Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
www.behoerdenspiegel.de
Berlin und Bonn / März 2017
Nr. III / 33. Jg / 10. Woche
G 1805
Verantwortlichkeiten klarer regeln
“Epochaler Gedankensprung”
“High Noon” im Bildungszentrum
Ansgar Heveling plädiert für Initiativrecht des Bundes ............................ Seite 5
Verkehrsminister Hermann: Ohne Blaue Plakette funktioniert es nicht! ................................. Seite 16
Ulf Bednarz zu den vielfältigen Aufgaben eines Bundeswehr-Juristen ........................ Seite 60
“Wir reißen uns nicht darum”
Berufsbildungszusammenarbeit (BS/ein) Griechenland und Deutschland wollen ihre Zusammenarbeit im Bereich der Berufsbildung um weitere vier Jahren fortführen. Einen entsprechenden Kooperationsvertrag unterzeichneten im Februar der stellv. griechische Bildungsminister, Dimitrios Baxevanakis, und der Parl. Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Thomas Rachel. Fortan gibt es für deutsche Bildungsanbieter die Möglichkeit, durch gemeinsame Projekte die griechischen Reformbestrebungen zu unterstützen. Projektvorschläge würden derzeit geprüft und sollen im Sommer 2017 starten. Ziel ist es, die Jugendarbeitslosigkeit zu verringern und die Beschäftigungsfähigkeit in beiden Ländern zu steigern. Teilweise sollen auch Maßnahmen über EU-Programme wie den Europäischen Sozialfonds und “Erasmus+” erfolgen, heißt es.
Operative Einheit gestartet (BS/mfe) Im Saarland hat eine neu gegründete Operative Einheit (OpE) der Landespolizei ihren Dienst aufgenommen. Die insgesamt 108 Vollzugsbeamten unterstützen zum einen die Polizeiinspektionen im Wachund Streifendienst. Zum anderen kommen sie bei Großlagen, Demonstrationen und beim Vorgehen gegen bewaffnete Gewalttäter zum Einsatz. Dafür erhielten sie spezielle Ausrüstung. Die Polizisten der neuen Einheit verfügen über sondergeschützte Fahrzeuge, Maschinenpistolen, Spezialpistolenholster sowie ballistische Schutzwesten und -helme. Stationiert sind die Kräfte mit jeweils 18 Beamten in sechs Polizeiinspektionen.
Europäisches Patentgericht (BS/ein) Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf (18/11137) in den Bundestag eingebracht, mit dem die Voraussetzungen zur Ratifizierung des Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht im europäischen Binnenmarkt geschaffen werden sollen. Ziel ist es, einen flächendeckenden, einheitlichen Patentschutz in Europa zu erreichen. Dieser soll kostengünstig und in einem effizienten Verfahren erlangt und vor dem einheitlichen Patentgericht für alle teilnehmenden EUMitgliedsstaaten durchgesetzt werden können. Das Gericht soll seinen Sitz in Paris sowie Abteilungen in München und London haben. Die Bundesregierung rechnet damit, dass Großbritannien das Abkommen trotz seines Austritts noch ratifizieren wird.
Gemeinsame Übung von Polizei und Bundeswehr meidet juristische Grenzbereiche (BS/R. Uwe Proll/Marco Feldmann) Bundesverteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen wollte eigentlich mehr, ein reales Übungsszenario auf Straßen und Plätzen. Das wurde durch die Innenminister der Länder, die eigentlichen Herren über Polizei und Spezialkräfte, abgebogen zu einer Stabsrahmenübung. Einer Veranstaltung in geschlossenen Räumen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dass sie dennoch stattfand, war schon ein starker Ausdruck des politischen Willens. Man ist bereit – wenn vielleicht auch noch nicht fähig –, in einem besonders schweren Unglücksfall katastrophischen Ausmaßes die Bundeswehr im Inneren hoheitlich einzusetzen. Das feinziselierte Szenario der gemeinsamen Übung von Polizei und Bundeswehr (GETEX) sollte keinesfalls die rechtlichen Grenzbereiche anpeilen oder gar überschreiten. Konkret sollten der Bundeswehr bei der Übung keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden. Teile der Übung könnten demnach als “verschärfte Amtshilfe” bezeichnet werden. Es ging um die Unterstützung der Polizeikräfte bei Objektschutz, Verkehrsregelung, Evakuierung und Identifizierung/Dekontamination chemischer Waffen. Das ist alles im Rahmen der Amtshilfe ohne Gesetzesänderung möglich und in diesem Rahmen bewegte sich die Übung. Die Polizei behielt das Kommando, was ihr im Gegensatz zu Katastrophenschutzorganisationen nicht schwerfällt, weil sie ähnlich disziplinarisch strukturiert ist wie die Bundeswehr. Erinnert sei an das große Oderhochwasser (2002), bei dem die Bundeswehr mit zehntausenden Soldaten half, de facto aber mit ihren Alarm- und Kommunikationsketten sowie ihrer logistischen Erfahrung die Führung des Gesamteinsatzes übernahm. Das war hier anders, denn die Polizei kann selbst Kommandos geben. Dennoch wäre es möglich, einen Schritt weiter zu gehen. Das schi-
So etwas wird die Republik trotz der Übung von Polizei und Bundeswehr absehbar nicht zu sehen bekommen. Collage: Behörden Spiegel-Gruppe, Fotos: Metropolico.org, CC BY-SA 2.0, flickr.com; Dirk Vorderstraße, CC BY 2.0, flickr.com
en im Wahlkampfjahr aber sicherlich unangebracht und passte den Landesinnenministern der SPD nicht in den Kram. Denn spätestens seit der Einführung der sogenannten Notstandsgesetze 1968 sowie einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2012 zum Einsatz der Streitkräfte im Inneren bei besonders schweren Unglücksfällen wäre es möglich, die Bundeswehr über den oben genannten Rahmen hinaus einzusetzen.
Mehrere Staatsrechtler, wie Prof. Dr. Christoph Enders, gehen davon aus, dass die Karlsruher Richter bei der Definition des Begriffs “besonders schwerer Unglücksfall” auch an einen Terroranschlag gedacht haben dürften. Zumindest bejahen Experten dessen Vorliegen im Falle eines Terrorattentats. Die simulierten, zum gleichen Zeitpunkt angenommenen Szenarien der Übung, bei denen es sich um zwei Anschläge auf Bremer
Schulen, ein Sprengstoffattentat auf einen bayerischen Bahnhof, eine Geiselnahme im gleichen Bundesland, eine Bombendetonation auf dem Düsseldorfer Flughafen und einen Anschlag auf ein Konsulat in Stuttgart handelte, sind eigentlich alles “unterschwellige” Szenarien. Ihre Bewältigung sollte der Polizei ohne Bundeswehr gelingen. Das Übungsszenario, federführend konzipiert durch das Bundesamt für Bevölkerungs-
Kommentar
Ende des BSI-Monopols? (BS) Als erstes Bundesland gründet Bayern ein eigenes Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Der Freistaat möchte dies als ein starkes Signal für mehr IT-Sicherheit in der Landesverwaltung verstanden wissen. Der wahre Beweggrund dürfte sein, der Dominanz des BSI in der Informationstechnik zu entkommen. Nun trifft es auch die IT-Sicherheit. Nach 25 Jahren Monopolstellung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) schickt sich der Freistaat Bayern an, mit dem angekündigten Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) diese Ordnung zu durchbrechen. Dass der Freistaat sich zu diesem Schritt entschlossen hat, lässt sich auch auf ein jahrelanges Versäumnis des BSI zurückführen, sich als Partner der Bundesländer zu positionieren. Vielmehr wurde das “Gegeneinander” kultiviert. Beispiel Verwaltungs-CERT-Verbund (VCV): In dem Verbund sollen Bund und Länder IT-Sicherheitsvorfälle melden. Im Sinne der Lagebild-
erstellung geht es dem Bund aber nur um die Meldungen der Länder, selbst stellte das CERT des Bundes bislang kaum Vorfälle ein. Auch beim BSI-Grundschutz, dem wichtigsten Regelwerk für IT-Sicherheit in Deutschland, versäumt das BSI nun bereits seit vielen Jahren, die von Ländern und Kommunen eingeforderte Modernisierung und Flexibilisierung vorzulegen. Nun also baut Bayern ein eigenes LSI auf. Zwar ist nicht zu erwarten, dass andere Bundesländer diesem Vorbild bald folgen. Sollte sich der Freistaat kooperativer zeigen als der Bund, wäre es durchaus möglich, dass andere Bundesländer mit Bayern zusammenarbeiten und Dienstleistungen über das LSI
beziehen. Perspektivisch ist auch ein Nordverbund im Bereich IT-Sicherheit denkbar, das länderübergreifende CERT der Dataport-Länder geht bereits in diese Richtung. Ob diese Föderalisierung der Sache dienlich ist, wird sich zeigen. Denn trotz aller Kritik hat sich das BSI den Ruf eines Gralshüters der IT-Sicherheit erworben. Das politische Ziel des LSI wird es nicht sein, die Vorgaben des BSI bestmöglich umzusetzen. Vielmehr wird sich das LSI vom BSI emanzipieren wollen und versuchen, angepasste Standards und Zertifizierungen zu etablieren. Damit ist der föderale Flickenteppich dann auch in der IT-Sicherheit institutionalisiert. Carsten Köppl
Big Publicity
schutz und Katastrophenhilfe (BBK), war aber letztendlich ein Konsens der Innenministerkonferenz (IMK). Es wurde ein Politikum und fiel entsprechend klein aus. Was wirklich passiert, wenn es Terroristen oder einem fremden Staat gelänge, auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS) Einfluss zu nehmen, bleibt also einer gemeinsamen Übung der Kräfte der Inneren (die übten das bereits) wie der Äußeren Sicherheit vorbehalten. Am Ende stand neben dem politischen Signal ganz einfach die Abstimmung der Leitstellen untereinander. Außerdem ging es schlicht um das gegenseitige Kennenlernen. GETEX war als Signal gedacht, dennoch bleibt die Uneinigkeit über Sinn und Zweck solch einer Übung. Die einen halten sie für völlig überflüssig, wie Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). Die anderen, wie zum Beispiel Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), erachten sie als notwendig, “damit es in Extremlagen, bei denen die Polizeikräfte an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stoßen, eine Unterstützung der Bundeswehr geben kann”. Ob es eine Wiederholung geben wird, auch darüber herrscht Uneinigkeit. Einer der führenden leitenden Generäle seitens der Bundeswehr meinte nur lapidar: “Wir reißen uns nicht darum!”