Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. VI / 33. Jg / 23. Woche
Berlin und Bonn / Juni 2017
G 1805
www.behoerdenspiegel.de
Wer sich wohlfühlt, leistet gute Arbeit
Überall 30-Zonen wären falsch
“Die Arbeit ändert sich ständig”
Staatssekretärin Dr. Bernadette Weyland
Siegfried Brockmann plädiert für Rücksicht und
Oberstaatsanwalt Andreas May jagt
zum BGM in Hessen ............................... Seite 13
Überblick statt starrer Regeln ................ Seite 16
Cyber-Kriminelle .................................... Seite 56
Neuer Richterwahlausschuss
(BS/jf) Niedersachsen beabsichtigt, die demokratische Legitimation der Justiz zu stärken. Dazu soll ein neuer Wahlausschuss eingerichtet werden, der bei der Besetzung von herausgehobenen Ämtern ab der Besoldungsgruppe R 3 mitentscheidet. Das neue Gremium wird laut Gesetzentwurf aus sechs Abgeordneten des Landtages, vier Vertretern der Richter- und Staatsanwaltschaft und einem Vertreter der Rechtsanwaltschaft bestehen. “Mit der Beteiligung des Wahlausschusses sind Personalentscheidungen in der Justiz künftig noch stärker demokratisch legitimiert als bisher”, sagte Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz. Zudem würden Stellenbesetzungsverfahren deutlich transparenter.
Alle Einnahmen für die Feuerwehr (BS/mfe) In Baden-Württemberg wird das gesamte Aufkommen der Feuerschutzsteuer den Feuerwehren zur Verfügung gestellt. Sie erhalten in diesem Haushaltsjahr mehr als 50 Millionen Euro. Rund 80 Prozent davon fließen in neue Fahrzeuge und die Instandsetzung von Gerätehäusern. Hinzu kommen 10,6 Millionen Euro, die die Gemeinden als pauschale Unterstützung für die Ausstattung und Ausbildung der Feuerwehrangehörigen sowie für kleinere Beschaffungsvorhaben bekommen. Im Vergleich zu 2016 erhalten die Wehren im Ländle damit etwa zehn Millionen Euro mehr. Innenminister Thomas Strobl sagte zu den Zuweisungen: “Das große Antragsvolumen macht deutlich, dass die Gemeinden sehr viel für die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger, für den Brandschutz, die Technische Rettung und die Hilfeleistung tun.”
Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken (BS/jf) Der Deutsche Landkreistag (DLT) fordert von der Bundesregierung, die koordinierende Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) zu stärken. Dazu soll das von den Gesundheitsämtern zu vollziehende Bundesrecht einer systematischen Aufgabenkritik – insbesondere bezogen auf EUVorgaben – unterzogen werden. Viele der übertragenden Aufgaben scheinen aus Sicht des Kommunalverbandes nicht zwingend erforderlich zu sein. Außerdem müsse im SGB V sichergestellt werden, dass der ÖGD der Landkreise bei kommunalen Zusammenhängen und kassenübergreifenden Leistungen mit der regionalen Koordination von Maßnahmen betraut werde. Die Forderung ist eine von insgesamt 25, die der DLT für die nächste Legislatur im Bund aufgestellt hat.
Zu enge Maschen Mutationen des Terrorismus – keine Antworten? (BS/R. Uwe Proll) Die deutschen Sicherheitsbehörden rüsteten sich Ende der 70er-Jahre im Kampf gegen den Terrorismus mächtig auf, fünfstelliger Personalzuwachs, neue Großdateien und Suchmethoden, veränderte Gesetze. Das heutige Gesicht des Terrorismus stellt Behörden jedoch vor fast unlösbare Aufgaben. Neue Formen der Zusammenarbeit sind unabdingbar. Seinerzeit verstand man unter Terrorismus meißt linksextreme Organisationen wie die Rote Armee Fraktion (RAF). Andernorts die Roten Brigaden, die IRA oder die ETA. Diese strukturierten terroristischen Organisationen wurden von mächtigen Sicherheitsapparaten in ganz Europa niedergerungen. Allein in Deutschland hatten sich 13 originär mit Anti-Terror-Aufgaben beauftragte, insgesamt sicherlich 50 Behörden, zu jener Zeit und basierend auf diesen Erfahrungen auf den Kampf gegen Terrorismus organisiert. Dabei spielte vielfach die Geldbeschaffung der Terrororganisationen eine große Rolle bei ihrer Enttarnung. Internationale Abkommen verpflichteten die Unterzeichnerstaaten zur Verhinderung zur Zahlung von Lösegeld bei Entführungen. Ihr eigener hoher Organisationsgrad wurde ihnen zum Verhängnis. Mit der Hamburger Atta-Zelle wuchs ein neues Phänomen, das die Sicherheitsbehörden erneut forderte, doch auch hier war es letztlich der hohe Organisationsgrad von Al-Qaida, der die Organisation im internationalen Anti-Terror-Kampf vernichten ließ, bis letztlich zur Tötung ihres Anführers Osama bin Laden. Jetzt hat sich das Gesicht des Terrorismus gewandelt. Dem sind die Behörden allerdings nicht gewachsen. Zum einen ist
Schlupflöcher soll es keine geben, sie müssen geschlossen werden. Gleichzeitig dürfen die Maschen nicht so eng werden, dass die Sicherheitsbehörden sich ins eigene Fleisch schneiden. Foto: BS/©fotogerstl, Fotolia.com
ihre Organisation und Struktur auf einen streng organisierten Terrorismus mit eigenen Strukturen, Kommunikationswegen und Befehlsketten ausgerichtet. Zum anderen sind bei der Aufklärung zu enge gesetzliche Maschen ein Hindernis, die die Handlungsfähigkeit der AntiTerror-Behörden nach wie vor
einschränken. Ein Beispiel: Ein 15-jähriges Mädchen begeht einen Mordanschlag auf dem Hannoveraner Hauptbahnhof mit einem Küchenmesser an einem Bundespolizisten. Erst danach wurde eine Gesetzesänderung wirksam, die in die Anti-TerrorDateien auch Minderjährige ab einem Alter von 14 Jahren auf-
nehmen lässt. Doch was, wenn es beim nächsten Attentat ein 13-Jähriger ist? Waren früher umfangreiche logistische Vorarbeiten in großen Gruppen Kennzeichen für Terroranschläge, so ist es heute das Brotmesser oder der gestohlene Lkw. Keine Waffen im eigentlichen Sinn, die man sich
illegal besorgen muss und damit auffällt. Und keine vorher notwendige Finanzierung. Selbstradikalisierung von Individuen statt geheimer Treffen von Zellen. Hierauf haben die Behörden noch keine Antwort gefunden. Jederzeit und jeden Tag kann sich ein Individuum radikalisieren, durch losen Kontakt zu ISLeuten Anweisungen erhalten und Einzel- oder Massenmorde begehen. Mehr Überwachung ist das eine, doch ein Umdenken und auch eine Umstrukturierung ist das notwendig andere. Ein Kriminalhauptkommissar ohne Arabischkenntnisse mit festen Dienstzeiten eignet sich nicht für das, was jetzt an einem Informationsnetzwerk notwendig wäre. Das polizeiliche Grundprinzip “vor die Lage kommen” erfordert andere Mittel. Verdeckte Aufklärung und mehr UnderCover-Einsätze, aber wie? Die Aussichtslosigkeit dieses Bemühens zeigt eine in Berliner Sicherheitskreisen jüngst geführte Debatte: Soll man israelisches Personal, das arabisch spricht und arabisch aussieht, zur Infiltration der islamistisch-radikalisierten Szene in Deutschland einschleusen? Notwendig, und zwar dringend, wäre eine kooperative Zusammenarbeit der Sozial- und Familienpolitik mit der der Inneren Sicherheit, eine Antwort aus einem Guß.
Kommentar
Es darf ein bisschen mehr sein (BS) Ganze elf Zeilen nahm der Öffentliche Dienst im jetzigen 185-seitigen Koalitionsvertrag auf Bundesebene ein und es gab einen Satz zum Bonn-Berlin-Gesetz. Darin ein allgemeines Bekenntnis zum Berufsbeamtentum und wenig Konkretes. Viel zu wenig für die nächste Legislatur. Es wird unterschieden zwischen Voraussetzungen für einen leistungsfähigen Öffentlichen Dienst und klaren Vorhaben. So heißt es: “Der Öffentliche Dienst braucht eine demografievorsorgende Stellen- und Personalpolitik, moderne, attraktive und familienfreundliche Arbeitsbedingungen sowie partnerschaftliche Personalvertretungen.” Zu den umzusetzenden Maßnahmen gehört lediglich, den höheren Dienst für BachelorAbsolventen zu öffnen. Und auch das ist nicht vollständig umgesetzt worden. Nur in den technischen Laufbahnen ist dieser Einstieg möglich. Vo– rausgesetzt, die Person verfügt über mehrere Jahre Berufserfahrung. Immerhin: Im Sinne
der Demografievorsorge ist ein Stellenpool im Bundeshaushalt eingerichtet worden. Der nächsten Regierung werden einige wenige Aktivitäten nicht reichen. Nicht nur in Nordrhein-Westfalen sind Beurteilungsrichtlinien und Frauenförderung in Einklang zu bringen. Die Gewinnung von Nachwuchskräften funktioniert nur, wenn Vater Staat als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird (siehe dazu die Seiten 2, 5 und 14). Dafür ist nicht nur das Laufbahnrecht in die Zeit zu setzen, überhaupt müssen die althergebrachten Grundsätze des Beamtentums neu interpretiert werden. Auch im Rahmen der Diskussionen um die Einführung einer Bürgerversiche-
rung mit den Beamten als festem Bestandteil und nicht zuletzt, wenn die Entscheidung zum Streikverbot für Beamte durch die Gerichte gefallen ist. Und die partnerschaftliche Personalvertretung gelingt auch nur, wenn dazu das Bundespersonalvertretungsgesetz modernisiert wird. Erste Willensbekundungen sind inzwischen ja da. Bei allem ist der Bund gefordert, den gesetzlichen Rahmen zu gestalten und mit gutem Beispiel voranzugehen. Das Bekenntnis zum Berufsbeamtentum muss mit Leben gefüllt werden, mit deutlichen Zielen. Das darf ruhig etwas ausführlicher ausformuliert werden als auf elf Zeilen. Jörn Fieseler
Am Ende der Legisla-Tour