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U. Prettenhofer

U. Prettenhofer

Franz Scheibmayr, Martin Burtscher, Thomas Küpper, Wolfgang Schobersberger

Höhenanpassungsprofile bei kommerziellen Trekkingtouren Internationale Empfehlungen versus touristische Realität

Profiles of high altitude adaptation during commercial trekking tours International recommendations in comparison to the reality of tourism

SUMMARY

Because of the fact that more and more people are looking for a great adventure on their holiday, also the number of tourists in commercial organized trekking tours rises enormously. Not only the absolute number of trekking tourists, but also the cases of trekkers suffering from acute mountain sicknesses increases in parallel. International guidelines give a global calculation of the time needed for high altitude adaptation/acclimatisation. Whether the profiles of high altitude adaptation/acclimatisation in commercial trekking tours are similar to these guidelines or not, has not been studied before. By analyzing 111 commercial trekking routes using the traffic light system for the three typical signal colours (red = big discrepancy, yellow = some discrepancy, green = no discrepancy as compared to the guidelines) we could demonstrate enormous differences between the international guidelines and the touristic reality. For example, not more than 28 % of all studied treks can be classified as fulfilling the guidelines concerning the advice of a rest day after 1000 m altitude difference. More and more trekking agencies try to accept the desires of the trekking tourists and start to modify and shorten well prepared trekking tours. The danger of this reaction is that the agencies ignore the acclimatisation rules at high altitudes and incriminate the inexperienced tourist with additional risks during the

trekking tour. The following article describes approaches in order to solve this high altitude related problem in the future and gives advices to the inexperienced tourists to protect them from non-serious trekking agencies.

Keywords: sickness high altitude adaptation, trekking, guidelines, acute mountain

ZUSAMMENFASSUNG

Aufgrund der Tatsache, dass immer mehr Menschen bei ihrer Urlaubsplanung nach körperlicher Herausforderung suchen, ist auch die Anzahl der Touristen bei kommerziell geführten Trekkingtouren stark gestiegen. Parallel dazu wird ebenfalls eine Zunahme der Akuten Bergkrankheit beim Höhentrekking beobachtet. Internationale Richtlinien geben Empfehlungen über die richtige Höhenanpassung an große Höhen, wie diese beim Trekking aufgesucht werden. Ob kommerzielle Trekkinganbieter im Hinblick auf die Erstellung der Höhenanpassungsprofile diese Guidelines berücksichtigen, wurde bislang nicht untersucht und ist deshalb Hauptziel der vorliegenden Studie. Insgesamt wurden 111 kommerzielle Trekkingtouren entsprechend einem Ampel-Prinzip mit den drei typischen Signalfarben zu Darstellung gebracht (rot = keine Übereinstimmung, gelb = mäßige Übereinstimmung, grün = Übereinstimmung mit den Richtlinien zur Höhenanpassung). Die Ergebnisse sind als alarmierend einzustufen. So konnte das empfohlene Einhalten von Ruhetagen nach 1000 Höhenmetern nur bei 28% aller analysierten Trekkingtouren nachgewiesen werden. Ein Großteil der Reiseanbieter versucht auf die besonderen Wünsche und Bedürfnisse der Touristen vermehrt einzugehen und Trekkingtouren abzuändern, zu verkürzen bzw. noch „attraktiver“ zu gestalten. Die große Gefahr dabei besteht allerdings darin, die Akklimatisationsregeln in großen Höhen somit zu verletzen und die unerfahrenen Trekkingtouristen mit unnötigen höhenmedizinischen Risiken zusätzlich zu belasten. Der Artikel beschreibt mögliche Ansätze, diese Höhenproblematik zukünftig besser in den Griff zu bekommen, sowie Verhaltensweisen für den unerfahrenen Trekkingtouristen, unseriöse Trekkingangebote abschätzen zu können.

Schlüsselwörter: Höhenanpassung, Trekking, Empfehlungen, Akute Höhenkrankheit

EINLEITUNG

Die jährlich steigende Zahl an Trekkingtouristen deutet auf einen ungebrochenen Trend des Höhentourismus hin. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind es jährlich etwa 35 Millionen Menschen, die Gegenden über 3000 m Seehöhe aufsuchen (1). Viele dieser Trekkingtouristen bevorzugen verstärkt Trekkingziele in ungewohnt großen Höhen. Sie sind sich dabei allerdings kaum bewusst, dass nicht nur alpinistische Gefahren, sondern die Höhe selbst zu einer großen Gefährdung für ihre Gesundheit werden kann. Beinahe alle Trekkingreisen bzw. -touren können einerseits durch die Höhenbergsteiger selbst „auf eigene Faust“ organisiert werden oder andererseits bei kommerziellen Reiseveranstaltern gebucht und durchgeführt werden. Verbunden mit dem deutlichen Anstieg an Trekkingtouristen ist es naturgemäß auch zu einem kräftigen Ansteigen der Angebote von Reise- und Trekkingagenturen gekommen, wobei erwartungsgemäß nicht nur seriöse und verantwortungsvolle, sondern durchaus auch unseriöse Trekkinganbieter in Erscheinung treten.

PROBLEMSTELLUNG

Die Höhenproblematik liegt nun darin, dass Aufenthalte über 2500 m Seehöhe eine ganz gezielte Höhenanpassung erfordern. Die Höhenanpassung (Adaptation, Akklimatisation) ist ein sehr komplexer Vorgang, der es möglich macht, den menschlichen Körper an die stets steigenden Höhen erneut anzupassen. Ab dem Überschreiten der sog. „kritischen Schwellenhöhe“ (> 2500 m) ist die Methode der „einfachen“ Sofortanpassung nicht mehr ausreichend. Wer hier noch höher aufsteigen möchte wird einem ständigen „Höhenreiz“ ausgesetzt und muss den Organismus schrittweise an die steigenden Höhen anpassen. Kommt es zu Fehlern bei der Höhentaktik, so können schon mit einer Latenzzeit von 6 bis 12 Stunden nach dem Überschreiten der Schwellenhöhe erste Anzeichen einer Höhenkrankheit auftreten. Die Höhenbergsteiger klagen über Symptome, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Leistungsabfall oder Schlafstörungen. Reagiert man sinngemäß auf diese ersten auftretenden Symptome und steigt vorerst nicht weiter auf, so klingt die Akute Höhenkrankheit innerhalb von 1 bis 2 Tagen spontan ab. Werden die ersten Warnzeichen einer sich anbahnenden Höhenkrankheit allerdings ignoriert, so kann auch die „milde“ Akute Höhenkrankheit in eine der beiden schwereren Formen (Höhenlungenödem – Höhenhirnödem) oder in beide gleichzeitig übergehen.

Die Inzidenz für das Auftreten der Akuten Höhenkrankheit (AMS) liegt bis 3000 m Seehöhe bei etwa 25 % und oberhalb von 4000 m Seehöhe sogar über 45 % (Details zur Akuten Höhenkrankheit, Höhenhirnödem und Höhenlungenödem siehe 2-7). In kommerziell geführten Trekkinggruppen ist diese Situation zusätzlich noch verschärft, da hier auch noch gruppendynamische Aspekte ins Spiel kommen. Die oftmals unerfahrenen Trekkingtouristen versuchen häufig erste Anzeichen einer sich anbahnenden Höhenkrankheit zu bagatellisieren oder zu verheimlichen, um nicht zum „Gruppenaußenseiter“ zu werden. Eine aktuelle Studie von Weyd M. (8) zeigt, dass unter den kommerziellen Trekkingtouristen ein absolut unzureichender Kenntnisstand über die Gefahren beim Höhentrekking herrscht. Immerhin 60 % der Probanden waren der Auffassung, dass höheninduzierte Komplikationen erst ab einer Höhe von 4000 m Seehöhe auftreten könnten. Ebenfalls haben 45 % aller untersuchten Probanden bekannt gegeben, keinen persönlichen Vorteil zu sehen, wenn sie mehr oder weniger über die Höhentaktik Bescheid wüssten. Viele Trekkingtouristen sind der Auffassung, dass das Auftreten von Symptomen einer Höhenkrankheit etwas Schicksalhaftes sei und einfach auftreten könne. Höhenmediziner widerlegen diese Aussage indem Sie bekräftigen: “Jeder Mensch kann höhenkrank werden, wenn er nur schnell genug höher steigt“. Diese einleitenden Gegebenheiten und Vorkommnisse waren die ausschlaggebenden Beweggründe, welche die Autoren animiert haben eine Untersuchung mit der folgenden Forschungsfrage durchzuführen: Gibt es hinsichtlich den Profilen der Höhenanpassung zwischen den international vorgegebenen Empfehlungen und der touristischen Realität (kommerzielle Angebote) Abweichungen bzw. kommt es hier zu Diskrepanzen?

METHODIK

Für die vorliegende Untersuchung war es erforderlich, möglichst viele Trekkingtouren verschiedener Trekkingregionen und unterschiedlicher Reiseveranstalter aus Reisekatalogen, Internet-Homepages und Trekkingangeboten zu identifizieren und zu analysieren, um diese anschließend einem einheitlichen Schema zu unterwerfen. Insgesamt konnten 111 Trekkingtouren von 28 unterschiedlichen Reiseagenturen berücksichtigt werden. Die einzelnen Touren wurden randomisiert ausgewählt und verteilen sich auf die vier typischen Trekkingkontinente, Asien, SüdAmerika, Afrika und Europa entsprechend der nachfolgenden Darstellung (Abbildung 1).

Abbildung 1: Internationale Aufteilung der Trekkinggebiete, bezugnehmend auf die Anzahl der Trekkingangebote

Für jede Tour musste eine eigene Excel-Tabelle und ein Höhen-Zeit-Profil erstellt werden (Tabelle 1, Abbildung 2). Da für eine ordnungsgemäße Höhenanpassung gerade die ersten 5 bis 7 Tage nach dem Überschreiten der Schwellenhöhen von besonderer Bedeutung sind (9), wurden für diese Untersuchung auch nur die ersten Tage bzw. Schlafhöhen für die Beurteilung herangezogen. Wichtig war dabei, dass die jeweils erste Schlafhöhe jeder Trekkingtour über 2500 m Seehöhe liegen musste. Aufbauend auf diese erste Schlafhöhe wurden auch

NEPAL - Annapurna Round Trek AKTIV

Tabelle 1: Darstellung einer „Aktiven“ Trekkingtour anhand des AmpelPrinzips

Abbildung 2: Darstellung eines Schlafhöhen-Zeit-Profils

die weiteren Schlafhöhen jeder Trekkingtour eingezeichnet und vor allem die Schlafhöhendifferenzen (=SHD) mit den drei Signalfarben skizziert. Da es für den menschlichen Organismus des weiteren von großer Bedeutung ist, ob die täglichen Höhenetappen der jeweiligen Trekkingtour zu Fuß oder per Jeep, Bus oder Flugzeug überwunden werden, mussten alle analysierten Trekkingtouren zusätzlich in „Aktive“ (Marsch zu Fuß, mit dem eigenen Gepäck am Rücken) und „Passive“ (Transport per Flugzeug, Bus oder Jeep) Trekkingtouren unterteilt werden.

Für die Gegenüberstellung der bereits identifizierten und analysierten Trekkingtouren mit den international vorgegebenen Empfehlungen, wurden die Guidelines der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin (ÖGAHM), der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin (BEXMED) und der International Society for Mountain Medicine (ISMM) herangezogen. Da es hier in Bezug auf die Höhenanpassung eine ganze Reihe von höhentaktischen Regeln gibt, hat sich diese Untersuchung auf die drei wichtigsten Akklimatisationsregeln beschränkt:

Höhentaktik: -max. 300 – 400 Höhenmeter pro Tag (SCHLAFHÖHENDIFFERENZ) -alle 1000 Höhenmeter einen Ruhetag einplanen -nach „passiver“ Ankunft über 3000 m Seehöhe mindestens 3 Nächte auf dieser Höhe bleiben

Abbildung 3: Aufbau des Ampel-Prinzips (SHD = Schlafhöhendifferenz; Hm = Höhenmeter)

Entsprechend dieser drei höhentaktischen Regeln wurde ein eigenes „AmpelPrinzip“ mit den 3 typischen Signalfarben entworfen (Abbildung 3). Die Farbe grün signalisiert dabei die internationalen Empfehlungen der höhenmedizinischen Fachgesellschaften. Die Signalfarbe rot hingeben symbolisiert einen alarmierenden Eindruck und soll darauf hinweisen, dass man sich im absolut kritischen Gefahrenbereich bewegt. Gelb zeigt an, dass die Kriterien teilweise erfüllt wurden. Auch die Ruhetagsempfehlung wurde in das vorliegende Ampel-Prinzip integriert, wobei dafür ganz bewusst eigene Farbtöne gewählt wurden.

ERGEBNISSE

Schon bei der ersten Auswertung, wo 68 „Aktive“ Touren aller 111 analysierten Trekkingtouren dargestellt sind, kommt ein sehr bedenkliches Bild zum Vorschein. Die Ampelstellungen der ersten sieben Trekkingtage werden hier in Bezug auf die täglichen Schlafhöhendifferenzen (SHD) dargestellt (Abbildung 4). Gerade die ersten Stunden und Tage nach dem Überschreiten der kritischen Schwellenhöhe sind für den menschlichen Organismus eine sehr sensible Phase, um sich an die steigende Höhe anzupassen.

Abbildung 4: Ampelstellung aller „Aktiven“ Trekkingtouren

Das vorliegende Diagramm (Abbildung 4) zeigt allerdings, dass schon bei der ersten SHD nicht einmal die Hälfte aller analysierten „Aktiven“ Trekkingtouren die Empfehlung, nur 300 bis 400 Höhenmeter pro Tag (bezogen auf die SHD) aufzusteigen, einhalten konnten. 49 % aller „Aktiven“ Touren waren bei der 1. SHD sogar im kritischen roten Signalbereich. Auch bei der 2. bis zur 5. SHD bewegten sich knapp 40 % aller Trekkingtouren abseits der vorgeschriebenen Empfehlungen.

Bei der zweiten höhentaktischen Regel, wo es in erster Linie darum geht, nach einer „Passiver“ Ankunft über 3000 m Seehöhe mindestens drei Nächte auf dieser Höhe zu bleiben, zeigt sich ebenfalls ein warnendes Bild (Abbildung 5).

Abbildung 5: Ampelstellung aller „Passiven“ Trekkingtouren (Gesamtzahl = 43 Touren)

Nicht einmal die Hälfte aller analysierten „Passiven“ Trekkingtouren (47 %) konnten die Empfehlungen der internationalen Fachgesellschaften einhalten. 35 % blieben nur 2 Nächte und immerhin 18 % aller „Passiven“ Trekkingtouren blieben überhaupt nur eine Nacht auf dieser „3000-m-Höhe“ und stiegen schon am nächsten Tag höher auf. Als durchaus vorbildhaft sind auch die 12 % der 47 % im grünen Ampelbereich zu vermerken, welche anstatt der vorgeschriebenen 3 Nächte sogar eine vierte Nacht auf dieser neu erreichten Höhe blieben und erst danach höher aufstiegen. Bei der dritten höhentaktischen Regel wurde untersucht, inwieweit die kommerziellen Reiseveranstalter bei ihrer Tourengestaltung auf das Einhalten der erforderlichen Ruhetage Acht geben. Laut internationalen Empfehlungen der Fachgesellschaften ist es erforderlich, alle 1000 Höhenmeter im kontinuierlichen Aufstieg einen erholsamen Ruhetag in das Tourenprogramm einzuplanen (10). Nach der Auswertung aller analysierten Trekkingtouren zeigt sich dazu folgende Darstellung (Abbildung 6).

Abbildung 6: Ergebnisdarstellung der Ruhetags-Empfehlung

Bei nur 28 % aller identifizierten und untersuchten Trekkingtouren konnten die vorgeschriebenen und erforderlichen Ruhetage leitliniengerecht nachgewiesen werden. Bei den restlichen 72 % aller Touren musste die Ruhetags-Empfehlung mit „nicht-erfüllt“ markiert werden. Nach näherer Betrachtung bzw. Aufsplittung der 72 % im „nicht-erfüllten“ Bereich kommt sehr gut zur Darstellung, wie sich diese große Zahl zusammenstellt (Abbildung 7). 39 % aller ausgewerteten Trekkingtouren, welche bereits im „nicht-erfüllten“ Segment eingereiht wurden, hatten tatsächlich keinen Ruhetag in ihrer Tourenplanung berücksichtigt. 24 % haben zwar einen Ruhetag nach den erforderlichen 1000 Höhenmetern bei ihrer Tourengestaltung berücksichtigt, nützen die-

Abbildung 7: Aufsplittung der Ruhetags-Empfehlung

sen Tag jedoch nicht für die Erholung des menschlichen Körpers, sondern führen an diesen Tagen zusätzlich ausgeprägte Gipfelbesteigungen und Akklimatisationstouren durch. 9 % der 72 % im „nicht-erfüllten“ Bereich haben in ihrer Tourengestaltung zwar einen Ruhetag eingeplant und diesen auch ordnungsgemäß durchgeführt, allerdings nicht nach den erforderlichen 1000 Höhenmetern im kontinuierlichen Aufstieg, sondern erst nach etwa 1400 Höhenmetern.

DISKUSSION

Die Quintessenz der vorliegenden Ergebnisse ist, dass es unter allen untersuchten Trekkingangeboten teilweise zu erheblichen Abweichungen zwischen der Realität und der Empfehlung kommt. Es gibt nur wenige sog. „Schwarze Schafe“, Reiseveranstalter welche sich absolut nicht an die Empfehlungen der Fachgesellschaften halten, allerdings konnten auch nur wenige Reiseanbieter identifiziert werden, welche sich völlig korrekt und vorbildhaft an die internationalen Guidelines halten. Fazit dieser Untersuchung ist somit, dass sich ein Großteil der analysierten Reiseveranstalter mit deren ausgeschriebenen Trekkingtouren deutlich abseits der international vorgegebenen Empfehlungen bewegt. Auch durchgeführte Subgruppenanalysen einzelner Trekkingregionen und einzelner Reiseagenturen konnten diese untersuchte Tatsache nicht widerlegen. Auf der Suche nach möglichen Ursachen für dieses starke Abweichen der touristischen Realität von den Empfehlungen der Fachgesellschaften, lässt sich folgender Trend erkennen:

Kommerzielle Reiseveranstalter versuchen vermehrt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Höhentouristen einzugehen – GEFAHR !!

Der unerfahrene Trekkingtourist sieht sich bei seiner Tourenauswahl und –vorbereitung naturgemäß mehrere Trekkingangebote durch und entscheidet sich im Zweifelsfall für jenes Angebot mit der „attraktiveren“ Preisgestaltung der Pauschalreise. Ganz nach dem Motto: „Je kürzer die Reise, desto billiger die Reise“. Ein zweites Phänomen ist der begrenzte Urlaubsanspruch. Der durchschnittliche Höhentourist hat maximal drei bis vier Wochen durchgehend Urlaub. Innerhalb dieser Zeitspanne möchte er/sie aber sein gewünschtes Trekkingziel dennoch erreichen und sucht sich somit jenen Reiseveranstalter, welcher zumindest versucht, das bevorzugte Trekkingziel in der zur Verfügung stehenden Reisezeit zu erreichen. Das Verkürzen von Reisezeiten bei gleichen Trekkingzielen ist nur durch das Streichen von Ruhetagen bzw. durch das Anheben der täglichen Schlafhöhendifferenzen möglich. Nicht selten müssen derartige Trekkingunternehmungen aufgrund verkürzter Akklimatisationsphasen mit einer Reihe höhenkranker Touristen abgebrochen werden. Hinsichtlich der Datenvergleichbarkeit der analysierten Touren zeigt sich zusätzlich folgende Problematik. Das Fehlen von allgemeingültigen, internationalen Guidelines für eine optimale Höhenanpassung in mittleren und großen Höhen führt nicht selten zu Interpretationsschwierigkeiten der internationalen Empfehlungen. Die aus jahrzehntelanger Erfahrung resultierenden Empfehlungen sind aufgrund fehlender prospektiver Studien und Untersuchungen bezüglich dieses Themas lediglich als Richtlinien zu betrachten. So heißt es in den Richtlinien (3) konkret: „Nach Erreichen der Schwellenhöhe (2500 m) mehrere Nächte auf dieser Höhe schlafen“ - Schon anhand dieser Empfehlung wird ersichtlich, wie ungenau und dehnbar diese Definition gewählt wurde. Für einen Reiseveranstalter ist es mitunter sehr einfach, diese Empfehlung nun sowohl mit vier Nächten oder eben auch nur mit zwei Nächten zu interpretieren. Gerade diese locker und unklar gehaltenen Definitionen bzgl. Schlafhöhenunterschiede, Tage/Nächte bzw. Ruhetage ermöglichen vielen Reiseagenturen ihre Tourengestaltung und ihre Tourenprofile, aus verkaufstrategischen Gründen, in immer kürzere Zeiträume zu verpacken. Zusammenfassend lässt sich über die Validität der internationalen Empfehlungen somit festhalten, dass das Schlagwort „Höhentrekking“ einer dehnbaren „Definitions-Spanne“ unterliegt und für die Reiseveranstalter somit sehr weitläufig auslegbar ist.

BLICK IN DIE ZUKUNFT

Bezugnehmend auf die aktuelle Situation beim kommerziellen Höhentrekking ist es besonders wichtig, die Gefahren und Risiken beim Höhentrekking sichtbarer zu machen. Nur durch Publikationen und Informationen ist es möglich, den unerfahrenen Trekkingtouristen ausreichende Kenntnisse über die höhentaktischen Regeln zu vermitteln. Mögliche Ansätze, die derzeitige Höhenproblematik zukünftig zu entschärfen, wären durchaus vorhanden. Nur die Bereitschaft, sich daran zu beteiligen müsste dazu von beiden Partnern, den Reiseveranstalter auf der einen Seite und den Trekkingtouristen auf der anderen Seite akzeptiert werden. Schon das Einplanen von 2 bis 3 zusätzlichen Trekkingtagen würde bei einem Großteil der Reiseveranstalter helfen, gerade in den ersten Tagen nach Überschreiten der 2500-m-Grenze, ihre Tourengestaltung vom gelben in den grünen Ampelbereich bzw. zumindest vom roten in den gelben Signalbereich anzupassen. Erst damit wäre ein sinnvolles Senken der täglichen Schlafhöhendifferenzen möglich und auch die erforderlichen Ruhetage könnten leitliniengerecht eingehalten werden. Ein weiterer Ansatz wäre das Erstellen von Tourenberichten nach einer erfolgten Trekkingtour. Entweder der Bergführer oder der Trekking-Guide, welche die Trekkinggruppe im gesamten Verlauf der Tour begleiten, könnte einen begleitenden Tourenbericht, sowie eine AMS-Check-Liste gemäß dem Lake Louise Scoring System verfassen. Diese Berichte müssten anschließend nicht von der jeweiligen Reiseagentur, sondern von einer unabhängigen Auswerteeinheit analysiert und evaluiert werden, um für weitere zukünftige Empfehlungen bezüglich der Höhenanpassung zur Verfügung zu stehen. Auch das vorgestellte Ampel-Prinzip könnte zur Entschärfung des bestehenden Höhenproblems als „Universal-Werkzeug“ eingesetzt werden. Für den unerfahrenen Trekkingtouristen wäre es durchaus hilfreich, wenn er sich schon bei seiner Trekkingtouren-Auswahl bzw. -Vorbereitung mit Hilfe der drei Signalfarben, noch von Zuhause aus, für oder gegen einen seriösen Reiseveranstalter entscheiden könnte. Als Limitation dieser Studie muss genannt werden, dass die internationalen Guidelines bezüglich der Höhenanpassung nicht in allen Trekkinggebieten strikt angewendet werden können. Häufig sind es die geografischen Vorgaben von Routen am Trekkingort, die es nicht immer möglich machen, sich laut vorgestelltem Ampel-Prinzip, im grünen Singalbereich zu bewegen.

LITERATUR

(1) Berghold, F.: Drug abuse in the mountains, In: Viscor, G., Ricart, A. and

Leal, C. (eds.) Health and Height, Publications Universitat Barcelona, Barcelona, 99 – 106 (2003).

(2) Bärtsch, P.: Höhenkrankheiten. Dt. Zschr. Sportmed.12, 396 – 400 (2000)

(3) Berghold, F., Schaffert, W., 2006, Physiologie und Medizin der großen und extremen Höhen – Höhentrekking und Höhenbergsteigen, In: CD

Lehrskriptum Alpin- und Höhenmedizin, Berghold, F., Förster, H., (Hrsg.), 12. Auflage, 2008.

(4) Schöll, E., 2003, Review Höhenkrankheit: Teil I, [online] Available: http://forum-alpinum.ch/Dokumente/FA/FA_03_03.pdf, abgerufen am 17.08.2008

(5) Wright, AD; Birmingham Medical Research Expeditionary Society:

Medicine at high altitude. Clin. Med. 6(6), 604-608 (2006)

(6) Basnyat, B.: High altitude cerebral and pulmonary edema. Travel Med.

Infect. Dis. 3(4), 199-211 (205)

(7) Schoene R.B.: Illnesses at high altitude. Chest 134(2), 402-416 (2008)

(8) Weyd, M., 2005, Höhentourismus und Höhenkrankheit – exemplarische

Umfrage zum Kenntnisstand von Freizeittouristen, Diplomarbeit am FB

Sport der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

(9) Höbenreich, Ch.: Schneller, höher, weiter… Reise- und Akklimatisationsplanung beim Trekking und Höhenbergsteigen, In: Berg & Steigen -

Zeitschrift für Risiko-management im Bergsport 2, 27 – 30 (2002)

(10) Fischer, R.: Berge für Kranke und Gesunde. Bayerisches Ärzteblatt. 1, 6 – 8 (2006)

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