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BILDUNGaktuell

Das eMagazin für Management, Personalwesen und Weiterbildung

#01 19.01.2016

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Wie introvertierte Menschen ihre Talente gezielt ausspielen können und von extrovertiertem Verhalten profitieren. Ab Seite 8

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LEARNTEC 2016 | Lernen mit IT | 24. Internationale Fachmesse und Kongress

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Sie ist die Expertin, wenn es um erfolgreiches Netzwerken geht und leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter: Barbara Liebermeister. Eine gute Kombination, um zu erläutern, wie Kommunikation heute funktioniert: Schauen Sie in Gesprächen alle drei Minuten aufs Smartphone? Und wickeln Sie die meisten beruflichen Beziehungen nur noch per E-Mail ab? Lesen Sie, welchen Einfluss das auf Ihre Kontakte haben könnte. Ab Seite 5

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Wer nur im Hintergrund agiert, weil er sich dort wohler fühlt, wird selten seine Meinung kundtun, obwohl er eine hat. Und hält mit seinem Wissen sogar dann hinter dem Berg, wenn er es besser wüsste. Schade. Das findet auch Dr. Doris Märtin, die sich selbst als introvertiert outet. Deshalb empfiehlt sie den Leisen auch das Lautsein zu trainieren. Einen Auszug aus ihrem Buch „Leise gewinnt – So verschaffen sich Introvertierte Gehör“ (Campus Verlag, 2014) lesen Sie ab Seite 8.

Zukunft Lernen. www.learntec.de

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Vertrauen zu können, ist wichtig. Denn wem man vertrauen kann, der ist einem auch sympathisch. Wie Sie das Gefühl des Vertrauens bei anderen erreichen können, erfahren Sie von Christiane Lohrmann, MBA und Gerd Schulze Weischer, MSc. Eines gleich vorweg: Ehrlichkeit ist die Vertrauensregel Nummer eins. Ab Seite 3

26. – 28. Januar 2016 Messe Karlsruhe

Impressum Medieninhaber &Herausgeber: Alexander Karp karp | communication company Siegfriedgasse 52/19, 1210 Wien Redaktion & Anzeigenverwaltung: E-Mail: redaktion@bildungaktuell.at Web: www.bildungaktuell.at

Grundlegende Richtung: Journalistisch unabhängige Berichterstattung und Hintergrundberichte zu den Themen Aus- und Weiterbildung, Karriere, Selbstorganisation, Personalmanagement, Pädagogik, Schule, Universität, Bildungspolitik.

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Die 13 Regeln des Vertrauens

„Es dauert 20 Jahre, um einen guten Ruf aufzubauen — und fünf Minuten, um ihn zu ruinieren.“ Das ist eine der zahlreichen Lebensweisheiten des US-Investors Warren Buffet. Vertrauen aufzubauen, Vertrauen zu schenken und Vertrauen wiederherzustellen, mit Kunden, Geschäftspartnern, Investoren und vor allem bei Kollegen – ist eine der wichtigsten Führungskompetenzen unserer globalen Wirtschaft. Tatsächlich gehen laut dem World Economic Forum mehr als 40 Prozent der Marktkapitalisierung von Unternehmen auf ihre Reputation zurück. Rund 70 Prozent der Verbraucher verzichten auf Produkte, wenn ihnen die Firma unsympathisch ist, so eine Erhebung der PR Agentur Weber Shandwick. Vertrauensvolle Unternehmensführung wird in Zeiten des digitalen Wandels und der Veränderungen immer wichtiger. BILDUNGaktuell 01/2016

Vertrauen entsteht dabei in fünf Bereichen unseres Lebens; in uns selbst als Individuum, in Beziehungen, in Organisationen, am Markt und nicht zuletzt in der Gesellschaft. Dabei geht es immer darum, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen, ob zu sich selbst, zu Vorgesetzten, zu Kollegen, zu Kunden oder Stakeholdern insgesamt. Der amerikanische Bestsellerautor Stephen M. R. Covey hat für die Leadership-Beratung FranklinCovey 13 entscheidende Regeln identifiziert, die Vertrauen aufbauen und Beziehungen intensivieren. Sie sind deshalb so wirkungsvoll, weil sie auf Prinzipien für vertrauensvolle Beziehungen basieren und universell einsetzbar sind. »

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Stellen Sie sich der Realität, seien Sie ehrlich und seien Sie loyal – das sind nur drei von dreizehn wichtigen Regeln, um vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Was es noch braucht, um für andere ein ernstzunehmender Geschäftspartner zu sein, verraten Christiane Lohrmann und Gerd Schulze Weischer.

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Vertrauensregel 1: Ehrlich sein

Vertrauensregel 5: Loyal sein

Seien Sie ehrlich. Sagen Sie die Wahrheit. Lassen Sie die anderen wissen, wo Sie stehen. Drücken Sie sich klar aus und nennen Sie die Dinge beim Namen. Verzerren Sie keine Fakten. Erzählen Sie keine Halbwahrheiten. Achten Sie darauf, Missverständnisse zu vermeiden. Hinterlassen Sie keinen falschen Eindruck.

Seien Sie großzügig mit Lob. Erkennen Sie die Leistungen aller an. Reden Sie immer so über andere, als wären sie anwesend. Treten Sie für diejenigen ein, die abwesend sind und sich nicht verteidigen können. Und geben Sie nichts weiter, was Ihnen anvertraut wurde.

Vertrauensregel 6: Ergebnisse liefern Vertrauensregel 2: Respekt zeigen Nehmen Sie andere wirklich wichtig – und zeigen Sie ihnen das auch. Respektieren Sie die Würde jedes Einzelnen. Behandeln Sie alle mit Respekt, auch diejenigen, die nichts für Sie tun können. Denken Sie daran, dass gerade Kleinigkeiten einen großen Vertrauensbonus schaffen. Täuschen Sie keine Fürsorge vor.

Sorgen Sie für gute Ergebnisse. Zeigen Sie Engagement. Tun Sie das, was man von Ihnen erwartet. Halten Sie den Zeitplan und das Budget ein. Versprechen Sie nichts, was Sie nicht einhalten können. Und suchen Sie keine Ausreden, um die angekündigten Ergebnisse dann doch nicht liefern zu müssen.

Vertrauensregel 7: Sich verbessern Vertrauensregel 3: Transparenz schaffen Sagen Sie die Wahrheit, und zwar so, dass die Leute sie nachvollziehen und überprüfen können. Seien Sie ehrlich und authentisch – lieber zu offen als nicht offen genug. Handeln Sie nach dem Prinzip „Was Sie sehen, ist, was Sie bekommen“. Haben Sie keine geheimen Absichten. Halten Sie keine Informationen zurück.

Verbessern Sie sich kontinuierlich. Arbeiten Sie an sich und Ihren Fähigkeiten. Lernen Sie. Entwickeln Sie Feedbacksysteme. Richten Sie Ihr Handeln nach dem Feedback aus, das Sie bekommen. Bedanken Sie sich bei anderen für ihr Feedback. Und gehen Sie nie davon aus, dass das Wissen und die Fertigkeiten von heute für die Herausforderungen von morgen ausreichen werden.

Vertrauensregel 4: Fehler wiedergutmachen

Vertrauensregel 8: Sich der Realität stellen

Entschuldigen Sie sich umgehend, wenn Sie im Unrecht sind. Machen Sie Ihre Fehler wieder gut, wann immer es möglich ist. Zeigen Sie persönliche Bescheidenheit. Vertuschen Sie nichts. Lassen Sie nicht zu, dass Ihr Stolz Sie daran hindert, das Richtige zu tun.

Befassen Sie sich direkt mit schwierigen Dingen. Sprechen Sie alles an, was bisher nicht gesagt wurde. Übernehmen Sie bei den Gesprächen mutig die Führung. Drücken Sie sich nicht davor, die wahren Probleme anzugehen. Stecken Sie den Kopf nicht in den Sand.

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Vertrauensregel 9: Erwartungen klären Sprechen Sie immer offen über Erwartungen. Verhandeln Sie noch einmal darüber, falls es nötig und möglich ist. Missachten Sie keine Erwartungen. Gehen Sie nicht einfach davon aus, dass allen die Erwartungen klar sind.

Vertrauensregel 10: Verantwortung übernehmen Tragen Sie selbst Verantwortung und nehmen Sie auch andere in die Pflicht. Stehen Sie zu Ihrer Verantwortung für die Ergebnisse. Klären Sie, wie Sie sich über Ihre eigenen Leistungen und über die Leistungen der anderen verständigen wollen. Drücken Sie sich nicht vor Ihrer Verantwortung: Wenn etwas schiefgeht, dann schieben Sie die Schuld nicht einfach anderen in die Schuhe.

Vertrauensregel 11: Erst zuhören Hören Sie immer erst zu, bevor Sie sprechen. Finden Sie heraus, was dem anderen besonders wichtig ist. Glauben Sie nicht einfach, dass Sie das bereits wissen. Streben Sie aufrichtig nach Verständnis. Fragen Sie, was er sich wünscht und worüber er sich Sorgen macht. Geben Sie nicht vor zuzuhören, sondern hören Sie auch mit den Augen und dem Herzen zu.

Vertrauensregel 12: Versprechen halten Sagen Sie, was Sie tun wollen, und machen Sie es dann auch. Seien Sie vorsichtig, wenn Sie anderen ein Versprechen geben. Achten Sie darauf, dass Ihre Versprechen realistisch und sinn-

voll sind. Betrachten Sie es als Ehrensache, Ihre Versprechen zu halten. Begehen Sie keine Vertrauensbrüche. Versuchen Sie nicht, sich herauszureden, wenn Sie eine Verpflichtung nicht einhalten können. Und bei all dem — vermeiden Sie Unverbindlichkeit.

Vertrauensregel 13: Anderen Vertrauen schenken Denken Sie daran, wie wichtig es ist, anderen zu vertrauen. Schenken Sie Ihr Vertrauen denjenigen, die es verdienen. Lernen Sie, wie man sein Vertrauen je nach Situation, Risiko und Glaubwürdigkeit der Beteiligten angemessen ausdehnt. Seien Sie grundsätzlich immer bereit, anderen zu vertrauen. Vermeiden Sie es, „falsches“ Vertrauen zu schenken, um dann doch wieder im Detail zu kontrollieren. ■ Christiane Lohrmann, MBA ist Senior Marketing Manager von FranklinCovey für Deutschland, Österreich und Schweiz. Gerd Schulze Weischer, MSc ist Practice Leader bei FranklinCovey DACH für den Bereich Leadership. Das FranklinCovey Leadership Institut berät rund um die Entwicklung von Unternehmensund Führungskultur. Als international aufgestellte Beratung hat FranklinCovey mehrjährige Erfahrung im Blended Learning zur Verstärkung von Lernprozessen online. Seminartipp: „Schnelligkeit durch Vertrauen“ Termin: 27. bis 28.6.2016 / Ort: WIFI Management Forum am wko campus wien Klick! www.franklincovey.de ÒÒ Klick! www.wifi.at/managementforum ÒÒ Seite 4


SO BLEIBEN WIR

IN KONTAKT

Wir sind längst im Zeitalter der digitalen Kommunikation angekommen. Doch der Umgang damit könnte oft besser sein. Warum das persönliche Gespräch wichtig bleibt und wie wir wieder mehr Wertschätzung und Empathie ins Miteinander bringen können. Von Barbara Liebermeister

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Unser Kommunikationsverhalten hat sich stark verändert: Früher wurden kurze Fragen an oder von Freunden und Kollegen, Kunden und Lieferanten meist mit einem Telefonat geklärt, heute geschieht das häufig per (Facebook/Skype-)Chat oder WhatsApp. Und das Fax, das die Informationsgeschwindigkeit erhöhte? Es wurde inzwischen nicht nur im betrieblichen Kontextfast vollständig »

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von E-Mails abgelöst. Allerdings sind auch die Tage der E-Mail vielleicht schon gezählt, weil Audio- und Videobotschaften Anlauf nehmen, sie zu verdrängen. Eines bleibt beim technischen Fortschritt der Kommunikation immer wieder auf der Strecke: der Mensch — mit seinen Bedürfnissen, Wertvorstellungen und persönlichen Eigenheiten. Als Individuum möchte er wahr- und ernstgenommen werden, als Kunde möchte er umworben werden, als Mitarbeiter wünscht er sich Wertschätzung und Anerkennung, und als Lieferant oder Geschäftspartner benötigt er den Augenkontakt, um Vertrauen zu gewinnen beziehungsweise aufzubauen. Viele Menschen sind orientierungslos bei ihrer Suche nach Möglichkeiten, die moderne Kommunikationstechnik effizient zu nutzen und zugleich dem Bedürfnis nach Menschlichkeit und persönlicher Beziehung gerecht zu werden. Diese Orientierungslosigkeit und der oft unreflektierte Umgang mit den modernen Kommunikationsmedien können dramatische Auswirkungen auf die Qualität unserer Kontakte und Beziehungen nicht nur im persönlich-privaten Bereich, sondern auch im betrieblichen Kontext haben. Sie führen häufig zum Beispiel zu einem Verlust persönlicher Bindung und Beziehung, was wiederum zum Beispiel zu einem erhöhten Abwandern von Mitarbeitern oder Verlust von Kunden führt. Deshalb hier einige Tipps, wie es Ihnen auch im digitalen Zeitalter gelingt, mit Menschen eine gewinnende, weil wertschätzende Kommunikation zu führen – unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Kollegen

oder Mitarbeiter, Kunden oder Geschäftspartner handelt.

Fünf Tipps für eine gewinnende Kommunikation Tipp 1 – Human Awareness: Der persönliche Kontakt zählt nach wie vor. Das wird insbesondere bei der Vernetzung über die Sozialen Medien gern vergessen. Eine hohe Zahl an digitalen Kontakten mag vielleicht beeindruckend auf Außenstehende wirken, doch die Qualität und nicht die Zahl der Kontakte entscheidet letztlich über die Tragfähigkeit Ihres Netzwerks. Diese Qualität können Sie erheblich steigern, wenn Sie die Kontakte auch offline, also im wirklichen Leben pflegen – vorausgesetzt, Sie beherrschen das moderne KommunikationsEinmaleins für den direkten, persönlichen Kontakt, was zu Tipp 2 führt.

Der oft unreflektierte Umgang mit modernen Kommunikationsmedien kann dramatische Auswirkungen auf die Qualität unserer Kontakte und Beziehungen haben. Barbara Liebermeister

sie das Ziel erreichen (zum Beispiel auf dem schnellsten, kürzesten oder sichersten Weg)? Wie ist sie unterwegs (zum Beispiel per Fuß, mit Fahrrad oder Auto)? Welche Hilfsmittel stehen ihr zur Verfügung (zum Beispiel ein Stadtplan oder ein Navi)? Was benötigt sie gegebenenfalls noch für das Zurücklegen dieses Wegs (zum Beispiel eine Wegskizze, eine Fahrkarte, Sprit oder Proviant)? Dies zu erfragen und die Antworten aufmerksam aufzunehmen, statt (vorschnell) zu antworten, ist die einfachste Art, Menschen zu gewinnen, tragfähige Lösungen zu entwickeln und Partnerschaften aufzubauen.

Tipp 2 – Social Awareness: Empathie gewinnt! Empathie wird von den robusteren Zeitgenossen oft falsch verstanden. Überspitzt formuliert sind sie der Auffassung: Ich muss auch lachen, wenn mein Gegenüber lacht. Und wenn er weint? Sollte ich dann auch weinen müssen, kann das ein Ausdruck von Empathie sein, ist es aber nicht zwangsläufig. Viel wichtiger ist, dem Gegenüber zuzuhören – um den Menschen zunächst wahr- und anzunehmen. Aus der hieraus erwachsenden Verbindung und Vertrauensgrundlage entwickeln empathische Menschen dann Lösungen oder Ideen, die dem anderen im Idealfall helfen, beispielsweise sein Problem einfacher in den Griff zu bekommen und zu lösen. Empathie ist vergleichbar mit der Fragestellung, was eine Person braucht, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen? Um jemandem die bestmögliche Wegbeschreibung zu geben, ist es wichtig zu wissen: Wohin will die Person? Wie will

Tipp 3 – Incident Awareness: Die Wahl des Kommunikationsmediums kann den Verlauf und Ausgang einer Situation entscheidend beeinflussen – unabhängig davon, ob es um das Herbeiführen von Entscheidungen, das Motivieren von Mitarbeitern, das Gewinnen von Kunden oder das Erzielen eines Vertragsabschlusses geht. Erfolgreich sind hier vor allem diejenigen, die den Unterschied zwischen „dringend“ und „wichtig“ erkennen. In der irrigen Annahme immer schnell reagieren zu müssen (= dringend), wird häufig das Potenzial missachtet, das aus der möglichen „Wichtigkeit“ resultiert. Wer schnell reagiert, macht häufiger Fehler und vergisst oft entscheidende Details. Und vor allem bleiben bei der schnellen Kommunikation, so ganz nebenbei, häufig die Wertschätzung und Anerkennung für den anderen auf der Strecke. Kommunikation reduziert sich auf Information. » Seite 6


Ein empfehlenswerter Kompromiss kann sein, zum Beispiel bei Anfragen per E-Mail, zunächst mit einer kurzen Nachricht zu reagieren und der anderen Person einen persönlichen Anruf in Aussicht zu stellen – oder eine ausführliche Antwort zu einem späteren Zeitpunkt. Wenn Sie Zeit und Energie in Ihre persönlichen Kontakte investieren, festigen Sie dadurch die Loyalität, das wechselseitige Vertrauen und die Tragfähigkeit Ihres Netzwerks. Überlegen Sie auch, ob Sie geschäftliche Telefonate wirklich auf offener Straße, beim Autofahren oder im Zug vor den Ohren anderer führen? Haben Ihre (Geschäfts-)Partner nicht mehr Aufmerksamkeit, Konzentration, Wertschätzung und persönliche Zuwendung verdient? Hier sind wir übrigens gleich bei der perfekten Überleitung zu Tipp 4. Tipp 4 – Digital Awareness: Halten Sie und Ihr Unternehmen im realen Leben, was Sie online versprechen? Wenn Sie beispielsweise mit dem Label „vertrauenswürdig“ werben, dann passen Telefonate auf offener Straße, in der Flughafenlobby und im Zug bestimmt nicht zu diesem (Werbe-)Versprechen. Bei der „Digital Awareness“ geht also darum, die Signale und Botschaften, die Sie bei der digitalen Kommunikation aussenden, mit jenen im persönlichen Kontakt zu synchronisieren – damit Sie (beziehungsweise Ihr Unternehmen) authentisch und somit glaubwürdig wirken. Insbesondere die Generation Y und noch stärker die nachrückende Generation Z misst der Authentizität eine sehr hohe Bedeutung bei. Für sie ist die Authentizität einer Person, OrgaBILDUNGaktuell 01/2016

nisation oder Marke der zentrale Faktor, ob sie ihr vertrauen und sich ihr anvertrauen. Dessen sollten sich gerade Führungskräfte, aber auch Verkäufer bewusst sein. Damit es mit dem authentischen Auftreten noch besser klappt, empfehlen sich Zeiten der Selbstreflektion sowie Entspannung, womit wir beim fünften und letzten Tipp angelangt sind. Tipp 5 – Timeout-Awareness: Terminieren Sie feste Auszeiten, in denen Sie weder am PC sitzen, noch das Smartphone in Betrieb haben. Kümmern Sie sich in dieser Zeit vor allem um sich selbst und die Menschen in Ihrem Umfeld. Und selbstverständlich ist es in Besprechungen auch ein Ausdruck der Bedeutung, die Sie den Menschen, mit denen Sie gerade reden, und dem Thema beimessen, wenn Sie auf Ihre digitale Erreichbarkeit verzichten. Denn nur dann können Sie sich voll und ganz auf die Situation und Ihr Gegenüber konzentrieren. Das sollte – von begründeten Ausnahmen abgesehen – eigentlich selbstverständlich sein. Was es aber leider nicht ist. ■

Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ). Die Expertin für Business Relationship Management und renommierte Vortragsrednerin schrieb unter anderem das Buch „Effizientes Networking: Wie Sie aus einem Kontakt eine werthaltige Geschäftsbeziehung entwickeln“ Klick! www.ifidz.de ÒÒ Klick! www.barbara-liebermeister.com ÒÒ Seite 7


Raus aus der stillen Ecke

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Warum es für introvertierte Menschen gut sein kann, ihre Grenzen zu überwinden: Dr. Doris Märtin weiß, warum leise Menschen durch extravertiertes Verhalten profitieren können.

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von Anfragen für Vorträge und Interviews aus Angst vor dem öffentlichen Auftritt ab. Wie oft haben Sie schon ein Vortragsangebot abgelehnt, beim Small Talk am Rand gestanden, sich in einem Meeting in der Beobachterrolle eingerichtet oder die Treppe genommen, um den Begegnungen im Lift zu entgehen? Wenn Sie Ihren introvertierten Impulsen folgen, kommt das vermutlich dann und wann vor. Sollten Sie allerdings öfter kneifen, als es Ihnen lieb und für Ihr Ansehen gut ist, stellt sich die Frage: Bleiben Sie sich wirklich selbst treu, wenn Sie sich der Welt so sehr verweigern, wie Ihr Introvertierter es gern hätte? Oder verfehlen Sie mit diesem Verhalten substanzielle Lebensziele, die Sie nur erreichen können, wenn Sie Ihre Grenzen hinausschieben? Dem kanadischen Psychologieprofessor Brian Little, der sich selbst als „physiologisch extrem introvertiert“ bezeichnet, war es zu wenig, er selbst zu sein. Als Hochschullehrer ist er gefordert, Hörsäle zu füllen und Studenten mitzureißen. Mit leisen Verhaltensweisen allein lässt sich das kaum erreichen. Little entschied sich deshalb, während seiner Vorlesungen zu pseudo-extravertieren, wie er es nennt – also sich

Auch wer introvertiert ist, kann durchaus extravertiert auftreten und handeln. Er muss dafür nur mehr Energie aufwenden als ein geborener Extro. Dr. Doris Märtin

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Authentisch zu sein steht hoch im Kurs und sicher ist es richtig und wichtig, die eigenen nerdigen oder scheuen Anlagen zu schätzen. Introversion, egal in welcher Form, zieht sich wie ein roter Faden durchs Leben und ist nichts, was umgekrempelt werden müsste. Nur dabei belassen sollten Sie es nicht. Denn wenn wir den introvertierten Neigungen im Kleinen und Großen nachgeben, bleiben wir in unserem Selbst gefangen. Wer sich immer nur selbst treu ist, argumentieren die britischen Psychologieprofessoren Ben Fletcher und Karen Pine, nutzt oft nur 1/10 des Verhaltensrepertoires, zu dem er fähig ist. Wer dagegen seine natürlichen Tendenzen manchmal überschreitet, lebt erfolgreicher: „Je mehr Verhaltensweisen Sie in Ihrem Werkzeugkasten haben, desto besser können Sie auf die verschiedenen Situationen in Ihrem Leben reagieren, desto weniger unsicher fühlen Sie sich. Heute wechsle ich zwischen der Innen- und der Außenwelt fast so selbstverständlich wie zwischen Kapuzenpulli und Kostüm. Das war nicht immer so. Am Anfang meiner Karriere waren viele meiner Entscheidungen meiner Introversion mehr als allem anderen geschuldet. Nach dem Abitur entschied ich mich gegen Jura als Studienfach, weil ich mir nicht vorstellen konnte, jemals ein Plädoyer zu halten. An der Uni glich ich den blassen Auftritt bei mündlichen Prüfungen mit gut geschriebenen Seminararbeiten aus. In Bewebungsinterviews beantwortete ich die Frage, ob ein Einzelzimmer für mich wichtig sei, mit ja, wohl wissend: Die kluge Antwort lautet anders. Und als meine ersten Bücher auf den Markt kamen, sagte ich Dutzende

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bewusst extravertierter zu geben, als ihm zumute ist. Heute spielt er die angelernte Rolle so brillant, dass er mit diversen Preisen für eine herausragende Lehre ausgezeichnet wurde. Zum Ausgleich gönnt er sich bewusst die Phasen des Alleinseins, die er als Intro wie die Luft zum Atmen braucht: „Ich tue etwas, das nicht meinem Naturell entspricht, um ein Projekt voranzutreiben, wenn man mir im Gegenzug eine Regenerationsnische zugesteht, in der ich mein wahres Naturell entfalten kann. Littles Herangehensweise passt zu dem Motto, das mich schon oft weitergebracht hat, wenn es darum geht, kompetent mit der Außenwelt umzugehen: Fake it till you make it. Spiel die Rolle, bis du sie ausfüllst. Extravertiert zu tun bedeutet so gesehen nicht, aus der Rolle zu fallen. Es bedeutet, sich eine zweite Rolle zu erarbeiten. Auch wer introver-

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tiert ist, kann durchaus extravertiert auftreten und handeln. Er muss dafür nur mehr Energie aufwenden als ein geborener Extro. Dafür müssen Laute sich mehr zusammenreißen, wenn leises Verhalten von Vorteil ist, etwa wenn es darum geht, sich in ein Thema einzuarbeiten oder ein Buch zu schreiben. Übrigens: Little hat die Erfahrung gemacht, dass in der Regel keiner den Unterschied zwischen einem geborenen Extravertierten und einem Pseudo-Extravertierten merkt. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie pseudo-extravertieren und zum Beispiel auf der Messe Geschäftspartner im Halbstundenrhythmus empfangen oder eine bewegende Rede zur Hochzeit eines guten Freundes halten? Linkisch? Angestrengt? Angeregt? Kompetent? Oder sogar alles zusammen? Lassen Sie sich nicht davon beirren, wenn sich das So-tun-als-ob ungewohnt und anstrengend anfühlt. Das tut das Training in einer selten ausgeübten Sportart auch! Wichtig ist nur, dass Sie sich die Regenerationsnischen gönnen, die Sie als Intro zur Erholung brauchen. Dr. Doris Märtin hat Sprachen und Literatur studiert und die Suche nach den passenden Worten zum Beruf gemacht. Die Kommunikations- und Persönlichkeitsexpertin ist systemische Coach und Mitglied des Deutschen Knigge-Rats. Als Beraterin für Corporate Language unterstützt sie Unternehmen, Kunden emotional intelligent anzusprechen.

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