P.b.b. — 11Z038861 M — 1040 Wien —— www.facebook.com/biorama
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ausgabe 40 — Dezember 2015 / Jänner 2016. www.biorama.eu
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Emojis aus japan Wie die Aubergine zum Phallus wurde Was Thun, Fisch? Das Dilemma beim Fischkauf. Lokaljournalismus: Geschichten aus der Provinz. Tiere tragen: Wann wurde Pelz eigentlich böse?
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Im Hause Rapunzel knackig gerรถstet, fein gesalzen und rรถstfrisch verpackt!
Wir machen Bio aus Liebe. 040_002-017_GV.indd 2
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Craft Bier Fest Wien Einige tausende Bierliebhaber konnte das von Biorama veranstaltete Craft Bier Fest Wien in der ehemaligen Expedithalle einer Brotfabrik versammeln. Das Interesse an handwerklich gefertigten Spezialbieren mit Charakter ist ungebrochen groĂ&#x;. Inmitten der kreativen Brauer natĂźrlich auch die Biopioniere Max Krieger aus Riedenburg und Reinhold Barta vom Salzburger Brauhaus Gusswerk.
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auftakt
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inhalt
07 Editorial 08 Global Village Die Welt im Großen & Kleinen
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Schwerpunkt: Headline
24 Noryang Fischmarkt Fotos aus der Hauptstadt Südkoreas 30 Was Thun, Fisch? Ein kleiner Einkaufsratgeber 34 Hormone Mit der Pille gelangt Östrogen ins Trinkwasser
Magazin 18 Food Emojis Warum Bildsprache aus Japan die Welt erobert 39 Harvest Map Der Schrottplatz findet den Weg ins Internet 46 Sinn City: Flüchtling Weshalb das Ziel einer Flucht oft eine Großstadt ist 50 Hut und Stiel Pilzzucht auf Kaffeesatz 52 Lokaljournalismus Wie geht kritischer Journalismus in der Provinz? 56 Pelz Wann wurde Pelztragen verwerflich? 63 Nüsse Wieso es kaum heimische Nüsse gibt 66 Bio Gastro Trophy Ein Award für die Bio Gastronomie
Marktplatz 72 DIY-Rezept Zweierlei Karfiol 74 Fisch am Tisch 76 Ölwechsel
fisch essen Jürgen Schmücking hat sich für diese Ausgabe ganz dem Fisch gewidmet. Mit der Kamera war er auf dem Noryang Fischmarkt in Seoul unterwegs. Er hat recherchiert, welchen Fisch man reinen Gewissens kaufen sollte und stellt in der Marktplatz Rubrik die Vorzüge unterschiedliche Speisefische vor.
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Kolumnen 68 Glasgeflüster 78 Elternalltag 80 Die Welt, die wir uns wünschen 82 Tier der Ausgabe
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18 emojis senden Der Frage, was Emojis und Essen miteinander zu tun haben, ist Magdalena Hiller nachgegangen, und das von Tokyo aus.
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08.–09. APRIL TABAKFABRIK, LINZ CRAF TBIERF EST.AT # CRAF TBIERF EST CRAF TBIERF EST CRAF TBIERF EST
tiere tragen Pelztragen ist in Verruf geraten und gilt als unmoralisches Statussymbol. Wann wurde das Naturprodukt eigentlich untragbar?
kosmetik kaufen Gerade im Winter eine Wohltat: Um Pflegeöle für’s Gesicht geht es auf dem Marktplatz Kosmetik.
Vo R V E R k Au F In kü R z E Au F n T Ry. AT
Craft Bier Fest Linz 2016_71x218mm_Biorama.indd 09.12.15 1 15:57 040_002-017_GV.indd 5
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BIO aus den Tiroler Bergen
Bio-Bergkäse
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iste Hubert Rendl, Käserme l Reith im Alpbachta
Für die Herstellung der Käse wird Bio-Heumilch verwendet.
Bergkäse ist der Klassiker in unserem Tiroler Bio-Sortiment. Etwa zehn Liter Bio-Heumilch brauchen die Senner für die Herstellung von einem Kilo Käse. Dieser Hartkäse ist der ideale Begleiter auf Bergtouren. Für den Tiroler Ursprung bürgt das Gütesiegel „Qualität Tirol“.
biovomberg.at
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editorial, impressum
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Ceci n’est pas une aubergine
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Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber
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impressum HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTION Thomas Stollenwerk AUTOREN Mirjam Bromundt, Sylvia Buchacher, Karin Chladek, Chris Cummins, Iwona Dullinger, Anne Erwand, Juliane Fischer, Doris Fröhlich, Miriam Frühstück, Tina Gallach, Pia Gärtner, Yannick Gotthardt, Katharina Grabner, Christa Grünberg, Susanna Hagen, Magdalena Hiller, Micky Klemsch, Ellen Köhrer, Sophie König, Sarah Krobath, Astrid Kuffner, Sarah Latussek, Alexa Lutteri, Martin Mühl, Ursel Nendzig, Michaela Pichler, Susanne Posegga, Julia Preinerstorfer, Sebastian Rahs, Theres Rathmanner, Parvin Razavi, Werner Reiter, Teresa Reiter, Matthias Schickhofer, Jürgen Schmücking, Katja Schwemmers, Elena Seitaridis, Mara Simperler, Wolfgang Smejkal, Anna Sperber, Sarah Stamatiou, Werner Sturmberger, Erwin Uhrmann, Julia Unterlechner, Katharina Wiesler, Jörg Wipplinger, Irina Zelewitz, Helena Zottmann ILLUSTRATIONEN Katharina Hüttler / agentazur. com ART DIRECTOR Sig Ganhoer GESTALTUNG Sig Ganhoer, Erli Grünzweil, Katharina Kvasnicka LEKTORAT Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Micky Klemsch (Leitung), Thomas Weber DRUCK Niederösterreichisches Pressehaus, Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H. Gutenbergstrasse 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BLATTLINIE Biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für Mensch und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint sechsmal im Jahr.
Erratum In unserer 10-Jahres-Ausgabe ist uns beim Abdruck des Namens von Alexander Gerber, Vorstand von Demeter, ein Fehler unterlaufen. Wir bedauern.
foto Michael Winkelmann
gal ob Aubergine, Eierfrucht oder – wie wir in Wien-Umgebung – sagen Melanzani: Die gemächtige Frucht des Nachtschattengewächses, die du vorne auf dem Cover siehst, ist eigentlich ein Penis. Ja, richtig gelesen. Dass das nicht für alle offensichtlich ist, liegt in der Natur der Sache. Wir reden in dieser Ausgabe schließlich nicht nur vom Essen, sondern auch von kulturellen Codes, von Kommunikation. Und manchmal bedeuten Dinge in unterschiedlichen Zusammenhängen eben auch Unterschiedliches oder gar vieles gleichzeitig. In unserer diesmaligen Titelstory führt uns Magdalena Hiller, die vor ein paar Monaten mit dem Zug (!) nach Japan aufgebrochen ist, um in Tokyo ihr Studium der Theaterwissenschaften zu beenden, in die Feinheiten der digitalen Bildsprache ein. Genau, es geht um Emojis – jene »Hieroglyphen am Handy«, wie sie selbst sie nennt, die mittlerweile auch hierzulande das Kommunikationsverhalten der – sagen wir einmal – Unter-Vierzigjährigen prägen. Während die Jüngeren also eindeutig einen Penis am biorama-Cover erkannt haben, haben die Menschen 40+ wohl mehrheitlich Gemüse erkannt. Vielleicht erklärt das jetzt, warum dein Gegenüber in der U-Bahn oder im Bus so interessiert geschaut hat, was du da gerade lesend in Händen hältst. Du merkst schon: Es wird nicht allzu theoretisch. Magdalena Hillers Abhandlung soll vor allem eins vermitteln: Wie redet das junge Gemüse übers Essen? Wie unterscheiden sich die Geschmäcker in Tokyo von denen in Berlin, Hamburg oder Nürnberg? Und weil man kommunikativ in Japan nicht nur längst weiter ist, sondern auch anders isst, berichtet unsere Coverstory auch darüber, was in Tokyo kulinarisch gerade so abgeht. Purer Zufall, dass sich für unsere aktuelle Ausgabe auch ein sanfter Asien-Schwerpunkt ergeben hat. Das liegt daran, dass unser eigentlicher Schwerpunkt – Fisch! – mit einer Foto-Reportage von Jürgen Schmücking beginnt. Mit ihm begeben wir uns frühmorgens auf den Noryang Fischmarkt in Seoul. In Folge führt dann aber auch unser Fisch-Fokus zurück in regionale Gefilde und Gewässer. Wir zeigen euch, welchen Fisch ihr ganz ohne schlechtes Gewissen genießen könnt – und wo ihr Aal, Karpfen oder Zander am besten bezieht. Wie immer freuen wir uns über Anregungen, Widerspruch und Konstruktives.
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klimawandel
Der Künstler Olafur Elliason hat zusammen mit dem Geologen Minik Rosing die Aktion ice watch geplant, um während des UN-Klimagipfels in Paris das schmelzende Eis der Arktis visuell präsent zu machen. Zwölf riesige Eisblöcke, Teile frei schwimmender Eisberge in Grönland, sollten am Place de la République aufgestellt werden, wo sie langsam schmelzen sollten. Das Gesamtgewicht des Eises hätte 80 Tonnen betragen. Derzeit gehen in der Arktis jährlich 200–300 Milliarden Tonnen Gletschereis verloren, das über Jahrmillionen entstanden ist. Eine Rate, die in den nächsten Jahren deutlich ansteigen soll. Teile der Gletscher brechen ab und schmelzen, so tragen sie zum Ansteigen der Meeresspiegel bei. Wegen der Terroranschläge am 13. November ist die Aktion aus Sicherheitsgründen abgesagt worden. icewatchparis.com
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Text Thomas Stollenwerk bild Jørgen Chemnitz
Zerrinnen
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global village
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Auch auf www.biorama.eu gibt es Interessantes zu entdecken. Hier eine Auswahl aktueller Interviews, Artikel und Videos unserer Online-Dependance:
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Wurst mit Hirn. Hendrik »Wurstsack« Hase fragt sich im biorama-Interview, weshalb junge Unternehmer lieber Produkte vermarkten, als sie zu produzieren. www.biorama.eu/wurstsack-iv
Gadget
Solarenergie für unterwegs Energie, wann und wo man sie braucht: Eine Grazer Firma stellt Solarpaneels für unterwegs her, leistbar und leichter als ein Apfel. Unterwegs kommt es schon mal vor, dass der Handy akku leer wird. Aber am Berg oder auf Festivals sind Steckdosen leider eine Seltenheit. Das ist ärgerlich. Das SunnyBAG Leaf, ein mobiles und flexibles Solarpaneel, nützt die Sonne, um unterwegs Strom zu erzeugen. Selbst wenn der Himmel ganz bewölkt ist, erfüllt es seinen Zweck, das Aufladen dauert dann dementsprechend länger. Dazu kann auch der Strom aus der Steckdose verwendet werden. Um einen Sunnybag-Akku vollständig zu laden, sind bei direkter Sonneneinstrahlung etwa zwei bis drei Stunden notwendig, das entspricht der Energie für eine Smartphone-Akkuladung. Die gesammelte Energie kann dann über usb-Anschluss für alles, dem unterwegs der Saft ausgehen könnte, genutzt werden – GoPro, GPS-Gerät oder Notebook. Sämtliche Taschen und Rucksäcke werden zum privaten Sonnenkraftwerk. Das flexible Paneel wird einfach daran angebracht. Es ist außerdem fast unzerstörbar, weder Wasser noch Kälte können dem Gadget etwas anhaben. Deshalb ist es für alle Outdoor-Abenteuer bestens geeignet. Die 130 Gramm bringt man leicht auf jedem Rucksack unter. www.sunnybag.at
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Stoffwindeln statt Einwegwindeln – aber welche? Windeln aus Stoff sind ökologisch sinnvoller als WegwerfWindeln. Welche zu empfehlen sind, hat Theres Rathmanner ergründet. www.biorama.eu/stoffwindeln-statteinwegwindeln-aber-welche
10 europäische Urwälder und wie du sie besuchen kannst. Matthias Schickhofer war in den verbliebenen Urwäldern Europas und hat sich gemerkt, wie man hinkommt. www.biorama.eu/10-europaeische-urwaelder-und-wie-du-sie-besuchen-kannst
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street talk Wir fragen, sechs sonnige Gemüter antworten.
» Was machst du gegen den Winterblues?« Sandra 52, Fachfrau Gesundheit
Patrice 52, Chauffeur
Man muss sich selber Wohlfühlmomente schaffen. Im Sommer muss ich immer raus, im Winter genieße ich es zu Hause mit Kerzen und einem guten Buch.
Der Winter hat auch seine schönen Seiten. Ich kenne keine Winterdepression und glaube, das ist alles eine Sache der Einstellung.
Ich suhle mich im Selbstmitleid und schmipfe auf die Kälte.
Michiel 36, Plastischer Chirurg Sport und Reisen. Oder einfach ein gemütliches Kaminfeuer.
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Lara und Judith 18, Studentinnen
Kerstin 35, Biologin
Tee trinken, Ofen anmachen und kuscheln. Schlittschuhlaufen und auf Weihnachtsmärkte gehen.
Wenn so wie heute die Sonne scheint, natürlich rausgehen. Aber man sollte auch rausgehen wenn es grau ist. Frische Luft tut immer gut.
links text Pia Gärtner — RECHTS Interview und bild Pia Gärtner
Stimme aus dem Off
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www.richtiggutessen.eu Die besten BioGastrobetriebe auf www.biogastrotrophy.at
Der neue Foodblog von Anzeige Biorama 71x218mm.indd 1 040_002-017_GV.indd 12
Bild: Flickr.com/Royalty-free image collection – CC BY 3.0
Vorsichtig hebt eine Zapferin mit einem scharfen Messer ein hauchdünnes Stück Rinde ab, damit der Latexsaft zu fließen beginnt.
latex
Umweltschutz im Schlaf Wie man sich bettet, so liegt man. Und auf Naturkautschukmatratzen liegt es sich besonders gut und mit ruhigem Gewissen. Kautschuk ist ein nachwachsender Rohstoff, der aus dem tropischen Kautschukbaum (Hevea brasiliensis) gewonnen wird. Der Milchsaft (Latex), das Harz des Baumes, kann somit nachhaltig geerntet werden. Die Herstellung von künstlichem Kautschuk ist zudem zehnmal energieaufwendiger als die ökologische Handernte und Vulkanisation von natürlichem Latex. Hauptanbaugebiete der Gummibäume sind Südostasien, Indien und China. Matratzen aus Naturkautschuk bestehen aus einem Latex-Kern und mehreren darüberliegenden Lagen aus Naturfasern. Durch eine hohe Punktelastizität und große dynamische Beständigkeit sind Naturkautschukmatratzen orthopädisch von Vorteil, weil sich die Unterlage direkt dem Körper anpasst. Auch Allergiker können beruhigt schlafen, da kein direkter Hautkontakt zum Latexkern besteht.
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wintersport
Die natürliche Schneefall-Grenze rückt immer weiter die Alpen hinauf. Mancherorts reagiert man mit Kunstschnee. Andernorts setzt man auf Natur. 4.000 Hektar Schipisten gibt es in Österreich und fast jedes Wintersportgebiet ist inzwischen mit Anlagen zur künstlichen Beschneiung ausgestattet. Das bedeutet höhere Kosten für die Betreiber und für Wintersportler. Kunstschnee ist nicht nur für den Geldbeutel ein ressourcenintensiver Luxus: Große Wassermengen werden dafür aus Flüssen gepumpt. Da technischer Schnee eine andere Kristallstruktur hat als echter Schnee hat, kommt es in Folge zum Ersticken, Erfrieren und Absterben zahlreicher Pflanzen, es entstehen regelrecht tote Landstriche rund um die Pistenflächen. Ein Strukturwandel ist im Gang, ökologisch und ökonomisch. Stärker noch als die großen, europaweit vermarkteten Wintersportdestinationen leiden unter der Entwicklung die kleinen Schigebiete. In Niederösterreich haben sich deshalb einige davon unter dem Namen »Die kleinen Feinen – Familienschigebiete in Niederösterreich« zusammengetan. Die Gebiete sind alle gut mit dem Auto zu erreichen – etwa das Naturschneeparadies Unterberg, eine Stunde von Wien entfernt. Die Betreiber sind unter den Initiatoren der Initiative und wurden mit dem Ski Guide Austria-Award 2016 ausgezeichnet. Am
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Unterberg wird völlig auf Schneekanonen verzichtet: »Wir verlassen uns auf das Wetter. Uns nimmt somit jemand anderer die Entscheidung ab, ob Schnee fällt oder nicht«, so Christian Guthauer, Geschäftsführer vom Naturschneeparadies. »Es ist sicherlich auch umweltfreundlicher, keinen Kunstschnee zu produzieren.« Bei uns fällt der Schnee noch vom Himmel, lautet das Motto. Wobei aus der Not eine Tugend gemacht wurde. Es gibt auch zu wenig Wasserreserven, die verwendet werden könnten. Trotzdem bietet der Unterberg – fast – alles, was sich Wintersportler wünschen: Viele schätzen das Fahrgefühl im Naturschnee auf den insgesamt 16 km Piste mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden und einem Funpark. Das Gebiet liegt zwischen 700 und 1342 Metern. In so geringen Höhen kann nicht garantiert werden, dass die Temperaturen für die Produktion von Kunstschnee jeden Winter tief genug fallen. Bleibt der Schnee aus, gibt es eben keinen Betrieb. Wenn der Unterberg aber weiß ist: garantiert Naturschnee! www.schigebiet-unterberg.at
links text Alexa Lutteri bild Martin Kunz — RECHTS text Pia Gärtner bild Schigebiet Unterberg
Die kleinen Feinen: Pisten ohne Schneekanonen
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reisen
Mit einer Nacht bezahlen
Text Alexa Lutteri Bild Nightswapping
Budget-Reisen ist im Trend, Commons-Bewegungen und Sharing-Economy-Konzepte sprießen aus dem Boden. So auch eine neue Reise-App, welche die nomadische Unterkunftssuche von Reisenden mit kleiner Geldbörse erleichtern soll. Nightswapping (also Nächte-Tausch) funktioniert wie Couchsurfing, gezahlt wird aber mit Übernachtungen. Jeder, der jemand anderen bei sich wohnen lässt, bekommt Nächte gutgeschrieben, die er wiederum auf seinem nächsten Trip selbst als Zahlungsmittel einsetzen kann. Eine richtige Neuigkeit ist das Konzept zwar nicht, aber eine Alternative zum Couchsurfing, da man mit den Übernachtungen Credits sammelt. Wer noch niemanden bei sich hat schnarchen lassen, kann sich Nächte auf der
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Website ankaufen. Vermietungs-Apps geraten in letzter Zeit immer mehr in Verruf, da sie (wenn man damit Geld verdienen kann) die Wohnungspreise in die Höhe treiben. Dem Wohnungsmarkt werden so Wohnungen entzogen, die eigentlich langfristig vermietet werden könnten, wodurch Wohnungen knapper werden und die Mietpreise steigen. Ein weiterer negativer Effekt, der aber auch beim unbezahlten Wohnungstausch bestehen bleibt, ist der, dass ruhige Nachbarschaften dabei zu Touristenvierteln verkommen können.
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Wir schauen aufs Ganze Die Biobäuerinnen & Biobauern
Wir sichern beste Bio-Qualität.
Wir schützen Klima und Umwelt.
Wir gestalten lebenswerte Lebensräume. trinkwasser
Per Sonne zum Wasser Bis zu 1.000 Menschen versorgt diese DIY-Pumpe mit sauberem Trinkwasser. Gerade in abgelegenen Gegenden verhilft sie Gründern zu gutem Geld. Beinahe 800 Millionen Menschen fehlt der Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der Bedarf ist also offensichtlich. Zumal bis 2025 laut UN-Hochrechnung knapp zwei Milliarden Menschen unter akutem Wassermangel leiden sollen. Die Idee eines Kärntner Brunnenbauers kommt also gerade recht. Dietmar Stuck setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe. Neben der Problemlösung – sauberes Wasser – bietet sein Pumpenbausatz Betroffenen auch eine wirtschaftliche Perspektive. Die von ihm entwickelte Solar-Brunnenpumpe strebt maximale Unabhängigkeit an. Weder teure Stromaggregate sind notwendig, noch ist ihr Einsatz von der gerade herrschenden Windstärke abhängig. Jeder Nutzer kann das Teil außerdem selbst warten. Jede Komponente der »diy Solar Brunnenpumpe« kann nicht nur vor Ort repariert, sondern auch vor Ort hergestellt werden. Derart wird lokal Wissen aufgebaut, Wertschöpfung generiert – und über eine mobile Plattform gibt es einen freien (!) Zugang zu Do-it-Yourself-Anleitungen. Nachhaltiger kann Design kaum sein. pumpmakers.com
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MIT UNTERSTÜTZUNG VON BUND, LÄNDERN UND EUROPÄISCHER UNION Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums: Hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete
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Meine Stadt
MEINE STADT: TORONTO
von Christiane Böck
Lieblingsplätze UND Eco-HotSpots
Christiane Böck lebt seit Juni in der kanadischen Metropole am großen See. An jeder Ecke duftete es herrlich und alles blüht in den hübschesten Farben. In der kurzen Zeit hat sie bereits viel entdeckt und erkundet. Am liebsten ist sie mit ihrem Freund Hector unterwegs, der ihr immer wieder Neues in und um Toronto zeigt.
choir! choir! choir! An zwei Abenden pro Woche singen Daveed und Nobu mit gesangsfreudigen Menschen in einer Bar in Toronto einen Pop-Song. Mehrstimmig. Ergebnis: ein »Do it yourself«-Live Konzert, ein soziales Experiment, jedenfalls ein belebendes Erlebnis. Jeder, der will, kann hinkommen und mitsingen. www.choirchoirchoir.com
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southbrook winery Die moderne Southbrook Winery ist das erste biodynamisch zertifizierte Weingut Kanadas. Geschmack haben dort nicht nur die Weine, sondern auch das Essen beim Farmers Table am Wochenende. Mein Tipp: Beim Besuch der Niagara-Fälle unbedingt einplanen. Prost! www.southbrook.com
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AB 15. 1. IM KINO
DIE OFFENBARUNG DES KINOJAHRES
evergreen brick works und café belong In dieser alten Ziegelfabrik, die heute ein »Community Environmental Center« ist, findet man nachhaltig grüne Inspiration, köstliches Farm-to-Table-Essen und viele Veranstaltungen. Perfekter Ausgangspunkt für Spaziergänge und Radtouren durch das Don Valley. Kamera einpacken, lässige Fotokulisse. www.evergreen.ca und www.cafebelong.ca
DAS BRANDNEUE
TESTAMENT EIN FILM VON
marktleben in toronto Der Kensington Market hat Charme und bietet mit seinen kleinen bunten Häusern eine Vielfalt an Cafés und Restaurants mit Essen aus der ganzen Welt, alternativen Shops, Bio-Läden u.v.m. Auch für Vegetarier und vegan lebende Menschen gibt es hier viel Angebot. Am Wochenende kann man hier wunderbar brunchen.
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JACO VAN DORMAEL
SORGT FÜR GÖTTLICH GUTE STIMMUNG! programmkino.de
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Erli Grünzweil
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Emojis aus japan
text
Magdalena Hiller
BILD
Moyan Brenn
Japan tickt anders, auch kulinarisch: Während im technologieverliebten Inselstaat gerade eckige Melonen angesagt sind und man mit Vorliebe Lebensmittel aus Fukushima verzehrt, verändern die bunten Emojis, wie wir uns im Westen über Essen, Sex und Gefühle austauschen.
Hier glyphen aUF DEM Handy
Eine Annäherung ans Essen und andere Gepflogenheiten in einem Land vor unserer Zeit.
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itte der 90er, es war die Hoch-Zeit der Pager – jener unglücklichen Hybride aus Telegrammdienst und Anrufbeantworter, die am Hosenbund von George Clooney in »Emergency Room« so richtig Sinn ergaben, aber auch für japanische Gymnasiasten eine ebenso wichtige Funktion erfüllten: Im streng genormten Alltag in Schuluniform waren die bunten Pager eine der wenigen Möglichkeiten, sich individuell hervorzutun. Als dann auch noch Docomo, der größte Mobilfunkanbieter des Landes, eine Zusatzfunktion einführte, die es erlaubte, Herzen zu verschicken, nahm der Hype seinen Anfang – und mit dem pixeligen Herz war die Urform aller Emojis in die Welt gebracht.
Emoji ungleich Emoticon Bis es so weit kam, dass das Herz heute auch wieder das Organ selbst bedeuten könnte und daneben als kulinarisches Bekenntnis fungiert, war es allerdings ein langer Weg. Doch die Teenager von damals sind schließlich die Mittdreißiger der Gegenwart. Blicken wir mit ihnen zurück zum Ursprung, widmen wir uns der Etymologie und räumen wir gleich mit einem häufigen Missverständnis auf: »Emoji«, dieser künstlich erscheinende Begriff, setzt sich im Japanischen selbsterklärend aus
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Bild (»e«) und Schriftzeichen (»moji«) zusammen. Er ist dabei nicht mit dem »Emoticon« zu verwechseln. Damit wären nämlich jene aus Satzzeichen gebastelten Seitwärts-Smileys und andere Kreaturen gemeint, die sich bis heute durch unzählige Blogposts dauergrinsen, beschämt oder böse dreinblicken. Diese omnipräsenten Emoticons datieren zudem auf das Jahr 1982 zurück. »I propose the following character sequence for joke markers: :-) Read it sideways.« Das postete der amerikanische Informatik-Professor Scott Fahlman damals an das Bulletin Board seiner Fakultät – womit er die zwischenmenschliche Verständigung für immer verändern sollte. Wo schon Angesicht zu Angesicht Missverständnisse nie auszuschließen sind, schuf Fahlman nonverbale Zeichen, um die Fehlerrate in der verschriftlichten Kommunikation zu senken.
Kaiser passen in kein SMS Dass Emoticons und Emojis ihren Siegeszug trotzdem von Japan aus starteten, ist allerdings kein Zufall. Nichts ist wichtiger im sozialen Gefüge des Inselstaats als das Einhalten der Hierarchieebenen: In jedem Gespräch
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Emojis aus japan
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Mehr als zwei Drittel der weltweit in privaten Nachrichten und auf sozialen Plattformen verwendeten Symbole sind Gesichter und Herzen.
haben Respekt und Ehrfurcht für das Gegenüber mitzuschwingen, wofür es unzählige Füllwörter und unterschiedliche Verb-Endungen gibt. Die allerhöchste Höflichkeitsstufe bleibt dem Kaiser vorbehalten. Aber nicht nur gegenüber diesem eher selten anzutreffenden Herrn ist es schwierig, all den Respekt, die eigene Bescheidenheit und schließlich auch noch das eigentliche Anliegen in einem Satz unterzubringen. Absolut unmöglich wurde dieses Unterfangen mit dem Aufkommen der auf 160 Zeichen begrenzten SMS-Nachrichten. Das machte sich vor allem bemerkbar, als Docomo das zeichensparende Herz-Emoji zugunsten von businessfreundlicheren Symbolen abschaffte. Der Aufschrei war riesengroß und nicht nur die liebestollen Teenies wechselten scharenweise zur Konkurrenz. Doch bereits Anfang 1999 wartete Docomo mit dem nächsten Coup auf: Mit der Einführung von »i-mode« wurde erstmals eine InternetPlattform für Mobiltelefone präsentiert, die es den Nutzern erlaubte, E-Mails zu verschicken, Nachrichten zu lesen und Kinotickets zu buchen. Der bis heute weltweit erfolgreichste Datenfunkdienst basierte auf einer damals bahnbrechenden Geschwindigkeit von 19,2 Kilobit pro Sekunde (das heutige LTE-Netz ist um ein Tausendfaches schneller), verdankt seinen Erfolg aber nicht zuletzt den Emojis.
ter Elemente wie vereinfachter lachender Gesichter und dem lang und schmerzlich vermissten Herz, machten Spiele und SMS plötzlich viel mehr Spaß. Und so wurde Japan zum allerersten Land, in dem man in öffentlichen Verkehrsmitteln getrost den Versuch jeglichen Blickkontakts einstellen konnte, da ohnehin jeder im eigenen Handy-Display versunken war.
Der Siegeszug des Emoji Die neue digitale Bilderwelt erblühte vorerst unbemerkt vom Westen. Das änderte sich erstmals 2010, als die Emojis in Unicode 6.0 aufgenommen wurden. Unicode, das ist nicht nur ein internationales, gemeinnütziges Konsortium mit Sitz in Kalifornien, das jedem sinntragenden Schriftzeichen oder Textelement einen allgemeinen Programmiercode zuweist, sondern das ist – verkürzt ausgedrückt – der ISO-Standard des Internet. Die endgültige Emojifizierung nahm ihren Lauf, als Apple ab iOS 2 die Verwendung von Emojis in die japanische Tastatur einfügt, diese somit für gefinkelte User weltweit zugänglich macht und sie schließlich ab Ende 2011 mit iOS 5 auch in das lateinische Schriftsystem integriert. Es scheint als hätte die Welt auf nichts anderes gewartet als wieder ins Zeitalter der Pharaonen zurückzukehren und ausschließlich in Hieroglyphen zu kommunizieren. Einige Linguisten prophezeien bereits einen baldigen Iconic Turn – das verdrängen der Sprache durch das Bildhafte. Ein Blick auf die Statistiken zeigt allerdings, dass dies wohl ein voreiliger Schluss ist: Mehr als zwei Drittel der weltweit in privaten Nachrichten und auf sozialen Plattformen verwendeten Symbole sind Gesichter und Herzen. Und diese können nicht für sich alleine stehen, sondern werden dazu verwendet, um bereits Geäußertem mehr Gewicht zu verleihen oder einem Gefühl Ausdruck zu geben. Ohne die entsprechende Kontextualisierung bleiben die Zeichen sinnentleert.
die ganze Welt auf 12 mal 12 Denn Docomo-Mitarbeiter Shigetaka Kurita erinnerte sich an den großen Erfolg der Pager-Herzchen und entwarf 176 Symbole, die allesamt auf einem 12 µ 12-Raster darstellbar waren. Bei der Erstellung der Bildmotive orientierte sich Kurita vor allem an japanischen MangaComics sowie an traditionellen japanischen Schriftzeichen. Diese sogenannten »Kanji« sind teilweise bereits Emojis, also Bildschriftzeichen. So erkennt man beim Kanji für Baum sowohl seinen Stamm als auch einzelne Äste. Das Zeichen für Wald stellen logischerweise einfach drei Bäume dar. Dank Shigetaka Kuritas gestalterischer Hochleistung wuchsen aus den schwarzweißen Bildschirmen, die maximal 4.000 Pixel darstellen konnten, plötzlich Bilder. Der Wetterbericht bestand nun aus Sonnen und Wolken, die Börsenberichte erhielten Pfeile und dank verspiel-
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Auch wenn Japan seinen einst haushohen Technologievorsprung inzwischen größtenteils eingebüßt hat – Emojis verwendet hier längst keiner mehr.
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eich schon G’freits achten? i auf We hn
Für die Karpfen im Waldviertel ist das ganze Jahr über Weihnachten. Weil die haben viel Platz in den Naturteichen und werden nur biologisch gefüttert. Darum sind sie auch nicht fett. Und wenn dann zu Weihnachten wirklich einmal ein Fisch gefangen wird, dann ganz traditionell – mit dem Netz. Und das ist bei so einem sportlichen Wildkarpfen gar nicht leicht. Ob ein Fisch mit so einem bewegten Leben am Weihnachtstisch viel besser schmeckt? Ja! Natürlich. Aus biologischer Landwirtschaft. Mehr unter www.janatuerlich.at
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GIBT’S BEI:
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Emojis aus Japan
22 Sexy Emojis
Auch der derzeitige Volkssport, alles von Pop- bis Hochkultur in Emojis zu übersetzen, zeigt dies deutlich auf. Shakespeare in Emojis. »Moby Dick« in Emojis. Film- und Musiktitel in Emojis. Alles ziemlich witzig – aber nur zu entziffern und dekodierbar, wenn man über das entsprechende Vorwissen verfügt. Im Grunde nichts anderes als die Rebus-Bilderrätsel aus den Illustrierten, an denen Großmutter manchmal tagelang feilte. Dazu kommt das begrenzte Bilder-Repertoire: zwar gibt es bereits 1.650 Emojis – doch es werden niemals genug sein, um das altbewährte Alphabet zu verdrängen. Obwohl das manche nicht so ganz wahrhaben wollen.
Ein Himmelreich für eine Avocado So richtete beispielsweise eine Amerikanerin eine Petition an das Weiße Haus, um die Einführung eines Hot-Dog-Emojis voranzutreiben. Wie hoch sie es damit auf Obamas Agenda geschafft hat, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass es seit vergangenem Sommer nun ein Hotdog-Emoji gibt. Und auch ein Burrito-, ein Tacound ein Champagnerflaschen-Emoji. Mit dem nächsten Update wird höchstwahrscheinlich auch das AvocadoEmoji endlich Realität. Längst überfällig, könnte man meinen. Denn nichts steht so sehr für die Nullerjahre wie die urzeitliche Frucht. Sie muss für Millionen gleich aussehender Foodporn-Momentaufnahmen herhalten. »Avocado on Toast« ist Signature Dish und Markenzeichen nicht weniger stereotyper Foodblogger. Knapp drei Millionen Hashtags wurden auf Instagram bisher in Sachen #avocado gesetzt. Wie Speck und Pancakes – auch zwei heiß ersehnte nominierte Kandidaten – wird die Avocado mit dem nächsten Unicode-Update wohl öfter am Display auftauchen.
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Unzählige Diskussionen gab und gibt es um das Melanzani-Emoji. Es ist das einzige Emoji, das nicht mit einem Hashtag versehen werden und somit nur erschwert gefunden werden kann. Ein rascher Überblick, was andere Instagram-User so mit diesem Zeichen verbinden, ist also nicht möglich. Wieso? Nun ja, auf der Suche nach sexuellen Konnotationen in der prüden Emoji-Welt ließ die Schwarmintelligenz die Banane links liegen und einigte sich auf die Melanzani als Penis-Ersatz. Und da Instagram, Twitter und Facebook ein Hort der Prüderie sind, wurde der befürchteten Dickpic-Schwemme derart gleich der Keuschheitsgürtel vorgebunden. Nicht gesperrt ist hingegen der zum Synonym für die weibliche Hinteransicht gewordene Pfirsich. Unter dem Hintern-Hashtag präsentieren sich unzählige Damen und nicht wenige davon bieten unter ihren stark retouchierten Fotos ganz unverblümt ihre Dienstleistungen an. Das passiert im Einklang mit den Instagram-Nutzungsbestimmungen. Im Gegensatz zu stillenden Müttern übrigens – Brustwarze bleibt Brustwarze, egal ob sie gerade einem Pornosternchen oder einem Neugeborenen zu Diensten ist.
Kaomoji statt Emoji Und was sagen die Japaner dazu, dass ihre Emojis derart weiterentwickelt und zweckentfremdet werden? Nicht viel. Denn auch wenn Japan seinen einst haushohen Technologievorsprung inzwischen größtenteils eingebüßt hat – Emojis verwendet hier längst keiner mehr. Dies hängt vor allem mit dem Messenger line zusammen, dem japanischen Äquivalent zu WhatsApp. Und line forciert die Verwendung von Stickern. Denn diese Sticker – im Grunde nichts anders als große Emojis – gibt es in millionenfacher Ausführung und sie sind inzwischen zum Millionengeschäft geworden. Vielfach sind die Sticker-Sets zwar gratis, aber viele kosten eben auch etwas. Ein Sticker-Set gibt es für umgerechnet 80 Cent, für lizenzierte Figuren wie Mickey Mouse oder die Helden des neuesten Kinofilms muss man schon mal das Doppelte oder Dreifache auslegen. Neben den Stickern sind auch die »Kaomojis« sehr beliebt. Diese Gesichtszeichen sind nichts anderes als die Weiterentwicklung der Emoticons, also der aus Satzzeichen gebastelten Smileys. Hier haben es die Japaner zu einiger Meisterschaft gebracht – auch dank ihrer zwei Silbenalphabete, die viele grafische Elemente bieten, die uns im lateinischen Alphabet abgehen. Auch dass die Kaomoji – anders als auf den Pagern – auf Smartphones sehr komfortabel zu erstellen sind, ist Teil ihres Erfolgs. Es gibt eine eigene, mit nur einem Klick erreichbare KaomojiTastatur, mit deren Hilfe sich zeilenweise zuckersüße Grimassen erstellen lassen. (^_°)
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»Breakfast at Tiffany‘s« auf Japanisch Und doch erzählen die Emojis immer noch viele Geschichten über Japan. 18 der derzeit 54 Food-Emojis sind den Darstellungen von Obst und Gemüse gewidmet – neben den schlüpfrigen Pfirsich- und Melanzani-Emojis strahlen Apfel, Birne und Melonen ebenso prall und perfekt vom Display. Und so wie wir in der westlichen Welt im Selbstoptimierungswahn auf der Jagd nach dem perfekten Pfirsich-Hintern sind, jagt man in der Japan dem perfekten Pfirsich nach. Ganz unzweideutig. Frisches Obst und Gemüse sind in Japan nämlich ein absolutes Luxusprodukt. Nirgendwo kann man das besser beobachten als bei Sembikiya in Tokyo. Dieses Kaufhaus ist das Hermès für Früchte. Die livrierten Verkäufer hier tragen weiße Handschuhe und heben auf Anfrage die auf Seide in teilweise handbemalten Holzkisten ruhenden Preziosen aus den Vitrinen. Man sieht Paare, die auf den ersten Blick wirken als würden sie ihre Eheringe aussuchen – dabei suchen sie bloß nach der perfekten Tasse Erdbeeren. Obwohl nicht für die Ewigkeit bestimmt, ist der Kilopreis teilweise nicht weit von dem von Edelmetall entfernt. Man kann bei Sembikiya über 1.000 Euro für eine makellose Mango ausgeben oder 50 Euro für eine einzelne Erdbeere. Doch all dies ist nichts im Vergleich zu den Preisen bei den allerersten Obstauktionen jeden Jahres. Denn der erste Schwung Früchte der jede Saison versteigert wird, soll besonders köstlich sein – und noch dazu Glück bringen. Das treibt die Preise dementsprechend in die Höhe. 2014 wurden zwei Yubari-Melonen, einer spezielle Züchtung der Cantaloupe-Melone, für knapp 20.000 Euro versteigert. In gehobeneren Supermärkten ist diese Unterart der Honigmelone schon für wohlfeile 200 Euro zu haben und gilt als das perfekte Mitbringsel.
Die Melone auf der Erbse Die Preise kommen nicht von ungefähr. Zum einen sind in Japan nur 20 Prozent der Fläche landwirtschaftlich bewirtschaftbar – was den Inselstaat zu einem der größten Lebensmittelimporteure der Welt macht. Einzig und allein beim Reis ist man – gut geschützt durch horrende Importzölle – Selbstversorger und dieser belegt auch mehr als die Hälfte der Anbauflächen des Landes. Zum anderen ist es eben der Perfektionismus, der die Preise in die Höhe treibt. Der größte Aufwand wird für die schon erwähnte Yubari-Melone betrieben: Pro Pflanze darf meist nur eine Frucht zur Reife gelangen, auf dass diese eine besonders intensiv und wohl schmecke. Um die perfekte Temperatur zu gewährleisten, bekommt bei den besten Züchtern jede Melone ihre eigene Klimaanlage. Die absolute Spitze stellen dabei jene Bauern dar, deren Melonen in bestimmten Holzformen hineinwachsen. Eckige und herzförmige Melonen sind nämlich der letzte Schrei und werden besonders gerne paarweise zum Vatertag verschenkt.
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Die Fukushima-Diät Dass Nachhaltigkeit und biologische Landwirtschaft derzeit kaum eine Rolle für die japanische Lebensmittelindustrie spielen, verwundert in diesem durch und durch artifiziellen Kontext wenig. Bioprodukte kosten das Zwei- bis Dreifache ihrer konventionell produzierten Entsprechung (in Europa beträgt der Aufschlag meist 20–30 %). In kaum einem anderen Land der Welt werden so viele Pestizide verwendet wie in Japan. Und viel öfter als das gut erkennbare, einheitliche Bio-Siegel namens jas begegnet einem im Supermarkt verwunderlicherweise das Wort Fukushima. Denn es gibt eine große angelegte Solidaritätskampagne, welche die Bauern jener Präfektur, in der 2011 das große Reaktorunglück geschah, unterstützt. »Grown in Fukushima« ist da zwar kein Gütesiegel, aber eine Art Bekenntnis zum Regionalen. Und womöglich ist das gar nicht so irre wie es uns auf den ersten Blick erscheint. In einer von Georg Steinhauser und Stefan Merz an der TU Wien erstellten Studie fanden sich zuletzt nur noch in 0,6 % der Proben aus der Region Fukushima Spuren von Radioaktivität. Begleitend widmete sich Georg Steinhauser einem waghalsigen Selbstexperiment: Sechs Wochen lang ernährte er sich ausschließlich von Lebensmitteln aus Fukushima. Das Fazit der Wissenschaft: Bei jedem Langstreckenflug bekommt man mehr Radioaktivität ab als durch die Fukushima-Diät.
Fight for your Butterbrot Und was ist jetzt die Moral von der Geschichte? Möglicherweise, dass es nun mal an den Europäern liegt, bei Unicode, den Hütern des Emoji-Grals, direkt anzuklopfen. Denn wenn man weiter auf Bio-Lebensmittel Wert legen, sich auf alte Sorten und die Vielfalt des hiesigen kulinarischen Erbes besinnen will, anstatt sich an Designer-Food zu gewöhnen, dann liegt es an uns, sich dafür stark zu machen. Dies auf allen Ebenen zu proklamieren könnte eben auch bedeuten – ja, natürlich – dafür die entsprechenden Emojis einzufordern. Weshalb versenden wir eigentlich Sushi, Pizza oder Hot Dog, wenn wir Freunden sagen wollen, dass wir Hunger haben, und wieso gibt es kein Butterbrot, keinen Kebap-Spieß oder einfach eine Karotte? Am besten natürlich eine von der leicht krummen Sorte, um den rund zwei Dritteln des Gemüses das aufgrund von Standardisierungen aussortiert wird, auch noch ein Leiberl zu verschaffen. Vielleicht sollte man dafür sicherheitshalber gleich eine Petition an den Nationalrat oder versuchsweise direkt an die Hofburg richten. Die scheint nämlich – im Gegensatz zum Weißen Haus – bisher noch emoji-freie Zone zu sein. Und Iconic Turn hin oder her – eine Neujahrsansprache in Emojis, das wäre schon was.
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Hai ist am Markt nicht immer verfügbar. Aber wenn er da ist, ist er da. Der Stand hat sich auf die wirklich großen Fische spezialisiert.
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Zum Lunch im Noryang Fischmarkt Ein Tag auf dem Noryjang Fischmarkt in Seoul ist ein Crashkurs in nonverbaler Kommunikation. Die Sprachen, mit denen wir Westeuropäer uns an vielen Orten zumindest halbwegs durchschlagen können, Englisch, Französisch, Spanisch, Deutsch, versteht hier niemand. Nicht einmal ansatzweise. Gesprochen, gerufen und geschrien wird trotzdem viel. Fischhändlerinnen an kleinen Ständen bieten alles, was das Meer hergibt. Jedes Trophäen-Niveau ist vertreten. Von Plankton und klitzekleinen Muscheln über Hummer und Königskrabben bis hin zu den richtig großen Dingern. Wal und Hai findet man zwar nicht an jedem Stand, aber finden wird man sie wohl auf jeden Fall. Der Clou auf diesem Markt: Man kauft am Marktstand die frische Ware und bringt sie die Stiegen hinauf in eine der zahlreichen Garküchen im oberen Stock. Keine Viertelstunde später ist das Essen fertig, und es gibt nichts, das die flinken Köche nicht zubereiten würden.
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oben: Muscheln, kleine Einsiedlerkrebse, Meergetier vom unteren Ende der Nahrungskette. Gerade deshalb ökologisch unbedenklich (und kulinarisch höchst empfehlenswert).
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unten: Noryang, früh morgens, also so zwischen 4 und halb 5. Noch ist der Markt überschaubar. Zwei Stunden später ist hier die Hölle los.
rechts: Seegurke & Co. – Sensible Bewohner des Meeresbodens bekommen ihre eigene Frischepackung. Der Unterschied zu nicht gewässerten Kollegen ist eklatant.
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Je größer die Scheren, desto lauter die Fischhändlerin. Schwanz und Scheren werden fachkundig abgetrennt. Der Hummer kommt frisch und küchenfertig ins Sackerl.
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Was Thun, Fisch? Der Fischeinkauf gestaltet sich immer mehr zum ökologischen Spießrutenlauf.
Extrem begehrt, extrem gefährdet: der Rote Thun.
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Jürgen Schmücking
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berfischung, gentechnologisch veränderte Lachse, die Lachslaus (die Geisel der maritimen Fischzucht), die Gefährdung der Artenvielfalt, zerstörerische Fangmethoden, lange Transportwege, lückenhafte Kühlketten und nicht zuletzt soziale und politische Aspekte. Dass man mit Fischverzicht auf der sicheren Seite ist, stimmt zwar, mit bewußtem Fischkonsum können aber essentielle Signale ausgesandt werden und die Situation auf den Weltmeeren sogar verbessert. Hier ein paar Fakten, Zusammenhänge und Empfehlungen. Hedonistisch geprüft und gütesiegelunabhängig.
No go: Roter Thun und Seeteufel Es gibt Fische, die gehen eigentlich gar nicht. Nicht die Fische selbst natürlich. Vom Konsum ist die Rede. Allen voran, und quasi beispielhaft für die großen Probleme der Meere, der Blauflossen-Thunfisch oder Roter Thun. Zugegeben, O-Toro ist ein kulinarisches Erlebnis, das sich unauslöschlich in die Großhirnrinde brennt. Das Fleisch liegt so weit unten am Bauchlappen, dass der Fett- den Muskelfleischanteil oft weit übersteigt. Allerdings ist der Preis dafür nicht akzeptabel. Damit ist nicht (nur) der Preis für den Fisch gemeint, der aufgrund der immensen Nachfrage und der mittlerweile stark eingeschränkten Verfügbarkeit oft astronomische Höhen erreicht. Der Preis, den wir dafür zahlen, ist die Ausrottung der Spezies mit weitreichenden Folgen für das Ökosystem Meer. Es gibt kaum einen Fisch, der mehr unter Druck steht als der Rote Thun. Die ungehemmte Nachfrage der Sushi-Gastronomie, die nicht minder unersättliche Konservenindustrie, High-Tech-Ortung, Ringwadennetze und kilometerlange Langleinen setzen den Beständen im Nordatlantik und dem Mittelmeer enorm zu. Noch bedrohter geht eigentlich gar nicht. Lösungen für das Problem werden auf vielen Ebenen gesucht. Mit unterschiedlichem Erfolg. Die Ebene (staatlicher) internationaler Organisationen und der Diplomatie ist dabei ebenso erfolg- wie aussichtslos. Zu stark wirken ökonomische Interessen einiger Nationen, zu schwammig ist das internationale Recht, wenn es um Fanggebiete auf hoher See geht. Greenpeace und wwf gehen die Sache radikaler und mit deutlich mehr Öffentlichkeitswirksamkeit an. Ihnen ist zu verdanken, dass das Thema ins Bewusstsein rückt. Eine umfangreiche Änderung im Verbraucherverhalten wird durch diese Protestaktionen aber kaum erreicht. Slow Food hat dazu seinen eigenen – hedonistischen – Zugang gefun-
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den. Einen Zugang, der dem Geist der Organisation entspricht. »Gut, Sauber, Fair«, lautet das Credo von Gründer Carlo Petrini. Genau so soll auch die Alternative sein, die dem Konsumenten (in der Slow Food-Diktion »CoProduzent«) angeboten wird. Auf der letzten »Slow Fish – Messe für nachhaltiges Fischen« in Genua zeigten zwei japanische Sushi-Meister, wohin die Reise gehen kann. Jeden Morgen besuchten Kiyoshi Hayamizu und Katzoumi Ota die Marktstände der lokalen Fischer und wählten aus dem Fang des Tages aus. Sie zauberten delikate Nigiri-Sushi aus Makrelen und Anchovies aus dem ligurischen Meer. Außerdem wurden Bonito und Mahi Mahi verarbeitet. Der Bonito (Skipjack oder Weißer Thun) ist mit Einschränkungen eine gute Alternative zum Blauflossenthun. Der flinke Räuber ist kleiner als sein großer, roter Bruder. Der wwf empfiehlt pazifischen, mit nachhaltigen Methoden gefangenen Bonito als erste Wahl. Das Siegel des Marine Stewardship Council (msc) bietet hier einige Sicherheit. In der japanischen Küche hat Bonito als Katsue einen fixen Platz. Nicht nur für Sushi. Ein Drittel der gefangenen Bonitos werden getrocknet und zu Flocken verarbeitet. Diese Flocken – Katsuobushi – sind die Grundlage für Dashi, die Umami-Ur-Suppe, die wiederum das Fundament der japanischen Küche darstellt.
Weit mehr Arbeit, dafür um Klassen ökologischer: das Abfischen der Bio-Karpfen im nördlichen Waldviertel.
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32 Der Mahi Mahi ist der Fisch mit dem prägnanten Kopf, den ich am Bild halte. Er ist auch unter Goldmakrele zu finden. Er kommt in allen Meeren vor, der Zustand der Bestände ist aber nicht exakt erfasst. Wenn Mahi Mahi, dann bitte von kleinen, traditionellen Fischereien. Deren Fangmethoden – Angelruten und Schleppangeln – haben keine nennenswerten ökologischen Auswirkungen wie drastische Bestandsreduktion oder Beifang. Bei der Herkunft einfach darauf achten, dass er nicht aus dem Pazifik kommt. Handleinengefangener Mahi Mahi aus dem Südost-Atlantik ist die beste Wahl. Kulinarisch ist die Goldmakrele sowieso chronisch unterbewertet. Ein weiterer Fisch, der nicht oder möglichst selten auf dem Teller landen sollte, ist der Seeteufel. Kurioserweise heißt der Fisch auch Angler, obwohl er mit einer Methode gefangen wird, die keinen Angler mit Stolz erfüllt. Das Grundproblem – im wahren Wortsinn – ist, dass der Angler am Meeresgrund grundelt. Es gibt zwar einige Fischer und Fischergemeinschaften, vor allem in Südengland, die mit nachhaltigen Stellnetzen arbeiten, also mit ruhenden Netzen, die darauf warten, dass der Fisch hineinschwimmt, einer Falle quasi. Der überwiegende Teil der auf heimischen Märkten angebotene Seeteufel ist allerdings Beute von Schleppnetzen, die den Meeresboden entlanggezogen werden und alles planieren, was ihnen in den Weg kommt. Schleppnetze sind tonnenschwere Ungetüme aus Ketten und schweren Tauen, hinterlassen eine Spur der endgültigen Verwüstung, zerstören Riffe und produzieren unproduktiven Beifang. Mit Schleppnetzen zu fischen ist etwa so, als
ob man den Wald abholzt, um Hasen und Wildschweine zu jagen. Fazit: Wenn Thunfisch, dann keinesfalls BlauflossenThun. Bonito ist die bessere Wahl – wenn er im Südpazifik gefangen wurde. Ein Blick auf die Verpackung ist dabei recht aufschlussreich. In der Sushi-Bar auf alles verzichten, was maguro oder gar toro heisst. Und Finger weg vom Seeteufel.
Zucht und Ordnung Heute stammt fast jeder zweite verzehrte Fisch aus Fischzuchten. Lachs wäre beispielsweise unbezahlbar, würde der Bedarf ausschließlich aus Wildfang gedeckt. Im Jahr 2012 übertraf die Nahrungsmittelproduktion mittels Aquakultur erstmals die Rindfleischproduktion. Unproblematisch ist die Aquakultur keinesfalls: Garnelenzucht in Südostasien gefährdet tropische Mangrovenwälder, die für die Zuchtanlagen abgeholzt werden. Dicht besetzte Lachszuchtanlagen verschmutzen Küsten, den Grund unterhalb der Anlagen und gefährden den wilden Bestand durch zuchtspezifische Krankheiten und Schädlinge. Der Einsatz von Antibiotika und Pestiziden in den dicht besetzten Zuchtanlagen kann zudem zu belasteten Nahrungsmitteln führen; in asiatischen Garnelen wurden gelegentlich auch in Europa nicht zugelassene Pestizide gefunden. Zum anderen werden immer noch Fische, bzw. Fischmehl eigens als Futter für die Farmen gefangen. Kritiker fürchten, dass Aquakulturen daher das Problem der Überfischung nur verlagern.
links: Durch ihre Hände gehen die besten Barsche. Branzino vulgo Wolfsbarsch aus der Bucht von Piran (Slowenien). rechts: Hinsase ist ein kleines Fischerdorf in der Nähe von Okayama im Südosten Japans. Das Wasser ist – dank der Austernzucht – kristallklar, die Auster ist tief in der regionalen Küche der Küstenregion verwurzelt.
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UNSERE DREI FISCHEMPFEHLUNGEN Zum Schluss noch drei uneingeschränkte und ethisch einwandfreie Fischempfehlungen: Austern kommen in der Regel aus ökologisch völlig unbedenklichen Zuchten, agieren als Filter für Meerwasser, reduzieren maritime Lethalzonen und werden chemikalienfrei gezüchtet. Über ihren kulinarischen Wert braucht man nicht diskutieren. Karpfen sind Friedfische. Konkret bedeutet das, dass sie sich pflanzlich ernähren. Also ohne Fischmehl, für dessen Produktion dem Meer Biomasse entzogen wird. Nachhaltiger als Karpfen lässt sich kaum ein Fisch produzieren. Die große Herausforderung für den Fisch ist, dass er vom kulinarischen Abstellgleis geholt wird. Am besten Weg dazu ist er. Pollack oder oder Alaska-Seelachs: wenn schon Fischstäbchen, dann so. Die Bestände in der Bering-See sind intakt, die Fischerei mit pelagischen Schleppnetzen ist nachhaltig. Viel mehr als Fischstäbchen und Backfisch gibt der Pollack nicht her, aber auch dafür gibt es Nachfrage. Nicht zu knapp. Guten Appetit!
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Östrogen im Ökosystem
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Doris Fröhlich ILLUSTRATION
Katharina Hüttler / agentazur.com
Fühlen Sie sich heute weiblicher? Wüssten Sie es denn, wenn es so wäre? Der Masseneinsatz von Anti-Baby-Pillen erhöht die Frauenquote im Fischteich. Andere Nebenwirkungen folgen. Kommen sie bald bei uns an?
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Durchatmen mit
er Mensch denkt schon gern einfach. Was man will besorgt man, benutzt man, wirft man weg. Die Wegwerfmentalität ist Alltagsstrategie. Müde, Kaffee. Hunger, vielleicht ein Burger. Problemchen, Tablette. Und dann? Runterschlucken, entsorgen, weg damit – aus den Augen, aus dem Sinn. Dabei wissen wir, dass es »weg« ja eigentlich nicht gibt. In einem Kreislauf zu leben – und das Ökosystem ist ein solcher – bedeutet, alle Stoffe bzw. deren Abbauprodukte bleiben bestehen. Sie verschwinden eben nicht, nur weil wir es gern hätten, begegnen uns vielleicht sogar wieder: Plastikinsel im Pazifik, Mülldeponien mit Unverrottbarem und so weiter. Auch der Medikamentencocktail, den wir ins Abwasser spülen, begegnet uns irgendwann wieder.
Über mögliche unerwünschte Wirkungen Der unsichtbare »Müll«, der durch Kläranlagen nur teilweise gefiltert wird, sammelt sich im Ökosystem. Über Wirkungen und mögliche unerwünschte Wirkungen informiert hier – niemand. Doch die gibt es. Im Fall der beliebten Anti-Baby-Pille sowie einiger anderer Substanzen geht es dabei um hormonelle Wirkung, die bereits zu einer beachtlichen Feminisierung bestimmter Tiere geführt hat. Wie viel an 17-alpha-Ethinylöstradiol, dem östrogenähnlichen Wirkstoff der Pille, bereits produziert und freigesetzt wurde, ist kaum herauszufinden. Doch die massenhafte Anwendung zeigt ihre Folgen. Großzügig verschrieben wirken unzählige Pillen täglich in schwangerschaftsunwilligen Frauenkörpern. Nach ihrem kurzen Einsatz werden die hormonell wirksamen Substanzen über den Urin ausgeschieden, um im Ökosystem erst richtig loszulegen.
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Persistenz und Bio-akkumulation Obwohl künstliche Östrogenvarianten wesentlich schwächer wirken als natürliche weibliche Hormone, machen Persistenz und Bio-Akkumulation den Unterschied wett. Ersteres bedeutet, die künstliche Verbindung wird nicht so schnell abgebaut wie das natürliche Hormon Östrogen, denn: Was im Körper an einer bestimmten Stelle wirken soll, muss sehr stabil sein um es dorthin zu schaffen. Wenn ein stabiler Stoff ausgeschieden oder – unsachgemäß ins Klo? – entsorgt wird, wirkt er demnach auch lange im Ökosystem. Des Weiteren hilft: die Bio-Akkumulation. Wie viele andere Umweltchemikalien auch, wird die hormonwirksame Substanz über die Nahrungskette aufsummiert, also bioakkumuliert. Ein kurzes Beispiel? Am unteren Ende der Nahrungskette nimmt Plankton den Stoff aus dem Wasser auf, in dem die geringen Konzentrationen oft
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kaum festgestellt werden können. Belasteter Plankton wird dann von Fischen gefressen, die mit jeder Mahlzeit Chemikalien in sich aufsummieren. Die Fische wiederum werden zum Beispiel von Vögeln gefressen, in deren Körpern die Konzentration noch einmal um ein Vielfaches höher summiert wird. Zahlreiche Fälle von vergifteten Tieren konnten bereits auf die gering dosierten Substanzen in der darunter liegenden Stufe der Nahrungskette zurückgeführt werden. Was als marginale Verunreinigung in der Umwelt beginnt, wirkt fatal an der Spitze des Fressen-und-Gefressen-Werdens.
Intersex-Fische Umweltchemikalien mit hormoneller Wirkung haben es schon relativ weit gebracht. Schon vor Jahrzehnten gab es Flüsse in den usa, in denen sich »geschlechtsund phasenuntypisches Verhalten« bei Fischen breit machte. Plakativ gesagt: Zwitter entstanden. Männliche Fische wurden durch Ei-Anlagen zu pseudoweiblichen Intersex-Fischen, während viele weibliche Fische durch die Hormonüberdosis einen gestörten Zyklus zeigten. Da Hormone und Umweltgifte Staatsgrenzen meist nicht respektieren – vor allem, wenn wir globalisierten Handel über diese hinweg betreiben – blieb es natürlich nicht bei einem kuriosen Fund von US-Forschern. Hormonstörungen im Ökosystem sind kein begrenztes Problem. Es gibt praktisch kein Gebiet der Erde mehr, in dem sich noch keine Umweltchemikalien ausgebreitet hätten. Auch in entlegensten europäischen Bergseen wurden beachtliche Mengen an hormongestörten Fischen gefunden. Die Folgen reichen von Entwicklungsstörungen bis zur Hermaphroditen-Bildung und Sterilität. So eklatant ist diese Entwicklung vor allem, da eine ganze Reihe an Pestiziden und Industriechemikalien auf das Hormonsystem einwirken, auch wenn ihr ursprünglicher Zweck ein ganz anderer ist. Die Liste von Plastikzusatzstoffen bis zur Tiermedizin ist lang. Der Cocktail sogenannter endokriner Disruptoren verweiblicht.
Lässt die Natur den Feminismus siegen? Obwohl der Mensch ganz oben in der Nahrungskette steht – an der Spitze der Bio-Akkumulation sozusagen – schützen ihn einige Faktoren vor den 131 bisher zumindest in Deutschlands Oberflächengewässern gemessenen ökotoxikologischen Stoffen. Erstens ernähren wir
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uns relativ gemischt und haben abwechselnd auch unbelastete Tiere am Teller oder machen mal einen VeggieTag. Außerdem fehlt die Stoffaufnahme aus dem Wasser, das uns ja nicht dauerhaft umgibt. Es wurde bisher noch keine schädliche Wirkung von Umweltchemikalien auf Menschen bestätigt. Das Umweltbundesamt hat immerhin schon 23 solche Substanzen im Trinkwasser messen können, doch die Dosen lagen weit unter der als hormonwirksam eingestuften Menge. Über chronische Effekte kleiner Dosen und den Cocktaileffekt der Wirkstoffmischungen sagt das freilich noch nichts aus. Nachweisgrenze und Wirkungsgrenze einer Substanz liegen außerdem oft sehr nah beieinander, bzw. fehlt das Wissen über ihre Wirksamkeit oder geeignete Nachweismethoden für die komplexen Moleküle. Und die Menge im Wasser ist eben nur der Ursprung für die beschriebene Akkumulation über die Nahrungskette. Verbote für einige Stoffe existieren wohl, meistens folgen diese Beschränkungen aber erst dramatischen Vorkommnissen. Gesetzliche Höchstwerte für hormonelle Wirkungen in Gewässern gibt es jedenfalls nicht. Bedenkliche Beobachtungen auf der anderen Seite genug: Neben verweiblichten Fischen auch Eisbären mit verkümmerten Genitalien und der Rückgang menschlicher Fruchtbarkeit. Die Spermaqualität europäischer Männer hat in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts bereits um ca. 40 Prozent abgenommen. Die Ursachen dafür sind sicher vielfältig, trotzdem: Die Sorge um Überbevölkerung könnte man hier einmal hintanstellen.
Was wir einnehmen, müssen wir aushalten Man kann sich kaum vor solchen Umwelteinflüssen schützen. Ob es gefällt oder nicht – Robustheit ist gefragt. Auch wer nun vorsorglich seinen Speiseplan optimiert, wird es wohl kaum schaffen, einem Stoff, der im Ökosystem unterwegs ist, dauerhaft und gänzlich zu entgehen. Leuchtet ein, wenn man den Stoffkreislauf fertigdenkt: Alles, was wir produzieren, verwenden und wegwerfen, kommt aus unserer Umwelt und geht wieder in sie zurück. Was der Mensch freisetzt, verbreitet sich in der Umwelt und begegnet ihm irgendwann wieder. Der Körper muss damit umgehen – was wir einnehmen müssen wir aushalten. Und so schließt sich der Kreis. Eigentlich ganz einfach gedacht, oder?
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in Thermometer, eine App und hohe Mathematik – das sind die Ingredienzien der natürlichen Verhütungsmethode von Natural Cycles. Die Temperatur misst man selber und auch die App wird eigenständig verwaltet, an die hohe Mathematik muss man sich aber glücklicherweise nicht heranwagen. Das haben bereits die beiden Physiker Raoul Scherwitzl und seine Frau Elina Berglund gemacht. Der smarte Algorithmus basiert auf der Tatsache, dass der Zyklus einer Frau etwa nur sechs fruchtbare Tage beinhaltet. In der restlichen Zeit besteht demnach keine Notwendigkeit zur Verhütung: Keine Hormone und keine Kondome also. In der App äußert sich das in roten und grünen Tagen. Natürlich wird auch berücksichtigt, dass der Zyklus einer Frau nicht zwingend der Dauer von 28 Tagen entspricht. Laut wissenschaftlicher Studie ist Natural Cycles jedenfalls zu 99,95 % sicher. Die Kosten belaufen sich dabei auf etwa fünf Euro monatlich. Vor Geschlechtskrankheiten schützt Natural Cycles allerdings nicht. Ob es eine Rückgabegarantie gibt, weiß ich zwar nicht – mein Vorschlag wären Love Menus oder Babysitter-Gutscheine, je nachdem halt. Apropos Baby: die App kann natürlich auch bei Schwangerschaftswunsch eingesetzt werden. Nur bitte keine Farbverwechslung!
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Im groSSen Stil
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ecycling klingt immer noch ein wenig nach Joghurtbecher auswaschen und Tetrapacks falten. Doch wo auch immer in der Entsorgungskette die Mülltrennung erfolgt: Recycling ist längst Milliardengeschäft und Know-how einer intensiven Wachstumsbranche. In der EU hat Deutschland mit rund 60 Prozent jüngst Österreich im Rennen um die höchste Recycling-Rate überholt, doch der Spielraum nach oben ist groß. Nicht immer ist Recyclen aber die umweltschonendste Möglichkeit, ein Material im Nutzungskreislauf zu halten: Upcycling – oder Reuse – bezeichnet schlicht die Wiederverwendung von Material, ohne es in seine Bestandteile, die Rohstoffe, zu zerlegen.
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Der Anteil des Haushaltsmülls am Abfall der Europäischen Union beträgt unter zehn Prozent, knapp ein Drittel des gesamten Abfalls entsteht in der Bauwirtschaft. Gleichzeitig wächst der Bedarf an den – oft endlichen – in der Bauwirtschaft benötigten Rohstoffen weiter. Gute Gründe, um neben der Recyclingwirtschaft auch Infrastruktur für das bei Reuse durch Abbruch, Umbau oder Sanierung anfallende Material aufzubauen. Das holländische Unternehmen Superuse Studios bietet eine Plattform zum Austausch von Material an und nützt sie auch selbst als Materialbezugsquelle für seine Architektur- und Designprojekte: Die interaktive Karte Harvest Map, auf der Angebote – etwa die Rotorblätter eines Windkraftwerks – gleich mit Lagerstätte verzeichnet werden. Gleichzeitig lädt Superuse Studios durch das Anbieten der Karte als Open-Source-Software auch andere zur Teilnahme ein. Gebäude aus Reused Material zu bauen, sei ökologisch und sozial nachhaltig – denn das Material trage viel weniger zum Gesamtpreis bei als die Arbeitszeit, erklärt Floris Schiferli von Superuse Studios. Sobald wir beginnen würden, diesen Fußabdruck bei der Berechnung der Gebäudekosten mitzuberücksichtigen, würde Reuse auch preislich im großen Stil konkurrenzfähig: »Wir brauchen nur Zeit. Es wird passieren.«
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Wiener Harvest Map gegründet Für eine Handvoll Wiener Kreative war die Harvest Map die ideale Möglichkeit, um zwei Bereiche im Produktzyklus zu verbinden, indem die zwei entsprechenden Branchen vernetzt werden: »Wir Designer stehen am Anfang der Kette. Normalerweise verwenden wir ein Produkt aus dem Katalog für eine Designobjekt oder ein Haus. Die Abfallwirtschaft steht am Ende der Kette – den Kreis muss man schließen.«, erklärt Andrea Kessler – Mitbegründerin der österreichischen Harvest map, kurz für Material-Austausch-Plattform. Die Verbindung zwischen diesen beiden Bereichen gebe es nicht im nötigen Ausmaß, daher soll die international existierende Karte um Einträge aus Österreich erweitert in deutschsprachiger Variante zugänglich werden. Im Oktober konnte die erste Materialernte eingefahren werden: Das Museum für Angewandte Kunst stellte die Betonblöcke der Modellstadt »Hypotopia« zur Verfügung. Für 2016 ist ein Erntefest in einem zum Abbruch freigegebenen Gebäude geplant.
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Das Team der Harvest Map Austria arbeitet derzeit an Finanzierungsmöglichkeiten, um das Scouting für neues Material im großen Stil finanzierbar zu machen. Rückenwind hat das Projekt jüngst auch durch den 1. Preis des Depature Ideenwettbewerbs der Wiener Wirtschaftsagentur bekommen. Wer einspeisen, ernten oder mehr erfahren will: harvestmap.isebuki.com
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Helena Zottmann
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Florian Kainz / Archiv Aqua
Wo der Weihnachtskarpfen schwimmt O
bwohl auch in der Donau viele Speisefische schwimmen, stammen die Fische in den Supermarktregalen weitgehend aus Züchtungen. Doch auch hier gilt es die feinen Unterschiede zu beachten. Wer zu Weihnachten auf Fisch setzt, sollte sich für den Karpfen entscheiden. Er ist der nachhaltigste Fisch aus Aquakulturen. Die Karpfenzucht ist eine alte Wissenschaft. Bereits die Klöster des Mittelalters haben ihren Fisch selbst produziert. Der Karpfen ist mit durchschnittlich 4,5 % Fettgehalt wesentlich fettärmer als der beliebte Lachs aufgrund der extensiven, also großflächigen und naturnahen Fischhaltung in Teichen. »Pro Karpfen kommen wir in der Aquakultur auf etwa 20 m2 Fläche«, erklärt Günther Gratzl. Er ist gelernter Fischereimeister in der ökologischen Station Waldviertel, wo Österreichs Fischzuchtanstalten betreut und beraten werden. »Forellen haben weit weniger Platz. Da kommen 150 kg Fisch auf einen Kubikmeter. Das geht schon in Richtung Massentierhaltung.«
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Der Karpfen ist sehr unkompliziert: 50 % seiner Nahrung produziert sein Lebensraum selbst. »Unter Naturnahrung im Karpfenteich versteht man etwa Wasserflöhe, Kleinkrebse oder Kleintier am Boden. Diese Tiere leben von den Algen im Wasser«, so Gratzl. »Große Karpfenteiche sind wertvoller Lebensraum und haben oft sogar Natura2000-Status.« Nicht nur der Karpfen, auch andere Lebewesen profitieren vom extensiv bewirtschafteten Ökosystem. Durch die Form der Fischzucht kann der Karpfen auch bei großer Nachfrage noch nachhaltig produziert werden. Das Vorurteil, Karpfen schmecke nach Erde, kann Gratzl gänzlich entkräften: »Nach dem Abfischen werden die Fische für mehrere Wochen in reinem Wasser gehalten, danach ist der Beigeschmack garantiert weg. Früher war das nicht immer der Fall, daher vielleicht das Vorurteil.« Ein Kilogramm ökologisch produziertes Karpfenfilet liegt bei etwa 20 ¤, kein ganz günstiges Vergnügen, aber sicher ein gutes Gefühl, heimischen Fisch aus nachhaltiger Zucht zu essen.
Entgeltliche Einschaltung
Forelle, Karpfen oder Sterlet und viele andere Fischarten tummeln sich rund um die Donau. Wie und wo der Karpfen lebt, ehe er auf unseren Tellern landet.
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Wie die Fische wandern Der Instinkt leitet die Fische im Gewässer. Die einen Arten wandern im Lauf ihres Lebens nur wenig, andere legen jedes Jahr zur Laichzeit unzählige Kilometer zurück. Diese Wege müssen natürlich hindernisfrei sein, was aber nicht immer der Fall ist.
Bild Helena Zottmann, Wikimedia Commons: U.S. Fish and Wildlife Service, George Chernilevsky, Väsk, Muriel Gottrop, André Karwath
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aum ein Fluss in Österreich, der nicht begradigt wurde, kaum ein Gewässer, das nicht durch Stromgewinnung oder Tourismus wirtschaftlich gemacht wurde. Für die Fische oft ein Problem. »Es gibt Fälle von Fischarten, die durch Verbauung sogar verschwunden sind«, so Hubert Gassner vom Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde. »Um das in Zukunft zu vermeiden, baut man Auf- und Abstiegshilfen für die Fischwanderung.« Bei Flüssen sind vor allem Kraftwerke problematisch. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie drängt auf Verbesserung. Konkretes Ziel ist unter anderem die »Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme«. Damit sind die Lebensräume der Tierund Pflanzenwelt gemeint. Der Donaukanal etwa ist ein von Menschenhand geschaffenes Zweckgerinne, das man nicht unbedingt als Fischparadies bezeichnen kann. Er ist an beiden Uferseiten mit steil abfallendem Beton befestigt, im Winter wird
der Räumschnee von der Straße in den Kanal geleert und er ist an allen Ausgängen von Staustufen und Kraftwerken begrenzt. Trotzdem leben dort mehr als 60 Fischarten. Derzeit wird beim Kraftwerk Nussdorf in Wien, am Beginn des Donaukanals, eine Fischaufstiegshilfe gebaut, damit die Fische vom Kanal in die Donau gelangen können. Der Instinkt der Fische treibt sie zum Laichen flussaufwärts, wo sie nach sandigen Flussabschnitten suchen. Derzeit stehen sie aber an. In das Projekt fließen 6,4 Millionen Euro von verschiedenen Fördergebern und Projektpartnern. Dies sind unter anderem das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (bmlfuw), das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technik (bmvit) und die Stadt Wien. Zum Bauvorhaben drängt nicht nur das ökologische Verantwortungsbewusstsein der Beteiligten, die EU-Wasserrahmenrichtlinie verlangte nach Maßnahmen wie dieser.
Die Stauanlage Nussdorf (links) ist ein noch unüberwindbares Hindernis für die Bewohner des Donaukanals. Ab 2017 können sie über die Fischaufstiegshilfe passieren und zum Laichen in die Donau (rechts) gelangen.
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KLEINES FISCHLEXIKON Aktuelle Wasserinformationen, Hintergründe und Interviews auf
Karpfen Der Karpfen lebt in warmen stehenden oder langsam fließenden Gewässern. Karpfen aus der Zucht sind die ökologisch vertretbarsten Speisefische.
Bachforelle Die Bachforelle ist einer der beliebtesten Speisefische. Sie kann sich farblich an ihre Umgebung anpassen, weshalb sie sch oft vom Untergrund kaum abheben.
Schleie Die Schleie gehört auch zu den Karpfenartigen. Sie liebt langsam fließende bis stehende Gewässer oder flache, warme Seen. Man findet sie fast in ganz Europa.
Zander Der Zander gehört zur Familie der Barsche und kommt in der Donau vor aber auch in der Elbe und der Oder. Eigentlich lebt er bevorzugt in tiefen Gewässern, aber er kommt auch vereinzelt in Steppengewässern wie dem Neusiedlersee vor.
Stör Den Stör gibt es schon seit über 250 Millionen Jahren auf der Erde. Von ihm kommt der beliebte Kaviar, weshalb er teilweise schon vom Aussterben bedroht ist.
Nase Die Nase liebt schnell fließende Gewässer mit Sand- und Kieselgrund. Der Schwarmfisch ist vom Aussterben bedroht. Die Nase ist der Fisch des Jahres 2015.
Im Fischlexikon der Generation Blue unter www.generationblue.at finden sich noch viele weitere Infos zu diesen und anderen Fischen wie Aalrutte, Seeforelle oder Wels.
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DER SEENBEOBACHTER Hubert Gassner ist ausgebildeter Fischereimeister und Zoologe und seit 1976 am Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde in Scharfling tätig. Seit 2000 behält er die Fischbestände und die Wassergüte Österreichischer Seen im Auge.
Geht es den Fischen in Österreichs Seen gut? Grundsätzlich ja. Fast alle Seen in Österreich waren ursprünglich nährstoffarm. Durch Bevölkerungszunahme, Landwirtschaft und Tourismus in den 50er bis 80er Jahren gelangten ungereinigte Abwässer in die Seen, wodurch sie nährstoffreich und trüb wurden. Seither wurde viel Geld in die Hand genommen, um die Gewässer zu reinigen. Seit die Seen wieder nährstoffärmer sind, findet man auch die ursprüngliche Fischfauna wieder, mit Ausnahme von einigen eingeschleppten Arten. Wo steht Österreich bei der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie bei den Seen? Die meisten österreichischen Seen haben einen sehr guten oder guten fischökologischen Zustand und es gibt nur ein paar wenige Seen mit mäßigem Zustand, da gibt es Handlungsbedarf. Diese Seen müssen bis 2027 den guten Zustand erreichen. In diesen Seen sind zum Beispiel Kleinfischarten verschwunden, die sind zwar wirtschaftlich nicht interessant aber ökologisch sehr wichtig. Da laufen gerade erste Wiederansiedelungsprojekte an. Welche Aufgaben hat die Fischzuchtanstalt dabei? Einerseits erforschen und züchten wir die Besatzfischarten für die Wiederbesiedelung. Andererseits betreiben wir Aquakulturforschung. Da versuchen wir, die kommerziellen Fischzuchtmethoden zu verbessern. Wir wollen zum Beispiel alternative Fischarten für die Speisefischproduktion finden. Darf man sich also auf neue Fischarten in den Supermarktregalen freuen? Ja, die heimische Aalrutte zum Beispiel. Der Fisch hat es aus Kostengründen zwar noch nicht in den Handel geschafft, er ist aber sehr wohl bereits in der Gastronomie verfügbar.
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Warum es Flüchtlinge in Städte zieht Flüchtlingslager bleiben leer weil es Schutzsuchende vor allem in Großstädte zieht. Dafür gibt es gute Gründe. Städte sollten sich darauf einstellen.
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anu Sultan* kam im Herbst gemeinsam mit tausenden anderen Flüchtlingen in Österreich an. In Wien hat sie sich registrieren lassen. Wie die meisten anderen syrischen Flüchtlinge entschloss sie sich, die großen Flüchtlingslager der unhcr zu meiden und in einer europäischen Stadt ihr Glück zu versuchen. Alleine, ohne Mann, Kind oder andere Familienmitglieder. Von der Flucht erschöpft, hat sie sich nach kurzem Zögern und obwohl das eigentlich nicht geplant war für Wien entschieden und ihren Asylantrag in Österreich gestellt. Dabei begegnete sie unterschiedlichsten Menschen, die sich bemüht zeigten, ihr neue Perspektiven in der Stadt an der Donau zu eröffnen.
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Städte sind Orte mit verdichteten sozialen Strukturen. Hier laufen auch die Dienste und Aufgaben unterschiedlicher Einrichtungen zusammen; alle Tätigkeiten die für den Grenzübertritt an Grenzposten vorgesehen sind, können auch auf städtischem Boden durchgeführt werden. Im Fall großer Zahlen an Flüchtlingen wird der Erkennungsdienst durch Erstversorgung, Registrierung, sowie Organisation von Weiterreise und Organisation von Schlafunterkünften ergänzt. Dabei sind in der jüngeren Vergangenheit einige europäische Städte an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit gestoßen. Wenig überraschend haben die gestiegenen Flüchtlingszahlen, vor allem in Kleinstädten entlang der Hauptrou-
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Heidi Dumreicher, Michael Anranter bild
Roderick Eime, Konrad Lembcke
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wir denken noch weiter.
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1 ten, bei Rückstau teilweise zu einer Verdopplung der Einwohnerzahl geführt. Was im Jahr 2014 für die sizilianische Stadt Agrigent galt, wurde im Sommer 2015 zum Beispiel in Mytilini, der Hauptstadt von Lesbos, ungeahnte Realität. Wegen der verdichteten Strukturen und der Unterstützung aus der Zivilbevölkerung hat sich dort eine gewisse Routine bei der Bewältigung des Flüchtlingsandrangs ergeben. Griechische, italienische und spanische Seefahrer und ihre Familien in den Küstenstädten wurden so zu bedeutenden Akteuren in der Flüchtlingsdebatte. Ebenso wie junge Menschen mit Migrationshintergrund, die ihre Arabischkenntnisse nutzen, um in Aufnahmezentren und andernorts zu dolmetschen.
Diversität zieht an In allen Regionen dieser Erde – und nicht erst seit den Unruhen und Kriegen in der arabischen Welt – bestätigt sich der Trend, dass Flüchtlinge ihr Glück in Städten suchen. 60 Prozent aller sich auf der Flucht befindenden Menschen halten sich aktuell in Städten auf – Tendenz steigend. Städte sind das attraktivste Ziel für Flüchtlinge und die Situation in Flüchtlingscamps spiegelt das wieder: Im neu errichteten jordanischen Azraq Camp lebten Anfang 2015 nur 15.000 Menschen. Die Zeltstadt ist eigentlich für über 80.000 Personen ausgelegt. Gleichzeitig halten sich auch weiterhin Millionen Flüchtlinge insbesondere in Syriens nördlichen Nachbarstaaten auf;
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Nicht jeder Fleck braucht ein eigenes Putzmittel = weniger Verpackungsmaterial
2 Konzentrate zum Selber - Mischen = weniger Transporte / weniger Co2 weniger Müll
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aber eben nicht in den teuer finanzierten Flüchtlingslagern der unhcr. Wer in Azraq Camp ankommt, will so schnell wie möglich weiter in eine Großstadt. Das britische Overseas Development Institute, eine Denkfabrik für Migration und Flucht, nennt neben ökonomischen Perspektiven noch weitere Beweggründe, eine Großstadt als Fluchtziel zu wählen. Städte bieten ein größeres und besser gestricktes soziales Auffangnetz. Städte gewähren mehr Anonymität und erhöhen so das Schutzempfinden. Außerdem gilt: Wer in die Stadt flüchtet, profitiert von einem vergleichsweise besseren Zugang zu bürokratischen und sozialen Diensten. Das Asylverfahren wird hier abgewickelt, es gibt Sprachkurse, Kindergärten und Schulen. Durch die höheren absoluten Aufnahmezahlen in Städten und die meist hohe Diversität der Gemeinschaften vor Ort lassen sich schnell wichtige Kontakte zu anderen Mitgliedern der Exil-Community knüpfen.
Europäische Städte müssen sich neu beweisen Tatsächlich werden die meisten Dienstleistungen für Flüchtende auch in Flüchtlingslagern angeboten – aber eben verbunden mit Untätigkeit und Abhängigkeit. Für Personen, die darauf erpicht sind, ihrem Leben und ihren Familien eine zweite Chance zu geben, ein oft mühsames Konstrukt. Vielleicht sollten wir daher unseren Umgang mit Flüchtlingen und unsere humanitären Grundsätze neu überdenken. Macht es Sinn, perspektivlose Flüchtlingslager fern der urbanen Realitäten zu errichten? Weltweit leben derzeit Millionen Menschen in Flüchtlings- und Aufnahmezentren in- und außerhalb Europas. Abgeschottet von der Außenwelt stehen sie in den großen zentralasiatischen Ebenen als Satelliten im Nirgendwo oder ausgestattet mit Hochsicherheitstechnik in den städtischen Randbezirken Europas. Viele dieser Camps funktionieren bereits heute als Städte; sie haben ihre eigene Dynamik, ihr eigenes Netzwerk, und ihre eigene Wirtschaft. Der Unterschied liegt in der Abwesenheit von Perspektive.
Stadtentwicklung als Flüchtlingspolitik Es kommt einem Paradigmenwechsel, vielleicht einer Utopie gleich, finanzielle Beiträge für Flüchtlingshilfe in den nachhaltigen und langfristigen Ausbau, die Wei-
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terentwicklung und Vergrößerung der ohnehin vorhandenen städtischen Strukturen zu investieren. In einer idealisierten Vorstellung werden Flüchtlinge von Bittstellern zu Entwicklungsmotoren für die weitgehend flexiblen und dynamisch agierenden Städte. Sie alle haben in den vergangenen Jahren bewiesen, wie rasch sie auf schnell wachsende Bevölkerungszahlen reagieren können und vermitteln dabei eine Normalität, die den Menschen eine Perspektive gibt. Eine Normalität, die Flüchtlingslager und Aufnahmezentren nie haben können. Unmittelbar nach ihrer Ankunft in Wien haben wir Banu unter hunderttausenden Menschen am Wiener Heldenplatz getroffen. Banu, die in Syrien ein Restaurant mit über 20 Mitarbeitern geleitet hat, beginnt nun ihr neues Umfeld kennenzulernen. Wien, die Stadt an der Donau wird ihr neuer Referenzpunkt werden und dabei helfen, das Erlebte zu verarbeiten. Hier wird sie voraussichtlich für die nächsten Jahre ihr Leben leben und für eine Zukunft mit Perspektive kämpfen. Wer könnte das in einem Flüchtlingscamp? *Name geändert, Anmerkung der Redaktion
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Hut und Stiel
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»Das ist wie Kuchen backen.« sagt Manuel Bornbaum
Mit Schirm, Charme und … Austernpilz Wenn Urban Agriculture statt Technopartys die Wiener Undergroundszene aufwirbelt.
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inter dem Namen Hut und Stiel steckt keineswegs ein Club englischer Bridge-Spieler aus vergangenen Zeiten – Speisepilze, mit Stiel, Kappe und Lamellen sind in diesem Brigittenauer Keller das Objekt der Begierde. Wie bei dem Kartenspiel kommt es hier auf die richtige Strategie – und Technik – an. Zu Beginn ein kleiner Exkurs in den Lebenslauf eines Kaffees. Allen Anfang macht die Kaffeepflanze, deren Bohnen geröstet, gemahlen, in die Kaffeemaschine gefüllt, für Espresso, Melange und Café Latte sorgen. Der verbleibende Sud landet im Restmüll – zuhause gleich
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wie in der Gastronomie. Hier endet der Prozess meistens, aber jener von Hut und Stiel setzt (Pilze) an.
Wer? die Studenten Manuel Bornbaum und Florian Hofer. Ihre Motivation? Zero Waste, den Kreislauf schließen und nutzen, was genutzt werden kann. Das Ergebnis? Hut und Stiel, Austernpilz-Zucht auf Kaffeesud. Damit der Kreislauf sich endlich schließt.
Von Pilzen und Plastiksäcken Zum Pilzanbau benötigt man zunächst ein geeignetes Substrat, mit dem die Pilzbrut versetzt werden kann. Bei
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text UND BILD
Elena Seitaridis
Aussehen tut das wie in einer Schlachterei. Riechen? Nicht nach Blut, sondern eindeutig nach Kaffee. Manuel Bornbaum
auf geht´s Buam: die Original fidelen Radiatoren
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Jetzt drehen wir auf und heizen die Stimmung so richtig an. Die Heizkörper der neuen Generation sind nämlich richtig heiße Teile. Und auch hier heißt es wieder: Retro-Style ist topmodern! Na dann: auf geht´s!
Hut und Stiel besteht dieses fast zur Gänze aus Kaffeesud, als Abfallprodukt recycelt. In Plastiksäcke gefüllt, wird das Substrat dann auf Schienensystemen aufgehängt. Vier Wochen dauert der Zyklus bis zur Pilzernte, die pro Sack dreimal durchgeführt wird. Der verbrauchte Kaffeesud wird anschließend in einen alten Kuhstall gebracht, wo Kompostwürmer ihn zersetzen, damit sich der Kreislauf wieder schließt und das organische Material zurück in den Boden kommt und nicht erst irgendwo verheizt werden muss. Der verbrauchte Kaffee wird also wieder zur Erde.
Wenn Austernpilze ausziehen Die geernteten Austernpilze – üblicherweise bis zu 30 Kilogramm pro Woche – verkaufen die beiden Pilzzüchter auf diversen Märkten, etwa am Karmelitermarkt. »Am Markt verkaufen wir ein Kilo Pilze um 16 Euro – das ist dann aber ein richtiger Berg!«, erklärt Manuel Bornbaum. Hut und Stiel beziehen den Kaffeesud gratis: er wird von den Pilz-Züchtern höchstpersönlich – nachhaltig und umweltfreundlich – bei jeder Wetterlage mit dem Lastenfahrrad abgeholt. Die Reste sammeln verschiedenste Cafés, Restaurants und Hotels sowie einige Altersheime gesondert. Ein besonderer Partner von Hut und Stiel ist das Heuer am Karlsplatz – wo die Austernpilze regelmäßig diverse Gerichte verfeinern.
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in Österreich
Pilze – in Zukunft für alle Hut und Stiel haben große Pläne – und die gehen weit über die (un-)gewöhnliche Pilz-Zucht hinaus. In Arbeit ist ein DIY-Pilz-Zucht-Konzept, um den obligatorischen Sud-Resten aller privaten Kaffeetrinker einen Zweck zu geben. Ein weiter Traum für die Zukunft: Pilz-Workshops in Schulen und für private Gruppen.
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Kritischer Lokaljournalismus
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Theresa Reiter
»Es geht um mehr als nur tote Kühe« Lokaljournalismus ist selten kritisch oder gar investigativ. Was steht dem Journalismus mit Wurzeln dabei im Weg?
Die austrofaschistischen Wurzeln Bei uns in Schilda: des Europäischen Forums Alpbach Energiepolitik auf Tiro
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nbekannter reißt Zweige von Strauch ab«, und ähnlich verunglückte Meldungen sammeln die beiden deutschen Journalisten Ralf Heimann und Jörg Homering-Elsner auf ihrer Facebook-Seite »Perlen des Lokaljournalismus« und verbreiten damit Heiterkeit. Während ihr Zugang noch ein eher liebevoll spöttischer ist, sind Lokalzeitungen oft auch Zielscheibe von Spott und Häme. Vielleicht nicht immer verwunderlich, denn nicht nur das örtliche Schützenfest und feierliche Scheckübergaben schaffen es dort hinein, sondern eben auch die gelegentliche, unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommene Kuh. »Wo jetzt schon wieder ein Radl umgefallen ist, lesen Sie hier« steht also auf dem Stempel, der lokalen Medien oft verpasst wird. Doch es ist nicht alles nur Witz. In Zeiten von zunehmender Medienkonzentration, Spardruck und Entlassungen ist es einigen Lokalmedien bereits gelun-
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gen, eine sich finanziell lohnende Symbiose mit dem Internet einzugehen. Hyperlokale Nachrichtenblogs erleben in Deutschland gerade Aufwind. So gibt etwa Peter Posztos, der Macher der Tegernseer Stimme, einer optisch unaufwendigen News-Seite, an, im Monat um die 10.000 Euro Umsatz zu machen. Auch anderswo in Europa hat man entdeckt, dass mit gezielt auf ein lokales Publikum abgestimmter Berichterstattung online gutes Geld zu verdienen ist. Die niederländische Online-Zeitung dichtbij etwa, ein Netzwerk auf verschiedenen lokalen Nachrichtenseiten, erzielte 2013 einen Umsatz von fast 10 Millionen Euro. Die Leiden des Lokaljournalisten sind dabei vielfältig. Nicht nur muss er die Balance zwischen fluffigen NonStorys und kritischer Berichterstattung halten, er ist auch den Konsequenzen seiner Worte viel mehr ausgesetzt. Findet er etwa einen Fehler in der Förderungsab-
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Wenn die Medien, hier vor allem Tageszeitungen und ORF, ihrer Arbeit nachkämen, bräuchte es keinen kritischen Blog. Markus Wilhelm
a: Das »HYPO-TIROL«- Wie sich Günther Platter f Tirolerisch Leaks-Projekt immer wieder betätigt rechnung des Angelvereins, so muss er vielleicht zweimal nachschauen, ob in seinem Sonntagssüppchen eh kein Angelhaken baumelt, weil doch der Wirt immer mit dem Präsident des Angelvereins kegeln geht. In Sachen Wettbewerb mit landesweiten Zeitungen sind die lokalen in vielerlei Hinsicht im Vorteil. So wissen sie etwa genau, wer ihre Zielgruppe ist, nämlich alle Bewohner des jeweiligen Dorfes, die Hälfte des Nachbardorfes und vielleicht noch deren zum Studieren in die Hauptstadt ausgewanderten Kinder. Lokalreporter kennen die ortsansässigen Geschäftsleute und Würdenträger, wissen, mit wem der Bürgermeister sein Bier trinkt und sehen so Zusammenhänge, die den Reportern der großen Zeitungen möglicherweise verborgen bleiben. Der Tiroler Bergbauer Markus Wilhelm ist ein Beispiel für jemanden, der sich vielleicht nicht viel Gedanken über seine Zielgruppe macht, sich jedoch sein Wis-
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sen um die lokalen Machtstrukturen in Tirol zunutze machte, um über seinen Blog Missstände aufzuzeigen. Sein tiwag-Blog fasst die Tiroler Wasserkraft AG, das größte Energieversorgungsunternehmen in Tirol, ins Auge. Was er findet, wäre für jeden investigativen Journalisten eine Freude. Neben Hinweisen auf Vetternwirtschaft und politische Gefallen beschuldigte er einen ehemaligen tiwag-Mitarbeiter, Verbindungen ins Rotlichtmilieu zu haben, woraufhin die tiwag über 150.000 Euro für eine Detektei ausgab, um das Informationsleck im eigenen Unternehmen auszuforschen. Ob der Blog einer Privatperson irgendjemanden interessiert und ein Goliath wie die tiwag so etwas überhaupt spürt? Auf die Frage nach den Zugriffszahlen zu besten Zeiten des Blogs sagt Wilhelm nur: »Zigtausende«.
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Kritischer Lokaljournalismus
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biorama: Mit Ihrem Blog übernahmen Sie die Funktion, die in Sachen tiwag eigentlich Lokalmedien übernehmen hätten sollen. Wieso haben Sie sich dafür engagiert? markus wilhelm: Ich hatte ja schon im Holzzeitalter ein politisches Medium, den föhn (1984–1998) herausgegeben. Das größte Übel in Tirol sind die Medien, so hieß auch ein Artikel von mir auf dietiwag.org. Deswegen musste und muss ich was tun. Welchen Vorteil haben Sie als Privatperson gegenüber den Lokalmedien? Ich bin sozusagen auch mein eigener Chefredakteur und Herausgeber. Mir redet niemand was drein. Ich bin finanziell anspruchslos und daher unabhängig und kann über die Dinge so schreiben, wie ich sie sehe – ohne Abstriche. Warf man Ihnen vor, einen Privatkrieg gegen tiwag und övp zu führen? Vereinzelt vielleicht. Die tiwag ist das potenteste Landesunternehmen, die övp seit 70 Jahren die alles bestimmende Partei. Die beiden sind auch noch auf vielfältigste Weise miteinander verbunden, ineinander verwoben. Wen sonst sollte ich in erster Linie für die Zustände zur Verantwortung ziehen? Sie betreiben auf Ihrem Blog investigativen Journalismus, wie jede Zeitung ihn (eigentlich) gerne hätte. Haben Sie Ihre Recherchen etablierten Medien angetragen? Nein, niemals. Warum sollte ich? Um mich zensurieren zu lassen?
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Wie stark wurde der Druck durch die tiwag auf Sie? Haben Sie das auch beruflich bemerkt? Ich hab den Druck eher als Schub erlebt. Zum Beispiel der Cross-Border-Leasing-Prozess, den mir die tiwag angehängt hat – Streitwert insgesamt 600.000 Euro – war die beste Werbung für dietiwag.org. Jemanden, der einen so promotet, muss man erst finden. Welche Erfolge können Sie sich für Ihre Arbeit auf die Fahnen schreiben? Ich hab gar keine Fahne! Und Erfolge? Was ist ein Erfolg? Wenn ein Landesrat abdanken muss? Wenn die Führung der Lebenshilfe zurücktreten muss? Wenn ein Ehrenringträger des Landes seinen Ehrenring zurückgeben muss? Ich weiß nicht. Ein Erfolg wäre es, wenn das Bewusstsein der Leser geschärft würde und »Erfolge« wie die erwähnten und andere nicht mehr möglich wären, weil sich wenigstens die politische Kultur geändert hat. Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach ein starker Lokaljournalismus, seien es nun Lokalzeitungen oder Blogs, für die Demokratie? Brauchen wir viel mehr davon? Wenn die Medien, hier vor allem Tageszeitungen und orf, ihrer Arbeit nachkämen, bräuchte es keinen kritischen Blog. Da dies aber eben nicht der Fall ist, bräuchte es viel mehr kritische Seiten. Ich weiß nicht, warum es sie nicht gibt. www.dietiwag.org
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Der Herr mit dem Hermelin: in der Renaissance weist der Hermelin-Pelz Malatesta Baglioni im Gemälde von Parmigianino als einflussreich aus.
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Matthias Schickhofer
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KHM Wien, Gemäldegalerie ILLUSTRATION
Katharina Hüttler / agentazur.com
Haarige Pelz-Mode Pelz ist grausam, sagen die einen. Pelz ist reine Natur und schick, sagen die anderen. Pelz als Symbolträger für Status und Luxus polarisiert. Kommt jetzt gar der Bio-Pelz?
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er »nackte Affe« Mensch kam schon früh auf den Pelz und eignete sich Haut und Haar von damit besser ausgestatteten Geschöpfen an: Bereits in der jüngeren Altsteinzeit (40.000–10.000 v. Chr.) wurden Tierfelle als Bekleidung und als Schmuck benutzt. Was in Ur-zeiten das Überleben der Art sicherte, bekam spätestens im frühen Mittelalter eine zusätzliche Funktion: edle Pelze wurden zum sozialen Symbol von Status und Herrschaft. Seit dem Mittelalter (6. bis 15. Jahrhundert) genießt besonders Marderpelz höchstes Ansehen. Am begehrtesten war Zobel, gefolgt von Baummarder und Steinmarder. Als die Normannen in Russland einfielen (10. Jahrhundert), setzten sie den Tribut in Fellen fest und trieben davon so viel wie möglich vom unterwor-
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fenen Volk ein. Besonders begierig waren die Eroberer auf Zobel, Marder und Fuchs. Die Kleiderordnungen des Mittelalters zementierten die Rolle der Pelze als Herrschafts- und Reichtumsanzeiger fest: Sie regelten, welcher Stand welche Pelzarten tragen durfte. Gewöhnliche Bürger und Handwerker mußten mit Fuchs, Lamm und Iltis auskommen. Kaufleuten war es gestattet, Iltis und das (nicht ganz so hoch geschätzte) Kehlfell des Marders auszuführen, wenn sie im Stadtrat saßen. Das beste Stück vom Marder, das Rückenfell, wurde vornehmen, männlichen Bürgern zugedacht. Frauen mußten sich an Eichhörnchenfelle halten. Bauern und Tagelöhner durften sich nur in »schlechte Beltze« wie Lamm und Ziege hüllen. Relikte dieser Regelungen finden sich bis heu-
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Ta n z m i T H a lT u n g
Samstag, 30.01.2016 raTHauS Wien eInlass 20.00
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Impressum: Wien Wissen Verein • c/o Presseclub Concordia • Bankgasse 8 • 1010 Wien
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Lieber nackt als im Pelz: 1991 begann mit Christy Turlington die Kampagne, für die sich bis heute Prominente ausziehen.
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te in Amtstrachten und Kleidungsordnungen des britischen Königshauses. Ab dem 17. Jahrhundert eroberte der Pelz das Militär. Auch hier waren die edlen Stücke den hohen Dienstgraden vorbehalten, während den niederen Chargen einfachere Pelze, etwa als Kälteschutz im Krieg, zugestanden wurde.
vorangetrieben von Brigitte Bardot und anderen Prominenten wie Linda McCartney – wurden erstmals Bilder der grausigen Tötungen von blutüberströmten (weißen) Robbenbabys in den Massenmedien gezeigt. Breites Entsetzen war die Folge. ngos sprangen auf das Thema auf und starteten Kampagnen.
Symbolischer Ausdruck von Weiblichkeit?
PETA gegen die Pelz-Lobby
Der wachsende Nachfrage nach »Rauwaren« (alte Bezeichnung für Echt-Pelz) machten den Pelzhandel in manchen Regionen Europas zu einem Wirtschaftsfaktor, etwa im Raum Leipzig. Pelzfarmen entstanden, um die steigende Nachfrage abzudecken. Arbeiter und Zuchttiere hatten da aber wenig zu lachen: Die Bedingungen waren für die Menschen, aber vor allem für die Tiere schlecht bis kaum vorstellbar. In der Neuzeit erhielt Pelz eine weitere symbolische Bedeutung: Pelz als symbolischer Ausdruck von Weiblichkeit. Manche Attacken von militanten Pelzgegnern gegen Pelzträgerinnen wurden auch als frauenfeindlich kritisiert. Erst Ende der 60er Jahre waren verstärkt kritische Stimmen gegen die grausige Pelztierzucht und -jagd zu vernehmen. Die Schriftstellerin Marguerite Yourcenar forderte 1968 die Schauspielerin Brigitte Bardot auf, sich gegen die Robbenjagd in Kanada einzusetzen. Bardot hatte zuvor noch in Pelzen posiert. In der darauf folgenden Kampagne gegen die kommerzielle Robbenjagd in Neufundland –
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Noch stärker kippte die öffentliche Stimmung in den 80er Jahren, als die Tierrechtsorganisation peta (People for the Ethical Treatment of Animals) unter anderem mit nackten Promis gegen das Tragen von Pelz kampagnisierte. Das US-Supermodel Christy Turlington posierte 1990 nackt vor der Kamera und ließ sich mit dem Spruch »I’d rather go naked than wear fur« (»Lieber nackt als im Pelz«) abbilden. Die Schaltung dieses Sujets auf einer Anzeigetafel auf dem Sunset Strip in Los Angeles bewirkte ein enormes Medienecho. Popstar Pink und viele andere Prominente folgten Turlingtons Beispiel. Das Tragen von Pelz wurde nun für mehr und mehr Menschen zu einer unmoralischen (und unsympathischen) Geste. Die Pelzindustrie hatte infolge natürlich alle Hände voll zu tun, ihre Produkte ethisch wieder zu restaurieren – und die lästigen Pelzgegner abzuschütteln (Aktivisten stalkten Pelzträger mitunter regelrecht). Statt die zweifelhafte Lust am Luxus zu betonen, polte die Industrie das angekratzte Pelz-Image geschickt durch Marketing-Kampagnen und Qualitäts-Zertifikate
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um. Nicht Luxus, sondern die Aspekte »Natürlichkeit« und Nachhaltigkeit wurden fortan als Kaufmotive angesprochen. Nach der Jahrtausendwende erzielte die Pelzbranche, nach erheblichen Einbrüchen, wieder Zuwachsraten. Zuletzt boomte das Geschäft besonders in Asien und Russland. Das Deutsche Pelz-Institut, eine Art Lobby-Speersitze der Pelz-Industrie, verkündet im Internet, die Pelzindustrie sei »in der Verantwortung«. Sie müsse »für eine einwandfreie legitime Herkunft der von ihr genutzten Naturgüter garantieren«. Und darunter steht frech: »Er mag Luft und Bewegung. Führen Sie ihn bitte so oft wie möglich aus!«
Ist Mitgefühl mit Tieren dumm? Brendan O’Neill, Redakteur beim libertinären Blatt Spikes – das regelmäßig mit Angriffen gegen Umweltund Klimaschutz die britische Öffentlichkeit provoziert – geht noch einen Schritt weiter: »Hinter der Aufregung um Pelz steht ein Misstrauen gegenüber der menschlichen Zivilisation. Deshalb ist es wert, Pelz zu verteidigen.« Die Anti-Pelz-Bewegung sei motiviert durch »kindische« Übertragungen menschlicher Eigenschaften auf Tiere. Sind tierethische Beweggründe wirklich »kindisch«? Ist Mitgefühl mit Tieren gar dumm? Anders gefragt: Darf die Menschen-Zivilisation alles tun, was Spass macht und Nutzen bringt? Mehr als 20 Jahre (mitunter hochemotional geführte) AntiPelzkampagnen haben bei Teilen des Publikums wohl eine gewisse Moral-Abstinenz und »Jetzt erst recht«Haltung verstärkt. Triumphierend präsentieren Plattformen der Pelzindustrie heute wieder Stars und Models, die demonstrativ in teuren Pelzen posieren. Abgesagt ist die Ethik aber keineswegs – immerhin geistern allerlei »grüne« Pelz-Labels herum, die Pelz offenbar in ein besseres Licht rücken wollen. Die Plattform »Fur is green« behauptet, Pelz sei eine »natürliche, erneuerbare und nachhaltige Ressource«. Synthetische Materialien hingegen würden ja aus nicht nachhaltigem Erdöl hergestellt. 2007 führten europäische Pelzunternehmen das »Origin Assured«-Label (OA) ein. Das soll »versichern«,
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dass derartig ausgezeichnete Pelzprodukte aus Ländern stammen, in denen es »erkennbare« TierschutzRegelungen gibt. In eine ähnliche Kerbe schlägt die nordische Farmer-Kooperative Saga Furs. Ihre Nerze, Füchse und Marderhunde sollen »ausschließlich aus streng regulierten Europäischen Farmen« stammen. Das freiwillige Programm »WelFur« wiederum basiert auf Tier-Indikatoren, die von angeblich »unabhängigen« Wissenschaftlern von sieben Europäischen Universitäten entwickelt wurden, freilich maßgeblich mitfinanziert von der Pelzbranche. Laut Pelzindustrie folgt das Siegel den Prinzipien des »Welfare Quality«-Projektes der EU-Kommission.
»Biozertifizierte« Pelzzucht – ein Phantom Neuerdings geistert sogar das Wort »Bio-Pelz« herum: Da handelt es sich um Pelze aus der Jagd, wie etwa Füchse. Die würden ja schließlich in freier Natur leben, bevor sie aus »ökologischen« Gründen ohnedies geschossen werden müssen. Zertifizierte Biobetriebe unterwerfen sich allerdings weit über die gesetzliche Basis hinausgehenden Standards betreffend Tierhaltung, Ernährung und Schlachtung. Und sie werden streng kontrolliert. Die Fuchsjagd mit Fangeisen (die Tiere verenden da oft qualvoll) oder Hundehatz in Fuchsbauten hat da wohl kaum eine Chance auf ein amtliches Bio-Siegel. Thomas Pietsch, Wildtier-Experte der Tierschutzorganisation Vier Pfoten, erteilt all diesen Initiativen eine Absage: »Das ist dreistes Greenwashing. In Wahrheit sind die Fuchskäfige in Finnland in der Regel nicht größer als die in China und sehen gleich aus: Eine Drahtgitterbox ohne Struktur innen. Bestenfalls findet sich ein Holzklotz im Käfig, mit dem die Füchse spielen können. Diese angeblich besseren Standards gib es nicht.« Pietsch vermutet, dass sich die (in Europa marktführende) finnische Pelzindustrie mit solchen Marketing-Maßnahmen von der wachsenden globalen Konkurrenz abgrenzen will. Diese hätten sie aber zuvor selbst durch den Know-howVerkauf, etwa nach China, geschaffen. »Die Pelzproduk-
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tion in China ist günstiger – nicht wegen dem Tierschutz, sondern wegen der niedrigen Lohnkosten, Futterkosten oder dem günstigeren Klima.« Auch am Origin AssuredSiegel läßt der Tierschützer kein gutes Haar: »Das verspricht nur, dass die Produkte aus Ländern kommen, in denen die Pelztierhaltung irgendwie geregelt ist. Diese Regeln sind aber alle mehr oder weniger schlecht. Das Siegel macht keine Aussagen über die Qualität und wirbt mit Selbstverständlichkeiten.« Und die »Bio-Pelze« aus der Fuchs-Jagd, wie sie von Friendly Fur vertrieben werden? Pietsch: »Die Fuchsjagd ist übel. Baujagden sind für die Füchse, aber auch für die Jagd-Hunde extrem belastend. Bei Treibjagden sind die flinken Tiere schwer zu treffen sind und überleben daher oft verletzt noch einige Zeit. Das ist Tierquälerei.« Auch eine ökologische Notwendigkeit für Fuchsabschüsse bestehe nicht. Und die Regulierung funktioniere nicht, da Füchse sich durch verstärkte Fortpflanzung oder durch Ausweichen in andere Gebiete an den hohen Jagddruck anpassen würden. »Diese ökologischen Gründe sind also Quatsch. Die Füchse werden zum Spass abgeschossen«, sagt Pietsch. Auch Kojoten-Pelze in Nordamerika würden nicht nachhaltig gewonnen: »Die Koyoten hängen da oft mit einer Pfote im Fangeisen fest. Oft für Stunden oder Tage. Oft beißen sie sich dann selbst das Bein ab. Diese Tierqual sollte für Menschen, die nachhaltig konsumieren wollen, ein No-Go sein.« Und Pelz von Fallwild, etwa aus Roadkill? Pietsch: »Das ist eine Phantom-Debatte. Aus Tierschutzsicht ist das zwar kein Reizthema, aber die Mengen sind marginal.«
Gift im Pelz Im Oktober 2015 stellten die Tierschutzverbände Fur Free Alliance und Eurogroup for Animals im Europäischen Parlament den Bericht »Nordic Fur Trade – marketed as responsible business« vor. Der Report untersuchte, ob auf europäischen Pelzfarmen tatsächlich höhere Tierschutzstandards gelten. Im Fokus stand das finnische Label Saga Furs, das Marken wie Prada, Versace oder Burberry beliefert. Resümee: Die Zustände auf den skandinavischen Pelzfarmen unterscheiden sich nicht wesentlich von den Pelzfarmen in anderswo, etwa in China. Es gibt keine ethisch korrekte Pelztierhaltung. Das »Fur Free Retailer«-Programm zieht daraus eine klare Konsequenz und zeichnet Einzelhändler aus, die dem Echt-Pelz die rote Karte zeigen. Mittlerweile machen weltweit gut 400 Modeunternehmen mit, darunter Leit-Marken wie Jack Wolfskin, Esprit, H&M, Marc O’Polo, Orsay, S.Oliver, Zero und Zara. Heuer konnte Vier Pfoten weitere 26 Firmen in Deutschland und Österreich (darunter Gerry Weber, Orsay und Discounter Aldi/Hofer) zum Beitritt bewegen. Die Jubelbotschaften der Pelz-Industrie über sagenhafte Wachstumsraten bewerten Tierschützer skeptisch: Der Markt würde vor allem in Asien und in Ländern wie China und Russland wachsen. Pelz als Statussymbol der Neureichen? Die als
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61 Testimonial der Pelzindustrie: Samantha De Reviziis dient mit ihrem Blog We Love Fur und dem Instragram-Account @ladyfur als digitales Schaufenster der haarigen Branche. Das provoziert.
grausam verrufene Pelzproduktion in China (Berichte über Vergasungen und Lebendhäutungen) geriet zudem auch ins Visier von Umweltschützern: Messungen ergaben extreme Schadstoffbelastungen im Grundwasser im Bereich der Rohfell-Betriebe. Den Preis für die verbreitete Umgehung der Umweltgesetze zahlen Arbeiter und Umwelt. Schadstoffe in Böden und Gewässer im Umfeld von Pelzfarmen wurden auch in Kanada und Finnland nachgewiesen. Vier Pfoten hat bei Tests Schadstoffe auch in Pelzprodukten gefunden, die auf dem europäischen Markt verkauft werden. Für die 2011 veröffentlichte Studie »Gift im Pelz« wurden 35 Pelzproben von Marderhunden, Nerzen und Füchsen auf bedenkliche Rückstände untersucht. Es wurden 15 gesundheitsgefährdende Schadstoffe wie Formaldehyd (gilt als krebserregend und allergieauslösend) oder Alkylphenole (hormonell wirksam) im Labor bestätigt. Ein Ende der haarigen Debatten über das Tragen von Pelz ist nicht abzusehen. Zu sehr prallen hier Werte und Ideologien aufeinander. Wem das Tierleid zu Herzen geht, wer sich aber dennoch mit Pelzoptik schmücken will, kann sich auch an Kunstpelz halten. Thomas Pietsch: »Heute gibt es sehr edle synthetische Materialen, die mitunter sogar teurer sind wie manche Echtpelze.« Aber auch Kunstpelz würde dazu beitragen, Pelz salonfähig zu machen, gibt der Tierschutzexperte zu bedenken. Die Frage, ob es die Pelzoptik wirklich braucht, muss wohl jeder für sich selbst beantworten.
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MANU GEGEN GOLIATH. Mächtige Konzerne zerstören für schnelle Profite die Umwelt. Dadurch verlieren viele Menschen und Tiere ihre Lebensgrundlage. Danke an alle, die sich für einen friedlichen grünen Planeten einsetzen. greenpeace.at/aktivwerden
Greenpeace dankt Biorama für die Unterstützung durch die kostenlose Schaltung dieses Inserats.
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Bio-Nüsse
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Michaela Pichler
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Die Frage nach der Nuss – Are we nuts!? Winterzeit bedeutet Nusszeit. biorama hat deshalb genau ins Supermarktregal geschaut und sich gefragt, wieso es eigentlich keine heimischen Bio-Nüsse zu kaufen gibt.
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Bio-Nüsse
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Schon genusst?
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er Dezember riecht nach Zimtsternen, Lebkuchen und Vanillekipferln. Backen gehört in der Adventszeit genauso wie Weihnachtsmärkte und das abertausendste »Last Christmas« einfach dazu. Damit man die selbstkreierten Leckerbissen aber auch ganz ohne schlechtes Gewissen genießen kann, greift man natürlich nur zu den besten Zutaten. Die sollten wenn möglich nicht nur bio, sondern auch gleich regional sein. Bei Eiern, Milch oder Butter ist das mittlerweile kein Problem mehr – aber was ist eigentlich mit den Nüssen? Begibt man sich im Supermarkt oder Bioladen seines Vertrauens auf die Suche nach den kleinen Energiespendern mit Hauptaugenmerk auf das Herkunftsland, wird man kaum fündig werden. Heimische Bio-Nüsse aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz sind für die meisten Konsumenten schlichtweg nicht aufzutreiben.
Der heimische Anbau ist eine harte Nuss Die Frage, warum man keine regionalen, biozertifizierten Nüsse im Supermarkt zu kaufen bekommt, erscheint auf den ersten Blick verwirrend. Immerhin gibt es in unseren Breiten vielerorts Haselnuss-Sträucher und Walnuss-Bäume in Gärten, auf Bauernhöfen und auf Feldern. Das in Mitteleuropa herrschende Klima begünstigt die Kultivierung von Walnüssen, besonders in Weingegenden sind sie durch wintermilde Temperaturen häufig verbreitet. Elmira Bertagnoli ist Geschäftsführerin von Lemberona, einem Lebensmittelunternehmen, das bei seinen Produkten immer auf Regionalität und Bio-Qualität setzt. Wenn es um Nüsse geht, muss allerdings auch ein nachhaltiger Konzern wie dieser auf internationale Bioware ausweichen: »Walnüsse gibt es viele in Österreich. Diese findet man aber nicht auf großen Flächen, sondern zumeist auf Streuwiesen und Bauernhöfen, als Einzelbäume und nicht in Plantagen. Diese sind deshalb zum Großteil nur für den Eigenbedarf zu
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Durch unseren alltäglichen Sprachgebrauch werden viele Dinge über einen Kamm geschert, wie zum Beispiel die Nüsse. Botanisch gesehen ist nämlich nicht alles, was wir im Supermarkt als Nuss zu kaufen bekommen, wirklich eine Nussfrucht. Nüsse zählen zum Schalenobst, da der Fruchtkern von einer harten Schale umgeben ist. Charakteristisch ist für eine Nuss die holzige Fruchtwand, die im Gegensatz zur inneren Frucht für den Menschen ungenießbar ist. »Echte« Nüsse sind nach diesen Kriterien die Walnuss, die Haselnuss, die Macadamianuss und die Esskastanie. Mandeln, Pistazien oder Pekan-Nüsse gehören hingegen zur Familie der Steinfrüchte. Ein weiterer falscher Hase unter den Nussfrüchten ist die Erdnuss. Der Name ist in dem Fall nicht Programm, gehört sie doch eigentlich zu den Hülsenfrüchten, wie etwa Bohnen oder Erbsen.
gebrauchen.« Gegen monokulturelle Nussplantagen in Exportländern wie Kalifornien oder Chile können also kleine, heimische Anbauflächen preislich wie quantitativ nicht mithalten. Die geringen Mengen sind allerdings nicht das einzige Problem in der heimischen Bio-Nuss-Wirtschaft. Die Arbeit, mit der die Nussernte und Verarbeitung verbunden ist, besteht aus vielen einzelnen Schritten: Wenn es bio sein soll, dürfen Nüsse nur erntereif vom Boden eingesammelt und nicht direkt von der Pflanze gepflückt werden. Danach geht es etwa bei der Walnuss der äußersten Hülle an den Kragen, die sorgfältig von der Schale entfernt werden muss. Dann erst können die geernteten Nüsse getrocknet und gelagert werden, was meist mit viel zeitlichem und räumlichem Aufwand verbunden ist. Aber auch in anderen europäischen Ländern rentiert sich das Geschäft mit Nüssen nicht mehr. Christian Harfmann betreibt Öko-Tourismus in Siebenbürgen und besitzt dort 25 Hektar Obst- und Nusskulturen. »Das manuelle Pflücken und Schälen ist tatsächlich sehr zeitaufwendig und selbst zu den niedrigen rumänischen Arbeitslöhnen kaum mehr rentabel.« Wenn man dann als Produzent noch einen Bio-Stempel auf seine eigene Nussernte bekommen möchte, ist das Ganze noch etwas schwieriger: Bei der Zertifizierung von Bio-Nüssen müssen verschiedene Bedingungen gegeben sein. Chemische Substanzen wie Pestizide
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sind nicht nur beim Anbau verboten. Besonders bei der Lagerung der Nussfrüchte wird in ökologischen Betrieben auf die Begasung zur Schädlingsbekämpfung verzichtet. Stattdessen verwendet man hier eine technisch aufwendigere Variante mit Kohlenstoffdioxid. Außerdem werden konventionelle Nussfrüchte mit Schwefel gebleicht, um die von Tannin dunkelgefärbten Schalen sauberer aussehen zu lassen. Bio-Nüsse sind deshalb oft mit Flecken versehen, was aber nicht die Qualität mindert. Abseits des Supermarktregals können Familienbetriebe wie der von Andrea Gschwendtner die Suche nach der perfekten Nuss erleichtern. Ihr Vater, der mittlerweile 94 Jahre alt ist, gilt in Linz als Bio-Urgestein, der sein ganzes Leben lang schon begeisterter Obstbaumliebhaber ist. Er kultivierte in seinem Obstgarten Walnüsse der Sorte Geisenheim, die geschmacklich und qualitativ und zudem auch noch gegen den Marssonina-Blattfleckenpilz resistent sind. Seit eineinhalb Jahren sind die Gschwendtner-Nüsse nun auch offiziell bio-zertifiziert und gehen laut Andrea Gschwendtner »weg wie warme Semmeln«.
Exportschlageralarm Derzeit ist Chile der größte Walnuss-Exporteur auf der südlichen Hemisphäre. Alleine im letzten Jahr wurden 50.000 Tonnen chilenische Walnüsse in die ganze Welt ausgeliefert. In den letzten Jahren konnten Gewin-
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ne damit sogar verdoppelt werden, 2014 erreichte man mit Walnussexporten daher Einnahmen in der Höhe von 321 Millionen US-Dollar. Chile hat dies vor allem seinem nusstoleranten Klima zu verdanken, da im Osten die Anden das Land schützen und im Westen der Pazifikwind die Temperaturen regelt. Die Plantagen bleiben aufgrund dieser günstigen Wetterverhältnisse auch oft vor Schädlingen verschont, weshalb chilenische Walnüsse als qualitativ sehr wertvolle Schalenfrüchte in der weltweiten Nussbranche gelten. Pestizide werden auf den riesigen Plantagen allerdings trotzdem verwendet und belasten nicht nur die Gesundheit der Endkonsumenten, sondern auch die Umwelt. In Kalifornien etwa werden für die zahlreichen Monokulturen an Mandelplantagen mehr Bienen zum Bestäuben benötigt als vorhanden sind. Großimker bereisen deshalb mit ihren »Industriebienen« die Plantagen, die dort Blüte für Blüte bestäuben. Tierschützer sehen dies aber problematisch: Der Reisestress, dem die Bienen ausgeliefert sind, die Größe der Felder und der Einsatz von Pestiziden führen zu erhöhtem Bienensterben. Die Monokultur-Industrie schießt sich damit also selbst ins Knie. Importierte Nüsse sollten deshalb keine Alternative in der Adventszeit sein. Auch wenn Bio draufsteht, wurden für diese Produkte enorme Transportwege zurückgelegt, die den ökologischen Fußabdruck wie die Treter von Big Foot aussehen lassen. Dann doch lieber im regionalen Umkreis nach der richtigen Nuss Ausschau halten.
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Biogastrotrophy 2015
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Micky Klemsch bild
Martin Mühl, Micky Klemsch, Bio Austria
ExzellenZ IN SACHEN Bio
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ie Anzahl der Gastronomen, die bei ihrer Produktauswahl auf Bioqualität setzt, ist stetig steigend. Immer mehr Betriebe deklarieren sich mit Zertifizierungen und loben ihr Angebot als Bio aus. Diese Bestrebungen unterstützt auch die Bio Austria als Vertretung der Produzenten und rückte mit einer großen Kampagne erstmals die Biogastronomie ins Scheinwerferlicht. Gemeinsam mit dem Foodblog »Richtig Gut Essen« wurden über Monate bundesweit Restaurants, Caterer und Streetfood-Stände getestet. Die Kritierien für die Bewertung gingen über den klassischen Lokaltest hinaus. Denn neben Geschmack, Qualität, Service und Ambiente wurden auch ökosoziale Aspekte und nachhaltiges Engagement beurteilt: Was passiert mit Essensresten? Wird der Qualitätsanspruch auch bei Hygienemittel in den Nassräumen weitergeführt? Gibt es Anreize für den Gast, mit dem Fahrrad zu kommen? Das Testteam war in allen Bundesländern unterwegs. Unter den Bio Austria-Gastropartnern wurden zwei Kategorien bewertet: Klassische Gastronomie sowie mobile Betriebe wie Zustelldienste, Caterer und Streetfood. Es war keine leichte Entscheidung für die Jury, die aus Testern der biorama-Redaktion und Vertreterinnen der Bio Austria bestand. Schlussendlich hat aber vor allem die 100-prozentige Zertifizierung den Ausschlag gegeben, dass sich der Schützenwirt im Bioparadies Salzbur-
Auf Initiative der Bio Austria wurden heuer erstmals die Biogastrotrophy an die besten Betriebe Österreichs verliehen.
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mobil
Rita hat es gebracht: Biokost fürs Biorama Büro.
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Bio Austria Obfrau Gerti Grabmann gratuliert Rita Huber.
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unten: Preisgekrönte Biogerichte beim Schützenwirt in St.Jakob am Thurn. Bio Austria Markus Sandbichler und Verena Auberger überreichen Schützenwirt Hannes Reithmayr die Bio Gastro Trophy.
ger Land über die Biogastrotrophy 2015 freuen kann. Das Team um Hannes Reitmaier bietet seit Jahren konstante Spitzengastronomie in Bioqualität. Im mobilen Bereich hat der Essenszustellung-Fahrraddienst Rita bringt’s am meisten überzeugt. Qualität, Engagement, Transparenz und Service waren Kriterien, die den Ausschlag für diese schwierige Entscheidung gaben. Einen Sonderpreis für das beste Start-up der Bioszene vergab biorama an Supperiör. Als Kombination aus Bistro, Designladen und Essenszustellung-Fahrraddienst haben die Damen frischen Wind nach St.Pölten gebracht.
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glasgeflüster / Sarah Krobath und Jürgen Schmücking
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Alle Wege führen zum Wein
illustration Nana Mandl
Zwei Quereinsteiger mit ebenso spannenden Weinen wie Lebenswegen.
sarah: Wenn ein Mitglied aus der eigenen Lieblingsband aussteigt, ist das vor allem zum Weinen. Im Fall von Günther Schönberger außerdem zum Weintrinken. Der ehemalige Saxofonist und Manager der Ersten Allgemeinen Verunsicherung hatte auf seinem ersten, damals im Nebenerwerb bewirtschafteten Hektar Reben Blut geleckt. Heute besitzt die Familie Schönberger die 25-fache Anbaufläche in Rust und Mörbisch, arbeitet nach biodynamischen Richtlinien und im Einklang mit den Mondphasen – das krasse Gegenteil von »300 PS«. Die sind beim Neuburger auf der Maische 2012 genauso fehl am Platz wie bei den anderen spontan vergorenen, ungeschönten und ungefilterten Charakterweinen mit Ente am Etikett. Für das erdig-rauchige Potpourri aus Haselnüssen und kandierten Orangen mit pfeffrigen Noten sollte man etwas Zeit mitbringen. Wer säurebetonte Weine mag und gerbstoffigen Dunkelweißen gegenüber zugetan ist, wird mit dem Naturburschen, der 30 Tage auf der Maische und 22 Monate im Holz verbracht hat, aber bald warm werden. Wenn nicht beim vielschichtigen Aromenspiel im Glas, dann spätestens beim würzigen Abgang, der länger anhält als so manche Band-Karriere. Man darf sich wie Günther Schönberger allgemein nur nicht verunsichern lassen!
jürgen: Den Weinen kennt man es meistens nicht an. Ich meine, was ihre Schöpferinnen oder Schöpfer beruflich gemacht haben, bevor sie Winzer wurden. Bei den Weinen von Jutta Ambrositsch ist das ein bisschen anders. Hier ist zumindest am Etikett zu erkennen, dass die Dame was von Layout und Typographie versteht. Früher konnte man es auch an den Weinstöcken erkennen. Die jungen Triebe der Reben werden durch Drahtrahmen gezogen. Bei der Wiener NeoWinzerin waren das anfangs exakt 90 Grad. Präzision und Leidenschaft. Und Fritz Wieninger, Mentor und Weingartenverpächter, schmunzelte. Mittlerweile geht es etwas lockerer in Ambrositschs Weingärten zu. Es wird auch kein Seidenpapier mehr zwischen die Traubenlagen in der Erntekiste gelegt. Die Weine sind unisono grandios. Seit Kurzem gibt es auch einen Wein von gepachteten Weingärten in der Thermenregion. Die Gumpoldskirchner Himmelfahrt ist eine trockene Cuvée aus Neuburger (nussig, megaregional), Grünem Veltliner (würzig, österreichisch), der Gumpoldskirchner Doppelconferènce Rotgipfler und Zierfandler (gelbfruchtig, Kardamom). Das ganze ist leicht, aber nicht belanglos. Im Gegenteil. Mineralisch, feingliedrig und mit extrem hohem Trinkspaßfaktor gesegnet. Heißt ja auch »Himmelfahrt«.
Woraus: dem großen Weißweinglas. Wozu: Wild, würzigem Speck und Hubert von Goiserns »Brenna tuat’s guat«. Mit wem: Dem starken Kerl, der dir den Christbaum aus dem Wald holt und aufstellt.
Woraus: Zalto Universal. Notfalls auch jedes andere Weißweinglas. Wozu: Zu den Cello-Suiten von Bach. Und zu Tatar vom kaltgeräucherten Bio-Karpfen. Mit wem: Mit dem blonden Engerl, das bei der SchulAufführung das Christkind gespielt hat.
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Speis und Trank
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Micky Klemsch
Wie Bio ist mein Bier? Bier boomt wieder als Genussprodukt. Die neue Craft-BierSzene bringt auch viele Start-ups. Warum aber brauen so wenige in Bioqualität?
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m letzten Craft-Bier-Fest in Wien standen zahlreiche kleine neue Brauer an den Ständen, die von fast 6.000 Gästen gestürmt wurden. Wie auch bei vielen anderen Lebensmitteln will der Konsument wieder zu handwerklichen Produkten zurückkehren und schätzt Produkte mit Charakter. Warum setzen junge, coole Brauer dann aber nicht gleich auf Bioqualität? StieglAltbraumeister Ernst Schreiner meinte einmal: »Bier ist ohnehin das natürlichste Lebensmittel der Welt!« Man muss heute aber noch weiter gehen. Nicht nur wegen Qualität und Geschmack, sondern auch wegen Bodenschutz, Schonung der natürlichen Ressourcen und Vermeidung chemischer Hilfsmittel. Aber das hat auch seinen Preis. Obwohl über 90 Prozent eines klassischen Bieres aus Wasser besteht, ist der Rohstoffeinsatz für Biobier ein vielfacher. Also weitaus teurer. Max Krieger, der beim Biobier-Pionier Riedenburger vor allem für die Kreativbiere unter der Marke Doldensud steht, führt auch hier die Philosphie seines Vaters fort: 100 % Bio und regionale Lieferanten. Das kostet aber im Bereich Hopfen und Malz tatsächlich bis zum Dreifachen. Langjährige Kontrakte mit regionalen Bauern helfen da. Rohstoffspekulationen, wie im konventionellen Segment üblich, werden vermieden. »Wir investieren in Regionalität, Beratung und die Pflege alter Getreidesorten. Dadurch zahlen wir noch mal Aufschlag, bekommen aber deutlich bessere Qualität.«
Schätzt der Bierkonsument Bio? Neu am Markt ist auch Hellwagners Brauerei aus Oberösterreich. Für seine handwerklichen Biere verwendet Gerhard Hellwagner mit Ausnahme einiger Hopfensorten, die für ihn nicht in Bioqualität verfügbar sind, nur biologische Rohstoffe. Den Weg der Bio-
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zertifizierung hat er aber noch nicht eingeschlagen, da es sich mehr um seine persönliche Einstellung handelt: »Ich glaube, den meisten Leuten ist da nicht wirklich wichtig, ob mein Bier bio ist oder nicht!« Ein Argument, das oft angebracht wird. Die Jungs von brlo aus Berlin sehen das ein wenig anders: »Wir merken, dass die Konsumenten im Craft-Bier-Bereich eher darauf achten, dass das Bier handwerklich hergestellt wird und dass die Betriebe und Menschen dahinter ein Gesicht haben und transparent agieren. Bio ist vielen aber ebenso wichtig!« Schwierig sei aber im Biobereich auch die Verfügbarkeit einiger Hopfensorten: »Tatsächlich ist es schwierig, alle Hopfensorten in Bioqualität zu bekommen. Gerade bei Craft-Bier spielen ja viele verschiedene Aromahopfensorten eine Rolle und würde man sich nur auf Biohopfen konzentrieren, wäre das eine Einschränkung in der geschmacklichen Vielfalt.« Bei Alkohol wird der Maßstab nicht mehr so genau genommen wie bei Grundnahrungsmitteln. Bei Spirituosen ist der Markt für Bioprodukte im Gegensatz zu Bier und Wein gerade wegen dieses Arguments verschwindend klein. Höchste Qualität, aber auch höchstes Preisniveau platzieren Biospirituosen fast immer nur im Luxussegment. Viele Brauer positionieren sich mit ihrem Grundverständnis mehr im Bereich der Nachhaltigkeit, verzichten abr trotzdem auf biologische Zutaten: CO2-Neutralität durch Einsatz erneuerbarer Energie und ähnliche Maßnahmen funktionieren oft auch besser im Marketing. Ein guter Ansatz, aber halt noch nicht zu Ende gedacht.
Jetzt schon vormerken: Craft Bier Fest in der Tabakfabrik Linz, 8.–9. April 2016.
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Damit das
Christkind das richtige Geschenk
bringt!
Aufgeregt warten wir schon jetzt darauf, dass endlich die 4. Kerze brennt und alle Türen vom Adventskalender geöffnet sind. Damit dieses wunderbare Kribbeln auch Sie erfüllt, haben wir weihnachtliche Stimmung für Sie eingepackt. Vom sinnlichen Teegenuss über leckere Naschereien bis hin zu wertvollen ätherischen Ölen ist alles dabei, um den festlichen Zauber zum Erstrahlen zu bringen.
WE COME AS FRIENDS ist eine neuzeitliche Odyssee von Hubert Sauper (»Darwin’s Nightmare«) in das Herz Afrikas: In jenem Moment als der Sudan, das größte Land des Kontinents, in zwei Nationen geteilt wird, verfällt das Land erneut in alte Muster der Zivilisierung – Kolonialismus, Kampf der Herrscher, und neue blutige Kriege im Namen des Glaubens und im Namen der Territorien und Ressourcen. www.wecomeasfriends.com
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DIY rezept
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Zweierlei Karfiol It’s roasted. Blumenkohl aus dem Rohr oder Karfiol aus dem Backofen.
Vielleicht kennt Ihr schon gebratenen Karfiol, aber einen ganzen Karfiol im Ofen rösten? Jetzt habe ich Eure Aufmerksamkeit! Karfiol – ein vermeintlich herkömmliches und meiner Meinung nach vollkommen unterschätztes Gewächs – konnte sich in meinem persönlichen Gemüse-Ranking unter den fünf beliebtesten Gemüsesorten platzieren. Denn sobald er als Ganzes gebraten aus dem Ofen kommt – leicht knusprig und mit Röstaromen veredelt – ist bei uns die kulinarische Vorfreude groß. Bei hohen Temperaturen gebraten, entwickelt der Karfiol ein nussiges Aroma und kann als ein erstaunlich herzhaftes und köstliches Gericht serviert werden. Sein wunderbares Aussehen lässt alle Herzen höher schlagen, gleichzeitig ist seine Zubereitung extrem leicht und unkompliziert. Dieses Gericht kann ein einfaches Abendessen oder ein veganes Festmahl sein. In jedem Fall aber wird es alle glücklich machen. Denn Essen verbindet und Kochen ist Liebe.
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Parvin Razavi
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Elisabeth Els
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ZUTATEN » 2 kleine Karfiol-Köpfe (etwa 400–500 g), waschen und den Strunk soweit zurückschneiden, dass der Karfiol im Ganzen in einer Ofenform platziert werden kann. » Je 1 ½ TL Ras El Hanout und Baharat » 2 großzügige EL Tahini
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» Saft und Zeste einer Zitrone » 2 Knoblauchzehen » 2 cm Ingwer » 3 Zweige frische Minze » Olivenöl » Grobes Salz und Pfeffer » Sauerteig-Baguette, in Scheiben geschnitten
Ingwer, 1 TL grobes Meersalz, Ras El Hanout, sowie Baharat und 3 EL Olivenöl in einen Mörser geben und zu einer Gewürzpaste zerstoßen und einen Karfiol von allen Seiten mit der Gewürzpaste bestreichen (am besten gleich mit den Händen) und in eine Ofenform legen. Den zweiten Karfiol nur mit Salz und 1 EL Olivenöl einreiben und ebenfalls in die Ofenform legen und im vorgeheizten Ofen bei 190 °C Heißluft etwa 45–60 Minuten backen. Nach der Backzeit den ungewürzten Karfiol grob hacken und mit Tahini, Zitronensaft, 3 EL Olivenöl und 5 EL Wasser in einem Mixer glattpürieren und nochmals mit Salz und Pfeffer abschmecken. Der zweite Karfiol wird wie ein Braten in Scheiben geschnitten. Baguette-Scheiben mit etwas Olivenöl beträufeln und in einer vorgeheizten Grillpfanne von beiden Seiten knusprig grillen und wenn gewünscht anschließend mit einer halbierten Knoblauchzehe einreiben.
Serviervorschlag: Knusprigen Baguette-Scheiben mit der Karfiolcreme bestreichen und mit dem »Karfiolbraten« belegen. Noch etwas Zitronenzeste darüber reiben und mit frischer Minze dekoriert servieren. Karfiolcreme auf einer Platte ausstreichen, den Karfiolbraten darüber verteilen, mit Zitronenzeste und Minze bestreuen und mit den gegrillten Brotscheiben servieren.
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Jürgen Schmücking
marktplatz Food
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Erli Grünzweil
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Die Top-Adressen für Bio-Fisch in Österreich und Deutschland: biofisch.at, salmos.at, biofischzucht-krieg.at www.deutschesee.de, www.waldecker-fischzuchten.eu, www.benecke-forellenzucht.de
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1 // Irischer Bio-Lachs Ein Lachs aus einer biozertifizierten Aquakultur an der Westküste Irlands. Das Meer bietet dort kräftige und vitale Strömungen, was für die Lachse so etwas wie ein Dauer-Fitnesscenter ist. Die Fische sind permanent in Bewegung und haben daher deutlich weniger Fett als ihre Artgenossen aus konventionellen Aquakulturen.
2 // Bio-forelle Ausnahmsweise ein Marktplatz ohne Marken. Ohne Produkte. Dafür mit Arten. Der Vielfalt wegen. Biofisch aus heimischen Teichen. Forelle, Hecht und Bio-Saibling am Prüfstand.
Ein Salmonide. Ein Raubfisch. Da kann sie noch so hell und lieblich besungen sein, sie frisst kleine Schnecken, kleine Fische, Insekten und hin und wieder auch unaufmerksame Artgenossen. Aber sie darf das. Weil dadurch ihr Fleisch ganz zart und großartig wird. Forelle blau? Gedünstet und mit Salzkartoffeln serviert ist der Raubfisch ein Klassiker.
3 // Bio-Saibling
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it frischem Bio-Fisch aus heimischen Gewässern lassen sich ökologische und ethische Bedenken elegant und kulinarisch wertvoll umschiffen. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es jetzt der Waldviertler DemeterKarpfen oder der tolle Bio-Hecht aus dem Nachbarteich ist. Gerade bei der Karpfenzucht hat sich in den letzten Jahren allerhand getan. Genau genommen ist dabei kein Stein auf dem anderen geblieben, und es ist Initiativen wie der arge Biofisch zu verdanken, dass es Richtlinien für die biologische Teichwirtschaft gibt. Die Qualität der Fische hat von diesen Anstrengungen enorm profitiert. Nehmen wir den Fettgehalt als Beispiel. Von seiner Natur her ist der Karpfen nämlich alles andere als ein fetter Fisch. Es ist eine Folge intensiver Zucht und der Fütterung von Mais, dass er viel zu schnell wächst und das Fleisch tranig wird. Waldviertler Bio-Karpfen ernähren sich von in erster Linie von Kleinlebewesen, die zur natürlichen Fauna der Teiche gehören. Zusätzlich bekommen sie Bio-Getreide und Ölsamen-Presslinge aus Sonnenblumenkernen und Nüssen. Dadurch erreicht der Karpfen Fettwerte, die denen der Forelle recht ähnlich sind, und auch der Anteil der hochgelobten Omega 3-Fettsäuren kann sich sehen lassen. Neben Karpfen schwimmen in den Waldviertler Teichen auch noch Barsche, Zander, Welse und diese Fische hier. Deren größter Pluspunkt: Sie sind imHandel verfügbar und warten auf Topf oder Pfanne.
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Der Forelle nicht ganz unähnlich, nur kleiner. Aber genau wie die Forelle vertilgt auch der Saibling kleine Krebse, kleine Brüder und was sonst noch am Wasser landet. Des Saiblings großer Moment: der Kaviar im Herbst. Kaum ein anderer Nicht-Stör-Kaviar bringt eine derartig elegante Finesse in die Kugeln.
4 // Bio-Karpfen Er ist der unangefochtene Fürst von Heidenreichstein. Im Herbst – rund um den Nationalfeiertag – werden die Teiche im Norden des Landes abgefischt. Wie bei einer Badewanne, bei der der Stoppel herausgezogen wird, sinkt der Wasserpegel und die Karpfen werden geerntet. In puncto Fettqualität, Nachhaltigkeit und Vielfalt der kulinarischen Einsatzmöglichkeiten ist der Karpfen ungeschlagen.
5 // Bio-Hecht Was für ein Räuber! Der Hecht hat einen markanten Kopf, kräftiges Kiefer und einen torpedoförmigen Körper. Die Biologie zählt ihn zur Familie der Dorsche, was ein wenig auch seine grandios gute Leber erklärt. Und Hechtknödel sind fest in der kulinarischen Tradition der Kronländer verankert.
6 // Bio-Schleie Nachdem sie 2007 »Fisch des Jahres« war, ist es um die Schleie eher ruhig geworden. Schade eigentlich, denn die schlanke Schleie ist – gastrosophisch gesehen – ein enorm wertvoller Fisch. Geringer Fettanteil, festes Fleisch und hochgradig aromatisch. In einem historischen Kochbuch findet man grandios schmackhafte Schleien-Rezepte: »Schleye in Braunbier zu kochen«. Nur als Anregung.
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Sylvia Buchacher
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Erli Grünzweil
ÖL-MASKE FÜR DIE HALSPARTIE Oft wird die Halspartie bei der täglichen Pflege vernachlässigt. Mit dieser Maske lässt sich der Alterungsprozess vorbeugen. Drei Teelöffel angewärmtes Öl (z. B. Mandel-, Avocado-, Weizenkeim- oder Olivenöl) mit der gleichen Menge flüssigem Honig mischen und mit einem Maskenpinsel auf den Hals aufstreichen. Danach mit einem feuchten Baumwolltuch abdecken und mit einem Frotteetuch umwickeln. Nach einer halben Stunde abnehmen und abwaschen.
Leichte, natürliche Gesichtsöle sind wahre Wundermittel, wenn es um Pflege und Schutz geht. Mit diesen Produkten kann sich Ihre Haut regenerieren und blüht, auch in der kalten Jahreszeit, wieder auf.
1 // BESSERE ZEITEN
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lle Jahre wieder stellen wir fest, dass sich unsere Haut von einem auf den anderen Tag verändert. Sie spannt, fühlt sich trocken an, es entstehen Unreinheiten und Rötungen. Minusgrade und trockene Heizungsluft fordern ihren Tribut. Deshalb macht es Sinn, Haut gerade in der kalten Jahreszeit mit Öl zu pflegen. Naturkosmetikfirmen haben den Öl-Trend erkannt, denn Gesichtsöle haben einen hohen Pflegefaktor, unterstützen die Schutzfunktion der Haut und verhindern den Feuchtigkeitsverlust. Viele Gesichtsöle enthalten ätherische Öle, die nicht nur wegen ihres Duftes, sondern auch aufgrund ihrer pflanzlichen Wirkstoffe beigefügt werden. Die in pflanzlichen Ölen enthaltenen Fettsäuren und Lipide entsprechen denen unserer Gesichtshaut und können deshalb schnell aufgenommen werden und ihre Wirkung entfalten. Doch Öl ist nicht gleich Öl und muss zum jeweiligen Hauttyp passen. Wir haben eine Auswahl der besten, natürlichen Gesichtsöle zusammengestellt.
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Das Pomegranate Facial Nourishing Oil von John Masters Organics enthält eine Mischung aus 12 ätherischen und pflanzlichen Ölen und wirkt stark antioxidativ. Schon ein paar Tropfen reichen aus, um die Haut den ganzen Tag zu pflegen und zu schützen. Tipp: Eignet sich auch als Nagelöl. johnmasters.com, www.greenglam.de
2 // FLÜSSIGES GOLD Die Skandinavier wissen ganz genau, was strapazierte Winterhaut braucht: das Face Oil Petitgrain der schwedischen Marke La Bruket zum Beispiel. Es duftet herrlich und ist für alle Hauttypen geeignet. LABRUKET.SE, STORE.STATTGARTEN.WIEN
3 // OIL, LÀ, LÀ Das hochkonzentrierte Multi-Nutrient Youth Oil der Ecocert-zertifizierten Marke Estelle & Thild beugt Hautalterung vor und pflegt mit Hagebuttenöl, Antioxidantien, Vitaminen und essentiellen Fettsäuren. Unser Liebling der Redaktion. estellethild.com, marionnaud.at
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4 // PURISTISCH
6 // HOLIDAY-HAUT
Bei fettiger oder zu Unreinheiten neigender Haut empfehlen wir das Lapis Facial Oil von Herbivore Botanicals. Blauer Rainfarn und blaue Scharfgarbe sind für die wunderschöne Farbe des Öls und dessen antibakteriellen Eigenschaften verantwortlich. herbivorebotanicals.com, niche-beauty.at
Der Name dieses luxuriösen Gesichtsöls ist Programm. Mit dem Youth Dew Hydrating Facial Serum von May Lindstrom Skin wird die Haut mit allem versorgt was sie braucht. Eine Mischung aus 20 hochwirksamen, kraftvollen Pflanzenölen und Coenzym 10 sind für die wundervolle Transformation unserer Haut verantwortlich. maylindstrom.com, amazingy.com
5 // LEUCHTEND Das Invigorating Serum von Luxsit bietet die perfekte Voraussetzung für die nachfolgende Tages- oder Nachtpflege. Jojobaöl, Hagebuttenkernöl und Erdbeersamenöl wirken ausgleichend und binden die Feuchtigkeit in der Haut. Vitamin A und E sorgen für einen strahlenden Teint. Natrue-zertifiziert und vegan. luxusitorganic.com, amazingy.com
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7 // ÖLKUR Hagebuttenkernöl ist bekannt für seine reparierenden und hautverjüngenden Eigenschaften. Das Virgin Cold Pressed Rose Hip Oil von The Organic Pharmacy wirkt besonders gut bei Sonnenschäden, Narben und Pigmentstörungen. theorganicpharmacy.com, greenglam.de
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elternalltag / Ursel Nendzig
Bald wird er lesen können, der große Bub. Das wird toll – für ihn. Für mich wird es zwar nicht ganz so toll, dafür wartet auf mich ein echter Triumph.
illustration Nana Mandl, Katharina Hüttler / agentazur.com
Neue Welten
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»Da steht, dass die Kaugummis scharf sind.«
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er große Bub zog vor Kurzem eine kleine Sponge Bob-Figur aus der Hosentasche und sagte nicht ohne Stolz: »Schau, das hat mir der L. geschenkt.« Ich sage: »He, das ist aber nett vom L. Weißt du eigentlich, was das für eine Figur ist?« Der große Bub lachte mich aus, verdrehte die Augen: »Ja logisch weiß ich das, das ist Ich weiß noch, dass meine Eltern und ein Käse.« Jetzt lachte ich ihn aus, er mich, ich ihn. Geschwister sich bogen und prusteten Alle meine Beteuerungen, dass Sponge auf Deutsch vor Lachen. Dann weiß ich noch, dass Schwamm heißt und das deshalb ganz, ganz sicher ich nicht kapierte, was daran lustig sein kein Käse sein würde, lachte er einfach weg. Nasollte, aber trotzdem mitlachte. Und was ich noch ganz genau weiß ist, wie sich das türlich fand er innerhalb der Familie Verbündete, angefühlt hat, dass diese Zeichen plötzlich die in sein Gelächter einstimmten und höhnten: »Haha, die glaubt, das ist ein Schwamm!« Dann Sinn ergaben. Es war, ohne Übertreibung, hielt er mir noch voller Triumph ein zehn Jahre als würde sich die Welt jetzt für mich öffnen. altes »Lustiges Taschenbuch« unter die Nase, Es ist die deutlichste aller meiner Vorschuldarin eine Werbung für Sponge Bob mit folErinnerungen, die ich habe. gendem Spruch: »Eine Legende. Ein Held. Natürlich bin ich schon jetzt total ergriffen, Ein Schwamm.« Er hielt mir die Seite so nah dass mein großer Bub, der seit Neuestem ein vors Auge, dass ich auch ganz genau erkenVorschulkind ist, bald lesen wird können. Drei Wörter kann er derzeit lesen und schreiben, seinen kann, dass da Löcher im Körper von Sponge-Bob sind. Löcher, wie sie nur ein nen Namen, den seines Bruders und »Billa«. Das »Käääääseeeeee!« hat. Irgendwann gab ich geht ratzfatz und er steht vor dem Bücherregal mich geschlagen, sollte er doch denken, und hat seinen Moment (so stelle ich es mir vor). Ja, und dann öffnet sich für ihn die Welt. Und für was er wollte, Schwamm-Bob, Käsekopf, mich schließt sich eine Welt. Nie mehr werde ich mir doch egal. In meiner Familie kursiert seit rund ihn schamlos anlügen können. »Da steht, dass die 30 Jahren bei jeder Gelegenheit die Kaugummis scharf sind.« Oder: »Das Legoland ist Geschichte, wie ich, damals etwa fünf noch weiter weg als Amerika, da können wir nicht Jahre alt, vor dem Bücherregal meiner hinfahren.« Oder, mein Dauerbrenner: »Ich weiß Eltern stand. Darin von Goethe bis nicht, was das heißt, die Sprache kenn ich nicht.« Simmel einmal alles, was man in den Was freu ich mich auf den Tag, an dem er das M, das 1980ern gelesen haben musste und A, das W und das SCH gelernt haben wird. Ich habe das verkündete: »Ich kann mich gar »Lustige Taschenbuch« schon zur Seite geräumt, um nicht mehr erinnern, wie das war, es im richtigen Moment hervorzuziehen und ihm unter als ich noch nicht lesen konnte.« die Nase zu reiben, dem kleinen Klugscheißer.
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HAPPY BIRTHDAY TAG!
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die welt, die wir uns wünschen
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von wolfgang smejkal
Ooho! Blubb statt Flasche? die meisten wasserflaschen landen im müll oder werden mit grossem aufwand recycelt. nicht so »ooho!«: die wasserkugel kann vollständig getrunken werden – einschliesslich der sie umgebenden membran. Das britische Start-up Ooho! hat eine neue Art entwickelt, um Wasser und andere Flüssigkeiten zu verpacken. Mithilfe einer gelatinösen, doppelten Membran, welche aus natürlichen Zutaten hergestellt wird, kann es Plastikflaschen ersetzen. Hergestellt werden die kugelförmigen Wasserbehälter aus Algen. Die Produktion ist einfach und kostengünstig, aber auch hygienisch und biologisch abbaubar. Die tropfenförmige Blase kann zwischen 2 und 5 cl fassen und zusammen mit der Membran vollständig getrunken werden. Der Designer Rodrigo García González und seine beiden Kollegen Guillaume Couche und Pierre Paslier von Rocks Lab in London haben die neuartige Membran zum Einpacken von Wasser entwickelt. Ihre Technologie haben sie als Creative Commons lizensiert und für ihre Entwicklung den Lexus Design Award erhalten. Besonders spannend: Die Blubbs können statt mit Wasser auch mit Wein, Saft und anderen Getränken gefüllt werden. Diese revolutionäre
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Art von neuem Trinkgefäß könnte eine echte Alternative zur Plastikflasche und damit ein wichtiger Beitrag zur Lösung der Plastikmüll-Problematik sein.
Wasser mit umweltgefährdendem Nachgeschmack Seit Coca-Cola 1990 die ersten pet-Flaschen in Europa einführte, ist diese Art von Getränkeverpackung nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Bei Softdrinks und Mineralwasser haben die scheinbar komfortablen Plastikflaschen die Glasflaschen nahezu vollständig verdrängt. 89 Milliarden Liter Wasser werden jährlich weltweit in Plastikflaschen abgefüllt. Alleine in den usa werden pro Sekunde 1.500 pet-Flaschen verbraucht. Eine einzige Wasserflasche braucht aber 500–700 Jahre, um zu verrotten. Für die Herstellung sind etwa sieben Liter Wasser und 120 cl Öl notwendig. Dennoch werden nur rund 20 Prozent der Plastikflaschen recycelt und das mit hohem Energieaufwand. Daher machen 90 Prozent der Kosten für eine Wasserflasche nicht das Wasser selbst, sondern die Verpackung aus. Gerade erst haben deutsche Forscher bei einer der ersten Müllzählungen nördlich des Polarkreises Plastikmüll sowohl auf der Wasseroberfläche als auch in 2.500 Metern Tiefe am Meeresgrund entdeckt. Es ist eine traurige Nachricht: Großteilige Plastikstücke haben sich inzwischen auch einen Weg in die Arktis gebahnt. »Wir glauben, dass Ooho! die Lösung für ein großes Problem ist«, schreibt Pierre Paslier auf seiner Homepage. Wenn es nach den drei Studenten vom Londoner
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Diese drei Herren haben entwickelt, was aussieht wie ein Spielzeug, aber viel mehr ist: ein essbares Wassergefäß aus Gelatine.
Rocks Lab geht, wird bald niemand mehr eine Plastikflasche brauchen. Ihr Ballon, der das Wasser umgibt, kann nämlich nach dem Austrinken gegessen werden. Wer die Gelatine nicht mag, kann sie zum Biomüll geben. Hergestellt wird diese kugelige Membran aus Kalziumchlorid und einem Algennebenprodukt namens Natriumalginat. Durch die Oberflächenspannung wird aus den einzelnen Wassermolekülen ein einziger Tropfen. Die Membran wird über Eis gezogen. Schmilzt das Eis, hält man einen essbaren Wasserballon in der Hand, dessen Widerstandsfähigkeit etwa der Haut eines Pfirsichs entspricht. Dieses Verfahren ist nicht neu, aber neu gedacht mit dem Einsatz als Trinkbehälter: Die sogenannte Sphärifikation ist aus der Molekularküche bekannt. So können zum Beispiel Bubble-Tea-Perlen oder falscher Kaviar hergestellt werden. Bisher hatte einfach niemand daran geglaubt, damit so große Mengen an Wasser umhüllen zu können. Man kann kleine Wasserkugeln sogar selbst herstellen, so einfach ist das Verfahren. Auf Youtube gibt es bereits einige diy-Videos. Sphärifikation funktioniert nicht nur mit Wasser, sondern mit allen Flüssigkeiten, so sind dem Experimentieren mit Fruchsäften etc. in Kugelform keine Grenzen gesetzt.
ausreichende Wassermengen bereitstellen. Ein Problem gibt es allerdings noch, um die Ooho!-Wasserkugeln auch tatsächlich in die Supermarktregale einzuräumen: Wie kann man die Ballons transportieren, ohne dass sie verschmutzen oder vorzeitig platzen? Von der EU bekamen die Forscher für ihre Entwicklung immerhin einen hochdotierten Preis verliehen, um an solchen Lösungen weiterzuarbeiten. Zum Beispiel an der Idee, viele kleine Membran-Kugeln in eine große zu packen, mit einer dickeren Membran. Laut García González haben auch schon einige Firmen Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet. Ziehen wir also in Zukunft glibbrige Blasen aus der Tasche, wenn wir etwas trinken wollen? Oder soll man das Wasser einfach aus den Ballons schlürfen, ohne diese ganz aufzuessen? Der Gedanke daran ist noch ebenso gewöhnungsbedürftig wie die Idee der Getränkeverpackung außergewöhnlich. Allerdings wird dabei auch unsere Idee von »Trinken« ziemlich infrage gestellt und daher noch einiger Diskussionsbedarf nötig sein. Aber verdienen nicht heute schon einige große Firmen mit dem Marketing-Gag »Mineralwasser« Unsummen an Geld? In Österreich und Deutschland haben wir eine hervorragende Trinkwasserqualität. Warum also Plastikwasser kaufen, anstatt kostenlos Leitungswasser zu genießen? Wer sein Trinkwasser am heimischen Hahn zapft, der spart viel Geld, schützt seine Gesundheit und schont die Umwelt.
Auch wenn die Grundidee so einfach ist, mussten García González und seine Kollegen eine Weile tüfteln, um so große Kugeln herzustellen, dass das Wasser darin auch Durst löschen kann. Durch immer neue Prototypen wurde Ooho! ständig verbessert und kann nun
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Bild Rocks Lab
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tier der ausgabe
tier der ausgabe
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Das Rind der extreme:
bild Ramona Waldner, Werner Lampert GmbH
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Sacha Ynaga
ie Schwankungsbreite, der das Sacha Ynaga-Rind standhält, ist extremer Natur. Denn Jakutien im Nordosten Sibiriens hat harte Winter mit Temperaturen bis zu –68 °Celsius. In den Sommern wiederum sind auch schweißtreibende +38 °Celsius möglich. Seit Jahrtausenden schon Klimawandel wird Bedingungen schaffen, leben die Menschen hier in enger Symbiose mit die moderne Züchtungen nicht ertragen. diesem uralten mongolischen Rind. Auch alle Sacha Ynaga sind deshalb eine bedeutende Versuche der um Modernisierung bemühten Gen-Reserve: »Diese Rinder sind ein KulturSowjets, hier Hochleistungsrinder anzusiegut, das auch für uns noch von großem Wert deln, scheiterten kläglich. Kein anderes Rind sein kann. Den Klimawandel werden wir als hält derartigen Temperaturschwankungen Menschen nur mit dem Genmaterial indigener stand. Und so lebt das Volk der Sacha auch Tiere überstehen«, ist Lampert überzeugt. Vorheute noch mit seinen Tieren unter eierst bleiben die Sacha Ynaga aber bedroht. Nur nem Dach. Die Wände der Hütten sind mehr 1.200 bis 1.500 Exemplare gibt es in Jakutimit Dung isoliert. Im Sommer fressen en. Und auch viele andere indigene Rinder drohen sich die Tiere auf den Permafrost-Weiweltweit zu verschwinden. In einem 415 Seiten den Kraft für den entbehrungsreichen starken Bildband über die »Unberührte Schönheit« Winter an. 1.000 Liter fettreiche Milch dieser Tiere hat er ihre Vielfalt und Robustheit nun gibt eine Kuh pro Jahr. Zum Vergleich: in voller Pracht dokumentiert. Ein erster, aber wichtiger Schritt. heutige Hochleistungsrassen bringen es inzwische auf 14.000 Liter. Werner Lampert, Bio-Pionier und u.a. Ein ausführliches Interview mit Werner Lampert über seine Reisen zu alten Rinderrassen und Fotos aus Gründer von Zurück zum Ursprung, dem Bildband »Unberührte Schönheit« (erschienen sagt Sacha Ynaga und anderen indiim Servus Verlag) gibt es unter www.biorama.eu/ genen Rinderrassen trotzdem eine auf-gedeih-und-verderb-vereint-mensch-kuh große Zukunft voraus. Denn: Der
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Einführung in die vegane Naturkosmetik Von Erbse Huth in Naturkosmetik
7 Kommentare
Morgens einen veganen Smoothie, mittags Quinoa-Salat mit Seitan-Streifen und dazu einen SojaLatte-Macchiato. Vegane Ernährung ist modern geworden und durch das wachsende Angebot in den Märkten auch immer einfacher umzusetzen. Veganismus hat aber nicht nur mit unserem Essverhalten zu tun, sondern wird übergreifend als Lebenseinstellung gesehen, welche ebenso vor dem Kosmetikregal nicht halt macht.
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Von Kühen im Briefkasten und einer mutigen Jungbäuerin Von Johanna Zellfelder in Helden des Alltags
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Es ist kurz vor sechs. Anja ist schon startklar, klopft an meine Tür und drückt mir ein Paar Gummistiefel in die Hände. Vor einigen Jahren sind wir uns flüchtig an der Hochschule begegnet. Über vier Ecken habe ich jetzt gehört, dass sie gerade mit Janusz, ihrem Mann, einen eigenen Bio-Betrieb aufbaut. Fast ohne Nichts. Kaum Ersparnisse, keine Erbschaft, kein eigenes Land… irgendwo in Brandenburg. Ziemlich gewagt denke ich, wie machen sie das… läuft es heute nicht eher andersrum: Kleine Landwirtschaftsbetriebe schließen ihre Hoftore und geben auf? Anja hat mich eingeladen, sie beim Melken ihrer 20 Zweinutzungskühe zu begleiten… da hätte sie am ehesten Zeit zum Erzählen.
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