Biorama #53

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P.B.B. — 11Z038861 M — 1040 WIEN —— WWW.FACEBOOK.COM/BIORAMA

KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR

AUSGABE 53 — FEBRUAR / MÄRZ 2018. WWW.BIORAMA.EU

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SEITLING AUF SUBSTRAT Kann der Speisepilz die Welt ernähren? Vertical Farming: Chancen und Risiken der bodenlosen Landwirtschaft. Besuch im Biosphärenpark: Mit dem Milchmann unterwegs im Lungau. Fuck Beauty: Ein neues Buch von Nunu Kaller, zwei Meinungen.

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Den Tieren alles geben. Aus Liebe. Niemand sagt, dass es einfach ist, rund um die Uhr auf das Wohlergehen der Tiere zu achten. Aber wir finden, das sind wir unseren Kühen schuldig. Regelmäßige Gesundheits-Checks durch externe Kontrolleure, reichlich Auslauf und regionales Futter – unsere Milchbauern sind tagtäglich motiviert, ihr Bestes zu geben. Aus einem einfachen Grund: Sie lieben, was sie tun. Das macht die Reine Lungau – Milch aus dem Biosphärenpark zu dem, was sie ist: gelebte, unverfälschte Regionalität. UNVERFÄLSCHTER, NATURBELASSENER GESCHMACK.

REINE-LUNGAU.AT

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BIORAMA Nº. 53

EDITORIAL, IMPRESSUM

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GEHÖRT BIO DIE ZUKUNFT?

A

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber

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SAVE THE DATE BIORAMA FAIR FAIR 2018 25.—27. MAI, CREAU WIEN FAIRFAIR.AT

IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTOREN Theresa Imre, Micky Klemsch, Sarah Krobath, Ursel Nendzig, Bernadette Schmatzer, Jürgen Schmücking, Mashiah Sheikh, Thomas Stollenwerk, Bernadette Strohmaier, Anika Suck, Markus Unger, Yasmin Vihaus, Carola Wimmer, Helena Zottmann GESTALTUNG Michael Mickl, Lisa Weishäupl COVERBILD Neuburger LEKTORAT Hildegard Atzinger ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Emma Eminenz, Micky Klemsch (Leitung), Bernadette Schmatzer, Thomas Weber DRUCK NP Druck Gesellschaft mbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT siehe Website: www. biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien

BLATTLINIE Biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint sechsmal im Jahr.

FOTO Jürgen Schmücking

uch wenn manchmal Gegenteiliges behauptet wird: dass sich die Menschheit auch bei beständig wachsender Weltbevölkerung biologisch ernähren ließe, das wurde mittlerweile wiederholt durchgerechnet. Immer mehr Menschen unterstützen die globale Bio-Bewegung mit ihrem täglichen Konsum. Sie sind bereit, die multiplen Mehrwerte von biologisch produzierten Lebensmitteln – etwa den Erhalt der Biodiversität oder sauberes Grundwasser – auch zu bezahlen und die Folgekosten nicht in ärmere Länder oder an künftige Generationen abzuwälzen. Die Politik ist da weniger entschlossen. Trotzdem wächst Bio weiterhin, weltweit. Ob Bio wirklich die Zukunft gehört, wird sich zeigen. Die Zukunft von Bio jedenfalls wird dieser Tage in Nürnberg auf der BioFach gezeigt, der Leitmesse der Biobranche. Wir haben diese Messe zum Anlass genommen, uns in dieser Ausgabe höchst unterschiedliche Formen womöglich wegweisender Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion näher anzusehen. Vertical Farming – also bodenlose pflanzliche Landwirtschaft in teilweise hochtechnisierten Neubauten – ebenso wie eine aus voller Überzeugung auf Boden, Bio-Überzeugung und regionalen Besonderheiten aufbauende »animal agriculture«. Kollege Thomas Stollenwerk hat recherchiert, welche Chancen und Risiken Vertical Farming mit sich bringt. Ich habe für die Coverstory u. a. die vertikale Pilzzucht von »Hermann Fleischlos« besucht. Chefredakteurin Irina Zelewitz ist frühmorgens im verschneiten Lungau mit einem Milchsammel-Lkw der Salzburg Milch mitgefahren, hat dutzende Bio-Höfe besucht und mit überzeugten Biotierhaltern gesprochen. Ihr seht: Die eine Antwort haben auch wir nicht parat. Und die eine Antwort wird es wohl auch nicht geben. Aber wir suchen nach Lösungen, die Zukunft haben. Wenn ihr Anregungen, zweckdienliche Hinweise oder auch Kritik anzubringen habt – auf unsere Katzen-Coverstory der vergangenen Ausgabe und die Probleme der #Massentigerhaltung gab es so viel Feedback wie schon lange nicht –, dann freuen wir uns über eure Mails und Zuschriften.

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AUFTAKT

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INHALT

03 Editorial 08 Global Village Die Welt im Großen & Kleinen

Schwerpunkt: Biobranche

20

16 Biomarkt im Wachstum Eine Branche im Ländervergleich 19 Bio in der EU Die neue Bioverordnung 20 Coverstory Pilz Fleischlose Zukunftshoffnung 26 Vertical Farming Chancen und Risiken der bodenlosen Landwirtschaft 31 Saskia Sassen Über die urbane Biosphäre 35 Bodenlose Zukunft 10 Gründe für Vertical Farming 37 Zukunft braucht Boden 9 Gründe dagegen 45 Unterwegs mit der Biomilch Eine Reportage aus dem Lungau

Magazin 52 Schöne Spiele Illustratorin Brigitte Baldrian im Porträt 56 Gutes Gold Fair Trade fürs Edelmetall 61 Thomas Brezina Der Autor im Interview 48 Brot für die Welt Ein kulinarischer Kulturexport 80 Fuck Beauty Ein Buch, zwei Meinungen

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Kolumnen 66 Malzzeit Bier aus altem Brot 82 Elternalltag Der Sinn fürs Schöne

BILD Neuburger

pilzzucht Pilze sind nicht nur gesund und nahrhaft, sondern lassen sich auch leicht züchten. Die FAO empfiehlt Kleinbauern deshalb, auf Austernpilz & Co zu setzen und diese lokal zu vermarkten. Auch in Europa wird bereits groß ins Pilz-Business investiert. Über ein fleischloses Nahrungsmittel der Zukunft.

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BILD Michael Mickl, Tom Storyteller GmbH, GrowX

Marktplatz 68 Glasgeflüster Best of Bio von früh bis spät 70 Eingebrockt & Ausgelöffelt Grießnockerln 73 Marktplatz Food Olivenöl 77 Marktplatz Kosmetik Produkte gegen die Kälte


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.53 unterwegs mit dem milch-chauffeur

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BILD Michael Mickl, Tom Storyteller GmbH, GrowX

BILD Neuburger

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kosmetik gegen die kälte Welchen Einfluss haben kalte Luft, niedrige Luftfeuchtigkeit und die warme Stube auf die Haut? Und wie bringen wir diese optimal über den Winter. Brauchbare Produkte.

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thomas brezina Zoobesuche und gemeinsame Zeit im Wald – das empfiehlt der Bestsellerautor Eltern, die bei ihrem Nachwuchs Begeisterung für Natur und Tier wecken wollen. Ein Interview.

Die Höfe im Salzburger Lungau können nicht wirklich wachsen. Um mit ihren BioMilchkühen trotzdem wettbewerbsfähig zu bleiben, haben sie aus dieser Not eine Tugend und diese zur Marke gemacht. Irina Zelewitz war mit Fotograf Christian Bruna im Milch-Tankwagen unterwegs und hat die Bauern besucht, die weiter ihre kleinen Strukturen bewirtschaften wollen wie vor zwanzig, dreißig Jahren. Eine Reportage.

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vertical farming Wird die bodenlose Landwirtschaft wirklich künftige Nahrungsengpässe verhindern helfen. Wir haben uns angesehen, was Vertical Farming kann – und was nicht.

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BIORAMA IM ABO

25,–

6 AUSGABEN BIORAMA + PRÄMIE UM € 29,— *

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URSULA KOWANDA-YASSIN: »ÖKO-DSCHIHAD. DER GRÜNE ISLAM – BEGINN EINER GLOBALEN UMWELTBEWEGUNG« (RESIDENZ VERLAG) Wie geht die islamische Welt mit dem Thema Ökologie um? Was ist das Spezifische am Öko-Islam? Wann und wo entstanden die ersten Initiativen? Wie weit leben Muslime dieses neue Bewusstsein in ihrem Alltag? Ursula KowandaYassin wirft einen kritischen Blick auf Europa, die USA, die arabische Welt und Asien – ausgehend von der Gründung der Umweltschutzorganisation IFES 1994 durch den Briten Fazlun Khalid bis zur internationalen Istanbuler Konferenz. Das in der Reihe »Leben auf Sicht« erscheinende Buch bietet erstmals eine spannende Reise durch die mannigfaltige Welt muslimischer Nachhaltigkeitsbestrebungen. * plus eine Aboprämie. Weitere Prämien unter www.monomarkt.at. Solange der Vorrat reicht.

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BILD DER AUSGABE

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VOLLGAS INS VERDERBEN – WERBUNG ANNO 1962

TEXT Thomas Weber BILD Humble Oil (Faksimile aus der Zeitschrift »Versorgerin«)

1962 befanden wir uns – da ist sich die Wissenschaft knapp 60 Jahre später weitgehend einig – bereits seit einem guten Jahrhundert im Anthropozän, jenem Erdzeitalter, in dem der Mensch zum dominierenden Einflussfaktor geworden ist. Die offensichtliche Unfähigkeit des Homo sapiens sapiens, mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen in seinem Sinn umzugehen, eine Energiewende zu schaffen und die Erderwärmung zumindest abzuschwächen, beschäftigt mittlerweile die Weltgemeinschaft. Angesichts dessen, dass manche Zeitgenossen immer noch bezweifeln, dass die Klimakrise menschgemacht ist, wirkt ein Zeitdokument, das dieser Tage die Linzer Kulturzeitschrift »Versorgerin« ausgegraben hat, umso absurder. Im Faksimile zeigt sie eine doppelseitige Anzeige, die das Unternehmen »Humble Oil« 1962 im Magazin »Life« gebucht hat. Darin warb man im vollmundigen Fortschrittsglauben damit, täglich sieben Millionen Tonnen Gletscher schmelzen zu können. Well, that escalated quickly. THOMAS WEBER

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absolut schwindelfrei: Katzen auf dem heißen Blechdach

Man findet sie hoch droben auf den Dächern unserer Kunden. Sie sind geschmeidig, trittsicher und absolut schwindelfrei: unsere Mitarbeiter, die im un ermüdlichen Einsatz jährlich tausende Paneele für Solarund Photovoltaikanlagen montieren.

h 100 x in Österreic

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STREET TALK WIR FRAGEN, FÜNF SCHÖNE ANTWORTEN.

»WAS FINDEST DU AN DIR AM SCHÖNSTEN?« Marie 36, Grafikdesignerin

Maria 23, Studentin (Musik)

Ich finde immer etwas, das ich nicht so schön finde und schöner machen möchte. Momentan bin ich mit meinen Haaren sehr zufrieden. Ich habe normalerweise lockige Haare, die sich bei Regen kräuseln. Ich habe sie beim Frisör behandeln lassen, damit sie jetzt auch bei Regen schön glatt bleiben.

Meine Augen. Ich habe schon oft Komplimente dafür bekommen, und ich finde die Farbe selber auch sehr schön. Wenn ich mich schminke, betone ich auch immer meine Augen.

Duulal 19, Schüler

Florian 35, Verkäufer

Ich mag meine Haare am liebsten, weil ich mich wahrscheinlich mehr um sie sorge als um irgendwas anderes. Ich finde, dass Haare die Leute am meisten ausmachen und das Image einer Person verändern können. Deshalb pflege ich sie so sehr.

Meine Haare, weil sie noch sehr viel Fülle und Kraft haben. Mein Vater hat eine Glatze, und ich bin einfach froh, dass ich noch Haare auf dem Kopf habe. Die Haare machen mich einfach selbstbewusst und jünger.

Eigentlich alles. Als Allererstes ist mir aufgefallen, dass die Muskeln in meinen Unterschenkeln großartig sind. Die Farbe von meinen Augen finde ich fantastisch, und ich finde mich überhaupt wunderschön, nachdem ich trainiert habe.

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INTERVIEW UND BILD Mashiah Sheikh, Carola Wimmer

Clara 32, Straßenkünstlerin

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GLOBAL VILLAGE

WELTWEIT

KLIMASCHADEN-ERSATZ

THE MARCH OF THE PENGUINS

New York City klagt Ölfirmen und zieht die fünf Milliarden Dollar, die im Pensionsfonds in Ölunternehmen investiert sind, ab.

Greenpeace will aus der Antarktis das größte Naturschutzgebiet der Welt machen und schickt dafür Pinguine auf Reisen.

Emissionen, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehen, gelten als Hauptverursacher des Treibhauseffekts. Die Stadt New York klagt jetzt die fünf Ölkonzerne BP, Chevron, Conoco-Phillips, Exxon Mobil und Royal Dutch Shell. Der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio argumentiert: Die Ölfirmen haben durch ihre Öl- und Gasverkäufe elf Prozent der Treibhausgasemissionen der letzten Jahre verursacht. De Blasio verlangt finanzielle Kompensation für die Schäden, die durch den Klimawandel in der Stadt bereits entstanden sind, wie etwa durch Hurrikan Sandy. Außerdem sollen die Unternehmen für zukünftige Baumaßnahmen gegen Überschwemmungen an der Küste von New York aufkommen. Dass ein Gerichtsentscheid Jahre dauern könnte, ist dem Kläger bewusst. Dieser kündigt gleichzeitig auch noch an, jene fünf Milliarden Dollar im insgesamt 189 Milliarden umfassenden Pensionsfonds der Stadt, die bisher in Ölfirmen investiert waren, künftig anders zu veranlagen. ANIKA SUCK

Dass Pinguine nicht nur in der Antarktis leben, wissen mittlerweile die meisten. Aber Pinguine in Barcelona, Stockholm oder Südkorea? Die drolligen Vögel, die plötzlich weltweit aufgetaucht sind, haben für Aufsehen und jede Menge Instagram-Posts gesorgt. Sind sind jedoch nicht etwa ein Nebenprodukt des Klimawandels, sondern ein Kunstprojekt von Greenpeace. Da die Organisation die Antarktis zu einem Naturschutzgebiet machen will, lenkt sie dadurch Aufmerksamkeit auf ihre Petition. Im kalten Süden wird vor allem nach Krill gefischt, der als Nahrungsmittel für Menschen und Fischfarmen verwendet wird. Dadurch wird vielen Lebensformen die Existenzgrundlage entzogen, zudem gefährdet die Fischerei das Leben von Tierarten wie Pinguinen, Robben und Walen. Im Oktober 2018 wird von der Antarctic Ocean Commission darüber entschieden, ob die Antarktis tatsächlich ein Naturschutzgebiet wird. greenpeace.org ANIKA SUCK

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FOTOS National University of Singapore, istock.com / ramihalim

USA

FOTOS ND 2.0_flickr, Zoe Jeanne Burell

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FOTOS National University of Singapore, istock.com / ramihalim

FOTOS ND 2.0_flickr, Zoe Jeanne Burell

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SINGAPUR

WELTWEIT

GUT GEKÜHLT

STRAND-FUNDSTÜCK NUMMER 1

Geschätzt eine Billion Kilowattstunden Strom verbrauchen Klimaanlagen weltweit. Hoffnung kommt durch ein energieeffizientes Klimagerät.

Zigarettenstummel enthalten bis zu 4.000 Giftstoffe. Für Fische und Wassertiere ist der Kontakt oft tödlich.

Klimaanlagen werden auch in unseren Breiten immer häufiger. Die Technik hinter diesen Anlagen ist mittlerweile stolze 100 Jahre alt, der Energieverbrauch hoch, die zum Einsatz kommenden Chemikalien klimaschädlich. Ein Forscherteam der Universität Singapur schuf in vier Jahren Entwicklungsarbeit ein zweistufiges Klimagerät, das Energie spart und auf Wasser statt klimaschädliche Kühlstoffe setzt. In einer ersten Stufe entzieht es der warmen und feuchten Luft über Membrane durch Druckunterschied Wasser, in einer zweiten wird der jetzt immer noch warmen, aber trockenen Luft durch Verdunstung, ähnlich wie beim Schwitzen, Wärme entzogen. Noch ist der Prototyp 1,6 Meter groß, spart aber schon 40 % an Energie gegenüber einem herkömmlichen Klimagerät ein – und senkt an heißen Tagen mit Wasser statt umweltschädlicher Chemie die Raumtemperatur auf bis zu 18°, ohne das urbane Mikroklima zu beeinflussen.

Wer an Meeresmüll denkt, dem fällt als erstes Plastik ein und tatsächlich bleiben Flaschendeckel und Strohhalme oft am Strand liegen. Am häufigsten landen dort aber Zigarettenstummel. Schuld sind nicht allein achtlose Strandgäste. Auch über die Kanalisation gelangen sie ins Meer. Allein im Rahmen eines Clean up der NGO Ocean Conservancy wurden 2016 entlang der Küsten zwei Millionen Stummel zusammengetragen. Zwar verwesen Zigarettenfilter relativ rasch. Gefährlich sind sie aber, weil sich darin bis zu 4000 verschiedenen Giftstoffe finden. Was für Kleinkinder problematisch ist, wenn sie am Strand versehentlich einen schlucken, ist für Wassertiere schnell tödlich. Pro Liter Wasser reicht bereits ein Stummel, um darin schwimmende Fische zu töten. Beim nächsten Strandspaziergang oder beim Sonnenbaden also keine Kippen liegen lassen und die Reste der anderen einsammeln. Auch ein „Watershed Clean Up“ am Fluss in der Nähe ist rasch organisiert. oceanconservancy.org MASHIAH SHEIKH

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THOMAS NUSSBAUMER

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MEINE STADT

MEINE STADT: MONTREAL LIEBLINGSPLÄTZE UND ECO-HOTSPOTS

VON BLAISE REMILLARD Vor zwölf Jahren hat sich Blaise entschlossen, in einem Viertel Montreals Wurzeln zu schlagen. Dadurch hat er auch begonnen, sich politisch zu engagieren – als politischer Aktivist und in der DegrowthBewegung. Er ist Gründungsmitglied zweier Organisationen, die sich für eine CO2-neutrale Gemeinde und einen Lebensstil mit geringem ökologischen Fußabdruck engagieren – »Villeray en transition« (2011) und und »La Remise« (2015). Diese Arbeit gegen den Klimakollaps hat ihn auch dazu gebracht, bei Freizeitreisen auf das Flugzeug zu verzichten, kein Fleisch mehr zu essen und es in Betracht zu ziehen, doch noch einmal Vertrauen in die Menschheit zu setzen: Seit zwei Jahren ist er auch Vater.

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MANGE-TROTTOIR Vor vier Jahren haben ein paar kluge Freiwillige einige RandsteinBegrenzungen entlang der Hauptstraße meiner Nachbarschaft in einen essbaren Garten verwandelt. Und es schaut fantastisch aus! Ich genieße es heimlich, zu sehen, wie Passanten ihren Schritt verlangsamen, lächeln, lernen, wie hier Nahrung wächst und wie viel Freundlichkeit diese Form des Guerilla-Gardenings ausstrahlt.

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LA REMISE, BIBLIOTHÈQUE D’OUTILS

Im Jahr 1964 hat unser kanadischer Nationaldichter Gilles Vigneault »My country is not a country, it’s winter« geschrieben. Und tatsächlich ist der Winter mit den 2,1 Metern Schnee, die hierzulande fallen (das Dreifache dessen, was in Oslo fällt), möglicherweise so prägend wie die Verfassung (die wir noch nicht haben). Unter diesen Witterungsbedingungen kann Radfahren jedenfalls zur Herausforderung werden. Richtig ausgerüstet kann es aber trotzdem eine regelrechte Freude sein, und das Winter-Fahrradfahren ist im letzten Jahrzehnt beliebt geworden. Besonders schön: wenn die Stadt einem die Fahrradstrecke täglich von Schnee befreit! Diese, an der Boyer Street, ist Teil meiner täglichen Route und gehört zu den am besten gewarteten Straßen.

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BILDER Dominic Morissette, Sylvie Trépanier, Alexis Côté, Zvi Leve, Stéphane Cantin

WINTER-FAHRRADSTRASSE BOYER STREET

MONT ROYAL Mitten in Montreal thront Mount Royal. Der Berg ist der Überrest 120 Jahre alten Magmas, das unter der Erdoberfläche erstarrt ist. Vor 13.000 Jahren war die zwei Kilometer dicke Sedimentschicht, die ihn bedeckt hat, erodiert, und die drei Gipfel bildeten einen kleinen Archipel im Atlantik. 2 km2 davon sind heute mein Lieblingspark, wegen seiner zentralen Lage und wegen einer atemberaubenden Diversität an Tieren, Pflanzen – und Menschen. Auch viele bedrohte Tierarten kommen hier noch vor. Außerdem spaziere ich gerne durch die zwei Friedhöfe, die in den Hügeln liegen. Nicht die naturbelassensten Orte, aber die ruhigsten, voller großer alter Bäume (du kannst einen umarmen, keiner schaut dir zu!) und besonderer Fauna wie dem großartigen Rotfuchs im Bild (in Mitteleuropa als »Fuchs« bekannt, weil der Rotfuchs hier der einzig verbreitete Fuchs ist, Anm. d. Red.).

ÜBERSETZUNG Irina Zelewitz

La Remise ist eine Kooperative, die Werkzeug verleiht. Ihre Mitglieder können auf mehr als 1.500 Werkzeuge und Geräte zugreifen. Hört auf, Dinge anzuhäufen! Bei uns kann man für einen Mitgliedsbeitrag von 40 Euro im Jahr so ziemlich alles ausborgen. Das Inventar besteht zu einem erheblichen Teil aus Spenden, und das Team besteht ausschließlich aus freiwilligen Helfern. La Remise versucht, den DIY-Gedanken und einen minimalistischen Lebensstil zu promoten und bietet gleichzeitig Zugang zu einer großen Auswahl an Gebrauchsgegenständen. Es werden auch Tischler-, Nähund Fahrradreparaturworkshops abgehalten. Außerdem bringt es Menschen zusammen, darunter auch solche, die nicht unbedingt zu den Öko-Fundis zählen. Ich bin ein stolzes Gründungsmitglied.

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TEXT

Thomas Stollenwerk GRAFIK

Lisa Weishäupl

NATÜRLICHES BIO-WACHSTUM Der Markt für Lebensmittel aus Bioerzeugung ist zu einem MultiMilliarden-Geschäft gereift. Ein paar Zahlen zum Wachstum.

20 Mio. Hektar

15 Mio. Hektar

10 Mio. Hektar

A

AUSTRALIEN

22,7 MIO. HA

ARGENTINIEN 3,1 MIO. HA USA 2,0 MIO. HA 22,7 Millionen Hektar biologisch bewirtschafteter Fläche liegen allein auf dem australischen Kontinent. Hier findet Biolandbau im ganz großen Stil statt. Ebenfalls großflächig geht es bei US-amerikanischen und argentinischen Biobauern zu.

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INDIEN

585.000

USA

ÄTHIOPIEN 203.602

DEUTSCHLAND 8,6 MRD. €

MEXIKO 200.039

FRANKREICH 5,5 MRD. €

Diese Zahlen zeigen die Ungleichverteilung im Biolandbau. In Indien gibt es rund 585.000 Bioproduzenten und in Äthiopien rund 203.000. Von der weltweit wachsenden Nachfrage nach Bioprodukten profitieren sie jedoch nur wenig. Auch die von ihnen bewirtschaftete Fläche ist vergleichsweise klein.

35,8 MRD. €

Gemessen am Umsatz mit Bioprodukten sind die USA das Bioland Nummer eins. In Europa bietet der deutsche Biomarkt das größte Marktvolumen. Allerdings nur in absoluten Zahlen. Der Bioanteil am gesamten Lebensmittelmarkt ist in anderen Ländern Europas höher.

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2004

2003

TOP-3-STAATEN NACH BIO-MARKTVOLUMEN

TOP-3-STAATEN NACH BIO-ERZEUGERBETRIEBEN

2001

TOP-3-STAATEN NACH BIO-ANBAUFLÄCHE

2000

0 Hektar 1999

uf rund 90 Milliarden US-Dollar beziffert das Londoner Beratungsunternehmen Ecovia Intelligence, das sich auf Bio, Fair Trade und ethische Geschäftsmodelle spezialisiert hat, das Marktvolumen im Handel mit Biolebensmitteln. Die wachsende Nachfrage nach Bio lässt sich auch anhand der statistischen Daten ablesen, die jedes Jahr vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (fibl) veröffentlicht werden. Wir haben ein paar davon visualisiert.

2002

5 Mio. Hektar


17 AUSTRALIEN & OZEANIEN

22,84

WACHSTUM DER BIOLOGISCHEN ANBAUFLÄCHEN

MIO. HA

Vor allem in Australien und Europa ist das Wachstum der biologischen Anbauflächen in den letzten Jahren rasant gestiegen. Von den amerikanischen Kontinenten lässt sich das eher nicht sagen.

nach Kontinenten

EUROPA

12,72 MIO. HA SÜDAMERIKA

6,74 MIO. HA ASIEN 3,97 MIO. HA NORDAMERIKA 2,97 MIO. HA

Während die Lebensmittelmärkte in den USA und in Europa für reichlich Nachfrage nach Bioprodukten sorgen, ist die Zahl der Bioproduzenten vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern hoch. Fast zwei Drittel der Biolandwirte der Welt sind in Afrika oder Asien zu Hause.

2015

nach Kontinenten

ASIEN

35 %

AFRIKA

NORDAMERIKA 1% AUSTRALIEN & OZEANIEN 1 %

30 %

EUROPA

14 %

EU

36 %

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USA

47 %

SÜDAMERIKA

19 %

ICONS Istock.com / MicrovOne, Istock.com / IconicBestiary

SCHWEIZ 3 % KANADA 4 % CHINA 6 %

ANDERE 4 %

2014

VERTEILUNG DER BIO-PRODUZENTEN

VERTEILUNG DER BIOEINZELHANDELSUMSÄTZE nach Staaten

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

AFRIKA 1,68 MIO. HA

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Es braucht natürlich nicht viel, um diesen Bio-Käse zu machen. Kühe mit Auslauf ins Freie. Eine herrliche Landschaft mit Wiesen. Saftige Gräser, Blumen und Kräuter, die auf den Wiesen wachsen. Kühe, die diese Wiesen während der Sommermonate beweiden.

Unser Bio. Unsere Qualität.

Natürlich wurden dafür ganze Wiesen aufgefressen.

Bauern, die diese Kühe melken. Bio-Milch in höchster Qualität. Mehrere Generationen Erfahrung im Käsemachen. Überlieferte Rezepturen. Viel Liebe zur Natur und zu den Tieren. Und dann braucht es noch Zeit; eine ganz wichtige Zutat, die man sofort herausschmeckt. Sonst braucht es nichts. Gar nichts.

Das ist Bio. Kontrollierte Qualität. Garantiert mit dem EU-Biologo und dem AMA-Biosiegel. bioinfo.at

ec.europa.eu/agriculture/organic

Der Inhalt dieser Veröffentlichung gibt allein die Meinung des Autors wieder, der allein für den Inhalt verantwortlich ist. Die Europäische Kommission haftet nicht für die etwaige Verwendung der darin enthaltenen Informationen.

DIE EUROPÄISCHE UNION UNTERSTÜTZT KAMPAGNEN ZUR FÖRDERUNG DES ABSATZES LANDWIRTSCHAFTLICHER QUALITÄTSERZEUGNISSE.

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TEXT

Thomas Stollenwerk

BIO WIRD BREITER Ab 2020 müssen die EU-Staaten eine neue Bioverordnung umsetzen. Sie weitet die bisherigen Regelungen aus und soll für mehr Bio sorgen. Was ändert sich?

E

nde 2017 hat die EU eine neue Bioverordnung beschlossen. Über drei Jahre hatten die Verhandlungen im sogenannten Trilog zwischen Kommission, Parlament und Ratspräsidentschaft der EU gedauert. Ab 2020 wird die neue Bioverordnung regeln, was europaweit als Biolandwirtschaft gilt – und was nicht. Für Bioverbraucher ist die neue Verordnung ein komplexes Regelwerk, aus dem nur schwer herauszulesen ist, was die vielen Detailvorschriften für den einzelnen Landwirt bedeuten. An einigen Punkten gibt es ab 2020 neue Regeln für die Produktion von Biolebensmitteln:

SAATGUT Die neue Verordnung unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Arten von Biosaatgut, nämlich »biologisch heterogenem Material« und »für biologische Produktion geeigneten biologischen Sorten«. Ersteres darf zukünftig ohne Zulassung getauscht, vermarktet und angebaut werden. Damit kann in Zukunft Saatgut mit großer genetischer Diversität in den Anbau und schließlich auf Felder und Teller gelangen. Die für biologische Produktion geeigneten Sorten betreffen vor allem konventionelle Züchtungen, die für den Einsatz als Biosaatgut geeignet sind. Zukünftig sollen Landwirte solche Sorten in mehrjährigen »temporären Versuchen« einsetzen dürfen. Bisher war ihr Einsatz mit viel bürokratischem Aufwand verbunden. Die Öko-Verbände konnten sich hier mit der Forderung durchsetzen, den Zugang zu Biosaatgut zu erleichtern.

GÜLTIGKEITSBEREICH Für eine Reihe von Produkten, kommt eine EU-Biozertifizierung bisher nicht infrage. Wildfleisch zum Beispiel. Oder auch traditionelle Kräuterzubereitungen, Bienenwachs, Kork, Wolle oder Salz. Mit der neuen Bio-Verordnung werden eine Reihe neuer Detailregelungen für Produktgruppen eingeführt, die den Gültigkeitsbereich von Bio nach EU-Definition erweitern.

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BODENGEBUNDENHEIT Biologischer Anbau soll laut EU auch weiterhin auf Boden stattfinden, und nicht etwa auf Substraten oder in Hydrokulturen. Die skandinavischen Länder allerdings haben sich Ausnahmeregelungen erstritten. Denn hier wurde viel in neue Anbauformen investiert, die regionale Lebensmittelversorgung auch unter schwierigen Klimabedingungen ermöglichen sollen – unabhängig vom Boden. Damit bleibt Vertical Farming vom EUBiosiegel ausgeschlossen.

WENIGER BÜROKRATIE Ein Ziel der neuen Bioverordnung ist auch der Abbau von bürokratischen Hürden für Bioproduzenten. Gruppenzertifizierungen sollen zukünftig ermöglichen, dass Zusammenschlüsse von Produzenten gemeinsam eine Biozertifizierung erwirken und nicht allen einzeln zertifiziert werden müssen. Außerdem sollen auch unverpackte Lebensmittel – relevant vor allem in der Direktvermarktung – ein EU-Biosiegel erhalten können.

PESTIZID-KONTAMINATION Auf einheitliche Regeln für den Umgang mit PestizidKontaminierungen bei Bio-Erzeugnissen konnte sich in Brüssel nicht geeinigt werden. Sie werden weiterhin »flexibel gehandhabt«. Staaten können somit selbst entscheiden, ob sie Grenz- und Schwellenwerte für Pestizidrückstände einführen.

EU-STANDARDS AUCH FÜR IMPORTE Ungefähr jedes zweite Bioprodukt, das in der EU verkauft wird, stammt aus einem Land außerhalb der Union. Neue einheitliche Regelungen sollen zukünftig dafür sorgen, dass für Importware die gleichen Standards gelten, wie für Produkte aus EU-Produktion. Damit soll die EU-Biolandwirtschaft vor Wettbewerbsnachteilen geschützt werden.

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PILZE

THE FUTURE IS FUNGI Die Pilzbranche wächst im Dunkeln. Dafür gibt es gute, nicht nur kulinarische Gründe. Die fao rät Kleinbauern zur Pilzzucht – sie soll die Menschheit ernähren helfen.

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inmal, erinnert sich Klaus Kamolz, da habe er in einem Laden schon ein Pilzzucht-Set in der Hand gehabt. »Aber ich hab’s dann doch nicht gekauft. Was soll ich denn noch alles selber machen?« Kamolz ist nicht nur ein angesehener Kulinarik-Publizist, sondern auch leidenschaftlicher Fischer, kräuterkundig sowie emsiger Schwammerlsucher. Zwei Bücher über das »Pilzefinden« hat er ihrem Aufstöbern, Erkennen und Zubereiten gewidmet. Dabei geht es um Wildpilze. Jene urtümlichen und im schattigen Weder-noch der Evolution angesiedelte Gewächse irgendwo zwischen Pflanze oder doch niederem Tier, welche wir seit Menschengedenken gern zu uns nehmen. Viele von ihnen sind wohlschmeckend, sättigend und reich an Protein, Eiweiß, Mineralstoffen. Kamolz gehört mittlerweile zu den wenigen Verbliebenen, die draußen im Wald wirklich zwischen köstlich, ungenießbar und giftig zu unterscheiden vermögen. Dass dieses Wissen binnen zweier Generationen nahezu verlorengegangen ist, daran hat auch die zuletzt aus dem Norden über uns hereingebrochene Wild-Food-Bewegung mit ihrer Obsession für Selbstgesammeltes, -gepflücktes und -erlegtes bislang wenig geändert. Unser Schicksal als Menschheit dürfte künftig dennoch mehr denn je auf das Substrat bauen, auf welchem Pilze prächtig gedeihen. Wenngleich es in Europa, anders als in Asien, noch kaum Know-how gibt, wird der auf Sägespänen, Kaffeesatz, Maiskolben, Bananenblättern, Brauereiabfällen oder Baumwollresten betriebenen Speisepilzzucht eine große Zukunft beschieden. Weltweit. Wenn die Bedingungen passen – also Substrat, die Feuchtigkeit von Luft und Boden sowie die Tempera-

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tur –, dann wachsen Pilze wirklich überall. Und damit sind sie wie geschaffen für das Prinzip von Vertical Farming mit seiner hermetisch von natürlichen Kreisläufen abgegrenzten Lebensmittelproduktion und ein Zeitalter, in dem der Boden allerorts knapp wird. Weil sie nur in einer kurzen Phase Licht brauchen und dabei auch mit künstlichem Licht auskommen, lassen sich Pilze ideal in Etagen übereinander kultivieren. Theoretisch könnten auf einem Quadratmeter Boden zig Etagen übereinander reifen und später geerntet werden.

»MAKE MONEY BY GROWING MUSHROOMS« »Pilze liefern wertvolle Inhaltsstoffe und könnten eine wichtige Rolle spielen, um die Produktion und Sicherheit von Nahrungsmitteln zu gewährleisten und der Lebensmittelknappheit entgegenzuwirken«, heißt es im 2017 erschienenen Band »Sustainable Food Security«. Schon 2009 formulierte die Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen (fao) in einer ihrer regelmäßigen »Diversification Booklets« ein Gebot: »Make Money By Growing Mushrooms«. Vor allem Kleinbauern in armen Weltgegenden oder Schwellenländern sollten sich die Pilzproduktion gleich in mehrfacher Hinsicht zunutze machen. Denn ohne eigenes Land und nennenswertes Startkapital lassen sich Pilze sowohl in ländlichen als auch in periurbanen Gegenden kultivieren. Dabei können organische Abfälle als Substrat recyclet und mit verhältnismäßig wenig Arbeitseinsatz und auf Teilzeitbasis ein nahrhaftes Lebensmittel zur lokalen Selbstversorgung und Vermarktung erzeugt werden. Weil Pilze sich gut trocknen lassen, können damit Inhaltsstoffe und Geschmack auch leicht kon-

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Thomas Weber MITARBEIT

Sieben Etagen hoch Seitling: Im Mühlviertler Ulrichsberg investiert der Fleischverarbeiter und LeberkäsVermarkter Neuburger gerade 25 Millionen Euro in acht Hallen für die kommerzielle Pilzzucht. Der Name seiner Fleischersatzprodukteist programmatisch: Hermann Fleischlos.

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BILD Neuburger

Carola Wimmer

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PILZE

22 serviert werden. Auch einige Vorzeigeprojekte hat die fao in ihrem Mushroom-Booklet präsentiert. Darunter eine Initiative mehrerer Frauengruppen in Malawi, die unterstützt von oxfam Austernpilze auf dem Substrat von Wasserhyazinthen pflanzen. Bei der ursprünglich aus Südamerika eingeschleppten Wasserhyazinthe handelt es sich um einen stark wuchernden Neophyten, der die Wasserqualität verschlechtert und Fischbestände schwächt. Als Substrat für Austernpilze ist die Pflanze also kostenlos und nahezu unerschöpflich vorhanden. Sie bietet eine Basis für lokale Selbstversorgung und Vermarktung. Mittlerweile »diversifizieren« freilich auch große Finanzinvestoren. Auch in der Pilzproduktion ist bereits einiges an Big Money im Spiel. Weltweit steigen die mit Pilzen geschaffenen Umsätze um zehn Prozent pro Jahr. Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung setzen viele ihre Hoffnungen auf schnell wachsenden Fleischersatz oder, was besser klingt, auf »plant-based« Lebensmittel, also auf rein pflanzliche Kost. Das Modewort vegan wird in diesem Zusammenhang auffällig oft vermieden. Die meisten europäischen Länder sind in Sachen Pilzproduktion zwar deutlich unterentwickelt, holen aber gerade auf. Auch kulinarisch gewinnen Pilze an Achtung. »Pilze gehören neben Avocado und Nüssen eindeutig zu den drei Shooting-Stars der ›plant-based‹ Ernährung«, konstatiert die Ernährungswissenschaftlerin und Food-Trendforscherin Hanni Rützler. »Ernährungsphysiologisch gibt es zwar Besseres, aber wenn es um Nachhaltigkeit geht, dann spricht alles für Pilze. Wir in Europa bereiten Pilze noch sehr konventionell zu. Aber aus Asien, wo das eine lange Tradition hat, kommt gerade viel Know-how – auch die Fermentation von Pilzen oder Pilzmehl betreffend.« »Vielleicht sind Pilze bei uns auch unterschätzt, weil die Pilzzucht etwas Unheimliches an sich hat«, überlegt die Food-Bloggerin, »Süddeutsche«-Kolumnistin und Kochbuchautorin Katharina Seiser. »Man weiß nicht genau, was da im Dunkeln eigentlich passiert und warum

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»Tofu fehlt der Biss, das hat in unseren Breiten kein Zeug zum Massenprodukt. Pilz sättigt, hat Geschmack und bietet ein gutes Mundgefühl.« — Thomas Neuburger, Hermann Fleischlos die so schnell und unter vermeintlich widrigen Bedingungen gedeihen können.« Auch dass viele in der Spitzengastronomie geschätzte Wildpilze – darunter Trüffel, Steinpilz, aber auch Eierschwammerln (Pfifferlinge) – sich nach wie vor nicht züchten lassen, könnte lange verhindert haben, dass Pilze die Beachtung bekommen, die sie eigentlich verdienen. Denn, so Seiser: »Dass Pilze eine enorme Geschmackstiefe mitbringen, wissen alle, die beim Kochen die Zauberwaffe Pilzpulver einsetzen.« Neben vielen Wildpilzen sind etwa Shiitake-Pilze, deren krebsvorbeugende Wirkung nachgewiesen wurde, eine Quelle für Umami. Das bedeutet herzhaft und würzig und wird von eigenen Geschmacksrezeptoren wahrgenommen. »Wenn tierische Umami-Quellen wie etwa Parmesan oder Sardellen zurückgefahren werden, dann gewinnen pflanzliche größere Bedeutung«, prognostiziert Seiser, die von den Zuchtpilzen selbst aber vor allem Austernpilze und Champignons isst. Dass Pilze gegenwärtig als »sexy food« gelten, verdanken sie in unseren Breiten vor allem Start-ups, die im urbanen Raum Pilze anbauen und regional vermarkten. So kultiviert etwa das Wiener Unternehmen Hut und Stiel Austernpilze auf Kaffeesatz. Dieser wird mit dem Lastenfahrrad von Lokalen abgeholt, welche ihren Stammkunden und Facebook-Fans öffentlichkeitswirksam kundtun, dass man selbst beim Müllvermeiden hilft. Damit hat Hut und Stiel, das laut Gründer Manuel Bornbaum »derzeit bescheidene 100 Kilo Pilz pro Woche« produziert, einen hippen Brückenschlag geschafft: zwischen Fahrrad- und Barista-Kultur – und

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Austernpilze auf Kaffeesatz – hier gezüchtet vom Wiener Start-up Hut & Stiel – werden regional an die Gastronomie vermarktet. Handarbeit und Sauberkeit sind entscheidend fürs Geschäft.

der Spitzengastronomie, wo die Pilze letztlich landen. Ab Mitte des Jahres bietet Hut und Stiel auch eine gerade entwickelte Pilzzuchtbox für zu Hause an, mit der jeder auf den Resten vom Frühstückskaffee selbst frische Pilze ernten kann.

FLEISCHLOSES FÜR FLEXITARIER

BILD Neuburger, Hut & Stiel

Alles andere als urban ist die Gegend, in der Hermann Fleischlos entwickelt wurde. Hier am Rande des Böhmerwalds, auf der österreichischen Seite des Dreiländerecks mit Deutschland und Tschechien gelegen, wird traditionell Fleisch gegessen. Eine Brauerei gibt es hier in jedem zweiten Ort, Biobauern auch nicht wenige, man fürchtet sich vor dem Wolf, aber ein visionäres vegetarisches Projekt würde man hier nicht vermuten; erst recht nicht unter dem Dach eines Fleischverarbeiters, der durch seinen Fokus auf ein einziges Erzeugnis – den Neuburger Leberkäse – bekannt geworden ist und heute täglich 15 Tonnen davon produziert. Doch schon vor einigen Jahren war Hermann Neuburger klar: »Die Fleischproduktion kann global so nicht weitergehen. In Indien und China beginnen die

Menschen Fleisch zu essen, 2050 wird es voraussichtlich zehn Milliarden Menschen geben, und niemand weiß, wie wir die ernähren sollen. Fleischlos wird da der Hebel sein. Wir wollen aber nicht missionieren, sondern ein gutes Produkt anbieten.« Also begab man sich auf Recherchereise nach Asien, erforschten der Senior und sein Sohn Thomas Restaurants in China, Taiwan und Japan, und deren lange vegetarische Tradition und die buddhistische Klosterküche. Zurück zu Hause, entwickelte man 80 Produkte aus Soja und Tofu, aus Weizengluten und Pilzen. Und weil diejenigen aus Pilzen am besten ankamen, konzentrieren sich Vater und Sohn heute auf den Kräuterseitling (»Der schmeckt nicht zu stark nach Pilz, bietet Umami-Geschmack und einen fasrigen guten Biss«). Dass der Pilzgeschmack nicht dominiert, ist entscheidend. Denn unter dem Namen »Hermann Fleischlos« vermarkten die Mühlviertler mittlerweile das, worüber viele Gourmets die Nase rümpfen: Fleischersatzprodukte. Eigentlich wollte man die Pilze – wie auch das Fleisch für den Leberkäse – zukaufen. Doch bereits in der Testphase 2017 zeigte sich: »Unser Bedarf an Biopilzen war größer als das, was wir in ganz

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PILZE

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»Pilze gehören neben Avocado und Nüssen eindeutig zu den drei Shooting-Stars der ›plant-based‹ Ernährung.« — Hanni Rützler, Food-Trendforscherin

Europa zukaufen könnten«, so Thomas Neuburger. Es wurde selbst produziert. Anfangs in einem Schiffskühlcontainer, dann in der Logistik-Tiefgarage unter den Fleischwölfen. Der Test hat sich bewährt. In Biosupermärkten sind die fleischlosen »Rostbratwürstel« oder das fleischlose »Gyros« beliebt, auch weil sie komplett ohne Zusatzstoffe sind. rewe konnte als Vertriebspartner gewonnen werden. Jetzt wird richtig investiert. 25 Millionen Euro steckt man in acht Pilzhallen, in denen ab Frühsommer 2018 auf Holzspänen Biokräuterseitlinge wachsen.

Schweizer Züchter haben früh auf außergewöhnlicher Pilze gesetzt. Die Kernser Edelpilzzucht exportiert ihre Bioware auch nach Deutschland und Österreich.

BILD Kernser Edelpilze

DER SIMULIERTE SOMMER Sieben Etagen hoch, auf Edelstahl-Rollstellagen wie wir sie aus Gärtnereien kennen. Theoretisch wäre der Platz nach oben nahezu endlos vorhanden. Doch: »Der Mühlviertler ist von Natur aus nicht groß«, wie der Juniorchef scherzt. Und ohne Handarbeit geht es nicht. Nach einer vierwöchigen Reifephase, die bei 23 Grad Celsius und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit den Sommer simuliert, werden die Pilze in der Erntephase bei 15 Grad täglich geschnitten. Einige Tage lang wird geerntet. In einem fast sterilen Umfeld werden die Pilze danach einzeln von Hand geputzt, in eigens entwickelten Maschinen verarbeitet und mit geheimen Rezepturen mit Akazienhonig, Bockshornklee, Muskat und Reis zu »Hermann Fleischlos«-Produkten. Dass alle Produkte fleischlos, nicht vegan sind, hat mit der Konsistenz zu tun. »Es braucht das Ei für ein gutes Mundgefühl«, erklärt Hermann Neuburger. »Als Unternehmen richten wir uns ohnehin an Flexitarier, nicht an Veganer.« Für gelegentliche Pilz-Rostbratwürstel spreche ganz klar deren CO2-Bilanz. »Für ein Kilogramm Fleisch werden 20 Kilo CO2 ausgestoßen, für einen Kilo Pilz nur ein Kilo CO2.« Der Kampf gegen die angeblich irreführende »vegane Currywurst«, zu dem Fleischlobbyisten zuletzt dem deutschen Bundesagrarminister Christian Schmidt applaudierten, scheint aus dieser Sicht verzweifelt rückwärtsgewandt. Und dass sich die Zukunft der Menschheit flexitarisch, aber eher nicht gänzlich fleischlos gestaltet, deuten auch die Best-Practice-Beispiele der fao an. Das Geld, das Kleinstbauern im Hochland des Kilimandscharo ihre florierende Austernpilzzucht einbrachte, haben diese sofort in Schulbeiträge für ihre Kinder gesteckt. Und in Ziegen und Hühner.

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Shiitake-Pilze werden in der EU bereits häufig gezüchtet. Sie sind eine schmackhafte Umami-Quelle. Krebsforscher empfehlen die Pilze zur Vorbeugung.

Das japanische Stockschwämmchen (auch Nameko, Toskanapilz oder Goldkäppchen genannt) ist aus der japanischen Küche nicht wegzudenken.

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VERTICAL FARMING

BODENLOSE LANDWIRTSCHAFT

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Thomas Stollenwerk

Vertical Farming wird gefeiert um globale Ernährungsengpässe vermeiden zu helfen. Was ist vertikale Landwirtschaft eigentlich genau?

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ine Designerküche verbindet meist schlichte Eleganz mit Funktionalität. So stellen sich viele Menschen den Ort vor, an dem sie ihre Lebensmittel zubereiten. Kühlschrank, Backofen und Herd sind technische Geräte, die man hier findet. Maximilian Loessl, Erfinder und Geschäftsmann aus München, träumt von Küchen, in denen es ein weiteres Einbaugerät gibt. Plant Cube nennt er seine Erfindung. Darin sollen Pflanzen unter technisch kontrollierten Bedingungen wachsen. Basilikum, Blattspinat, Dill, Petersilie, Schnittlauch und

mehr. Und weil das Ganze im großen Stil passieren soll, haben Loessl und sein Unternehmen Agrilution große Partnerinnen mit an Bord. Die TU München und die Association for Vertical Farming sind dabei. Der Leuchtenkonzern Osram hat investiert, und das Venture-Capital-Unternehmen Tengelmann ebenfalls. Die Investitionsbereitschaft so solventer Partner kommt nicht von ungefähr. Denn bei der Technologie, die im Plant Cube steckt, geht es um mehr als einen KräuterAnbau-Schrank für die Küche. Es geht dabei um eine

Die Zukunft urbaner Selbstversorgung? In der Vertical Farm von GrowX wachsen Brokkoli, Fenchel, Salat und »Microgreens«, die von Amsterdamer Restaurants verarbeitet werden.

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BILD GROWx

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VERTICAL FARMING

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»Indoor-Gemüseanbau unter kontrollierten Bedingungen benötigt keine Pestizide, keine Erde und nur 5 % der Menge an Wasser, die man für dieselbe Menge angebauten Gemüses auf offenen Feldern benötigt.« — Per Pinstrup-Andersen, Agroökonom

mögliche Zukunft der Landwirtschaft, die nicht auf Feld und Flur stattfindet, sondern übereinandergestapelt, in vertikalen Produktionsstätten. Technisch ist die vertikale Landwirtschaft komplex. Es wird an ausgefeilter Sensortechnik gearbeitet. Zur Steigerung der Effizienz in geschlossenen Systemen, die auf Hydrokultur und Kreislaufwirtschaft basieren. In Vertical Farms sollen Früchte, Gemüse, Speisepilze und Algen schließlich unter kontrollierten Bedingungen ganzjährig angebaut und geerntet werden. Dafür ist eine Menge Energie nötig, zum Beispiel für die Beleuchtung. An anderen Stellen wird Energie eingespart, zum Beispiel beim Transport. Wer sich mit Vertical Farming beschäftigt, beginnt seine Kosten-Nutzen-Rechnung mit gigantisch vielen Variablen.

BILD Osram Agrilution

EINE ZUKUNFTSVISION — SEIT LANGEM Als Begriff taucht Vertical Farming immer wieder auf, wo über nachhaltige Lebensmittelversorgung für die wachsende und zunehmend urbane Weltbevölkerung diskutiert wird. Meistens als Zukunftsvision. Und visionäre Konzepte haben es mitunter schwer, ernst genommen zu werden. So geht es auch der gestapelten Landwirtschaft. Dabei gibt es gute Gründe, sie in der Praxis auszuprobieren. Davon ist Per Pinstrup-Andersen überzeugt. Der dänische Agrarökonom forscht und unterrichtet an der Cornell University im USBundesstaat New York. Er sieht fünf Gründe, die dafürsprechen, Vertical Farming endlich ernst zu nehmen. Zuallererst sei da die grassierende Mangelernährung. 25 Prozent der Weltbevölkerung würden vor allem mit kalorienreichen, aber wenig nahrhaften Lebensmitteln versorgt. Vor allem in schnell wachsenden Bevölkerun-

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gen mit geringem Einkommensniveau sei das ein Problem. Hinzu käme das Problem großer Risiken in der Landwirtschaft, wie wir sie bisher kennen. Schädlingsbefall, Dürren, Hochwasser, Stürme – diese Gefahren könnte man durch Indoor-Landwirtschaft minimieren. »Indoor-Gemüseanbau unter kontrollierten Bedingungen – ob in Hochhäusern oder Containern – benötigt keine Pestizide, keine Erde und kein Land, abgesehen vom Footprint des Gebäudes; und nur 5 % der Menge an Wasser, die man für dieselbe Menge angebauten Gemüses auf offenen Feldern benötigt«, schreibt Pinstrup-Andersen. Außerdem könne man durch Vertical Farming CO2-Emissionen durch kurze Transportwege einsparen, und die kontrollierten Anbaubedingungen würden klimabedingte Preisschwankungen für Agrarprodukte verringern. Und außerdem: Die wachsende Weltbevölkerung in Städten mache es schlicht und ergreifend dringen nötig, Wege zu finden, Lebensmittel in Städten zu produzieren.

VORDENKER UND VORREITER Als 2010 »The Vertical Farm: Feeding the World in the 21st Century« vom Kanadier Dickson Despommier erschien, das prägendste Standardwerk der Vertical-Farming-Diskussion bis heute, war Per Pinstrup-Andersen gegenüber der Idee, Gemüse in Zukunft unter Laborbedingungen in urbanen Gebäuden anzubauen, noch ausgesprochen kritisch eingestellt. Inzwischen hat er seine Position geändert. Gänzlich überzeugt ist er vom Vertical-Farming-Konzept allerdings auch heute nicht. Er sieht sich als Vertical-Farming-Agnostiker: »Ich glaube, es wäre verfrüht, zu verkünden, dass Vertical Indoor Farming der Schlüssel zum Beheben des Mikro-

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29 Energie dafür stammt aus Windkraft und ist damit zu 100 Prozent grün«, erklärt der Unternehmensgründer John Apesos. Und auch beim Wasserverbrauch sei die Produktion in Amsterdam sehr genügsam: »Das einzigartige Anbausystem, das wir entwickelt haben, erlaubt uns, Wasser effizient wiederzuverwerten, wodurch wir bis zu 95 % Wasserverbrauch einsparen.« Nachdem die vertikale Farm nun steht, gehe es in einer nächsten Phase für growx darum, wettbewerbsfähig zu werden. »Die Top-Köche und Restaurants, auf die wir fokussieren, wollen vor allem durch Geschmack und Qualität überzeugen. Das heißt aber nicht, dass der Preis nicht auch ein Schlüsselfaktor ist. Er muss stimmen.« growx möchte die Produktionskosten senken. »Zusätzlich zu Kostensenkungen werden wir die Produktion erhöhen müssen, um Nachhaltigkeit in Profitabilität zu verwandeln.« Wenn das gelingt, soll das Konzept aus Amsterdam auch in anderen niederländischen Ballungsräumen realisiert werden.

ÖKOLOGISCHE LEBENSMITTELFABRIKEN? Vertical Farming ist Industrieproduktion. Bäuerliche Landwirtschaft, ökologische Lebensmittelproduktion, Biolandbau – das sind Konzepte, die damit eher wenig zu tun haben. Trotzdem geht es der Vertical-FarmingBewegung um nachhaltige Lebensmittelproduktion, die mit natürlichen Ressourcen schonend und sparsam umgeht. Aber ist nicht Vertical Farming die Weiterentwicklung der Agrarindustrie? Werden nicht auch die genmanipulierten Monokulturen von den Weltkonzernen des Agrobusiness als besonders effizient, ressourcenschonend und als Garant der Lebensmittelsicherheit

BILD GROWx

nährstoffmangels in Städten weltweit ist. Aber ich glaube fest daran, dass es ein Fehler wäre, die Möglichkeiten des Vertical Farming weiterhin zu ignorieren.« Worauf Per Pinstrup-Andersen und andere Vertical-FarmingInteressierte warten, sind praktische Erfahrungen, die zeigen, ob Vertical Farming tatsächlich funktioniert. Ökologisch und ökonomisch. An verschiedenen Orten weltweit werden solche praktischen Erfahrungen bereits gesammelt. Ein paar dieser Orte liegen in den Niederlanden. Wie könnte es anders sein? Die Niederlande sind eines der am dichtesten besiedelten Länder der Erde, und die niederländische Landwirtschaft ist seit langer Zeit von ständiger Effizienzsteigerung getrieben. Wer während eines nächtlichen Landeanflugs auf den Flughafen Amsterdam-Schiphol aus dem Flugzeugfenster blickt, der sieht die Niederlande als riesige Ansammlung hell erleuchteter, rechteckiger Gewächshäuser. Hier ist der Weg zur vertikalen Landwirtschaft nicht weit. Bei der Firma Hortimax in Maasdijk in der Provinz Zuid-Holland zum Beispiel wird an technischen Lösungen für Vertical Farming gearbeitet. Dabei geht es um Maschinen und Systeme zur Regelung von Temperatur und Bewässerung und um automatisierte Nährstoffzufuhr. Smarte Technologien fürs Gewächshaus – diese Technologie steckt auch in growx, der ersten kommerziell betriebenen Vertical Farm in den Niederlanden. Die steht in Amsterdam. Auf 1300 Quadratmetern Fläche wachsen hier in mehreren Ebenen übereinander Kräuter und Salate, urban und hocheffizient. »Wir nutzten die neueste und effizienteste led-Technologie, um unsere Pflanzen mit ausreichend Licht zu versorgen. Die

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VERTICAL FARMING

30 DU BESTIMMST… DEINE TAGE

»Es wäre ein Fehler, die Möglichkeiten des Vertical Farming weiterhin zu ignorieren.« — John Apesos, Gründer von growx

Die bewährte Original-Menstruationstasse aus weichem Silikon verkauft? Das werden sie. Nur im Gegensatz zu riesigen Plantagen tritt die vertikale Landwirtschaft nicht dort, wo Platz für Natur ist, in Flächenkonkurrenz zu natürlichen Lebensräumen – so der Gedanke. Dadurch, dass beim Vertical Farming Lebensmittel dort produziert werden, wo sie benötigt werden, soll außerdem eine große Menge Energie eingespart werden, die sonst beim Transport von Lebensmitteln verbraucht wird. Natürlich verbrauchen auch vertikale Farmen Energie. Zum Beispiel für Licht – denn davon brauchen sie sehr viel. Was der Entwicklung der vertikalen Landwirtschaft extrem entgegenkommt, ist die led-Technologie. Denn Pflanzen brauchen Licht, um zu gedeihen. Licht emittierende Dioden sorgen für dieses Licht. Und im Vergleich zu anderen Leuchtmitteln verbrauchen sie dabei nur wenig Energie. Der Preisverfall für ledTechnik in den letzten Jahren macht es erschwinglich, Pflanzen tagein tagaus zu beleuchten. Wie lässt sich moderne Technik nutzen, um die Landwirtschaft weniger ressourcenintensiv zu gestalten? Diese Frage treibt vertikale Landwirte an. Aber kann vertikale Landwirtschaft auch für Produkte mit Biosiegel sorgen? Ja. Zumindest in den usa. Ende 2017 hat das National Organic Standards Board erstmals den Bio-Standard einer Vertical Farm zuerkannt. In Europa, wo die EUBioverordnung maßgeblich dafür ist, welche Produkte ein Biosiegel tragen dürfen und welche nicht, bleibt der Biolandbau an natürlichen Boden geknüpft. Allerdings gibt es Ausnahmen, zum Beispiel für Pilze und Kräuter. Ob Vertical Farming in Zukunft mehr Bioprodukte liefern kann, hängt auch davon ab, ob es sich in der Praxis bewährt – oder ob es eine kühne Technologievision für die Zukunft bleibt.

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INTERVIEW

Daniel Podmirseg

BEZIEHUNG STADT—BIOSPHÄRE NEU GEDACHT Die amerikanische Soziologin Saskia Sassen fordert, die Beziehung der Städte zur Landwirtschaft zu überdenken, um sie auf neue Herausforderungen vorzubereiten.

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lich zu sterbender Landfläche und Wüstenbildung. Auf lange Sicht ist dies eine nicht nachhaltige Form der Landwirtschaft. Jedes Jahr verlieren wir ausgedehnte Landflächen. Tote Böden und tote Gewässer sind früher oder später das Resultat dieser Anbaupraxis. Welche Rolle schreiben Sie der Architektur und dem Städtebau im Kampf um öffentliche Räume und einen florierenden lokalen Lebensmittelwirtschaftszweig zu? Relokalisierung von Lebensmittelproduktion benötigt substanzielle Veränderungen in der Organisation von urbanem Raum. Gutes Design und kluge Initiati-

»Jedes Jahr verlieren wir ausgedehnte Landflächen.« ven, um eine größere Gemeinschaft dafür zu mobilisieren, werden notwendig sein, um lokalen öffentlichen Flächen ein Überleben zu garantieren. Und das ist auch aus sozio-politischen Gründen wichtig: das Etablieren einer Gemeinschaft, eines lokalen Unternehmens,

BILD Fronteiras do Pensamento [CC BY-SA 2.0]

Es gibt eine lebhafte Diskussion zur Frage, wer die möglichen Player sind, die die große Herausforderung künftiger Lebensmittelversorgung von Städten stemmen können. Große Konzerne oder urbane Subökonomien? Welche Chance geben Sie der urbanen Lebensmittelproduktion? saskia sassen: Die große Herausforderung besteht darin, die Landfläche und unser Wasser am Leben zu erhalten. Wir müssen uns von der heute dominanten Lebensmittelproduktion verabschieden. Große Konzerne, welche Profite maximieren, missachten die Notwendigkeit, Landfläche und Gewässer lebendig und intakt zu halten. Es ist nicht wahr, was Konzerne oftmals behaupten, dass große Produktionseinheiten effizienter und kostengünstiger betrieben werden können. Mindestens drei Gründe belegen, dass das nicht stimmt. Welche sind das? Konventionelle Landwirtschaft verbraucht erstens große Mengen an Pestiziden und verschwendet Wasser durch Bewässerungsanlagen. Zweitens laugen diese Anbaumethoden fruchtbare Böden aus und zerstören sie somit graduell. Und drittens reduziert sich die Produktivität und zieht somit einen immer größeren Verbrauch an Chemikalien nach sich und führt folg-

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»Die traditionelle europäische kleinmaßstäbliche Landwirtschaft, die für die urbane Bevölkerung leicht zugänglich ist, ist wahrscheinlich nahe am Ideal.«

BILD GROWx

— Saskia Sassen

einer Kooperative, die sich um die Lebensmittelproduktion kümmert. Wenn wir an vertikale Farmen als Gebäude denken: Welche zusätzlichen Interventionen sind notwendig, um die Akzeptanz und das Identifikationspotenzial der urbanen Bevölkerung hinsichtlich einer neuen Form der Lebensmittelproduktion zu erhöhen? Die Niederlande haben Vertical Farming zu einem Extrem entwickelt: zu geschlossenen Stahltürmen. Zumindest einige dieser Gebäudestrukturen sind hermetisch geschlossene Räume, betrieben von Robotern, bei denen der Zutritt für Menschen untersagt ist. Das mag in Extremsituationen notwendig sein. Aber diese Praxis ist teuer und muss sehr sorgfältig ausgeführt werden. Das wird wahrscheinlich nicht die ideale Antwort in den meisten Orten der Welt sein, auch nicht nachhaltig. Aber sicher könnte es in Europa funktionieren. Verschiedene Innovationen, inklusive Vertical Farming, haben die Niederlande, ein kleines Land, zum zweitgrößten Exporteur von Lebensmitteln weltweit gemacht. Die traditionelle europäische kleinmaßstäbliche Landwirtschaft, die für die urbane Bevölkerung leicht zugänglich ist, ist wahrscheinlich nahe am Ideal und am leichtesten umsetzbar für kleinere Städte. Eine Stadtbevölkerung, die bereits Gemüse und Obstbäume pflanzt, sich darum kümmert und die Produkte auf loka-

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len Märkten verkauft, sollte verstärkt in ihrer Aktivität ermutigt werden, dieses Potenzial muss genützt werden. Natürlich kann damit nicht der gesamte Lebensmittelbedarf gedeckt werden. An diesem Punkt ist ein Mix aus traditioneller kleinmaßstäblicher Produktion und einem mehr technologisch getriebenen Ansatz sicherlich keine schlechte Kombination. Sie sprachen gerade von Unterstützung und Ermutigung. Wie können wir auf der anderen Seite Lokalpolitiker ermutigen, radikalere Entscheidungen zu treffen, nicht nur bei der Intensivierung lokaler Lebensmittelproduktion, sondern die uns auch in Richtung Kreislaufwirtschaft bringen? Ja, das ist notwendig, und es wird nicht einfach werden, das Ziel zu erreichen. Hierbei gibt es zahlreiche Hürden wie etwa die Reorganisation des Landver-

»Das wird ein Kampf auf mehreren Ebenen sein.« brauchs, um Raum in Klein- und Großstädten für die Lebensmittelproduktion freizuhalten. Das wird ein Kampf auf mehreren Ebenen sein. Wie auch immer, wir befinden uns in einem neuen Zeitalter, immer mehr

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LE, DIE FÜR AL

DIE

L AT T E

HOCH LEGEN!

Menschen sind sich der Vielzahl an nicht akzeptierbaren Zuständen bewusst, von der Qualität des Gemüses bis hin zu größeren Umweltkatastrophen, die sich in so vielen Orten der Welt abspielen. Eine große Herausforderung ist, sich Alternativen zum Einsatz von Anbauund Produktionsmöglichkeiten zu überlegen, die uns die konventionelle Landwirtschaft gebracht haben und jetzt graduell Land und Wasser zerstören. Können wir die jetzige Lebensmittelproduktion in einen lokalen vertikalen Anbau überführen? Nicht nur die Technik spielt hierbei eine Rolle, sondern auch das Neudenken der Beziehung zwischen der Stadt und der Biosphäre. Urban Vertical Farming – ein Modell für die Zukunft auf sozialer Ebene betrachtet? Jede Form der Lebensmittelproduktion schafft auch Beziehungen und Netzwerke zwischen den Bewohnern innerhalb von Nachbarschaften, einer Stadt oder einer Region. Größere Mengen an Lebensmitteln für den lokalen Bedarf werden auch größere Vertical-Farming-Projekte erfordern, die genauso nahe am Bedarf liegen. Wir sollten uns nicht mit Lebensmitteln zufriedengeben, die mit Chemikalien und Pestiziden angebaut werden und lange Wege zurücklegen müssen, die folglich wiederum mit Chemikalien behandelt werden müssen, um deren tatsächliches Alter zu verschleiern.

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PRO & CONTRA VERTICAL FARMING

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KOMMENTAR

Daniel Podmirseg

ZEHN GUTE GRÜNDE FÜR VERTICAL FARMING Wir haben Daniel Podmirseg vom Vertical Farm Institute in Wien gebeten aufzuschreiben, worin die Vorteile von Vertical Farming bestehen. Er hat eine lange Liste von zehn Vorteilen geschrieben.

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VERTRAUEN SCHAFFEN

In den letzten Jahren hat die Auseinandersetzung der Bevölkerung mit der Herkunft und Herstellung von Lebensmitteln wieder stärker zugenommen. Prozesse und Entscheidungen rund um die Produktion und den Vertrieb von Nahrungsmitteln nachzuvollziehen bleibt für Konsumenten allerdings schwer. Transparenz ist ein entscheidender Parameter, um Vertrauen in Lebensmittel zu schaffen. Lokal produzierte Lebensmittel ermöglichen es, aktiv am Agrargeschehen teilzuhaben und es zu begreifen.

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KULTURPFLANZEN ERHALTEN

Die industrielle Lebensmittelproduktion hat durch ihre Standardisierungsprozesse die Vielfalt der Kulturpflanzen bereits drastisch reduziert. In den letzten 11.000 Jahren hat der Mensch zum Beispiel ca. 7.000 verschiedene Tomatenpflanzen gezüchtet. Heute deckt eine Handvoll Tomatensorten fast 80 % des Welthandels ab. Schätzungen gehen davon aus, dass bereits 75 % sämtlicher Kulturpflanzen für immer verloren sind. Vertical Farming kann als Anbaupraxis gesehen werden, die sich auf den Anbau seltener Sorten konzentriert und damit für biologische Vielfalt sorgt.

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ÖKONOMISCHE MIKROSTRUKTUREN

Vertical Farming kann in unterschiedlichen Maßstäben praktiziert werden, vom kleinen Gewächshaus auf dem Dach bis hin zu neuen Gebäudetypen, die das Anbauvolumen optimal ausnutzen. An Aquaponikanlagen und Pilzzucht, Insektenfarmen in kleineren Räumen oder Obst- und Gemüseproduktion

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in vertikalen Gewächshäusern kann gedacht werden. Die Stadt ist entwicklungsgeschichtlich auf Mikrostrukturen aufgebaut und garantiert die Lebendigkeit und Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Rahmenbedingungen.

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SOZIALES ENGAGEMENT UND INKLUSION

Beispiele erfolgreicher Vertical-FarmingProjekte, wie etwa Vertical Harvest in Jackson, Wyoming, zeigen, wie groß die Akzeptanz und das Engagement vonseiten der Stadtbevölkerung bei urbaner Lebensmittelproduktion sein kann, wenn sie in die Entwicklung eingebunden wird. Der Betrieb der vertikalen Farm kann mit Unterstützung sozial benachteiligter Menschen gedacht werden. Die Verantwortung der Lebensmittelproduktion für die urbane Bevölkerung erhöht das Identifikationspotenzial und wird als sinngebende Arbeit wahrgenommen.

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POLITISCHE FREIHEIT

Die Herausforderungen der Stadt der Zukunft können gemeistert werden. Wir haben die Visionen, die Ideen und Ziele sowie die nötigen sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Ressourcen. Allerdings gibt es eine Umsetzungslücke. Diese verringert sich in geografisch und politisch kleineren Rahmen, etwa in urbanen Systemen. Durch politischen Aktivismus und klare Zielsetzung auf kommunaler Ebene können nachhaltige Projekte leichter umgesetzt werden. Die Bevölkerung hat auf städtischer Ebene einen erheblich größeren Einfluss auf die Entscheidungsfindung als auf staatlicher oder internationaler Ebene.

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REDUKTION DES LANDVERBRAUCHS

Einer der größten Vorteile von Vertical Farming ist die drastische Reduktion des Landverzehrs. Im weltweiten Durchschnitt kommen auf jeden Quadratmeter Stadt zehn Quadratmeter landwirtschaftliche Anbaufläche, um sie mit Lebensmitteln zu versorgen. Tendenz steigend. Jeder Bürger in Mitteleuropa benötigt im Durchschnitt 2.300 m² an Anbaufläche, um sich ein Jahr lang mit Lebensmitteln zu versorgen. Diese Fläche könnte ohne weiteres um den Faktor 50 verkleinert werden. Damit ließe sich die Erschließung neuer Agrarflächen reduzieren und die Natur schützen.

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REDUKTION DES ENERGIEVERBRAUCHS

KURZPORTRAIT DANIEL PODMIRSEG Der Architekt Daniel Podmirseg ist Gründer des Vertical Farm Instituts in Wien, dass sich als Forschungs- und Praktikernetzwerk zum Thema Vertical Farming versteht und Expertise aus Architektur, Bauwirtschaft, Pflanzenphysiologie und Kunst vereint. Er hat über vertikale, urbane Landwirtschaft promoviert und gilt als einer Vordenker neuer Formen der Landwirtschaft in Europa.

BILD Vertical Farming Institute

Ohne billiges Erdöl können wir unser globales Lebensmittelnetzwerk nicht am Laufen halten. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen der traditionellen Landwirtschaft ist enorm. In 54 Minuten erhält die Erde dieselbe Energiemenge gratis von der Sonne, die wir weltweit in einem Jahr verbrauchen. Vertical Farming benötigt natürlich auch Energie. Licht und Wärme bzw. Kühlung müssen je nach Anbaubedingungen zugeführt werden. Energieoptimierte Gebäudehüllen und das Nutzen von Energiekreisläufen minimieren den Energiebedarf drastisch. Vertikale Farmen bedeuten eine radikale Reduktion der Abhängigkeit vom Erdöl.

»Die Herausforderungen der Stadt der Zukunft können gemeistert werden. Wir haben die Visionen, die Ideen und Ziele sowie die nötigen sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Ressourcen.« — Daniel Podmirseg

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REDUKTION DES VERKEHRS

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LÖSUNGEN FÜR DIE ZUKUNFT

Es gibt Untersuchungen, dass lebensmittelbedingter Verkehr in Städten zwischen 25 und 35% ausmacht. Das hat Lärmbelästigung, Luftverschmutzung, Unfälle und Staus zur Folge. London ist eine der ersten Städte, die diese Externalitäten auf urbaner Ebene quantifiziert hat. Natürlich müssen die Produkte der vertikalen Farm in der Stadt verteilt werden. Eine kluge Konzeption der vertikalen Farm schließt jedoch einen Großteil des Verkehrs aus, wie beispielsweise den Verkehr zwischen Produzenten, Verarbeitern und Verpackern, um nur ein Beispiel zu nennen. Die sogenannte »letzte Meile« wird nie ausgeschlossen werden können.

Wir stehen an einem faszinierenden Punkt: Es geht um die Entwicklung neuer Gebäudetypologien. Vertikale Farmen können mit Wohn- und Bürogebäuden kombiniert werden. Wir müssen die vertikale Farm als Chance betrachten, um Material- und Stoffströme innerhalb der Stadt besser zu verstehen und dadurch wesentliche Entscheidungen in Richtung Kreislaufwirtschaft zu unternehmen. Ein Drittel der Primärenergie weltweit wird für den Lebensmittelsektor aufgewendet. Wir können das reduzieren, wenn wir uns entschließen, einen Teil der Lebensmittel dort zu produzieren, wo sie konsumiert werden. Die resiliente Stadt muss das Ziel sein. Wir müssen uns auf die Post-Oil-City vorbereiten.

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DIE RESILIENTE STADT

Wir erleben einen Boom der Urbanisierung. Wenn die uno recht behält, dann werden in 50 Jahren drei Viertel der Weltbevölkerung in Städten leben. Schnell wachsende urbane Systeme, wie wir sie als China und Indien kennen, können die Implementierung von vertikalen Farmen beschleunigen. Dem gegenüber stehen zahlreiche schrumpfende Städte – ein Parallelphänomen. Doch auch hier liegt großes Potenzial verborgen. Das Zurückbringen der Lebensmittelproduktion zu den Konsumenten kann diese Phänomene des Schrumpfens verringern. Es ist zu vermuten, dass ein stabiles Lebensmittelproduktionssystem als Anziehungspunkt funktionieren kann, um darauffolgend Gewerbe und Wirtschaftstreibende anzusiedeln.

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VERTICAL FARMING / CONTRA

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KOMMENTAR

Alfred Grand

NEUN GUTE GRÜNDE GEGEN VERTICAL FARMING Städteplaner, Architekten, Unternehmer und Investoren sehen im Vertical Farming eine innovative Teillösung für die Ernährung künftiger Stadtbevölkerungen, meint Alfred Grand. Als Landwirt sieht er das anders und hat uns erklärt, warum. Neun Nachteile von Vertical Farming.

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Keiner Industrie ist es je gelungen, Räume frei von Mikroorganismen zu halten. Bestes Beispiel sind Operationssäle in Spitälern, wo es große Probleme mit resistenten Keimen gibt. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich auch in die Vertical Farm Keime einschleichen, die kaum kontrollierbar sind. In der Natur kontrolliert sich alles über die Vielfalt, keiner

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kann sich extrem ausdehnen, weil jede Nische besetzt ist. Wenn man versucht alles abzutöten, können sich die überlebenden Bakterien ausbreiten, da sie niemand mehr daran hindern kann.

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Pflanzen nutzen die Gemeinschaft der Mikroorganismen in der Umwelt, das sogenannte Mikrobiom, um verschiedenste Lebensvorgänge zu steuern – hierzu gehören etwa die Nährstoffmobilisierung, aber auch die Krankheits- und Schädlingsabwehr. Ohne Mikroorganismen, vor allem das Bodenleben, ist die Pflanze nicht mehr in der Lage, diese Steuerungstätigkeit auszuführen, der Mensch muss einspringen und alles kontrollieren.

BILD istock.com / redstallion

Ist das kontrollierte Umfeld, das einen Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ermöglicht, wirklich ein Vorteil? Wo liegen die Nachteile einer Lebensmittelproduktion ohne Erde, in Reinräumen, abgekapselt von den Vorgängen der Natur, gesteuert von Computerprogrammen und betreut von Robotern oder wenigen (fast sterilen) Menschen?

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che, die für mehr Abhängigkeit von Großkonzernen sorgt.

7 KURZPORTRAIT ALFRED GRAND Alfred Grand ist Biobauer und Unternehmer in Absdorf in Niederösterreich. Er produziert Biodünger mithilfe von Regenwürmern und setzt auf seinem Bauernhof auf Forschung und Entwicklung. Er kooperiert mit Universitäten und Forschungsinstituten aus Österreich, Europa und den usa und beschäftigt sich intensiv mit den Themen Bodengesundheit, Agroforst und mit Konzepten zur regionalen Biogemüseproduktion.

Pflanzen haben in der Evolution gelernt, mit verschiedensten Herausforderungen zurechtzukommen, sie müssen Nährstoffe aus dem Boden mobilisieren oder sich gegen Krankheiten und Schädlinge wehren. Hätten sie über die Jahrmillionen keine Strategien entwickelt, mit diesen Problemen umzugehen, wären sie bereits ausgestorben. Sie bilden Bitterstoffe und Gerbstoffe aus und lagern Farbstoffe ein, um Schädlinge abzuwehren. Diese sogenannten sekundären Pflanzeninhaltsstoffe sind es, die sie für den Menschen zur wertvollen Nahrung machen. Pflanzen, die ohne Stress wachsen, sind keine hochwertigen Lebensmittel.

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Ein weiterer Nachteil des Vertical Farming ist der hohe Energieverbrauch: Sowohl für den Bau der Vertical Farm als auch für den Betrieb (Licht, Heizung, Be- und Entlüftung sowie Klimatisierung der Anlage) sind große Mengen an Energie notwendig. Laut einem Bericht von Autor Stan Cox vom Februar 2016 liegt der Stromverbrauch für die Produktion von einem Kilo Kartoffel-Trockenmasse bei rund 1.200 KWh. Würde das gesamte in den usa produzierte Gemüse (Kartoffeln nicht miteingerechnet) in vertikalen Farmen produziert, würde allein für die Beleuchtung der Farmen die Hälfte der derzeitigen Stromproduktion der usa verbraucht.

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Solche Produktionsanlagen können nicht durch einzelne Bauernfamilien, sondern nur durch Investoren sichergestellt werden – eine Tatsa-

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Wenn Vertical Farming maßgeblich zur Lebensmittelversorgung einer Stadt beitragen soll, müssen die Systeme eine Größe erreichen, die sie anfälliger für Ertragsausfälle durch Krankheitsdruck, aber auch durch einen Stromausfall, Sabotage, Terror oder die Insolvenz des Betreibers macht. Dezentrale, kleine Betriebe tragen hier zur Stabilität der Lebensmittelversorgung bei.

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Die Produktion in Vertical Farms ist auf hohe Automatisierung ausgelegt und wird daher nur wenige, spezialisierte Arbeitskräfte benötigen.

Vertical Farming hat kaum einen Mehrwert. Eine kleinstrukturierte, stadtnahe Biogemüseproduktion produziert nicht nur hochwertige Nahrungsmittel, sondern fördert auch die Artenvielfalt (Thema Biodiversität!), speichert Kohlenstoff im Boden (Thema Klimawandel!), schafft Arbeitsplätze (Thema Industrie 4.0!) und Landschaft (Thema Naherholung und Tourismus!). Innovationen im Bereich der Lebensmittelproduktion sind aufgrund der Herausforderungen, die uns in der nahen Zukunft bevorstehen, unbedingt notwendig. Sowohl die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung insgesamt, aber insbesondere die Tatsache, dass der Zuwachs besonders in den Städten stattfinden wird, erfordern nachhaltige Lösungen in der Lebensmittelproduktion. Vertical Farming bietet viele Vorteile, wenn es mit industrieller Landwirtschaft, vor allem mit industriellem Gemüseanbau verglichen wird. Alternative Konzepte, wie Jean Martin Fortiers Market Gardening, finden weltweit immer größere Beachtung. Dabei wird auf Kleinflächen mit hoher Intensität Biogemüse erzeugt, ohne Traktoren, nur mit Handarbeit. So ein Garten wird nun auch in Absdorf auf dem Biobauernhof von Alfred Grand entstehen, um eine regionale Biogemüseproduktion aufzubauen, aber auch um solche Konzepte zu erforschen und an regionale Verhältnisse anzupassen. Mehr zum Thema »stadtnahe Landwirtschaft« wird es in der Juni/Juli-Ausgabe von BIORAMA zu lesen geben.

BILD Vermigrand

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Aus der Sauberkeit ergibt sich ein weiterer Nachteil. Unser Immunsystem benötigt, ähnlich wie unsere Muskeln, eine permanente Belastung, ansonsten verkümmert es. Wie wir mittlerweile wissen, ist die besondere Hygiene ein Grund für die vielen Autoimmunerkrankungen und Allergien, die in der heutigen Gesellschaft auftreten. Als wichtiges Argument für Vertical Farming wird immer wieder ins Treffen geführt, dass die sauberen Lebensmittel besonders hochwertig für Kinder und ältere Menschen sind, wegen deren anfälligeren Immunsystems. Das ist nicht nur falsch, sondern geradezu gefährlich, da mit vermeintlich sauberen Lebensmitteln das Immunsystem nicht gefordert und damit auch nicht gefördert wird.

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Irina Zelewitz

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Christian Bruna

UNTERWEGS MIT DEM »MÜCH-CHAUFFEUR« biorama hat sich in die Hochalpen, auf die Spuren der »Reine Lungau«, begeben und gefragt, wie sich das eigentlich ausgeht, wenn in entlegensten Tälern und auf nur mit Schneeketten zugänglichen Gipfeln täglich frische Milch für die Supermarktregale produziert wird.

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Bei über 50 Höfen in etwa sechs Stunden bleibt nicht viel Zeit zum Plaudern.

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m häufigsten schafft es der südöstlichste Zipfel des Salzburger Landes über den Wetterbericht in bundesweite Nachrichten. Der Lungau ist regelmäßig Österreichs Kältepol. Hier, genauer gesagt in Unternberg, beginnt täglich um 5 Uhr Max’ Tour in einer Vieroder Sechs-Tage-Woche. Er holt die »Reine Lungau«, heißt: die Biomilch aus dem Biosphärenpark Lungau. Über 50 Abholstellen fährt er an. Auch von den entlegeneren Höfen werden noch Kleinstmengen abgeholt, im Winter mit Schneeketten.

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ABER WOZU DAS ALLES – JEDEN TAG? Was der Laie einfach für selbstverständlich nimmt, ist eine marketingmäßig und logistisch beachtliche Leistung, denn es bedeutet: Im landwirtschaftlich kleinräumig nutzbaren »Produktionsgebiet Hochalpen« des Lungaus fahren nicht mehr nur Milchtankwagen, die alle zwei Tage Milch und Biomilch einholen, die Biosphärenmilch wird täglich einholt. Nicht bei jedem Hof, der die »Reine Lungau« produziert, fährt der Tanklastwagen direkt bis zum Stall.

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Manche – es sind wohl vor allem die mit den kleineren Produktionsmengen – werden zu Sammelstellen am Straßenrand zusammengefasst. An einer dieser Sammelstellen kommt die Milch Max sogar per Seilbahn entgegen, heute ist allerdings Jänner im Lungau, ergo: Das Seil ist vereist und die Gefahr, dass das Seil aus der Führung springt, zu groß. Daher bringt heute auch der stolze Milchbauer Ranner seine Milch mit dem Auto zum Milch-lkw. Das Besondere: Das scheint sich für alle zu rechnen. Fragt man die Landwirte, ist die Milchwirtschaft zunehmend unattraktiver geworden, Höfe wurden aufgegeben oder von der nächsten Generation nicht mehr weitergeführt. Der Milchpreis schwankt, die Landwirschaft ist traditionell kleinräumig, ob der geografischen Gegebenheiten zwangsläufig, und damit ohnehin nicht konkurrenzfähig mit Großbetrieben, wie sie vor allem in Nordeuropa verbreitet sind. Für die »Reine Lungau» verhandeln die Produzenten einen für ein Jahr garantierten Preis – 2017 lag der bei 72 Cent pro Liter. Das ist nicht nur weit über den schlechteren Phasen des Biomilchpreises des vergangen Jahres, sondern auch über den Spitzenwerten.

Ein privater Milchlift.

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GIPFELSTÜRMER Es war eigentlich gar kein Sturm und es gab lange auch keinen Gipfel. Was die beiden Barnhouse Gründer Sina Nagl und Neil Reen seit 1979 erreicht haben, haben sie in mühsamer Handarbeit und nur Stück für Stück erarbeitet. Ihr wisst schon: vom Küchenherd bis hin zur eigens errichteten Krunchy-Fabrik in Mühldorf. Bis heute verkörpert Barnhouse Krunchy den Gipfel des Geschmacks, den Gipfel der Qualität und den Gipfel in der Kundengunst.

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Max macht seinen Job gerne, nur vom frühen Aufstehen auch am 1. Jänner erzählt er mit wenig Begeisterung.

VIELES WAR LANGE SELBSTVERSTÄNDLICH Dass die »Reine Lungau« Bioqualität hat, merkt man der Milchpackung übrigens nicht auf den ersten Blick an. Im Vordergrund steht die regionale Herkunft. Bio ist sie halt auch. Der Erfolg des Produkts spricht für diese Strategie. Die Art der Landwirtschaft, wie sie für die Lungauer Bauern angeblich ohnehin selbstverständlich war, lang bevor Biozertifizierungen ins Land gezogen sind, ist heute längst nicht mehr selbstverständlich. Aber das habe ihnen hier lange Zeit keiner gesagt, sagen sie. Aber es ist naheliegend, dass die Milch, die so entsteht, daher auch nach außen als etwas Besonderes sichtbar gemacht werden könnte. Das war die zündende Idee der Marke »Reine Lungau« – und wer diese Idee zuerst hatte, lässt sich gar nicht mehr so einfach rekonstruieren. Die Molkerei, progressive Bauern, gewitzte Marketer auf beiden Seiten? Egal vielleicht. Denn entscheidend ist: Hier wird in einem Biosphärenpark Milch produziert, die dem anspruchsvollen Konsumenten Bioqualität und Frische bringt, die Region ökologisch und ökonomisch aufwertet und den Bauern ein Einkommen verschafft, mit dem sie zufrieden sind.

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»Die Bauern, die mitmachen, sind weltoffen und auch stolz auf ihre Milch.« — Max Burghartswieser

WAS DARF EIN BAUER IM BIOSPHÄRENPARK? Die unesco hat im Rahmen des Programms »Der Mensch und die Biosphäre« weltweit über 600 Biosphärenreservate – oder auch Biosphärenparks – anerkannt. 16 gibt es davon in Deutschland und sieben in Österreich. Biosphärenparks unterliegen – wie auch Nationalsparks – keiner international einheitlichen Definition dessen, was genau auf ihrem Gebiet erlaubt ist und was nicht. Grundsätzlich gilt aber: In einem Nationalpark herrscht die Natur und der Mensch soll nur so weit eingreifen, wie es für die Wiederherstellug eines natürlichen Selbstregulativs notwendig ist – im Idealfall von Jahr zu Jahr weniger. Ein Biosphärenpark hingegen schließt mensch-

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leBeN aUf Sicht

liches Wirtschaften explizit mit ein, aber eben auf eine besondere Weise. Der Anspruch einer partizipativen Bewirtschaftung von Kulturlandschaften ist hier etwa ein Stichwort, das im Lungau besonders ernst genommen wird. Im Fall des Biosphärenparks Lungau wurde unter anderem mit dem Entwicklungspartner wwf erarbeitet, welchen Kriterien das Wirtschaften hier unterworfen ist. Die Kühe, von denen die »Reine Lungau« kommt, bekommen nicht nur regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen, sie dürfen auch nur mit Futter, das im Biosphärenpark angebaut wurde, gefüttert werden.

WELTOFFEN UND STOLZ AUF IHRE MILCH Man könnte fast meinen, dass hier nur Max Burghartswieser nicht aus dem Biosphärenpark Lungau kommt. Er ist »Zugereister«. Seit drei Jahren lebt und arbeitet der Traunsteiner (Bayern) hier. Er, der von allen »der Milchchauffeur« genannt wird, ist gern in der Gegend, die Lungauer sind besonders liebenswerte Menschen, erklärt er, und die ganze Angelegenheit mit der »Reinen Lungau« scheint überhaupt alle, die damit zu tun haben, zu verbinden. 52 der insgesamt 380 Milchwirtschaftsbetriebe im Lungau produzieren die »Reine Lungau«. »Die Bauern, die mitmachen, sind weltoffen und auch stolz auf ihre Milch«, sagt Max, steigt aus und bedauert, dass er immer nur wenige Minuten Zeit hat, um sich mit den Produzenten seiner wertvollen Fracht zu unterhalten, bis er zur nächsten Station weitermuss.

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»Mir graust’s da, wenn ich sehe, was manche in der konventionellen Landwirtschaft mit den Kühen machen.«

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WASSER AKTIV

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Trinkwasser sammelt auf dem Weg vom Berg in die Wasserleitung jede Menge Mineralstoffe und Spurenelemente. Die sind gut für die Gesundheit, kann aber bei Haushaltsgeräten zu Verkalkung führen.

TRINKWASSER: MEHR ALS WASSER

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zum eigenen Wasserhärtegrad findet man einfach auf der Wasserrechnung oder bekommt man auch beim Wasseranbieter. Die Wasserhärte wird in Millimol pro Liter (mmol/l) oder »Grad deutscher Härte« (dH) in drei Stufen angegeben. Informationen zur Wasserhärte gibt es bei Ihrem Wasserversorger.

Wasserhärte Weiches Wasser

hat weniger als 8,4 °dH (<1,5 mmol / l)

Mittleres Wasser

hat 8,4 bis 14 °dH

Hartes Wasser

hat mehr als 14 °dH

(1,5 bis 2,5 mmol / l) (> 2,5 mmol / l)

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DES BMNT

Trinkwasser ist nie reines H2O – die gelösten Inhaltsstoffe machen das Wasser erst aus. Dazu zählen die sogenannten Hauptionen, die sich in die Kationen Calcium, Magnesium, Natrium und Kalium und die Anionen Hydrogenkarbonat, Sulfat, Chlorid und Nitrat aufteilen. Dazu kommen noch Eisen, Mangan und Spurenstoffe. Diese Vielzahl an Inhaltsstoffen ist gut für die Gesundheit und wirkt sich gleichzeitig auf die Wasserhärte aus. Der Anteil an Calcium- und Magnesiumionen im Wasser bestimmt die Wasserhärte. Je höher der Gehalt dieser Härtebildner, umso härter ist das Wasser. Die gelösten Teilchen bestimmen auch den Geschmack des Wassers und liefern dem menschlichen Organismus wichtige Mineralstoffe. Andererseits muss man bei härterem Wasser mehr Waschmittel beim Waschen verwenden und die Rohre und Leitungen verschmutzen schneller durch die Kalkablagerungen. Genaue Informationen

BILD istock-com / Adinfinum

Wasser ist nicht nur Wasser. In Wien schmeckt es anders als in Innsbruck, in Lienz benötigt man weniger Waschmittel als in Klagenfurt. Was es mit den Inhaltsstoffen von Wasser auf sich hat, kann man von der hydrochemischen Karte Österreichs ablesen.

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WASSER AKTIV

ÖSTERREICHISCHE TRINKWASSERLANDSCHAFT Österreich ist zu einem Großteil von Kalkgestein durchzogen und so befindet sich sehr viel Calcium in österreichischem Wasser. Die Wasserhärte bezeichnet die Konzentration von gelösten Ionen im Wasser, die bedeutendsten sind Magnesium und Calcium.

BILD istock-com / Janoka82

Die Gesteine Österreichs und die Konzentration ausgeschwemmter Teilchen im Wasser sorgen für unterschiedliche Wasserhärten. Es macht einen Unterschied, ob es sich um Grund- oder Quellwasser handelt: Grundwasser bleibt wesentlich länger mit dem Gestein in Kontakt und hat so einen höheren Anteil gelöster Teilchen und eine entsprechend höhere Härte.

mit der Trinkwasserversorgung zu tun haben – also die Planung und Betreuung neuer, aber auch die Wartung und Instandhaltung alter Leitungen. Was kann man beim Trinkwasser falsch machen? Viel. Ganz grob gesagt muss man wissen, dass man nicht mit den Gummistiefeln vom Kanal in den Trinkwasserbrunnen geht. Im Umgang mit Trinkwasser muss man extrem reinlich vorgehen. Alle verwendeten Materialen müssen trinkwasser- und lebensmittelecht sein.

DIE WASSERMEISTERIN

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DES BMNT

Doris Negl ist eine von 2.130 Wassermeisterinnen und Wassermeistern in Österreich. Im Wasserwerk St. Pölten ist sie unter anderem für die Trinkwasserversorgung zuständig.

Was macht eine Wassermeisterin und wie wird man das? Ein Wassermeister kennt sich insbesondere bei Themen der Trinkwasserversorgung aus. Gerade wenn es um Trinkwasser geht, sind höchste Hygienestandards einzuhalten. In jeder Gemeinde sollte es zumindest eine Person geben, die sich mit den hygienischen Aspekten gut auskennt. Die övgw (Österreichische Vereinigung für Gas- und Wasserfach) bietet dafür eine einwöchige Schulung mit abschließender Prüfung und einem Zertifikat an. Er oder sie betreut also alle Aufgaben, die

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Wie sieht denn der Weg des Trinkwassers aus? Wasser nimmt auf dem Weg vom Berg ins Tal zahlreiche Mineralstoffe auf. Im Boden hat es noch mehr Zeit sich mit Teilchen anzureichern. Mineralwasser lagert noch länger als Grundwasser und in sehr großer Tiefe von bis zu 1.000 Metern. Dadurch hat es eine sehr hohe Konzentration an Mineralstoffen. Was macht gutes Trinkwasser aus? Die Härte des Wassers und die Anzahl gelöster Teilchen sind die wesentlichen Faktoren. Der Gehalt an Calcium und Magnesium bestimmt die Härte, während Natrium, Kalium, Chlorid und all die anderen Nährstoffe auch den Geschmack mitbestimmen. Wer schon mal Wasser nach einer Wasseraufbereitung getrunken hat, weiß: Zu stark enthärtetes Wasser schmeckt nach nichts.

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DIE HYDROCHEMISCHE KARTE ÖSTERREICHS Die hydrochemische Karte zeigt die Inhaltsstoffe des Wassers in den verschiedenen Regionen Österreichs an. Die neueste Auflage der Karte mit aktuellen Daten erschien Ende 2017.

Linz: 12,9–19 °dH

St.Pölten: 12,2–14 °dH

Tulln: 23 °dH

Innsbruck: 6–7 °dH

Wien: 6–14 °dH

Mürzzuschlag: 2–14 °dH Imst: 6–10 °dH

Graz: 15–16 °dH

Lienz: 6–8 °dH Klagenfurt: 17–20 °dH

Die Wasserhärte unterscheidet sich je nach Wasserspender im Ort: Stammen die Proben aus einer Quelle, sind sie meist weicher, stammen sie aus einem Brunnen, ist das Wasser härter. So kann es passieren, dass in einem Ort mehrere sehr unterschiedliche Wasserhärten gemessen werden. Die hydrochemische Karte findet man auf der Website des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus / Umweltbundesamt (bmnt). bmnt.gv.at

Hauptionen im Trinkwasser Anionen (negativ geladene Teilchen)

Kationen (positiv geladene Teilchen)

Calcium (Ca)

Magnesium (Mg)

Natrium (Na)

Kalium (K)

Nitrat (NO3)

Hydrogenkarbonate (HCO3)

gut für Knochen, Zähne und Haare

gegen Muskelkrämpfe oder Magen-DarmBeschwerden

wichtig für den Wasserhaushalt des Menschen

gut für Nerven und Muskeln

Pflanzennährstoff und Düngemittel

bestimmen die Wasserhärte

Sulfat (SO4)

Chlorid (Cl)

kommen im Trinkwasser nur in geringen Mengen vor

bildet zusammen mit Natrium Speisesalz (Natriumchlorid)

Quelle: Bericht zur Hydrochemischen Karte 2017 (bmnt.gv.at)

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SCHÖN SPIELEN

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Wertvolle Spiele zu finden, die zudem schön anzusehen sind und auch mit gutem Gewissen gekauft werden können, ist mit größerem Aufwand verbunden. Ein wohlklingendes Wort sollte man sich diesbezüglich merken: Baldrian. TEXT

ie Produkte, die aus der Feder der österreichischen Illustratorin Brigitte Baldrian stammen, sind eine angenehme Ausnahme unter den am Markt angebotenen Spielwaren. Und nachhaltig hergestellt sind sie obendrein. Brigitte Baldrian lebt und arbeitet in Wien und im Waldviertel. Seit frühester Kindheit zeichnet und malt sie, und das mit großem Talent. Baldrian schafft es auf der einen Seite, Naturmotive detailgetreu auszugestalten, auf der anderen Seite tummeln sich in ihren Illustrationen liebevolle Tierkarikaturen. Baldrian, die mal mit kräftigem Aquarell, mal mit schlichter Tusche arbeitet, beschäftigt sich schon sehr lange mit Flora und Fauna. Ihr Naturwissen konnte sie in ihrem Biologiestudium und einer Gärtnerausbildung vertiefen, 2009 schließlich machte Baldrian sich als Illustratorin selbstständig. Zu ihren Kunden gehören heute namhafte Umwelt- und Naturschutzorganisationen, Nationalparks, Naturmagazine und Kinderbuchverlage. Seit einigen Jahren spezialisiert sich Brigitte Baldrian auch auf Spieldesign und hochwertige Papeterie. Im Sortiment finden sich neben dem handgemalten, tierisch guten Spielkartenset und den drei superduper MemoSpielen (»Im Wald«, »Am Bauernhof« und »Vogelwelt«) auch Fine-Art-Prints, über 85 Postkarten und ein wunderschön gestalteter Geburtstagskalender. Die Spiele sind allesamt in Österreich produziert, von den grünen

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BILD Brigitte Baldrian

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Irene Maria Gruber

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BRIGITTE BALDRIAN

Allesamt von Hand illustriert: die Spiele von Brigitte Baldrian.

Druckereien Janetschek und Gugler gedruckt, bestehen großteils aus Recyclingmaterial und werden von einer Integrationswerkstätte in Wien (Verein gin) verpackt. »Die Spiele gibt es jetzt seit 2014, die Idee dazu kam mir eigentlich, weil ich einerseits mit meiner dementen Oma etwas Schönes spielen wollte und andererseits unseren Kindern eine Alternative zu ›Hello Kitty‹ und ›Prinzessin sowieso‹ bieten wollte. Seither wächst unser Spielesortiment langsam, aber sicher an«, erklärt Baldrian. Was ist das Erfolgsrezept? »Wir sind ein kleines, gut eingespieltes ›Familienunternehmen‹, während ich den Pinsel schwinge, ist mein Partner Harald der Grafiker und unsere Kinder die unbarmherzigen Materialtester.« Für die 24 Kartenpaare des Memo-Spiels »Am Bauernhof« hat Brigitte Baldrian viele alte Haustierrassen detailgetreu mit der Hand gemalt. Das Turopoljeschwein ist ebenso abgebildet wie das Waldviertler Blondvieh,

BILD Brigitte Baldrian

»Ich stecke gerade in der Finalphase von drei Bilderbuchprojekten.« das Sulmtaler Huhn oder die Steirische Scheckenziege. Neben vielen anderen Tieren können auch Bauernhof, Traktor, Obst- und Gemüsegarten sowie Dinkelgetreide aufgedeckt werden. Auch bei der Gestaltung des MemoSpiels »Im Wald« wurde auf eine breite Palette geachtet:

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Hier blickt der Waldkauz aus seiner Baumhöhle heraus, dann zanken sich auf einem Ast zwei Hirschkäfer, und der Eichelhäher hat sich soeben sein Lieblingsfutter geschnappt. Bewundert werden können auch Tanne und Feldahorn, Walderdbeere und Brombeere, Waldmeister und Türkenbundlilie sowie Fliegenpilz und Steinpilz. Wer beim Bestimmen von Vogelarten häufig nachschlagen muss, kann sich das Memo-Spiel »Vogelwelt« zulegen und die Besonderheiten von Rotkehlchen, Rauchschwalbe oder Feldsperling ganz nebenbei beim Kartenaufdecken studieren. In näherer Zukunft dürfen wir uns auf einige weitere schöne Dinge von Brigitte Baldrian freuen, und unter diesen werden – was ganz besonders großartig ist – auch Kinderbücher zu finden sein. »Ich stecke gerade in der Finalphase von drei Bilderbuchprojekten für den G&G Verlag«, verrät Baldrian. »Ein ziemlich großes Projekt ist das ›Österreich-Buch‹, das noch im Februar erscheinen soll, und dann wird es noch zwei Mitmachbücher über Wald und Bauernhof geben.« Für das nächste Jahr plant Baldrian, ihr Sortiment um ein neues Spiel und ein Bilderbuch für Kleinkinder zu erweitern. Das klingt doch höchst vielversprechend! Erhältlich sind die Produkte von Brigitte Baldrian in diversen Läden und Online-Shops in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Das größte Sortiment führt Hannibal in Wien, gea bietet alle Spiele und einige Postkarten zum Verkauf an. Im Online-Shop »Die kleinen Dinge« findet man alle Spiele, einige Postkarten und einen Kunstdruck.

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FAIRTRADE - GOLD

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Elena Seitaridis

Thomas Stollenwerk

Gold steht wie kein anderes Edelmetall für nachhaltige Werte. Inzwischen wird immer stärker darauf geachtet, dass diese Nachhaltigkeit an beiden Enden der Produktionskette eine Rolle spielt und nicht nur bei den Endabnehmern.

V

on außen sieht sie eher unprätentiös aus, die Trauringmanufaktur Wien. Ein flaches Gebäude im Gewerbegebiet am südlichen Stadtrand ist ihr Sitz. Dass es hier nicht einmal ein richtiges Firmenschild gibt, hat Sicherheitsgründe. Schließlich wird im Inneren mit Edelmetall in großen Mengen gearbeitet. An einem Tag in der Woche wird ausschließlich Fairtrade-Gold verarbeitet. Davor werden alle Produktionsmaschinen gründlich gereinigt, damit konventionelles und faires Gold nicht miteinander vermischt werden – schließlich macht die Unterscheidung nur dann Sinn, wenn sie nicht bloß schwammig, sondern streng gehandhabt wird.

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FAIRTRADE - GOLD

KEINE CHEMIKALIEN, KEIN QUECKSILBER Fairtrade kennt man von Bananen, von Schokolade und anderen Rohstoffen aus dem Globalen Süden, die vielfach unter Dumpingbedingungen produziert werden. Ein solcher Rohstoff ist oft auch Gold, erklärt Cornelia Gruber-Ruesch, Geschäftsführerin der Trauringmanufaktur. Als Fairtrade auf der Suche nach einem Partner für ein Projekt in peruanischen Goldminen war, kamen das Wiener Familienunternehmen und die Zertifizierungsorganisation schnell zusammen. Auch wenn der Rückgriff auf Gold aus Minen eigentlich nicht nötig wäre – schließlich ist genug Gold im Umlauf, das recycelt werden kann. »Das Fairtrade-Gold ist zwar Minengold«, erklärt Gruber-Ruesch. »Aber es gelangt unter gewissen Voraussetzungen auf den Markt. Und das ist das Schöne, dass wir wissen: Es wird nach FairtradeStandards gearbeitet. Keine Chemikalien, kein Quecksilber. Die Chemikalien, die verwendet werden, um das Gold abzubauen, gelangen nicht in die Erde, und die Mitarbeiter tragen Schutzkleidung. Auch das ist nicht selbstverständlich.« Der Einsatz von Chemikalien, vor allem Quecksilber, macht den Abbau von Gold zu einem ungesunden Geschäft, für die Umwelt und für die meist prekär arbeitenden Mineure. Wird im Erdreich Gold entdeckt, kann es durch den Einsatz von Quecksilber daraus gelöst werden. »Es gibt Bilder, da stehen die Mineure aus Peru mit ihren Füßen im Quecksilbereimer und stampfen das Gold aus der Erde. Hinterher gehen die Chemikalien dann einfach in den Fluss. Das sind Sachen, die man natürlich nicht unterstützen will«, berichtet die Trauringproduzentin. »Bei Fairtrade-Gold ist den Mineuren ein Mindestpreis garantiert. Zusätzlich gibt es eine Prämie, die der Gemeinschaft der Mineure zugutekommt und für soziale Projekte verwendet wird.« Vom konkreten Minen-Projekt von Fairtrade Österreich in Peru profitieren rund 1.200 Menschen.

»Die Chemikalien, die verwendet werden, um das Gold abzubauen, gelangen nicht in die Erde, und die Mitarbeiter tragen Schutzkleidung. Auch das ist nicht selbstverständlich.« – Cornelia Gruber-Ruesch, Trauringmanufaktur

NOCH EIN NISCHENMARKT Der Film »Blood Diamonds« mit Leonardo DiCaprio aus dem Jahr 2006, in dem es um den Schmuggel sogenannter Blutdiamanten aus Westafrika geht, hat bei Familie Ruesch den Wunsch bestärkt, im eigenen Unternehmen transparenter zu werden, was die Herkunft der verwendeten Materialien angeht. Und das Interesse an konfliktfreien Edelsteinen wuchs seither auch bei vielen Kundinnen und Kunden. Die Frage nach der Herkunft des verwendeten Goldes und auch der verwendeten Edelsteine wurde seit dem Film immer häufiger gestellt, erzählt Cornelia Gruber-Ruesch. Der Fairtrade-Standard ist nicht der einzige Standard, der dem Edelmetall eine faire Herkunft bescheinigt. Verschiedene Zertifizierungen kommen der wachsenden Nachfrage entgegen. Ein weiteres Zertifikat ist das Fairmined-Siegel, das von der Alliance for Responsible Mining vergeben wird. Einem

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Unternehmen, das auf Fairmined-Gold setzt, ist zum Beispiel die norwegische Münzanstalt, die daraus seit 2015 die Friedensnobelpreise fertigt. Beide Gütesiegel bedienen eher einen Nischenmarkt. Für Fairtrade-Gold wie für Fairmined-Gold gilt, dass es aus sogenanntem asm-Abbau stammt. asm steht für Artisanal and SmallScale Mining, artisanalen Bergbau in kleinem Maßstab. Das bedeutet: nichtindustrieller Edelmetallabbau. Je nach den lokalen geologischen Begebenheiten kann das bedeuten, dass Gold aus Wasser gesiebt wird oder dass es aus Felsen herausgearbeitet wird. Nur zwischen zehn und 15 Prozent des weltweit geförderten Golds stammen aus solchem Kleinbergbau – auch wenn er für neun von zehn Arbeitsplätzen in der Goldgewinnung sorgt. Auch wenn fair produziertes Gold aus Kleinminen und recyceltes Gold inzwischen

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leicht zu bekommen sind – der Großteil der Goldförderung geschieht weiterhin in industriellem Maßstab. Rund zwei Drittel der weltweiten Goldförderung entfallen auf zehn Staaten. Spitzenproduzenten sind China, Australien und Russland. Hier wird in großem Stil Gold geschürft. Schließlich geht es bei Gold nicht nur um wertvolle Schmuckstücke, sondern auch um eine weiterhin wichtige Geldanlage und um einen wichtiger werdenden Rohstoff der Elektronikindustrie. In jedem Smartphone stecken im Schnitt 25 Milligramm Gold.

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»EINE SCHÖNE GESCHICHTE« Der Großteil des weltweit gehandelten Golds allerdings ist Recycling-Gold. Das Recycling von Altmetall bezeichnet man auch als Urban Mining. Der Anteil an Gold aus nichtzertifizierten Minen geht bei europäischen Goldanbietern immer weiter zurück, heißt es. Bei der Österreichischen Gold- und Silberscheideanstalt (ögussa) zum Beispiel stammt das Goldangebot vollständig aus Fairmined-Abbau oder aus europäischem Altmetall-Recycling. »Urban Mining ist ressourcenschonend und jeder Art von Minenmaterial weit überlegen, wenn es um Sozialstandards und Umweltauswirkungen geht«, meint ögussa-Geschäftsführer Michael Fasching. Weil es genug Gold gibt, das problemlos recycelt werden kann, ist nicht jeder, der mit Gold zu tun hat, vom FaitradeGoldstandard überzeugt. Dort, wo unter einfachsten Bedingungen Gold abgebaut wird, kann der FairtradeStandard für die Familien, die vom Gold leben, allerdings einen großen Unterschied machen. Im Schmuvckbereich spielt das inzwischen eine Rolle. Cornelia GruberRuesch weiß, weshalb: »Es ist eine schöne Geschichte. Es ist eine schöne Idee.«

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THOMAS BREZINA IM INTERVIEW

INTERVIEW

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Irina Zelewitz

»ICH WILL TEIL EINES ERFOLGS SEIN.«

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Kinderbuchautor Thomas Brezina über Erwachsene, die alles kaputtmachen.

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THOMAS BREZINA IM INTERVIEW

62 Die meisten kennen Thomas Brezina als Bestsellerautor seiner Kinderbuchreihen wie »Die Knickerbocker-Bande« oder »Tom Turbo«. Er ist aber auch Drehbuchautor, Fernsehmoderator und Produzent und hat sich in letzter Zeit wohl auch noch den Titel Instagram-Star verdient. Auch dort zelebriert er seine Begeisterung für die Natur. biorama hat er verraten, wie er diesen Enthusiasmus auch bei anderen zu wecken versucht. biorama: Sind die Themen Ökologie und Umwelt über die Jahre in Ihren Büchern präsenter geworden? thomas brezina: Erstens habe ich immer sehr viel über Tier und Natur geschrieben. Ich wollte ja selbst Tierarzt werden, was ich nie geworden bin. Aber den Wunsch nach einem besseren Verständnis zwischen Mensch und Tier, habe ich mir in der Buchserie »Sieben Pfoten für Penny« erfüllt. Denn es bringt gerade bei Kindern nicht viel zu sagen: Ihr sollt schützen, ihr sollt dies und jenes machen! Und dann sagen die Kinder: »Na und? Die Erwachsenen machen alles kaputt, nicht wir!« Es geht darum, Achtung zu erzeugen, es geht darum, zu begeistern. Das war auch das Ziel meiner ganzen Wissenssendungen, und davon gibt es ja Hunderte von mir. »Forscherexpress« und »Knall Genial« und »Genau so geht’s« und so weiter und so weiter. Und wieder ging’s darum, für Natur, für Chemie, für Physik, also für alles, was uns umgibt, zu begeistern. Für Sie war es also von Anfang an ein Auftrag, Interesse und Begeisterung für die Natur zu wecken? Das ist mein eigenes Leben! Ich wecke Interesse für das, was mich selber begeistert und interessiert. Ich sehe das nicht so sehr als Auftrag, sondern als eine Freude, das zu machen. Und diese Freude möchte ich auch bei anderen auslösen. Ich glaube, das ist heute das Wichtigste. Haben Sie den Eindruck, dass die Notwendigkeit von Naturschutz und Verantwortung für die Natur den Kindern von heute eher bewusst ist als den vorigen Generationen? Das Thema Verantwortung für Natur und Naturschutz steht für mich nicht an erster Stelle bei Kindern. Zuerst müssen sie einmal kennenlernen, was das eigentlich ist. Also steht für mich an erster Stelle, ihnen das alles näherzubringen. Ich glaube, dass wir heute dazu mehr Möglichkeiten haben, dass wir mit wesentlich tolleren Bildern arbeiten können beispielsweise. Das ist ein großer Vorteil. Andererseits sind die Themen rund um uns wesentlich mehr geworden. Das heißt: Es ist ein Teil davon.

Das heißt: Wir sollten auf die Neugier setzen und darauf, dass die Verantwortung von selbst kommt? Ja, das halte ich für den erfolgreicheren Weg. Welchen Rat würden Sie Eltern geben, die ihren Kindern das Thema näherbringen möchten? Welche Art von Literatur und Lektüre? Ich glaube, das Allerwesentlichste ist, mit den Kindern in den Tiergarten zu gehen. Gerade im Tiergarten Schönbrunn wird enorm viel gemacht, um Interesse für Tiere zu wecken. Auch das Naturhistorische Museum tut sehr viel dafür, zu zeigen, was diese Welt alles Grandioses zu bieten hat. Es gibt Schaubauernhöfe, es gibt so viele Möglichkeiten, man kann auch einfach selber eine Safari in den Wald machen. Freude über das alles zu entwickeln und auch das gemeinsame Staunen über Dinge – dabei sind auch die Eltern sehr gefragt. Eine Aufgabe ist es auch, es nicht für selbstverständlich zu nehmen, dass etwas blüht, dass selbst im Winter schon Knospen an den Bäumen hängen und alles schon vorbereitet ist für den Frühling. Das halte ich für so wichtig. Da sind also die Grenzen der Literatur erreicht? Ja natürlich: Lesen und Filme sind eine zweite Stufe. Das direkte Erlebnis, das ist doch das Tolle! Was Literatur und auch Filme darüber hinaus bieten, ist großartig. Was ist mit jenen Großstadtkindern, die ihre Vorstellung der Natur in erster Linie aus den Medien beziehen? Das sind Studien zufolge ja viele. Wenn dem so ist, kann man als nächste Frage nur stellen: Was soll jetzt geschehen, was kann alles getan werden? Ich bin ein sehr pragmatischer Mensch. Diese Studien können ja nur dazu da sein, einen Anstoß zu geben, damit etwas unternommen wird. Und das, was ich vorschlage, sind ja keine sehr schwierigen Schritte, sondern sogar welche, die auch den Erwachsenen Freude bereiten sollen. Am 2. April ist in der Wiener Stadthalle die spektakuläre BBC-Dokumentation »Planet Erde II« zu sehen. Sie moderieren die Vorführung. Was ist das Besondere an diesem Film? »Planet Erde« liefert Bilder, die man normalerweise so nicht vor Augen bekommt. Aber es ist nichts anderes, als die Natur, die uns umgibt. Und das ist das Grandiose daran – durch starke Bilder wird eine Faszination ausgelöst für Dinge, die sonst vielleicht an einem vorübergehen würden. Was darf man sich von diesem Abend erwarten? Wien ist eine Station einer großen Tour. Es werden einerseits Ausschnitte aus dem Film gezeigt, dazu spielt

»Ich will Teil eines Erfolgs sein, und nicht Betroffener eines Schreckens.«

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– Thomas Brezina

ein Live-Orchester die grandiose Musik von Hans Zimmer, und dazwischen habe ich die Aufgabe, Verschiedenes zu erzählen zur Entstehungsgeschichte des Films und auch dazu, was im Film gerade zu sehen ist. Können Sie für jemanden, der Ihnen noch nicht auf Facebook und Instagram folgt, erklären: Was machen Sie da eigentlich? Sie sind ja sehr erfolgreich damit. In beiden Medien erzähle ich aus meinem Leben. Aber auch Krimis, die ich sonst für Kinder mache, gestalte ich jetzt dort in anderer Art auch für Erwachsene. Ich versuche, Dinge, die ich im Leben gelernt habe und die anderen vielleicht nützlich sein könnten, zu zeigen und Spaß zu verbreiten. Und ich habe ein Motto: »Es gibt auf der Welt wesentlich mehr Schönes, Großartiges, Faszinierendes zu sehen – wir müssen nur hinschauen!« In einer Zeit, in der auf Social Media so viel Negatives verbreitet wird, habe ich gesagt: Ich will ein Gegengewicht setzen! Und das mache ich. Sie richten sich auf Social Media also nicht an ein bestimmtes Publikum – Kinder oder Erwachsene beispielsweise –, sondern veröffentlichen einfach, was Sie selbst spannend finden, und das Erfolgsgeheimnis lautet: positive Inhalte bringen? Ja, und es hat natürlich auch mit meiner Art des Geschichtenerzählens zu tun. Damit, dass ich aus allem eine Geschichte mache. Ich erreiche dort Erwachsene, also beginnend bei etwa 17, 18 Jahren, es geht dann aufwärts bis über 40. Ich analysiere auch nicht genau, warum es so gut funktioniert, und war auch selber überrascht. Ich habe aus Spaß damit begonnen, und jetzt ist es ein Teil meines kreativen Lebens geworden. Was ich schon vielfach höre, ist, dass die Leute erzählen, sie schauen sich meine Instagram-Storys gerne an, wenn sie am Abend müde aus der Arbeit kommen und vielleicht etwas frustriert sind, und das baut sie auf. Na, das freut mich riesig! Aber ich erzähl ja auch: Auch

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bei mir läuft nicht immer alles großartig, auch bei mir ist nicht immer alles sensationell. Aber die Frage lautet immer: Was will ich daraus machen? Wir haben uns ausgiebig darüber unterhalten, wie man Kinder für Naturschutz begeistert. Aber was würden Sie denn empfehlen, wie man Erwachsenen mit neuen Medien sperrige Inhalte vermitteln kann? Wie auch jeder andere Mensch will ich nicht belehrt werden, ich will mir nicht erklären lassen, dass ich alles falsch mache. Ich will Teil eines Erfolgs sein, und nicht Betroffener eines Schreckens. Ja, vieles ist schrecklich. Aber es geht wieder darum: Was kann getan werden? Das ist doch das Interessante. Wir wollen doch alle Teil eines Erfolges sein und nicht Auslöser einer Katastrophe.

In Wien moderiert Thomas Brezina die Fortsetzung der BBC-Serie »Planet Erde«, in Deutschland moderiert Umweltaktivist Dirk Steffens: 6.3. 2018 Berlin, Mercedes-Benz Arena 7.3. 2018 Hamburg, Barclaycard Arena 9.3. 2018 Hannover, TUI Arena 13.3.2018 Köln, LANXESS Arena 16.3.2018 Oberhausen, König-Pilsener-Arena 21.3.2018 Zürich, Hallenstadion 22.3.2018 Nürnberg, Arena Nürnberger Vers. 24.3.2018 Stuttgart, Schleyer-Halle 26.3.2018 Mannheim, SAP Arena 30.3.2018 Frankfurt, Festhalle 31.3.2018 Freiburg, SICK-Arena 1.4.2018 München, Olympiahalle 2.4.2018 Wien, Stadthalle

BILD David Willis

»Eine Aufgabe ist es auch, es nicht für selbstverständlich zu nehmen, dass etwas blüht, dass selbst im Winter schon Knospen an den Bäumen hängen und alles schon vorbereitet ist für den Frühling. Das halte ich für so wichtig.«

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EINES TAGES WERDEN ALLE TIERE SO FREI SEIN. Sie werden genau das Futter bekommen, das ihrer Art entspricht und natürlich in der Herde aufwachsen. Sie werden das ganze Jahr, Sommer wie Winter, in Freilauf leben und jeden Tag so verbringen, wie es die Natur vorgesehen hat. Sie werden so frei sein wie unser Muxl, unsere Weidejungrinder, unsere Hendln, unsere Puten, unsere Schweine, unsere Ziegen und unsere Schafe. Als Vorreiter der Bio-Branche arbeiten wir unermüdlich daran, dass dieser Tag bald kommt.

Aus artgemäßer Tierhaltung.

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BROT

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BROT EROBERT DIE WELT Weltweit wird mehr Brot gegessen denn je. Sogar in Japan frühstücken die Menschen lieber Brot als Reis.

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eutsche Brotkultur ist seit 2014 unesco-Weltkulturerbe – damit reiht es sich neben die neapolitanische Pizza, chinesische Kalligrafie und andere kulturelle Errungenschaften in die Liste des immateriellen Erbes der Menschheit ein. Über 3.200 verschiedene Rezepte sind beim Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks registriert. Natürlich kann Deutschland nicht allein das Lebensmittel als Teil seiner Kultur beanspruchen. Bereits 2010 wurde die Kärntner Lesachtaler Brotherstellung als unesco-Kulturerbe angemeldet. Im Lesachtal backen traditionell Frauen im hauseigenen Ofen das Brot.

ASIEN KOMMT AUF DEN BROTGESCHMACK 2016 erreichte Japan ein neues Rekordtief beim Reiskonsum mit 54 Kilogramm pro Kopf. Ähnlich ist die Situation in Südkorea. Dort werden Jahr für Jahr weniger Reis- und dafür mehr Weizenprodukte verspeist. 2015 gaben die 51 Millionen Koreaner mit 5,1 Milliarden Euro (6,7 Billionen Won) weit mehr für Backwaren aus als die 82 Millionen Deutschen mit 4,3 Milliarden Euro. Zum wachsenden Brotkonsum in Fernost tragen Veränderungen in der Arbeitswelt bei. In Japan, Südkorea und China befinden sich mehr Frauen in fester Anstellung als je zuvor. 2010 waren bereits 40 Prozent der Arbeitskräfte in den genannten Ländern weiblich. Die traditionelle Vorstellung von der Hausfrau, die in der Früh aufwacht und Reis zubereitet, wird abgelöst von der Mutter, die schnell ein Stück Brot auf

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Croissant, Baguette und mehr: eine »französische« Konditorei in Tokio.

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Mashiah Sheikh BILD

Thomas Stollenwerk

den Teller legt, damit sie rechtzeitig in die Arbeit gelangt. Zusätzlich fördert das steigende Angebot an europäischen und amerikanischen Bäckereien die Beliebtheit des Nahrungsmittel. Von Malaysia bis Japan finden sich Filialen von teuren, ausländischen Bäckereibetrieben, wie der französischen Kette »Brioche Doree« oder der amerikanischen »Magnolia Bakery«. In der koreanischen Hauptstadt Seoul gibt es bereits seit 2002 die deutsche Bäckerei »Ach so! Lecker«. Der Inhaber Heo Sang-hoi hat in Dortmund studiert und bei seiner Rückkehr nach Korea entschieden, authentisch deutsche Brote belegt mit Schinken oder Gouda in seiner Heimat zu verkaufen.

GEBACKENER KULTUREXPORT Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks hat diese Entwicklung erkannt. Die Akademie des Deutschen Backhandwerks hat daher das »Diploma in German Baking« eingeführt. In vier Wochen lässt sich dort für 4.000 Euro in englischer Sprache das Backen von Brot, Brezeln und Kuchen erlernen. Auch das Lesachtal exportiert das eigene Handwerk. In der japanischen Hauptstadt Tokio findet sich ein Backhaus nach Vorbild eines Lesachtaler Hauses. Den Ofen dafür fertigte ein Österreicher an, und auch die japanischen Bäckergesellen wurden im Lesachtal ausgebildet. In Zukunft besteht daher die Hoffnung, im Ausland viel häufiger auf die Heimat zu treffen – wenn auch nur in Form eines runden Laibs Schwarzbrot.

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MALZZEIT

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BIER GEGEN DIE VERSCHWENDUNG Zurück zu den Wurzeln: Sagt man die Entstehung von Bier vergorenem Brot nach, so nutzt man heute wieder altes Brot zum Brauen. Dort, wo man es darf.

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nternational sind uns schon einige Projekte bekannt, in denen altes Brot herangezogen wird, um Rohstoffe im Brauprozess zu ersetzen. Dies kann ein wertvoller Beitrag gegen die Verschwendung von Lebensmitteln sein. Denn die Konsumgewohnheiten und insbesondere das Kaufverhalten haben sich in den letzten Jahrzehnten krass geändert. Zumeist geht man nach der Arbeit, oft abends einkaufen. Auch zu später Stunde muss also noch frisches Brot verfügbar sein, und das Risiko, dass zu Geschäftsschluss noch Unmengen von wertvollem Brot übrig bleiben, steigt. Spätestens seit Erwin Wagenhofers Film »We Feed the World« wissen wir ja: »In Wien wird täglich jene Menge an Brot als Retourware vernichtet, mit der die zweitgrößte Stadt Österreichs, das ist Graz, versorgt werden kann.« Die Tiroler Bäckerei Therese Mölk, die insbesondere die in Westösterreich vertretene Supermarktkette MPreis versorgt, startete 2015 ein Projekt, Brotreste sinnvoll zu verwerten. Mit der regionalen Tiroler Craftbierbrauerei Bierol bei Kufstein konnte dafür der geeignete Partner gefunden werden. Über ein Jahr lang tüftelte das Team um Christoph Bichler an einer geeigneten, sinnvollen und auch schmackhaften Rezeptur. Für das »Baker’s« ersetzt das Brot ein Drittel des Braumalzes. Das Malz und 80 Kilogramm Brot pro 1.000 Liter liefern die Stärke, die beim Brauprozess in vergärbaren Zucker umgewandelt wird. Was dabei herauskommt, macht dem Gaumen Freude: ein starkes Craftbier mit

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Micky Klemsch

feiner, malziger Duftnote und fruchtigen Hopfenaromen. »Wir bekommen altes Brot der Bäckerei bereits in Knödelbrotform gebracht und ersetzen das Braumalz zu 30 % damit«, sagt Christoph Bichler von Bierol. Auch Tobias Judmaier gilt in Österreich als Vorkämpfer gegen Lebensmittelverschwendung. Mit seinem »Iss mich!«-Lieferservice und Bio-Catering arbeitet er nach dem Zero-Waste-System. Als er dann aber mit der Bio-Greißlerei mit Bistro in der Wiener Innenstadt auch einen Shop übernommen hat, stand er ebenso vor dem Problem mit dem übriggebliebenen Brot. Mit Rainer Mraz, der vor den Toren Wiens eine kleine Brauerei in einem Kloster betreibt, hat er den richtigen Tüftler gefunden, der für Tobias Judmaier aus dem alten Brot

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die Biobiermarke »Wasted« entwickelte. Derweil gibt es ein Kornspitz (Cream Ale) und ein Semmel (Lager). In Deutschland ist ein solches Projekt als Bier übrigens nicht möglich. Das deutsche Reinheitsgebot, das auch in anderen Braubereichen jegliche Kreativität und Vielfalt einschränkt, erlaubt das Brauen ausschließlich mit vermälztem Getreide. Auf deutschen Produkten wie zum Beispiel dem Pumpernickel Porter von der Gruthaus-Brauerei in Münster steht dann auch nirgends Bier auf dem Etikett, sondern Brauspezialität. Was aber beim Bier ganz besonders wichtig ist: Schmeckt das denn auch? Im Fall des Baker’s aus Tirol darf es gerne noch ein zweites oder drittes sein. Man will ja was tun gegen die Verschwendung.

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Von welchen Mengen reden wir? Zusätzlich zu dem, was in den Haushalten weggeworfen wird, werden in Europa jährlich zirka drei Millionen Tonnen Brot vernichtet. An dieser Menge ist Deutschland mit 500.000 Tonnen und Österreich mit 40.000 bis 60.000 beteiligt. Zum Vergleich: Mit drei Millionen Tonnen Brot kann ganz Spanien ein Jahr versorgt werden, mit 500.000 Tonnen das Bundesland Niedersachsen. Warum diese Mengen? Das Backwarenangebot wächst schneller als die Nachfrage. Außerdem entsteht mit neuen Vertriebsmöglichkeiten wie Tankstellen zusätzlicher Brot-»Müll«. Immer volle Regale sind zwar für den Konsumenten bequem – tragen aber ebenso zu höherem Abfallvolumen bei. Was passiert mit dem ganzen Brot? Die nicht verkaufte Ware wird größtenteils zu Tierfutter verarbeitet. Der Rest wird an Sozialmärkte weitergegeben, in Biogasanlagen für die Produktion von Strom und Wärme verwendet oder kompostiert, wodurch aber Treibhausgase produziert werden. MASHIAH SHEIKH

BILD Bäckerei Therese Mölk, Iss mich!/Daniel Samer

BROTVERSCHWENDUNG

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GLASGEFLÜSTER / Sarah Krobath und Jürgen Schmücking

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BEST OF BIO VON FRÜH BIS SPÄT

ILLUSTRATION Nana Mandl, Katharina Hüttler / agentazur.com

FÜR DIE PRÄMIERTEN SIEGER AUS 300 EINGEREICHTEN WEINEN FINDET SICH UNTERTAGS IMMER EINE GELEGENHEIT.

sarah: Alles Gute liegt so »Nahe«. Das gilt nicht nur für die Vielfalt an spannenden Weinen, sondern auch für den ersehnten Frühling, der im gleichnamigen Weinbaugebiet in Rheinland-Pfalz angeblich ein paar Tage früher vorbeischaut als anderswo. Wer den Winter inzwischen mehr als satt hat, der kann mit dem Weißburgunder 2016 von Georg Forster aus Rümmelsheim jedenfalls gar nicht früh genug dran sein. Die feinen Bläschen am Glasrand künden bereits von dem spritzigen Trinkvergnügen, das einen mit animierender Säure, zartem Schmelz und saftiger Frucht erwartet. Ein herrlich frischer Aperitifwein, der nach Terrasse schreit, ja vielleicht sogar zum Wintergrillen anstiftet. Freunde zusammentrommeln, »Lovely Day« von Bill Withers auflegen und eine Flasche nach der anderen anreißen. Als Aperitif würde man die Thünauer Cuvée Blanc Privat 2015/16 nicht ins Rennen schicken, lieber lässt man sich von ihr mit vollem Geschmackskaracho auf einen Absacker gen Süden befördern. Aber Obacht: Von der kräftigen goldgelben Farbe und den intensiven Honig- und Muskatnoten betört schon auf halbem Weg nach Istrien, Heimat des Malvasia, heißt es in der Südsteiermark abbiegen. In St. Johann im Saggautal führt Georg Thünauer einen der ältesten Bio-Weinbaubetriebe der Region und setzt dabei auf pilzwiderstandsfähige Rebsorten, die mit wenig Pflanzenschutz auskommen. So auch die weiße Sorte Muscaris, die mit Sauvignon Blanc auf ein wuchtiges Packl gehaut auf stolze 14,5 Volumenprozent kommt und Lust auf würzige Asiaküche macht.

jürgen: »Best of Bio« ist schon eine phänomenal schräge Sache. Weine, die von Laien prämiert werden. Keine ParkerPunkte. Wie auch? Er wurde nicht eingeladen. Aber taugt das was? Können die das überhaupt, die Amateurtrinker? Sie können. Und wie sie das können. Sie diskutieren, kritisieren, schlürfen und manchmal schlucken sie auch. Amateure eben. Aber die Ergebnisse! Immer wieder beeindruckend. Wie diese hier. Vom Weingut Zähringer in Baden kommen kräftige, vollmundige und über die Maßen köstliche Weine, vorwiegend von klassischen Burgundersorten. Der Weißburgunder brut, ein Winzersekt, Jahrgang 2014, macht da keine Ausnahme. Das Besondere an diesem Sekt ist das von Zähringer entwickelte »Vierlig«-Verfahren. Dabei wird der Grundwein vor der Versektung in kleinen Holzfässeren, den Vierligs, gelagert. Der Sekt bietet ein breites Spektrum an reifen, gelbfruchtigen Noten, allen voran Birne aber auch Banane, Mango und Maracuja. Für die Dosage – der Sekt ist zwar brut, spielt aber mit einem spürbaren Zuckerspitzerl – wird Eiswein verwendet. Nur das Beste eben, und es hat sich ausgezahlt. Feinste Perlen für frühe Morgenstunden. Am Abend dann das: Verduzzo aus dem Friaul von Mont’Albano. Wovon der Wein immens viel hat: getrockneten Früchten, eingelegten Zwetschken, Rumtopf, Vanille, Blütenhonig, Balsaholz, Passionsfrucht, Marillenröster, Met, Kompott aus Nashi-Birnen. Außerdem von den Eigenschaften: Komplexität, Tiefgang, Abgang, Harmonie und Druck. Die einzigen Nachteile: Die Flaschen sind eindeutig zu klein, und die verfügbare Menge am Markt könnte auch größer sein.

die weine, die für diese rubrik von sarah krobath und jürgen schmücking verkostet werden, sind allesamt bio-qualitätsweine, die im rahmen des »best of bio«-awards ausgezeichnet wurden. das glasgeflüster entsteht in kooperation mit »best of bio«.

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EINGEBROCKT & AUSGELÖFFELT

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DAS

N O S C S K E E I R R L G

In Österreich ist das Grießnockerl wahrlich in aller Munde. Von klein auf bekannt, verschmäht selten jemand das göttlich gelbe Nockerl ohne triftigen Grund. Etymologisch stammt das Nockerl übrigens nicht, wie vielleicht vermutet, von den verwandten Gnocchi ab, sondern von der Nocke, einem Synonym für Hügel.

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urück zum eigentlichen Grießnockerl, das fast ausschließlich in der Suppe schwimmend anzutreffen ist. Ein gutes Grießnockerl zu fabrizieren kann die Motivation so manch ambitionierten Koches beziehungsweise so manch ambitionierter Köchin auf die Probe stellen. Temperatur und Zeit sind aber unsere Freunde, mit denen man das Nockerl-Malheur recht einfach vermeiden kann. Das Um und Auf einwandfreier Grießnockerln ist ihre durchgängig flaumige Konsistenz von der Hülle bis zum Kern. In dieser Version wollen wir sie einmal trockenlegen und sie mit Parmesan durchzogen auf saisonales Gemüse betten. Die zart buttrigen Nockerln verdienen die Beförderung zum Hauptgericht auf jeden Fall und vereinen sich hervorragend mit momentan wachsendem herbstlichen Wurzelgemüse à la Kürbis, Stangensellerie, Mangold, Pastinaken, Porree, Karotten, Rote Rüben & Co.

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DAS PARMESANGRIESSNOCKERL • 100 Gramm Hartweizengrieß • 80 Gramm Butter • 4 Eigelb • 120 Gramm Parmesan • Rosmarin • 250 Milliliter Wasser • Salz & Pfeffer

Die Butter wird mit 250 Milliliter Wasser aufgekocht, der Grieß gemeinsam mit etwas Salz rührend eingestreut. Den Herd abschalten und so lange rühren, bis sich die Masse zu einem Klumpen vereint, unter den man die Hälfte des geriebenen Parmesans, gerührte Eidotter, gehackten Rosmarin, geraspelte Muskatnuss sowie gemahlenen Pfeffer knetet. 5 bis 10 Minuten stehen lassen und mit zwei Löffeln, die man in heißes Wasser taucht – gegebenenfalls feuchte Hände zu Hilfe nehmen – wohlgeformte, komprimierte Nockerln modellieren. Die Technik mit den beiden Löffeln braucht etwas Übung, lohnt sich aber, wenn man auf Perfektion im Detail steht. Man hält jeweils einen Löffel in einer Hand und streicht die Masse abwechselnd über die beiden inneren Längsseiten der Löffel, indem man das Nockerl immer seitlich von einem Löffel in den nächsten hebt. Wasser in einem breiten Topf aufkochen, salzen und die Nockerln bei geringer Temperatur im heißen Wasser ziehen lassen, bis sie ihre Vollendung ganz von selbst anzeigen, indem sie an die Oberfläche treten.

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Esa Lotte BILD

Anna Zora

DAS GEMÜSEBETT • 300 Gramm Stangensellerie • ½ Stange Porree • 1 Stück Hokkaidokürbis • Olivenöl • Zucker, Salz & Pfeffer

Unser Parmesangrießnockerl bettet sich bereitwillig auf diversem Untergrund. Da ist es nicht wählerisch, ganz im Gegenteil, es macht ihm sogar Spaß, verschiedenste Beziehungen einzugehen – ganz nach Style & Saison, versteht sich natürlich. Herbstlich bandelt es mit Stangensellerie und Porree an und wird zum Schluss ein wenig rot, wegen des Kürbisses, der auch noch mitspielen will. Man schneidet den Hokkaidokürbis, den Stangensellerie sowie den Porree sehr fein und schwitzt zuerst den Kürbis und dann die anderen beiden Zutaten in Olivenöl an. Mit etwas Zucker – so ein Teelöfferl erfüllt seinen Zweck – und Salz den Geschmack abrunden. Pfeffern, mit einem kleinen Schuss Wasser oder Wein aufgießen und ohne Deckel bei mittlerer Hitze ca. 15 Minuten einköcheln lassen. Et voilà, mehr ist nicht dahinter – es kann angerichtet werden. Als Fleißaufgabe für die Motivierten unter uns kann der restliche Parmesan, anstatt ihn einfach drüberzustreuen, auch zu knusprigen Chips verwandelt werden. Dafür wird der geriebene Parmesan einfach in kleinen Häufchen – Perfektionisten verwenden runde Keksausstecher – auf ein Backblech gelegt, optional mit Kräutern, Fenchelsamen oder Chilis bestreut und für ca. 5 Minuten ins 200 Grad heiße Rohr geschoben. In einer verschlossenen Dose beziehungsweise einem Glas halten sich die Chips dann auch eine Zeitlang frisch und munter, sofern tatsächlich etwas von ihnen übrig bleiben sollte.

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Jürgen Schmückling

DAS GRÜNE GOLD DES MITTELMEERS E

s ist Herbst, und an den Hängen rund ums Mittelmeer herrscht rege Betriebsamkeit. In den Olivenhainen (und es gibt verblüffend viele davon in dieser Region) werden grüne Netze ausgelegt, um die herabfallenden Oliven einzusammeln. Die Früchte, aus denen das fruchtig duftende Öl gepresst wird, sind überwiegend grün und unreif. Direkt vom Baum ver-

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kostet, schmecken sie bitter und grasig. Keine kulinarische Offenbarung. Direkt aus der Presse geschöpft, vermag das frischgepresste Olivenöl ein Lächeln auf die erschöpften Gesichter der Bauern zu zaubern. Geerntet wird übrigens mit allem, was hilft, die Oliven vom Baum zu bringen. Zweijährige Äste werden mit Motorsägen an langen Stielen abgeschnitten. Wenn sie am Boden lie-

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Olivenöl ist bekömmlich, gesund und am Gaumen selten verkehrt. Doch worin unterscheiden sich die Pressungen der Hersteller? Und welches Öl eignet sich zum Braten?

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1 LA SELVA, OLIO EXTRAVERGINE D’OLIVA La Selva ist ein Betrieb im Süden der Toskana. Genauer gesagt in der Maremma, und jeder bioaffine Konsument sollte ihn auf dem Radar haben. Immerhin gehört La Selva zu den Pionieren im Biolandbau in Italien und verfügt außerdem über ein engmaschiges Vertriebsnetz in Deutschland und Österreich. Für das Olio extravergine d’oliva werden Oliven in Kalabrien geerntet und verarbeitet. Das Öl ist außerordentlich fruchtig, intensiv und gehört zu den besten Salatölen Italiens.

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2 BYODO, BRAT-OLIVE MEDITERRAN Man mag da vielleicht die Nase rümpfen, weil »Bratöl« nicht gerade an allerbeste Qualität denken lässt. Das sollte man nicht. Der Hersteller ist sich des Unterschieds zu Premium-Ölen sehr bewusst und vermarktet dieses Öl daher in der Kategorie »Haushaltsöle«. Dem Öl werden nach der ersten Pressung durch eine Art Wasserdampfbehandlung Aroma und Farbstoffe entzogen. Dadurch riecht (und schmeckt) es weniger intensiv, ist aber hitzebeständiger. Ein ideales Speisefett zum Frittieren oder zum scharfen Anbraten von Fischfilets.

3 CENTONZE, CASE DI LATOMIE, OLIO EXTRA VERGINE DI OLIVA Das Öl gehört zum absoluten Top-Segment in Italien. Und damit natürlich auch weltweit. Die Olivenbäume sind von fast biblischem Alter, die Sorte – Nocellara del Belice – eine Rarität und seit 2015 in den erlauchten Kreis der Slow-Food-Presidio-Produkte aufgenommen. Das haben bisher keine 30 Ölproduzenten geschafft. Eine für Italien verschwindend kleine Anzahl. Mittelfruchtig, aber intensiv grün, überzeugt das Extra-Vergine-Öl mit einem würzig-kräutrigen Aroma und harmonischem rundem Geschmack mit Noten von grünen Tomaten und süßen Mandeln.

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Mani ist der Platzhirsch unter den Bio-Olivenölen. Hier stimmen Philosophie, Qualität und Verfügbarkeit. Seit Felix Bläuel in die Leitung des Unternehmens eingestiegen ist, sind Veränderungen spürbar, und der frische Wind tut gut. Vor allem im Außenauftritt. Was dieses Mani-Olivenöl so kostbar macht, ist die in der griechischen Mani heimische Koroneiki-Olive. Die autochthone Olivensorte, das vom nahen Meer geprägte Klima und die mineralischen Böden geben dem Öl seinen einzigartigen Geschmack: fruchtig, harmonisch und ein floraler Hauch von Wildblüten.

5 AZIENDA AGRICOLA TOMMASO MASCIANTONIO, COLLINE TEATINE D.O.P., OLIO EXTRA VERGINE DI OLIVA Es ist ein paar Jahre her, dass die Biohotels die Olivenölproduzenten einluden, sich einem Bewerb zu stellen. Das Colline Teatine von Masciantonio kam und gewann damals mit voller Punktezahl. Der Name kommt von einer hügeligen Landschaft in den Abruzzen, der Geschmack von den Olivensorten Gentile di Chieti und Leccino. Das Aroma ist atemberaubend. Frisch geschnittenes Heu, grüne Banane, Kräuterblüten. Großartig. Mittlerweile taucht das Colline Teatine dieser Azienda auch bei anderen Bewerben auf. Und immer wieder auf den Rängen.

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6 BIO PLANÈTE, O’RANGE. OLIVE & ORANGE Bio Planète schreibt sich auf die Fahnen (und auf die Website), die erste Bio-Öl-Mühle Europas zu sein. Mag sein. Tatsache ist, dass die Ölmühle Moog seit 1984 sensationell gute Öle und Mehle herstellt. Das Angebot an Olivenölen ist vielfältig und breit gefächert. Die Öle kommen aus Kreta, Spanien, Portugal oder Tunesien. Von dort kommen auch die Oliven für das aromatisierte Öl. Für dieses Öl werden Oueslati-Oliven wilder Bäume aus den Gebirgen im Nordosten Tunesiens geerntet und innerhalb weniger Stunden gemeinsam mit frischen unbehandelten Maltaise-Orangen gepresst. Ein zitrusfrischer Traum, der jedes Fischgericht aufwertet.

7 FATTORIA I VERONI, OLIO EXTRA VERGINE DI OLIVA NUOVO RACCOLTO I Veroni ist bei Florenz. Toskanisch also. Daher auch die Dominanz von drei Sorten. Frantoio, Moraiolo und Leccino. Die drei Sorten sind dafür prädestiniert, gemeinsam zu Öl gepresst zu werden. Je nach Menge bieten sie dann Öle mit mehr oder weniger Struktur (Leccino), mehr oder weniger Nachhall oder Abgang (Frantoio) und nicht zuletzt mehr oder weniger Geschmack (Moraiolo). Während Leccino in ganz Italien sehr gut verbreitet ist, finden die beiden anderen Sorten ihre Wiegen in der Toskana. Die Zusammenstellung der drei Sorten führt auch dazu, dass das Öl eher auf exquisiten Antipasti-Tellern landen soll und weniger in Pfannen zum Braten.

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4 MANI, NATIVES OLIVENÖL EXTRA SELECTION

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Der in der Aloe Vera Körpercreme www.styx.at enthaltene Wirkstoffkomplex schafft eine harmonische Rundumpflege für trockene und beanspruchte Haut, versorgt sie mit Feuchtigkeit und erfrischt mit einer angenehm kühlen Note.

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Carola Wimmer

WINTERHAUT Kalte Temperaturen draußen, beheizte Räume drinnen – der Winter ist für die Haut ein Wechselbad der Gefühle. Welchen Einfluss haben kalte Luft und niedrige Luftfeuchtigkeit auf die Haut?

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ie trockene Heizungsluft entzieht dem größten Organ des Körpers Feuchtigkeit und Fett. Es entstehen kleine Risse, die Haut wird empfindlich und rau. Wie viel Feuchtigkeit wir verlieren, hängt von vielen Faktoren ab. Nicht nur der Feuchtigkeitsverlust direkt ist schlecht für die Haut. »Bakterien und Viren nisten sich auf trockener Haut aufgrund der rauen Oberfläche leichter ein, das Risiko einer Hautkrankheit ist größer«, sagt Tamar Kinaciyan, Dermatologin an der MedUni Wien. Im Freien produziert die Haut wegen der Kälte zu wenig Talg. Im Extremfall können dadurch permanente Schäden wie Couperose, die durch Gefäßerweiterungen zu Rötungen im Gesicht führt, entstehen.

KÜRZER DUSCHEN Auch wenn sie im Winter vielleicht besonders verlockend sind: Lange, heiße Duschen und Bäder entziehen der Haut Feuchtigkeit. Dasselbe gilt für Duschgel und Seife, die den Schutzfilm der Haut angreifen und die Haut austrocknen können. Beim Baden sind ölhaltige, feuchtigkeitsspendende und rückfettende, pH-neutrale Zusätze schonender für die Haut. Vollbäder sollten maximal zweimal pro Woche gemacht werden, bei einer Temperatur zwischen 32 und 35 Grad Celsius. Wer häufig duscht oder badet, muss genauso häufig cremen! Hautpflegeprodukte mit Alkohol – wie Gesichtswasser – trocken die Haut noch mehr aus. Auch häufige Peelings reizen die Haut.

ANDERS PFLEGEN Bei Temperaturen unter acht Grad macht ein Umstieg auf fetthaltigere Cremes Sinn, da die Talgdrüsen die Produktion von schützendem Fett reduzieren: Wasser verdunstet dann schneller von der Hautoberfläche. Reichhaltige Cremes oder Öle schützen die Haut vor dem Austrocknen und vor schädlichen Umwelteinflüssen wie Kälte. Der Kauf einer neuen Creme ist nicht unbedingt notwendig. Wer schon eine reichhaltige Nachtpflege hat,

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kann diese im Winter auch tagsüber benutzen. Anders ist es bei extremen Witterungsverhältnissen – etwa in den Bergen. Die Hautpartien, die direkt Kälte, Wind und Sonne ausgesetzt sind, brauchen entsprechend zusätzliche UV- und Kälteschutzschichten. Zahlt sich die Investition in eine spezielle Kälteschutzcreme hier aus? Oder reicht es, einfach auf eine Creme mit hohem Fettanteil zurückzugreifen? »Kälteschutzcremes haben neben dem hohen Fettgehalt auch einen Schutzeffekt, da sie einen anhaftenden Schutzfilm auf der Haut bilden«, erklärt Kinaciyan.

MEHR LUFTFEUCHTIGKEIT In geschlossenen Räumen ist ausreichende Luftfeuchtigkeit wichtig, da trockene Luft auch die Schleimhäute austrocknet. Laut Kinaciyan liegt eine optimale Luftfeuchtigkeit in Innenräumen bei 40 bis 60 %. In beheizten Räumen liegt die Luftfeuchtigkeit manchmal jedoch nur bei 20 %. Um neben genug Luftfeuchtigkeit auch genug Sauerstoff in der Wohnung zu haben, ist es laut Kinaciyan wichtig, mehrmals am Tag für zehn Minuten zwei gegenseitige Fenster zu öffnen und die Wohnung durchzulüften. Die Fenster zu kippen kühlt die Wohnung nur ab. Außerdem empfiehlt sie, die Wohnräume nicht wärmer als auf 21 oder 22 Grad zu heizen. Was ist eigentlich von den vielbeworbenen Luftbefeuchtern zu halten? Für Kinaciyan lohnt die Investition in einen speziellen Luftbefeuchter nicht. Die Gesundheitsgefahr, die von den sich im Gerät ansiedelnden Keimen ausgeht, halte sich zwar in Grenzen, doch die Kosten-Nutzen-Rechnung gehe nicht auf. Feuchte Handtücher auf dem Heizkörper sind für die Dermatologin eine gleichwertige, preisgünstigere und ökologischere Alternative: »Abgesehen vom Anschaffungspreis sind Luftbefeuchter mit Wartungs- und Reinigungsarbeiten belastet. Außerdem wirken sie lokal. Sparen Sie lieber das Geld und investieren Sie in die Pflege Ihrer Haut.«

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RICHTIG FETT VERSORGT

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Gerade bekommt es unsere Haut sprichwörtlich »kalt-warm«. Für die richtige Pflege im saisonalen Temperaturgefecht hier die Basics gegen Winterplagen.

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er Winter kann die Hautbalance so richtig ins Wanken bringen. Kälte und Heizungsluft zehren am Lipidmantel und Feuchtigkeitsgehalt. Die Haut braucht jetzt klar Hilfe, um Feuchtigkeit weiterhin zu speichern und kein »Fett zu verlieren«: Outdoor steht Kälteschutz und indoor rückfettende Pflege auf dem Programm. Doch wie geht das möglichst unkompliziert in bio?

VIEL FETT, KEIN ALKOHOL UND WENIG WASSER

KÄLTESCHUTZ-PROFIS

Um der Kälte den Riegel vorzuschieben, greift man vorrangig zu fetten und sehr wasserarmen Produkten. Tatsächlicher Kälteschild sind hier meist das biologische Schutz-Ass Bienenwachs oder andere Wachsstoffe in Kombination mit pflegenden Ölen. Auch bei der Körper- und Gesichtspflege achte man auf Präparate, die mehr Fette und Öle als Wasser enthalten – Creme und Balsam ist gegenüber Lotionen klar der Vorzug zu geben. In puncto Reinigung ist es besser, auf alkoholhaltige Gesichtswasser und tensidhaltige Reinigung zu verzichten. So schwächt man die Hautschutzbarriere nicht zusätzlich. Das gilt übrigens auch fürs Duschen und Baden: Hier ist weniger mehr, man darf sich jetzt offiziell weniger und nicht zu lange waschen, denn auch das kann austrocknen.

1 Der Calendula Wind- und Wetterbalsam schützt mit Bienen- und Wollwachs, Mandelöl und Ringelblume – im Alltag ebenso wie bei Kältespitzen. 2 Bei Schnee und Eis haben sich der blubonbon cold protection balm und 3 Dr. Bronner’s Baby-mild Bio Magic Balm besonders bewährt. Alle hinterlassen trotz intensiver Konsistenz kein klebriges »Vaseline-Gefühl« und schützen dort, wo man es gerade braucht: also auch besonders gut bei rissigen Händen, Lippen oder zum Gesamtschutz der Gesichtshaut.

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Michael Mickl TEXT

Bernadette Schmatzer

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LIPIDMANTEL-BOOST FÜR GESICHT UND KÖRPER

BODYBUTTER

4 Besonders reichhaltig ist die Traubenkernöl+ Gesichtspflege von dieNikolai, die die Haut mit Ghee schützt und sich trotzdem herrlich leicht anfühlt. 5 Die Ultra Rich Body Cream von Living Nature pflegt trockene Haut reichhaltig mit Manukahonig und duftet ebenso zum Anbeißen süß. 6 Buttrig zart und trotzdem leicht zu cremen ist Madame Inges Body Mousse von i+m Berlin. Feuchtigkeitsdefizite gleicht es mit Argan- und Zedernnussöl aus.

100 Gramm Kokosöl, 50 Gramm Kakaobutter, 50 Gramm Mandelöl, einige Tropfen Parfum-öl // Kokosöl, Kakaobutter und Mandelöl über dem Wasserbad schmelzen, verrühren und kaltstellen. Wenn die Masse langsam hart wird, mit dem Handmixer aufschlagen, bis eine cremige Konsistenz entsteht, und ein paar Tropfen Parfumöl zusetzen. Quelle: kreativfieber.de

Produkte online zu finden unter: weleda.at, blubonbon.com, drbronner.de, diennikolai.at, livingnature.com, iplusm.berlin

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FUCK BEAUTY

80 Mit ihrer »Ichkaufnix«-Shopping-Diät wurde Nunu Kaller berühmt. Nun verabschiedet sie sich in »Fuck Beauty!« vom Ideal makelloser Schönheit. Ein Buch, zwei Meinungen. MEINUNG

Yasmin Vihaus

SEI LAUT, GROSS UND EINNEHMEND! A

utorin Nunu Kaller verarbeitet im Buch »Fuck Beauty!« ihre eigene Unsicherheit, die Unzufriedenheit mit ihrem Körper und ihrem Auftreten. Schlüsselerlebnis ist dabei ein Urlaub auf den Philippinen, bei dem sie auf einem Boot sitzend über ihre Fettröllchen grübelt und beschließt, dies künftig zu unterlassen. Eine durchaus sinnvolle und wichtige Überlegung, als kritische Leserin möchte man ihr – der privilegierten, weißen, an sich zweifelnden Heterofrau, deren Sorgensich eigentlich darauf beziehen sollten, wie man den Gender-Gap bekämpft, gegen Klimaerwärmung vorgeht und die Medien und ihr Bild einfach stürzt – dennoch gerne zurufen: »Reiß dich doch endlich zusammen!«. Nicht, weil man die Selbstzweifel nicht nachvollziehen kann – das Bild, das Medien seit Jahren als Idealfrauenbild vorbeten, ist natürlich beschissen –, sondern weil man sich von einer 35-jährigen gebildeten Frau, die offensichtlich verstanden hat, dass dieses propagierte Körperbild falsch ist, mehr Tiefgang erwartet. Die Frage sollte im Jahr 2018 und in einer Zeit, in der Feminismus zumindest wieder ein kleines Hoch erreicht, nämlich nicht lauten »Bin ich zu groß, zu laut, zu einnehmend«, sondern vielmehr »Bin ich laut, groß und einnehmend genug?«. Yasmin Vihaus ist Chefredakteurin von The Gap.

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MEINUNG

Irina Zelewitz

DEAL WITH IT! I

n der Sauna: Wie viele Leute findet man eigentlich attraktiv? Und ist es eigentlich ein Problem, wenn man nicht alle attraktiv findet? 96 % aller Frauen der Welt hätten etwas an sich auszusetzen, schreibt Nunu Kaller. Moment. Wer sind die anderen 4 %? Sind das dann die Menschen, die Schönheitsidealen entsprechen? Haben die wirklich nichts an sich auszusetzen? Vermutlich haben 100 % aller Menschen – übrigens nicht nur Frauen – etwas an sich auszusetzen. Aber darum geht es nicht, in »Fuck Beauty«. Es geht darum, dass sich auch Erwachsene mit Problemen beschäftigen, die eigentlich zur Adoleszenz gehören und damit in die Kinder- und Jugendliteratur. Dort, wo Äußerlichkeiten nüchtern als das, was sie nun einmal sind – als gesellschaftliche Konventionen, die wir als Gesellschaft selbst definieren –, abgehandelt werden, sind wir als Gesellschaft offensichtlich noch nicht. Insofern bleibt es notwendig, darüber zu sprechen und neue Ideale zu schaffen. »Fuck Beauty« ist eine Nabelbeschau – auf einen Nabel mit Speckrollen. Es zeigt ehrlich auf, welche Gedanken fast jede und jeder im Leben hat und wie man lernt, zu sagen: Scheiß auf die Vorstellung von Schönheit, die einem andere diktieren! Scheiß überhaupt manchmal darauf, ob du allen gefällst! So banal, so schwierig oft in der Umsetzung. Kallers Buch ist dabei eine unterhaltsame Begleitung. Irina Zelewitz ist Chefredakteurin von BIORAMA.

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ELTERNALLTAG / Ursel Nendzig

ILLUSTRATION Nana Mandl

Wie schade, dass wir uns das nicht aus der Kindheit mit rüberretten können: den wertfreien Sinn für Schönheit. Er ist vermutlich das Beste an Kindern.

KINDLEIN, KINDLEIN AN DER HAND

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as mir in der Zwischenzeit klargeworden ist: Kinder sehen die Menschen um sich herum als gegeben und unveränderlich. Dass sich diese verändern, sprich älter, schiacher, dünner oder dicker werden und alle eines Tages sterben werden: Klar wissen sie es, vor allem das mit dem Größerwerden, weil wir es ihnen immer wieder sagen, schau her, das war ich als Kind, und wenn du groß bist, wirst du auch ein Handy haben. Dann lachen sie oder freuen sich. Aber irgendwie ist es ihnen einfach: scheißegal. Die beiden Söhne nehmen auch ihr eigenes Aussehen als gegeben hin und hadern kein bisschen damit. Wie Hunde eigentlich. Sie sagen nicht: Ich hab schönere Haare als du, meine Augenfarbe ist toller als deine, so wie sie es mit Spielsachen machen: »Ich hab mehr Lego als du, ällabätsch.« Nein, hier stellen sie Tatsachen fest. Meine Haare sind blond, die vom O. sind dunkelbraun, die E. hat einen dicken Bauch. Der oder die ist schön, der ist dick, der ist schiach und so weiter. Aber es gibt hier überhaupt keine Wertung. sooooo eine dicke Frau gesehen!« Sie freute Ach, könnte es doch so bleiben. Irgendsich einfach darüber. Die Erwachsenen vor wo nämlich zwischen Kindheit und Alter und hinter uns schauten betreten zu Boden geht das verloren. Die vielen Einflüsse von und schämten sich für die Wurstfachverkäuferin gleich mit. Ich auch, ehrlich gesagt. außen machen, dass dicke Menschen weniger schön sind als dünne. Dass lange HaaZum Glück wird man von den Kindern re schöner sind als kurze. Dass Muskeln immer wieder an der eigenen Nase genommen, schöner sind als Fett und so weiter. Dass mit meinem Neffen hatte ich auch so ein Erleballes zueinander in eine Relation kommt, nis. Der hatte eine neue Kindergärtnerin, eine verglichen und bewertet wird, das finde Griechin, mit einem unglaublich tollen Namen, ich so schade. Als ich mit meiner damals den ich leider vergessen habe. Jedenfalls war sie etwa fünfjährigen Nichte einmal im Suwahnsinnig dick. Die Kinder konnten gar nicht richtig auf ihrem Schoß sitzen, sondern balanpermarkt war, stand ich mit ihr an der Hand vor der Wursttheke in der Warcierten eher auf dem kleinen Stück Knie, das unter teschlange. Und die Wurstfachverihrem Bauch noch hervorragte. Dafür bot sie eine käuferin war so dick, dass sie es nicht unglaublich weiche Rückenlehne, in die sich mein schaffte, sich bis zu den ganz vorne Neffe gerne und oft sinken ließ. Die Eltern versuchaufgestapelten Wursthäufchen zu ten demonstrativ, die offensichtliche Dickheit der bücken, weshalb sie außen rumgeKindergärtnerin ja nicht anzusprechen, um zu zeigen, hen, die Glasscheibe hochheben wie wahnsinnig egal es ihnen war. Mein Neffe wurde und die Wurst von vorne rausgadann gefragt, wie er denn seine neue Kindergärtnerin beln musste. Meine Nichte lachte so fände. »Du meinst die Dicke?«, fragte er, und dann laut und sagte: »Ich hab noch nie sagte er: »Schön.«

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BioB


Folge uns Zuckerfrei bis drei: Muss ein Kleinkind Süßigkeiten essen? Warum ich diese Frage mit „jain“ beantworte

V o n Kathi Klaudel in Querbeet W enn m an zum ersten M al M utter wird, will m an alles richtig m achen, w as m an richtig m achen kann. M an ist am bitio niert und m o tiviert, zum indest so lange bis die Realitä t auf ernüchternde Art und W eise zurück schlä gt. So w ar es auch bei m ir. M ittlerweile ist m ein So hn 2 ½ Jahre alt und ein V o rsatz vieler junger M ütter so rgt auch bei uns im m er wieder f ür Z ünds to f f : „Z uck erf rei bis drei. “

/ dennsBio m arkt / dennsOes terreich

Themen Em elys Z ick enzo ne Helden des Alltags N aturko sm etik N aturtex tilien Sa iso nale Rezeptideen

Autoren Ariane Bille Erbse Huth Kathi Klaudel Julia Keith Renée Herrnkind

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Wildvögel füttern im Winter

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Wildvögel füttern im WinterBird Box und zwei Alternativen zu Meisenknödeln

V o n Erbse Huth in DIY, Querbeet Seit einem Jahr lebe ich in einer Sta dtwo hnung m it Balko n. Für m ich w ar direkt klar, dass ich das Privileg eines Balko ns inm itten vo n Hä userm eeren nutzen würde , um eine kleine grüne O ase zu scha f f en, in der nicht nur ich m ich wo hl f ühle . I ch arbeite seitdem im m er wieder an m einem Balko n, habe Insektenhotels aufgestellt, pflanze im Frühjahr überwiegend Blumen für Wildbienen und habe natürlic h auch bego nnen Vö gel zu f üttern. D rei M ö glichk eiten Wildvö gel z u f üttern, m ö chte ich gerne m it euc h teilen.

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Hermelinda Choquehuanca, Bio-Kaffee-Bäuerin der Kleinbauern-Kooperative Norandino in Peru.

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