Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. IV / 33. Jg / 15. Woche
G 1805
Berlin und Bonn / April 2017
www.behoerdenspiegel.de
Marshallplan mit Afrika
Eigentliche Ziele nicht erreicht
Unter dem Radar der Kommilitonen
Minister Müller: Know-how von Kommunen für Entwicklung nutzen ........................... Seite 15
Ulla Jelpke zur Arbeit von Untersuchungsausschüssen ........... Seite 39
Patrick Dogue an mehreren Fronten gleichzeitig gefordert ................ Seite 48
Integrationslotsen in Bayern
(BS/jf) Ehrenamtlich tätige Menschen mit Migrationshintergrund, die sich bei der Integration engagieren, bekommen Hilfe. Im Rahmen eines Modellprojekts sollen sogenannte Integrationslotsen ab sofort gefördert werden. Diese sollen die Ehrenamtlichen auf kommunaler Ebene bei der Koordinierung unterstützen und als Ansprechpartner fungieren. Außerdem sollen sie Werteschulungen und Fortbildungen auf der Basis eines in Bayern entwickelten Rahmen-Curriculums anbieten. “Gelingende Integration ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Aber Integration ist kein Sprint, sondern ein Marathon”, sagte Bayerns Integrationsministerin Emilia Müller.
Bochum will erste Gigabit-City werden (BS/ein) Bochum will die erste “Gigabit-City” Deutschlands werden: Bis Ende 2018 sollen fast alle Haushalte in der Stadt Zugang zu superschnellem Internet haben. Für das Projekt arbeiten die Stadt, die Stadtwerke und ein Kabelnetzbetreiber zusammen. In einer Absichtserklärung haben die Partner vereinbart, mehr als 95 Prozent der Bochumer Haushalte und Unternehmen in die Lage zu versetzen, Internet mit GigabitGeschwindigkeiten zu nutzen, teilte die Stadt mit. Dafür soll der Netzbetreiber sein glasfaserbasiertes Kabelnetz mit gigabitfähigen Netzelementen ausstatten und den neuen Übertragungsstandard DOCSIS 3.1 einführen. Das Unternehmen erreiche 90 Prozent aller Haushalte, die Stadtwerke Bochum hätten bereits 16.000 Wohneinheiten per Glasfaser angeschlossen.
Im Land der Heterogenität Zusammenhalt in Zeiten des demografischen Wandels wichtigste Aufgabe (BS/Carsten Köppl) Die Demografie zeichnet ein anderes Bild von Deutschland als noch vor wenigen Jahren: Migration, Flüchtlingszuwanderung und eine steigende Geburtenrate lassen nun die Annahme zu, dass die Bundesrepublik bis zum Jahr 2060 eine stabile Einwohnerzahl aufweisen wird. Der größte Teil dieser Entwicklung lässt sich nicht auf die “Demografiestrategie” der Bundesregierung zurückführen. Ohnehin liegt die weitaus wichtigere Bedeutung der Demografiepolitik der letzten Jahre darin, dass sie den Blick auf die wachsende Heterogenität Deutschlands geschärft hat. Ende 2016 lebten mit 82,8 Millionen Einwohnern so viele Menschen in Deutschland wie noch nie. Auch die Geburtenziffer ist erstmals seit über 30 Jahren wieder auf über 1,5 Kinder pro Frau gestiegen. Bei einem weiteren Anstieg der Geburtenrate auf 1,6, einem Wanderungssaldo von 300.000 und einer weiter steigenden Lebenserwartung hält das Statistische Bundesamt es nun für möglich, dass die Bevölkerungszahl bis 2060 annähernd stabil bleibt. “Dadurch ist das Thema demografischer Wandel nicht mehr ganz präsent, aber zu Unrecht”, mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Demografiegipfel der Bundesregierung. Denn auch bei einer stabilen Entwicklung der Bevölkerung bleibe es bei einem Zuwachs an älteren Menschen. Zudem seien die Bevölkerungsentwicklung und das Durchschnittsalter regional sehr unterschiedlich. “Ich glaube, diese Vielfalt der Regionen wird sogar noch zunehmen”, sagte Merkel. Für die Kanzlerin geht es beim demografischen Wandel letztlich um gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dieser könne nur erreicht werden, “wenn Politik vernünftige Leitplanken setzt und gleichzeitig in der gesamten Gesellschaft auch ein Gefühl für die Belange der jeweils anderen da ist.”
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte auf dem Demografiegipfel der Bundesregierung mehr Mut zum Alter: “Wenn man immer erst kurz vorm Sterben alt ist, dann bekommt das Alter auch kein Gesicht. Und dieses Gesicht des tatkräftigen Älteren gehört einfach dazu.” Foto: BS/Carsten Köppl
Zumindest die Sorge vor einem “Kampf der Generationen” habe er verloren, erklärte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizère. Politik für die Zukunft sei noch nie eine Frage des Alters gewesen, sondern eine Frage der Lebenswelt: “Spielen junge Menschen im eigenen Leben eine Rolle, dann prägen sie Haltungen.” Der beste
Weg, ein politisches Ungleichgewicht der Generationen zu vermeiden, sei weniger die Sensibilisierung der Alten für die Themen der Jungen, sondern die Aktivierung der Jungen, an politischen Wahlen überhaupt teilzunehmen. “Das haben wir in Großbritannien beim Brexit gesehen, wo die Wahlbeteiligung der jungen Menschen be-
sonders niedrig war. Das haben wir in ähnlicher Weise auch bei der Wahl in Amerika gesehen.” Für Bundeslandwirtschaftminister Christian Schmidt ist vor allem die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in ländlichen Regionen entscheidend für den Zusammenhalt. “Wenn es uns nicht gelingt, deutlich zu machen, dass wir auch in
ländlichen Regionen die Lebensbedingungen gleichwertig halten, kann das zu politisch schwierigen Entwicklungen führen und die Gesellschaft spalten”, warnte Schmidt. Für die nächste Wahlperiode sei daher die Verankerung einer Gemeinschaftsaufgabe “Ländliche Entwicklung und Demografie” sein Ziel. “Wir müssen Stadt und Land zusammendenken”, plädierte dagegen Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Sie warnte davor, Städte und ländliche Räume gegeneinander auszuspielen, Probleme und auch Lösungen dieser beiden Räume hingen eng miteinander zusammen. Mit der kontinuierlichen Arbeit an der Demografiestrategie hat die Bundesregierung ein wichtiges Instrument zur Beobachtung und Analyse gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen ins Leben gerufen. Die Gefahren von wachsenden Gegensätzen, zwischen Jung und Alt, Arm und Reich, Stadt und Land, Kinder und keine Kinder, schaffen es schneller auf die politische Agenda. Gerade die Aufgabe des gesellschaftlichen Zusammenhalts dürfte in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen.
Angeordnet, freiwillig – Kommentar und vergütet (BS/ein) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat Überstunden für alle Entscheider und Führungskräfte angeordnet, die sich selbst dazu bereit erklären. Diese “freiwillige Mehrarbeit” müsse deshalb angewiesen werden, damit die zusätzliche Arbeitsleistung vergütet werden könne, teilte ein Sprecher mit. Bereits im Sommer 2016 hätten Dienststellen freiwillig Samstagsarbeit geleistet, um allen Asylbewerbern eine Antragstellung beim Bundesamt zu ermöglichen. “Diese Arbeit war sehr erfolgreich, so waren im Herbst 2016 alle Antragstellungen abgeschlossen.” Die aktuelle Anordnung bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. April bis 27. Mai 2017, umfasst also neun Samstage. Die Osterfeiertage sind davon ausgenommen. Das BAMF geht von einer hohen Mitarbeiterbeteiligung aus, um die Altverfahren aus dem Jahr 2016 früher abbauen zu können.
Für den Cyber-Krieg gerüstet (BS) Die Digitalisierung revolutioniert alle bisher traditionell organisierten Bereiche – im Privaten, im Politischen, im Wirtschaftlichen, aber eben auch im Staatlichen, wie beim Militär. Sich dieser Dynamik mit geübten Handlungsweisen und tradierten Organisationsmitteln entgegenzustellen, lohnt nicht mal einer Überlegung. Es wäre vergleichbar mit der Äußerung eines Ex-Bundespräsidenten: “Wir müssen die demografische Entwicklung stoppen.” Kann man aber nicht, so auch nicht die Digitalisierung! Man kann sie begleiten, sich darauf einrichten und vor den Folgen wappnen. Das versucht die Bundeswehr gerade mit großem Aufwand. Das ist gut und richtig, aber nur der erste Schritt. Die Befangenheit in eigenen Strukturen, Gewohnheiten und Geschäftsmodellen – egal ob bei Unternehmen oder dem Staat, auch dem Militär – erlaubt eine auf die Digitalisierung erforderliche radikale Änderung des Gewohnten und damit Geliebten nicht. Immer mehr Wirtschaftszweige erfahren das. Das größte Taxiunternehmen der Welt (Uber) verfügt über kein eigenes Fahrzeug, der weltgrößte Vermittler von Ferienwohnungen
(Airbnb) über keinen einzigen Raum, das global führende Handelshaus (Amazon) nicht über ein einziges Geschäft. Die digitale Welt wird nicht von Produzenten, sondern von digitalen Plattformen dominiert. Und so ist es auch beim Cyber-Krieg. Es sind nicht Staaten, die den digitalen Krieg führen, sondern Mischformen, und sie tun es jetzt schon. Angriffe auf Kritische Infrastrukturen werden von privaten Firmen, Organisierter Kriminalität oder von Hackergruppen durchgeführt. Dies im Auftrag von Staaten oder im Einklang mit ihnen. Lobenswert ist die neue Teilstreitkraft der Bundeswehr für
den Cyber-Raum allemal, doch bisher ist es nur die Umorganisation vorhandener Kräfte. Die nächste Legislaturperiode des Bundestages muss dann den Weg frei machen für ein neues Denken. “Offensives Verteidigen” hat es die Bundesverteidigungsministerin genannt. Ein Angriff auf Kritische Infrastrukturen ist wie ein Bombenabwurf, er erfordert sofortige militärische Gegenreaktionen. Das sind die Klärungsbedarfe der nächsten Wahlperiode (weitere Informationen zur Aufstellung des Kommandos CIR finden Sie auf Seite 45). R. Uwe Proll
Der Druck unter der Kuppel