl praktiziert. Ernsthaft? Darf Verwaltungshandeln spielerisch sein, womöglich sogar Spaß machen? Dass Freude bei der Arbeit und Spaß beim Lernen hilfreich sind, ist mancherorts noch ein zu „gut“ gehütetes Geheimnis. Erkenntnisse aus der Lernforschung, aus Psychologie und Neurowissenschaft zeigen, wie wertvoll diese Aspekte für dauerhafte Motivation und Innovation sein können. Daher war auch das Gespräch mit Prof. Dr. Moreen Heine vom Joint Innovation Lab in Lübeck ein wertvoller Teil unserer Studie.
Von A wie Angst über L wie Lernen bis Z wie Zukunft
Kaizen ist japanisch und bedeutet Wandel (kai) zum Besseren (zen).
Dieses philosophische Managementprinzip hat in den 1940er- bis
1990er-Jahren die Automobilindustrie in Japan spürbar nach vorne gebracht. In einigen Lehrbüchern und Vorlesungen hierzulande war es präsent – allerdings ist es heute in den wenigsten Institutionen in echter Konsequenz auffindbar. Dies lässt sich verbessern, denn Lernen ist lebenslang möglich, sowohl für einzelne Menschen wie auch im größeren Kontext für deren Interaktion und Kooperation in Organisationen. Neben den Interviews haben wir für „Kaizen für Kommunen“ weitere Untersuchungen durchgeführt, Erkenntnisse gewonnen und Impulse zusammengestellt, die für Führungskräfte, Personalbereiche und hoffentlich auch alle anderen Beschäftigten in (nicht nur) kommunalen Verwaltungen wertvoll sind.
Die Studie knüpft in vielen Punkten direkt an unsere 2023er NEGZStudie „Angst im Wandel“ an. Denn nur angstfreie Umgebungen, echte
Lernräume zum Experimentieren, individuelle und institutionelle Entwicklung fördernde Führungsstile und dafür geeignete Strukturen inklusive einer dazu passenden Kultur können besseres Lernen ermöglichen, das es in der deutschen Verwaltung braucht.
Hebelwirkung Echte Lern- und Transformationskompetenz ist dringend erforderlich, damit Digitalisierung gelingt. Damit bestehende Prozesse verbessert werden und noch mehr aus früheren und laufenden Projekten für zukünftige Vorhaben gelernt wird. Damit Abläufe vereinfacht, Nutzen geschaffen, Bürokratie abgebaut und die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger sowie das Vertrauen in den Staatsapparat insgesamt gestärkt werden können. Hierfür haben wir mit den Praxispartnerinnen und Praxispartnern unserer Studie aus Barleben, Ber-
tenzcenter aufgesetzt, das den Lösungs-Stack von Apple zusätzlich mit eigener Technologie und Lösungen anreichert. Dies sind unter anderem eigene App-Entwicklungen für Indigo und spezielle Services, sodass Behörden, die sich für Indigo entschieden haben, es auch vollumfänglich und zugelassen nutzen können. Bei den eigenen App-Entwicklungen sind zum Beispiel der sichere, mobile Intranet-Browser TrustOwl und TrustDok, die erste vom BSI freigegebene Indigo-Anwendung zum Bearbeiten von Dokumenten, verfügbar. In Ergänzung zu der Virtual-Solution-Plattform steuert Materna seine jahrzehntelange Erfahrung aus der individuellen Fachverfahrensentwicklung bei – so kann die Fachlichkeit der Verwaltung künftig gesichert mobil werden.
*Johannes Rosenboom ist SVP Sales, Marketing und BDM im Ressort Public Sector bei Materna.
lin, Magdeburg, Montabaur, Paderborn und Wadgassen in Workshops umfangreich diskutiert, welche Kriterien die größten Hebelwirkungen auf dem Weg zu einer "Lernenden Organisation" haben können.
LEARN und NEGZ-Spezial Weiterhin haben wir einen sogenannten LEARN-Fragebogen entwickelt, der mit multidimensionalen Perspektiven Verwaltungsorganisationen dabei helfen kann, eine interne Bestandsaufnahme ihres Status quo als Lernende Organisation vorzunehmen. Auch dieses Werkzeug, das Grundlage einer nachfolgenden Arbeit an je nach Organisation individuell relevanten Aspekten sein kann, wird als Teil unserer Studie zur Verfügung gestellt. Die neue Studie „Kaizen für Kommunen“ erscheint im Sommer 2024 und wird als NEGZ-Spezial des Behörden Spiegel über das Format „Digitaler Staat Online“ vorstellen. *Andreas Steffen ist Gründer der Beratungsagentur 5STEP und Gründungsmitglied des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums (NEGZ). Lea Mersch ist Partnerin bei 5STEP und Wirtschaftspsychologin. Dr. Robert Angst ist Managementberater, Coach und Experte für agile Methoden und Design Thinking.
• ZertifizierteRechenzentreninDeutschland • Georedundanz:Nürnberg–Münchenin2Millisekunden • UmfassendesPortfolio von ColocationbisCloud-Services • KompetenteUnterstützungbeiderUmsetzungIhrer SicherheitsauflagendurchunsereIT-Security-Experten • AusgefeilteSIEM-SystemeundeigenesSOCfürdie BearbeitungundDokumentationIhrerSecurity-Events
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Hierbei sind zügig umsetzbare und integrative Lösungen gefragt, die einen sicheren und automatisierten Betrieb einer Netzwerkinfrastruktur in der öffentlichen Verwaltung ermöglichen. Die öffentliche Verwaltung ist sowohl auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene oft Ziel von Cyber-Angriffen. Neben dem Risiko des Datenverlusts sensibler Bürgerdaten steht dabei auch immer wieder die Arbeits- und Dienstleistungsfähigkeit ganzer Behörden auf dem Spiel. Erst fünf Monate nach einem Cyber-Angriff auf den Landkreis Vorpommern-Rügen im November 2023
Gestiegene Anforderungen an Behördennetze
(BS/Jan-Lukas Wennemar/Thomas Teitge) Staatliches Handeln setzt eine sichere und widerstandsfähige Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung voraus. Um Cyber-Angriffe abzuwehren und den Schutz der persönlichen Daten zu gewährleisten, benötigen Behörden sichere Netzwerke und hochverfügbare Konnektivität.
können die Zulassungs- und Fahrerlaubnisbehörden ihre Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger wieder anbieten. Den Mitarbeitenden standen dort zeitweise nur das Telefon und handschriftliche Notizen zur Verfügung. Dieses Beispiel ist leider keine Ausnahme. Behörden stehen
Die Aruba Edge Services Platform (ESP) vereint Konnektivität, Sicherheit und automatisierten Betrieb für unterschiedliche Anwendungsfälle.
Grafik: BS/HPE Aruba Networking
„Um die Sicherheit und Konnektivität in den Netzen der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten, sind ganzheitliche Ansätze notwendig, die sowohl lokale Netze von innen und außen schützen als auch Heimarbeitsplätze sicher anbinden.“
Jan-Lukas Wennemar, HPE Aruba Networking
vor der Herausforderung, sichere und fortschrittliche Netzwerke aufbauen zu müssen, die zusätzlich mit einem begrenzten Budget und einer geringen Personaldecke zu verwalten sind. Wie lassen sich Behördennetze mit begrenztem Aufwand also sicher gestalten? Neben einer leistungsstarken und sicheren Netzwerkinfrastruktur bedarf es zusätzlich eines Umdenkens in Bezug auf die sicherheitsrelevanten Aspekte im Netzwerkdesign. Segmentierung auf allen Ebenen schafft Sicherheit und minimiert Angriffsflächen, sowohl im klassischen Netzwerk und Rechenzentrum als auch für Heimarbeitsplätze.
Herstellerunabhängige Netzwerkzugangskontrollen oder auch Network-Access-Control-Lösungen (NAC) spielen eine elementare Rolle für die Grundabsicherung des Netzwerks. Netzwerke in öffentlichen Verwaltungen müssen heute kabelgebundene Geräteanbindung, WLAN, Homeoffice-Anbindung, Gast-Netze, Gebäudeautomatisierung und Internet of Things (IoT) unterstützen. Dabei muss jedem Endgerät, das sich im Netzwerk anmeldet, automatisch und unter Einbindung von Drittsystemen (z. B. Firewalls und Active Directory) eine Rolle mit bestimmten Zugriffsrechten zugewiesen werden können, um sicherzustellen, dass jeder Nutzer Zugriff auf die Inhalte erhält, die für ihn vorgesehen sind. Gäste dürfen sich beispielsweise im WLAN anmelden, können darüber
aber einzig auf das öffentliche Internet zugreifen. Sie erhalten keinen Zugriff auf das Behördennetz. Im Rechenzentrum hat HPE Aruba Networking einen neuen Standard und Architekturansatz etabliert, um die Ausbreitung von Ransomware zu unterbinden. Die Kombination aus Switch und Firewall des „Aruba CX 10K“-Switches bietet eine wirtschaftliche Echtzeitabsicherung des Ost-West-Datenverkehrs, das sind bspw. Abfragen und Verbindungen zwischen Applikationen und Datenbanken. Der Ost-West-Datenverkehr ist standardmäßig nicht abgesichert. Das nutzen Ransomware-Angreifer gerne aus, um Malware flächendeckend zu installieren und Daten zu verschlüsseln. Das größte Sicherheitsrisiko für IT-Netze stellt jedoch der Heimarbeitsplatz dar, welcher häufig durch komplexe und nicht mehr zeitgemäße VPN-Verbindungen bereitgestellt wird. In vielen Fällen genießen Nutzer beim Einsatz von VPN ungewollt weitreichenden Zugriff auf große Teile des Behördennetzes. Besser sind „Zero Trust Network Access(ZTNA)“Konzepte, welche alle Benutzer und Geräte mit Ihrer Identität verifizieren, bevor ihnen der Zugriff auf ausgewählte Daten und Ressourcen gewährt wird. Dies erfolgt durch einen mehrstufigen Authentifizierungsprozess außerhalb des Behördennetzes, mit einer einfachen und zentralen Regel- und Rollenverwaltung, sodass Anwender nur Zugriff auf die
Jan-Lukas Wennemar, Manager Sales Public Sector Germany, HPE Aruba Networking (links) Foto: BS/HPE Aruba Networking
Thomas Teitge, Geschäftsbereichsleiter Vertrieb Bundesbehörden, Bechtle GmbH & Co. KG, IT-Systemhaus Bonn Foto: BS/Bechtle
„Cyber-Angriffe können bereits mit wenigen Veränderungen erschwert werden. Gemeinsam bieten wir der öffentlichen Verwaltung maßgeschneider te Lösungen zur Absicherung und Modernisierung ihrer Netzwerke.“
Thomas Teitge, Bechtle GmbH & Co. KG
Applikationen und Daten erhalten, die sie für ihre Arbeit benötigen. Im Rahmen von „Secure Service Edge (SSE)“-Sicherheitskonzepten, stellt HPE SSE mit ZTNA einen sicheren Ersatz von herkömmlichen VPN-Lösungen dar.
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2018 vom Bundestag mit einer Laufzeit von viereinhalb Jahren beschlossen, mit einem geplanten Volumen von fünf Milliarden Euro und einer Aufstockung in Corona-Zeit von eineinhalb Milliarden Euro stellt der Bund den Ländern insgesamt 6,5 Milliarden für Investitionen in digitale Infrastruktur bereit. Richtigerweise stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf seiner Homepage fest: „Die Anschaffung von Whiteboards und Laptops allein ist kein Garant für pädagogische Qualität – dies gilt im Übrigen auch für das Buch, das Schreibheft und die Kreidetafel.“ Und dennoch läuft der „DigitalPakt Schule“ zum Jahresende aus.
Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Nachfolger, ein „DigitalPakt 2.0“, lässt jedoch auf sich warten. Seit geraumer Zeit verhandeln Bund und Länder. Letztere würden den Bund gerne weiter in die Pflicht nehmen. Torsten Klieme, Staatsrat bei der Senatorin für Kinder und Bildung der Freien Hansestadt Bremen, forderte beim Thementag Digitale Schule auf der Plattform Digitaler Staat Online einen „Anschluss ohne Lücke“. In einen „DigitalPakt Schule 2.0“ gehört für ihn aber mehr als nur Investitionen in die Infrastruktur.
Souveräne Schulen Neben WLAN, Endgeräten und Präsentationsmedien sei die Liste lang, um Digitalität an Schulen herstellen zu können. Der Staatsrat betont, Länder und Kommunen hätten bereits die Chancen des ersten Digitalpaktes und der CoronaPandemie genutzt, um Lehrinhalte und -formate sowie Lernmanagementsysteme und IT-Support für die Schulen aufzubauen.
Klieme ist Co-Vorsitzender der digitalen Kommission der Kultusministerkonferenz (KMK) und leitet die Verhandlungsgruppe der Länder für den DigitalPakt 2.0 mit dem Bund. Er weist die Forderung zurück, den Ländern gehe es nur darum, Geld für Infrastruktur zu erhalten. Längst hätten die verantwortlichen Akteure begriffen, dass ganzheitliche Bündelungen und Konzepte helfen würden, digitale Souveränität an und für Schulen zu erreichen. Prof. Dr. Susanne LinKlitzing, Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, bestätigt, dies sei auch der immanente Auftrag der KMK, „Bildung in einer zunehmend digitalen Welt“ herzustellen und nicht nur „digitale Bildung“. Ihr zufolge muss der Präsenzunterricht „klug digital“ unterstützt werden. Für Lin-Klitzing muss der Fokus dementsprechend auf die Bedarfe der Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler gerich-
Die gegenseitige Anerkennung akademischer Abschlüsse und beruflicher Qualifikationen, der Austausch von Fahrzeug- und Gesundheitsdaten sowie digitale Führerscheine – diese Dienste sollen bald grenzübergreifend in der EU funktionieren. Die Europäische Kommission verspricht sich vom neuen Gesetz besonders für die Bürgerinnen und Bürger spürbare Vorteile. „Dieses Gesetz bildet die Grundlage für einen wirksam vernetzten öffentlichen Sektor in der EU und für einen inklusiven, transparenten und verantwortungsvollen digitalen Wandel“, betont Johannes Hahn, EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung. Neben dem erweiterten Zugang für digitale Dienste soll das Gesetz auch die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Verwaltungen und den Mitgliedsstaaten stärken.
Die Software von heute ist nicht mehr das Lehrbuch von gestern
(BS/Dr. Eva-Charlotte Proll) Nicht einkalkulierte pädagogische Konsequenzen, erhöhter Verwaltungs- sowie Umsetzungsaufwand für Länder und Kommunen – und doch erhält der „DigitalPakt Schule“ eine positive Bilanz. Die Ansprüche an einen Folgevertrag sind hoch und gehen bis hin zu einer Reform der inneren und äußeren Schulverwaltung.
Improvisation und Pragmatismus: Wenn man die Klasse betritt, kann es immer anders laufen als geplant. In der Digitalisierung ist es ähnlich – es wird immer jemanden geben, der weiter ist.
tet werden: Dazu gehörten neben rechtssicheren Rahmenbedingungen und datenschutzkonformer Schul-IT auch die Unterscheidung zwischen Fächern wie Medienkunde, Informatik und Digitalisierung –ein ganzer Strauß an Maßnahmen, idealerweise flächendeckend.
Grenzen und Kompetenzen
Von kommunaler Seite hat sich Dr. Rico Badenschier, Oberbürgermeister von Schwerin, tief in das Thema eingearbeitet und es zur Chefsache gemacht. Die Landeshauptstadt hat 25 Schulen mit etwa 800 Lehrerinnen und Lehrer sowie 13.000 Schülerinnen und Schülern in eigener Trägerschaft. Seine Stadt habe bereits 2019 nach Erarbeitung eines Medienentwicklungsplans erfahrene Partner gesucht und durch die Kooperation mit dem Nachbarlandkreis eine Versorgungsstruktur für 250.000 Einwohnerinnen und Einwohner aufgebaut. Kommunenübergreifend sei damit ein Sechstel des Landes mit der äußeren Schulträgerschaft abgedeckt.
Dennoch, berichtet der Oberbürgermeister, seien Nutzende 2020 durch die Anschaffung von Endgeräten zunächst überfordert gewesen. Der Schweriner OB sagt, die Anschaffung digitaler Endgeräte habe sich angefühlt, als bekomme man einen Hundewelpen geschenkt: „süß“, aber mit erheblichem „Folgeaufwand“. Notgedrungen hatte dies auch zur Folge, dass teilweise End-
Foto: BS/Gorodenkoff, stock.adobe.com
„Die evidenzbasierte Bildungspolitik hat es geschafft, diese Gruppe [Anm. d. R.: der Schülerinnen und Schüler, die unzureichend lesen können, die Minimalstandards nicht erreichen] nachhaltig zu vergrößern.“
Prof. Dr. Martin Heinrich, Universität Bielefeld
geräte wie Whiteboards angeschafft wurden, den Schulen aber noch die notwendigen Breitbandanschlüsse fehlten. Auch stoße die Stadt an Kompetenzgrenzen, wenn es um die Auswahl pädagogisch sinnvoller Software und Anwendungen gehe.
Racks aufräumen, Netze sortieren Auch in Lübeck sind neue Schulgemeinschaften auf Schulträgerebene entstanden. So versorgen die „Stadtwerke Lübeck digital“ (SWL) 70 Schulen der Stadt mit 30.000 Schülerinnen und Schülern u. a. mit 9.000 Endgeräten (überwiegend Tablets und Notebooks). Mithilfe des „DigitalPakts Schule“ werden zusätzlich bis Ende 2024 1.200 interaktive Displays für die Schulen beschafft. Farina Steinert, Leitung der Abteilung Digitale Schule der SWL Lübeck, ist zudem dafür verantwortlich, 70 neue Server bis zum Jahresende zu ertüchtigen. Sie berichtet aus der Begehungs-
phase der Schulen und konstatiert, bei den Serverschränken sei eine Professionalisierung dringend erforderlich. Dies gelinge nur durch Standardisierung und Zentralisierung: Medientechnik, Schulserver, auch Brandschutzdokumentation, Spezifikationen zur Wissensdatenbank, Supportseite uvm. seien in einem Kompendium durch die Bürgerschaft beschlossen worden und öffentlich zugänglich. All dies helfe, eine hohe Fertigungstiefe bis hin zu Schulungen von Lehrkräften an neuen Endgeräten zu erreichen. Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, bemängelt jedoch den aktuellen Status der politischen Diskussion. Er fordert ein Ende des „ständigen Zuschiebens des Schwarzen Peters“. Düll wirft den Kommunen vor, Investitionen zu lange abzuwarten. Stattdessen sollten bereits getätigte Ausgaben gesetzlich in einem Folgevertrag des „DigitalPakts Schule“ angerechnet
Gesetz für ein interoperables Europa tritt in Kraft
(BS/Anna Ströbele) Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes für ein interoperables Europa nimmt die Digitalisierung im öffentlichen Sektor der Europäischen Union (EU) Fahrt auf. Das Gesetz soll den grenzüberschreitenden Datenaustausch erleichtern und die Interoperabilität von Produkten, Diensten und Daten fördern. Staatssekretär Dr. Markus Richter sieht in der europäischen Vernetzung großes Potenzial.
Das Gesetz sei entscheidend, um die Ziele der digitalen Dekade der EU bis 2030 zu erreichen, verdeutlicht Leontina Sandu , Referatsleiterin für Interoperabilität und Digitale Verwaltung bei der Generaldirektion DIGIT/Digitale Dienste der EU-Kommission. Dazu gehöre die Bereitstellung der wichtigsten öffentlichen Verwaltungsleistungen im Internet. Weiterhin soll der 'Interoperable Europe Act' die Innovation und den Wissensaustausch fördern. Beispielweise beim Thema der Künst-
lichen Intelligenz (KI) könne Regierungen dabei geholfen werden, zu verstehen, welche Daten ihnen vorliegen und mit welchen Algorithmen sie diese bearbeiten könnten, erklärt Sandu weiter. Natürlich sei auch der Datenaustausch zentral für KI-Anwendungen. Schließlich basierten diese auf großen Datenmengen. Das Gesetz wird einer Abschätzung zufolge voraussichtlich jährlich bis zu fünf Milliarden Euro einsparen. Das Portal für ein interoperables Europa wird als zentrale
werden. Er fordert von allen föderalen Akteuren, aufeinander zuzugehen und sich mehr zu vertrauen. Letztlich habe der „DigitalPakt Schule“ zu einer Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung und Umsetzungsgeschwindigkeit gesorgt, so Badenschier. Er wünscht sich für zukünftige Vorhaben mehr Ausgewogenheit. Für wichtiger als einen Folgevertrag zum „DigitalPakt Schule“ hält der Schweriner Oberbürgermeister jedoch eine Reform der historisch gewachsenen Aufgabenzuordnung aus innerer und äußerer Schulverwaltung. Aus seiner Sicht macht es keinen Sinn, dass jede Kommune einzeln z. B. eine Lernsoftware für den Mathematikunterricht der siebten Klasse beschafft.
Auch Prof. Dr. Martin Heinrich, wissenschaftlicher Leiter der Versuchsschule des Landes NRW „Oberstufen-Kolleg“ an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld, koppelt den Erfolg der Digitalisierung an Schulen mit einer „radikalen Verwaltungsreform“. In der Vergangenheit seien Schulbücher stark am Lehrplan ausgerichtet gewesen und die Ministerien hätten dadurch Lerninhalte vorgegeben. Der Einsatz von KI, beispielsweise in der Unterrichtsvorbereitung, erfordere jedoch eine netzwerkartige und gemeinschaftsorientierte Steuerung. Heinrich bemängelt, dass dies aufgrund aktuell sehr hierarchischer Steuerung nicht umsetzbar sei. So seien die Bemühungen der Pädagogischen Landesinstitute, 20 bis 30 Lehrerinnen und Lehrer fortzubilden, „hoffnungslos“, während sich derweil viel größere Gemeinschaften über Soziale Medien vernetzten.
Dringende Zukunftsaufgabe Ob, wann und in welchem Umfang nun letztlich ein Folgevertrag für die Digitalisierung an Schulen kommt, hängt von den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern ab. Dr. Urban Mauer, Staatssekretär im Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, fordert letztlich eine „klare Zusage und verbindliche Perspektiven“, um die Digitalisierung weiter im „Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Kommunen“ zu gestalten. Man müsse sich nur vor Augen führen, dass zwei Drittel der heutigen Schülerinnen und Schüler in Zukunft Tätigkeiten ausüben würden, für die es heute noch keine Bezeichnung gebe.
Der gesamte Thementag Digitale Schule – Stand und Zielsetzungen von Bund, Ländern und Kommunen ist unter digitaler-staat.online/ mediathek abrufbar.
Anlaufstelle für Interoperabilitätslösungen dienen. Die Verwaltungen müssen die vorhandenen Lösungen auf ihre Nachnutzbarkeit hin überprüfen. Diese verbindlichen Interoperabilitätsbewertungen sollen dazu beitragen, dass die europäische Vernetzung öfter mitgedacht wird.
Gremium auf StaatssekretärsEbene Der Act sieht des Weiteren eine zweischichtige Governance-Struktur aus Beirat und Gemeinschaft
vor. Bis Juli soll der Beirat eingerichtet werden – mit den ranghöchsten Fachkräften im Bereich der digitalen Verwaltung in den Mitgliedsstaaten. Deutschland wird durch den Staatssekretär und CIO der Bundesregierung, Dr. Markus Richter, vertreten, der bei diesem Vorhaben sehr engagiert ist. Er vergleicht das neue Gremium mit dem ITPlanungsrat, nur eben auf europäischer Ebene. Anfang Mai wird Richter zusammen mit der Kommission über die Besetzung des Beirats sprechen. Das Gesetz wurde im März unterschrieben und ist im April in Kraft getreten. Die meisten Bestimmungen gelten innerhalb von drei Monaten. Innerhalb von neun Monaten müssen die Mitgliedsstaaten die zuständigen nationalen Behörden benennen.
Wenn ich im privaten Leben meine Daten digital ablege, organisiere, nutze, dann mache ich das über eine Cloud. Die Vorteile? Ich brauche keinen Speicherplatz für meine Urlaubsbilder auf meinem Rechner freiräumen. Ich kann von überall sicher auf wichtige Dokumente zugreifen. Und – und das ist für mich der angenehmste Punkt – ich muss mich nicht selbst um Programmupdates oder den Schutz der dort abgelegten Daten kümmern. Die Verwendung einer Cloud macht mein (digitales) Leben einfacher. Aus der IT-Welt – und damit eigentlich auch aus der Verwaltungsdigitalisierung – sind Clouds nicht mehr wegzudenken. Wichtig ist, dass es bei Cloud-Lösungen in der IT um mehr als „nur“ Datenspeicherung geht. Vielmehr werden ganze Server, Rechenkapazitäten, Plattformen und Software-Lösungen von Drittanbietern angeboten – es wird nicht mehr
Hierzu zählt einerseits, sich gegen eine steigende Anzahl von Cyber-Angriffen zu wappnen. Kommunen sind bereits jetzt oft Ziel von „Hackern“. Angriffswellen gestützt durch Künstliche Intelligenz werden mit Sicherheit folgen. Städte, Gemeinden und Landkreise müssen das Personal und die ITLandschaft auf entsprechende Resilienz hin ausrichten. Sonst drohen im Ernstfall vermeidbarer Reputationsverlust und Schäden bis hin zur Millionenhöhe. Andererseits kann Künstliche Intelligenz aufseiten der Kommune durchaus auch helfen. Bei IT-Störungen jeglicher Art verspricht der Einsatz von KI, die Funktionsfähigkeit aufrechterhalten zu können. Daneben gilt KI als Hoffnungsträger für automatisierte Verwaltungsprozesse und optimierte Bürgerdienstleistungen. Eine der derzeit bekanntesten konkreten Anwendungen sind KI-Chat-Bots. Sie werden auch in Kommunalverwaltungen vermehrt eingesetzt, um rund
Über kurz oder Lang
– Verwaltungscloud –
im eigenen Keller gehostet. Der Wechsel zu solchen spezialisierten Anbietern ist in der Privatwirtschaft Usus. Er rentiert sich aus Gründen von Effizienz, Skalierbarkeit und Wirtschaftlichkeit. Zeit, dass die Verwaltung folgt, um darauf aufbauend moderne Software-Entwicklung zu ermöglichen. Vergleichbar ist das Prinzip mit dem der Wasser- oder Stromversorgung: Diese werden ebenfalls von dedizierten Anbietern gewährleistet, der Bund ist Nutzer. Warum sollte das bei Rechenleistung nicht grundsätzlich auch so sein? Für uns beim DigitalService ist arbeiten ohne Cloud nicht vorstellbar. Sie ist mit den modernen Entwicklungsumgebungen, die darauf in den letzten Jahrzehnten geschaffen wurden, eine wesentliche Voraussetzung für agile – hier konkret kontinuierliche – Entwicklung („Continuous Delivery“). Praktisch heißt das: Nutzende greifen über ihren Webbrowser auf unsere An-
Christina Lang ist Chief Executive Officer (CEO) des DigitalService.
Foto: BS/DigitalService
wendungen zu – und dort werden Updates nicht einmal im Jahr, sondern quasi ständig ausgespielt. So können wir Feedback von Nutzenden und eigene Erkenntnisse in die Anwendung laufend einarbeiten und Lösungen schnell im Produktivbetrieb testen. So zu entwickeln, ist in der Theorie zwar auch ohne Cloud denkbar, in der Realität ist es aber kostengünstiger, skalierbarer und zuverlässiger, wenn man auf spezialisierte Cloud-Anbieter zurückgreift.
Welcher Anbieter es am Ende wird, ist ein Thema für sich. Hier werden Projektverantwortliche in Ministerien und Behörden oft mit Entscheidungen konfrontiert, die große Folgen haben, teilweise politisch sind und Diskussionen um Souveränität, Datensicherheit und Abhängigkeit mit sich bringen. Solche Entscheidungen brauchen substantielle Tech-Kompetenz. Ich rate dringend dazu, diese Kompetenz noch stärker in die Verwaltung zu holen, denn Souveränität geht letztendlich nicht ohne souveräne Entscheidungsfindung der Beteiligten. Auf Grundlage dieser Expertise kann dann eine dezidierte Risikobewertung sowohl der Anbieter als auch der zu speichernden Daten stattfinden – und wir können pragmatisch zu Lösungen kommen. Es braucht diese Lösungen und Entscheidungen, damit
wir bei allen – wichtigen – politischen Abwägungen rund um digitale Souveränität das Ziel nicht aus den Augen verlieren: Dass wir moderne Cloud-Infrastrukturen brauchen, um nutzerzentrierte Software in der Praxis schneller für die Bürgerinnen und Bürger in der Breite bereitstellen zu können. Inzwischen arbeiten mehrere Initiativen darauf hin, in den nächsten 12–18 Monaten CloudEntwicklungsumgebungen für die öffentliche Verwaltung verfügbar zu machen. Das ist gut! Anhand praktischer Anwendungsfälle werden wir schnell herausfinden können, welche Anbieter sich eignen und darauf aufbauend langfristig einen Weg zu digitaler Souveränität verwirklichen. Standards, wie sie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bereits definiert hat, können uns dabei ebenso helfen wie ein aktiver Austausch mit erfahrenen Praktikerinnen und Praktikern.
Nutzung Künstlicher Intelligenz in Kommunen
(BS/Dr. Ulrich Keilmann/Felix Volk*) Die öffentliche Verwaltung steht vor großen Herausforderungen und ständigen Veränderungsprozessen. Zu diesen Trends zählt zweifelsohne die Künstliche Intelligenz (KI). Die Kommunen stehen vor der Aufgabe, sowohl ihre Beschäftigten als auch ihre Prozesse und Strukturen zukunftsfest zu machen.
um die Uhr den Einwohnern Frage und Antwort zu stehen. Vielversprechend sind ebenfalls KI-unterstützte Ampelschaltungen. Nach Angaben des Hessischen Digitalministeriums gibt es diese bereits in Darmstadt. Der Straßenverkehr wird in Echtzeit und in Abhängigkeit vom Verkehrsaufkommen gesteuert, mit dem Ziel, die Verkehrsbelastung zu minimieren. Eine dreistellige Anzahl an Kameras übermittelt anonymisierte Bilder des Verkehrsaufkommens an die Datenbank des Verkehrsrechners, wo die Daten mittels KI ausgewertet werden. Auf dieser Basis soll die optimierte Ampelschaltung gänzlich automatisiert ausgelöst werden. Gemäß eines Onlineberichts der
Osthessen News aus dem Jahr 2022 wurde in Bad Hersfeld mit dem Modellprojekt „Light as a Service“ eine smarte Straßenbeleuchtung umgesetzt. Mithilfe von Sensoren und Künstlicher Intelligenz wurden mit dem Projekt Möglichkeiten geschaffen, um Licht in der notwendigen Helligkeit und Farbtemperatur oder witterungs- und jahreszeitlich angepasst an den Standorten zu steuern.
Nach einer dpa-Meldung vom Januar 2024 gibt es weitere interessante Einsatzbereiche in Kommunalverwaltungen. Demnach setzt die Gemeinde Mühltal im südhessischen Landkreis DarmstadtDieburg KI ein, um den Straßenzustand zu ermitteln. Auf diesen
Ergebnissen aufbauend kann das Bauamt planen, wann welche Straße saniert wird.
Starkregen-Frühalarmsystem Ein darüber hinaus erwähntes Beispiel für KI-Anwendungen in Hessen ist das Starkregen-Frühalarmsystem des Landkreises Fulda. Es misst in Echtzeit Niederschlag, Pegelstände und Abflussverhalten und kombiniert diese Daten mit denen des Deutschen Wetterdienstes. Sobald kritische Werte erreicht werden, alarmiert das System Verwaltung, Rettungskräfte und Bürger auf mehreren Informationskanälen.
Die Kommunen sind augenscheinlich offen für Innovationen und Veränderungen. Das ist sehr gut so,
denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Entsprechend müssen wir uns alle den Herausforderungen von Demografie, Dekarbonisierung, Deglobalisierung und Digitalisierung stellen. Denn wer nicht mitmacht, hat schon verloren. Wir jedenfalls bleiben am Thema dran und wollen all denen mit guten, positiven und zielführenden Praxisbeispielen helfen, die die Veränderungsprozesse positiv begleiten wollen. So prüfen wir aktuell Smart Cities, um auch dort positive Beispiele finden, aufgreifen und weitergeben zu können. Mehr darüber im Herbst im kommenden Kommunalbericht 2024.
*Dr. Ulrich Keilmann ist Abteilungsleiter der Überörtlichen Prüfung kommunaler Körperschaften und Direktor beim Hessischen Rechnungshof. Felix Volk ist Referent in der Überörtlichen Prüfung kommunaler Körperschaften. Sie vertreten hier ausdrücklich nur ihre persönliche Auffassung.
Der denkbare Reflex, auch diese Situation mit Geld zu überwinden, wird nicht funktionieren. Ein Vergütungswettlauf mit der Wirtschaft würde nur Verliererinnen und Verlierer zeitigen. Volkswirtschaftlich muss Humankapital in produktive, wohlstandsfördernde Sektoren gelenkt werden. Verzerrt die öffentliche Hand diese Allokation durch übermäßige steuerfinanzierte Vergütungserhöhungen, nimmt der Wohlstand insgesamt ab – der Öffentliche Dienst muss sich (wieder einmal) reformieren. „Geschäftsmodell“ der öffentlichen Verwaltung anpassen Der Begriff der „Verwaltungsreform“, wie er bisher konnotiert ist, passt allerdings nicht zu der beschriebenen Herausforderung. Verwaltungsreformthemen der vergangenen Jahrzehnte waren Budgetierung, dezentrale Ressourcenverantwortung, Kosten- und Leistungsrechnung, partizipative Führung, Doppik-Einführung, New Work – und parallel dazu immer das Thema Digitalisierung. All diese Reformen waren wichtig und in ihrer Zeit kleine Revolutionen. Sie haben den Öffentlichen Dienst verbessert. Das, was jetzt ansteht, ist jedoch die Notwendigkeit einer Veränderung des zugrunde liegenden Geschäftsmodells. Die erforderliche Reform heißt Industrialisierung der Produktion von Verwaltungsdienstleistungen.
Verwaltung arbeitet vielfach noch wie eine Manufaktur Verwaltungen (insbesondere auf der Kommunal- und Landesebene) arbeiten heute vielfach noch wie eine Manufaktur: Sie bilden Handwerkerinnen und Handwerker aus, die mit einigen wenigen Werkzeugen fast alle Verwaltungsprodukte erstellen können. Die Werkzeuge heißen Verwaltungsakt, Vermerk und Verfügung. In ortsnahen Handwerksbetrieben werden die Dienstleistungsprodukte erstellt. Allerdings werden dafür knapper werdende Fachkräfte gebraucht, und die werden laufend teuer. Handwerksarbeit wird Luxus.
Industrialisierung in Dienstleistungsfabriken
Eine Branche, die davon ein Lied singen kann, ist die Gastronomie.
Ein Plädoyer für Industrialisierung als Verwaltungsreformziel
(BS/Matthias Kammer/Philipp Häfner) Mit Blick auf die kommenden zehn Jahre wird es nie mehr so einfach sein, freie Stellen zu besetzen wie gegenwärtig. Der Fachkräftemangel ist da und wird ab jetzt nur noch zunehmen. Er wird in den nächsten Jahren dazu führen, dass die Handlungsfähigkeit des öffentlichen Sektors auch durch die Verfügbarkeit von Personal begrenzt wird. Die öffentliche Verwaltung ist bislang daran gewöhnt, dass Haushaltsmittel der limitierende Faktor sind. Gilt es, etwas zu bewegen oder Probleme zu lösen, so war dies bislang möglich, indem zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Geld löste Probleme. Der Fachkräftemangel untergräbt diese Gewissheit.
Industriell produziertes Convenience Food hat die klassische Salzkartoffel weitgehend von den Speisekarten verdrängt. Auch die öffentliche Verwaltung wird industrielle Prozesse einführen müssen.
Kostendruck und Nachwuchskräftemangel sind hier bereits Alltag. Die Antwort der Gastronomie heißt: Industrialisierung der Dienstleistungserstellung.
Vom kleinen Topf in die Großküche In der Gastronomie hat die Industrialisierung dazu geführt, dass heute geschätzt 80 Prozent der Gerichte, die als Mittagstisch angeboten werden, Convenience Food sind. Diese wird in industriellen Großküchen gekocht und dann als Fertiggericht angeliefert. Eine Folge: Es gibt kaum noch ein Mittagstischgericht mit Salzkartoffeln. Salzkartoffeln bekommen außen eine Haut, wenn man sie aufwärmt, und innen werden sie eher weicher. Beides,
Matthias Kammer war in seiner beruflichen Laufbahn u. a. von 2004 bis 2011 Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters Dataport. Foto: BS/privat
Philipp Häfner ist seit 2007 Direktor beim Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Aufsatz gibt seine persönliche Meinung wieder.
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zumal in Kombination miteinander, ist kulinarisch eher suboptimal. Der industrialisierte Prozess kommt mit Pommes, Kartoffelecken oder Bratkartoffeln besser klar. Vor Ort braucht es dann einerseits die Servicekraft, andererseits aber eben nur noch angelernte Küchenhilfen zum Aufwärmen oder Frittieren. Die Verwaltung wird industrielle Prozesse einführen müssen. Sie wird ihre Produkte standardisieren und modularisieren müssen, damit sie in Shared-Service-Fabriken effizient vorproduziert werden können und vor Ort allenfalls noch auszuliefern sind. Typische Maßnahmen sind die Trennung des Frontoffice beim Kunden, also dem personenbezogenen Dienstleistungspro -
Augmented und Virtual Reality als Gamechanger?
Während die Verwaltung damit beschäftigt ist, das inzwischen entfristete Onlinezugangsgesetz (OZG) umzusetzen, nehmen neue Technologien immer mehr Raum ein. Künstliche Intelligenz und digitale Assistenten wie Copilot, ChatGPT oder Sora lassen erahnen, welche rasanten technologischen Veränderungen uns in den nächsten Jahren erwarten. Diese Dienste werden alle Bereiche unseres Lebens, unserer Zusammenarbeit und unseres Zusammenlebens revolutionieren, wie es andere Technologien in den letzten Jahrhunderten getan haben.
Zu groß, zu klobig, zu schwer, zu surreal
Zu diesen „vielleicht nur HypeTechnologien“ gehören auch Virtual und Augmented Reality. Noch mag es abwegig erscheinen, perspektivisch mit einer Brille durch die Welt zu gehen, die uns mit dem Digitalen verschmelzen lässt. Zu groß, zu klobig, zu schwer, zu surreal die Geräte. Aber meine
Generation wird sich noch an die ersten Handys erinnern. Zu groß, zu klobig, zu schwer, zu surreal. Und am Anfang noch lange nicht intelligent genug und im Handoder Hosentaschenformat.
Doch innerhalb kürzester Zeit hat diese technologische Errungenschaft unseren (Arbeits-)Alltag durchdrungen und bestimmt mittlerweile maßgeblich unser Dasein. Ein Leben ohne Smartphone ist für die meisten von uns kaum mehr vorstellbar. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Virtual Reality und Augmented Reality das Gleiche tun werden. Wieder einmal hat eine Technologie das Potenzial, unser Leben mit noch unbekannten Folgen zu verändern.
Nicht wieder eine Entwicklung verschlafen
Aus kommunaler Sicht ist es sicherlich ein ungünstiger Zeitpunkt, sich mit diesen Technologien zu beschäftigen, die gefühlt noch in weiter Ferne liegen, wenn
Eine Kolumne von Rena Wißmeier, Referentin für den Bereich Organisations- und Informationsmanagement bei der KGSt
Foto: BS/KGSt
man an die aktuellen Krisen, Katastrophen, die finanzielle Haushaltslage und den Arbeitskräftemangel denkt. Aber gerade jetzt ist es an der Zeit, nicht wieder eine Entwicklung zu verschlafen, die vielleicht schon bald weite Teile des Lebens durchdringen und damit auch die Kommunalverwaltungen vor neue Herausforderungen stellen wird. Und vielleicht wäre es eine verpasste Chance, die kommunalen Herausforderungen nicht genau auf diesem Weg anzugehen. Nachdem wir uns so wunderbar an Bürostühle am Schreibtisch und Monitore vor uns gewöhnt haben, eröffnen uns diese Technologien die Möglichkeit, in einem digitalen Raum miteinander zu interagieren und virtuelle Objekte in der realen Umgebung zu sehen. Es geht also darum, Erfahrungen zu sammeln, auszuprobieren und die Möglichkeiten und Herausforderungen, Chancen und Risiken zu erkunden. Kurzum: Herantasten, wohl wissend, dass der heutige Stand der Technik nicht der ist, der in kürzester Zeit verfügbar sein wird. Bei aller Neugier und Experimentierfreude erfordern diese Technologien aber auch neue Kompetenzen, sowohl im Umgang als Nutzerin und Nutzer als auch in
zess, von der Backoffice-Arbeit. Die Zusammenfassung der Backoffice-Arbeit erlaubt zentralisierte Dienstleistungsfabriken mit hohen Stückzahlen, die arbeitsteilig und automatisiert das Produkt erstellen oder zumindest vorproduzieren. Industrialisierung als Zielbestimmung führt weg von den schönen, „kuscheligen“ Verwaltungsreformthemen wie dezentraler Verantwortung. Oder auch von generischen Zielen, gegen die niemand etwas haben kann: Verwaltungsvereinfachung, Deregulierung oder Digitalisierung.
Lieber Pommes, als gar nichts zu essen
Industrialisierung hat eine eher hässliche Konnotation. Aber: Industrialisierung als Ziel erkennt an, dass vor allem die Prozesse mit hohen Stückzahlen in den Blick zu nehmen sind und wirtschaftlich spürbare Skaleneffekte angestrebt werden müssen. Sie erkennt an, dass die Veränderung von Normen und Leistungen und der vielfach kleinteiligen örtlichen Strukturen Voraussetzungen für Lösungen sind, die von der Größe her zu den Problemen passen, die auf den Öffentlichen Dienst zukommen.
Nicht alles muss schmecken Vieles, was mit Industrialisierung einhergeht, muss man nicht mögen. Arbeitsplätze werden durch arbeitsteilige Prozesse zwar produktiver, aber tendenziell auch weniger qualifiziert. Wenn wir vor der Alternative stehen, keine Fachkräfte für den handwerklichen Prozess zu haben oder keine Bereitschaft, dessen Kosten auf Dauer zu akzeptieren, dann geht kein Weg an dieser Reform vorbei! Lieber Pommes, als gar nichts zu essen in der Büro-Mittagspause.
Und: Die knapper werdenden Fachkräfte werden wir in Zukunft für wichtige Aufgaben brauchen, die sich gerade nicht industrialisieren lassen. In Bereichen wie Bildung, Sicherheit, Integration, Gesundheit und Pflege oder Kultur gibt es diese zuhauf.
Eine längere Version dieses Beitrags steht auf der Webseite des Behörden Spiegel zur Verfügung: www.behoerdenspiegel.de, Suchwort: Salzkartoffeln.
der Aufbereitung der Inhalte und in der Überlegung, welche Lücken diese Technologien schließen können. Dazu braucht es die eigene Erfahrung, was Immersion wirklich bedeutet.
Digitale Zwillinge, Bürgerbeteiligung In einigen Kommunen gibt es bereits Projekte. Digitale Zwillinge werden in Virtual Reality aufbereitet, Bürgerbeteiligung kann durch Augmented Reality wieder gestärkt werden, indem Planungen in der realen Welt bereits virtuell sichtbar gemacht werden, und auch in der Arbeit mit dementen Menschen findet Virtual Reality bereits ihren Platz.
Vielleicht erfordert all dies aber auch eine Veränderung des “Behörden-Mindsets” und eine Abkehr vom üblichen Verwaltungshandeln. Im Moment geht es (noch) nicht um Perfektion, sondern um Erkenntnisgewinn und Erprobung unter Einbeziehung der Nutzerinnen und Nutzer.
Auch wenn Cyber-Angriffe durch Praktiken wie cybercrime-as-aservice oder den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) nicht mehr nur hochprofessionellen Cyber-Kriminellen vorenthalten sind, schätzt Manuel Atug, Gründer und Sprecher der AG KRITIS, simplere Störaktionen für den Einsatz der Spiele als realistischer ein: „Mittlerweile reicht im Prinzip ein Telefonanruf, um eine Gefahrenlage zu erreichen, dafür braucht man keinen komplexen Cyber-Angriff.“ Gemeint sind dabei zum Beispiel Bombendrohungen an Verkehrsknotenpunkten oder „Swatting“ (s. Kasten unten r.). Bei diesen Aktionen wäre die Polizei auch in jedem Fall gezwungen zu handeln: „Das muss erst geprüft und ermittelt werden und ggf. müssen Gebiete großräumig abgesperrt werden.“ Neben tatsächlichen Bedrohungslagen kann es sich dabei auch um leere Drohungen handeln. Ziel könne es sein, gewisse Aufmerksamkeit zu erreichen oder in den Medien präsent zu werden, schätzt Atug ein.
Die Durchführung eines CyberAngriffs sei für die Kriminellen dabei unsicherer: „Ein Cyber-Angriff könnte schnell wieder beseitigt werden oder gar nicht “durchkommen.“, erklärt Atug. Bei einem einfachen Telefonanruf z. B. in Form eines Pranks seien die Ermittlungsbehörden gezwungen zu ermitteln, so der KRITIS-Experte. Wenn es dann doch zu IT-Störungen kommen sollte, würden diese
UEFA EURO 2024 nicht konkret gefährdet – Störaktionen aber möglich
(BS/Paul Schubert) Die Europameisterschaft in Deutschland ist nicht nur für Fußballer und Sportfans interessant, sondern lockt auch Cyber-Kriminelle an. Wie bei den meisten Großveranstaltungen besteht zwar eine erhöhte Bedrohungslage, konkrete Bedrohungsszenarien liegen aber aktuell nicht vor. Cyber-Angriffe seien dabei nicht die primäre Gefahr, sondern es gebe viel einfachere Wege, die Spiele zu stören, erklärt ein KRITIS-Experte.
Im Volkspark Stadion in Hamburg werden nicht nur die Spiele der EM ausgetragen. Auch Workshops in punkto Sicherheit werden hier von der UEFA organisiert. Foto: BS/uslatar, stock.adobe.com
durch DDoS-Angriffe ermöglicht werden. Ein Angriffsszenario sei z. B. die Fahrplanauskunft mithilfe der Überlastungsangriffe zu stören, damit Reisende nicht auf die Fahrpläne zugreifen könnten, erzählt der Gründer und Sprecher der AG KRITIS. Selbst dieses Angriffsszenario hält er jedoch für weniger wahrscheinlich als physische Angriffe: „In der Bahninfrastruktur haben wir ständig Störungen durch Kabeldiebstahl, dafür braucht es nicht mal die Europameisterschaft.“ Des Weiteren würden sich Cyber-Kriminelle unabhängig von der Fußball-EM die Frage stellen, wie viel Aufmerksamkeit sie mit bestimmten Aktionen erlangen könnten bzw. wie viel Geld erpresst werden könne: „Die Kriminellen überlegen sich dann eher, ob sie mehrere Firmen angreifen um Geld zu erpressen, oder sie ihren Fokus z. B. auf einen Ticketsystem-Hersteller bei der EM legen.“ Das seien reine Abwägungs-
fragen auch finanzieller Natur. Die UEFA EURO 2024 an sich verändere dabei nicht viel, mutmaßt Atug BSI mit von der Partie Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sieht in der Vorbereitung zur EM zwar ein „hohes abstraktes Bedrohungslevel“, aber derzeit „keine konkreten Bedrohungen“. Die EURO ist für das Bundesamt aber in gewisser Form Neuland: „Die EM ist die erste Sportgroßveranstaltung, in die das BSI so stark involviert ist. Bei der WM 2006 war das Thema Cyber noch nicht so groß“, erzählt eine UEFA EURO 2024-Veranwortliche des BSI. In der Vorbereitung habe es neben Abstimmungsrunden mit dem Bundesministerium für Inneres und Heimat (BMI) auch Konsultationen mit der UEFA gegeben. Die UEFA habe ein gut aufgestelltes Cyber-Security-Team, welches auch in den Stadien selbst aktiv ist. Die
UEFA habe sich beim BSI im Vorfeld beispielsweise erkundigt, wie die Situation in deutschen Stadien sei und sich nach Meldewegen bei Cyber-Vorfällen informiert, heißt es aus der Bundesbehörde. Generell seien die Absprachen mit den verschiedenen Stakeholdern zufriedenstellend verlaufen: „Wir haben Sensibilisierungsmaßnahmen für die Ausrichterstädte umgesetzt und auch Unternehmen im Rahmen des UP KRITIS sensibilisiert. Daneben wird das BSI auch bei einem Workshop der UEFA zum Thema Cyber Incident Response für die Stadien sprechen“, heißt es aus dem BMI. Aktivitätsüberwachung in Neuss und Bonn Für die Überwachung der CyberLage ist im Allgemeinen das IT-Lagezentrum des BSI verantwortlich. Das könne im Ernstfall zum Krisenreaktionszentrum werden (mehr zum IT-Lagezentrum auf Seite 40). Ferner sei das CERT-Bund in Rufbereitschaft. Für die gesamte EUROSicherheitsstruktur ist das International Police Cooperation Center (IPCC) in Neuss verantwortlich. Die UEFA EURO 2024-Veranwortliche des BSI werde dafür vor Ort sein, damit sich die Cyber-Behörde mit den anderen Sicherheitsbehörden austauschen könne, heißt es von der Cyberbehörde. Im Bereich Desinformationskampagnen ist das BMI federführend. Das BSI ist dort in der AG Hybrid und der „Taskforce Desinformation“ aktiv. Im Bereich der Prävention hat das BSI einen IT-Sicherheitsleitfaden erstellt. Dieser werde auch für
die UEFA bereitgestellt, richte sich aber insbesondere an internationale VIPs und enthalte Sicherheitshinweise für Endnutzer auf Englisch. Der Leitfaden sei ursprünglich im Bereich der Wahlen für Kandidierende entworfen worden und sei diesbezüglich angepasst worden, so das Bundesamt.
ISMS und echte defensive Resilienz Schlussendlich ändere die EURO aber nicht die Grundsicherheitsmechanismen, die Städte, Kritische Infrastrukturen oder Stadien zu beachten hätten. „Im Endeffekt sollen die Beteiligten ihr Managementsystem für Informationssicherheit (ISMS) überprüfen“, heißt es von der UEFA EURO 2024-Veranwortlichen des BSI . Das gelte besonders für festgelegte Melde- und Eskalationswege und deren regelmäßige Beübung.
Ähnlich sieht es auch KRITIS-Experte Atug: „Wir brauchen echte defensive Resilienz und nicht mehr Befugnisse für Polizeibehörden wie Videoüberwachung oder Vorratsdatenspeicherung.“ Durch echte defensive Resilienz solle erreicht werden, dass Störungen sich nicht zu Krisen oder Katastrophen entwickelten: „Das Ziel bei physischen oder virtuellen Angriffen ist es, schnell zu entstören, den Fluss der Infrastruktur zu gewährleisten und die Angriffe gar nicht erst wirken zu lassen. Damit würden die Institutionen – unabhängig von der UEFA EURO 2024 – immer gut fahren, resümiert KRITIS-Experte Manuel Atug
Als Swatting werden Aktionen bezeichnet, in denen Einsatzbehörden wie Polizei oder Feuerwehr durch falsche Notrufe absichtlich zu Unschuldigen geschickt werden. Häufig werden diese beschuldigt, Waffen zu tragen, was die Einsätze besonders riskant machten. In den USA sind durch Swatting bereits Menschen ums Leben gekommen.
Wenn Medien reguliert werden sollen, ist es besonders wichtig, darauf zu achten, dass dabei nicht de facto eine Zensur geschaffen wird, betont Heike Raab, Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien. Denn „Medienpolitik ist Demokratiepolitik. Und deshalb ist einerseits das europäische Medienfreiheitsgesetz für uns von ganz, ganz großer Bedeutung gewesen und es ist jetzt auch final abgestimmt worden. Wir konnten hier auch die spezifischen deutschen Aspekte einbringen, die unser duales Mediensystem als ein sehr pluralistisches und vielfältiges Mediensystem eben ausmachen.“ Zudem sei es wichtig, dass die Rechtslage auf Bundes- und Landesebene kohärent sei. Gute Kooperation auf allen Ebenen – inklusive der europäischen –sei deshalb entscheidend. Der europäische DSA hat in Deutschland zwei Komponenten: das DDG und den 5. Medienänderungs-Staatsvertrag. Ziel sei es, die demokratische Funktion der Medien zu erhalten und gleichzeitig ein sicheres und verantwortungsvolles Online-Umfeld zu schaffen, so Raab: „Alles das, was offline strafbar ist, soll künftig auch online strafbar sein.“ Auch regulatorische Aspekte sollen mit dem DDG in gute Umsetzung gebracht werden. Eine besondere Rolle kommt dabei den Landesmedienanstalten zu. Denn Medienregulierung ist staatsfern organisiert, um der Beeinflussung zu Propagandazwecken vorzubeugen. Mit dem DSA werden Rechte festgeschrieben, die es den Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, sich gegen Plattformen und andere Nutzende zu wehren. Plattformen müssen außerdem konkrete Beschwerdeverfahren bereitstellen und Entscheidungen, etwa bezüglich der Löschung von Inhalten, nachvollziehbar begründen. Auch der Kinder- und Jugendschutz im digitalen Raum wird durch die Regelung verbessert. Zudem soll es Nutzerinnen und Nutzern besonders einfach gemacht werden, von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Etwa durch eine Eingabemaske für Beschwerden bei den zuständigen Behörden. Außerdem sollen Nutzende über den gesamten Beschwerdeprozess nur einen einzigen Ansprechpartner haben, von dem aus die Informationen weitergeleitet werden. Zuständig ist hier die BNetzA.
Sicher und transparent
Regeln für digitale Medienplattformen auf der Zielgeraden
(BS/tk) Der Digital Services Act (DSA) ist beschlossene Sache und wird in Form des Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG) durchgesetzt. Als zentrale Schnittstelle in Deutschland fungiert dabei die Bundesnetzagentur (BNetzA). Auf deren Koordinationsstelle für digitale Dienste kommen neue Herausforderungen zu – in der innerbehördlichen Struktur ebenso wie in der Kooperation mit anderen Stellen aus Bund, Ländern und der EU. Alle Beteiligten müssen ihre Kompetenzen bündeln, um Online-Dienste wirklich zu regulieren und die User zu schützen. Doch wie genau soll die Umsetzung aussehen?
Aufsicht und Durchsetzung nötig Aber die Umsetzung der Reglungen aus dem DSA auf den Plattformen ist noch nicht überall zufriedenstellend. „So gut viele der Vorschriften sind, sie können wirklich in der Praxis und im Leben der Verbraucherinnen und nur eine positive Wirkung entfalten, wenn wir auch eine funktionierende Aufsicht und Durchsetzung haben. Und wir haben selber vom vzbv schon eine Untersuchung
gemacht zum Digital Services Act und wie Plattformen das umgesetzt haben, genau 100 Tage, nachdem die großen „Very Large Online-Plattformen“ die Regeln einhalten mussten. Leider haben wir festgestellt, dass wirklich große Plattformen wie Google, Amazon, TikTok einfach die Regeln noch unzureichend umsetzen.“, berichtet Lina Ehrig, Leiterin des Teams Digitales und Medien im Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Besonders große Plattformen nutzten demnach noch manipulative Design-Strukturen, die beispielsweise die Löschung des eigenen Nutzerprofils stark erschwerten, so Ehrig Die Regulierung von Plattformriesen wie X (formals Twitter) soll auf EU-Ebene erfolgen. Eine besondere Herausforderung auch für die irische Koordinationsstelle, in deren Zuständigkeitsbereich viele der Anbieter ihren europäischen Firmensitz habe, erklärt Dr. Julian Jaursch, Projektleiter „Policy Plattformregulierung“ bei der Stiftung Neue Verantwortung. Wie viele Behörden in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten an der Umsetzung des DSA beteiligt sind, ist nicht einheitlich geregelt. „In vielen Fällen sind das ähnliche Strukturen wie in Deutschland bei der Telekommunikationsaufsicht. Durch das föderale System in Deutschland passiert halt das, was grob unter Plattformregulierung läuft, auf unterschiedlichen politischen Ebenen. Und das wurde über die Koordinierungsstelle bei der Bundesnetzagentur, die Aufsicht auf der Länderebene für Medien und den Bundesdatenschutz sowie Kinder- und Jugendmedienschutz abgedeckt. Das ist nicht in allen Mitgliedsstaaten so“, führt Jaursch aus. Teilweise sei wirklich nur eine Behörde benannt worden, eventuell unterstützt von der jeweiligen Datenschutzbehörde. Svea Windwehr, Leiterin des Center for User Rights bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte warnt jedoch auch vor möglichen negativen Begleiterscheinungen. So schreibe Artikel 18 des DSA etwa vor, dass Plattformen im Falle von Gefahr für die Sicherheit von Personen bzw. für die öffentliche Sicherheit, Nutzerdaten proaktiv an die Strafverfolgungsbehörden ausleiten sollen. Im Bundeskriminalamt (BKA) führe dies zu Stellenaufbau im großen Stil. Windwehr bemängelt, dass klar sei, dass es dabei nicht nur um eine Gefahrenabwehr, sondern auch um Strafverfolgung gehe. Das entspreche nicht der Idee hinter der neuen Vorschrift. „Wir sehen darin wirklich eine massive Gefahr, dass große Mengen von Nutzerdaten ausgeleitet werden – in Fällen, wo es eventuell noch nicht mal einen Anfangsverdacht gibt oder dieser zumindest nicht richterlich bestätigt ist“, so Windwehr. Außerdem habe es mehrere kurzfristige Änderungen und Ergänzungen im DSA gegeben, für die es kein Impact Assessment gegeben habe. So etwa der Krisenmechanismus, der der EU-Kommission im Falle einer externen Krise weitreichende Sonderrechte einräumt. Windwehr bereiten diese Regelungen Bauchschmerzen. Sie seien zwar gut gemeint, böten aber auch Raum für potenziellen Missbrauch. Viele Aspekte werden sich erst in der Umsetzung zeigen. Wichtig ist es, dabei sicherzustellen, dass immer im Interesse der Gesellschaft und nicht aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen gehandelt wird. Auch wenn die Verordnung formal seit dem 17. Februar aktiv ist, fehlt noch die entsprechende Gesetzesgrundlage zum Digitale-Dienste-Gesetz. Der Bundestag stimmte am 21. März für das Gesetz. Im Bundesrat muss die Verordnung allerdings eine Extrarunde drehen: Die Länder forderten mehr zuständige Behörden und eine Ausweitung der Meldepflichten (Behörden Spiegel, Ausgabe März 2024, S. 33). Am 26. April wurde das DDG in der Länderkammer beschlossen.
Mehr zum Thema finden Sie in der Aufzeichnung des Thementags „Digitale-Dienste-Gesetz – Synergien schaffen für ein sicheres und transparentes Internet“ in der Mediathek auf digitaler-staat.online.
Die Ausrufung der „Cybernation“ im Februar soll ein Paradigmentwechsel einleiten.Der Paradigmenwechsel soll durch das neue IT-Lagezentrum des BSI unterstützt werden. Der Leiter des Lagezentrums, Sebastian Brück, sagte beim Digitalen Staat Online, dass die Institution aufgrund ihrer technischen Infrastruktur ein Meilenstein sei. Ferner entspreche die Schaffung des Zentrums „der aktuellen Sicherheitslage“. Zwar existiert das Lagezentrum bereits seit 2021, aber nachdem man 2024 in neue Räumlichkeiten umzog, wurden die Arbeitsplätze verdoppelt. Im neuen Zentrum ist nun auch die Bundeswehr anwesend: „Insbesondere seit dem Beginn der Invasion Russlands auf die Ukraine haben wir einen absoluten Mehrwert darin, dass wir auch einen Informationssicherheitsoffizier des Kommandos Cyber- und Informationsraums dauerhaft bei uns im Lagezentrum haben“, erzählte Brück.
Im Lagezentrum werden im Jahr etwa 2.800 Meldungen zu IT-Sicherheitsvorfällen bearbeitet. Auch Beiträge aus Social Media zählen dazu. Letzteres betreffe etwa 3.000 Nachrichten pro Minute, formulierte Brück. Des Weiteren stehe das IT-Lagezentrum in Bonn auch in direkter Verbindung zur Cybernation: „Es ist Fundament und verbindendes Element der Cybernation Deutschland. Denn mit den Informationen, die wir
Wie das BSI versucht, die Herausforderungen in der Cyber-Sicherheit anzugehen
(BS/Paul Schubert) Die Cyber-Bedrohungslage nimmt zu. Dies nahm die oberste Cyber-Sicherheitsbehörde des Bundes im Februar zum Anlass, die „Cybernation Deutschland“ auszurufen. Um was es sich dabei handelt und was andere Akteure von dem Plan des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) halten, diskutierten wir an unserem Thementag „PITS-Preview“ auf Digitaler Staat Online.
hier im IT-Lagezentrum sammeln, aufbereiten und bewerten, stärken wir die Cybernation Deutschland in nahezu allen der sechs Themengebiete“, erklärte der Leiter des Lagezentrums.
Sechs strategische Ziele
Die Themengebiete der Cybernation Deutschland sind vom BSI als strategische Ziele definiert: Die Cyber-Sicherheit soll auf die Agenda gehoben werden, die Cyber-Resilienz soll substanziell erhöht werden, Technologiekompetenz soll gezielter eingebracht werden und die Digitalisierung muss vorankommen.
Des Weiteren soll Cyber-Sicherheit pragmatisch gestaltet werden und Deutschland einen florierenden Cyber-Markt aufbauen.
Ausgerufen wurde die Cybernation Deutschland durch die neue Chefin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Claudia Plattner. Seit sie die Zügel in Hand genommen habe,
Manuel Höferlin, innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, ist offen für geringe Änderungen bei der Struktur des BSI. Screenshot: BS/Schubert
werde Pragmatismus größer geschrieben, erzählte Dr. Dirk Häger, Abteilungsleiter Operative CyberSicherheit beim BSI. „Ein beliebter Spruch von ihr ist: Nicht am Spielfeldrand stehen und die Spieler anfeuern und gute Ratschläge geben, sondern sich auf das Spielfeld zu begeben und mitzumachen“, so Häger. Neue Technologien sollten
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nicht verhindert, sondern aufgegriffen werden, um das Beste daraus zu machen und mitzugestalten, sagte der BSI-Mann.
Zwei Kritikpunkte
Dr. Sven Herpig, Direktor für Cybersicherheitspolitik und Resilienz bei der Stiftung Neue Verantwortung, ist skeptischer. Zwar sei es nicht verkehrt, eine Cybernation auszurufen aber die Rolle des BSI sei dabei nicht ganz klar. Es gebe zwei Aspekte, an denen man bei der Betrachtung des BSI arbeiten müsse: Die strukturelle Ausgestaltung des BSI und seines Ökosystems seien zentral dafür, wie externe Akteure und Forschungsein-
„Die Anzahl der Planstellen hat sich in den letzten zehn Jahren von knapp 600 auf etwa 1.800 verdreifacht. Die Aufgaben und Befugnisse wurden mit jedem verabschiedeten Gesetz mehr.“
Dr. Sven Herpig, Direktor für Cybersicherheitspolitik und Resilienz bei der Stiftung Neue Verantwortung über die wachsende Struktur des BSI
rale Klein-Klein helfe nicht weiter: „Die Situation wird ja sogar von den Ländern oder auch einigen Kommunen adressiert und ich glaube, man wünscht sich auch hier ein pragmatisch-gemeinsames und auch zentraleres Vorgehen als es bisher der Fall ist“, formuliert Rabe. Das Lagezentrum sei ein weiterer Schritt, um gemeinsam zu arbeiten. Rabe forderte für die Cybernation regulatorische Kohärenz. Um die Anwenderindustrie, insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen, mitzunehmen, brauche es klare, rechtssichere Vorgaben. Die politischen Signale sollten dabei konsequenter und pragmatischer in die Wirtschaft getragen werden.
Die PITS-Preview war eine Vorveranstaltung zur im Juni stattfindenden PublicIT-Security in Berlin. Die Themen der Online-Veranstaltung behandelten neben der Cybernation auch die E-Mail-Sicherheit und die Regionalisierung der IT-Sicherheit. Das gesamte Event ist unter digitaler-staat. online/mediathek kostenfrei abrufbar .
richtungen und Firmen das BSI unterstützten. Darunter fielen Rechtssicherheit für IT-Sicherheitsforschende, Unabhängigkeit des BSI vom BMI und der Schwachstellenbeurteilungsprozess. „Der zweite Punkt ist eine interne Perspektive, wo das BSI und die neue Amtsleitung etwas tun können. Die Anzahl der Planstellen hat sich in den letzten zehn Jahren von knapp 600 auf etwa 1.800 verdreifacht. Die Aufgaben und Befugnisse wurden mit jedem verabschiedeten Gesetz mehr.“, erzählte Herpig. Er sei kein „Organisationspsychologe“, aber er könne sich vorstellen, dass die Behörde bei den Themen Organisationskultur, Wissensmanagement, interne Kommunikation und der IT-Ausstattung vor Herausforderungen stehe. Des Weiteren könne man überlegen, ob es Sinn mache die Amtsleitung temporär mit einer zweiten Vizepräsidentin aufzustocken. Diese Person könne sich dann z. B. mit der internen Konsolidierung beschäftigen. Einiges sei dabei auch die Aufgabe der Politik. Für sie gebe es die Aufgabe, die Cybernation auch gesellschaftspolitisch mitzugestalten. Dabei müsse auch die Wirtschaft mit an Bord genommen werden, erklärte Manuel Höferlin, innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Er plädierte für mehr Absprache: „Kommunikation mit Behörden, Kommunikation mit Unternehmen, Kommunikationen untereinander. Auch da müssen wir mehr Cybernation werden.“ Das heiße konkret, die Struktur anzupassen: „Über einen zweiten Vizepräsidenten sprechen wir zum Beispiel auch gerade“, so Höferlin. Man solle aber auch Unternehmen, die kritische Netze betreiben, stärker in die Pflicht nehmen: „Ich gehe eigentlich davon aus, dass das ihr ureigenstes Interesse ist, weil es Kernbestandteil ihres Unternehmens ist“, sagte der FDP-Politiker. Für die technische Umsetzung setzt die Cybernation auf starke wirtschaftliche Partner. Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsleitung beim Bitkom, freut sich auf den pragmatischen Weg der neuen BSI-Präsidentin. Was es nach ihrer Ansicht braucht, ist ein Alignment zwischen dem Ansatz der Cybernation und der Cyber-Sicherheitsstrategie auf politischer Ebene, damit sich beides ergänze: „Das BSI hat eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Cybernation, aber allein wird es es nicht richten können“, so Dehmel. Für die technische Expertise brauche es ein gutes Zusammenspiel von Staat und Anbietern sowie ein Matching von Bedarfen und Kompetenzen. Der Bitkom würde sich auch ein Cyber-Lagebild wünschen, das ein Echtzeitdatenbild aus verschiedenen Quellen zusammenführe und zur Verfügung stelle, konstatierte Dehmel. Für Alexander Rabe, Geschäftsführer des Verbands der Internetwirtschaft (eco), steht das Kollaborative im Vordergrund. Rabe begrüßt wie Dehmel den Pragmatismus von Claudia Plattner und hält die Stärkung und Unabhängigkeit des BSI für „unabdingbar“. Die Herausförderungen für das BSI seien immens, aber er glaubt, dass es nötig ist diesen Weg zu gehen, denn das „föde-
„DieMenschen in Deutschland sind im Cyber-Raum nicht ausreichend geschützt“, begann die Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Claudia Plattner, ihren Vortrag auf dem 22. Bonner Dialog für Cyber-Sicherheit. IT-Störungen und Cyber-Angriffe auf Kritische Infrastrukturen gefährdeten zudem die tägliche Versorgung. Weiterhin sei Deutschland Ziel von Cyber-Spionage und -Sabotage. All diese Punkte konstituierten Plattner nach die aktuelle Lage – zumindest „gefühlt“. Die Lösung sieht das BSI im Verständnis von Cyber-Sicherheit als gesamtstaatliche Aufgabe und in der Errichtung einer Cybernation (mehr dazu auf Seite 40). Allein könne das BSI die großen Cyber-Herausforderungen nicht stemmen. „Auch nicht, wenn wir zehn Mal so viele Leute hätten“, gab die BSIChefin zu Bedenken.„Ransomware beschäftigt uns gerade am meisten und richtet den größten Schaden an“, berichtete Plattner. Ein Beispiel dafür sei der Angriff auf die Südwestfalen IT im Oktober letzten Jahres, dessen Auswirkungen 70 Kommunen beträfen. Als Konsequenz könne man dort momentan nicht mehr heiraten.
Doch das Problem sei größer als zeitweise ausgesetzte Verwaltungsleistungen: Inzwischen habe CyberSicherheit eine geopolitische Komponente, machte die BSI-Präsidentin deutlich. Die Kriegshandlungen im Cyber-Raum nähmen zu. Und Cyber-Attacken könnten auch Desinformations- und Propagandazwecke erfüllen: Plattner nach werden viele der Ransomware-Attacken aus Russland gesteuert. Dabei handle es sich
„Bot-und Kontexterkennung bei Hasskommentaren im Internet, Bild- und Videoanalyse, die Übertragung von Audioaufnahmen zu Text, forensische Analyse und die Bekämpfung von Grooming“, dem gezielten Ansprechen Minderjähriger auf Online-Plattformen. Das sind laut Prof. Dr. Dirk Labudde, Professor für Allgemeine und Digitale Forensik an der Hochschule Mittweida, die fünf aktuellen Möglichkeiten zur polizeilichen Prozessoptimierung, bei denen Künstliche Intelligenz (KI) helfen kann. Was viele dieser Prozesse gemeinsam haben: Sie gehen mit großen Datenmengen einher, den sogenannten Massendaten. Für deren Bearbeitung brauchen die Ermittelnden viel Zeit – die an anderer Stelle fehlt. Mit dieser Dynamik scheint es unmöglich, bei den datenintensiven Verbrechen der Gegenwart nicht den Anschluss zu verlieren. KI-Ermittlung ist also zwingend notwendig, um KI-Kriminalität einzudämmen. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil: Tätigkeiten wie das Durchsehen von Tausenden von kinderpornografischen Bildern können Beamtinnen und Beamte psychisch stark belasten – KI-Anwendungen nicht.
KI für Formulare und Chats Dirk Peglow, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), bricht die Technologie auf die täglichen Aufgaben seiner Kolleginnen und Kollegen herunter. Im Polizeialltag seien zunächst einfachere Bedarfe notwendig: „Lieber eine KI für 250 Leitz-Ordner, die man durcharbeiten muss.“ Ein Gros der polizeilichen Arbeitszeit entfällt auf das Erstellen von Standard-Dokumenten, sei es digital oder noch auf Papier: wiederkehrende Formulare, Protokolle, Übersetzungen. Auch die E-MailPosteingänge des ermittelnden Personals könnte KI-Automatisierung ungleich schneller sortieren und
Auswirkungen von Cyber-Attacken größer als ausgesetzte Dienstleistungen
(BS/Anna Ströbele) Ransomware-Attacken aus Russland und anschließende Propaganda in den Sozialen Medien verdeutlichten die geopolitische Komponente von Cyber-Sicherheit, erklärt BSI-Präsidentin Claudia Plattner. Gleichzeitig soll Bonn als Standort für Cyber-Sicherheit gestärkt werden. Bereits in der Vergangenheit habe man Forschungseinrichtungen, Behörden und Unternehmen zusammenbringen können.
um kriminelle Gruppen mit Rückhalt der russischen Regierung. So erhalte ein Angriff wie auf die Südwestfalen IT eine neue Dimension. „Auf Social Media kann es so dargestellt werden, dass der Staat nicht in der Lage dazu ist, seine Bürger zu schützen“, führte Plattner aus. Damit werde es ein Politikum, das „weit über eine Cyber-Situation hinausgeht“ und alle betreffe. „Es geht eben nicht nur um die Menschen, die nicht mehr heiraten können“, so die Präsidentin der Cyber-Sicherheitsbehörde. Bei Ransomware-Angriffen spricht sich das BSI grundsätzlich gegen das Zahlen von Lösegeld aus. Auf Bundesebene habe man nun eine Abmachung unterschrieben, selbst
auch nicht zu zahlen, sollte der Fall eintreten, informierte Plattner.
Berlin/Bonn-Gesetz
Die Teilnehmenden besprachen weiterhin die Stärkung Bonns als Standort für internationale und nationale Cyber-Sicherheit gemäß den kürzlich veröffentlichten Eckpunkten für eine Zusatzvereinbarung zum Berlin/Bonn-Gesetz (mehr dazu auf Seite 3). Dort heißt es, in der Region seien Kompetenzen im Bereich der Cyber-Sicherheit vorhanden, die im deutschlandweiten Vergleich ein Alleinstellungsmerkmal darstellten. „Ich finde es super, dass wir eine Bestätigung für Bonn haben“, freute sich Axel Petri, Vorstandsvorsit-
zender des Cyber Security Clusters Bonn. Im Cluster sei es ihnen in den letzten Jahren gelungen, Behörden, Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen zusammenzubringen. Der in den Plänen vorgesehene „Cyber Campus“ werde eine wesentliche Rolle spielen, kündigte Petri an. Sowohl an der Hochschule BonnRhein-Sieg als auch an der Universität Bonn kann man beispielsweise Cyber Security als eigenes Fach studieren. Auch Plattner betonte, die Region biete eine „optimale Möglichkeit“, um zusammenzuarbeiten. Das in der ehemaligen Hauptstadt ansässige BSI plant für 2027 eine weitere Liegenschaft vor Ort – im Landgrabenweg, auf der anderen Rheinseite.
Künstliche Intelligenz erleichtert die Polizeiarbeit mit Massendaten
(BS/Christian Brecht/Paul Schubert) Kriminelle legen vor, die Ermittlungsbehörden ziehen nach: Die Bekämpfung von Verbrechen, die Künstliche Intelligenz (KI) involvieren, gleicht einem Katz-und-Maus-Spiel. Doch KI kann die Polizeiarbeit mittlerweile auch bei komplexen Straftaten signifikant unterstützen. Die alltäglichen Bedarfe der Beamtinnen und Beamten sind oft einfacherer Natur. In der IT-Forensik sind die verschiedenen Inhalte auf unterschiedliche Weise untersuchbar –manche sind leichter zu analysieren, bei anderen wird es der Technik schwerer gemacht.
Das wichtigste Endgerät, das für die IT-Forensik relevant sei, sei heute das Mobiltelefon, sagte Mike Dickinson, Senior Vice President Sales Global bei MSAB. Die Strafvollzugsbehörden würden allerdings in digitalen Daten „versinken“. In Großbritannien allein würden mehr als 25.000 Mobilgeräte darauf warten, untersucht zu werden. Ferner könnten die Beamten auch nicht gleich los untersuchen: „Polizistinnen und Polizisten müssen erklären, warum sie sich welche Daten anschauen wollen“, so Dickinson. Die sieben Prinzipien der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) müssten im Regelfall eingehalten werden.
Forensik heißt Wiederholbarkeit
„Wir bleiben Bonn treu“, versprach die Präsidentin. Eva Tiefenau, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Fraunhofer FKIE, beantwortete die Publikumsfrage, wie Cyber-Sicherheit nutzerfreundlich gestaltet werden kann. Man müsse sehr viel testen und die Nutzenden direkt einbeziehen. Vor allem aber empfahl sie, möglichst viel zu automatisieren, zum Beispiel durch Software-Updates oder Passwortvorgaben. „Das nimmt die Last vom Endnutzer ab,“ versicherte Tiefenau. Anhand einer Abfrage im Saal demonstrierte sie vor Ort, dass sich nicht ausreichend an neuen Informationen orientiert wird. Obwohl das BSI bereits seit 2020 nicht mehr empfiehlt, Passwörter regelmäßig zu wechseln, berichtete ein Großteil der Anwesenden per Handzeichen, dass in ihrer Arbeitsstelle weiterhin entsprechende Vorgaben bestehen. Tiefenau wünscht sich daher eine schnellere Umsetzung von Erkenntnissen.
Gefahr durch Künstliche Intelligenz?
Eine andere Publikumsfrage beschäftigte sich mit den Effekten von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Cyber-Sicherheit. Peter Weidenbach, Stabsstellenleiter Informationssicherheit am Universitätsklinikum Bonn (UKB), machte darauf aufmerksam, dass mithilfe von KI sehr realistische Phishing-Mails gebaut werden könnten. Diese ließen sich ohne großen Aufwand und entsprechende Kenntnisse an die lokale Sprache anpassen. Axel Petri vom Cyber Security Cluster Bonn betonte, sich einerseits vor KI schützen zu müssen, KI aber auch für den Schutz nutzen zu können.
und auch die IT-Forensik müssten wiederholbar bzw. wiederherstellbar sein. Beim Download von Dateien sei das mitunter nicht gegeben, erklärte er. Für die Zukunft wünscht sich Krause mehr Hilfe von automatisierten Prozessen: „ITForensik, die bedarfsgerecht den Richtern präsentiert würde“, wäre eine Zeitersparnis für die Behörden. Darüber hinaus würde sich die IT-Forensik von einem Individualansatz zur Massenforensik weiterentwickeln. Gemeint ist dabei, dass Informationen zukünftig leichter automatisierbar und klassifizierbar würden.
Smartphone beschlagnahmt –was nun?
Die Beschlagnahmung von IT-Geräten findet in der Regel durch die Kreispolizeibehörde statt. Diese entscheide auch, was damit passiere, erklärte Krause. Da die Geräte in
„Lieber
freie Kapazitäten schaffen. Was die für die Verbrechensaufklärung wichtige Auswertung von Chats betreffe, seien die technischen Probleme alle gelöst, so Labudde. Man müsse die Technologie nur in die richtigen Pipelines der Ermittlung bekommen. Wie das wiederum gelingt? Indem sich Behörden „intensiver mit der wissenschaftlichen Community und deren Wissen beschäftigen“.
Telefonierverhalten am einfachsten auswertbar
Eines der sensibelsten Themen in der Polizeiarbeit ist der Kampf gegen Kinderpornografie. Sie wird insbesondere durch die Digitalisierung
zu einem wachsenden Problem. Die Zahl der Minderjährigen, die Sexualdelikte im Netz erleben, liegt bei mittlerweile vier Prozent, erklärte Sebastian Pieper vom Unternehmen Cellebrite. Des Weiteren kursierten online etwa 600 Millionen Bilder von Kindesmissbrauch. Sobald forensische Untersuchungen von ITGeräten anstünden – beispielsweise bei der Suche nach verbotenem pornografischem Material – helfe die Nutzung von Automatisierungssoftware oder der Einsatz von KI. Am effektivsten könne das Telefonieverhalten analysiert werden. Bei Ton, Audio und Videos sei die Auswertung wesentlich schwieriger, erklärte Pieper.
Der Forensiker habe in Deutschland in dieser Hinsicht Glück, weil er im Bereich der Strafprozessordnung arbeite, die gewisse Datenschutzvorgaben bereits innehabe: „Solang der Forensiker das macht, was laut Strafprozessordnung erlaubt ist, braucht er sich wenig um zusätzliche Datenschutzssachen zu kümmern.“ Sobald man allerdings beispielsweise beim Thema Cloud über Onlinedaten oder das Akquirieren von Daten aus dem Internet spreche, verlasse man den klassischen Bereich der Forensik. Dort befinde man sich in einem komplett neuen Feld, das rechtlich in Deutschland nicht abschließend geklärt sei, sagte Benno Krause vom Landeskriminalamt NordrheinWestfalen. Die klassische Forensik
eine KI für 250 Leitz-Ordner, die man durcharbeiten muss.“
Dirk Peglow, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK)
der Regel durch Sicherheitsmechanismen gesperrt seien, habe die Polizei zwei Wege, um an die Daten zu kommen: Einerseits setze man auf Kooperation und versuche, die Zugangsdaten mithilfe von Zeugen oder dem Verdächtigen zu erlangen. Als zweite Variante könne man sich auch die Hersteller wenden. Der könne es mitunter ermöglichen, ohne Passwort an die Inhalte der Geräte zu kommen, verrät Krause.
Um es vorweg zu sagen: Das BSI ist dem Namen nach immer noch nur für die Sicherheit der Informationstechnik zuständig. Interne Versuche, den Begriff z. B. über das Grundschutzhandbuch um Informationssicherheit und damit um eine Einbeziehung des materiellen und personellen Umfeldes zu erweitern, haben noch keine Namensänderung im Bundesinnenministerium veranlasst.
Andere Ressorts sind da schon weiter, so gerade das Verteidigungsministerium mit der Schaffung einer vierten Teilstreitkraft für den Cyber- und Informationsraum (CIR), die neben dem Heer, der Luftwaffe und der Marine operieren soll. Aber vielleicht gibt es ja nach der Bundestagswahl 2025 auch hier ein Einsehen.
Zehn Prognosen
Im Beitrag wurden zehn weitere Prognosen für die deutsche CyberSicherheitszukunft aufgelistet: Manipulation bei den Bundestagswahlen, Ransomware-Angriff auf die Bundesverwaltung, LÜKEX-Übung mit Simulation eines Cyber-Angriffs, missbräuchliche Staatstrojaner-Nutzung durch Hacker-Angriff auf die IT-Technik eines Wasserwerks, IT-Hilfe bei Stromausfall, Wintersturm (Bremen-Blackout) und wegen einer Gasmangellage, ITverursachter Todesfall im Krankenhaus, erster KI-Virus, neues KI-System für DLP (Data Loss Prevention) und Quantenkryprografie im IVBB (Informationsverbund Berlin Bonn).
Schon passiert
Für die Prognose der Beeinflussung von Wahlen musste man kein
„DieInternetkriminalität steigt seit Jahren.“ Die einleitenden Worte von Carsten Meywirth, Leiter der Abteilung Cybercrime beim Bundeskriminalamt (BKA), kamen auf dem Europäischen Polizeikongress 2024 wenig überraschend. Dass Deutschland auf Platz vier in der Liste der von Cyber-Angriffen betroffenen Staaten liegt, schon eher. Die größte Bedrohung stellen laut Meywirth Ransomware-Attacken auf Wirtschaftsunternehmen dar, mit denen Lösegeld (Englisch: ransom) erpresst wird. Auf über 200 Milliarden Euro taxiert der Branchenverband Bitkom den jährlichen Schaden in Deutschland. Am Beispiel von Amazon demonstrierte der Abteilungsleiter, dass diese Attacken auf mehrere Unternehmensbereiche verteilt werden: 50 Prozent der Angriffe zielten auf Amazon Webservices, 38 Prozent auf Security, 37 Prozent auf Login-Daten.
Angebot und Nachfrage 2015 hätten Cyber-Kriminelle laut Meywirth begonnen, sich professionell zu organisieren. Die Täterinnen und Täter, die sich meist nur per User-Namen kennen würden, böten „Crime as a service“ an – Verbrechen als Dienstleistung. SchadCode würde entwickelt, verfremdet und als Primärinfektion verkauft. Diesen Vorgang gebe es sogar als „Abo-Modell“. Meywirth verwies auf die Flexibilität der Cyber-Kriminellen, die gesellschaftliche Narrative nutzen, um ihre Taten noch besser zu kaschieren und durchzuführen. So habe etwa die Corona-Pandemie 2020 zu einer Welle von Phishing-E-Mails geführt, die angeblich vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) stammten. Ein weiterer Katalysator für Internetkriminalität: Krieg. Speziell der Russland-Ukraine-Konflikt stelle sich als gefundenes Fressen für organisierte Cyber-Kriminalität heraus.
(BS/Oliver Wege*) Im Januar 2020 veröffentlichte der Behörden Spiegel einen – nicht ganz ernst gemeinten – fiktiven Beitrag zur Cyber-Sicherheit im Jahr 2029. Grundlage hierfür bildeten mögliche Dokumente des zukünftigen Bundesamtes für Cybers-Sicherheit (BCS), des behördlichen Nachfolgers des heutigen Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die Hälfe der Zeit ist nun fast abgelaufen – damit der richtige Zeitpunkt für eine Halbzeitbilanz. Welche Prophezeiungen sind schon eingetreten, welche stehen (noch) aus? Ein Blick in die digitale Glaskugel.
Digitalisierung im Eiltempo: Viele Prognosen haben sich schon bewahrheitet.
Nostradamus sein, schließlich gab es damals schon jede Menge Fake News. Allerdings ist eine neue Qualität von Manipulationen durch den Einsatz der Künstlichen Intelligenz (KI) bei den aktuell und im nächsten Jahr anstehenden Wahlen in einem aufgeheizten politischen Klima zu erwarten. Man denke nur an mit KI bearbeitete Bilder und Videos. Die Simulation eines Cyber-Angriffs auf das Regierungshandeln war das Szenario der neunten LÜKEX, die allerdings erst 2023 stattfand. Zudem gab es zwar (noch)
Foto: BS/popout, stock.adobe.com
keinen Ransomware-Angriff auf die Bundesverwaltung. Länder und Kommunen waren aber schon mehrmals betroffen. Man erinnere sich hier an die Ausrufung des Katastrophenfalls im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. In 2020 ereignete sich erstmalig auch ein Vorfall in einem Krankenhaus: Eine Patientin verstarb, während durch Ransomware die IT der Notfallversorgung in der Düsseldorfer Uniklinik unterbrochen war. Zwar stellte sich nach einigen Wochen Ermittlungen heraus, dass
die Patientin in einem so schlechten Zustand war, dass sie wohl auch ohne den Angriff auf die Klinik gestorben wäre. Trotzdem erregte der Fall weltweit Aufmerksamkeit, weil er der erste war, in dem Strafverfolger eine Cyber-Attacke als Ursache eines Todesfalls untersuchten.
Zwar nicht in Deutschland, aber in den USA warnte just die Regierung die Bundesstaaten vor CyberAngriffen auf Wasserwerke. Dabei verweist das Weiße Haus auf schon erfolgte Angriffe, die den Revolutionsgarden des iranischen Regimes zugeschrieben wurden. Und auch Stromnetze stehen als Teil der Kritischen Infrastruktur im Fokus der Hacker.
Prophetisch wirkt hier das Thema Gasmangellage. In 2020 war noch nichts von einer solchen Mangellage zu sehen, die dann nach dem Beginn des Ukraine-Krieges im Winter des vorigen Jahres ganz Deutschland beschäftigte und gar zum Stimmungsbarometer avancierte.
Noch kein KI-Virus Einen reinen KI-Virus gibt es auch noch nicht. Doch mit dem Auslöser ChatGPT hat auch die kriminelle Nutzung von KI eine neue Qualität erreicht. Die in ChatGPT enthalte-
BKA und BSI haben es mit einer neuen Qualität von Cybercrime zu tun (BS/Christian Brecht) Hacker operieren längst nicht mehr allein im stillen Kämmerlein. Cyber-Kriminelle sind international vernetzt und organisiert, maliziöser Code wird an Privatleute und Staaten verkauft. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat alle Hände voll zu tun und schlägt den „Hacktivismus“ teils mit seinen eigenen Waffen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) arbeitet derweil an sicheren digitalen Identitäten: BSI-Präsidentin Claudia Plattner präsentiert eine neue Lösung.
Die eIDAS-Verordnung stellt europaweite verbindliche Regeln für die elektronische Identifizierung und elektronische Vertrauensdienste auf. Das BSI war an seiner Entwicklung beteiligt.
Selbst „unpolitische Cyber-Kriminelle“ würden sich aus finanziellen Gründen auf eine Seite schlagen, so Meywirth – eine als „Hacktivismus“ bezeichnete Entwicklung, die globale Krisen und Kriege im Internetzeitalter noch komplexer und undurchschaubarer macht.
BKA mit Erfolgen Um dieser kriminellen Energie und mittlerweile auch Organisation habhaft zu werden, zielt das BKA auf die Infrastrukturen der Täter ab und schlägt diese teilweise mit ihren eigenen Waffen. Die Infrastruktur der ehemals gefährlichsten Schadsoftware der Welt, Emotet, wurde vom BKA übernommen und dadurch ausgeschaltet. Der weltweit größte Darknet-Marktplatz Hydra Market wurde 2022 ausgetrocknet. Ein Jahr später
wurde der Online-Geldwäschedienst ChipMixer beschlagnahmt und eine Summe von 44 Millionen Bitcoins sichergestellt. 2024 zerschlug das BKA den Emotet-Nachfolger Quakbot, auch wenn Fachleute die Malware nach wie vor für lebendig und gefährlich halten. Ein Trick, mit dem Meywirth und seine Kolleginnen und Kollegen arbeiten: Sie verschicken absichtlich Startcodes an Hacker, die diese für ihre Cyber-Angriffe brauchen. Die Startcodes sind allerdings bereits vom BKA so manipuliert, dass sie die Server-Infrastrukturen der CyberKriminellen lahmlegen. eIDAS-Verordnung für EU-Wallet Dass bei einer so ausgereiften Online-Kriminalität die eigene digitale Identität besonders gut geschützt werden muss, liegt auf der Hand. Im Februar verabschiedete die Eu-
ne automatische Programmierfunktion kann für das Generieren von Skripten und die Inhalteerstellung für Phishing-Kampagnen genutzt werden.
Möglich werden auch Recherchen zum Verstecken von Prozessen in Systemen und das Debuggen von Code. „Digitale Superwaffen“ sowie völlig neu gedachte Malware lässt sich über die Programmierfunktion von ChatGPT allerdings nicht erzeugen, aber eine Effizienzsteigerung verfügbarer Malware ist durchaus erreichbar. Bei DPL verfolgen bisher nur kleinere Startups, wie Endpointprotector und Nightfall, den KI-Ansatz.
Test von Quantenkryptografie Bereits im August 2021 wurde die Quantenkryptografie terrestrisch zwischen dem Dienstsitz des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Bonn und dem BSI getestet. Ob eine Ausweitung auf den Informationsverbund Berlin Bonn (IVBB) erfolgen wird, ist derzeit noch offen.
Aufgrund der Bemühungen der US-Standardisierungsorganisation NIST steht mit der Post-Quantenkryptographie eine technische Alternative in den Startlöchern. Erste Messenger, wie Signal und Apple iMessage, implementieren bereits solche Protokolle.
Noch offen
Gänzlich ruhig geworden ist es um das Thema Staatstrojaner. Hier bleibt zu hoffen, dass die quasi-staatliche Hacker-Behörde ZITiS bei der Entwicklung von Überwachungstechnologien weitreichende Sicherheiten mit eingebaut hat.
BSI-Präsidentin. Essenziell sei auch die Begeisterung der Nutzerinnen und Nutzer, um die Anwendung zu verbreiten.
Limitierter Zugang zur Hardware Eine aktuelle Herausforderung betreffe die Hardware der Endgeräte. Ursprünglich war vorgesehen, dass diese „einen wichtigen Teil der Sicherheitsaufgaben übernimmt“, berichtet Plattner. Die Hardware stehe allerdings nicht überall zur Verfügung und auch der Zugang sei eingeschränkt. Deswegen müsse übergangsweise eine andere Lösung genutzt werden, vom BSI „Evolutionslösung“ genannt. Über zentrale Backend-Komponenten soll ein Teil der Sicherheit aus dem Endgerät ins Backend verlagert werden. Die Evolutionslösung muss Plattner nach später in der EU-Wallet aufgehen: „Das können nicht zwei getrennte Stränge sein, sondern das muss ineinandergreifend entwickelt werden.“
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ropäischen Union die überarbeitete eIDAS-Verordnung (Electronic Identification, Authentication and Trust Services), in Deutschland auch Elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen genannt. Ihre Ziele sind ein europaweit interoperables eID-System und die Verfügbarkeit der passenden EU-Wallet auf jedem mobilen Endgerät. „In der Praxis ist noch unendlich viel zu tun“, sagt die Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Claudia Plattner, in ihrer Keynote auf dem eIDAS Summit des Bitkom. Diverse Durchführungsrechtsakte seien noch offen, auch die nationale Umsetzung müsse angegangen werden. Dazu gehört eine deutsche Wallet, das eID-System als Basis und sehr viel mehr, skizziert die
Neuaufbau des PINRücksetzdienstes Bei der Entwicklung soll keine Zeit verloren werden, denn: „Die Menschen da draußen brauchen eine Lösung“, betont Plattner. Ziel ist die Fertigstellung bis Mitte 2025. Bis Ende 2027 wird dann „alles zusammengebracht“ und die EUWallet fertiggestellt. Den PIN-Rücksetzdienst auszusetzen bezeichnet Plattner als „schwere Entscheidung“, die finanziell bedingt war. Es sei ihr aber klar, dass der Dienst Voraussetzung für die erfolgreiche Nutzung von digitalen Identitäten ist. Zurzeit werde der PIN-Rücksetzdienst wieder aufgebaut, nun in einer kostenpflichtigen Version. Zwei weitere Optionen würden aktuell geprüft: Der Ausweisinhaber könnte vor Ort identifiziert werden. Alternativ könnte die PIN an das ePostfach der BundID zugestellt werden.
www.behoerdenspiegel.de
(BS/Jonas Brandstetter) Die Kritische Infrastruktur in Deutschland ist Angriffen ausgesetzt. Sie zu verteidigen, gestaltet sich schwierig. Die Zuständigkeiten sind häufig uneindeutig. Zunächst sind die Betreiber in der Verantwortung. Die Bundeswehr hat keine originäre Zuständigkeit, allerdings gibt es Ausnahmen.
Gigawatt – so viel Leistung sollen die geplanten Windparks in Nord- und Ostsee bis 2045 liefern. Schätzungen zufolge muss die Energieindustrie 7.000 neue Windkraftanlagen erbauen, um Strom in den geforderten Mengen zu produzieren. Mit etwa 300 Metern Höhe könnte man von der Spitze jeder einzelnen dieser Anlagen den Gästen im Café des Berliner Fernsehturms auf die Teller schauen. Dass derartige Kritische Infrastrukturen (KRITIS) anfällig für Angriffe sind, ist nicht erst seit der Sabotage gegen die Nord-Stream-II-Pipeline bekannt. „Die größte und wahrscheinlichste Gefahr geht von hybriden Kampagnen unterhalb der Schwelle eines konventionellen Angriffes aus“, erklärte Fregattenkapitän Göran Swistek auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin. Um auf diese Bedrohung zu reagieren, hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf, das KRITIS-Dachgesetz, erarbeitet. Erstmals ist darin der physische Schutz der KRITIS bundeseinheitlich geregelt. Für die Betreibenden von elf kritischen Sektoren sind Mindeststandards festgelegt. Damit zieht die Bundesregierung im Bereich des physischen Schutzes den verschärften Regeln zur Cyber-Abwehr nach. In der Nationalen Sicherheitsstrategie verspricht sie, bei der Umsetzung der NIS-2-Richtlinie der EU zur CyberSicherheit einen besonderen Fokus auf behördliche Zusammenarbeit zu legen. Ein Vorhaben, das ganz im Sinne des Anspruchs der Nationalen Sicherheitsstrategie steht: „Integrierte Sicherheit“. Gerade diesen Anspruch sieht Swistek bei der KRITIS im Meer nicht hinreichend erfüllt. Er beklagt uneindeutige Zuständigkeiten. Aus diesem Grund gestalte sich der Schutz der KRITIS
in Deutschland zumeist eher reaktiv. „Prävention und schnelle Gefahrenbekämpfung sind nur schwer möglich“, führte er weiter aus.
Das Primat der Betreiberverantwortlichkeit
Wie genau sich die komplexen Zuständigkeitsverhältnisse gestalten, machte Dirk-Heinrich Bothe, Polizeidirektor im Bundespolizeipräsidium, Grundsatz Führung und Einsatz, Spezialkräfte, deutlich. Grundsätzlich spreche die Bundesrepublik Unternehmen Gestaltungsfreiheit beim Betrieb ihrer Anlagen zu. Dass damit Verantwortung einhergehe, sei den Betreibenden bewusst. Allerdings seien dem auch klare Grenzen gesetzt. Gegen Gewalttäter vorzugehen oder staatliche Gewalt auszuüben, dürfe man einem Unternehmen nicht aufbürden. „Es muss für Unternehmer klar sein, wann sie ihre Leistungsgrenze erreicht haben und staatliche Unterstützung erbitten müssen“, forderte Bothe. Wenn diese Grenze erreicht sei, übernehme die Polizei. Deren Zuständigkeit ist im Völkerrecht und im nationalen Rechtssystem festgelegt. Dabei gebe es eine Vielzahl von diffizilen Unterschieden zu beachten. Auf den Meeren spalte sich die Verantwortung zwischen Küsten- und Flaggenstaat auf. Auch auf deutschem Boden sei eine Vielzahl unterschiedlicher Stakeholder beteiligt. Wirtschaftsministerium, Verkehrsministerium, Umweltministerium, Finanzministerium und das Innenministerium müssten sich untereinander abstimmen. „Wir haben eine sehr zersplitterte Zuständigkeit“, fasste Bothe die Sachlage zusammen.Auch Jörg Beensen, Polizeidirektor und Leiter der Wasserschutzpolizeiinspektion Niedersachsen, betonte, dass es keine Per
„Es
muss für Unternehmer klar sein, wann sie ihre Leistungsgrenze erreicht haben und staatliche Unterstützung erbitten müssen.“
Dirk-Heinrich Bothe, Polizeidirektor im Bundespolizeipräsidium, Grundsatz Führung und Einsatz, Spezialkräfte
se-Verantwortlichkeit der Polizei bei KRITIS gebe. Bei der Prävention, dem Erstellen von Lagebildern und der Reaktion auf Vorfälle werde die Polizei aber sehr wohl aktiv. Ein zentraler Akteur zur Sicherung der KRITIS in Deutschland, insbesondere in Nord- und Ostsee, ist das Maritime Sicherheitszentrum (MSZ) in Cuxhaven. Dort seien die bedeutenden Akteurinnen und Akteure jenseits von Zuständigkeitsgrenzen in einem Gebäude zusammengeführt, erläuterte Beensen. „Nach dem Sabotageakt auf die Nord-Stream-Pipelines formulierte das Kanzleramt einen Auftrag an alle Küstenländer und die Bundesländer, Lagebilder zu erstellen“, führte er weiter aus. Dieser Aufgabe komme das MSZ nach. Perspektivisch soll das MSZ zu einem zentralen Informationsknotenpunkt ertüchtigt werden. Neben den polizeilichen Informationen könnten auch zivile Akteure und die Deutsche Marine dazu beitra-
gen. Bothe gab allerdings zu, dass der Informationsaustausch mit der Bundeswehr nicht ganz vorbehaltlos ablaufen könne, da ihre militärischen Informationen oft schützenswert seien. Darüber hinaus habe Nord-Stream-II ein weiteres Umdenken angestoßen. Bisher habe der Fokus beim Schutz der KRITIS im Meer eher auf der Infrastruktur über Wasser gelegen. Nach NordStream-II sei klar geworden, dass man den Fokus um eine dritte Dimension unter Wasser erweitern müsse. „Wir alle waren überrascht, wie gering die Schutzwirkung der Seedecke ist“, so Bothe.
Der Akteur mit der geringsten Zuständigkeit
Zwar ist die Bundeswehr zum Beispiel über das Lagezentrum indirekt am Schutz von KRITIS beteiligt, im Frieden hat sie außerhalb von Liegenschaften aber kaum Befugnisse, im Inland aktiv zu werden. Sie kann höchstens im Rahmen der Amtshilfe handeln. Für ihre eigenen Liegenschaften und weitere militärische Objekte übernimmt die Bundeswehr aber sehr wohl die Verantwortung. Hier hat sie Befugnisse zur Anwendung militärischer Gewalt. Außerdem zeichnet sie sich für den Schutz der sogenannten Verteidigungswichtigen Infrastruktur verantwortlich. Letztere ist konzeptionell von der KRITIS getrennt. Die Verteidigungswichtige Infrastruktur ist Bestandteil des Military Enablements und somit essenziell für die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte. „Verteidigungswichtige Infrastruktur ist das, was wir brauchen, um unseren Auftrag zu erfüllen“, fasst es ein mit der Erstellung des Operationsplans Deutschland befasster Offizier des Territorialen Führungskommandos (TerrFüKdoBw) zusammen. Welche
Objekte genau zu schützen sind, schreibt u. a. die NATO vor. Allerdings ist die Verwendung des Begriffs Objekt irreführend. Vielmehr mach sich die Bundeswehr einen systemischen Ansatz zu eigen. Es gelte nicht nur sicherzustellen, dass das Gebäude intakt bleibe, sondern alle für die Funktion des Gebäudes notwendigen Elemente ihrer Aufgabe nachkommen könnten. Für Verteidigungswichtige Infrastruktur wie auch KRITIS gelte gleichermaßen, dass sie sich auch in Zukuft hybrider Angriffe erwehren müsse. Man sollte daher prüfen, inwiefern im Fall eines hybriden Angriffs eine Backup-Lösung für betroffene Systeme vorliege. Denn anfällig seien vor allem die Systeme, die nicht redundant seien. Darüber hinaus misst die Bundeswehr dem Erstellen von Lagebildern große Bedeutung bei. Hier leistet man Pionierarbeit. In den vergangenen 35 Jahren der Friedensdividende sei viel Kompetenz verloren gegangen. Im Ergebnis „weiß Deutschland heute häufig nicht, was Deutschland weiß.“ Um diesen Mangel zu beheben, stehen die Mitarbeitenden im TerrFüKdoBw im engen Kontakt zu anderen Behörden. Diese Zusammenarbeit fasst man im Kommando in einem Wort zusammen: exzellent. Allerdings bedarf es aus Sicht des TerrFüKdoBw in der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Lage nicht nur einer neuen Perspektive auf den Umgang mit Informationen im Inneren. Im gleichen Maße gelte es, sich mehr Sensibilität für den Abfluss von Daten anzueignen. Davon, sicherheitsrelevante Informationen zu Infrastruktur im Internet frei verfügbar zu machen, sei dringend abzuraten: „Deutschland muss wieder lernen, mit sensiblen Informationen entsprechend umzugehen.“
Als die russischen Truppen in die Ukraine einmarschierten, wurde für alle Polizistinnen und Polizisten des Landes der Marschbefehl erteilt“, erklärte die stellvertretende Innenministerin der Ukraine, Kateryna Pavlichenko, auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin. Eine Ausnahme wurde nur für einige weibliche Angehörige der Polizei gemacht, die zuvor noch ihre Familie in Sicherheit brachten. Seitdem leisten Männer und Frauen bei der Polizei einen Beitrag zur Verteidigung des Landes. Die Polizei fungiert als zentrale Anlaufstelle, wenn Bürgerinnen und Bürger Sichtungen russischer Truppen den Behörden melden wollen. Dafür richtete man rund 400 Telefonstellen ein. „In diesem Jahr haben wir bereits zwei Millionen Anrufe entgegengenommen“, erklärte Pavlichenko.
Den Blackout verhindern
Ein weiteres zentrales Aufgabenfeld der Polizei ist der Schutz der zivilen Infrastruktur. Laut Pavlichenko verfolgt die russische Armee das Ziel, einen kompletten Blackout in der Ukraine auszulösen. Besonders Kraft- und Umspannwerke geraten deshalb ins Visier russischer Luftangriffe. Deren Intensität nehme stetig zu, betonte Ivan Vyhivskyi, Leiter der Nationalen Polizei der Ukraine. Jeden Tag zählten die Behörden etwa 300 Angriffe. Im Vorjahr waren es noch circa 200. Auf diese Weise wurden im Verlauf des Krieges 50.000 zivile Objekte zerstört. Seit 2022 betreibt die ukrainische Polizei deshalb eine Zentralstelle zur Bergung Verschütteter. Geht eine Meldung über einen Luftangriff bei den Behörden ein, sind die
Die ukrainische Polizei trägt zum Schutz der KRITIS bei
(BS/jb) Seit das russische Regime den Krieg über die Ukraine gebracht hat, arbeiten die ukrainischen Polizistinnen und Polizisten rund um die Uhr. Neben der alltäglichen Polizeiarbeit sind auch viele Aufgaben im Zusammenhang mit der Landesverteidigung zu erledigen. Insbesondere die Kritische Infrastruktur steht im Fokus.
Polizistinnen und Polizisten die Ersten vor Ort. Sie bekämpfen Brandherde und versuchen, Verwundete zu bergen. Auf diese Weise gelang es bisher, 5.000 Menschen zu retten. Schusswaffen zur Selbstverteidigung tragen die Polizistinnen
und Polizisten in der Regel nicht bei sich. Einen bedeutenden Beitrag beim Aufspüren Verschütteter und insbesondere von Minen und Sprengmitteln leisten Spürhunde. 2023 kamen die Tiere 15.000-mal zum Einsatz. Durch den Einsatz der
Tiere gelang es den Behörden, etwa 160 Kinder zu retten. Darüber hinaus erstellt die Polizei Lagebilder, um die Auswirkungen der Angriffe abzuschätzen. In diese Lagebilder fließen Informationen aus verschiedenen Quellen ein. Um wich-
tige Infrastruktur vor Sabotageakten zu schützen, stellen die Behörden Angehörige der Polizei und der Nationalgarde zu deren Schutz ab. Auch die Polizei selbst ist vor Angriffen auf ihre Einrichtungen nicht gefeit. In Donezk blieb von den ehemals zwanzig Dienststellen nur eine vom Bombenhagel verschont, erklärte Vyhivskyi. Um die polizeiliche Präsenz sicherzustellen, müsse man diese erst wieder errichten. Die dafür notwendigen Materialien, insbesondere die digitale Infrastruktur für die Büros, müssten aus anderen Landesteilen angeliefert werden. Der Dokumentationspflicht kommt die Polizei der Ukraine nicht nur bei Lagebildern nach. Auch Ermittlungen zu Kriegsverbrechen sind Teil ihres Aufgabenspektrums. Zwecks Ausbaus der Ermittlungsfähigkeiten habe die Ukraine spezielle Labore eingerichtet, erklärte Pavlichenko. Dank der eingesetzten Technologie sei die Polizei in der Lage, Tote innerhalb von 24 Stunden zu identifizieren. Man trage Beweise zusammen, um sie später zur Anklage zu bringen, erläuterte Vyhivskyi. Neben diesen Aufgaben engagiert sich das Innenministerium auch bei der Unterstützung Geflüchteter im Inund Ausland. Neu geschaffene Verwaltungseinheiten versorgen geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer mit den notwendigen Dokumenten. Insgesamt dreizehn solcher Zentren sind mittlerweile in Betrieb. Drei davon leisten ihren Dienst in Deutschland. Zusätzlich unterstützt das Innenministerium bei den bürokratischen Herausforderungen der Binnenvertriebenen. Insgesamt bearbeiteten die Behörden mehr als 900.000 Anträge und stellten 600.000 Pässe aus.
Gute Vorsorge ist besser als Nachsorge
(BS/Scarlett Lüsser) Das Konzept der Bundesregierung KatRiMa, also Katastrophenrisikomanagement, zielt darauf ab, national und international an möglichst vielen Stellen unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Resilienz gegenüber Katastrophen zu stärken. Dabei gibt es auch Bereiche und Möglichkeiten, die man nicht auf Anhieb mit Katastrophenmanagement in Verbindung bringen würde.
Niedrigschwelliges Angebot zur eigenen Vorsorge Es gibt aber nicht nur besorgniserregende Themen im Katas-
aut KatRiMa-Eigendefinition sollen „[...] durch eine Vielzahl von Akteuren auf allen Ebenen der Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung, Privatwirtschaft, Wissenschaft und den Medien [...]“ übergreifende Konzepte und Maßnahmen umgesetzt werden, die sich auf alle Bereiche des Katastrophenmanagements beziehen, „[...] also sowohl Prävention, Vorbereitung, Bewältigung als auch Nachsorge.“ Doch wie Deutschland in dieser Hinsicht schon aufgestellt ist und welche unterschiedlichen Bereiche es abzudecken gilt, wurde u. a. auf der Fachtagung Katastrophenvorsorge besprochen. Aktuell seien besonders vulnerable Gruppen wie Menschen mit Behinderung mehr in das Katastrophenrisikomanagement einzubinden. Denn wie die Flut im Ahrtal gezeigt habe, vergesse man ganz schnell marginalisierte Gruppen. Bei der Flutkatastrophe seien elf Menschen ums Leben gekommen, weil man sie in einer Einrichtung der Lebenshilfe nicht evakuiert hatte, erklärt Marc Groß, der Geschäftsführer des Baden-Württembergischen Landesverbandes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Laut Groß ist das ganze Feld der inklusiven Katastrophenhilfe noch nicht sehr weit erforscht. Aus diesem Grund werde auch nun die Initiative Inklusive Katastrophenvorsorge“ gegründet, um aus den vergangenen Fehlern zu lernen und verbindliche Kooperationen sowie verbindliche Rahmenbedingungen für eine Katastrophenhilfe zu schaffen, in die alle einbezogen seien, so Groß. Aber vulnerable Gruppen sind nicht die einzigen, die im Katastrophenrisikomanagement noch nicht richtig erfasst sind. Auch Tiere werden häufig außen vorgelassen, wie Charlotte von Croÿ als Programmbeauftragte für Katastrophenhilfe beim IFAW – Internationaler Tierschutzfonds berichtet. Dies betreffe sowohl Haustiere, die bei einer Evakuierung zurückgelassen werden müssten, als auch Wildund Nutztiere, die ihren Lebensraum verlieren oder ohne Versorgung zurückgelassen werden müssten. Dies könne zum Verlust von Lebensgrundlagen für Menschen führen, aber auch zu Artensterben. Allgemein wirke sich diese Vernachlässigung unter anderem wirtschaftlich aus, aber auch auf die Sicherheit. Denn „Menschen gehen oft Risiken ein, um ihre Tiere zu schützen, was ihre eigene Gesundheit, aber auch die der Rettungskräfte gefährden kann,“ erklärt von Croÿ. Daher setze sich der IFAW dafür ein, Tiere und ihre Bedürfnisse auch im Katastrophenschutz zu berücksichtigen und die Akteure und Verantwortlichen dafür zu sensibilisieren. Ein Modellprojekt zur integrierten Einbeziehung von Tieren in den Katastrophenzyklus laufe gerade in Frankreich.
In Krisopolis können jederzeit Katastrophen eintreten. Hier hat der Charakter mit einem Blackout zu kämpfen. Foto: BS/Krisopolis
trophenrisikomanagement. Bspw. kann man an Themen des Katastrophenrisikomanagements auch spielerisch herangehen. Diesen Weg haben ein paar Studierende der Technischen Universität Darmstadt gewählt und ein „Serious Game“ entwickelt, welches ein niedrigschwelliges Angebot zur Sensibilisierung der Bevölkerung für die Krisenvorsorge darstellen soll. Bei einem Serious Game handelt es sich um ein Spiel, welches vordergründig zu informativen oder Bildungszwecken entwickelt wurde. Wie das Team hinter dem Spiel erklärt, soll das aktuell noch als Prototyp existierende „Krisopolis“ den Userinnen und Usern „spielerisch Informationen über sinnvolle materielle und soziale Vorsorgemaßnahmen vermitteln“. Dazu treten in der virtuellen Stadt Krisopolis verschiedene Krisenszenarien auf, durch die man seinen Avatar manövrieren muss. Um eine Krise erfolgreich abzuschließen, muss der eigene Charakter am Ende der unbekannten Dauer satt, gut hydriert und möglichst gesund und glücklich sein. Bevor man das Spiel startet, kann man sich auf Krisen vorbereiten, indem man Dinge wie Lebensmittel oder Gaskocher einkauft, die den Spielenden das Überleben sichern sollen. Bei den vorbereitenden Maßnahmen und zur Verfügung stehenden Lebensmitteln stützt sich das Entwicklerteam auch auf die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) veröffentlichte Broschüre „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in
Notsituationen“, die auch im Spiel zu finden ist. Wie das Team erklärt, solle damit die Resilienz von Individuen und Gemeinschaften in Bezug auf mögliche reale Szenarien gestärkt werden. Da mittlerweile fast jeder ein Smartphone besitzt, wird das Spiel vor allem für SmartphoneNutzerinnen und -nutzer konzipiert und wird demnächst für AndroidSysteme und Windows PCs erscheinen; eine iOS-Version ist in Arbeit.
Aktuelle Lage in Deutschland Aber wie ist es um das Katastrophen- und Krisenmanagement von Deutschland bestellt? Frank Jörres, Beauftragter für den Katastrophenschutz und Vorstandsmitglied beim DRK-Kreisverband Prignitz, beantwortet diese Frage kritisch. Für ihn ist der Bevölkerungsschutz schon lange am Limit. Deutschland mache sich in Bezug auf die Potenziale, die im Katastrophenund Bevölkerungsschutz tatsächlich zur Verfügung stünden, etwas vor. „Die personelle Ausstattung im Katastrophenschutz ist bei Weitem nicht da, wo sie sein muss, um den Herausforderungen gerecht zu werden,“ so Jörres. Besonders bei Langzeitlagen sei dies ein Problem. Auch Marlis Cremer, ehemalige Amtsleiterin des Amtes für Rettungswesen und Bevölkerungsschutz der StädteRegion Aachen und Präsidentin des DRK Verbandes Jülich, sieht das ähnlich. Sie findet, ressortübergreifende Maßnahmen könnten die katastrophenschutzspezifischen Stellen entlasten. Zusätzlich sei es sinnvoll, die Grundlagen des Krisenmanagements in die Ausbildung von Mitarbeitenden des Öffentlichen Dienstes einzubauen, damit jedes Amt in einem Katastrophenfall besser handlungsfähig bleibe. Es gibt also noch genügend Verbesserungspotenzial im Krisenmanagement, aber es wird auf eine Verbesserung hingearbeitet.
Vonseiten der Bundeswehr (Bw), die das Thema „Zivilschutz und Heimatschutz“ seit Ende des Kalten Krieges zugunsten des Einsatzes im Ausland vernachlässigt hatte, beginnt zeitgleich eine neue Diskussion um den sogenannten „Operationsplan Deutschland“ (Abk.: OPLAN DEU). Dieser soll verstärkt in einem mehrere Hundert Seiten umfassenden Papier (als „Verschlusssache“ eingestuft) die Infrastrukturen von Deutschland unter dem Fokus betrachten, welche Bedeutung diese für die Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit vor Eintritt des möglichen Kriegsfalles – hier lange vor Eintritt des Spannungs- und/ oder Verteidigungsfalles – haben, um zugleich im Rahmen von Bündnisverpflichtungen auch „Host-Nation-Support“ für NATO-Mitgliedsstaaten zu stellen.
Dabei tun sich Schnittmengen zu den im KRITIS-Dach-Gesetz (hier: letzter Entwurf KRITIS DachG mit Stand 21.12.2023) auf, ebenso zur europäischen NIS-2- oder CERTVorlage, die es in Zukunft auch vonseiten der zivilen Unterstützungsorganisationen näher zu untersuchen gilt, um einen gemeinsamen Plan für einen neuen Zivilschutz zu formen und auch umzusetzen.
Bundeswehr auf zivile Ressourcen angewiesen
Einen zentralen Punkt der bisherigen Diskussion um KRITIS-Themen nahm die wichtige Frage der Versorgungssicherheit mit Energieund Grundstoffgütern (u. a. auch Treibstoffmengen, Gas, Erdöl und Steinkohle) ein. Wenn die Bundeswehr laut eigenem Bekunden „im Krisen- und Verteidigungsfall selbst auf zivilgesellschaftliche und zivilgewerbliche Hilfe angewiesen“ ist, dann stellt sich die Frage, wie resilient bzw. durchhaltefähig diese ist (vor Cyber-Angriffen und Naturkatastrophenlagen sowie Terrorangriffen), um gemeinsam die Bedrohung von KRITIS-Sektoren zu bestehen? Der militärische Fokus dürfte sich dabei verstärkt auf wichtige wehrwirtschaftliche und verteidigungswichtige Objekte stützen. Das Mitarbeiterpotenzial und die Gerätschaften der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) – insbesondere von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk (THW) und Deutschem Roten Kreuz (DRK) – sind bekannt, Untersuchungen zur Gasmangelkrise von Ende 2022 haben gezeigt, dass hier zum Teil noch erheblicher Nachsteuerungsbedarf bezüglich einer Ausstattung mit Notstromaggregaten, Treibstofflagern und Flüssiggasanlagen sowie Kommunikationsmitteln (z. B. Satellitentelefonen) bestanden hat, wenn sich diese auch vereinzelt bis zum Frühjahr 2024 im Zulauf befinden.
Eine Frage der Priorisierung Aber wie sieht es mit der Bundeswehr selbst aus, die im Unterschied zur Zeit des Kalten Krieges keine Wehrpflichtarmee mehr ist und deren Personalstärke an Soldatinnen und Soldaten bei nur (noch) rund 181.500 Personen liegt? In der Spitzenzeit des Kalten Krieges waren neben rund 495.000 aktiven Soldaten rund 1,3 Millionen Reservistinnen und Reservisten beordert, von denen eine Vielzahl in der Landesverteidigung in Heimatschutz-Bataillonen und Sanitätsregimentern (Reservelazarettgruppen) im Spannungsfall einzubeziehen waren. All diese Kräfte, die damals schon nicht über eine komplette Ausstattung an Waffen und Gerätschaften verfügten, sind spätestens seit 2010 abgebaut und nicht (mehr) vorhanden; man hat das Ziel, mit den neu aufzubauenden Heimatschutzregimentern bis 2027 ca.
Zivilschutzthemen und KRITIS-Gefahrenlagen gehören zusammen betrachtet
(BS/Dr. Hans-Walter Borries) Die seit dem Februar 2022 neu aufgeflammte Bedrohung Deutschlands durch Russland macht es erforderlich, über die bisherige KRITIS-Diskussion (Kritische Infrastrukturen) hinausgehend neue Formen der Verknüpfung zum Themenfeld „Zivilschutz 2024“ zu suchen.
Wer sichert die Energieinfrastrukturen gegen Anschläge? Eine Frage, die auch in Friedenszeiten
6.000 Soldaten für den Schutz und die Sicherung von Einrichtungen unter Federführung des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr (TerrFüKdoBw) zu stellen – zu wenig im Vergleich zu der Zeit vor 1991 und der Vielzahl von zu sichernden Liegenschaften, aber ein wichtiger erster Schritt in eine neue Ausrichtung. Auch die BOS und die Leiterinnen und Leiter von öffentlichen Krisen-/Verwaltungsstäben (Kat-S-Stäbe) müssen sich die Frage stellen, welche KRITISSektoren und welche Liegenschaften für einen neuen Zivilschutz von Bedeutung sind und welche vorrangig von Bw-Kräften der Heimatschutzregimenter gesichert und geschützt werden müssen.
Eine besondere Bedeutung kommt den in der Nähe von Ballungsräumen und großen Bw-Standorten gelegenen Kraftwerken, Umspannwerken und Treibstofflagern zu. Ergänzend sollte geprüft werden, ob neben den für die Trinkwasserversorgung wichtigen Anlagen (z. B. Talsperren) auch die Übernahmestationen im Hochspannungsnetz eine besondere Sicherung benötigen.
Welche Gefahren drohen auch im Frieden?
Der verfassungsfeindliche Brandanschlag durch Unbekannte Anfang März 2024 auf einen für die Firma Tesla vorgelagerten wichtigen Strommast (110 KV) im Raum
Grünheide – wovon neben rund 60.000 Einwohnern, auch das Logistikzentrum von Edeka nachhaltig betroffen war – wirft die Frage auf, wer Unternehmen, Leitungstrassen und rund 38.000 Strommasten sowie öffentliche Einrichtungen vor solchen Aktionen sichert. Zwar wäre es mittels Sensortechnik und Aufschaltungen in Leitstellen möglich, unbekannte Personen vor dem Betreten solcher Anlagen zu ermitteln und mit Drohnensystemen dieses im Vorfeld aufzuklären. Die Kosten für diese Erhöhung der Sicherheitslimits wären aber das Hauptproblem. In der Diskussion stehen in Friedenzeiten eine Ausweitung der Befugnisse und des Einsatzes der Bundespolizei (der-
zeit rund 54.000 Beschäftige) zur Sicherung von besonders wichtigen KRITIS-Liegenschaften oder der verstärkte Einsatz von privaten Sicherheitsfirmen. Beides dürfte jedoch an der hohen Zahl von Objekten und der Lauflänge von bspw. Leitungen scheitern. Was bedeutet dies für die KRITIS-Sektoren? Zu begrüßen ist die Wiederaufnahme der Diskussion um mögliche Gefahrenlagen in Friedenszeiten, die schnell den Anschein eines sich aufbauenden Spannungsfalles einnehmen können, speziell wenn sich eine moderne, hybride Angriffsbedrohung abzeichnen könnte. Bundeswehr, BOS und die für den Katastrophenschutz wichtigen Behörden und deren Krisenstäbe brauchen Klarheit, um bei einem Einsatz von geringen eigenen Kräften die Prioritäten für den Schutz von KRITIS-Einrichtungen gemeinsam abzustimmen. Der
Dr. rer. nat. HansWalter Borries, Oberst der Reserve, Direktor des Instituts FIRMITAS an der Universität Witten, Lehrbeauftragter an der Hochschule Magdeburg-Stendal zu KRITIS-Themen und Stellv. Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands für den Schutz Kritischer Infrastrukturen BSKI e. V. Foto: BS/privat
in diesem Jahr beschrittene Weg und der mit Spannung erwartete, in Teilen offenzulegende OPLANDEU, werden alle Beteiligten vor neue Herausforderungen stellen und zugleich den Willen zur Zusammenarbeit im Vorfeld einer Präventions- und Krisenvorsorgeplanung aufzeigen.
KRITIS-Themen dürfen sich im Jahre 2024 nicht nur auf die Auslegung eines KRITIS-DachG beschränken, es geht vielmehr um den Schutz vor physischen Angriffen auf KRITIS-Sektoren, zu denen neben Terrorbedrohungen auch Angriffe im Zuge einer geplanten hybriden Kriegsführung gehören. Nur gemeinsam wird es einen effektiven Schutz geben.
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Dawaren sich Polizeichefs, Einsatzkräfte, Forscher und Industrievertreter aus aller Welt einig, die auf dem dritten World Police Summit in Dubai globale Bedrohungsszenarien sowie Maßnahmen zu Prävention und Bekämpfung von Kriminalität diskutierten.
Zwar fielen Messe und Konferenz im Vergleich zu den beiden Vorjahren etwas regionaler und kleiner aus. Der Anspruch, die sichere Gesellschaft einer Hightech-Zukunft global maßgeblich mitgestalten zu wollen, wurde vonseiten der gastgebenden Polizei Dubai dennoch weiter nachdrücklich vorgetragen.
Cyber Crime: Von der Analyse zur Vorhersage
Kein Wunder also, dass das Thema Cyber-Kriminalität in den verschiedenen Konferenzsträngen eine überragende Bedeutung einnahm. Was den monetären Umsatz anbetrifft, sei Cyber-Kriminalität der weltweit am schnellsten wachsende Bereich, berichtet der Analytiker Erik Modin von der dänischen National Unit for Special Crime. Betrug, Erpressung, Geldwäsche, die Märkte des Dark Web gehören dazu. Zur Bekämpfung müsse man das globale System für Finanzdienstleistungen angreifen. Das bedeutet vor allem Datenströme zu beobachten und analysieren. Voraussetzung dafür sind leistungsfähige Recherche- und Analyseplattformen, die nicht nur für diesen Kontext auf dem Markt angeboten werden. Big-Data sind überall eine Herausforderung, aber auch eine Chance.
Von komplexen Recherchefähigkeiten ist es nicht weit zur Prognose: vor allem im asiatischen Raum wie in Malaysia oder in Hong Kong werden derzeit die Vorteile des „Proactive“ bzw. „Predictive Policing“ bei der Prävention von Kriminalität gepriesen. In Deutschland gibt es hier aus persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Gründen erhebliche Bedenken, aber im Zuge des zunehmenden Einsatzes mächtiger Recherche- und Analyseinstrumente wird man sich hier dieser Diskussi-
Vom 14. Juni bis 14. Juli 2024 erwartet Deutschland im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft ca. zwölf Millionen Gäste. Die Arbeit am Sicherheitskonzept läuft seitens der Bundes- und Landespolizei bereits seit Jahren. Denn seit dem Sommermärchen im Jahr 2006 sind neue Konflikte und eine veränderte FanSzene zu beobachten. Die Polizei bereitet sich zielgerichtet vor und trainiert für die Einsätze der 51 Spiele in den zehn Austragungsorten sowie zahlreichen weiterführenden Events, wie der Fan-Meile und Public Viewing-Veranstaltungen. Bei dem Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Kulturen, Nationalitäten und Religionen kann es bunt und lebendig, aber
Hightech-Lösungen sollen die Polizei von morgen unterstützen
(BS/Barbara Held) Der zunehmenden Internationalisierung von Cyberkriminalität, Drogen- und Menschenhandel, Finanzbetrug und andere Bedrohungsszenarien können die Strafverfolgungsbehörden global nur durch organisatorische, rechtliche und technische Zusammenarbeit auf höchstem Niveau erfolgreich begegnen.
on wieder stellen müssen. Absichtsvoller Blindflug ist bei der Kriminalitätsbekämpfung keine Option.
IoT: Kühlschrank als Gefahrenquelle Cyber-Gefahren lauern aber noch an ganz anderer Stelle, nämlich im sogenannten Internet of Things (IoT). Das betrifft ungeschützte Firmen, aber auch Privatleute. Nicht nur unsere Mobiltelefone gehen heute online, sondern ebenso Autos, Fernseher, Drucker, Lampen, Küchengeräte etc. Nach Schätzungen waren 2015 rund acht Milliarden Geräte im Rahmen des IoT online. 2024 ging man schon von 17 Milliarden aus.
FBI-Agent Jamil Hassani, der sich mit dem Profiling von Hackern befasst, berichtete von einem beeindruckenden Test-Hack, bei dem er und sein Team den Kühlschrank ihres Hotelzimmers hackten. Dabei gelang es ihnen über das zu Abrechnungszwecken online verbundene Kühlgerät in das Verwaltungssystem des Hotels einzudringen, wodurch
sie Zugriff auf sämtliche Kundendaten erlangten und Zugang zum Internet. Wer meint, die IoT-Komponenten seien so ohne Weiteres nicht auffindbar, irrt. Suchmaschinen wie SHODAN helfen beim gezielten Aufspüren von online gestellten Geräten. Potenzielle Kriminelle werden so nicht nur auf das ungeschützte Steuerungssystem eines Kraftwerks, sondern im Zweifelsfall auch auf das offene Smart Home eines Privathaushalts aufmerksam.
Alarm übers Mobiltelefon Eine Rekordzahl von Online-Betrugsfällen verzeichnete die Polizei Hong Kong im vergangenen Jahr: alle 13 Minuten wurde dort jemand zum Betrugsopfer. Täglich rund 3,2 Millionen US-Dollar schöpften die Betrüger so ab. Dem könne die Polizei nur gemeinsam mit Unternehmen und Bürgerschaft beikommen, erklärt Lam Cheuk Ho, Chief Superintendent bei der Polizei Hong Kong Police. Das zuständig Cyber Security and Technology Crime
Bureau (CSTCB) in Hong Kong hat daher 2022 die App „Scameter+“ online gestellt und inzwischen schon upgegraded. Die App warnt die Nutzenden automatisch, wenn sie in Kontakt mit verdächtigen Telefonnummern oder Websites kommen. Umgekehrt könne man selbst verdächtige Kontakte über die App melden.
Drohnen: Unbegrenzte Nutzungsszenarien
Drohnen sind als Instrument der Polizeiarbeit weltweit unentbehrlich: Sie dienen der Beobachtung, Erfassung von Messwerten, dem Eingriff in gefährlichen Situationen und bei Rettungsmaßnahmen etc. Mit Ausbreitung der 5G-Funktechnologie hat sich ihre Leistungsfähigkeit nochmals erhöht, u. a. was Reichweite und Steuerbarkeit anbetrifft. Allerdings machen sich Kriminelle die Möglichkeiten der Drohnen-Technologien ebenfalls zunutze. Auch hier sind die Nutzungsszenarien vielfältig: so können Drohnen z. B. mit Sprengstoff beladen zu tödlichen Waffen werden. In der Umgebung von Flughäfen gefährden sie den Flugverkehr. Brent Cotton vom U.S. Department of Homeland
KLOSTER-KLAUSUR:
DIGITALE KRIMINALISTIK ALS KOMPLEXE HERAUSFORDERUNG FÜR DIE KRIMINALPOLIZEI
27. – 29.08. 2024
Security (DHS) berichtet, dass in Grenzregionen autonome Drohnenschwärme für den Schmuggel zum Einsatz kämen. Natürlich nutzen Kriminelle Drohnen zur Spionage und gern auch zum Ausspähen der Sicherheitskräfte. Cottons Botschaft ist klar: „Drohnen sind keine Spielzeuge“. Die Sicherheitskräfte wiederum stehen bei der Drohnenbekämpfung vor dem Problem, „Gute“ und „Böse“ im Zweifelsfall nicht unterscheiden zu können.
Internationale Drohnen-Regulierung gefordert Regulierung von Drohnenbesitz und -verkehr werden damit national wie international zu einem großen Thema. Das betrifft nicht nur Datenschutz und Schutz von Privatheit und Persönlichkeit, die bei der Nutzung von kamerabewehrten Fluggeräten schnell zur Debatte stehen. Vielmehr werden Zulassungsregelungen, Sicherheitsstandards und Verkehrsordnungen bei der allgemeinen Drohnen-Nutzung im allgemeinen Flugverkehr dringend benötigt. Das gilt auch für den DrohnenEinsatz durch BOS.
Die Größenordnung des Problems ist beachtlich: Nach Angaben von David Smith vom Virginia Department of State Police fliegen allein in den USA derzeit rund 100 Millionen „Unmanned Aerial Vehicle“ (UAV).
KLOSTER DRÜBECK, HARZ
Polizei-Verhaltenstraining mittels Künstlicher Intelligenz
möglicherweise auch konfliktreich werden. Wo Emotionen hochkochen, eskalieren soziale Situationen besonders leicht. Das ist nicht nur bei Fußballspielen, sondern auch bei Demonstrationen oder häuslicher Gewalt der Fall. Hier kann Kommunikation zur Eskalation oder Deeskalation konfliktträchtiger Situationen beitragen. Aber welche Formen sozialer Inter-
aktion und Kommunikation sind tatsächlich (de-)eskalativ? Welche Verhaltensweisen lösen Aggression, Stress und emotionale Reaktionen aus? Und welche personenbezogenen Merkmale wie Hautfarbe oder zugeschriebene Herkunft spielen hierbei eine Rolle? In dem bereits am 1. März 2023 gestarteten Verbundprojekt „Konflikte und Krisen durch Kommunikation deeskalieren (K3VR)“ untersucht die Akkon Hochschule diese Fragen zusammen mit den Projektpartnern Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) und der Aspekteins GmbH sowie der Bayerischen und der Berliner Polizei und dem Bayerischen Zentrum für besondere Einsatzlagen (BayZBE) als assoziierte Partner.
VR-Trainingsmöglichkeit mit KI-Unterstützung
Ziel dieses dreijährigen Forschungsprojektes ist die Entwicklung einer multisensorischen und KI-gestützten Virtual-Reality (VR)-Trainingsumgebung, in der die Einsatzkräfte der Polizei explizit deeskalierende Kommunikation trainieren können. Der innovative Ansatz hierbei ist die Erfassung unbewusster Kör-
www.fuehrungskraefte-forum.de; Suchwort: Kloster
Wie seine Kollegen aus den USA setzt sich Smith für eine weltweit standardisierte Regulierung der Drohnen-Nutzung ein. Derzeit habe die USA schon die Remote-ID gesetzlich verpflichtend eingeführt, eine Art Drohnenkennzeichen, das die einzelne Drohne immer, auch während des Fluges, identifizierbar macht. In Europa gibt es das nur in vereinzelten Ländern. Am Horizont erblickt Smith schon das nächste Problem: Während 5G-gesteuerte Drohnen von den Sicherheitsbehörden noch zu tracken sind, wird der absehbare Einsatz von Satellitenkommunikation die Nachverfolgbarkeit künftig weiter komplizieren.
(BS/Prof. Dr. Andreas M. Bock) Mit dem Forschungsprojekt „Konflikte und Krisen durch Kommunikation deeskalieren (K3VR)“ baut die Akkon Hochschule für Humanwissenschaften moderne und effektive Trainingsmöglichkeiten für Einsatzkräfte der Polizei auf.
perreaktionen, die über eine KI-gestützte Sensorauswertung nutzbar gemacht werden und einen grundlegend neuen Ansatz der MenschMaschine-Interaktion darstellt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ gefördert und läuft bis zum 28. Februar 2026.
Innovationen und Perspektiven von K3VR Mit Hilfe dieser neuartigen Trainingsmöglichkeit können Polizeibeamtinnen und -beamte noch besser vorbereitet auf die Bevölkerung zugehen, wenn Situationen durch starke Emotionen wie Angst, Ärger oder Aggression aufgeladen sind: Auf Basis der eigenen Biovitalwerte können die Probandinnen und Probanden ihr eigenes Verhalten in potenziellen Gefahrensituationen besser erkennen und entsprechend lernen, in Interaktion mit einem Aggressor damit umzugehen. Denn eine mögliche Eskalation dieser Situationen hängt auch vom kommunikativen Umgang ab – verbal, vor allem aber non-verbal
durch Körperhaltung, Mimik oder Verhalten. Die Nutzung von deeskalierender Kommunikation kann sowohl die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger als auch die der Einsatzkräfte erhöhen und schnelle Hilfeleistung sicherstellen. Durch das Forschungsprojekt sollen die wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen werden, um auch bereits existierende Schulungen effektiver und effizienter zu gestalten. Die gewonnenen Daten aus innovativer technologischer sowie sozialwissenschaftlicher Forschung ermöglichen es, eine interaktive KI zu trainieren. Diese kann für die Ent-
Prof. Dr. Andreas M. Bock ist Präsident der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften und Projektleiter.
wicklung neuartiger Schulungsansätze für soziale Interaktionen und Kommunikationstrainings genutzt werden. Innovativ ist die Erfassung von teilweise unbewussten Prozessen und deren Auswirkungen wie nonverbale Verständigung durch Mimik, Gestik, Körpersprache oder Stimmlage. Diese können erstmals mittels KI-gestützter Sensorauswertung als Interaktionswerkzeug nutzbar gemacht werden.
Im Vorfeld der UEFA EURO 2024 ist die Sicherheitslage alles andere als einfacher geworden. Der Terroranschlag in der Crocus City Hall und die aufflammenden Konflikte im Nahen Osten zwingen die zuständigen Sicherheitsbehörden zu höchster Wachsamkeit. So sprach beispielsweise der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling von möglichen „erratischen Angriffen“ seitens Russlands auf hybride Ziele.
Dirk Hulverscheidt, Leiter der polizeilichen Projektgruppe zur Erarbeitung des polizeilichen Rahmenkonzepts für die UEFA EURO 2024, unterstrich die Wichtigkeit des International Police Cooperation Center (IPCC) in Neuss für die Informationsauswertung und die Koordinierung der Einsatzkräfte. Den Auftrag zu Einrichtung und Betrieb der Informationsdrehscheibe erhielt das Land NRW aus der IMK heraus. Diese Entscheidung war naheliegend, da im Land bereits die Internationale Informationsstelle für Sporteinsätze beheimatet ist. Das IPCC dient den einsatzführenden Behörden dazu, ein bundesweit einheitliches Lagebild zu erstellen sowie einheitliche Strukturen in der ganzen Republik zu schaffen. Hulverscheidt betonte, dass das IPCC nicht die bewährten Strukturen ersetze. Diese blieben für den Informationsaustausch zum Terrorismus vielmehr bestehen. Hulverscheidt hervor, dass die eingesetzten Beamtinnen und Beamten den Menschen weltoffen und
Der stellvertretender Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Alexander Poitz, stellt klar: „Wir sind nicht gegen Legalisierung“. Das „aber“ folgt auf dem Fuß. Das Gesetz enthalte viel Theorie und wenig Praxis. Eine fachliche Expertise habe kein Gehör gefunden. Das Ergebnis sei reine Symbolpolitik und habe Signalwirkung auf dem Schwarzmarkt. Denn anstatt diesen wie erhofft mit dem Gesetz „auszutrocknen“, werde es einen Boom geben, weil es zumindest zum Zeitpunkt der Legalisierung kein legales Cannabis gebe. Hinzu käme außerdem ein Aufblühen des Cannabis-Tourismus, da die deutschen Regelungen im Vergleich zu anderen Ländern wie den Niederlanden sehr locker wären.
Dirk Peglow, Bundesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BDK), schlug in die gleiche Kerbe. Es handele sich bei der Legalisierung von Cannabis um ein Gesetz, das beim Lesen und Verstehen mehr Fragen aufwerfe, als sie zu beantworten. Die Polizei müsse das Gesetz dennoch umsetzen. Bei dieser müsse auch der Staat
Europameisterschaftsspiele in Zeiten globaler Krisen
(BS/Lars Mahnke) Im Sommer 2006 war „die Welt zu Gast bei Freunden“ und in Erinnerung blieben vor allem Bilder friedlich feiernder Fans auf den „Public Viewing“-Meilen. Zu verdanken war dies auch den zahlreichen vorbeugenden Maßnahmen der verschiedenen Sicherheitsbehörden, die zur Eindämmung von Hooliganismus und zur Terrorabwehr ergriffen wurden.
Turnierdirektor Philipp Lahm dankte allen beteiligten Sicherheitsbehörden für die geleistete Arbeit und hofft auf einen sicheren und friedlichen Turnierverlauf. Foto: BS/Bildschön
freundlich begegnen, bei gewalttätigen Auseinandersetzungen aber konsequent einschreiten sollen. Der thüringische Innenminister Georg Maier, dessen Bundesland die englische Mannschaft beherbergt, ist sich der Problemlage bewusst. „Die englischen Fans sind durchaus erlebnisorientiert unterwegs – aber auch das kriegen wir in den Griff“, gab er sich optimistisch. Die Polizeibehörden der zehn Spielorte bringen jedenfalls viel Erfahrung aus dem Ligaalltag mit. Hulverscheidt mahnt dennoch an, dass die kurzen Anreisen und hochattraktiven Innenstädte der Störerszene Gelegen-
heiten liefert. Diese habe sich nach den Jahren der Einschränkungen weiterentwickelt. Man wisse noch nicht, wie sie sich verhalten werde. Hier müsse der internationale Informationsaustausch gelingen. Die deutschen Außengrenzen werden während des Turniers ohnehin schärfer kontrolliert.
Personalaufwand hoch Insgesamt 350 Mitarbeiter werden im IPCC auch dafür sorgen. Es organisiert den Aufenthalt und Einsatz aller Polizeidelegationen aus allen teilnehmenden Nationen. Diese werden den hiesigen Einsatzbehörden
zur Unterstützung unterstellt. Jede teilnehmende Nation hat außerdem einen Verbindungsbeamten vor Ort, jede EM-Gruppe einen deutschen Koordinierungsbeamten zugeteilt. Insgesamt sind 700 Mitarbeitende des IPCC im ganzen Bundesgebiet unterwegs. Auch die Landespolizeien, die Bundespolizei und das BKA unterstützen das IPCC. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen sieht die Austragungsstätten sehr gut gesichert. Die Bedrohung bestehe eher für mittlere und große Public Viewing-Veranstaltungen. Dies bedeute viele Überstunden für die Polizeibeamten. Der Personalaufwand sei laut Hulverscheidt so groß, dass in NRW eine Urlaubssperre verhängt wurde, um sich bestmöglich aufstellen zu können. Andere Länder und die Bundespolizei hätten vergleichbare Regelungen.
UEFA-Sicherheitskonzept Der Leiter des Bereichs Sicherheit und Medizin der UEFA EURO 2024, Timo Seibert, unterscheidet zwischen dem General Security Concept und dem Stadium Security Concept. Bei letzterem hätten die jeweiligen Besonderheiten der sehr
Streit um die Drogenpolitik
(BS/Ralph Kotsch/Scarlett Lüsser) Seit dem 1. April dieses Jahres ist in Deutschland der Cannabis-Konsum erlaubt. Nach vielen vergeblichen Anläufen darf nun jeder Erwachsene für den Eigenkonsum bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen. Die einen freuen sich, die anderen schütteln den Kopf. Gestritten wird weiterhin.
mithelfen, denn „der Bund hat gefordert, der Bund muss bezahlen“, so Poitz. Dabei bezieht er sich auf die Mittel, die Ausstattung und die nötigen Fortbildungsmaßnahmen, die alle beteiligten Stellen benötigen werden und die keine Kommune ohne Unterstützung stellen kann. Riesenprobleme gebe es auch bei der Staatsanwaltschaft.
Die hätte keine Kapazitäten, um Altfälle von Verurteilung wegen Cannabisbesitz und Ähnlichem zu behandeln.
Konstantin Kuhle, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion, argumentiert, es sei immer ein Problem, wenn Gesetze geändert werden und Menschen für etwas bestraft wurden, das nun nicht mehr strafbar ist. Dies sei auch der Grund, warum man sich für die Amnestie-Regelung entschieden habe. Kuhle verweist weiter
Die Fachausstellung war an beiden Tagen des Kongresses gut besucht und bot Gelegenheit zum Austausch.
auf den Misserfolg der bisherigen Strategie. Gerade das Konsumverhalten von Minderjährigen sei in den letzten Jahren angestiegen: „Da kann doch irgendwas an der Strategie nicht ganz richtig sein, wenn nicht weniger Minderjährige Cannabis konsumieren, sondern es in den letzten Jahren immer mehr geworden sind.“ Daher sei er „froh, dass wir das Gesetz jetzt haben.“
Reiner Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), ist dagegen fassungslos: „Ich sehe nicht, wo hier der Jugendschutz verbessert wird“, meint er. Zusätzlich erklärt Wendt: Wenn von den Institutionen gefordert werde, dass Gesetze durchgesetzt werden müssen, müsse man dafür auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Und die Einstellung „Jetzt machen wir erst mal ein Gesetz […] und dann gucken wir
Höheninterventionsteam der
ab.
mal, wie es läuft“ sei für ihn kaum verständlich.
Nur auf Rezept Maria Tödling-Weiss , stellvertretende Chefärztin im österreichischen Bundesinnenministerium, warnt vor den Gefahren von Cannabis. Ihr zufolge sende eine Legalisierung das falsche Signal, die Freigabe sei nichts anderes als die Legalisierung eines Suchtgifts. Betroffen seien gerade Jugendliche von zwölf bis 18 Jahren. Die möglichen Folgen seien Schlafstörungen, Ängste oder Schizophrenie sowie schlechtere Leistungen in der Schule. Natürlich gäbe es auch eine medizinische Anwendung. Hierbei wurde Cannabis z. B. in den letzten Jahren vermehrt im Alter konsumiert, um Schlafstörungen zu behandeln. „Ich sage ja zu Cannabis, aber nur von Ärzten
unterschiedlichen zehn Spielstätten berücksichtigt werden müssen. Bei allen Stadien musste das aus dem Ligabetrieb bekannte Konzept eines Gästebereichs verworfen werden, da während der EM beide Mannschaften als gelichberechtigt gelten. Zäune wurden umgebaut, der Einsatz von Sicherheitspersonal angepasst. Es wurden die Sicherheitsdienstleister der Stadionbetreiber beauftragt, da diese die örtlichen Strukturen kennen. „Die haben die lokalen Kenntnisse, kennen das Stadion“. Man rechne mit 800 bis 1.300 Stewards pro Matchday. 500 bis 700 Führungskräfte hätten ein zusätzliches DFB-Qualifizierungsmodul durchlaufen, „welches wir mit EURO-spezifischen Modulen erweitert haben.“ Insgesamt investiere man im privaten Sektor „knapp 40 Millionen Euro in das Thema Sicherheit und in die medizinische Versorgung.“
verschrieben“, so Tödling-Weiss Felix Gasterstädt, stellvertretender Leiter im Büro Suchtmittelkriminalität des österreichischen Bundeskriminalamts, sagt, Österreich habe im vergangenen Jahr über 35.000 Anzeigen im Drogenbereich verzeichnet. Davon betreffen drei Viertel Cannabis-Delikte und über 70 Prozent davon seien gegen Erwachsene ab 21 Jahren gerichtet. Es gebe eher rückläufige Zahlen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 21. Nicht alle sehen die Legalisierung kritisch. Christian Schmidt ist Vorsitzender des Vereins Green Social Club. Dessen 350 Mitglieder – wobei der Altersdurchschnitt bei 43 Jahren liegt – dürfen ab dem 1. Juli den Betrieb aufnehmen. Doch auch die Cannabis-Clubs haben mit der praxisfernen Formulierung des Gesetzes zu kämpfen und fragen sich, wie sie im legalen Rahmen sinnvoll agieren können. Schmidt findet, es sei wichtig, dass alle Institutionen zusammenarbeiten – sowohl die Social Clubs als auch die Polizei und die Präventionsstellen – um das Gesetz „mit Leben zu füllen“ und alle offenen Fragen zu klären.
Die Gewinner des Zukunftspreises freuten sich nicht nur über Preisgelder, sondern auch über den EPK-Bären.
„Digitalfunkrettet Leben!“ begründete Frank Buddrus, Vizepräsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsausgaben (BDBOS) lapidar dieses Streben. Maßstab für den künftigen BOS-Breitband-Funk in Sachen Abdeckung, Verfügbarkeit und Vertraulichkeit sei weiterhin der bewährte schmalbandige, TETRA-basierte Sprachfunk. Dessen hohen Anforderungen werden aus BDBOS-Sicht die kommerziellen Netze in keiner Hinsicht gerecht. Gemeinsame planerische Grundlage der BOS-Community bleibt die Vier-Phasen-Strategie von GAN 2.0, deren ‚Phase 0‘ den Aufbau einer eigenen SIM-Karte und Rechteverwaltung vorsieht. In ‚Phase 1‘ soll dann die Einrichtung des dedizierten breitbandigen Kernnetzes konzipiert und umgesetzt werden. Am Ende der langjährig Entwicklung steht ein eigenbeherrschtes BOS-Breitbandnetz mit dedizierter oder zumindest hybrider Infrastruktur.
Kein Bundesmittel für die Umsetzung Darüber, wie die BDBOS diese strategischen Ziele umsetzen will, konnte oder wollte der BDBOS-Vizepräsident keine Auskunft geben. Weder für 2024 noch für 2025 sei mit Geldern aus dem Bundeshaushalt zu rechnen, so Frank Buddrus. Wie man angesichts dieser Lage mit der im Grunde schon gescheiterten Ausschreibung für das einsatzkritische BOS-Breitbandnetz weiter verfahren will, mochten weder der Vizepräsident noch die anderen BOS-Vertreter auf dem traditionellen BOS-Anwenderforum des EPK erklären.
Die Landesinnenminister äußerten sich zu aktuellen Themen wie PKS, Migration, Cannabis-Legalisierung und die bevorstehende Europameisterschaft.
GAN 2.0 bleibt der Maßstab
(BS/Barbara Held) Selten waren sich die BDBOS und BOS-Vertreter aus den Ländern so einig über das aufzubauende einsatzkritische BOS-Breitbandnetz. Trotz des stockenden Ausschreibungsverfahrens und fehlender Haushaltsmittel will man an der unter GAN 2.0 abgestimmten Strategie für ein eigenbeherrschtes bundesweites BOS-Netz festhalten.
Das bundesweit einheitliche, gemeinsame digitale Sprech- und Datenfunksystem soll perspektivisch den bewährten schmalbandigen, TETRA-basierten Sprachfunk auf längere Sicht ablösen, sind sich die BDBOS und BOS-Vertreter der Länder einig. Foto:
Einen Hinweis auf einen verlängerten zeitlichen Horizont gab Frank Buddrus auf die Frage, wie lange die BDBOS den derzeitigen TETRA-Funk operativ erhalten wolle: „Wahrscheinlich bis in die späten dreißiger Jahre.“ Dabei stelle auch der für 2032 vorgesehene Rückfall der TETRA-Frequenzen an das Militär keine Problem dar. Da rechnet die BDBOS mit Kulanz. So manch einem der anwesenden Firmenvertreter war
Frequentis habe dieses Konzept entwickelt, weil die BDBOS beschlossen habe, den TETRA-Digitalfunk durch mobile Breitbandkommunikation abzulösen, so Hartwein Die bisherige Planung sieht vor, dafür ein eigenbeherrschtes Kernnetz und ein eigenes Funkzugangsnetz aufzubauen. Allerdings hat die World Radio Conference 2023 beschlossen, dass es kein eigenes Frequenzspektrum für die deutschen BOS geben wird. Zudem ist die Finanzierung angesichts der Haushaltslage des Bundes deutlich erschwert. Vor diesem Hintergrund hat Frequentis gemeinsam mit Mobilfunk-Experten ein Konzept entwickelt, das es Bund und Ländern dennoch ermöglicht, gemeinsam eine mobile BOS-Breitbandkommunikation zu realisieren. Smart ist an dem Konzept zunächst die Reduktion der Komplexität der von der BDBOS geplanten BOSBreitbandkommunikation, da kein eigenbeherrschtes Kernnetz, kein eigenes Funkzugangsnetz und keine Bindung an einen alleinigen
der Unglaube am Gesicht abzulesen. Laut GAN 2.0 soll in ‚Phase 3‘ mit dem TETRA-Rückbau bzw. der Abschaltung begonnen werden. Bei aller Einigkeit in der Ausrichtung auf ein einheitliches nationales Breitbandnetz mochten einige Länder die Gelassenheit des BDBOS-Vizepräsidenten nicht teilen. Clemens Tabke, aus der Koordinierenden Stelle NRW und Markus Schneider, Leiter Betrieb bei der Autorisierten Stelle Niedersachsen, wiesen eindringlich auf die
Gefahr hin, dass BOS und Länder wieder „Insellösungen“ einführen würden, wenn die nationale Breitbandinfrastruktur nicht bald komme. Er müsse u. a. im Sinne der IMK- Beschlüsse handeln. Besonders deutlich wurde Georg Ringmayr, IT-Chef der Bayrischen Polizei, der die Perspektiven des BOS-Breitbankfunks als „besorgniserregend“ bezeichnete: „Kein Geld, kein Plan.“ Völlig unverständlich findet Ringmayr, der die BDBOS „voll und ganz unterstützt“, das bei vielen fehlende Bewusstsein für die „Konzernsicherheit der Deutschland GmbH“. So hätten die entscheidenden Akteure bei Netzbetreibern und Politik längst dafür sorgen müssen, dass nationales Roaming, Bevorrechtigung und Priorisierung für nationale BOS-Dienste zur Verfügung stünden. Inzwischen hat das zuständige Bund-Länder-Vergabe-Gremium des Digitalfunks Ende April nochmals getagt, ohne zu einem Beschluss zu kommen. Laut Auskunft der BDBOS wurde die Behandlung des Themas auf die nächste Sitzung des Verwaltungsrats vertagt – und damit auf Staatssekretärsebene gehoben.
Anstöße von Betreibern und Herstellern
Naturgemäß haben die Firmenvertreter eine etwas andere Sichtweise auf die Einbindung von kommerzi-
MCX-basierte Schichtenarchitektur verzichtet ohne Funktionsverlust auf ein gemeinsames Kernnetz (BS) Im Rahmen des Strategieforums Mobile Breitbandkommunikation der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) stellte Volker Hartwein, Director Business Development, Public Safety Frequentis Deutschland, auf dem Europäischen Polizeikongress das Konzept „Der smarte Weg zur mobilen BOS-Breitbandkommunikation“ vor.
Kernnetz-Anbieter für die Realisierung der mobilen BOS-Breitbandkommunikation erforderlich sind. Ein zweiter Aspekt ist der BOSVerbund Breitband, innerhalb dessen die Bundesländer ihre eigene mobile BOS-Breitbandkommunikation aufbauen könne. Die bundesweit technische und betriebliche Einheitlichkeit dieser vernetzten Einzelsysteme wird
Fotos: BS/Bildschön
über ein gemeinsames Regelwerk von der BDBOS und den Ländern sichergestellt.
Sicherheit des Konzepts Grundlage für den BOS-Verbund Breitband sind die 3GPP-standardisierten Mission Critical Services (MCX). Common Services wie Nutzer-Authentifizierung oder Funkgruppenmanagement, integrierte
ellen Dienstleistungen in das künftige BOS-Breitband-Netz. So illustrierte Robin Friedrich als Vertreter der Vodafone GmbH u. a. die flexiblen Lösungen zur Parametrisierung von Bevorrechtigung und für eine zuverlässige BOS-Kommunikation über ein Mobilfunknetz. Jens Elsner von der VITES GmbH machte deutlich, dass gerade in Krisensituationen die Vorteile einer modernen, mobilen Satelliten-Kommunikation über LEO-Netze für BOS zutage träten. Wie es in einem Land aussieht, das bei Konzeption, Planung und Umsetzung eines eigenbeherrschten Breitband-Netzes etliche Schritte voraus ist, erläuterte Jarmo Vinkvist, der COO des staatlichen finnischen BOS-Funk-Providers VIRVE. Genau wie die BDBOS hat VIRVE keine harmonisierten BreitbandFrequenzen erhalten und muss sich bei vergleichbaren Zielen auf kommerzielle Betreiber stützen. Bereits 2019 legte das finnische Parlament die gesetzliche Grundlage für das neue BOS-Netz und machte durch Gesetzesänderungen u. a. nationales Roaming und BOSBevorrechtigungen möglich. 2020 wurde das Beschaffungsvorhaben für die Kern- und Zugangsnetze und ausgewählte einsatzkritische Apps erfolgreich durchgeführt. Seitdem arbeitet VIRVE mit einem nationalen Telekom-Betreiber und dem Systemlieferanten am Aufbau. Die 4G/5G-Reichweite bezogen auf die Bevölkerung liegt inzwischen bei 98,98 Prozent. 2025 beginnen wie geplant die Migrationsphase für Daten- und Sprachdienste und die Erprobung der künftigen BOSApplikationen. Laut Jarmo Vinkvist ist die vollständige Abschaltung von TETRA für 2028 vorgesehen.
Verschlüsselung sowie Dienste wie Sprach-, Daten- und Videoübertragung werden für Nutzende über die MCX-Systeme der Bundesländer bereitgestellt. Die Netzabdeckung erfolgt durch die öffentlichen Mobilfunkbetreiber nach den Regularien der Bundesnetzagentur (BNetzA). Die Sicherheit in den Mobilfunknetzen entsprechend den BDBOSAnforderungen wird durch die MCX-Verschlüsselung gewährleistet; die geforderte Hochverfügbarkeit durch die entsprechende Härtung der Mobilfunknetze, Roaming-Abkommen zwischen den Mobilfunkbetreibern sowie deren vollständige Netzabdeckung gemäß den Anforderungen der BNetzA.
Die Referenten des Side-Events Schutz und Sicherheit von Beschäftigten im Öffentlichen Dienst zeigten Wege auf, sich besser im Berufsalltag geschützt werden können.
Statistiken zur Verkehrssicherheit weisen gravierende Unterschiede in den Risiken für verschiedene Gruppen auf. So habe Deutschland etwa eine Anschnallquote um die 95 Prozent, gleichzeitig sei jedoch ein Fünftel aller Verkehrstoten hierzulande nicht angegurtet, konstatiert Prof. Dr. Walter Eichendorf, Präsident des Europäischen Verkehrssicherheitsrats (ETSC) auf dem Europäischen Polizeikongress. Auch Radfahrer haben ein erhöhtes Risiko, besonders, wenn sie keinen Schutzhelm tragen. So seien viele der Todesfälle in dieser Gruppe durch einen Helm vermeidbar gewesen. In der Gesamtstatistik machen Fahrradfahrer etwa 16 Prozent der Verkehrstoten aus, so Frank Hellwig, Polizeihauptkommisar in der Polizeidirektion Braunschweig. Dieser Umstand führt regelmäßig zu Debatten über eine Helmpflicht, wie es sie für motorisierte Zweiräder mit einer Höchstgeschwindigkeit ab 25 km/h bereits gibt. Auch die Radfahrer selbst fühlen sich im Straßenverkehr oft unsicher. Hellwig sieht darin auch den Grund für immer widerkehrendes Fehlverhalten an bestimmten Orten. So umgingen Radfahrer etwa gerade an unübersichtlichen Kreuzungen vermehrt die Ampelanlage. Um die Gründe für solches Fehlverhalten zu identifizieren und gleichzeitig durch mehr Polizeipräsenz für we-
Die Einführung von Breitbandnetzen und Messenger-Plattformen hat die Kommunikationsgewohnheiten grundlegend verändert. Doch in Bezug auf Interoperabilität und der dafür notwendigen gemeinsamen Standards wurden Rückschritte gemacht. Statt des nahtlosen Gefühls der Kommunikation findet sich nun ein Dschungel verschiedener Messenger-Dienste vor, die keine Kommunikation untereinander zulassen. Während Smartphones problemlos auf das Internet zugreifen können, stößt die Kommunikation mit unterschiedlichen Messenger-Plattformen auf Hindernisse und erfordert das Zurückgreifen auf herkömmliche Kommunikationsmittel. Diese Einschränkungen können besonders problematisch sein, wenn es um kritische, organisationsübergreifende Kommunikation geht. Die Herausforderung der fehlenden Interoperabilität wird besonders deutlich, wenn die Kommunikation der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) mittels Messenger an der eigenen Landesgrenze endet.
Innenministerin der
von
Der Weg zur Vision Zero
(BS/Tanja Klement) Im europäischen Straßenverkehr haben 2022 ca. 20.640 Menschen ihr Leben verloren. Bis 2050 will die Europäische Union diese Zahl möglichst weit senken. Die sogenannte Vision Zero sieht vor, bereits bis 2030 einen Rückgang um 50 Prozent zu erzielen. Damit das gelingen kann, ist es wichtig, dass jeder Mitgliedsstaat wo immer möglich von den Best Practices der anderen lernt.
niger Verkehrsverstöße zu sorgen, setzt das Land Niedersachsen in Braunschweig auf ein Konzept für Fahrradstaffeln. Die Erfahrungen aus den Pilotlaufzeiten seien gut, so Hellwig. Auf dem Fahrrad seien die Beamten für Bürgerinnen und Bürger besser ansprechbar und gerade im Innenstadtbereich auch oft schneller vor Ort als ein Streifenwagen.
Voneinander Lernen
In Dänemark setzt man statt Verordnungen auf Prävention und empfindliche Strafen. Mit Erfolg. Im europäischen Vergleich erreicht das Land eine der niedrigsten Todesfallraten pro eine Million Einwohner. Das Tragen von Schutzhelmen sei für die Dänen in der Verkehrserziehung an Schulen und in verschiedenen Kampagnen normal, so Anders Egeskov Knudsen, Professional Secretary des dänischen Politiforbundet. Anders in den Niederlanden, wo die niedrige Helm-Rate zu einem Anstieg in der Statistik durch die wachsende
Egeskov Knudsen plädiert für angekündigte Kontrollaktionen und große Kampagnen in den Medien, um das Bewusstsein für Verkehrssicherheit in der Bevölkerung zu schärfen. Foto: BS/Bildschön
Fahrradnutzung führe, führt Prof. Eichendorf vergleichend aus. Als Hauptursachen für Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang identifiziert Knudsen etwa die Ablenkung durch Mobiltelefone, das Fahren unter Drogeneinfluss und Geschwindigkeitsüberschreitungen. 80 Prozent der Verkehrstoten
seien Männer, in rund einem Drittel aller Fälle gebe es keine weiteren Unfallbeteiligten. Im Umgang mit Rasern habe man ein wirksames Mittel gefunden. Neben dem üblichen Bußgeld sei es bei besonders gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitungen etwa möglich, das Fahrzeug einzuziehen. Die so sichergestellten Autos werden versteigert, der Erlös kommt der Staatskasse zugute. Da in Dänemark besonders viele Fahrzeuge geleast würden, wurden diese explizit mit in die Regelung zur Beschlagnahmung einbezogen. Der Anbieter muss seine Ersatzansprüche dann direkt mit dem Fahrer klären.
Smarte Gefahr Mit der steigenden SmartphoneNutzung stellen abgelenkte Fahrerinnen und Fahrer jedoch inzwischen die größte Gefahrenquelle dar. Mit den herkömmlichen Mitteln der Verkehrsüberwachung kann das Telefonieren während der Fahrt aber nur dann festgestellt werden, wenn der Fahrer zufällig auch noch
Sicher und relevant
(BS/Christopher Bick*) Vor dem flächendeckenden Einsatz von Messengerdiensten wie WhatsApp und ähnlichen Plattformen war die hardwareunabhängige Kommunikation gängig. Internationale Standards wie SMS ermöglichten es, nahezu jeden Ort der Welt über Textnachrichten zu erreichen. Es ist ein gewohntes Gefühl, nahtlos mit mobilen Endgeräten zu kommunizieren.
Föderation gewinnt an Bedeutung In diesem Kontext gewinnen Konzepte der Föderation zunehmend an Bedeutung. In Bezug auf Messaging ermöglicht Föderation die Verbindung verschiedener Dienste und schafft eine nahtlose Kommunikation über verschiedene Plattformen hinweg. Auf dem 27. Europäischen Polizeikongress stellte Christopher Bick, Geschäftsführer von stashcat aus Hannover, die Umsetzung der Messaging-Föderation für BOS vor. „Die integrierte Föderation ermöglicht jedem stashcat-Anwender bei Bedarf Ende-zu-Ende-verschlüsselt mit Anwenderinnen und Anwendern anderer Dienste zu kommunizieren.“ Bick sagte weiter: „Für die Kommunikation der BOS und die Anforderung landesübergreifend zu
kommunizieren, haben wir damit einen Meilenstein gesetzt.“ Der Messenger stashcat wird von Organisationen und Behörden im In- und Ausland genutzt, darunter Landespolizeien wie Niedersachsen und Hessen oder im BOS-Bereich beim Technischen Hilfswerk (THW) bundesweit. „Die Anschlussfähigkeit unserer Kunden zu Chat-Diensten wie dem Polizeimessenger Twenty, der im vergangenen Jahr als Entwicklung des Bundes auf dem Europäischen Polizeikongress vorgestellt wurde, haben wir sichergestellt“, so Bick. Die Relevanz von MessagingDiensten wurde beim bislang größten Einsatz des THW, während des Sturmtiefs „Bernd“, das im Juli 2021 die Flutkatastrophe im Ahrtal auslöste, deutlich. Mehr als 2,5
Millionen Einsatzstunden von mehr als 16.000 THW-Kräften forderte der Einsatz. Neben dem Digitalfunk setzte das THW seinen Messenger ein, um die Helferinnen und Helfer in zahlreichen Chat-Gruppen zu koordinieren. Bis zu 60.000 Textnachrichten täglich wurden während des Starkregen-Einsatzes verschickt.
Interoperabilität nötig Um das verlorene Gefühl der nahtlosen Kommunikation zurückzugewinnen, ist es unerlässlich, dass die Anbieter für Messenger-Dienste handeln. Der Digital Markets Act (DMA) der Europäischen Union hat bereits im Consumer-Bereich wichtige Schritte unternommen, aber auch im Bereich der BOS-Kommunikation dürfen wir nicht auf prop-
geblitzt wird oder in eine Verkehrskontrolle gerät. In Trier hat man sich deshalb auf dem Markt umgesehen und in den Niederlanden eine vielversprechende Lösung entdeckt: Das System Monocam, so erklärt Polizeirat Matthias Emmerich von der Polizeiinspektion Trier, sei von der niederländischen Polizei selbst entwickelt worden. Es handle sich um ein Kamerasystem, das – gekoppelt mit der entsprechenden Software – Bilder aus dem fließenden Verkehr erstellt und auswertet. Trainiert wurde das System mit 20.000 Fotos, auf denen Autofahrerinnen und -fahrer Handys nutzen. Erkennt das System einen vermeintlichen Verstoß, meldet es diesen als Vorschlag an die zuständige Polizeistelle. Die Entscheidung trifft immer ein Mensch, darauf habe man besonderen Wert gelegt, so Emmerich. Auch der Personalaufwand sei überschaubar. Die Monocam könne in vielen Fällen mit dem bisherigen Personalstamm mitbetrieben werden. Für einen sechsmonatigen Projektzeitraum wurden die überwachten Strecken mit Hinweisschildern gekennzeichnet. Trotzdem wurden in diesem Zeitraum rund 1.200 Verstöße festgestellt. Aktuell ist die Erfassung des Verkehrs mit der Monocam noch nicht durch das rheinlandpfälzische Landespolizeigesetz abgedeckt. Diese Lücke soll bis 2025 geschlossen werden.
rietäre Lösungen beschränkt bleiben. Es ist an der Zeit, einen offenen Standard für Chat-Kommunikation zu etablieren, der auf Interoperabilität und einheitlichen Protokollen beruht. Dabei kann von den Erfahrungen mit vergangenen und aktuellen Kommunikationstechnologien und -standards gelernt werden, um gemeinsam einen offenen Markt zu fördern, der Innovation und Wettbewerb ermöglicht. Bick führt dazu aus: „Für uns ist es wichtig, durch Leistung zu überzeugen anstatt durch proprietäre Geschäftsmodelle.“ Der offene Markt fördert Wettbewerb, der wiederum Innovation antreibt – und genau diese Innovation wird gebraucht, um die europäische Breitband-Kommunikation auf ein neues Niveau zu heben. Die Herausforderung ist es, die Akteurinnen und Akteure gemeinsam an einem Tisch zu bringen, damit diese einen offenen Standard für die Chat-Kommunikation im BOS-Markt schaffen.
* Christopher Bick ist CEO der stashcat GmbH.
Naturkatastrophen machen nicht an Landesgrenzen halt. Nicht in Europa und auch nicht weltweit. Deshalb arbeiten die 27 Länder der EU und zehn weitere Teilnehmerstaaten unter dem europäischen Katastrophenschutzschirm UCPM zusammen – zuallererst in Europa, aber auch andernorts, wo Hilfe gebraucht wird. Eine solche länderübergreifende Zusammenarbeit steht natürlich vor „nationalen“ Herausforderungen, was z. B. die unterschiedlichen Strukturen von Einsatzorganisationen, andersartige Entscheidungsprozesse, abweichende rechtliche Rahmenbedingungen oder auch die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Technik oder Logistiklösungen betrifft. Um einige der Herausforderungen zu adressieren, gibt es seit vielen Jahren ein gemeinsam koordiniertes UCPM-Trainingsprogramm für Einsatzkräfte. Der aktuell noch bis Juli 2024 laufende 19. Ausbildungszyklus ist dabei der bisher umfangreichste mit – 29 Onlineund Präsenzkursen an 16 Ausbildungsstandorten: von Wicklow (Irland) und Valencia im Westen bis Athen und Bukarest im Osten. Geplant, koordiniert und umgesetzt wurde und wird die aktuelle Ausbildungssaison von einem klei-
Stefan Richter ist Kommunikationsexperte am THW-Ausbildungszentrum Neuhausen a. d. Fildern. Er betreut u. a. die Partnerkommunikation mit UN- und EU-Organisationen bei großen Simulationstrainings in Neuhausen. Foto: BS/privat
nen Projektteam am THW-Ausbildungszentrum Neuhausen auf den Fildern. Dort laufen die Fäden für Kursdirektoren, Dozenten und Teilnehmer zusammen. Von dort aus wurde die komplette Überarbeitung der Ausbildungsinhalte für die acht Trainingsmodule gesteuert. Ziel dieses paneuropäischen Aufwands ist der Aufbau und die Vernetzung eines europaweiten Pools
THW-Team leitet länderübergreifendes EU-Trainingsprogramm
(BS/Stefan Richter) Katastrophenschutz in Europa ist mehr als eine nationale Aufgabe: Seit 2001 gibt es deshalb den Union Civil Protection Mechanism (UCPM), der grenzüberschreitend eine effiziente und reibungslose Zusammenarbeit im Einsatzfall gewährleisten soll. Das setzt natürlich voraus, dass vor Ort eingesetzte Zivil- und Katastrophenschutzexpertinnen und -experten nach einheitlich hohen Qualitätsstandards ausgebildet sind und operieren. Um genau das sicherzustellen, hat die EU-Kommission ein internationales Konsortium mit der Planung und Durchführung eines dezentral organisierten Trainingsprogramms für Einsatzkräfte beauftragt – unter Federführung eins engagierten Teams des THW-Ausbildungszentrums Neuhausen.
von Zivil- und Katastrophenschutzexpertinnen und -experten, die nach einheitlichen – und sehr hohen –Qualitätsmaßstäben zertifiziert sind und im Einsatzfall reibungslos zusammenarbeiten. „Die aktuellen Trainings haben wir stärker als bisher auf eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit fokussiert – was Kommunikation, Ausbildungsstandards oder Infrastruktur und Ausrüstung betrifft. Einsatzkräfte aus ganz unterschiedlichen Zivilschutzorganisationen – von Feuerwehren über Rettungsdienste bis zu Hilfsorganisationen – können sich um Plätze in den Kursen bewerben. Für diese Kurse konnten wir die europaweit erfahrensten Expertinnen und -experten als Trainer und Dozenten verpflichten“, erklärt Achim Octavian Popa, THW-Projektleiter des aktuellen UCPM-Trainingsprogramms für Einsatzkräfte.
Innovationen im EU-Training
Die UCPM-Trainings für Einsatzkräfte ergänzen die nationalen Ausbildungsangebote, die es für Katastrophenschutzexperten in ihren jeweiligen Ländern oder von ihren Heimatorganisationen gibt. Der Fokus liegt deshalb auf der Vermittlung von Know-how, das die Mitglieder transnationaler Katastrophenschutzteams bei internationalen Einsätzen innerhalb und außerhalb Europas brauchen, um effizient zusammenzuarbeiten. Die teilnehmenden Staaten profitieren in zweifacher Hinsicht: Sie erhöhen das Kompetenzniveau innerhalb ihrer eigenen Katastrophenschutzorganisationen und vergrößern außerdem den Pool an einsatzfähigen Experten über ihre nationalen Kapazitäten hi-
naus, falls sie selbst einmal einer bestimmten Katastrophenlage nicht allein gewachsen sein sollten. Die Trainingsmodule wurden dafür im aktuell 19. Trainingszyklus neu konzipiert, u. a. für unterschiedliche Lernbedürfnisse. So gibt es beispielsweise für Teamleiter einen
linearen Ausbildungsweg, bei dem die Lernmodule aufeinander aufbauen. Für Fachspezialisten gibt es eine Reihe neuer, maßgeschneiderter Kurse mit Online-Modulen, Ad-hoc-Kursen oder thematischen Seminaren und Workshops. Außerdem wurde für jedes Funktionspro-
fil des Katastrophenschutzteams der Europäischen Union (EUCPT) eine spezifische Schulung entwickelt. Ein weiteres Beispiel für Innovation: Die EU-MODEX-Tabletop- und Simulationsübungen sind nun ebenfalls ein fester Bestandteil der UCPM-Ausbildung für Einsatzkräfte.
Zugang zum Trainingsprogramm national geregelt Wie können Mitglieder einer Feuerwehr, einer Rettungsorganisation oder eines Katastrophenschutzteams an der EU-Katastrophenschutzausbildung teilnehmen? Jedes Teilnehmerland kann über ein Kontingent an Ausbildungsplätzen innerhalb des Trainingprogramms verfügen. Rettungs- oder Katastrophenschutzorganisationen melden ihre Kandidatinnen oder Kandidaten für ein Trainingsmodul an den jeweiligen National Training Coordinator (NTC), der verantwortlich für die Prüfung der fachlichen Voraussetzungen und die Auswahl geeigneter Teilnehmer ist. In Deutschland wird die Funktion des National Training Coordinators von Susanne Wacht vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wahrgenommen. Das UCPM-Trainingsprogramm für Einsatzkräfte unter Federführung des Projektteams am THW-Ausbildungszentrum Neuhausen wird von einem europaweiten Konsortium aus 18 Partnern ausgestaltet. Zu den wichtigsten Partnern gehören neben dem THW auch das BBK und die italienische Zivilschutzagentur Italian Civil Protection Department (ICPD).
Schulterschluss der Feuerwehrverbände (BS/bk) Eine gemeinsame Vertretung der europäischen Feuerwehren in Brüssel unter dem Dach des Weltfeuerwehrverbandes CTIF – dies ist das erklärte Ziel. Auf dem 1. Europäischen Feuerwehrgipfel in Paris fassten die Vertreter von 18 europäischen Feuerwehrverbänden diesen Beschluss.
Der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV), Karl-Heinz Banse, sprach von einem historischen Tag für die Feuerwehrverbände in Europa. Noch nie seit Gründung des Weltfeuerwehrverbands CTIF hätte es einen solchen Schulterschluss zwischen den Repräsentanten von mehr als 2,7 Millionen Feuerwehrangehörigen gegeben. Banse erklärte weiter: „Gemeinsam wollen wir dort, im politischen Zentrum der Europäischen Union, einen Bund der Feuerwehrverbände etablieren, um unsere Interessen zusammen besser zu vertreten.“ Es wurde vereinbart, auf dem nächsten Treffen im Oktober in Brüssel ein fest besetztes Büro bei der EU zu konkretisieren. Damit sollen die Feuerwehren als „Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in der Europäischen Union adäquat“ vertreten werden.
Gesammelte Beschaffung von Fahrzeugen und Gerät (BS/bk) Die Bundesländer Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern wollen in Zukunft die Beschaffung von Fahrzeugen und Geräten des Brand- und Katastrophenschutzes bündeln. Dazu haben die Innenminister der drei Länder eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung unterzeichnet. Die Vereinbarung sieht vor, dass Thüringen ab sofort der erfolgreichen gemeinsamen Beschaffungskooperation zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Land Brandenburg beitritt.
Der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen (CDU) erklärte dazu: „Mit der gemeinsamen Beschaffung von Fahrzeugen und Geräten im Brand- und Katastrophenschutz von drei Bundesländern feiern wir in Deutschland eine Premiere. Vorbild ist die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, der sich Thüringen nun anschließt. Dank der gemeinsamen Beschaffung können die drei Bundesländer in Zukunft moderne Fahrzeuge und Geräte von mehr Anbietern zu deutlich günstigeren Preisen erwerben. Damit sparen wir viel Steuergeld der Brandenburgerinnen und Brandenburger. Gemeinsam sind wir stärker als alleine.“
Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel (SPD), hob auch die Synergieeffekte hervor und fügte hinzu: „Darum wollen wir auch künftig, wann immer es Sinn macht, Kooperationen
mit anderen Bundesländern bei unseren Beschaffungen nutzen.“
Der Neue im Bunde, Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), kündigte an: „Die Kommunen sparen sich nun die aufwendigen EU-
Vergabeverfahren. Und es geht auch gleich los mit der Beschaffung von Tragkraftspritzenfahrzeugen, welche die in die Jahre gekommenen Kleinlöschfahrzeuge in Thüringen ablösen sollen.“
Nach dem Fall der Berliner Mauer wurde in fast allen europäischen Staaten die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft oder ausgesetzt. Angesichts der allgemeinen Verschlechterung der sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen haben jedoch die baltischen Staaten sowie die nordischen Länder Finnland, Norwegen, Dänemark und Schweden eine Kehrtwende eingeleitet und einen Wehrdienst in unterschiedlichen Ausprägungen wieder eingeführt. Vor diesem Hintergrund hat auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in die Diskussion eingebracht. Während die Diskussion über dieses Thema in Deutschland wesentlich davon bestimmt ist, Gründe gegen eine Wiedereinführung aufzuführen, finden sich gerade in den nordischen Ländern interessante und erfolgreiche Ansätze, die in angepasster Form grundsätzlich auch in Deutschland realisierbar sein könnten.
Baltische Staaten
Die eindeutigen Drohungen Russlands gegenüber den baltischen Staaten führen dort naturgemäß zu einer deutlich anderen Bedrohungsperzeption als in Deutschland. Vor diesem Hintergrund hat Estland die Wehrpflicht durchgängig beibehalten. In Litauen wurde die Wehrpflicht bereits vor Jahren wieder eingeführt. Lettland hat diesen Schritt im letzten Jahr ebenfalls vollzogen. In einem nächsten Schritt soll ab diesem Jahr die Zahl der jährlich einberufenen lettischen Wehrpflichtigen kontinuierlich bis auf 7.500 im Jahr 2028 steigen. Bei einer Wehrdienstzeit von mindestens elf Monaten soll das Heer so von derzeit 22.000 auf 50.000 Soldaten anwachsen.
Norwegen
In Norwegen leisten etwa 9.900 junge Menschen jedes Jahr ihren zwölfmonatigen Wehrdienst ab, was nur etwa 17 Prozent eines Geburtsjahrgangs entspricht, die für den Wehrdienst infrage kommt. Damit ist der Wehrdienst trotz der geltenden Wehrpflicht selektiv. Diese Selektivität sowie die zuvor erfolgte Verringerung der Wehrdienstdauer, die für eine zielführende Ausbildung hinreichend war, waren 2011 im Zusammenhang mit der allgemeinen Sicherheitsperzeption wesentliche Gründe für die Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland. In Norwegen hingegen hat dieser
Eine Betrachtung verschiedener europäischer Modelle (BS/th) Die Wehrpflicht in Deutschland bezeichnet die gesetzliche Pflicht männlicher deutscher Staatsbürger zur Ableistung von Wehrdienst in den Streitkräften der Bundesrepublik Deutschland. Sie besteht seit Juli 1956 und war bis zum 1. Juli 2011 mit der allgemeinen verpflichtenden Einberufung von Grundwehrdienstleistenden nach Paragraf 5 des Wehrpflichtgesetzes verbunden. 2011 wurde die Einberufung zum Grundwehrdienst gesetzlich auf den Spannungs- oder Verteidigungsfall beschränkt.
selektive Ansatz den Wehrdienst zu einer prestigeträchtigen Aufgabe gemacht, da die ausgewählten Wehrpflichtigen durch eine Online-Bewertung, einen körperlichen Test und schließlich eine finale Bewertung herausgefiltert werden. Die Auswahl für den Wehrdienst dürfte damit zugleich eine Visitenkarte für den Eintritt ins spätere Berufsleben darstellen, zumal die Aufnahme in den norwegischen Militärdienst weitaus schwieriger als die Aufnahme in die meisten Universitäten ist. Norwegen ist der einzige Nato-Staat, in dem seit Beginn dieses Jahres auch eine Wehrpflicht für Frauen gilt. Diese Entscheidung ist aber weniger auf die veränderte Sicherheitslage zurückzuführen, sondern vielmehr auf das Streben nach Gleichberechtigung und -behandlung sowie das Anliegen, den Frauenanteil in den Streitkräften von derzeit zehn Prozent auf 20 Prozent zu erhöhen.
Dänemark
Auch in Dänemark ist die Wehrpflicht nach wie vor in Kraft, de facto werden aber nur dann Wehrpflichtige eingezogen, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden. Dänische Männer sind lediglich verpflichtet, nach ihrem 18. Geburtstag an einem „nationalen Verteidigungstag“ teilzunehmen. An diesem Tag wird durch Tests festgestellt, wer wehrdiensttauglich ist, und dann wird ausgelost, wer zu den Streitkräften gehen darf. Für den freiwilligen Dienst dürfen sich seit 1998 auch Frauen bewerben. Sie machen gegenwärtig rund ein Viertel der Rekrutierten aus. Bisher absolvierten in Dänemark jährlich 4.700 Rekrutinnen und Rekruten die militärische Grundausbildung, die in den meisten Fällen vier Monate dauert. Derzeit liegt die Zahl der wehrdiensttauglichen Freiwilligen noch deutlich über dem Bedarf der Streitkräfte und der dänischen Katastrophenschutzbehörde, zu denen man sich alternativ freiwillig melden kann. Mit den Plänen der Regierung, die ab 2026 eine Erhöhung der Zahl der Wehrpflichtigen
Die Wehrdienstdauer ist abhängig von der Spezialisierung, zusätzlich werden Reserveverträge in allen drei Teilstreitkräften ange-boten. Die Wehrdiensttauglichkeit wird im Rahmen eines Verteidigungstages festgestellt. Die Einführung einer Wehrpflicht für Frauen sowie die Verlängerung der Wehrpflichtdauer sind geplant.
Ab 2024 freiwillige Wehrdienstinitiative mit Schwerpunkt auf Aufgaben der inneren Sicherheit für 7 Monate plus 5 Monate als Reservist.
auf 5.000 sowie eine Verlängerung des Dienstes von vier auf elf Monate vorsehen, mag sich die Zahl der Freiwilligen nachhaltig reduzieren. Unklar scheint jedoch, wie die Pläne umgesetzt werden können. Die dänischen Streitkräfte verfügen weder über das notwendige Ausbildungspersonal noch über die erforderliche Ausrüstung und Infrastruktur für die Umsetzung.
Schweden
Schweden hat die 2010 ausgesetzte Wehrpflicht bereits im Zuge der Annexion der Krim-Halbinsel neu bewertet und 2017 wieder eingeführt. Das schwedische Modell zielt – analog zum norwegischen – darauf ab, nur besonders geeignete Personen zu rekrutieren. So werden junge Menschen mit Vorerkrankungen meist gar nicht erst zur Musterung vorgeladen. Der weitere Prozess ähnelt dem norwegischen Selektionsverfahren, sodass nur etwa zehn Prozent eines Jahrgangs tatsächlich einberufen werden. Allerdings geht das schwedische Verteidigungsprinzip über eine rein militärische Komponente hinaus und führt auch eine allgemeine, auch die ausländischen Bürger einbeziehende Dienstpflicht wieder ein, die sich auf die Zivilverteidigung und die Aufrechterhaltung der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) richtet. Damit zieht Schweden nicht nur Lehren aus dem Ukraine-Krieg, sondern berücksichtigt auch Ansätze aus den EnablementKonzepten der NATO. Sie heben die Notwendigkeit eines sogenannten „Whole-of-Government Approach“ sowie einer resilienten KRITIS und Bevölkerung hervor.
Finnland
Das Musterbeispiel eines umfassenden Sicherheitskonzepts liefert Finnland. Angesichts der annähernd 1.400 Kilometer langen Grenze zu Russland und der Erfahrungen mit dem östlichen Nachbarn aus dem Zweiten Weltkrieg überrascht das nicht. Bereits in Friedenszeiten sind alle Behörden mit sicherheitsrelevanten Aufgaben hervorragend vernetzt, die Schlüs-
Die estnischen Verteidigungskräfte stützen sich im Krisenfall weitgehend auf Reservisten, die in den letzten 10 Jahren die Wehrpflicht erfüllt haben, um ihre Einheiten des aktiven Dienstes und der territorialen Verteidigung aufzufüllen.
Das Militär bildet jedes Jahr etwa 21.000 Wehrpflichtige aus; Frauen dienen seit 1995 auf freiwilliger Basis.
selpersonen einander bekannt und die Verfahren aufeinander abgestimmt und geübt. Zusammen mit überdurchschnittlichen Verteidigungsausgaben und sehr guter Ausbildung resultiert dieser Ansatz in einem Netz aus Institutionen und Strukturen, mit denen das Land hervorragend auf Krisenzeiten vorbereitet ist. Aufgrund der in Finnland ausgeprägten Bedrohungsperzeption unterstützt die Mehrheit der Bevölkerung diesen kostenintensiven Sicherheitsansatz. Anders als in den skandinavischen Ländern müssen alle finnischen Männer zwischen 18 und 30 Jahren den Wehr- oder Zivildienst leisten. Bis zum 60. Lebensjahr gehören sie zur Reserve. Die Strukturen sind hinreichend, um jährlich bis zu 25.000 Personen zur Ableistung des Wehrdienstes einzuberufen und auszubilden. Im Ergebnis ist Finnland mit diesem Ansatz in der Lage, bei einer Gesamtbevölkerung von circa 4,5 Millionen Einwohnern eine Reserve von 900.000 Mann vorzuhalten.
Strukturreform der deutschen Bundeswehr Die zu Beginn dieses Monats durch den Verteidigungsminister getroffenen Strukturentscheidungen sehen auch Maßnahmen zur „Vorbereitung des Wehrersatzwesens sowie die verwaltungsseitige Herstellung der Bereitschaft im Falle eine Aktivierung der Wehrpflicht“ vor. Damit werden de facto die Behörden und Strukturen für die Musterung und Heranziehung von Wehrpflichtigen zumindest zum Teil wieder aufgebaut. Dies stellt zwar nicht zwingend einen ersten Schritt zur Wiedereinführung der Wehrpflicht dar, ist aber erforderlich, um bei einer „Erklärung des Spannungs- oder Verteidigungsfalles“, mit dem eine automatische Wiedereinführung der Wehrpflicht einherginge, die absehbar notwendige Aufstockung des Streitkräfteumfangs organisatorisch und ausbildungstechnisch umsetzen zu können. Zudem wird damit eine entscheidende Voraussetzung für die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Friedenszeiten
Wiedereinführung der Wehrpflicht 2024.
Wiedereinführung der Wehrpflicht 2015. Jedes Jahr werden bis zu 4.000 Männer eingezogen; die Auswahl der Wehrpflichtigen erfolgt über ein automatisches Lossystem.
geschaffen, die allerdings von weiteren Maßnahmen zur materiellen Ausstattung und zur Bereitstellung zusätzlicher militärischer Infrastruktur begleitet werden müsste. Die deutsche Realität ist allerdings so, dass derzeit nicht einmal die vorgesehene moderate Personalaufstockung bei den Zeit- und Berufssoldaten umgesetzt werden kann – ein Problem, mit dem auch andere europäische Länder konfrontiert sind. Die Lösungsansätze sind zum Teil fragwürdig. So wird in Großbritannien die Rekrutierung in Gefängnissen gegen Straferlass diskutiert, Spanien überlegt Südamerikanern die Staatsbürgerschaft in Aussicht zu stellen. Frankreich bietet bereits seit Langem mit dem Dienst in der Fremdenlegion einen Schutz vor Strafverfolgung. Die zuvor genannten nordischen Länder bieten jedoch interessante Ansätze, die als Basis für eigene Überlegungen zu einer Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht sowie für die Übertragung auf andere für die Sicherheit unseres Landes wichtige Bereiche dienen könnten. Gerade das norwegische Modell zeigt, dass die Möglichkeit, sich für eine Ausbildung bei Einrichtungen von Militär, Gesundheitswesen und anderen sicherheitsrelevanten Einrichtungen zu bewerben, für das Land und die ausgewählten Personen vorteilhaft sein kann. Der Wehrdienst bietet interessante Einblicke in das Berufsbild des Soldaten und bildet eine gute Basis, sich für eine professionelle Laufbahn in den Streitkräften zu entscheiden. Auch in Deutschland waren die Wehrpflichtigen eine wesentliche Ressourcenquelle für die Generierung von professionellem Personal. Insgesamt ist festzuhalten, dass der aus der jeweiligen Sicherheitsperzeption abgeleitete resiliente Ansatz der nordischen und baltischen NATO-Mitgliedsländer den Aufbau einer für eine glaubwürdige Abschreckung erforderlichen Reserve fördert und zugleich ein deutliches Signal der Entschlossenheit sendet. Die „de facto-Freiwilligkeit“ der norwegischen und schwedischen Beispiele zeigt auch, dass nur ein geringer Teil eines Jahrgangs tatsächlich gezogen wird, die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt damit überschaubar bleiben und positive Nebeneffekte für andere sicherheitsrelevante Bereiche ermöglicht werden. Das erfordert sicher zusätzliche finanzielle Mittel, die sich aber mit Blick auf die derzeitige Lage als gute Investitionen herausstellen können.
Zusätzlich insgesamt 7 Monate Inübungsperioden zu späteren Zeitpunkten. Dreistufiges Auswahlverfahren für die Aufnahme in den Militärdienst.
Wiedereinführung der Wehrpflicht 2018. Das Personal wird unterteilt in ständig dienende (Vollzeit) und zeitlich befristet dienende Truppen (Teilzeitkräfte, die zeitweise Dienst leisten und einen anderen Hauptarbeitgeber haben oder eine Schule besuchen).
Die Frauen und Männer der Wandlitzer Behörde kümmern sich um Recht, Sauberkeit und Ordnung
(BS/Ralph Kotsch/Paul Schubert) Wenn Silvio Rüdiger und Christoph Graf für das Ordnungsamt Wandlitz unterwegs sind, wissen sie nie, was der Tag bringen wird. Werden Verkehrsschilder missachtet oder Rettungskräfte behindert? Ein Tag zusammen mit den Außendienstkräften zeigt, wie vielseitig die Arbeit ist und mit welchen Besonderheiten die Gemeinde aufgrund ihrer Nähe zu Berlin zu kämpfen hat.
„Haltmal an“, sagt Christoph Graf zu seinem Kollegen Silvio Rüdiger. „Ich habe etwas gesehen.“ Rüdiger hat nichts gesehen, aber er ist ja auch der Fahrer. Er stoppt den Wagen, legt den Rückwärtsgang ein und hält nach ein paar Metern wieder an. Beide steigen aus. „Hatte ich doch richtig gesehen“, sagt Graf. Sieben alte Autoreifen liegen auf dem Feld, entsorgt in der Natur. Das darf nicht so bleiben. Graf und Rüdiger informieren sofort die Zentrale.
Dort kümmert sich Ilka Paulikat um das Problem. Sie leitet das Ordnungsamt in Wandlitz. Neun Ortsteile betreut sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen. Die Palette der Aufgaben ist groß. Das Ordnungsamt ist zuständig für Trauungen, für das Gewerbeamt, das Standesamt, die Feuerwehr, das Einwohnermeldeamt.
seien eine gute Truppe, sagt Ilka Paulikat. Im Laufe der Jahre ist ihre Behörde gewachsen. Vier feste Stellen für den Außendienst wurden geschaffen.
Hohes Betreuungsaufkommen
Gemeinde Wandlitz
Bürgermeister: Oliver Borchert
Bundesland: Brandenburg
Landkreis: Barnim
Fläche: 162,83 km²
Einwohner: rund 24.000
Kfz-Kennzeichen: Barnim (BAR) BER (Bernau) EW (Eberswalde)
Gliederung: neun Ortsteile mit je einem Ortsvorsteher Website: www.wandlitz.de
Hundehalter sind zu kontrollieren, Genehmigungen für Schwerlasttransporte zu erteilen, Verkehrsschilder aufzustellen oder Baustellen zu sichern. Auch in den Sommermonaten Mai bis Oktober ist immer ein Team draußen. Sie
Weiter geht die Fahrt, dann meldet sich die Chefin per Telefon bei den beiden Männern. Auf einem See sollen Mini-Motorboote Krach machen, die Anwohnerinnen und Anwohner hätten sich beschwert. „Schaut Euch das mal an“, sagt Paulikat Kurz darauf ist wieder Ruhe. Der Fall hat sich von selbst erledigt. Auch wenn es diesmal blinder Alarm war – die Außendienstkräfte Rüdiger und Graf haben alle Hände voll zu tun. 484 Straßen im Bereich von Wandlitz gilt es zu betreuen. Zwischen 150 und 200 Kilometern legen sie täglich zurück. „Wir fahren meist alle Ortsteile zweimal täglich ab“, erzählen die Beiden. Immer wieder stoppen die beiden Männer den Wagen. Mal gilt es, Verkehrsschilder aufzustellen, mal neue Papierrollen in die Parkscheinautomaten einzulegen, mal einen Transporter-Fahrer belehren, dass er auf der falschen
Die Gemeinde Wandlitz besitzt mit dem Wandlitzer See und dem Liepnitzsee zwei Erholungsorte, die in warmen Monaten von zahlreichen Touristen aus Berlin genutzt werden. Aus dem daraus resultierenden Ansturm ergeben sich zahlreiche Verstöße gegen die STVO durch den ruhenden Verkehr. Foto: BS/Ralph Kotsch
Straßenseite geparkt hat, mal wird eine Dixie-Toilette hingestellt, wo es nicht erlaubt ist. Dann noch die Autofahrer. Nicht jeder kennt die Verkehrszeichen und Verkehrsregeln, manche beschimpfen sogar die Rettungskräfte, die im Einsatz sind.
Jetzt meldet sich noch einmal die Zentrale bei den beiden Außendienstlern Rüdiger und Graf. Einwohner hätten dem Ordnungsamt herabhängende Äste einer Birke gemeldet, die sie für gefährlich halten. Silvio Rüdiger und Christoph Graf fahren hin, sehen sich
Die illegale Müllentsorgung ist eine klassische Ordnungswidrigkeit, die in die Zuständigkeit des Ordnungsamtes fällt. Hier wurden Autoreifen in der Natur entsorgt. Silvio Rüdiger (links) und Christoph Graf (rechts) müssen sich nun um die adäquate Entsorgung kümmern. Foto: BS/Ralph Kotsch
Rüdiger und Graf sind weiter mit ihrem blau-silbernen Volkswagen unterwegs. Die nördliche Grenze von Wandlitz markiert das Dorf Zerpenschleuse, die südliche das Dorf Schönerlinde kurz vor Berlin. Dazwischen gibt es mehrere Seen, die in den Sommermonaten von den Städtern gestürmt werden. Die Städter drängt es in die Natur. Dann gilt es für die Leute vom Ordnungsamt, für Ordnung zu sorgen. Sie müssen überfüllte Papierkörbe auf den Liegewiesen leeren und die Kotbeutel der Hunde auflesen. Das machen viele Hundehalter leider nicht. Ein Ärgernis sind auch die Autos der Badegäste, erzählen Graf und Rüdiger. Am Liepnitzsee zum Beispiel stehen sie im Sommer in Zweierreihe am Straßenrand. Viele Wagen sind zugeparkt von den anderen Gästen. An Tagen wie diesen kommen die Leute vom Ordnungsamt kaum hinterher mit dem Knöllchen schreiben.
Abwechslungsreich und gute Work-Life-Balance
die Sache an und winken ab. „Da besteht keine Gefahr.“ Interessanterweise gehören auch Friedhöfe zu ihrer Inspektionsrunde. Zweimal im Jahr werden die Grabanlagen besichtigt. Drei kirchliche Begräbnisstätten gibt es auch. Die allerdings gehören nicht zu den Aufgaben des Ordnungsamts.
Im Sommer platzt der ÖPNV aus allen Nähten Wandlitz ist ein gepflegter Ort. Hier kann man gut leben. Viele Einfamilienhäuser wurden seit den 90erJahren gebaut. Es gibt Restaurants, Schulen, Läden, Apotheken, den Wandlitzsee und die Heidekrautbahn, die zwischen Groß Schönebeck im Norden und Berlin-Karow im Süden pendelt. In den Sommermonaten platzt der Zug aus Berlin fast aus allen Nähten. Die Heidekrautbahn hat eine lange Tradition. Die Strecke wurde am 20. Mai 1905 eingeweiht und einen Tag später in Betrieb genommen. Seitdem nutzen die Menschen aus Berlin sowie andere Gäste die Bahn zu Ausflügen in die Schorfheide, ein riesiges Wald- und Jagdgebiet. Auch NaziGrößen wie Göring und Goebbels hatten ihre Anwesen in der Schorfheide. Zu Zeiten der DDR wohnten Honecker und Genossen in einer streng abgeriegelten Waldsiedlung vor den Toren von Wandlitz. Mit ihren dunklen Limousinen fuhren sie täglich nach Berlin. Aber das ist längst Geschichte.
„Das Ordnungswesen ist anstrengend, aber auch schön“, sagt Silvio Rüdiger. 57 Jahre ist er jetzt alt. Er ist ein Seiteneinsteiger ins Behördenwesen. Ursprünglich hatte er Baufacharbeiter gelernt. Wegen seiner kaputten Bandscheiben musste er den Job an den Nagel hängen. Dann wurde er längere Zeit arbeitslos. Er probierte es in einem Flüchtlingsheim, dann bei der Security. Dort war das Zeitmanagement ein Problem, das klappe nun wesentlich besser, erzählt Rüdiger. Zusätzlich zur besseren Zeiteinteilung mag er an seinem Job die Kontakte zu den Menschen und das tolle Team. Sein jüngerer Kollege Christoph Graf schätzt neben den abwechslungsreichen Tätigkeiten die Möglichkeit der stetigen persönlichen Weiterentwicklung. Der Beruf lasse sich gut mit der Familie vereinbaren, man müsse nur manchmal Grenzen für beide Seiten ziehen, erklärt er. Finanziell sind sie abgesichert: Rüdiger und Graf sind vergleichbar im mittleren Dienst eingruppiert. Neben den alltäglichen Fällen wie illegale Müllentsorgung oder Lärmbelästigung haben sie aber auch schon kuriose Fälle miterlebt. Rüdiger erzählt: „Besonders spannend war ein Fall im letzten Jahr, bei dem es um eine Panzersprenggranate aus dem 2. Weltkrieg ging. Diese hatte ich in einem privaten Vorgarten gesichtet und dann dem Kampfmittelbeseitigungsdienst gemeldet. Die Anwohnerin hatte die Granate wohl im Unwissen über ihre Gefährlichkeit aus dem Wald mit nach Hause genommen.“ Schließlich habe man die Granate vor Ort sprengen müssen, erklärt Silvio Rüdiger
Das Ordnungsamt Wandlitz
Insgesamt sind 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ordnungsamt Wandlitz beschäftigt. Dies umfasst die Sachgebiete Gewerbeangelegenheiten und Friedhof, allgemeine Ordnungsangelegenheiten, Einwohnermeldewesen, Standesamt und Zivil- sowie Katastrophenschutz.
Die Delikte werden im Sachgebiet allgemeine Ordnungsangelegenheiten (betreut von neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern) behandelt. Insgesamt werden rund 3.500 Fälle im Jahr behandelt. Dazu gehören Fälle in den Bereichen Hundehaltung, Sondernutzungen, ruhestörender Lärm, Vandalismus und Verstöße gegen den ruhenden Verkehr, die den größten Anteil ausmachen. Hier ahndete das Wandlitzer Ordnungsamt allein im vergangenen Jahr 2.915 Verstöße gegen die StVO.