Ist die Work-Life-Balance ein Irrtum?

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BILDUNGaktuell

Das eMagazin für Management, Personalwesen und Weiterbildung

#08 09.08.2016

Immer mit der Ruhe: Wer auf seine Lebensphasen keine Rücksicht nimmt, läuft Gefahr, unter dem Druck der eigenen Ansprüche einzuknicken. Ab Seite 8 Ein Medienprodukt der karp | communication company

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Auf der Suche nach dem besten Bewerber für einen freien Posten, lohnt es sich genau hinzuschauen. Auch aus Kostengründen. „Ermitteln Sie genau, welche Anforderungen der Neue erfüllen muss“, schreibt Christina Seitter. Den jetzigen Stelleninhaber, dessen Mitarbeiter und Vorgesetzten zu befragen, kann dabei helfen. Weitere Tipps, um den möglichst besten Mitarbeiter zu finden, lesen Sie ab Seite 3

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Presencing heißt die neue Art des Führen in schwierige Zeiten. Mag. (FH) Helmuth Fink analysiert, was Managerinnen und Manager darüber wissen sollten. Lassen Sie sich ein auf die Besonderheiten von neuem Denken, einer besonderen Art zuzuhören und wahrzunehmen. Fink: „Nachdem es gelungen ist, sich mit der innersten Quelle und der Zukunft zu verbinden, gilt es die neuen Lösungen ins Handeln zu bringen.“ Mehr dazu ab Seite 6.

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„Unterschiedliche Lebensphasen verlangen unterschiedliche Schwerpunktsetzungen, will man nicht unter dem Druck der eigenen Ansprüche einknicken“, schreibt Rolf Schmiel in seinem Buch „Senkrechtstarter“. Darin erfahren Sie auch, warum die Jagd nach der Work-Life-Balance ein Irrtum sein könnte. BILDUNGaktuell bringt einen Auszug aus dem Buch, von dem Sie übrigens ein E-Book gewinnen können. Ab Seite 8

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Den besten Mitarbeiter finden Wer ist wirklich der Richtige für die freie Position? Auf dem Weg zum Wunschkandidaten gibt es einiges zu beachten. Neun Tipps, damit der neue Mitarbeiter fachlich und menschlich ins Unternehmen passt. Von Christina Seitter

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leiden Unternehmen zuweilen noch nach Jahren unter den Folgen eines personellen Fehlgriffs. Deshalb hier einige Tipps, wie Sie solche Pannen bei der Personalauswahl vermeiden.

Tipp 1: Nicht nur auf die Fachkompetenz achten Oft wird bei der Auswahl neuer Mitarbeiter fast ausschließlich auf deren fachliche Qualifikation geachtet. Denn diese lässt sich anhand »

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enn sich der neue Inhaber einer Schlüsselposition als Flop erweist, dann entstehen den Unternehmen meist hohe Kosten. Denn dann waren alle Ausgaben für die Personalsuche und -auswahl Fehlinvestitionen. Noch schwerer wiegen jedoch meist die Chaoskosten genannten Folgekosten. Denn bleibt eine Schlüsselposition längere Zeit verwaist oder wird sie unangemessen wahrgenommen, dann werden oft auch Entscheidungen zu spät getroffen und umgesetzt. Deshalb

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Investieren Sie deshalb als Personalverantwortlicher ausreichend Zeit in die Personalauswahl. Dieser Prozess beginnt beim Formulieren der Anforderungen an den „Neuen“. Sagen Sie zum Beispiel nicht einfach: „Ist doch klar, was ein Vertriebsleiter können muss.“ Überlegen Sie vielmehr: Was muss der Vertriebsleiter in unserem Betrieb konkret leisten? Denn der Vertriebsleiter eines Konzerns benötigt teils andere Kompetenzen als sein Kollege bei einem Mittelständler.

Tipp 2: Ein detailliertes Anforderungsprofil erstellen Ermitteln Sie im Vorfeld genau, welche Anforderungen der „Neue“ erfüllen muss – zum Beispiel, indem Sie den bisherigen Stelleninhaber, seine Vorgesetzen oder Mitarbeiter befragen. So lassen sich Situationen und Herausforderungen bestimmen, die für die ausgeschriebeBILDUNGaktuell 08/2016

schätzungen durch einen Persönlichkeitstest abzusichern, der unter anderem die Motive und Werthaltungen der Bewerber ermittelt. Dann steht Ihre letztendlich getroffene Personalentscheidung auf einem solideren Fundament. Berücksichtigen Sie beim Formulieren des Anforderungsprofils auch die künftigen Anforderungen. Denn Ihr Unternehmen soll sich ja entwickeln. Und der neue Mitarbeiter? Er soll vermutlich auch in fünf oder zehn Jahren noch ein Top-Mitarbeiter sein.

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der (Arbeits-)Zeugnisse und der Herausforderungen, die der Kandidat bisher bewältigte, relativ leicht bewerten. Anders ist dies bei Faktoren wie: Findet der Bewerber einen Draht zu den Kunden, Mitarbeitern oder Lieferanten des Unternehmens? Kann er Menschen für Veränderungen begeistern? Hat er ein „Feeling“ für die Notwendigkeiten in der Organisation und bewahrt er trotzdem seinen eigenen Stil? Dies zu ermitteln – also herauszuarbeiten, ob die „Chemie“ zwischen Bewerber und Unternehmen stimmt – erfordert Zeit und Energie. Doch die Mühe lohnt sich, denkt man an die Kosten und Folgeprobleme einer Fehlbesetzung.

Tipp 3: Einen Gesprächsleitfaden entwickeln

Behandeln Sie jeden Bewerber mit Wertschätzung, und nehmen Sie sich Zeit für das Gespräch. Denn nur, wenn der Bewerber Ihnen Vertrauen schenkt, öffnet er sich und offenbart Ihnen seine wahren Motive – zum Beispiel für einen Jobwechsel. ne Position typisch sind und der künftige Stelleninhaber meistern muss. Ein Beispiel: Seine Arbeitssituation ist meist durch einen hohen Zeitdruck und viele Störungen gekennzeichnet. Dann kann eine Anforderung lauten: „Der künftige Stelleninhaber arbeitet auch bei Störungen ruhig und konzentriert.“ Fragen Sie sich auch: Wodurch unterscheidet sich der ideale Stelleninhaber vom Kandidaten, den Sie keinesfalls einstellen möchten? Delegiert der Wunschkandidat zum Beispiel viele Aufgaben, während der andere das meiste selbst erledigt? Hat die „Traumbesetzung“ Spaß am Kun-

denkontakt, während sich ihr Pendant vor Kundengesprächen drückt? Analysieren Sie zudem: » Welche Einstellung braucht der „Neue“, damit er das tun kann, was von ihm erwartet wird? » Welche Konflikte könnten sich mit wem ergeben, wenn er tut, was er tun soll? » Welche persönlichen Eigenschaften braucht er, um diese Herausforderungen zu meistern? So können Sie auch die sozialen, kommunikativen und persönlichen Eigenschaften ermitteln, die der „Neue“ braucht. Hilfreich ist im Auswahlprozess oft, die eigenen, subjektiven Ein-

Leiten Sie aus dem schriftlich fixierten Anforderungsprofil einen Interviewleitfaden ab und benutzen Sie ihn in allen Auswahlgesprächen. Ein solches Strukturieren und weitgehendes Standardisieren der Gespräche gewährleistet, dass Sie am Schluss die Bewerberprofile gut vergleichen können − weil alle Bewerber dieselben Kernfragen beantwortet haben. Außerdem tappen Sie dann seltener in die Falle, dass ein rhetorisch gewandter Bewerber das Gespräch führt und Sie danach feststellen: „Verflucht, das habe ich nicht gefragt.“

Tipp 4: Den Bewerbern konkrete Aufgaben stellen Stellen Sie den Bewerbern zudem Aufgaben, die typisch für Ihr Unternehmen beziehungsweise die vakante Position sind. Zum Beispiel: „Stellen Sie sich vor, nächste Woche ist eine wichtige Messe, Ihr Exponat ist aber noch » Seite 4


nicht reif für die Präsentation. Was würden Sie tun?“ Durch solche Fragen erfahren Sie, wie die Bewerber solche typischen Problemstellungen lösen würden. Bewährt hat es sich auch, Bewerbern aktuelle Aufgaben zu stellen, vor denen das Unternehmen steht. Zum Beispiel: „Wir möchten ein neues CRM-System einführen. Wie würden Sie das angehen?“ Alternativ können Sie den Bewerber auch mit einem künftigen Kollegen über die beste Lösung diskutieren lassen und sich anschließend zum Beispiel fragen: Welche neuen Erkenntnisse gewann ich in dem Gespräch? Wie ging der Bewerber mit anderen Meinungen um? Welche Schlussfolgerungen zog er aus neuen Informationen? So wird meist schnell klar, ob der Bewerber der Richtige ist – zumindest wenn Sie Erfahrung im Führen von Gesprächen und Interviewen von Bewerbern haben.

Tipp 5: Die Gesprächsführung trainieren Untrainierte Führungskräfte erzählen in Personalauswahlgesprächen oft mehr über sich und ihr Unternehmen, als dass sie fragen. Außerdem stellen sie den Bewerbern häufig zu viele geschlossene Fragen, die diese mit „ja“ oder „nein“ beantworten können, so dass sie selbst wenig Infos erhalten. Deshalb sollten ungeübte Interviewer vorher die richtige Gesprächsführung trainieren. Das zahlt sich auch bei Mitarbeitergesprächen oder Verhandlungen mit Kunden aus. BILDUNGaktuell 08/2016

Berücksichtigen Sie beim Formulieren des Anforderungsprofils auch die künftigen Anforderungen. Denn Ihr Unternehmen soll sich ja entwickeln. Und der neue Mitarbeiter? Er soll vermutlich auch in fünf oder zehn Jahren noch ein Top-Mitarbeiter sein. Tipp 6: Einen professionellen Rahmen schaffen So vorbereitet kann im Auswahlgesprächen eigentlich wenig schief gehen. Einige Dinge sollten Sie jedoch noch beachten: Ziehen Sie zu den Gesprächen mindestens einen Kollegen hinzu. Denn dann kann die Person, die gerade nicht das Gespräch führt, auf die nonverbalen Aussagen des Bewerbers achten, die oft aussagekräftiger als die verbalen sind, und Stichworte notieren, denn nach dem fünften Interview weiß sonst niemand mehr, was der erste Bewerber sagte. Behandeln Sie jeden Bewerber mit Wertschätzung, und nehmen Sie sich Zeit für das Gespräch. Denn nur, wenn der Bewerber Ihnen Vertrauen schenkt, öffnet er sich und offenbart Ihnen seine wahren Motive – zum Beispiel für einen Jobwechsel. Dann verhält er sich auch so, wie es seiner Persönlichkeit entspricht, statt ein einstudiertes Verhalten zu zeigen.

Tipp 7: Die Gespräche nachbereiten Ebenso wichtig wie eine gründliche Vorbereitung ist eine sorgfältige Nachbereitung der Ge-

spräche. Ergänzen Sie nach jedem Gespräch Ihre Notizen. Und stellen Sie nach Beendigung der Auswahlgespräche die Ergebnisse so zusammen, dass Sie die Bewerberprofile gut mit dem Anforderungsprofil vergleichen können. Erstellen Sie, bevor Sie die Entscheidung treffen, mit Ihren Kollegen, die an den Auswahlgesprächen teilnahmen, ein Ranking der besten Bewerber. Dann haben Sie Alternativen parat, wenn Ihr Wunschkandidat absagt.

Tipp 8: Auf Verstand und Bauchgefühl vertrauen Sprechen Sie beim Erstellen des Rankings mit Ihren Kollegen auch darüber, warum Sie beim Bewerber A, obwohl er formal alle Kriterien erfüllt, ein „eher schlechtes Gefühl“ haben; außerdem beim Bewerber B den Eindruck, er könne der bessere Mitarbeiter sein, obwohl er einzelne Anforderungen nicht ganz erfüllt. Oder vergleichen Sie Ihre Eindrücke mit den Ergebnissen der Persönlichkeitstests, sofern Sie solche mit den Bewerbern durchführten. Denn selbst mit der besten Vorbereitung und Gesprächsführung erzielen Sie bei Auswahlgesprächen nie absolut objektive Ergebnisse, denn jeder

Bewerber versucht, sich möglichst positiv zu verkaufen. Das heißt, er gibt Ihnen „geschönte“ Antworten. Außerdem bilden zudem nie den Arbeitsalltag ab. Deshalb sollten Sie auch auf Ihren Bauch hören, wenn er Ihnen sagt: „Dieser Bewerber ist es trotz aller Vorzüge nicht“ – jedoch nie ohne sich zuvor zu fragen: Warum sträuben sich mir bei ihm die Nackenhaare? Sonst ist die Gefahr groß, dass Sie die funktionalen Anforderungen aus dem Blick verlieren und rein nach Sympathie entscheiden – was zu den meisten Fehlbesetzungen führt.

Und noch ein Tipp In jedem Auswahlgespräch präsentiert sich auch Ihr Unternehmen. Der Eindruck, den Sie beim Bewerber hinterlassen, beeinflusst stark dessen Entscheidung, ob er den Job annimmt. Und wenn Ihre Wege nicht zusammenführen – sei es, weil Sie sich gegen den Bewerber oder er sich gegen Sie entscheidet? Dann hängt es vom hinterlassenen Eindruck ab, ob er sich gegenüber Bekannten positiv oder negativ über Ihr Unternehmen äußert. Sich als attraktiver Arbeitgeber zu profilieren, ist gerade in Zeiten, in denen gute Fach- und Führungskräfte rar sind und bei der Stellensuche die „freie Auswahl“ haben, sehr wichtig. Christina Seitter arbeitet als Trainerin und Beraterin für die Managementberatung Müllerschön. Sie ist auf die Themen Personalauswahl, -diagnostik und -entwicklung spezialisiert. Klick! muellerschoen-beratung.de

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Führen in turbulenten Zeiten

E Was Führungskräfte in schwierigen Zeiten brauchen? Ein Mix aus Open Mind, Open Heart und Open Will hilft, einen Pakt mit der Zukunft zu schließen. Von Mag. (FH) Helmuth Fink BILDUNGaktuell 08/2016

rst kürzlich führte ich ein Gespräch mit einem Gründer und jetzigen CEO eines erfolgreichen Unternehmens. Er berichtete mir von der hohen Veränderungsgeschwindigkeit in den von ihnen bearbeiteten Märkten. Die langjährigen Erfahrungen und Lösungen aus der Vergangenheit führen in der Gegenwart immer seltener zu den gewünschten Ergebnissen. Wie sollen er und sein Unternehmen dann aber den Herausforderungen der Zukunft begegnen? Als systemischer Organisationsberater und LeadershipTrainer sind solche Gespräche und Fragen nicht neu für mich. Seit dem Beginn meiner Trainer- und Beratungstätigkeit im Jahre 2001 berichten mir Menschen von immer größeren Herausforderungen »

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in ihren beruflichen Kontexten. Auch von hoher – und weiterhin steigender – Komplexität in ihren Arbeitsbereichen. Neu jedoch ist, dass die Bewältigung der Komplexität bei den Herausforderungen meist zur obersten Priorität geworden ist. Presencing, also von der Zukunft her zu führen, ist eine hervorragende Antwort auf diese Herausforderungen. Otto Scharmer vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat mit der Theorie U – Presencing als soziale Technik eine mehr als brauchbare Antwort darauf geliefert. Die Theorie U kategorisiert den Grad der Komplexität auf vier unterschiedlichen Ebenen: » Downloading – geringe Komplexität » Open Mind – hohe (vor allem zeitliche) Komplexität » Open Heart – sehr hohe (vor allem soziale) Komplexität » Open Will – sehr sehr hohe (emergente) Komplexität

Ebene 1 – Downloading Probleme mit geringer Komplexität werden der ersten Ebene zugeordnet. Hier passen die Erfahrungen und Lösungen aus der Vergangenheit meist noch ganz gut. Bei meinen Vorträgen und Seminaren erzähle ich manchmal die Geschichte vom morgendlichen Zähneputzen. Ich putze meine Zähne seit Jahrzenten auf – mehr oder weniger – dieselbe Art und Weise. Wie diese Tätigkeiten in der Vergangenheit zum Erfolg geführt haben, darf ich dies auch jetzt BILDUNGaktuell 08/2016

und in Zukunft vermuten. Bei genauerem Hinsehen beginnt auch hier die Ebene Downloading zu wanken, da sich die Qualität der verwendeten Zahnbürsten und -pasten vermutlich weiterentwickelt haben. Aber diese Diskussion wäre wohl mit einer Expertin, einem Experten aus dem Bereich Mundhygiene oder einem Zahnarzt, einer Zahnärztin zu führen. Trotzdem lässt sich nicht von der Hand weisen, es gibt – je nach Arbeitsbereich mehr oder weniger – Probleme, denen wir mit gewohnheitsmäßigen Routinen ganz gut begegnen können.

Ebene 2 – Open Mind Probleme mit hoher – vor allem zeitlicher – Komplexität werden der zweiten Ebene zugeordnet. Otto Scharmer bringt hier als Beispiel das Thema Luftverschmutzung. Unsere Handlungen von heute wirken zu großen Teilen erst in der Zukunft. Um Problemen auf dieser Ebene adäquat zu begegnen, braucht es ein Öffnen des Denkens. Mit lösungsorientierten Denkprozessen lassen sich hier gute Wege finden. Je nach Team- oder Organisationskultur erscheint beim Eintreten auf die Ebene des Open Mind manchmal die Stimme des Urteils als Hindernis. „Ja, aber ...“ oder „Das haben wir aber schon immer so gemacht!“ sind nur beispielhaft für das Markieren dieser Hindernisse zu erwähnen. Auch wenn diese Stimme des Urteils oft das Eintauchen in einen intensiven und offenen Denkprozess bremst oder verhindert, sind meiner Erfahrung nach viele Menschen, Teams und Organisationen noch ganz gut beim Eintauchen bis auf die zweite Ebene.

Ebene 3 – Open Heart Wenn jedoch viele Personen oder Anspruchsgruppen (auch Stakeholder genannt) beim Finden einer Lösung berücksichtigt werden müssen, befindet man sich im Bereich sehr hoher (sozialer) Komplexität. Um für solche Herausforderungen passende Lösungen zu finden, genügt es weder sich mit gewohnten Antworten und Routinen (Downloading) zu rüsten, noch mit Denken (Open Mind) alleine den Herausforderungen zu begegnen. Auf dieser Ebene braucht es ein Öffnen des Herzens. Man muss die Bedürfnisse der Stakeholder erst mal wahrnehmen und erkennen, um diese bestmöglich erfüllen zu können. Die emotionale Kompetenz nach Goleman (EQ) bietet uns hier einen guten Rahmen, um die erforderlichen Kompetenzen auf dieser Ebene zu entwickeln. Hier taucht manchmal – sowohl bei individuellen Lern- und Entwicklungsprozessen als auch auf der Ebene der Gruppe oder Organisation – die Stimme des Zynismus als Hindernis auf. Es würde den Rahmen des Artikels sprengen hier näher auf Zynismus einzugehen, nur in aller Kürze, Zynismus bewirkt eine emotionale Distanz zum Problem. Genau diese Distanz hindert jedoch daran, in Lösungs- oder Entwicklungsprozesse auf dieser Ebene einzutauchen.

Ebene 4 – Open Will Die unterste Ebene des U zeichnet sich durch das Öffnen zur Quelle hin, dem Loslassen und in der Folge dem Entstehenlassen aus und wird von Otto Scharmer auch Presencing genannt.

Voraussetzung dafür ist das Zulassen neuen Denkens (Open Mind) und das Eingehen auf die Bedürfnisse und Emotionen (Open Heart) des Gegenübers. Die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit auf die innerste Quelle zu richten, sich mit der höchstmöglichen Zukunft zu verbinden, erfordert eine besondere Art des Zuhörens und des Wahrnehmens (Open Will). An diesem Punkt verbinden sie sich mit ihrer höchstmöglichen Zukunft und lösen die Herausforderungen von der Zukunft her. Die Stimme der Angst kann das Hindernis auf dieser Ebene sein. Nachdem es Ihnen – oder Ihrem Team – gelungen ist, sich mit der innersten Quelle und der Zukunft zu verbinden, gilt es jetzt die neuen Lösungen ins Handeln zu bringen. Erste Schritte werden skizziert und möglichst flott ins Tun gebracht. Prototypen entwickelt. Otto Scharmer spricht hier von Version 0,8. Ich stelle meinen Kundinnen und Kunden oft die Frage: „Safe enough to try?“ Es gilt dann ohnehin – im Tun – die Lösung(en) iterativ weiterzuentwickeln. Mag. (FH) Helmuth Fink, MBA, ist systemischer Organisationsberater und Netzwerkpartner der Beratergruppe Neuwaldegg. Er ist spezialisiert auf Strategie- und Markenentwicklung sowie Leadership-Development. Von 6. bis 7. Oktober 2016 hält er das Seminar „Von der Zukunft her führen - Theorie U“. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.wifiwien.at/241866 Klick! www.fink-friends.at ÒÒ Klick! www.wifi.at/managementforum ÒÒ Seite 7


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ALLES ZU SEINER ZEIT Work-Life-Balance als Hilfe für die Erfüllung unserer Ansprüche? Wir sollten uns vielmehr dem Wechsel von guten und weniger guten Zeiten im Leben stellen. Von Rolf Schmiel

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op-Managerinnen, die vom Morgengrauen bis zum späten Abend im Einsatz sind. Unternehmensgründer, die ihre Existenz aufs Spiel setzen und in schlechten Zeiten ihre Altersvorsorge riskieren. IT- Enthusiasten, die über Jahre wie besessen kaum etwas anderes tun als zu programmieren, und Sportler, die trotz Schmerzen Tag für Tag ein hartes Trainingsprogramm durchziehen. Wenn das das Ergebnis von Motivation ist, mag man dann überhaupt noch topmotiviert sein? Wo bleibt da die viel beschworene Work-LifeBalance? » BILDUNGaktuell 08/2016

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Vor einiger Zeit stolperte ich über einen Artikel zum Thema „Die erschöpfte Familie”. Alle Mitglieder, ob Vater, Mutter, Teenagertochter oder kleiner Bruder, alle waren unzufrieden, alle klagten über Stress und zu wenig Zeit. Schließlich wolle man neben Arbeit und Schule beziehungsweise Hausaufgaben ja auch regelmäßig zum Handball beziehungsweise zum Yoga, und auch der Kirchenchor sei wichtig, und übers Smartphone bis spätabends mitzuchatten sei quasi Teenagerpflicht, und jeden Tag müsse gesund gekocht werden, und der Musikunterricht der Kinder und das Ballett und die Fahrdienste und die Verpflichtungen im Kindergarten … Ein wenig klang das nach einem Vierjährigen, der sich beim Kindergeburtstag durch das gesamte Süßigkeitenangebot gefuttert hat und sich hinterher bitter beklagt, dass ihm übel wird. Mein Eindruck ist: Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Menschen alles wollen, und BILDUNGaktuell 08/2016

der Hand hielt, hätte gewarnt sein können: In dem Moment, als der Kleine endlich das Meer sehen konnte, war da – gar nichts. Es herrschte schlicht Ebbe. Die Fröhlichkeit des Jungen war wie weggeblasen. Wütend schmiss er seinen Eimer hin und rief vorwurfsvoll: „Oma! [Pause] Kein Wasser!!” Dann brach er in Tränen aus. Er war durch nichts zu überzeugen, dass das Wasser „wiederkommen” würde, und blieb am Boden zerstört.

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Ich halte nicht viel von „Work-Life-Balance”. Die Metapher des Balancierens evoziert eine heikle Gratwanderung mit der dauernden Gefahr, abzustürzen, und das entspricht ja durchaus der Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Tagtäglich versuchen sie, eine Reihe von Ansprüchen unter einen Hut zu bringen, Karriere, Familie, Interessen. Das klappt, solange nichts schiefgeht. Da im Leben jedoch regelmäßig etwas schiefgeht, ist es aus mit der Balance, sobald ein Projekt unerwartet mehr Zeit braucht, ein Kind krank wird oder der Chef wechselt. Dann stürzt die wackelige Alltagsorganisation zusammen wie ein Kartenhaus.

Unterschiedliche Lebensphasen verlangen unterschiedliche Schwerpunktsetzungen, will man nicht unter dem Druck der eigenen Ansprüche einknicken. zwar sofort. Work-Life-Balance ist zum untauglichen Versuch verkommen, stetig wachsende Ansprüche doch noch irgendwie unter einen Hut zu bringen. „Alles hat seine Zeit”, heißt es dagegen in der Bibel, Prediger Salomo: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit” lauten die Verse 1 und 2, und nach einer langen Aufzählung schließt Salomo: „Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt, als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.” Das

klingt wie ein moderner Aufruf zu mehr Achtsamkeit und Gelassenheit. An die Stelle des „Alles auf einmal” der WorkLife-Balance möchte ich ein Gezeitenmodell des stetigen Wandels setzen: die Work-Life-Tides. Vor einiger Zeit war ich in einem Kongresshotel an der Nordseeküste von einem Konzern als Redner gebucht. In einer Veranstaltungspause spazierte ich die nahe Seepromenade entlang. Schon von Weitem wurde ich auf einen hüpfenden Dreijährigen aufmerksam, der fröhlich einen Plastikeimer schwenkte und dabei in Endlosschleife sang „Wir geh’n ans Wasser! Wir geh’n ans Wasser!” Mehr Motivation geht nicht. Doch die ältere Dame, die den Knirps an

Work-Life-Tides bedeutet: Unterschiedliche Lebensphasen verlangen unterschiedliche Schwerpunktsetzungen, will man nicht unter dem Druck der eigenen Ansprüche einknicken. Das setzt eine reife Persönlichkeit, eine bewusste Lebensplanung und die Zuversicht voraus, dass die Zeit für andere Vorhaben schon kommen wird. Ein prominentes Beispiel für ein derartiges Lebenskonzept ist Tennisstar Steffi Graf, die als Leistungssportlerin beeindruckende Erfolge feierte, sich dann auf die Familie konzentrierte und nach einigen Jahren als Geschäftsfrau aktiv wurde. Ein anderes ist Bill Gates, der all seine Kreativität zunächst in das Computergeschäft investierte und sich heute mit ähnlicher Verve sozialen Fragen widmet. Work-Life-Tides bedeutet auch, sich dem Wechsel von guten und weniger guten Zeiten im Leben zu stellen. Die Glücksgöttin Fortuna wird oft mit einem Rad abgebildet, das sie dreht und das dieses Auf und Ab symbolisiert. Wer heute obenauf ist, kann morgen schon in eine » Seite 9


Krise stürzen, durch Krankheit, geschäftliche Fehler, privates Unglück. Entscheidend ist, sich den Glauben zu bewahren, dass es auch wieder aufwärts gehen kann – dass das Rad sich weiterdreht, dass das Meer zurückkommt, selbst wenn gerade Ebbe ist. Menschen mit hoher Resilienz bewahren sich diesen Glauben und tun gleichzeitig etwas dafür, dass das Blatt sich wieder wendet. Sie legen nicht einfach die Hände in den Schoß und warten. Wer sich der Gezeiten des Lebens bewusst ist, denkt bei Flut schon an die Ebbe und bleibt bei Ebbe zuversichtlich, dass das Wasser schon wiederkommen wird. Er wappnet sich in jeder Phase innerlich für die nächste und trifft konkrete Vorbereitungen. Man braucht Geduld und einen langen Atem, wenn man sein Leben im Einklang mit dem Wechsel der Gezeiten führen will. Die im

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Grunde konservativen Erfolgsrezepte der Senkrechtstarter – Willensstärke und Hartnäckigkeit, Fokus und Konzentration, Opfer- und Risikobereitschaft, sich weiterentwickeln und den richtigen Mentor suchen – illustrieren dies. Für Sie kann das bedeuten, sich klar darüber zu werden, was in der jeweiligen Lebensphase im Vordergrund stehen soll und in welches Projekt Sie Ihre meiste Kraft investieren wollen. Wenn Sie beruflich nach den Sternen greifen, ein Unternehmen gründen oder 10.000 Stunden in Ihr Talent investieren wollen, ist das vermutlich nicht die beste Zeit, um gleichzeitig noch ein Haus zu bauen und sich aktiv in die Kindererziehung einzubringen. Alles auf einmal geht nicht – es sei denn, Sie haben einen Partner, der Ihnen erlaubt, sich auf Ihr Vorhaben zu konzentrieren, ohne Sie jeden Sonntag mit Vorwürfen zu überhäufen. Ein Mal „Tsjakkaa“ zu rufen und kurzfristig zu Hochform aufzulaufen reicht nicht. Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Senkrechtstarter – Wie aus Frust und Niederlagen die größten Erfolge entstehen“ von Rolf Schmiel, erschienen 2014 im Campus Verlag. „Der Psychologe unter den Motivationstrainern” (Süddeutsche Zeitung) ist seit 1999 als selbstständiger Berater, Dozent und Kongressredner tätig. Zu Rolf Schmiels Kunden gehören internationale Konzerne und traditionsreiche Mittelständler. Klick! www.rolfschmiel.de ÒÒ Klick! www.campus.de ÒÒ Seite 10


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