F I R M E N N A M E
Tennistraining Die Fachzeitschrift für innovatives Kinder– und Jugendtraining in Schule & Verein
In Kooperation mit den Instituten für Sportwissenschaft der Universitäten Darmstadt und Heidelberg
Junior 01
Der Trainer als Kompetenzvermittler
/ 2015
Schwerpunkt Trainerkompetenz
Spielvermittlung Traineranalyse Handlungsschnelligkeit Spielintelligenz
„Pong“- die Tennis-Torfabrik Spiel– und Übungssammlung Stationswettbewerb für Schulklassen Tennisgeschichte Turnierformen
ISSN 2195-2353
Ergänzungen und bewegte Bilder zu unseren Beiträgen im Internet unter: www.tennistraining-junior.de
EDITORIAL
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„Es war toll, dir zuzusehen“ „Beweg dich!, trink etwas!, aus, der war aus!, du spielst ganz toll!, konzentrier dich!, geh bei der Vorhand mehr in die Knie!, komm jetzt!, was für einen Mist spielst du denn?, der war drin!, du musst auch mal was sagen!“... Wer führt hier mit wem eine solche für Außenstehende kaum nachvollziehbare Konversation? Man hat den Eindruck, dass eine völlig hilfloses Person offensichtlich etwas tut, und ohne derartige Kommentare nicht agieren kann. Es handelt sich um „Tenniseltern“ die mit ihrem Kind bei einem Punktspiel oder Turnier kommunizieren. Wir haben es bei einem Jugend-Ranglistenturnier erlebt, dass eine Mutter mit der Trinkflasche beim Spielstand 15:40 bei eigenem Aufschlag auf den Platz lief, und diese ihrer Tochter an den Mund hielt. An den Tennisplätzen dieser Welt stehen Väter und Mütter, Großeltern und Freunde am Zaun, kauen auf den Fingernägeln, laufen aufgeregt hin und her, rauchen eine Frustzigarette nach der anderen, schauen mit kritischen Blicken auf die Auslinien, zischen und schnalzen mit der Zunge und verdrehen für alle Anwesenden sichtbar bei jeder angeblichen Fehlentscheidung des Gegners nervös die Augen. Zaungäste – oder: Hilfe, ich habe Tenniseltern Es gibt viel Gutes und Richtiges, was Tennis-Eltern für ihre Kinder tun können, aber auch vieles, was sie durch eine falsche Wortwahl negativ anrichten können. Laut einer psychologischen Untersuchung aus den USA gibt es einige Hinweise, die Eltern jeweils vor oder nach einem Tennismatch ihrem Kindern mit auf den Weg geben sollen. Diese Sätze sollen die mentalen Stärke der Nachwuchsspieler nachhaltig steigern. Vor einem Spiel sind dies: „Habe Spaß!", „gib alles!" und „ich liebe dich". Nach der Partie sind folgende Worte sehr hilfreich: „Hattest du Spaß?", „ich bin stolz auf dich." und „ich liebe dich" Die größten Fehlerquellen im Zusammenspiel zwischen Eltern und ihren Kindern ergeben sich laut der Untersuchung während der sportlichen Wettkämpfe. Hier übertragen sich die Ängste der überforderten Elternteile am Spielfeldrand oft auf den Spieler auf dem Platz. Fünf einfache Worte Die amerikanischen Wissenschaftler Bruce Brown und Rob Miller haben durch umfangreiche Umfragen unter College-Studenten herausgefunden, welcher Satz, den sie als Kind bei Wettkämpfen von ihren Eltern gehört haben, am positivsten in Erinnerung geblieben ist. Es war der aus fünf prägnanten Worten bestehende Satz: „Es war toll, dir zuzusehen." Weder verherrlichende Aussagen wie: „Du bist der größte Star!", noch Kritik wie: „Ich habe mir einige Dinge notiert, an denen wir arbeiten sollten." Abschließend bleibt anzumerken, dass es unrealistisch ist, sich nur mit diesen vorgeschlagenen Sätzen mit seinem Nachwuchs verbal auszutauschen. Tatsache bleibt für Brad M. Griffin, dass seine Kinder wissen sollen, dass es eine Freude ist, ihnen dabei zuzusehen, was sie tun und wie sie sich entwickeln. Keine Erwachsene sind geborene Tenniseltern. Man muss lernen, sich richtig zu verhalten. Das Tennisspielen haben die Kinder im Training erlernt, sie kennen die Regeln, können selbst zählen und mit dem Gegner kommunizieren. Wenn nicht, haben sie die Möglichkeit, einen Schiedsrichter zu holen. Das Verhalten der Eltern neben dem Platz hat große Auswirkung auf das Verhalten Ihres Kindes.
Reimar Bezzenberger Willi Brunert Dr. Michael Müller
„Tun Sie gelegentlich etwas, womit Sie weniger oder gar nichts verdienen. Es zahlt sich aus.“ Oliver Hassencamp
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Inhalt Trainer = Spielvermittler Reimar Bezzenberger, Willi Brunert, Dr. Michael Müller, Nils Reinhardt
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Tennis ist rot - 10. Spielstunde Reimar Bezzenberger, Dr. Michael Müller
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Stationswettbewerb für Schulklassen Nora Herrmann-Müller
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Spiel mit Köpfchen Reimar Bezzenberger, Carsten Gorges, Dr. Michael Müller
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Die vergessene Geschichte der Ballhäuser Dr. Bettina Vaupel
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Spielerisches Kräftigen Sebastian Metzler, Mario Parstorfer
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Impressum Redaktion
Reimar Bezzenberger M.A., Willi Brunert, Dr. Michael Müller
Autoren dieser Ausgabe
Reimar Bezzenberger M.A., Willi Brunert, Carsten Gorges, Sebastian Metzler, Nora Herrmann-Müller, Dr. Michael Müller, Mario Parstorfer, Nils Reinhard, Dr. Bettina Vaupel
Gestaltung
Nora Herrmann-Müller
Verlag
Fachbuchverlag Bezzenberger / Dr. Müller Dr. Heinrich Winter Str. 17 - 64646 Heppenheim Tel. / Fax: 06252-72861 E-Mail: info@bezzenberger-verlag.de Internet: www.bezzenberger-verlag.de www.tennistraining-junior.de
Erscheinungsweise
Vierteljährlich
Bezugspreis
6,00 € pro Ausgabe
Abonnementbestellung
Über die Verlagsanschrift
Urheberechtlicher Hinweise Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Ver-
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wertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages.
Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.
SO ARBEITEN SIE MIT IHREM HEFT
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Tennistraining Junior Die Fachzeitschrift „Tennistraining Junior“ behandelt in dieser Ausgabe ausführlich den Themenkomplex „Trainerkompetenz“. Sie erfahren wie wichtig der spielerische Einstieg in die Sportart Tennis für die spätere Spielentwicklung der Schüler ist und stellen die Hauptkompetenzfelder eines Trainers vor. Überprüfen Sie sich selbst als Trainer, über welche Kernkompetenzen Sie verfügen.
Darüber hinaus zeigen wir Ihnen eine innovative Spielform, die die Handlungsschnelligkeit sowie das Spielverständnis von Kindern nachhaltig fördert. Immer wieder wird von Lehrern und Trainern erklärt, dass es nicht möglich sei, mit einer ganzen Schulklasse Tennis zu spielen. Diese Behauptung lässt sich mit einem attraktiven Stationswettbewerb von ganz
alleine widerlegen. Seien Sie mutig sich der Thematik „Großgruppentraining“ anzunehmen. Mit einem Ausflug in die Geschichte blicken wir auf die Anfänge des Tennissports zurück. Folgende, in jedem Beitrag integrierte Legende macht dabei eine schnelle Orientierung im Heft für Sie möglich.
Training: Diese Rubrik ist das Herzstück jeder Ausgabe. Sie bietet Trainingspraxis zum Spielen und Üben zu verschiedenen Schwerpunktthemen des Kinder– und Jugendtennis. Betreuung: Antworten auf pädagogische Fragen sowie zum altersgerechten Umgang mit Kindern. Umfeld: Hier lesen Sie alles, was außerhalb des Trainings gefragt ist. Wettspiele: Alles Wissenswerte rund um Turniere und Wettspiele.
Bereich Altersstufen
Training blau
Betreuung rot
Umfeld orange
Wettspiele grün
Anzahl der Spieler: Raum:
Passgenaue Praxisbeispiele Die differenzierte Legende zeigt, für welche Altersklassen die Übungsformen maßgeschneidert sind.
Blau: Vorstufe zum Tennis - Kindergartenalter
Orange: Play+Stay Stufe orange - 8 bis 9 Jahren
Rot: Play+Stay Stufe rot unter 8 Jahren
Grün: Play+Stay Stufe grün unter - 9 bis 10 Jahren
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X Training Bereich Altersstufen blau
Betreuung X rot
Umfeld X orange
Wettspiele X grün
Trainer = Spielvermittler Trainingskonzept Spielmethodischer Einstieg
Aufwärmen
Spielformen
Trainingsschwerpunkt
Ergänzende Spielformen Übungsformen
Technikorientierter Einstieg Abb. 1: Wirkgefüge zur Schulung der Spielfähigkeit in Anlehnung an Daniel.
Es ist immer wieder zu beobachten, dass Trainer von der einen Platzhälfte auf die andere ihren Schülern monoton aus dem Ballkorb Bälle zuspielen, die diese dann ziellos zurückschlagen sollen. Der Trainer korrigiert ab und an und Das regelmäßige Üben und Aneignen der elementaren Schlagtechniken hat seine Berechtigung im Trainingsprozess. Eine noch so perfekt beherrschte Technik darf aber nie zum Selbstzweck werden. Geschicklichkeit und Krea(k)tivität gekoppelt mit einer guten Technik haben nach dem Trainingswissen schaft ler Jörg Daniel die Aufgabe, die Vielfalt der spielerischen Lösungsmöglichkeiten nachhaltig zu erweitern, so dass es gelingt, schwierige Spielsituationen zu bewältigen. Aus diesem Grund soll jedes Tennistechniktraining mit Spielformen kombiniert werden. Im Kindertennis muss dabei das komplexe Zielspiel durch die Verkleinerung des Spielfeldes, Nutzung geeigneter Bälle (Play+ Stay), Regelvereinfachungen und Reduktion des technischen Anspruchs abgestuft werden. Die geschaffenen Spielsituationen sind für die Schüler überschaubarer und das Lernen fällt dadurch leichter.
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fordert „stell dich seitlich und dreh die Schulter zum Ball.“ Und weiter geht es mit dem nächsten Ballanspiel. Getreu dem Motto: „Viele Wiederholungen helfen beim Technikerlernen.“
So darf auf keinen Fall eine ganze Trainingseinheit aussehen. Es fehlt dabei die nachgewiesenen Praxistauglichkeit und der Spaß. Tennisspielen ist wesentlich komplexer und bringt dabei viel Motivation mit sich.
Anwendung von „Provokationsregeln“
denen der Schüler die Schwerpunkttechnik der Trainingseinheit neu anwenden muss. Um die Technikinhalte zu intensivieren, koppelt sich an die Basisspielform eine Übungseinheit an, die eine umfangreiche Wiederholungszahl der gewünschten Technik im Training hat und sich die Abläufe im motorischen Gedächtnis festsetzen.
Der Trainer untermauert durch bewusst gestellte Zusatzaufgaben bestimmte technischtaktische Elemente. Möchte der Schüler die Spielaufgabe lösen, muss er eine ganz bestimmte Schlagtechniken anwenden. Mit solchen „Provokationsregeln“ kann der Trainer Spielsituationen steuern. Hieraus ergeben sich immer wieder Momente, in
„Speichern“ und Anwenden
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X Training Bereich Altersstufen blau
Betreuung X rot
Umfeld orange
X Wettspiele grün
Stationswettbewerb mit Schulklassen www.tennis04.com
Abb. 1: Aufbauplan für eine Sporthalle mit der Länge von ca. 20 Metern An jeder Station befinden sich vier Schüler. Zwei spielen aktiv, die beiden anderen sind Schiedsrichter.
Die nachfolgend exemplarisch vorgestellten Spielstationen eignen sich für 24 Schüler. Insgesamt umfasst der Zirkel sechs unterschiedlichen Aufgaben. Diese sind alle spiel- und wett-
kampforientiert. Den Abschluss bildet ein Vorgabeturnier für Großgruppen. An jeder Station spielen jeweils vier Kinder als Team mit– oder gegeneinander.
Die Schüler tragen an jeder Station ihre Ergebnisse in die Stationskarten ein. Pro Station werden etwas fünf Minuten Spielzeit benötigt.
Zeitungsstaffel
es, in der Vorwärtsbewegung möglichst alle Zeitungen mit dem Ball zu treffen. Die Laufbewegung kann ebenfalls mit Side-Step- Schritten oder im Rückwärtslaufen ausgeführt werden.
Welches Team erzielt die meisten Treffer in einem Durchgang?
Ball hochwerfen, auf-
Ball auf den Boden
Es werden zwei gleich lange Zeitungskorridore parallel als Staffelstrecken ausgelegt. Der Ball wird mit dem Schläger von oben schlagend vorwärts geprellt. Ziel ist Dosenspiel Jeweils zwei Schüler spielen zusammen. Ein Schüler wirft die Bälle an, der Partner hat die Balldose und versucht, folgende Aufgaben auszuführen:
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springen lassen und nun mit der Tennisballdose fangen; zuerst mit rechts
und dann mit links.
prellen und dann aus der Luft fangen.
Ball direkt hochwer-
fen und wieder auffangen.
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X Training Bereich Altersstufen blau
Betreuung X rot
Umfeld X orange
Wettspiele X grün
Spiel mit Köpfchen Vom Wahrnehmen zum Handeln Wahrnehmung der Spielsituation Der Spieler analysiert die aktuelle Spielsituation und beobachtet dabei seinen Gegner sowie dessen Raumaufteilung.
Erstellen des Handlungsplans Nach der Analyse erhält der Schüler ein Gesamtbild der Spielsituation. Die sich daraus ergeben Handlungsmöglichkeiten müssen verglichen werden.
Reaktion Nun muss die Reaktion auf den Handlungsplan erfolgen. Ein entscheidungsfreudiger Spieler ist einem zögerlichen
Ausführung Den Abschluß bildet die Umsetzung. Entscheidend ist die Qualität der Handlungsausführung. Abb. 1: Aufbauplan der Handlungsschnelligkeit in Anlehnung an Kuhlmann
Handlungsschnelle Tennisspieler sind trotz Präzisions– und Zeitdruck in der Lage sich gut auf dem Spielfeld zu behaupten. Die Handlungsschnelligkeit ist ein Pro-
zess von schnell aufeinanderfolgenden und eng miteinander verzahnten Komponenten. Wie können diese Prozesse effektiv geschult werden? Die Schüler-
werden bewusst mit anspruchsvollen Spielsituationen konfrontiert und müssen dabei unter Zeitdruck Lösungen finden und anwenden.
Trainingsprinzipien zur Schulung der Handlungsschnelligkeit Training nur im aufgewärmten Zustand durchführen
Die Sprintfähigkeit eines Tennisspielers erkennt man, wie schnell er eine Strecke von A nach B zurücklegt. Die Handlungsschnelligkeit ist ein Prozess der sich im Kopf abspielt. Beeinflusst wird dieser nach Kuhlmann von Erfahrungswerten des Spielers, die ihm dabei helfen Spielsituation rechtzeitig zu erkennen, das Ergebnis vorherzusehen und früh zu reagieren. Er ist somit in der Lage zu antizipieren. Entscheidend sind die Reaktion (Handlungsplan) und die anschließende motorische strategische Umsetzung. Eine zögerliche Spielweise kann den Ballwechsel entscheiden. Die Spieler müssen z.B. erkennen, zu welchem Zeitpunkt sie optimal von der defensiven in die offensive Spielweise umschalten (Platzabdeckung). Die Basis dieser Umstellung ist die Handlungsschnelligkeit.
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Training in nicht erschöpften Zustand durchführen
Nebenstehend ist das Ablaufmodell der Handlungsschnelligkeit vereinfacht dargestellt. Im Training kann man gezielt an Stellschrauben drehen, indem man sich auf ausgewählte Spielphasen konzentriert. Am Ende des Trainings sollen immer Spielformen durchgeführt werden, um das erlernte anzuwenden. Denn nicht das optimale Beherrschen einer bestimmter Übungsform (Technik)
Training im weiteren Verlauf nach einer Vorermüdung durchführen um das Erlernte zu festigen
ist im späteren Spielprozess entscheidend, sondern vielmehr die nachhaltige Verbesserung der Handlungsschnelligkeit. Im Spiel muss der Handlungsprozess unter Druckbedingungen konstant abgerufen werden. Ein technisch fehlgeschlagener Ball wird nicht dadurch besser, dass er schnell gespielt wird.