Biorama Niederösterreich #2 (Sommer 2018)

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BIORAMA SPECIAL — JULI/AUGUST 2018. WWW.BIORAMA.EU

DI E N I E DE RÖS T E R R E IC H A U SG A BE #2

Wie die Sojabohne nach NÖ kam. St.Pölten 2024: Wie soll die Landeshauptstadt europäische Kulturhauptstadt werden? Waldbrände: Was bedeutet der Klimawandel für die Feuerwehr? Green Controlling: Messen Gemeinden ihren ökologischen Fußabdruck?

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BIORAMA NÖ

EDITORIAL, IMPRESSUM

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BIORAMA IM ABO DI E NI ED ÖS TE ER RR AU SG EI CH AB E #2

Wie die Sojabohne nach NÖ kam. St.Pölten 2024: Wie soll die Landeshauptstadt europäische Kulturhauptstadt werden? Waldbrände: Was bedeutet der Klimawandel für die Feuerwehr? Green Controlling: Messen Gemeinden ihren ökologischen Fußabdruck?

N

icht, dass es Artikel und andere spannende Geschichten aus Niederösterreich nicht auch sonst oft und gerne in unsere regulären biorama-Ausgaben schaffen würden. Mit Redaktionsmittelpunkt Wien ist uns Niederösterreich naheliegenderweise mehr als bloß Umgebung. Einige in unserem Team haben das die Hauptstadt umfassende Bundesland sogar als Hauptwohnsitz auserkoren. Weshalb wir uns oft genug mäßigen müssen, dass biorama in gedruckter Form wie auch online nicht zu niederösterreichisch ausfällt. Dass wir Herkunft und Lebensmittelpunkt nicht verleugnen, versteht sich von selbst. Eine allzu große regionale Schlagseite wäre unseren Leser*innen im Rest der deutschsprachigen Welt gegenüber dann aber doch schwer zu argumentieren. Weil es aber in und aus Niederösterreich Berichtenswertes ohne Ende gibt und weil das Feedback auf unsere erste NÖ-Sonderausgabe 2017 (nachzulesen unter issuu.com/biorama) ein durchwegs positives war, haben wir ein ganzes Jahr lang Stories und interessante Ideen gesammelt. Nicht wenige Hinweise – etwa jener auf die Green-Controlling-Studie über Niederösterreichs Gemeinden (siehe Seite 49) – kamen unmittelbar von euch, in Feedback-Mails. Und so habt ihr nun unsere zweite Regionalausgabe vor euch liegen mit der von Thomas Stollenwerk verfassten Coverstory über Soja aus Österreich und die Geschichte der niederösterreichischen Sojakultur als journalistisch nahrhaftem Kernstück. Doch lest selbst. Abschließend sei noch gesagt, dass unsere nächste Niederösterreich-Ausgabe spätestens im Frühsommer 2019 erscheint. Das Sammeln von interessanten Stories beginnt damit genau JETZT!

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber

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Eigentlich sollten auf dem Cover dieses Heftes Sojasprossen zu sehen sein. Doch dann haben wir gelernt, dass das, was man im Deutschen Sojasprosse nennt, in aller Regel eigentlich eine Mungbohnen-Sprosse ist, die mit Soja wenig zu tun hat. Und so haben wir uns dann doch für die Cover-Variante mit Sojabohnen entschieden.

biorama im Abo: 6 Ausgaben /Jahr für nur EUR 25,— monopol.at/shop IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEUR Thomas Stollenwerk AUTOR*INNEN Franziska Bechtold, Micky Klemsch, Thomas Stollenwerk, Thomas Weber, Magdalena Wurth, Irina Zelewitz GESTALTUNG Michael Mickl, Lisa Weishäupl COVERBILD istock.com / ithinksky ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Emma Eminenz, Micky Klemsch, Bernadette Schmatzer, Thomas Weber DRUCK NP Druck Gesellschaft mbh, Gutenbergstraße 12, 3100 St.Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT www.biorama.eu, redaktion@ biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT siehe Website: www.biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 1x jährlich ERSCHEINUNGSORT Wien

BLATTLINIE Biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für Mensch und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint sechsmal im Jahr.

FOTO Michael Mickl

FEEDBACK MIT FOLGEN

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BIORAMA NÖ

AUFTAKT

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INHALT

03 Editorial 06 Bild der Ausgabe 09 Splitter Kleine und Große Initiativen und Projekte aus NÖ 12 Kleine und Große Initiativen und Projekte aus NÖ Wo Umweltschutz regionales Politikum ist

Magazin

Entgeltliche Einschaltung des NÖ Gesundheits- und Sozialfonds

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14 Alles, was keine Flügel hat Über Barrierefreiheit im Tierreich 16 Vernetzt in alle Welt NÖs Partnerstädte 18 »Der Titel kann so viele Dinge in Bewegung bringen« Gespräch über Sankt Pöltens Kulturhauptstadt-Ambitionen 24 Alles für die Fisch’ Fische als Treppensteiger 26 Die Bohnen, die aus dem Osten kamen Eine Feldfrucht mit fernöstlichen Wurzeln 29 Der erste Sojaboom liegt 140 Jahre zurück Interview zur Geschichte eines ewigen Newcomers 32 Waldviertel Longhorn Wie Wildwest-Rinder ins Waldviertel kommen 36 Pilze selbst anbauen Wie man zum Sporenzüchter wird 40 »Für uns ist das leider inzwischen Normalität« Was der Klimawandel für die Feuerwehren in NÖ bedeutet

niederösterreich hat eine überraschend lange tradition im sojaanbau. Der Historiker Georg Weissenböck erforscht sie.

44 Marktplatz NÖ Kreatives, Etabliertes und Neues aus Niederösterreich 46 Radius 66 Kilometer Gastwirt Joseph Floh im Interview 46 Marktplatz Food Köstliches aus Niederösterreich 48 Was man nicht misst, kann man nicht verwalten Umweltkennzahlen in NÖGemeinden 50 Streettalk

BILDER istock.com / Zora Zhuang

Rubriken

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MIT EUCH

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LOS GEHT’S!

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Leben pur

BILDER Zora Zhuang

ZEIG PROFIL!

Im Leben und auf einem der 60 »tut gut«-Wanderwege. Los geht‘s hier: www.noetutgut.at

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BILD DER AUSGABE

BILD Martin Zellhofer

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07 RUIN PORN

AM ABSTELLGLEIS »Dieses Bild entstand im Sommer 2017 an der 20 Kilometer langen Strecke von Sigmundsherberg im Waldviertel nach Zellerndorf im Weinviertel«, erinnert sich Martin Zellhofer. Genau am Tag der Aufnahme feierte die 1872 eröffnete Strecke ihren von der Öffentlichkeit nicht beachteten 145. Geburtstag. 1988 fuhr dort der letzte reguläre Personenzug, 1998 endete auch der Güterverkehr. 300 Kilometer Nebenbahnen gab es einst im Weinviertel. »Einige gibt es wohl zu Recht nicht mehr«, meint Zellhofer. Bei anderen hätten sich eine Modernisierung, vernünftige Fahrpläne und modernes Wagenmaterial ausgezahlt. Gemeinsam mit seinem Vater Karl blickt er im Bildband »Verschwundene Eisenbahnen im Weinviertel« (Edition Winkler-Hermaden) nostalgisch zurück auf Nebenbahnen, Haltestellen und Bahnhofswirtshäuser, die es nicht mehr gibt. Was die Strecke Sigmundsherberg-Zellerndorf so besonders macht: Im Gegensatz zu den meisten anderen eingestellten Lokalbahnen liegen hier noch Schienen – weshalb sich eine Initiative nun darum bemüht, sie zumindest touristisch wieder in Betrieb zu bringen. THOMAS WEBER

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Feiern Sie mit uns!

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BILDER ENU, F. Hardegg

Zwentendorf 1978 40 Jahre Anti-Atom

© EVN, mycola - Istockphoto.com

www.enu.at/40jahre-atomfrei


BIORAMA NÖ

SPLITTER

09 SÄUGETIERE IN NIED

ERÖSTERREICH

Großes Mausohr (Myotis Wasserfledermaus (Myotis Wimperfledermaus (Myotis Bechsteinfledermaus (Myotis

Kleine Hufeisennase (Rhinolophus Graues Langohr (Plecotus Mopsfledermaus (Barbastella Großer Abendsegler (Nyctalus

myotis)

daubentonii)

emarginatus)

bechsteinii)

hipposideros)

austriacus)

barbastellus)

noctula)

Birkenmaus (Sicista betulina) Sumpfwühlmaus (Microtus Zwergmaus (Micromys Haselmaus (Muscardinus

oeconomus)

minutus)

avellanarius)

Feldhamster (Cricetus cricetus) Ziesel (Spermophilus citellus)

Siebenschläfer (Glis glis) Baumschläfer (Dryomys

nitedula)

Baummarder (Martes martes) Steinmarder (Martes foina) Waldiltis (Mustela putorius) Fischotter (Lutra lutra)

Wildkatze (Felis silvestris) Luchs (Lynx lynx) Biber (Castor fiber)

Niederösterreich“ zeigen mehr Arten. Mit „Naturland verschwinden immer Schutz tun kann! lebenswichtig, doch weltweit leben und aussehen und was man für ihren Arten. Biologische Vielfalt ist Nachbarn gefährdete und geschützte wie unsere tierischen Säugetiere, insbesondere kleine Auswahl heimischer Das Poster zeigt eine

BILDER ENU, F. Hardegg

© EVN, mycola - Istockphoto.com

St. Pölten Grenzgasse 10, 3100 und Umweltagentur Betriebs-GmbH, Silvia Osterkorn-Lederer Impressum: NÖ EnergieMag. Franz Maier, Mag. Bürger, Dr. Michael Fusko, • 1. Auflage, April 2018 Redaktion: Mag. Katharina Khil MSc, www.leanderkhil.com gestattet. • Grafik & Layout: Leander auszugsweise, sind nicht Illustration: Szabolcs Kókay • Vervielfältigungen, auch Khil Gesm.b.H., www.khil.at Herstellung: Druckerei

wir auf,

www.naturland-noe.at

POSTER

NAHVERSORGUNG

DER WOLF UND DAS MUFFLON

TANKSTELLENSHOP ALS BIOLADEN

Nicht im Bilde: Warum der Wolf und das Mufflon auf dem offiziellen neuen Poster der »Säugetiere in NÖ« fehlen.

Wie ein Biobauer eine Gemischtwarenhandlung als Bio- und Regionalladen wiederbelebt und dabei auf die Frequenz einer Diskonttankstelle setzt.

Umweltbildung bedeutet immer auch Fokussierung. ngos fokussieren deshalb gerne auf Schirmarten. Das sind für Spender besonders attraktive Tiere wie Panda (wwf) oder Fischotter (Naturschutzbund), von deren Schutz tausende andere Arten profitieren. Auch für die beliebten Poster häufiger oder seltener Tiere stellt sich stets die Frage: was weglassen? Darauf musst auch die Energie- und Umweltagentur NÖ (enu) Antworten finden als sie beim Illustrator Leander Khil das neue Poster der Säugetiere im Lande beauftragte. Keine leichte Entscheidung, zumal manche Arten verschwinden (Teichfledermaus), während andere – wie Waschbär oder Goldschakal – neu einwandern. »Weggelassen haben wir eingebürgerte Arten wie Kaninchen, Damhirsch sowie Mufflon«, erläutert Franz Maier (enu). Besonders bekannte Arten wie Reh und Hirsch fehlen ebenso. Wolf, Elch und Wildkatze seien zwar »laut Säugetierfauna Österreichs noch nicht endgültig auf österreichischem Territorium etabliert. Die Wildkatze haben wir aber auf unser Poster aufgenommen, weil sie im Nationalpark Thayatal eigentlich schon etabliert ist« THOMAS WEBER Poster (A1 gefaltet auf A4) gratis via www.enu-bgmbh. at/saeugetiere-in-noe beziehbar.

350 Seelen zählt die Gemeinde Schwarzenbach. Wie viele in der Gegend leidet sie unter starker Abwanderung. Für die Dagebliebenen wird das Leben nicht leichter. Dass das Kaufhaus Pauser – seit 1908 als Gemischtwarenhandlung geführt, seit 1955 mit Tankstelle – nach der Pensionierung seines Betreibers einfach so zusperrt, wollte der Land- und Forstwirt Friedrich Hardegg nicht einfach so hinnehmen. Der nächste Supermarkt liegt 15 Kilometer entfernt, »und für kleine Gemeinden am Land ist ein Laden auch ein wichtiger Kommunikationspunkt, in dem man auch Kaffee oder ein Bier trinken kann.« Also übernahm er die Immobilie, investierte in eine zeitgemäße Tankstelle – und baute sie zum Regional- und Bioladen um – eine Plattform für regionale und die eigene Bio-Landwirtschaft. »Als Biorinderzüchter habe ich das Ziel, den Bioanteil künftig noch weiter zu erhöhen«, gesteht Hardegg. »Gleichzeitig sind 80 Prozent der Leute im Ort Bauern, die ich auch abholen möchte und muss.« Vormittags geöffnet ist derzeit montags, freitags und samstags; nachmittags mittwochs, donnerstags und freitags. Dienstag bleibt der Laden geschlossen. Rund um die Uhr in Betrieb: die Tankstelle. THOMAS WEBER bioland.at

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PROMOTION

Info: Museumsdorf Niedersulz 2224 Niedersulz 250 info@museumsdorf.at www.museumsdorf.at Tel: +43 2534/ 333 Öffnungszeiten: 15. April bis 1. November 2018, täglich von 9.30 bis 18.00 Uhr

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Alte Weinviertler Bauernhöfe, Handwerkerhäuser, ein Wirtshaus und eine Schule, Keller und Kellergasse aus zwei Jahrhunderten wurden im Museumsdorf Niedersulz originalgetreu wieder errichtet. Einzigartig sind auch die farbenprächtigen Bauerngärten im Museumsdorf. Die Blumen-, Kräuter-, und Gemüsegärten werden mit authentischen Pflanzenraritäten und regionaltypischer Flora kultiviert. Jede Menge Atmosphäre zum Chillen & Entschleunigen!

© Museumsdorf Niedersulz / Christoph Wannerer

WIE WAR DAS DAMALS?


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SPLITTER

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TRADITION

BUCH

OMAS KÜCHEN-KNOW-HOW

TERRA INKOGNITA

Die Initiative »So schmeckt Niederösterreich« möchte den Wissensschatz der Groß- und Urgroßeltern bewahren – und sammelt nun Know-how.

»111 Orte im Waldviertel, die man gesehen haben muss« ermöglicht selbst Einheimischen, das Waldviertel neu zu entdecken.

Keine Frage: Die Vielfalt und Fülle an Lebensmitteln, die uns aus aller Welt zur Verfügung stehen, sind erfreulich. Was wir oftmals vergessen und was insgesamt in Vergessenheit zu geraten droht: dass und wie es unseren Urgroßeltern möglich war, mit begrenzten Möglichkeiten und dem, was saisonal an Lebensmitteln verfügbar war, Abwechslung auf den Teller zu zaubern. Zwar entdecken zusehends auch ambitionierte Food-Blogger*innen den Charme regionaler Rezepte, des Fermentierens, Konservierens oder die kreative Restlküche. Doch im Alltag fehlt vielen Menschen die Zeit zu kochen. Fertigkeiten werden nicht mehr von Generation zu Generation weitergegeben und so geht viel Wissen – und vor allem auch praktische Kniffe – verloren. Die Initiative »So schmeckt Niederösterreich« hat deshalb gemeinsam mit dem orf Niederösterreich die Aktion »Mahlzeit: Früher schon geschmeckt, heute wieder entdeckt« gestartet. Als Bewegung gedacht, die irgendwann auch einmal in einem Kochbuch münden soll, werden nun Rezepte und nützliches Koch- und Küchenwissen gesammelt und von Ort zu Ort regionale Besonderheiten dokumentiert. Teilnahme ist ausdrücklich erwünscht – und empfohlen. THOMAS WEBER soschmecktnoe.at

»Wenn es um Öffnungszeiten geht, ist das Waldviertel eine Destination für die warmen Monate«, meint Johanna Uhrmann. Im Winter ist vieles geschlossen. Doch die Natur hat ganzjährig Saison und viele der 1.000 Teiche und 300 Burgen und Schlösser, die im Wald versteckt sind, sind auch frei zugänglich. »Empfehlenswert ist etwa eine Fahrt durch den Truppenübungsplatz Allentsteig, wenn gerade keine Schießübungen stattfinden.« Dass das Waldviertel eine Region für Entdecker*innen ist, beweist der Band »111 Orte im Waldviertel, die man gesehen haben muss«, den die Grafikdesignerin und Kunsthistorikerin gemeinsam mit ihrem Mann, dem Autor Erwin Uhrmann, recherchiert hat. Damit ist den beiden ein im besten Sinne kurzweiliger, liebevoller, insgesamt untypischer Reiseführer gelungen. Selbst Einheimische werden darin viel Neues entdecken. Klassischen Sehenswürdigkeiten gewinnen sie oft vernachlässigte Aspekte ab. Wirtschafts- und Sozialgeschichte – etwa die Lebensumstände des legendären Räuberhauptmanns Grasl – wird erlebbar. »Die schönste Erfahrung«, erinnert sich Erwin Uhrmann an die Recherche, »war die Offenheit der Menschen im Waldviertel.« Auch die ist ganzjährig spürbar. THOMAS WEBER

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UMWELTBAUSTELLEN

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FÜNF UMWELTBAUSTELLEN IN NIEDERÖSTERREICH

Thomas Stollenwerk

An diesen fünf Orten wird Umweltpolitik zum großen Thema.

Dezentrale Stromerzeugung soll ein Pfeiler der Energiewende sein, um die Energieversorgung unabhängig von Großkraftwerken und Konzernen zu machen. Einen Beitrag dazu soll die Kleinwasserkraft leisten, die bisher an über 5.000 Standorten für rund 10 Prozent des österreichischen Stroms sorgt. Das hat zur Folge, dass die Flüsse statistisch alle 800 Meter durch ein Kraftwerk unterbrochen sind. Umweltschützer sind deshalb nicht begeistert davon, immer mehr Wasserkraftanlagen mit geringem Wirkungsgrad zu errichten. Denn die Turbinen haben Einfluss auf die Ökosysteme. Im Kamptal möchte Energieversorger evn das Kraftwerk Rosenburg deutlich erweitern. Die Aktionsgruppe Lebendiger Kamp möchte die Schönheit und Artenvielfalt des Kamps erhalten und eine weitere Aufstauung zum Zwecke der Stromproduktion verhindern: »Wir lehnen es ab, für eine dürftige Steigerung in der Stromausbeute eines unserer letzten intakten Flussheiligtümer zu schädigen. Wir weisen es zurück, so ein Vorhaben auch noch als ökologisch optimierte Revitalisierung zu verharmlosen.«

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2. DRITTE PISTE Der Wiener Flughafen auf dem Boden der Gemeinde Schwechat möchte wachsen. Ganz oben auf der Wunschliste: eine dritte Start- und Landebahn. Dass Fliegen für Umwelt und Klima desaströse Folgen hat, ist längst kein Geheimnis mehr. Und so sehen Umweltschützer*innen den Flughafenausbau mehr als kritisch. In der Debatte prallen verschiedene öffentliche Interessen aufeinander. Befürworter*innen der dritten Piste sehen in ihr einen Garanten für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Dass der Klimaschutz ebenfalls im öffentlichen Interesse liegt, scheint nebensächlich. Es geht ja schließlich um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Wien und Niederösterreich. Die Gerichte haben die Befürworter*innen der dritten Piste offenbar auf ihrer Seite. Der Verfassungsgerichtshof entschied im Juni 2017 und final im März 2018 zugunsten der Rechtmäßigkeit der Flughafenerweiterung. »Durch den Bau der dritten Piste werden sich die CO2-Emissionen bis 2025 gegenüber dem Wert von 2003 am Standort Wien-Schwechat laut Einreichunterlagen um 250 Prozent erhöhen«, erklärt die ngo Global 2000. Allen politischen Bekenntnissen zum trotz: Geht es ums Wirtschaftswachstum, bleiben Umwelt und Klima offenbar Randfaktoren.

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1. KAMPTAL-WASSERKRAFT

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3. LOBAU-TUNNEL

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Ein weiteres Projekt, bei dem ein Gericht – in diesem Fall das Bundesverwaltungsgericht – die Einwände von Umweltschützer*innen abgewiesen hat, ist der geplante Bau des Tunnels durch die Wiener Lobau. Damit soll der Wiener Autobahnring geschlossen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Bauherrn, der Asfinag, Umweltauflagen erteilt, die erfüllt werden müssen – dann steht dem Bau rechtlich wohl nichts mehr im Wege. Einer der größten Fürsprecher des Projekts ist seit Jahren die övp Niederösterreich. Die Partei lässt wissen: »Wir in der Region kämpfen seit mittlerweile über 10 Jahren für die Lobau-Querung. Der Tunnel bringt eine unglaubliche Erleichterung für die Verkehrsströme in der Region und mehrere zehntausend Pendler am Tag. Der Lobau-Tunnel ist eine wichtige Grundlage und Voraussetzung, um Niederösterreich und Wien besser zu verbinden und die Region Marchfeld nachhaltig zu entlasten – immerhin eine der am schnellsten wachsenden Regionen Europas.« Die Logik hinter dem Bauprojekt ist klar: Mehr Platz für Autos ist gleich Entlastung. Wie effizient Straßen genutzt werden, scheint kaum relevant. Ob hier zukunftsweisende Verkehrsplanung betrieben wurde, kann bezweifelt werden.

4. DONAUWASSER MARCHFELD Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Marchfeld entwässert, um es für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Der Grundwasserspiegel wurde deutlich abgesenkt und das Weinviertel zu einem weitgehend trockenen Landstrich gemacht. Wertvolle Lebensräume wurden zerstört, viele Pflanzen- und Tierarten verloren ihre Lebensgrundlage. Hundert Jahre später ist die Region phasenweise zu trocken. Und deshalb wünscht sich die Landwirtschaftskammer Niederösterreich, die Donau anzapfen zu können, um ihr Wasser für die industrielle Landwirtschaft zu nutzen. Die Grünen kürten diesen Vorschlag im September 2017 zum Schildbürgerstreich des Monats. »Die Landwirtschaft muss sich der Natur anpassen. Nicht umgekehrt«, erklärten sie damals ihre Ablehnung des Donauwasser-Projekts. Auch »weil immense Kosten für Pipelines aufgebracht werden müssen, um Donauwasser zu transportieren, obwohl

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uns allen klar sein muss, dass dies nicht die Lösung für die Klimakrise sein kann. Dort, wo wir einst Dürre beklagten, ist heute Hochwasser. Wir haben das schon so oft erlebt. Und dann? Die Natur ist unberechenbar. Wir können nur mit ihr arbeiten – nicht gegen sie«.

5. WALDVIERTEL-AUTOBAHN Der ehemalige Landeshauptmann Erwin Pröll war noch dezidiert dagegen. Seit seine Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner im Amt ist, wird die Idee einer Autobahn quer durchs Waldviertel wieder vorangetrieben. Und es wurde auch ein klangvoller Name dafür ersonnen: »Europaspange«. Sie soll dereinst von Stockerau über Hollabrunn und Horn bis nach Gmünd führen, um so die S3 mit der S10 zu verbinden. Was für die Autobahn spricht, sind vor allem ökonomische Interessen. Verkehrsplanerisch ist ein Nutzen des Projekts allerdings umstritten. »Für uns hat eindeutig der Ausbau der Franz-Josefs-Bahn Vorrang und nicht eine landschaftszerschneidende Autobahn durch unser Bundesland«, sagt die Landesvorsitzende der Grünen Helga Krismer zum Projekt. Die neos finden die Idee einer neuen Autobahn allgemein gut und sehen darin einen »Chancenmotor«. Die Pinken wollen aber zunächst einmal wissen, was die »Europaspange« denn kosten soll. Bis das Autobahnprojekt wirklich konkret wird, dürfte es noch dauern. Und wenn die Anwohner*innen der geplanten Trassenführung durchs Waldviertel konkrete Pläne zu sehen bekommen, dürften auch kritische Nachfragen nach Kosten, Sinn und Zweck der Autobahn vermehrt zum Thema werden.

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GRÜNBRÜCKEN

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Thomas Weber

Thomas Weber

ALLES, WAS KEINE FLÜGEL HAT Vom Wechsel bis in die Karpaten sollen sich Hirsch, Reh und Hase, Wolf, Luchs und Bär künftig entlang von Korridoren bewegen. Grünbrücken erhalten auch über Autobahnen hinweg den genetischen Austausch.

or Flüssen, selbst vor großen Strömen schrecken Wildtiere selten zurück. Eindrucksvoll belegen das etwa Beobachtungen von Hirschen, die nachts die Donau durchqueren. Stark befahrene Schnellstraßen allerdings und mancherorts auch Zugtrassen stellen häufig unüberwindbare Barrieren dar. Das gilt vor allem für Autobahnen, welche in Österreich durchgängig eingezäunt sind, um Wildunfälle zu vermeiden. Doch aus wildtierbiologischer Sicht ist es wichtig, dass Verkehrsadern nicht den genetischen Austausch zwischen Teilpopulationen dies- und jenseits einer Autobahn durchtrennen. Gesetzlich sind deshalb für neu errichtete Strecken schon länger Grün- oder Wildbrücken, Tunnels oder landschaftsverbindende Bachdurchlässe vorgesehen. Auch bestehende Strecken werden ausgebaut. »Wir haben derzeit rund 70 Querungen mit einer Breite zwischen 15 und 80 Metern in unserem Straßennetz«, sagt Alexandra Vucsina-Valla von der für Autobahnen und Schnellstraßen zuständigen asfinag. Zusätzlich wird die Infrastrukturgesellschaft bis 2027 insgesamt 16 weitere Querungen errichten. Allein in Niederöster-

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reich gibt es bislang 27 Wildbrücken – sechs davon im Landesstraßennetz, 21 im Hoheitsgebiet der asfinag.

WEISSE STREIFEN, GRÜNER RAND Auch wenn er umgangssprachlich noch gebräuchlich ist, die Forschung hat sich mittlerweile vom Begriff der »Wildbrücke« verabschiedet. Üblicherweise wird der Überbegriff Grünbrücke verwendet. »Der Terminus Wildbrücke würde implizieren, dass es nur um das Wohl des jagdbaren Wilds geht«, erläutert Alfred FreyRoos vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft

»Grünbrücken sind extremste Engstellen. Auch das Hinterland muss passen.« — Alfred Frey-Roos, Landschaftsvernetzer (boku)

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(boku), »doch es geht um Landschaftsvernetzung, die für Mäuse und Igel oder Grillen genauso wichtig ist.« Wobei sich die Landschaftsvernetzer aus gutem Grund am Leittier Rotwild orientieren, also an Hirsch und Hirschkuh. »Rotwild braucht viel Raum, seine Wanderungsbewegungen sind telemetrisch gut erfasst und auch international gut mit Daten belegt. Und es ist von Vorteil, dass es als Art nicht nur den Wald, sondern auch offenes Gelände nutzt und sich gern entlang von Hecken, Wassergräben und Büschen bewegt«, so Alfred FreyRoos. Allesamt Strukturen, die auch für andere Arten wichtig sind. »Deshalb modellieren wir die Landschaft für das Rotwild.«

UNTEN AUTOS, OBEN TROCKENRASEN

BILD istock.com / aquatarkus, ASFINAG

Ob eine Grünbrücke wirklich angenommen wird, entscheidet einerseits ihre Lage. »Vorzugsweise werden sie an ausgewiesenen Wanderkorridoren von Tieren errichtet«, so Alexandra Vucsia-Valla. Andererseits die Gestaltung: Je breiter, desto besser. Und obgleich in der Mitte ein durchgehendes Band frei gehalten und regelmäßig gemäht werden muss – zu beiden Brückengeländern hin braucht es Buschwerk. Bis dieses dicht genug verwachsen ist werden die Geländer mit Holzparavents oder behelfsmäßigen Tennisplatzmatten verhangen, damit nachtaktive Tiere beim Queren nicht von Autos geblendet werden. »Grünbrücken sind extremste Engstellen, die hervorragend platziert sein müssen. Aber auch das Hinterland muss passen.« Leitstrukturen dies- und jenseits der Grünbrücke sind beispielsweise Hecken und Blühstreifen, Brachflächen oder Bäche, an denen Tiere entlang wandern. Wertvoll sind Grünbrücken auch, weil sie als sogenannter Trockenrasenstandort einen interessanten Lebensraum für einen sonst selten gewordenen Landschaftstyp darstellen. Auf angebrachten Steinhaufen fühlen sich auch Eidechsen und Schlangen wohl.

Fuchs bei Vollmond: Aufgeblitzt von der Wildkamera auf einer frisch bepflanzten Querungshilfe.

Weil Grünbrücken teuer sind – jeder Bau kostet an die 4,5 Millionen Euro –, gibt es an jeder einzelnen Monitoring mit Wildkameras. Und aus Slowenien ist deshalb ein Bär bekannt, der querendem Rotwild regelmäßig auflauert. »Durch unsere geringe Dichte an Bären und Wölfen ist das aber kein Problem«, meint Alfred Frey-Roos. Als problematisch schätzt der Wissenschafter hingegen die voranschreitende Zersiedelung und den schleichenden Ausbau von umzäunten Umfahrungsstraßen ein; auch in Niederösterreich, wo etwa südlich von Hollabrunn erst vor kurzem ein bestehender Korridor dicht gemacht wurde. Obgleich Österreich international zu den Vorreitern gehöre, wäre es wünschenswert, dass gerade bei Umfahrungsstraßen und Umbauten bestehender Trassen Querungshilfen mitgedacht würden. Denn: »Es entstehen ständig neue Hindernisse.«

Der Lebensraum von Reh (im Bild: ein Rehbock) und Feldhase ist vergleichsweise eng und überschaubar. Weitaus mobiler ist das Rotwild. Es braucht viel Raum, weshalb der Hirsch zum Leittier der internationalen Landschaftsvernetzung geworden ist.

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STÄDTEPARTNERSCHAFTEN

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St. Pölten Altoona, Pennsylvania

Krems Grapevine, Texas

Deutsch-Wagram Calheta de São Miguel, Kapverdische Inseln

VERNETZT IN (FAST) ALLE WELT Städte und Gemeinden pflegen freundschaftliche Verbindungen rund um den Globus. Die Weltkarte der niederösterreichischen Städte- und Gemeindepartnerschaften.

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Mödling

Stockerau

London Borough of Tower Hamlets, Großbritannien

Baranowitsch, Weißrussland

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Wr. Neustadt Harbin, China

Amstetten Podolsk, Russland

Lilienfeld Joetsu, Japan

Ybbs an der Donau Bobbio, Italien

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Thomas Stollenwerk

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as haben Grapevine, Texas, das chinesische Harbin und Zottegem in Belgien gemeinsam? Richtig – alle drei Städte haben Partnerstädte in Niederösterreich. Und zwar Krems, Wiener Neustadt und Mödling. Die freundschaftlichen Verbindungen, die niederösterreichische Städte und Gemeinden ins Ausland pflegen, reichen dabei rund um den Globus. Obwohl: nicht ganz. In Afrika und Südamerika gibt es keine Partnerstädte niederösterreichischer Kommunen. Wieso eigentlich nicht? Städtepartnerschaften sollen den kulturellen und wirtschaftlichen Austausch fördern. Eine Statis-

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tik über die Partnerschaften der Gemeinden in Niederösterreich gibt es allerdings nicht. Auf Nachfrage beim Österreichischen Gemeindebund, beim Niederösterreichischen Gemeindebund und bei der NÖ Landesregierung hieß es, man führe leider keine Liste über die internationalen Beziehungen von Kommunen. Grundlage unserer Weltkarte ist eine Erhebung, die der Österreichische Gemeindebund vor etlichen Jahren durchgeführt hat. Inzwischen sind eine Reihe neuer Partnerschaften entstanden. Wir haben uns bemüht, sie für diese Karte zusammenzutragen.

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SANKT PÖLTEN

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»DER TITEL KANN SO VIELE DINGE IN BEWEGUNG BRINGEN« Ein Gespräch mit Michael Duscher und Jakob Redl, die St.Pöltens Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024 vorantreiben.

Das Team hinter der Kulturhauptstadt-Bewerbung: Geschäftsführer Michael Duscher, MarktingManagerin Carolin Riedelsberger, Office-Managerin Bernadette Gugerell, Projektmanager Jakob Redl und 2. Geschäftsführer Albrecht Großberger.

BIORAMA: Seit einem halben Jahr arbeiten Sie nun an St.Pöltens Kulturhauptstadt-Bewerbung. Ist das öffentliche Interesse an der Bewerbung groß?

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duscher: Aber hier in St.Pölten und auch in der umgebenden Region ist das Interesse schon groß. Das betrifft einerseits die Kulturschaffenden, aber gleichzeitig auch die Bevölkerung, die zu unseren Formaten kommt. Grundsätzlich herrscht eine positive Stimmung und es gibt positive Rückmeldungen zur Bewerbung. Man muss aber sagen, dass die Bewerbung am Anfang für Überraschung gesorgt hat. Überraschung oder Skepsis? redl: Man muss unterscheiden zwischen den St.Pöltenern selbst, den Leuten aus dem Umland und den Leuten aus Wien. Es gibt viele St.Pöltener, die fragen, ob denn die Bewerbung überhaupt Aussicht auf

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ie Landeshauptstadt möchte im Jahr 2024 Kulturhauptstadt Europas werden. Das Team der eigens gegründeten Bewerbungsgesellschaft von Stadt und Land arbeitet deshalb gerade an einer Kulturstrategie 2030. Ziel ist es, die Potenziale der Stadt sichtbar zu machen, sie auszuschöpfen und weiterzuentwickeln. Dabei sollen die Einwohner*innen miteingebunden werden. Wie das funktionieren und was das bringen soll, wollten wir von Michael Duscher und Jakob Redl von der NÖ Kulturlandeshauptstadt St.Pölten GmbH wissen.

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19 Erfolg hat. Viele glauben, dass man da gegen europäische Städte antritt, und dass man ja eh keine Chance hat. Die Wiener fragen sich: Was ist denn St.Pölten? Wenn man ein bisschen diskutiert, ergibt sich aber meistens schnell der Blickwinkel, dass es an der Zeit ist, endlich mal zu zeigen, wo die Stadt steht. St.Pölten ist eine Stadt, die in den letzten Jahren wirklich deutlich an Qualität gewonnen hat, wo immer mehr Einwohner zu verzeichnen sind und wo es mehr Arbeitsplätze gibt. Deshalb auch unser Claim: Mitten in Europa, mitten im Aufbruch. Weil es eben keine Entwicklung ist, die mit der Kulturhauptstadt-Bewerbung neu einsetzt, aber bei der die Bewerbung Möglichkeiten bietet, mit einem sehr breiten Instrument Stadtentwicklungsfragen aufzugreifen. Das sehen viele Menschen positiv. duscher: Man muss auch sagen, dass viele in Wien sehr erstaunt waren, dass St.Pölten sich das zutraut. Es gibt aber auch diejenigen, die den Titel »Kulturhauptstadt Europas« sehr gut kennen, und die sagen, dass es in Wirklichkeit ein Stadt- und Regionalentwicklungsprogramm ist, das für St.Pölten genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. Vieles ist im Aufbruch, vieles ist noch nicht fertig. Vieles ist noch nicht auserzählt und noch im Entstehen. Deshalb ist dieses Vehikel Kulturhauptstadt das richtige Instrument und das erkennen viele Menschen.

Bewerbungsphase dazu, dass wir mit Leuten und Institutionen sprechen, und durch diese Gespräche neue Verbindungen herstellen können, die schon vorbereitend in Projektrichtung gehen können. Wir sagen: Es geht nicht darum, dass irgendwas über diese Stadt drüber gestülpt

BILD Peter Rauchecker

»Es gibt so viele Potenziale, die wir entdecken. Allein wenn man sich Image und Identität dieser Stadt anschaut, wenn man sich anschaut, wie bekannt oder unbekannt das Kulturangebot ist, oder ob es zugänglich genug ist.« – Michael Duscher

Wie muss man denn dieses Instrument verstehen? Ist es eher ein Showcase für Entwicklungen, die es ohnehin gibt, oder ermöglicht es Entwicklungen? duscher: Es ist auf jeden Fall das Gegenteil von einem Showcase. Wir wissen, dass 2024 sicher kein Jahr sein wird, in dem wir einen Event nach dem anderen abfackeln, und dann zieht die Karawane weiter. Das erste Kriterium der EU-Jury ist ja die Nachhaltigkeit dessen, was man als Kulturhauptstadt entwickelt. Wenn wir jetzt Sachen entwickeln würden, die nur auf das Jahr 2024 abzielen, dann hätten wir das Thema verfehlt. Insofern ist es vielmehr ein Entwicklungskonzept, bei dem wir jetzt schon merken, dass allein durch die Vorbereitung der Bewerbung unglaubliche Dinge in Bewegung geraten. redl: Es ist so, dass die Kriterien, die durch die EU vorgeschrieben sind, sehr vielfältig sind. Die Fragen betreffen kulturelles und künstlerisches Programm genau so wie soziale Inklusion oder die europäische Dimension. Wo sich diese Stadt in Europa verortet, ist ganz wichtig. Diese Fragen führen schon jetzt in der

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wird. Wir wollen gemeinsam mit den Personen, Vereinen und Institutionen arbeiten, die hier das Leben prägen. Und dabei wollen wir Menschen innovativer vernetzen, um eine Entwicklung möglich zu machen, die wir als Transformation der Stadt beschreiben. Wie sieht denn die Bewerbung ganz praktisch aus? duscher: Die Bewerbung funktioniert so, dass wir heuer zwei Aufgaben haben. Die eine Aufgabe ist es, eine Kulturstrategie »St.Pölten 2030« zu erstellen. Die zweite Aufgabe ist, dass wir ein sogenanntes »Bid Book« erarbeiten. Das müssen wir bis Ende des Jahres abgeben. Wenn wir auf die Shortlist aller österreichischen Bewerberstädte kommen, dann erfahren wir das im Februar 2019. Die Shortlist besteht aus jenen Städten, die es glaubhaft machen, dass sie die Kriterien der EU erfüllen können. Das heißt, wir treten nicht gegen andere Städte an, sondern wir treten an, die EU-Kriterien zu erfüllen. In der nächsten Phase, 2019, müssen dann die Inhalte vertieft werden. Was uns die EU nach der Bewertung unseres ersten Bid Books als Aufgabe gibt, müssen wir dann genauer ausarbeiten. Im November 2019 werden wir erfahren, wer Kulturhauptstadt Europas wird. Es wird spannend werden. Wir haben einen Prozess aufgesetzt, mit vielen partizipativen Formaten und Kulturforen. Wir geben Kulturjournale heraus und wir haben Möglichkeiten für die Bevölkerung geschaffen, uns Feedback zu geben. Es gibt die Website und Formulare, um Ideen einzubringen. Wir sprechen mit allen möglichen Akteuren, mit verschiedensten Gruppierungen – wir vernetzen uns ungemein. Ich weiß gar nicht, wie viele Gespräche wir schon geführt haben. redl: Es geht ums Ausfüllen eines Fragebogens, dessen Beantwortung eine Grenze kennt. Nämlich 60 Seiten

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20 – nur um das ein bisschen nachvollziehbar zu machen. Da lautet die erste Frage: Warum bewirbt sich die Stadt um diesen Titel und wie fügt sich der Titel potenziell in die weitere Entwicklung der Stadt ein? Für die Antwort hat man drei Seiten zur Verfügung. Durch die breiten Diskussionen, durch die Analysephase und durch die Kulturstrategie sind wir natürlich deutlich breiter aufgestellt als das, was in einer gefilterten oder kondensier-

weiter wir im Prozess kommen, desto deutlicher werden diese Errungenschaften. Gäbe es die Bewerbung überhaupt ohne das Commitment der Landesregierung? redl: Also in der zweiten Phase wäre es ohne Land wohl sehr schwierig. Von Mitgliedern der Jury wissen wir, dass dann auch nach der politischen Unterstützung gefragt wird. Die EU hat es wohl schon erlebt, dass sie den Titel an Städte vergeben hat, die dann plötzlich nach Neuwahlen Zusagen aus der Bewerbung nicht mehr gehalten haben. Also je breiter die Unterstützung, desto besser. In St.Pölten ist die Unterstützung einstimmig, sowohl im Gemeinderat als auch in der Landesregierung. Gerade bei der Vernetzung innerhalb der Region ist die Unterstützung des Landes auch sehr wichtig, weil die Bewerbung über den Bezirk St.Pölten hinausgehen wird. Da kann man gemeinsam mit dem Land große Dinge in Bewegung setzen.

»Wir sagen: Es geht nicht darum, dass irgendwas über diese Stadt drüber gestülpt wird. Wir wollen gemeinsam mit den Personen, Vereinen, Institutionen arbeiten, die hier das Leben prägen.« – Jakob Redl

Im Marketing würde man von einem usp sprechen, den St.Pölten in seine Bewerbung einbringen muss. Was ist dieser Unique Selling Point? redl: Es ist gibt eine Entwicklung, die idealtypisch ist. Und zwar, dass die Grundidee zur Bewerbung aus der Zivilgesellschaft herauskam. Ich war selbst auch Mit-Initiator und Sprecher der Plattform Kulturhauptstart, die bereits 2016 begonnen hat, öffentliche Veranstaltungen zu machen und mit den Menschen darüber zu diskutieren, was so eine Bewerbung für die Stadt bedeuten kann. Die Plattform organisiert bis heute monatliche Jour Fixes, bei denen Menschen diskutieren können. Wir haben mit der Plattform auch eine Kooperation etabliert – dieser Ansatz, aus der Zivilgesellschaft heraus die Bewerbungsidee in die Stadt zu tragen, das ist schon relativ speziell. Solche Bewerbungsideen werden ja normalerweise in politischen Kreisen geboren. duscher: Ein weiterer usp ist klarerweise, dass wir sehr einhellig mit Stadt und Land zusammenarbeiten. Also unserer Bewerbungsgesellschaft gehört zu je 50 % der Stadt und dem Land. Es ist eine neue Situation, dass Stadt und Land gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Das ermöglicht vieles. In unseren Sitzungen sitzen Vertreter des Landes und der Stadt und denken gemeinsam darüber nach, was wir als nächstes machen. Das zeigt, dass die Bewerbung ein gutes Vehikel ist, um die Zusammenarbeit dieser verschiedenen Ebenen zu fördern. Je

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Und was sind das für Dinge? duscher: Wir sind dabei, eine KulturhauptstadtRegion zu gründen. Es geht natürlich schon darum, dass sich St.Pölten bewirbt – aber eben unter Einbeziehung der Nachbargemeinden, des Umlandes und der Region. Wir glauben, dass eine ganz große Stärke der Bewerbung darin liegen kann, dass man das alte Stadt-Land-Thema neu auflädt und sich überlegt, wie das Zusammenwirken von Stadt und Land sein kann, am Beispiel St. Pölten und der umgebenden Region. Es ist ein ziemliches Unikat, dass St.Pölten eine durch und durch mit Kultur aufge-

An manchen Stellen erschließt sich das kulturelle Potenzial St.Pöltens vielleicht nicht auf den ersten Blick.

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ten Form auf drei Seiten in die Bewerbung kommt. Da ist es wichtig, dass man das als großes Stadtentwicklungsprojekt sieht, bei dem alles, was wir in die Bewerbung schreiben, eigentlich nur eine Fokussierung auf genau diese Kriterien ist.

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ladene Umgebung hat. Innerhalb dieser Region wollen wir Vernetzung aufbauen. redl: Das betrifft auf der einen Seite Kulturinstitutionen, wie wir sie in Melk, Krems usw. vorfinden. Aber das betrifft auch kulturtouristische Ansätze, bei denen man fragt: Wie kann sich diese Region auf die europäische Landkarte setzen? Da geht es um den Kulturraum zwischen dem Alpenland, der Wachau, dem Dunkelsteiner Wald und dem Wiener Wald. Dort kann man in einer Kooperation von Stadt und Land viel besser mit Gemeinden zusammenarbeiten. Sieht man St.Pölten mit anderen Augen, wenn man die Stadt so intensiv als Kulturstandort betrachtet? duscher: Das kann ich gut beantworten, weil ich ja nicht von hier bin. Ich habe am Anfang sehr viele überraschende Momente erlebt. Viele davon waren sehr positiv, weil ich mir gedacht habe: Wow, das gibt’s in St.Pölten? Das wusste ich überhaupt nicht. Und andererseits gab es auch Momente, in denen ich mir gedacht habe: Das hat Potenzial, das man nutzen kann. Wieso macht das eigentlich niemand? Unsere Analysen haben das dann auch oft bestätigt. Ich kannte St.Pölten anfänglich von kurzen Besuchen beim Frequency Festival oder im Sonnenpark. Ich war ja vorher bei der Festival GmbH, also beim Donaufestival und bei Glatt&Verkehrt. Da kannte ich St.Pölten auch ein wenig über die KulturwirtschaftsHolding, die hier in St.Pölten sitzt. Aber wenn man in St.Pölten so richtig eintaucht, kann man schon so einiges entdecken. Da sind so viele Dinge verborgen, die man ans Licht bringen kann. Ich werde immer wieder überrascht und dabei bin ich schon sechs Monate involviert. Zum Beispiel das Sonnenpark-Fest letzte Woche: Wenn man zum ersten Mal das Gelände betritt, würde man sich eigentlich in Berlin oder sonst irgendwo wähnen, aber dann plötzlich hat es doch wieder etwas ganz St.Pölten-Spezifisches. Das hat schon wirklich eine tolle Atmosphäre. redl: Ich war lange ehrenamtlich im St.Pöltener Kul-

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Areale wie die alte Glanzstoff-Fabrik sollen mehr Aufmerksamkeit erhalten.

turleben aktiv, beim Verein Lames, und für mich ist es einfach wunderschön, dass man jetzt herzeigen kann, was an Potenzial und an spannender Geschichte schon da ist, aber gleichzeitig auch, was noch fehlt. Man kann jetzt die Dinge endlich einmal durchdiskutieren und die Frage stellen, wo man kulturell eigentlich hin möchte. Ich habe lange in Wien gelebt, dazwischen auch in Berlin und Bordeaux, und jetzt komme ich zurück und kann sagen: Es geht ein Ruck durch die Stadt und man nimmt die Zukunft in die Hand. Ist die Bewerbung ein Luxus, den sich eine Stadt erst einmal leisten können muss? duscher: Also je länger wir daran arbeiten, desto weniger sehen wir sie als Luxus. Wir sehen sie als Notwendigkeit. Es gibt so viele Potenziale, die wir entdecken. Allein wenn man sich Image und Identität dieser Stadt anschaut, wenn man sich anschaut, wie bekannt oder unbekannt das Kulturangebot ist, oder ob es zugänglich genug ist. Es gibt so viel zu tun, dass wir in der Bewerbung einen logischen Schritt der Stadtentwicklung sehen. Der Titel kann so viele Dinge in Bewegung bringen. Vieles ist schon vorhanden, aber noch nicht konsequent fertig gedacht. Wir haben einen Domplatz, der hauptsächlich als Parkplatz fungiert. Wir haben einen Kulturbezirk, der noch nicht mit der Innenstadt verbunden ist. Wir haben einen Klangturm, der nicht klingt. Es gibt so viele Möglichkeiten. Man muss diese Dinge jetzt einfach zu Ende denken. redl: Der derzeitige Vorsitzende der EU-Jury hat einmal gesagt, dass er im Kulturhauptstadttitel ein Stadtentwicklungsstipendium sieht, das man selbst bezahlen muss. Denn der Anteil der EU ist nicht sehr hoch. Aber das große Ziel, die EU-Kriterien zu erfüllen, entfacht eine ungeheure Energie. Das ist wirklich ein parteiübergreifendes Zukunftsprojekt, um eine Stadt zu verbessern. Das komplette Interview gibt’s auf biorama.at

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Veschiedenen Formate laden die St.Pöltener*innen zur Beteiligung am Bewerbungsverfahren ein.

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ALLES FÜR DIE FISCH’

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Thomas Weber

Warum es Aufstiegshilfen für Fische braucht, damit Wasserkraftwerke wirklich ökologisch sind.

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icht immer sind es bloß die baulichen Sünden vergangener Jahrzehnte, die aktiver Umweltschutz aus der Welt schaffen oder kompensieren muss. Manch Vergehen und Versäumnis lässt sich deutlich weiter in der Geschichte zurück datieren. Ganze 110 Jahre beispielsweise, von 1901 bis 2011, wurde Amstetten durch das Wasserkraftwerk an der Ybbs mit Strom versorgt ohne dass im Fluss lebende Fische die Wehranlage überwinden konnten.

Die Fischaufstiegshilfe der Riedmühle in Karlstein entspricht auch baulich dem stark mäandrierenden Flussverlauf der Thaya. 28 Fischarten nutzen sie.

ENGAGEMENT DER EU Erst um die bereits zur Jahrtausendwende beschlossene Wasserrichtlinie der Europäischen Union einzuhalten wurde 2011 eine Durchgängigkeit für Fische und Kleinstlebewesen ermöglicht. Erklärtes Ziel war es, »den guten ökologischen Zustand wiederherzustellen«, so der damalige Umweltminister Nikolaus Berlakovich. Bis 2015 musste die Wasserrichtlinie umgesetzt sein, weshalb das Ministerium für solche und andere bauliche Maßnahmen an Flüssen insgesamt 140 Millionen Euro bereitstellte. Nicht wenige davon finden sich in Niederösterreich, und werden auch vom Engagement privater Kleinwasserkraft-Betreiber*innen getragen. Die Familie Bentz etwa lebt seit 1841 in Karlstein an der Thaya. Ihre Mühle Riedwerk besteht dort sogar schon seit dem 14. Jahrhundert. Ursprünglich waren im Wasserbuch entlang der Thaya und ihrer Zubringer 129 Wassernutzungsrechte eingetragen, die meisten davon für Mühlen und Sägewerke. Spätestens gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts gaben viele davon auf. Die

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Ganze acht Meter Fallhöhe zwischen Ober- und Unterwasser hat die Fischaufstiegshilfe der Stadtwerke Amstetten zu überwinden. 57 Schlitzpass-Becken ermöglichen es selbst großen Fischen wie dem Huchen, die Wehr zu passieren.

Familie Bentz jedoch modernisierte ihr Kleinwasserkraftwerk, errichtete als logische Ergänzung zur Wasserkraft am Dach des Gasthauses Riedmühle eine Photovoltaikanlage (»So gleichen hohe Stromerträge durch Sonnenenergie in den Sommermonaten niederschlagsärmere Zeiten ideal aus«) und realisierte gemeinsam mit der boku eine Fischaufstiegshilfe. Diese ist heute Teil des von der Familie initiierten Flusslehrpfades (thayatalfreunde.at) und demonstriert auch im Rahmen von Führungen wie sie den Lebensraum Fluss bereichert.

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Thomas Stollenwerk

DIE BOHNEN, DIE AUS DEM OSTEN KAMEN Niederösterreich hat eine lange Sojageschichte. Und vielleicht auch eine blühende Sojazukunft.

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ie Cultur der Sojabohne wird in Zukunft direct Donausoja arbeitet. Dessen Ziel ist es, den Sojaanbau durch die Ermöglichung einer besseren Ernährung und entlang der Donau zu fördern, um Europa unabhänindirect als werthvolle Futterpflanze an großer Bedeu- giger von Importen aus Südamerika zu machen und um die danubische Landwirtschaft durch den Anbau tung für die allgemeine Volkswohlfahrt gewinnen.« Das prognostizierte 1878 der Agrarwissenschaftler Fried- des genügsamen Eiweißlieferanten nachhaltiger zu gestalten. »Soja wird gerne in einen warmen Boden rich Haberlandt. Im Jahr 1873 hatte sich der Professor der Universität für Bodenkultur auf der Wiener ausgesät, irgendwann Mitte April bis Mitte Mai. Weltausstellung Soja-Saatgut aus Fernost Dann erfordert Soja gewisse Kulturfühbesorgt, mit dem er in den folgenden Jahrungsmaßnahmen – die beschränken sich ren experimentierte. Heute wird Haberaber eigentlich auf die Unkrautkontrolle, landt als der Erfinder des Sojaanbaus in mechanisch oder chemisch. Und dann steht nur noch die Ernte an.« Diese finEuropa gefeiert. Ganz neu war seine Idee, Sojabohnen anzubauen, natürlich nicht. det in September oder Oktober statt. Im Nordosten Chinas hatte man damit schon über zwei Jahrtausende lang Erfah67.000 FUSSBALLFELDER rungen gesammelt. Die wichtigsten österreichischen SojaWenn Leopold Rittler 140 Jahre später vom Anbaugebiete liegen in Niederösterreich. Friedrich Haberlandt (1826-1878) Sojaanbau spricht, wirkt es, als sei der Anbau »Das pannonische Klima, das ja einen Großexperimentierte der Ölsaat eine recht simple Sache. »Soja ist teil der niederösterreichischen Flächen ausals Professor der eine Ackerkultur wie Mais oder Weizen und macht, und sich durch seine Wärme und gute Wiener boku mit hat ganz ähnliche Anforderungen an seinen Böden auszeichnet, bietet gute Bedingungen dem Anbau von Standort«, erklärt Rittler, der für den Verein für den Sojaanbau«, erklärt AgrarwissenSoja.

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schaftler Rittler. Für viele Landwirt*innen hat sich der Umstieg von Mais oder Getreide auf Soja in den letzten Jahren rentiert. Soja aus Europa erzielt gute Marktpreise, weil die Nachfrage nach gentechnikfreien Produkten wächst. Zudem kommt Soja ohne Stickstoffdünger und Fungizide aus. »In ganz Österreich sind wir jetzt bei zirka 67.000 Hektar. Und damit ist die Sojabohne nach Weizen, Gerste und Mais die viertflächenstärkste Ackerkultur«, erklärt Rittler. Mehr als ein Drittel des Sojas aus Niederösterreich wird übrigens in Bioqualität angebaut. Doch bei allem Sojawachstum entlang der Donau wird Soja aus Europa kaum reichen, um den immensen Bedarf an Futtermitteln für die Fleischproduktion in Europa zu decken. 35 Millionen Tonnen Soja werden Jahr für Jahr in die EU importiert. Das meiste davon stammt aus Südamerika, wo Regenwaldflächen dem Anbau zum Opfer fallen. »Unsere Schätzungen gehen davon aus, dass die europäische Produktion nicht reichen wird, um den Gesamtbedarf in Europa zu decken«, erklärt Rittler. »Dafür müsste der Gesamtkonsum an tierischen Lebensmitteln stärker gesenkt werden. Wir den-

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Auf 67.000 Hektar wird österreichweit Soja angebaut. Ein großer Teil davon in Niederösterreich.

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28 ken, dass der derzeitige Bedarf an Futtersoja durch eine Ausweitung der Flächen und Produktionssteigerungen durch Züchtung und Wissensaustausch in 10 bis 20 Jahren zur Hälfte gedeckt werden kann.« Es sind nicht nur Hühner, Rinder und Schweine, die Soja essen. Auch immer mehr Menschen greifen gerne zu den proteinhaltigen Bohnen, zum Beispiel in Form von Tofu. Unternehmen aus Niederösterreich mischen auf dem wachsenden Markt für Lebensmittel auf Sojabasis kräftig mit: In Traiskirchen haben sich gleich zwei Produzenten angesiedelt. Die Firma Sojarei produziert hier seit dem Jahr 2000 Biotofu. Und nur ein paar Kilometer weiter steht die Firma Evergreen, die sich ebenfalls auf Tofu und andere Sojaprodukte spezialisiert hat – bereits vor über drei Jahrzehnten. Von Prinzersdorf bei St.Pölten aus hat sich die Unternehmensgruppe Bamberger zu einem der größten europäischen Produzenten von Sojamehlen entwickelt. Auch der Bio-Snack Hersteller Landgarten aus Bruck an der Leitha hat regionale Sojabohnen mit Schokoüberzug, gesalzen und mit Chili-Aroma im Angebot. Soja als Lebensmittel war aber längst nicht immer so beliebt wie in den letzten Jahren.

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beträgt der Anteil der globalen Agrarfläche, auf der Soja angebaut wird.

334.900.000 Tonnen Soja wurden im Jahr 2016 weltweit produziert.

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98 %

der weltweit geernteten Sojabohnen werden als Sojakuchen bzw. -schrot an Tiere verfüttert.

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SOJA BLEIBT EXOT Der Historiker Georg Weissenböck forscht am Institut für die Geschichte des ländlichen Raumes in St.Pölten seit dem vergangenen Jahr zum Wissen über Soja in Österreich. Der Historiker erklärt, die Sojabohne werde in der österreichischen Landwirtschaft seit 140 Jahren als Innovation wahrgenommen: »Obwohl die Einführung der Sojabohne schon so weit zurück liegt, wird sie immer wieder als Neuheit oder als fremde Pflanze betrachtet. Und das gilt auch heute noch. Obwohl es zigtausend Hektar Anbaufläche gibt, ist die Sojabohne weit weniger bekannt und akzeptiert als andere heimische Pflanzen.« Dabei wurden bereits in der Zwischenkriegszeit Sojabohnen aus Niederösterreich international vermarktet – selbst in den Straßenbahnen Wiens wurde damals Sojamehl aus der Region beworben. Sojabohnen haben es nie wirklich auf die Liste typischer Lebensmittel für die regionale Küche geschafft. Sojasprossen auf der Heurigenplatte sind eine ebenso naheliegende wie exotische Erscheinung. Vielleicht ändert sich das in Zukunft, schließlich wächst das Bewusstsein dafür, dass mehr Fleisch konsumiert wird als es für den Planeten und seine Bewohner*innen gut ist. Als Alternative zu Fleisch findet sich Tofu, den man früher übrigens auch Bohnenkäse nannte, seit Jahren auf immer mehr Speiseplänen. Vielleicht regt es die Eine oder den Anderen dazu an, noch häufiger und bewusster zu Soja zu greifen, wenn bekannt ist, dass es sich dabei um ein traditionsreiches Produkt mit 140-jähriger, regionaler Geschichte handelt.

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INTERVIEW

Thomas Stollenwerk

DER ERSTE SOJABOOM LIEGT 140 JAHRE ZURÜCK Seit den 1870er-Jahren wächst Soja auf Feldern in Niederösterreich. Der Historiker Georg Weissenböck erforscht die Geschichte des Wissens über die Bohnen.

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BIORAMA: Sie forschen zur Wissensgeschichte der Sojabohne in Österreich 1870 bis 1950. Wie kommt es zum diesem Projekt? weissenböck: Unser Projekt soll einen blinden Fleck bearbeiten, weil der Sojaanbau in Österreich historisch noch nie wirklich betrachtet worden ist. Und was nehmen Sie dabei genauer in den Blick? Das erste große Ziel ist es, alles zu sammeln, was zu Soja in Österreich zwischen 1870 und 1950 vorhanden ist. Ich suche nach unbearbeiteten Quellen, katalogisiere und digitalisiere im großen Maßstab, und ich hebe etliche Archivalien aus. Ich bin in Kontakt mit Leuten, die relevante Nachlässe haben aus dieser Zeit. So entsteht ein Überblick. Gleichzeitig bette ich meine Arbeit in verschiedene Fachdiskussionen ein. Das ist eine der Schwierigkeiten bei dem Projekt, denn da kommen viele verschiedene Dinge zusammen: Landwirtschaftsgeschichte, Ernährungsgeschichte, Wirtschaftsgeschichte. All das soll am Ende unter dem Dach des Projekts verbunden werden. In der zweiten Projektphase geht es dann darum, den medialen Diskurs mit verschiedenen qualitativen und quantitativen Methoden nachzuvollziehen. Ich will die Frage beantworten, wie die Sojabohne in öffentlichen Medien diskutiert und debattiert wurde. Was macht die Geschichte von Soja in Österreich so spannend? Spannend ist zum Beispiel, dass bestimmte Diskussionen und Argumente, die heute aktuell sind – Stichwort: Vegetarismus oder vegetarisches Eiweiß versus tierisches Eiweiß –, in den vergangenen 140 Jahren immer wieder in unterschiedlicher Form relevant waren. Und

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im Unterschied zu anderen Regionen kommt das spezifische Umfeld dazu. Österreich-Ungarn hatte sehr bestimmte agrarische Landschaften und verschiedene Institutionen und Wirtschaftsfaktoren, die da zusammengespielt haben. Speziell für Österreich ist außerdem

»Es gibt Aufzeichnungen darüber, dass Sojabohnen, die in Niederösterreich gezüchtet und vermehrt wurden, bis nach Marokko, Persien und in die Türkei exportiert und angebaut wurden.« die Rolle von Soja in Krisensituationen. Im Ersten Weltkrieg, in der Zwischenkriegszeit und im Zweiten Weltkrieg haben sich ganz spezifische Entwicklungen ergeben im Hinblick auf die Sojabohne als Kulturpflanze. Was macht ausgerechnet Niederösterreich zum historischen Soja-Hotspot? In den 1920er- und 1930er-Jahren gab es in Platt im Weinviertel, einer kleinen Ortschaft bei Hollabrunn, ein europaweit renommiertes Soja-Züchtungszentrum. Es gibt Aufzeichnungen darüber, dass Sojabohnen, die in Niederösterreich gezüchtet und vermehrt wurden, bis

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Trotzdem wird Soja heute kaum als klassische, europäische Feldfrucht wahrgenommen. Ist Soja seit 140 Jahren in einer Exotenrolle? Das ist eine gute Frage und ich finde es beim Lesen der Quellen immer wieder spannend, dass in unterschiedlichen Zeitabständen in landwirtschaftlichen Fachmedien diskutiert wird, welche alternativen Kulturpflanzen es gäbe. Und dann wird immer wieder von einer bestimmten Seite die Sojabohne ins Spiel gebracht – aufgrund der hohen Nährstoffwerte und der bereits getätigten Versuche durch Friedrich Haberlandt 1870. Und genau was Sie sagen, ist der Fall: Obwohl die Einführung der Sojabohne schon so weit zurück liegt, wird sie immer wieder als Neuheit oder als fremde Pflanze betrachtet. Und das gilt auch heute noch. Obwohl es zigtausend Hektar Anbaufläche gibt, ist die Sojabohne weit weniger bekannt und akzeptiert als andere heimische Pflanzen. Das ist lustig, weil ja viele andere Kulturpflanzen auch von irgendwo aus der Welt stammen, also zum Beispiel die ganzen Hülsenfrüchte.

Auch wenn die Sojabohne im historischen Maßstab nie die gleiche Bedeutung hatte wie Getreide oder Mais, gab es die Diskussion über Soja immer wieder. Spielt es eine Rolle, dass Soja in der traditionellen österreichischen Küche eher nicht vorkommt? Das war über den ganzen Zeitraum ein großes Problem und das ist auch eine meiner Thesen, dass der Mangel an Anwendungswissen und Alltagswissen der Bevölkerung, wie man mit der Sojabohne umgehen kann, dazu geführt hat, dass sie wenig angenommen wurde. Man wusste von den traditionellen asiatischen Verarbeitungsmethoden. In verschiedenen Texten geht es immer wieder um die große Bedeutung, die Soja als Miso, Tofu oder Sojasauce in Asien, vor allem Japan, hat. Aber man hat es nie geschafft, oder auch nie wirklich versucht, diese Anwendungen in Österreich und Europa bekannt zu machen. Es hieß dann oft, die asiatischen Geschmäcker träfen nicht den österreichischen Gaumen. Und wenn doch, dann wurde Soja oft in einer versteckten Art und Weise verwendet, zum Beispiel als Schweinefutter oder als Zusatz für Suppen, damit man es ja nicht sieht.

War Soja in seiner österreichischen Geschichte Welche bestimmte Seite ist es denn, die immer wie- jemals so prominent wie heute? der die Sojabohne ins Spiel bringt? Mengenmäßig ist die Bedeutung heute deutlich gröEs sind im Zeitverlauf unterschiedliche Player, die da ßer als früher. Aber wenn man sich alte Zeitungsberichmitgespielt haben. In den 1880er-Jahren waren es zum te aus den frühen Jahren der Sojageschichte ansieht – Beispiel Gutsbesitzer, die im Sojaanbau eine Effizienzstei- 1878, 1879 –, als Friedrich Haberlandt Soja erforscht hat, gerung gesehen haben. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs dann sieht man, dass es damals schon einen richtigen gab es ein großes staatliches InterSoja-Boom gab. Da ist in der Landesse zur Förderung der Sojabohne, wirtschaft von einer Sojaeuphorie die Rede. Damals war die Sojabohweil sie vor dem Krieg schon im grone nicht viel weniger im Gespräch ßen Maßstab importiert worden ist, und dann plötzlich die Märkte abgeals heute. Es gibt zum Beispiel einen schottet waren. Man hat dann von Nachlass vom Betreiber des Schwestaatlicher Seite versucht, die Fettchater Edelsoja-Werks. Da schreibt versorgung aufrecht zu erhalten. In er, dass er in fast allen Straßenbahden 1920er- und 1930er-Jahren hat nen Wiens sein neues Edelsojaes in Schwechat ein Edelsoja-Werk Vollmehl plakatiert hat. Es gibt im gegeben, das ein Produkt hergeMoment sehr wenige Sojaprodukte, die so in der öffentlichen Wahrstellt hat, das auch im Radio und in GEORG WEISSENBÖCK nehmung stehen, wie damals dieden Zeitungen beworben wurde: das Edelsoja-Mehl. Das wurde als eine schreibt am Institut für die ses Mehl – abgesehen vielleicht von Sojamilch. rationale Ernährungsform angeprieGeschichte des ländlichen Raumes in St.Pölten seine sen. Und in den 1940er-Jahren war Dissertation über die Wises der nationalsozialistische Staat, Wurde Soja auch in früheren sensgeschichte der SojaJahrzehnten bewusst, als Fleider den Sojaanbau propagierte. Also bohne in Österreich zwischersatz-Produkt vermarktet, da gab es immer unterschiedliche schen 1870 und 1950. Das Interessen. Das ist das Spannende. zum Beispiel in Form von Tofu? Projekt wird mit einem Stipendium aus Landesmitteln gefördert.

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nach Marokko, Persien und in die Türkei exportiert und angebaut wurden.


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»Auch wenn die Sojabohne im historischen Maßstab nie die gleiche Bedeutung hatte wie Getreide oder Mais, gab es die Diskussion über Soja immer wieder.«

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Kaum. Und die Begründung dafür ist in der Zeit rund um den Ersten Weltkrieg zu suchen. Damals hat es immer wieder Ersatzprodukte gegeben, die in der öffentlichen Wahrnehmung sehr negativ gesehen wurden. Da wurde dann versteckt Fleisch ersetzt, häufig auch durch Soja. Und man wollte von diesem Ersatzimage weg. Das Vollmehl wurde deshalb auch nicht als Fleischersatz propagiert, sondern als rationale, effiziente Alternative. Es wurde schon argumentiert, mit Sojamehl erhalte man für den gleichen Preis die dreifache Menge an Proteinen im Vergleich zu tierischen Proteinen, aber es wurde nicht aktiv als Ersatz dargestellt. Das ist eine Erscheinung, die erst ab den 1960er-Jahren bei uns auftritt. Überraschet es Sie im Supermarkt, wie wenige Sojaprodukte als regional und als Teil der traditionellen Küche vermarktet werden? Tatsächlich, ja. Ich war in letzter Zeit immer wieder auf der Suche nach Sojabohnen, um privat alte Rezepte nachzukochen. Ich war dann in mehreren Geschäften, und es war wirklich schwer, Sojabohnen aus Österreich zu bekommen, was mich überrascht hat. Ich habe dann letztlich von einem Biobauern einen 10kg-Sack bekommen. Es ist schon verwunderlich, dass die Qualität biologischer Sojabohnen aus niederösterreichischem Anbau kaum erwähnt wird. Mir wurde sogar erzählt, dass Biosojabohnen teilweise zum gleichen Preis verkauft werden müssen wie konventionelle Sojabohnen, weil es nicht genug Abnehmer für Biosoja gibt. Ich kann mir vorstellen, dass es noch Potenziale in der Vermarktung gibt.

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Sojabohnen bestehen zu rund 20 % aus Öl und zu 37 % aus Proteinen, deren Qualität mit tierischem Eiweiß vergleichbar ist.

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BEEF

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Stier »Burli« ist das Prachtstück einer urtümlichen Rasse. Sie zeichnet sich durch Robustheit und fettarmes, feinfasriges Fleisch mit intensivem Eigengeschmack aus. Züchter Micha Hamersky vermarktet auch Fell und, als Wanddeko, gebleichte Hörner. texaslonghorn.at

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TEXT UND BILD

Thomas Weber

WALDVIERTEL LONGHORN Keine Cowboyromantik: Wie ein NebenerwerbsBauer mit importierten »Embryonenkälbern« eine Herde gutmütiger Texas Longhorns aufbaut.

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b es den Tieren denn bei uns nicht seinen Betrieb mittelfristig zertifizieren zu kalt wäre. Diese Frage bekommt zu lassen. In vielen Punkten geht er tatMicha Hamersky laufend gestellt; von sächlich über die strengen Bio-Kriterien Wanderer*innen, die überrascht sind, hinaus. Seine Rinder erhalten etwa keiim südlichen Waldviertel über die imponerlei Kraftfutter. Auch im Winter im Freiluftstall gibt es nur Heu und ganz santen Rinder zu stolpern, aber auch von anderen Bäuerinnen und Bauern, die wenig Silage. Im Sommer weiden sie auf MICHA HAMERSKY Naturschutzflächen des Landes. sich selbst für die – zumindest in unseren Breiten – äußerst seltene Rasse inteZüchter ressieren. Texas Longhorn Rinder kennt ROBUSTE RINDERRASSE man bei uns vor allem aus Wildwestfilmen, weshalb die Dass sich die Longhorns hier in Pöggstall wohl fühGedanken schnell in Richtung endloser Herden, Tro- len, ist offensichtlich. Es ist Anfang August, die Hitze hat nicht nur die Landschaft, sondern auch die Herde ckenheit und Hitze flimmern. »Dabei haben wir eine direkt aus Kanada importierte Kuh, die sogar ein abge- erfasst. Einer stierigen Kuh hinterher, die dann doch frorenes Horn hat«, erzählt Micha Hamersky, »weil sie noch nichts von ihm wissen will, drückt sich Stier Burli dort im Winter bis zu minus 40 Grad hatten«. mit seinem mächtigen Haupt durchs Weidenunterholz als wären die Bäume Grashalme. Gewiss ist: Der ElekBereits 30 Tiere umfasst Hamerskys Herde. Sie wächst Stück für Stück. Denn obgleich die Vorfah- trozaun wäre für ihn eigentlich kein Hindernis. Und in seinem Beisein ist die Herde sicher. »Texas Longhorns ren der Longhorns ursprünglich von den spanischen Eroberer*innen in die Neue Welt gebracht wurden, sind sehr gutmütig, naturbelassen und nötigenfalls wo sie in der Wildnis als Fleischlieferanten gehalten wehrhaft«, sagt Hamersky. Kein Schaden, nun, da der wurden, gibt es in Europa kaum zur Zucht geeignete Wolf zurückkehrt. »Ich war auf einem Betrieb in New Tiere. Deshalb sind fünf seiner Jungtiere sogenannte Mexico, die haben Texas Longhorn und, obwohl es dort »Embryonenkälber«, die als Embryos importiert und Berglöwen und Wölfe gibt, keine Verluste.« Schwer haben es anfangs allerdings die Embryonenin Österreich von einer Milchkuh ausgetragen wurden. »Und einige warten noch im Stickstofftank auf Träger- kälber. Ganz ohne Mutter sind sie in der Herde ohne kühe, um den Genpool in Europa etwas vorwärts zu Fürsprecherin – und damit in der Rangordnung ganz bringen.« Eine Praxis, die in der Bio-Tierhaltung nicht unten. Langfristige Auswirkungen habe das aber keine. erlaubt wäre. Und auch zu kalt wäre es den Tieren hier selbst im WinSonst scheint die Rasse aber ideal für die extensi- ter nicht. »Sie sind unglaublich krankheitsresistent«, ve Landwirtschaft geeignet und – »auch wenn Bio für schwärmt Micha Hamersky. »Einen Tierarzt brachen mich nicht das Nonplusultra ist« – Hamersky überlegt, wir so gut wie nie.«

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SOMMERFRISCHE

Waldviertel

angenehm erfrischend

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nen diese Gewissheit, den Alltag hinter sich gelassen zu haben, nicht mehr los. Wenn man von Waldviertler Wasserfreuden spricht, dann kommt man auch an den „großen Drei“ nicht vorbei. Ottenstein, Dobra und Thurnberg – die drei Kampseen. Sie bilden zusammen eine der schönsten Wasserund Teichlandschaften Europas. Ideal zum Schwimmen, Uferwandern, Bootfahren, Campen, Fischen, Durchatmen und sich Erfrischen. Zahlreiche Angebote warten auf Sie! www.waldviertel-angebote.at

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Waldviertler Wasserfreuden in der Ysperklamm

B E Z A H LT E A N Z E I G E

BILDER Waldviertel Tourismus, Robert Herbst, www.ishootpeople.at

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nhaltend hohe Temperaturen haben nicht nur Auswirkungen auf den Körper, sondern auch auf die Psyche. Die Konzentration lässt nach und Menschen werden schneller müde. Im Waldviertel ist es verglichen mit anderen Gebieten auf gleicher Seehöhe im Schnitt eine Spur frischer und angenehmer. Das Waldviertel ist eine Region, in der man reine Luft und ein leichtes Reizklima, mit warmen Tagen und kühlen Nächten genießen kann. Beides trägt maßgeblich zur Verbesserung der Schlafqualität bei und steigert nachweislich das Wohlbefinden. Die idyllischen Waldlandschaften sind beliebte Rückzugsorte. Im schattigen Wald kann man neue Energie tanken und dabei einzigartige Naturschauplätze entdecken, wie z.B. wildromantische Wasserfälle. Das plätschernde, kühle Wasser und die beeindruckenden Felsformationen tun der Seele gut und laden zum Verweilen ein. In der Ysperklamm, einer Felsenschlucht – tief, eng, mit mächtigen von Moos bedeckten Steinen und umsäumt von riesigen Nadelbäumen, lässt ei-

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Wien Energie, ein Partner der EnergieAllianz Austria.

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SPEISEPILZE

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PILZE SELBST ANBAUEN

BILDER Waldviertler Pilzgarten

Pilze sind gesund – und einfach zu kultivieren. Der Waldviertler Pilzgarten erklärt biorama, wie die schattigsten Plätze des Gartens Ertrag und köstliche Pilze abwerfen.

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Magdalena Wurth

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ilze stellen wenige Anforderungen an ihre Umwelt. Eine der einfachsten Möglichkeiten, im eigenen Garten Pilze anzubauen, ist jene, sich einen bereits beimpften Baumstamm zu holen: Die Baumstämme müssen dann nur mehr an einem schattigen Ort im Garten oder Innenhof aufgelegt oder eingegraben werden. Noch im selben Jahr darf man sich über die erste Ernte freuen. biorama bat Magdalena Wurth vom Waldviertler Pilzgarten (der mit Shiitake, Austernseitlinge, Stockschwämmchen, Reishi oder auch Igelstachelbart geimpfte Stämme anbietet) um eine Anleitung, wie sich das auch selbst bewerkstelligen lässt. Von Vorteil ist handwerkliches Geschick und Vertrautheit mit Bohrmaschine oder Kettensäge.

Wenn man den Pilzen ab und an etwas Beachtung schenkt, bedanken diese sich mit noch reicherem Ertrag.

SCHRITT 1: EIN GUTER PLATZ Ein schattiger, windgeschützter Platz mit hoher Luftfeuchtigkeit ist optimal für die Pilzstämme. Je besser die Stammfeuchte im Holz gehalten werden kann, umso wohler fühlen sich die Pilze. Bäume, Sträucher und andere schattenspendende Pflanzen schaffen ein optimales Mikroklima und sind essentiell für den Pilzgarten.

SCHRITT 2: EINE FRAGE DER KULTUR Die meisten Pilzarten benötigen Erdkontakt. Die etwa 30 cm langen Baumstämme werden mit der Stirnseite nach unten ungefähr 10 cm in die Erde eingegraben. Viele Pilze bilden zuerst ein Erdmyzel, bevor sie fruchten. Diese Kulturen nennt man Erdkultur. Shiitake-Kulturen benötigen als einzige Art keinen Bodenkontakt. Die 1-metrigen Stämme werden lediglich mit etwas Abstand zum Boden aufgelegt oder aufgehängt. Diese Kultur nennt man Luftkultur.

BILDER Waldviertler Pilzgarten

SCHRITT 3: EINE REICHE ERNTE Wenn man den Pilzen ab und an etwas Beachtung schenkt, bedanken diese sich mit noch reicherem Ertrag. Bei Erdkulturen (Austernseitlingen, Stockschwämmchen, Igelstachelbart, Nameko, Reishi etc.) sorgt das Moos auf der oberen Schnittfläche für einen optimalen Verdunstungsschutz. Gelegentliches Gießen schadet nicht. Fühlt sich das Moos trocken an, kann der Stamm gegossen werden. Der Shiitake (Luftkultur) wird etwas anders als die

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Magdalena Wurth und Moritz Wildenauer kultivieren im Waldviertel Speisepilze

Erdkulturen behandelt. Soll ein Shiitake-Stamm fruchten, muss er zuerst »aufgeweckt« werden. Dazu wird der Shiitake zur Gänze und für 24 Stunden in ein Behältnis mit kaltem Wasser eingelegt. Danach wird er drei- bis viermal kräftig auf den Boden aufgestoßen. Dieses Ritual wird von allen Shiitake-Züchter*innen durchgeführt, da es die Fruchtkörperbildung begünstigt. Der Shiitake kann bis zu dreimal im Jahr getaucht/ beerntet werden. Beim Anbau von Pilzen auf Holzstämmen (Laubholz) kann gut bis zu fünf Jahre geerntet werden – sogar mehrmals pro Jahr! Der genaue Erntezeitpunkt für die unterschiedlichen Pilze hängt von klimatischen Faktoren ab. Die Pilze werden geerntet, solange die Hutkante noch leicht nach unten geneigt ist. Wählt man unterschiedliche Pilzarten aus, kann durchaus eine Ernte zu allen vier Jahreszeiten möglich sein.

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SPEISEPILZE

Der Shiitake

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DIE BESTEN PILZE FÜR EINSTEIGER*INNEN

Im Frühjahr müssen die Baumstämme, auf denen die Pilze wachsen sollen, beimpft werden.

Kulinarik: Der Shiitake ist ein wunderbarer Speise- und Heilpilz. Der Pilz eignet sich auch vorzüglich frisch in Pilzsaucen. Getrocknet behält er sein typisches Aroma hervorragend. Besonderheit: Er ist in Asien beheimatet und wurde von buddhistischen Mönchen vor ca. 500 Jahren nach Japan gebracht. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (tcm) ist er ein bedeutender Heilpilz. Er enthält Eiweiß, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe. Der Shiitake hat eine positive Wirkung auf unser Immunsystem und wird sogar begleitend in der Krebstherapie angewendet.

SO GEHT’S: HOLZ BESORGEN UND RICHTIG IMPFEN

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BILDER Waldviertler Pilzgarten

DAS RICHTIGE HOLZ Wichtig für eine erfolgreiche Zucht von Speisepilzen ist die Qualität des Holzes. Das für den Pilzanbau verwendete Holz sollte möglichst frisch geschlagen und nicht mehr als vier Monate eingelagert worden sein. Idealerweise hat man Holz zur Verfügung, das im Winter oder im zeitigen Frühjahr geschlägert wurde. Sowohl Hartholz als auch Weichholz eignen sich. Jedoch sind die harten Gehölze wie Rotbuche, Hainbuche, Eiche und Ahorn idealer als die weichen Gehölze von Weide, Birke, Pappel, Erle und Linde. Sie können bis zu fünf Jahre Erträge hervorbringen. Der Shiitake etwa wird auf Buchen- und Eichenstämmen gezogen. Beim Fällen der Bäume ist darauf zu achten, dass die Rinde nicht beschädigt wird, da diese das Myzel vor dem Austrocknen schützt. Natürlich hat nicht jeder den Luxus eines eigenen Waldes, in dem beliebig Bäume für den Pilzanbau gefällt werden können. Am einfachsten ist es, Bauern aus der Umgebung zu fragen, ob sie bei der nächsten Winterschlägerung ein paar Meter Laubholz schneiden können. Wichtig ist es, dabei immer den gewünschten Durchmesser und die unbeschädigte Rinde zu erwäh-


SommerSeitling Waldviertler Austernseitling Kulinarik: Dieser Austernseitling eignet sich zum Grillen oder gemeinsam mit Gemüse oder Fleisch in Saucen. Mit Kräutern verfeinert entfaltet dieser Pilz ein einzigartiges Aroma. Besonderheiten: Diese Art ist sehr robust und fruchtet, wann es ihr passt. So kommt es vor, dass auch im tiefsten Winter Pilze erscheinen.

Kulinarik: Der Pilz ist zartfleischig und eignet sich für Pilzsaucen oder einfach nur angebraten auf eine frische Scheibe Brot. Der Graue Austernseitling ergibt scharf angebraten auch schmackhafte Pilzaufstriche. Besonderheiten: Er bildet sehr schöne Pilzrosetten aus. Diesem Pilz kann man beim Wachsen förmlich zuschauen.

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Igelstachelbart Kulinarik: Der Igelstachelbart besitzt einen zarten, leicht zitronigen Pilzgeschmack. Angebraten, zu Gemüsesoßen oder als Fleischersatz schmeckt er am besten. Besonderheiten: Der Stachelbart ist nicht nur eine wahre Delikatesse, sondern besitzt auch Heilwirkungen (tcm). Die Pilze können bis zu 10 cm lang werden und sind auch in Europa heimisch – jedoch zählt der Igelstachelbart schon zu den bedrohten Arten. Ein Anbau im eigenen Garten hat dadurch nochmals einen zusätzlichen Wert für die Erhaltung der Naturvielfalt.

nen. Der optimale Stamm-Durchmesser ist bei jeder Pilzart unterschiedlich. Beimpft wird auf einen Meter langen Baumstämmen.

DAS IMPFEN IM FRÜHJAHR Es gibt mehrere Möglichkeiten, Stämme mit Pilzbrut zu beimpfen. Durch langjährige Erfahrungen können drei Methoden empfohlen werden – diese haben in der Garten-Praxis auch die größte Bedeutung erlangt: Bei der Schnittimpfmethode (Getreidebrut) benötigt man eine Motorsäge. Bei der Dübelbeimpfung (Dübelbrut) kann einfach mit einer Bohrmaschine gearbeitet werden. Für Stämme mit großem Durchmesser oder für eine Holzstubben-Beimpfung empfiehlt sich die Bohrlochmethode. Es wird dafür ein Schlangenbohrer eingesetzt. Hierbei wird dann Getreidebrut verwendet, um die gebohrten Löcher zu füllen.

BILDER Waldviertler Pilzgarten

DIE AUSWINTERUNG Nach der einjährigen Durchwachsphase, welche jeder Pilz benötigt, wird der Stamm ausgewintert. Die Erdkulturen werden eingegraben und die Luftkultur aufgelegt/aufgehängt. Alle weiteren Schritte sind für Einsteiger*innen und auch für geübte Pilzzüchter*innen gleich. Beimpfte Baumstämme und Pilzbrut gibt es im Waldviertler Pilzgarten Mistelbach 28,3922 Großschönau pilzgarten.at

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An schattigen und windgeschützten Plätzen mit hoher Luftfeuchtigkeit fühlen sich die Pilzstämme am wohlsten.

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WALDBRÄNDE

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»FÜR UNS IST DAS LEIDER INZWISCHEN NORMALITÄT« Hitzewellen und staubtrockene Erde bereiten jeden Sommer aufs Neue den Weg für Waldbrände in Niederösterreich. TEXT

Franziska Bechtold

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FRANZ RESPERGER Der Sprecher des niederösterreichischen Landesfeuerwehrverbands über Flurbrände, Brandbekämpfung aus der Luft und Prävention.

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nde Juni verletzen sich mehrere Feuerwehrleute bei einem Waldbrand bei Scheiblingstein, den 123 Einsatzkräfte mit vereinten Kräften löschen konnten. Der Anstieg solcher Brände ist mit dem Klimawandel verbunden – ein Fakt, mit dem vor allem die Feuerwehr kämpfen muss. Statistiken des Instituts für Waldbau der boku Wien belegen, was die Feuerwehr bereits aus täglicher Erfahrung weiß: Waldbrände nehmen in Österreich zu. Von März bis Mai 2018 waren es bereits 55, im Jahr 2017 waren es insgesamt 263, viele davon ausgelöst durch Blitzschläge. Franz Resperger vom NÖ-Landesfeuerwehrverband erklärt, wie die Feuerwehr auf die wachsende Gefahr reagiert.

BILD Istock.com / Yelantsevv

biorama: Herr Resperger, wenn man sich die Statistiken ansieht, wird deutlich, dass die Zahl der Waldbrände zwar schwankt, aber langfristig sicherlich nicht abnehmen wird – deckt sich das mit Ihrem Eindruck? resperger: Ja, von einem Rückgang ist in Zukunft nicht auszugehen. Wir sind in ständigem Austausch mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien, wo wir auch unlängst wieder zum Gespräch waren. Wir wollten natürlich wissen, wie sich das Wetter entwickelt und was wir zukünftig zu erwarten haben. Man hat uns ganz klar mit auf den Weg gegeben, dass wir in Zukunft mit deutlich mehr saisonalen Unwettern und in der Folge mit mehr Waldbränden aufgrund der Klimaerwärmung rechnen müssen.

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Wie gehen Sie als Feuerwehr mit dieser erhöhten Gefahr um? Da gibt es zwei Ebenen. Einerseits appellieren wir an die Eigenverantwortung der Menschen, denn man kann als Feuerwehr nicht überall gleichzeitig sein, auch wenn wir innerhalb von Minuten mit hundert Mann unterwegs sind. Andererseits ist das für uns ja auch kein neu-

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WALDBRÄNDE

42 es Phänomen. Die Feuerwehr rüstet seit Jahren für den Katastrophenschutzbetrieb auf. Es wird uns nur immer wieder bestätigt und durch die Unwetter vor Augen geführt, dass der Klimawandel stattfindet. Gerade aus den usa kennt man Bilder von horrenden Waldbränden. Wäre dieses Ausmaß in Österreich auch möglich? Der große Unterschied zu den usa ist das System der freiwilligen Feuerwehr. In Kalifornien haben sie alle paar hundert Kilometer mal einen Feuerwehrposten mit zehn Leuten – wie sollen die das leisten? In 99 % der Fälle können wir einen Waldbrand in der Entstehungsphase bekämpfen, weil wir so flächendeckend mit Feuerwehren ausgestattet sind und Flugdienste in allen Vierteln des Bundeslandes haben. Weil das bei uns so schnell funktioniert, gibt es diese großflächigen Waldbrände eher selten. Gibt es speziell für Wald- und Flurbrände Vorbereitungen, die Sie treffen? Flurbrände sind bei uns schon das Tagesgeschäft und Waldbrände sind zur Routine geworden. Die Flugdienste sind jetzt stärker sensibilisiert, aber für die Feuerwehr ist es nicht viel anders als ein Verkehrsunfall: Die Sirene heult, die Feuerwehrleute laufen zum Feuerwehrhaus und wandern dann zum Waldbrand. Das muss man natürlich üben. Wenn der Flugdienst mit Hubschraubern im Einsatz ist, erfordert das eine ganz eigene Logistik. Waldbrände sind sehr kräftezehrend und können schon mal mehrere Tage dauern. Das wird natürlich in den gefährdeten Gebieten regelmäßig geübt. Wir haben

uns darauf eingestellt und sind entsprechend mit Gerätschaften ausrüstet. Für uns ist das leider inzwischen Normalität und wir haben gelernt, damit zu Leben. Diese Szenarien werden uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte verfolgen.

HUBSCHRAUBER GEGEN WALDBRÄNDE Die 126 Flughelfer des Feuerwehr Sonderdienstes sind auf die vier Flugdienststationen Niederösterreichs verteilt: Amstetten, Dobersberg, Wiener Neustadt und die Landes-Feuerwehrschule in Tulln decken alle Gefahrengebiete ab. Sie bieten akute Hilfe mit Flächenflugzeugen und Helikoptern, die bei Waldbränden mit Löschbehältern beladen werden. Außerdem gehören Beobachtungsflüge während Trockenperioden und Einsätze bei Hochwasser zu ihren Aufgaben. Die Flugzeuge und Hubschrauber sind nicht in Besitz der niederösterreichischen Feuerwehr. Es werden entweder die Fahrzeuge des Innenministeriums oder von zivilen Flugzeugbesitzern genutzt.

Die Waldbrand-Datenbank Österreich ist ein Projekt der boku Wien, das genaue Daten zu sämtlichen Bränden in Österreichs Natur erhebt. Verzeichnet sind aktuell um die 5.500 Brände, die auf der Website nach Fläche, Art und Ursache gefiltert werden können. Die Plattform zeigt die Brandorte auf einer Karte an und spuckt Statistiken zu verzeichneten Bränden seit 1993 aus. Dabei baut die boku ganz nach dem »Citizen Science«-Prinzip auf die Mithilfe der Bevölkerung: Über ein Formular können detaillierte Meldungen aktueller und historischer Waldbrände eingebracht werden. Hier kann, falls bekannt, auch die betroffene Baumart, Vegetation, sowie die Brandursache und Branddauer angegeben und Foto und Videomaterial hinzugefügt werden. fire.boku.ac.at/firedb

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BILDER Istock.com / filborg, Feuerwehr Niederösterreich

CITIZEN SCIENCE: FIRE DATABASE

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BILDER Istock.com / filborg, Feuerwehr Niederรถsterreich


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MARKTPLATZ

KREATIVES, ETABLIERTES UND NEUES AUS NÖ 1 // BIOHANFTEE »HANFBRUDERS ZAUBERTRANK«

3 // NIKOLAIHOF WEINSTEIN

Aus dem Waldviertel stammt die Teemtischung Handbruders Zaubertrank. Dafür werden Biohanfblätter geerntet, kurz bevor die Hanfpflanze den Blütenstand ansetzt. Dann ist der Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen mit gesundheits-fördernder Wirkung besonders hoch, ist das Team vom Hersteller Hanfland aus Hanfthal (gehört zu Laa an der Thaya) überzeugt. hanfland.at

Auf dem Nikolaihof in Mautern entsteht Naturkosmetik auf Basis von Biowein. Und wo es Wein gibt, gibt’s auch Weinstein. »Der Weinstein ist ein besonders faszinierender Rohstoff und wird auch in der homöopathischen Medizin eingesetzt. In einem Wasserkrug gibt er wohltuende Energie an das Wasser ab«, heißt es im Webshop, wo das angebliche Heilmittel für drei Euro angeboten wird. Wer’s glaubt… dienikolai.at

2 // WIENERWÜRZE VOM GENUSSKOARL

4 // GEMISCHTER SATZ VON H&M HOFER

In Wolkersdorf im Weinviertel hat »Genusskoarl« Karl Severin Traugott – eigentlich Salzburger – vor einigen Monaten mit seinem Team begonnen, Biowürzsaucen zu produzieren. Mit seinem Food Start-up setzt er auf eine uralte Methode in der Produktion: Fermentation. Seine Sauce namens Wienerwürze auf Basis von Lupinen und Hafer ist vegan, hält lang und passt zu Suppen, Saucen und Salaten. genusskoarl.at

Die Auersthaler Bioweine werden mittlerweile auch in Übersee gern getrunken (und etwa von Whole Foods in die usa importiert). Am besten schmecken sie aber im Heurigen von Maria Hofer – etwa der Gemischte Satz aus Weißburgunder, Grüner Veltliner, Muskateller, Welschriesling, Frühroter Veltliner und Müller Thurgau. Wissenswert: Seit dem Jahrgang 2016 sind alle Hofer-Weine vegan zertifiziert. weinguthofer.com

5 // HEIDELBEERJOGHURT VON MARKSTEINER

6 // KUKURUZ BIOMAISSNACK VON SCHORN’S

Ein cremiger Genuss sind die Biojoghurts der Familie Marksteiner aus Bernschlag – egal ob Vanille, Erd- oder Heidelbeere. Nicht allzu süß, aus feinster Waldviertler Biomilch, im Glas und gerade flüssig genug, dass sie sich auch mit dem Strohhalm trinken lassen. Erhältlich im Hofladen oder bei Denn’s. biohofladen-marksteiner.at

Selten aber doch schaffen es Biobauern und Biobäuerinnen – im konkreten Fall Hannes Schorn – ihre Erzeugnisse nicht nur zu veredeln, sondern auch zu überregional hervorragenden Marken zu machen. Die Zutaten seines Maissnacks – Mais, Sonnenblumenöl, Knoblauch und Chili in Bioqualität – stammen alle aus Niederösterreich. Die Knabberei selbst schmeckt leicht, flockig – und selbst Kinder mögen die Knoblauch-Variante. schorns.at

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Das Holz der Steinföhre, bei uns im Waldviertel Fehra genannt, hat sich im Laufe der Jahrzehnte als hervorragendes Material für unsere Schlafmöbel bestätigt. Der Urbaum aus dem Waldviertel ist reich an Harzen, besticht durch seinen angenehmen Duft, seine beruhigende Wirkung und seine hygienischen Eigenschaften. Diese einmalige Kombination fördert einen tiefen und erholsamen Schlaf und harmonisiert wesentlich den körpereigenen Energiefluss.

Der FEHRA-POLSTER bettet den Kopf und den Nacken in jeder Lage. Die FEHRA-MATRATZE sorgt kuschelig für ein ideales Bettklima. Die FEHRA-LAMELLEN garantieren eine wohltuende Schlafposition.

Die FEHRA-BETTRAHMEN mit gezinkten HolzEckverbindungen werden ausschließlich nach traditionellem Handwerk formschlüssig zusammengefügt – sie garantieren somit Stabilität und eine komplett metallfreie Konstruktion. Die FEHRA-ORDNUNG, eine Ausrichtung von Stamm- und Wipfelende, schafft im Liegebereich ein energetisch neutrales Feld für einen erholsamen Schlaf. In unseren aus dem besonderen Holz der Fehra gefertigten Betten werden Sie sich ein Leben lang erholen und entspannen. Alle Betten, Schlafsysteme und Schlafzimmermöbel werden in den hauseigenen Werkstätten der Tischlerei nach Ihren Wünschen gefertigt! Jedes individuelle Design und ausgewählte Holzarten sind auf Wunsch möglich. Gerne schenken wir Ihnen ausreichend BeratungsZeit und bitten daher um eine telefonische Terminvereinbarung. Kontakt Tischlerei Neulinger Roiten 28 3911 Rappottenstein (T) +43 2828 7579 (E) tischlerei@neulinger.at (I) www.neulinger.at (I) www.fehra-schlafen.at BEZAHLTE ANZEIGE

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KULINARIK

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Micky Klemsch

RADIUS 66 KILOMETER Die Gastwirtschaft Floh in Langenlebarn ist weithin bekannt. Man kann bei Josef Floh richtig gut essen. Für die Qualität bürgt auch sein Konzept, das stark auf Regionalität, Bio und Transparenz setzt.

or 24 Jahren hat Josef Floh, eigentlich immer nur »Der Floh« genannt, nach einigen Wanderjahren das Gasthaus der Eltern übernommen. Sein Konzept hat er so konsequent entwickelt, dass seine Gastwirtschaft heute zu den besten und bekanntesten Betrieben im Land zählt. Der Floh wurde zur Marke, dafür steht symbolisch auch sein Strohhut. Wir sprachen mit ihm über Bio in der Gastronomie.

biorama: Das Regionalitätskonzept heißt in deiner Gastwirtschaft »Radius 66«. Was bedeutet das genau? josef floh: Wir haben vor über 20 Jahren begonnen, unsere Produzent*innen zu fotografieren und auf der Speisekarte darzustellen, Namen und Produkte dazugeschrieben und viele Gerichte nach den Bäuer*innen benannt. Was heute wie selbstverständlich klingt, war zu dieser Zeit noch sehr ungewöhnlich. Der Wunsch, mehr über Herkunft, Produzent*innen und Anbauweise zu erfahren, wurde laufend vertieft. Vor 10 Jahren erwähnte ein deutscher Gourmetjournalist, dass jetzt fast jeder behauptet, regional zu kochen. Von da an wollte ich noch konkreter, fokussierter und genauer werden und daraus ist die

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Idee zu »Radius 66« geboren worden. Der Radius um die Gastwirtschaft hat sich mittlerweile als feste Größe etabliert und spiegelt folgendes wider: Wir kennen alle unsere Produzent*innen persönlich, wissen wie diese arbeiten und wo die Produkte herkommen. Einige wenige überschreiten die Entfernung von 66 Kilometern. Es geht um Transparenz, Ehrlichkeit und letztlich um das effektive Wahrnehmen des eigenen Lebensraumes. Und um Respekt vor der Natur.

JOSEF FLOH Der Niederösterreicher führt in Langenlebarn den gleichnamigen Familienbetrieb. Als Austria-Fan ist der Gastwirt bekennender Violetter, denkt aber dennoch sehr grün. In seiner Einstellung zu Ernährung und insbesondere dessen Herfkunft schlagen sich diese Gedanken nieder.

Auf der Website der Gastwirtschaft sind zahlreiche Zertifizierungen und Logos von Vermarktungsorganisationen platziert. Wie wichtig sind solche Auslobungen für die Gäste? Wir fühlen uns wohl im Austausch mit Gleichgesinnten. Wir sind ein Wirtshaus am Land und auch stolzer Teil der niederösterreichischen Wirtshauskultur, welche wir mitgeprägt haben. Die Jeunes Restaurateurs Österreich wurden von uns mit weiteren drei Mitstreiter*innen ins Leben gerufen und die Verbindung hat sich weit über eine kollegiale hinaus zu tiefen Freundschaften entwickelt. Der Wunsch unsere Produzent*innen anzuführen, dazuzuschreiben,

BILD Markus Haralter, Jürgen Skarwan

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Ein Gutteil der Produkte, die bei Josef Floh auf den Tisch kommen, ist biozertifiziert. Er ist auch Mitglied der Biowirt*innen.

R UTE G n DE I NER

T PAR

EIN KLEINER EINBLICK IN UNSER SORTIMENT

BILD Markus Haralter, Jürgen Skarwan

von wo diese herkommen und wie sie wirtschaften, ist stets präsent. Diese hat mit der Verordnung zur Biokennzeichung kurz einen Dämpfer bekommen, weil wir anfangs dachten, nur als Vollsortimenter kann man dies durchführen. Nach genauer Analyse sind wir nun bereits seit rund acht Jahren bioteilzertifiziert, um auch weiterhin diese Auskunft geben zu dürfen. Als Mitglied der Biowirt*innen warst du der erste Betrieb, der nicht zu hundert Prozent biozertifiziert war. Als wohl prominentestes Mitglied dieser Gemeinschaft. Gibt das Antrieb? Wir haben von der Gründung des Vereins erfahren und für uns war klar, wir möchten da mit dabei sein. Durch unsere Anfrage wurden die Kriterien dahingehend adaptiert, dass ein 100%-Biosortiment nicht von Anfang an ein Kriterium ist, und auch die Vereinigung dazu dienen soll, Betriebe auf diesem Wege zu einem Vollsortiment zu begleiten. Wenn man heute einen neuen Betrieb mit dem Ziel, nur Bioprodukte zu verwenden, aufsperrt, ist es verhältnismäßig einfach, weil man sich dann ausschließlich in diesem Umfeld umschaut. Als Betrieb, welcher im nächsten Jahr nun bereits seit 25 Jahren von Josef Floh geführt wird, baut man sich über viele Jahre ein dichtes Lieferant*innennetz auf, welches auch nicht von heute auf morgen aufgegeben wird. Wir haben aber unsere Partner*innen davon in Kenntnis gesetzt, dass uns eine biologische Bewirtschaftung wichtig ist und wir uns in diese Richtung entwickeln werden. Ob wir jemals hundert Prozent erreichen werden, kann ich aus heutiger Sicht nicht beurteilen.

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BIORAMA NÖ

GREEN CONTROLLING

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INTERVIEW

Thomas Stollenwerk

WAS MAN NICHT MISST, KANN MAN NICHT VERWALTEN In den Rathäusern Niederösterreichs werden Umweltkennzahlen nur selten systematisch erhoben.

»W

hat gets measured, gets managed.« Was gemessen wird, wird gemanagt. Das hat der Ökonom Peter Drucker einmal geschrieben. Es gilt auch, wenn es um Nachhaltigkeitsziele geht. Den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu senken, ist erklärtes Ziel vieler Unternehmen und Regierungen. Auch Gemeinden möchten klima- und umweltfreundlicher werden. Anhand von Kennzahlen lässt sich ihr Einfluss auf die Umwelt messen, um ihn schließlich zu managen. Green Controlling nennt sich das. Bernhard Ebner hat untersucht, ob und wie NÖ-Gemeinden Green Controlling betreiben. Er wollte wissen, welche Kennzahlen sie erheben und welche Bedeutung das Umweltmanagement in den Amtsstuben hat. »Es ist noch relativ einfach, eine Parole auszugeben und CO2 einsparen zu wollen. Wesentlich schwerer wird da schon die Beantwortung der Frage, wie sich eine Einsparung zahlenmäßig, also sowohl auf Emissionen als auch auf wirtschaftliche Zahlen, auswirkt«, schreibt er. Beim Implementieren von Green Controlling in einer Gemeinde gibt es eine Schwierigkeit: »Obwohl diese Implementierung oft als öffentliches und herausragendes Ziel gesetzt ist, sehen viele Controller nicht ihre Aufgabe in

30,7 % der Gemeinden in Niederösterreich kennen Green Controlling.

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18,6 % der Gemeinden wenden es an

der Auseinandersetzung mit der Integration ökologischer Sachverhalte.« Dahinter steckt ein altes Problem der Umwelt: Sie hat keinen Preis und ihre Dienstleistungen und Ressourcen werden vielfach als gratis wahrgenommen. Im Green Controlling können die unterschiedlichsten Messwerte berücksichtigt werden, vom Energiebedarf in öffentlichen Gebäuden über verbrauchte Druck-Papiermenge in der Verwaltung bis zum Anteil an versiegelter Gemeindefläche. 573 ausführliche Fragebögen hat Ebner verschickt, um Antworten zu finden. 140 hat er vollständig ausgefüllt zurückbekommen. Das Ergebnis der Stichprobe: 30,7 % der Gemeinden in Niederösterreich kennen Green Controlling. Nur 18,6 % der Gemeinden wenden es an. Noch geringer ist der Anteil niederösterreichischer Kommunen, die standardisierte Controlling-Verfahren einsetzen, wie es in vielen Unternehmen üblich ist und die eine gewisse Vergleichbarkeit sicherstellen. Sieben verschiedene etablierte Green Controlling-Verfahren, nach denen Ebner fragte, waren 55,9 % der befragten Gemeinden gänzlich unbekannt. Das bekannteste Verfahren ist das Erheben ökologischer Kennzahlen, das 39 % der Befragten ein Begriff war, und das in 21,9 % der Kommunen angewendet wird. Überraschend: 56,4 % gaben an,

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gegen eine Implementierung von Green Controlling in der Kommune zu sein. 79 % der Gemeinden gaben an, in Zukunft mehr in ökologische Nachhaltigkeit investieren zu wollen. Woran Green Controlling in den NÖ-Gemeinden scheitert, fasst Ebner so zusammen: »Es wird gefordert, dass zuerst ein praktikables System für ein Green Controlling erstellt wird, und dann erst ein dementsprechendes Gesetz beschlossen wird. Die Sorge dahinter ist, dass durch einen Schnellschuss des Gesetzgebers auf die Finanzierbarkeit nicht geachtet wird.« Bevor Green Controlling verpflichtend wird, wird sich also wohl nicht allzu viel tun.

biorama: Wie kamen Sie dazu, das Green Controlling in niederösterreichischen Gemeinden unter die Lupe zu nehmen? ebner: Hintergrund war meine Tätigkeit als Umwelt-Gemeinderat auf der einen Seite und auf der anderen Seite das Management-Studium. Ich wollte Nachhaltigkeit und Controlling verbinden, und das im regionalen Umfeld.

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56,4 % gaben an, gegen eine Implementierung von Green Controlling in der Kommune zu sein.

verstanden, was Green Controlling ist? Kann es vielleicht auch sein, dass es Gemeinden gibt, die Green Controlling betreiben, aber es nicht so nennen?

Sie meinen, dass Green Controlling zufällig erfolgt? Stellen Sie sich vor, eine Gemeinde rüstet erforschte das Bauhof-Fahrzeuge von Diesel auf Elektro Umwelt-Controlling um. Das Gemeindeamt kontrolliert die Kosin NÖ-Gemeinden. In der Studie heißt es, am weitesten verten und fragt nach dem Sinn der Umrüsbreitet sei Green Controlling anhand ökologischer tung. Dabei werden ganz automatisch ökonomische und Kennzahlen. Was bedeutet das? ökologische Aspekte verglichen. So etwas passiert ständig, Es gibt natürlich gesetzliche Vorgaben, die Umwelt-Innur wird es nicht immer als Green Controlling wahrgedikatoren und Kennzahlen festlegen – zum Beispiel nommen. Erst durch Dinge wie die Energiebuchhaltung Abgaswerte. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite implementiert sich das Bewusstsein in den Gemeinden. gibt es darüber hinausgehende Möglichkeiten, NachhalSind die Gemeinden in NÖ bei dem Thema gut aufgetigkeit zu messen. Da gibt es zum Beispiel die e5-Gemeinden, in denen eine Energiebuchhaltung stattfindet. Die stellt, oder ist man in anderen Bundesländern schon basiert teilweise auf Vergleichswerten, zum Beispiel »wie weiter? habe ich mich im Vergleich zum Vorjahr verbessert?«, und Man merkt überall, dass etwas passiert, weil es die Bevölkerung verlangt. Das sieht man an Initiativen wie teilweise auf Zielvorgaben, die erreicht werden sollen. dem geplanten Verbot von Plastiksackerln, oder daran, dass mehr Wert darauf gelegt wird, den Ursprung von Was sind denn Anreize, die es für Kommunen attraktiver machen, mehr zu tun? Lebensmitteln zu kennen. Aber es gibt natürlich UnterDas ist schwer zu sagen. Die Analyse zeigt, dass es schiede. Tirol zum Beispiel hat sehr hohe Umweltauflaim politischen Bereich über Parteigrenzen hinweg eine gen. Oberösterreich und Salzburg schauen sehr intensiv sehr hohe Akzeptanz für Green Controlling gibt. Die Fraauf Luftemissionen entlang der Autobahnen. Wien baut ge ist, in welcher Form es durchgeführt wird. Und dann seine Radwege aus. Zusammengefasst kann man sagen, gibt es eine andere Frage, über die ich mit den Betreudass es überall eine gute Entwicklung gibt, ideologieunern der Arbeit viel diskutiert habe: Haben überhaupt alle abhängig Nachhaltigkeit zu fördern.

BERNHARD EBNER

E5-GEMEINDEN Es gibt auch NÖ-Gemeinden, die in Sachen Umwelt und Klima ambitioniert vorausgehen, und besonders aufs Energiesparen achten. An sie richtet sich das e5-Programm – nach eigenen Angaben die »Champions League« der energieeffizienten Städte und Gemeinden. Je nach Grad der erreichten Energieeffizienz erhalten teilnehmende Gemeinden bis zu fünf »e’s«. Fünf NÖ-Gemeinden haben bisher vier »e’s« erreicht: Allhartsberg, Baden, Großschönau, Ober-Grafendorf – weitere fünf drei »e’s« und eine Gemeinde zwei »e’s«. 211.000 (12 %) Niederösterreicher leben in den e5-Gemeinden des Landes.

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BIORAMA NÖ

STREET TALK

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STREET TALK WIR FRAGEN, FÜNF PRIVILEGIERTE ANTWORTEN.

Magdalena 18, Maturantin

Emily 17, Maturantin

»In Poysdorf oder Retz, im Norden oben. Das ist so die niederösterreichische Mentalität: Woher kommst du? Aus Wien? Na! Dann kein Almdudler für dich!«

»Ganz grob gesagt im Waldviertel, weil von dort ist unser Chemielehrer und der ist für mich der Inbegriff von Niederösterreich, mit den Birkenstockschlapfen.«

Monika, 74, Pensionistin

Elisabeth 59, Pensionistin

»Also ich, als Klosterneuburgerin sag einmal: Überall in Klosterneuburg und Umgebung. An der Donau entlang ist Niederösterreich pur.«

»Für mich ist es der Semmering, schon direkt an der Grenze zum Steirischen. Es ist irgendwie so vergangene Zeit.«

Petra 50, Angestellte »Also nachdem ich Wienerin bin ist Niederösterreich für mich in der Wachau am niederösterreichischsten. Ich weiß jetzt auch nicht genau warum, aber das ist wahrscheinlich weil’s so nah an Wien ist und doch weit genug weg, um Urlaub zu machen. Das verbinde ich am ehesten mit Niederösterreich. Die Antwort ist wahrscheinlich ein bisschen touristisch. Aber ich bin Wienerin, ich darf das!«

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Impressum: Medieninhaber: Raiffeisen-Landeswerbung Niederösterreich-Wien, F.-W.-Raiffeisenplatz 1, 1020 Wien.

»WO IST NIEDERÖSTERREICH AM NIEDERÖSTERREICHISCHSTEN?«


E N I L

ON NTO KO ZUGS

Impressum: Medieninhaber: Raiffeisen-Landeswerbung Niederösterreich-Wien, F.-W.-Raiffeisenplatz 1, 1020 Wien.

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