BIORAMA 86

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AUSGABE 86 — AUGUST / SEPTEMBER 2023. WWW.BIORAMA.EU — ÖSTERREICHAUSGABE

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FEUCHTGEBIETE

Unter Wasser und an Land verschwindet der fruchtbare Boden. Bäume versenken: Gegen den Verlust von Wiesen und Wäldern im Meer. Flaschendrehen: Bei Speiseöl wird endlich ein Mehrweg eingeschlagen. Rumkosten und -kochen: So vielfältig sind Bohnen ohne Speck.

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schert sich ums Klima. Amählie Solarschaf

Für den Klimaschutz in und um Wien setzen wir alle Hebel in Bewegung. Damit Sie zuhause nachhaltig mit Strom und Wärme versorgt sind und e-mobil mit 100 % Ökostrom unterwegs sein können. Wie wir bis 2040 klimaneutral werden und was das mit einem Solarschaf zu tun hat: wienenergie.at/Amählie Wien Energie, ein Unternehmen der Wiener Stadtwerke-Gruppe.


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E D I T O R I A L , IM P R E SSU M

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DER ÜBERGANG

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COVER BIORAMA, IST OCK.CO M/ PI PITPAN LERDPIPITPO N, DOTTE DHIPPO , VAC 1, WA SITT B ILD BI ORAMA/MICHAEL MICKL

ie Grenze zwischen Land und Wasser scheint in Stein gemeißelt. Wenn die Wissenschaft einzelne Zentimeter ansteigenden Meeresspiegels feststellt oder sogar Meter prognostiziert, können wir uns nicht wirklich vorstellen, was da passiert. Erste Onlinestadtpläne von Küstenstädten, auf denen eingezeichnet ist, in welchem Jahr der Zukunft, welche Teile einer Stadt unter Wasser stehen werden, wenn bestimmte Prognosezenarien eintreten, sind in den vergangenen Jahren aufgetaucht. Und an vielen Küsten wird versucht, sich baulich dagegen zu wappnen. Meistens wohl im Wissen, dass dies ohne zusätzliche Maßnahmen langfristig ein Kampf auf verlorenem Boden ist. Viel zu selten wandert der Blick auf und in das Meer, an die Küsten, die das Land befestigen und schützen, die für Menschen wie Tiere Anziehungspunkt und unersetzliche Lebensgrundlage darstellen. Sie leiden besonders unter dem Klimawandel und seinen Folgen, können aber auch besonders viel zur Stabilisierung des Weltklimas beitragen und ihr Schutz ist unerlässlich, soll der Kollaps der Artenvielfalt noch aufgehalten werden. Die Küsten erodieren mit der Artenvielfalt, ihre Befestigung beginnt – sagen ausgerechnet jene, die sich wissenschaftlich mit Restaurationsprojekten beschäftigen – für die meisten von uns auf unseren Tellern! Wir empfehlen den Genuss nachhaltig produzierter Lebensmittel und wünschen Gute Lektüre!

IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORINNEN Samantha Breitler, Sebastian Jobst, Martin Mühl, Ursel Nendzig, Jürgen Schmücking, Hanna Stummer, Thomas Weber GESTALTUNG ­Patricia Enigl, Nanna Kaiser, Stefan Staller LEKTORAT Barbara Ottawa ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Tanja Grossauer-Ristl, Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG ­Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien. BLATTLINIE BIORAMA ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. BIORAMA erscheint sechs Mal im Jahr. Zusätzlich erscheinen wechselnde BIORAMA-Line-Extentions.

Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber


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86 INHALT Editorial Bild der Ausgabe 08 LeserInnen 03

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Street Talk Global Village Das Baumriff Effiziente Aufforstung beginnt immer öfter auf dem Meeresboden.

26

Der Büffel, ein bulliger Europäer Warum der Wasserbüffel als Landschaftspfleger an Bedeutung gewinnt.

35

Wo Büffel weiden Bald werden die Landschaften Europas wieder von Büffelherden geprägt, hofft Biologe Jan Haft.

40 Reduce -> Reuse Dekarbonisierung des Bauens: drei Ansätze auf der Ebene des Materials. 44

Etikettenzauber Etiketten können hartnäckig sein.

46

Flaschendrehen Speiseöl in der Pfandflasche aus Glas. Geht es nach dem Berliner Start-up Dotch, wird das Standard.

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Kerngeschäft Geschichte und Geschmack von Bohne & Co.

52

Nur Tee Wie gefährlich sind PA?

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16 KÜSTENBEFESTIGUNG Künftig werden immer mehr Menschen in jener Zone leben, die maximal zehn Meter über dem Meeresspiegel liegt, in der sogenannten Low Elevation Coastal Zone.

Herbstkräuter vor deiner Haustür Anleitung zum ganzjährigen Sammeln und Kochen.

58

Das einfache Italien

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Rezensionen

Linsen ohne Speck.

MARKTPLATZ 42

Marktplatz Kosmetik

KOLUMNEN 64 66

Aus dem Verlag Elternalltag

BILD TOBIA S PO PRICK, AXEL S CHMI DT, JAN HAFT, BIO RAMA, ISTO CK. COM / PO RAVUTE

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AU F TAK T


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26

35

EIN BULLIGER EUROPÄER

WO BÜFFEL WEIDEN

Eine imposante Erscheinung, genügsam und gutmütig: Warum der Wasserbüffel als Landschaftspfleger an Bedeutung gewinnt.

40 REDUCE -> REUSE

Ein Fokus der 18. Architekturbiennale ist die Dekarbonisierung des Bauens.

Bald werden die Landschaften Europas wieder von Büffelherden geprägt, hofft der bayerische Biologe und Natur­ filmer Jan Haft.

42 MARKTPLATZ KOSMETIK

Plastikvermeidung durch feste Pflegeprodukte.

44 ETIKETTENZAUBER

Orangenöl ist oft eine Lösung.


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BI L D D ER AU SGA B E

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ZUHAUSE AN DER KÜSTE

BILD: MARTINA ANDRÉS

Eine Kegelrobbe, die im Kelpwald vor den Shetlandinseln taucht, während jagende Orcas nahen (rechts), und ein Junges und seine Mutter an der Ostseeküste Estlands (unten): Die Kegelrobben sind eine von 30 im Bildband »Unsere Meere« portraitierten Bewohner von Nord- und Ostsee. Auf der Insel Sareema, bekommen die Robben erst seit Kurzem ihre Jungen – nämlich seit kein Meereis hier mehr vorhanden ist, auf dem Mütter und Junge sicher vor den meisten Räubern sind. Den Müttern ist an Land allerdings schnell zu heiß, ihnen droht an Land der Hitzschlag, und daher verlassen sie die Babys immer wieder für ausgedehnte Bäder. Währenddessen robben an Land die Jungen auf der Suche nach ihren Müttern herum und oft finden sich beide nicht rechtzeitig wieder. Der Klimawandel zehrt an den Kräften der Kegelrobben, sie geben weniger Milch. Das Foto zeigt zwei, die sich nochmal wiedergefunden haben.

»UNSERE MEERE – Nordund Ostsee.«, von Thomas Behrend, 2023, Frederking & Thaler.

IRINA ZELEWITZ

»Es ist mehr oder weniger immer das gleiche Bild: Ein Kind kommt einer fremden Mutter näher und beschnüffelt sie. Vielleicht will es nur prüfen, ob das die Mutter ist, vielleicht bettelt es um Milch? Sobald das Weibchen erkennt, dass es sich nicht um ihr eigenes Kind handelt, wird dieses mit einer eindeutigen Drohgebärde verscheucht. Reicht die Drohgebärde nicht, packt es das Weibchen das Baby mit seinem Maul und wirft es dann im hohen Bogen davon. Wer diese Aufnahmen sieht, muss das fast zwangsläufig als äußerst brutal auffassen. Tatsächlich sind die Weibchen einfach unheimlich gestresst. Sie können sich, wenn überhaupt, nur um ihr eigenes Kind kümmern. Es sind ergreifende Bilder, die mein Team am Ende mit nach Hause bringt. Bilder, die das Leid, das die globale Erwärmung hervorruft, deutlicher kaum zeigen könnte.« – Thomas Behrend, in »Unsere Meere – Nord- und Ostsee«.

BILD FRE DERKI NG & T HA LER VE RLAG , MA RTINA ANDRÉ S


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L E SE R i N N E N M EIN U N G

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WIR MÜSSEN REDEN … LeserInnen an und über uns – Mails, Tweets und hoffentlich Liebesbriefe an die Redaktion – und unsere Antworten. .81

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BETRIFFT:

BIORAMA 81

P.B.B. — 11Z038861 M — 1060 WIEN

AUSGABE 81 — OKTOBER 2022. WWW.BIORAMA.EU

WIR LE JETZ BE N BEW T USST

LOREM IPSUM DOLOR

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(November 2022)

BETRIFFT:

Erstmal Dank für eure Arbeit und große Wertschätzung für das Finden und Präsentieren spannender Themen!

(November 2022)

Zwar wirkt das Pushen des veganen Hypes ­etwas peinlich, aber das ist Nichts im Verhältnis der Missgriffe im Heft 81.

BIORAMA 81 Wir sind ja sonst keine LeserbriefschreiberInnen … lesen/lasen euer Heft immer mit Achtsamkeit und Zustimmung, aber dieses Heft »Survival of the fittest« ist ein Wahnsinn! Weiß nun eigentlich jeder, dass der Herr Darwin nicht mal auf dem Holzweg war, eher auf gar keinem; dann noch die Anzeige »RuckZuck. Aufgefrischt« hat die Menschheit einen solchen Schwachsinn schon gehört? Als Arzt kann ich mich nicht erinnern, in einer Sekunde jemanden geimpft zu haben, … und das jetzt! Gerade erklären sich die ImpfbefürworterInnen als getäuscht von den angeblichen Wirkungen der sinnlosen »Impfung« (eher Gentherapie, siehe USA), und Ihr sprecht auch noch auf dem Bild die junge Generation an. Ihr werdet diese Täuschung verantworten müssen. … und« finanziert aus Mitteln der kommunalen Impfkampagne« … Wer ist denn das? Die zahlenden Bürger … Wir sind entsetzt. … den »menschengemachten Klimawandel« wollen wir gar nicht thematisieren! – LYDIA UND JOHANNES WAGNER, per Mail

1. Die Werbung auf einer der ersten Seiten für die Corona-Impfung ist der Beleg dafür, dass ihr entweder völlig korrupt oder total verblödet seid! Entschuldigt die derben Worte, aber meine Enttäuschung schwingt da mit! Die Corona-Impfung ist keine Impfung, sondern ein gentechnisches Experiment am Menschen und hilft nachweislich nicht. Nein, sie schadet massiv – siehe steigende Todeszahlen seit der »Impfung«! Wer das als intelligenter Mensch nicht checkt, ist zu bedauern. 2. Auch mit eurer Einschätzung des »menschengemachten« Klimawandels liegt ihr voll daneben! Zwar benimmt sich die Menschheit unter aller Sau gegenüber unserer Mitwelt – keine Frage –, aber dass CO2 etwas mit dem Klimawandel zun tun hat, ist einfach völlig absurd – bitte macht Euch doch kundig bevor, ihr solchen Schwachsinn verzapft! Liebe Grüße, – RONALD HÖNIG, per Mail


Liebe Lydia und lieber Johannes Wagner, lieber Ronald! Wir danken euch für euer Feedback, das wir mit einigem Zeitabstand veröffentlichen, um eine sehr emotional geführte grundsätzliche Debatte nicht weiter durch – erlauben Sie uns die Einordnung – Beiträge anzureichern, die reich an Emotionen, aber eher arm an Argumenten und Belegen sind. Nichtsdestotrotz wollen wir eure zwei Beiträge exemplarisch für mehrere, die uns erreicht haben, erstens hier zeigen. Und zweitens möchten wir, da eine umfassende Antwort leider jeden Rahmen sprengen würde, inhaltlich zumindest auf der grundsätzlichen Ebene antworten: Erstens gestalten wir unsere journalistischen Inhalte in unseren Medien entsprechend unserer Leitlinien journalistisch unabhängig und transparent. Und zweitens sind wir zwar nicht AbsenderInnen der Werbebotschaften in unserem Magazin, gehen aber auch unsere Werbepartnerschaften entlang unserer Grundprinzipien ein. Wir sind daher gerne bereit, sowohl über journalistische als auch werbliche Inhalte zu diskutieren – und auch zu streiten –, sofern konkrete Kritikpunkte genannt, Argumente eingebracht und Belege erbracht werden. Wir werden weiterhin versuchen, durch Recherche und Erzählungen mit belastbaren Informationen wie auch Meinungen und Offenlegung deren AbsenderInnenschaft, ein wenig dazu beizutragen, die Unterscheidung zwischen Fakten und Standpunkten hochzuhalten. Wir freuen uns, wenn ihr uns, wichtiger aber, der ganzen Geschichte mit der Evolution und der Wissenschaft noch eine Chance gebt!

Bitte mehr von eurer schonungslosen, auch gerne sachlichen Kritik an redaktion@biorama.eu!


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ST R E E T TA L K

STREET TALK WIR FRAGEN, 9 MENSCHEN ANTWORTEN.

»WIE VERÄNDERT DEIN VERHALTEN DAS MEER?«

ELISABETH

54, Pressesprecherin Vor allem durch eine Menge Mikroplastik, das wir selbst auch konsumieren, ohne es überhaupt zu wissen. Das kommt zum Beispiel in Zahnpasta, in Joghurt oder Kaffee vor.

INTERVIEW UND BILD HANNA STUMMER

AILINE

22, Friseurin Man muss sich bewusst verhalten und darauf schauen, Müll zu trennen oder bessere Produkte zu kaufen in denen weniger Mikro­plastikpartikel enthalten sind. Viele Menschen verhalten sich dabei nicht bewusst und ich finde, man muss darauf achten.

KILIAN

FRANZ

84, Friseurmeister Mein Verhalten verändert das Meer nicht, da ich zu alt bin und nicht mehr hinfliege und es gar nicht mehr genieße – heute ist es fast überall versaut. Ich bleibe im Lande und lerne Österreich kennen.

28, Radkurier Jeder Mensch verursacht natürlich CO2, was nicht sehr gut ist. Mikroplastik ist auch ein Problem, aber ein konkretes Beispiel, wodurch das passiert, fällt mir gerade nicht ein.

TANJA

42, Köchin und Visionärin Ich versuche bewusst zu leben – beim Einkaufen, bei Mülltrennung, der Essensauswahl – in meinem ganzen Leben. All diese Dinge haben Einfluss.


DU BIST NUR EIN MAL JUNG!*

MARKUS

53, Selbstständig Ich finde das ist schwierig, allein kann man glaube ich zu wenig tun, damit es wirklich Mehrwert hat.

KATHERINA

26, Lehrerin Auf jeden Fall verändert man das Meer durch Verschmutzung – also durch Plastikmüll, auch der Klimawandel trägt dazu bei, etwa zur Versauerung der Meere. Also da ist es relevant, wie man sich fortbewegt, etwa mit dem Auto. An diese Dinge versuche ich zu denken.

DANIEL

43, öffentlich Bediensteter Ich versuche Produkte zu kaufen, die wenig Mikroplastik erzeugen können, wenn es irgendwie möglich ist. Ich vermeide zum Beispiel Kaffeekapseln, also ich wähle eine andere Zubereitungsart von Kaffee, oder ich kaufe kosmetische Artikel, bei denen de­ klariert ist, dass kein Mikro­ plastik enthalten ist.

* Etwa eine LKW-Ladung Plastik landet pro Minute im Meer. Plastikmüll zersetzt sich im Meer durch Brandung, Wellengang, Salzwasser und UV-Strahlung in seine kleinsten Teile. Gleichzeitig gelangt das Plastik teilweise auch schon als Mikroplastik ins Meer. In 6500 Metern Tiefe wurde eine neue Krebsart entdeckt. Auch sie hatte eine PET-Faser im Bauch und bekam daher den Namen Eurythenes plasticus. Who cares?

6 AUSGAB EN 25 EURO

BEATRICE

25, Studentin und Kellnerin Wahrscheinlich negativ durch die Verwendung von viel Plastik. Das ist etwas peinlich, aber leider wahr.

Klimafakten in Perspektive gesetzt.

MAGAZIN FÜR NACHHALTIGEN LEBENSSTIL biorama.eu/abo

issuu.com/biorama


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GL O BAL VIL L AG E

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INN:

WIEN:

Beim Riverwalk 2023 wanderten achtzehn junge Erwachsene eine Woche lang den Inn entlang.

Wiens erster sexpositiver Raum lädt zur Konferenz über Sexualität im 21. Jahrhundert.

Der Riverwalk 2023 ging in diesem Jahr bereits in die neunte Runde, in der Vergangenheit wurden etwa der Lech und der Kamp begangen. Ins Leben gerufen wurde das Projekt vom WWF Österreich und seinem Jugendnetzwerk Generation Earth. Achtzehn Personen zwischen 20 und 30 Jahren wanderten eine Woche lang den Tiroler Inn entlang und bildeten sich über bedrohte Arten und Landschaften weiter. Die OrganisatorInnen des Riverwalks wollen mit der Aktion mehr Menschen zum aktiven Schutz von Flüssen ermutigen. Die Gruppe startete Mitte Juli in der Tiroler Gemeinde Prutz und gingen über Untertösens bis nach Pfunds – dabei legten sie rund 50 Kilometer zurück. Der Wert und die Bedrohung des Inns, etwa durch das Wasserkraftwerk Kaunertal, waren zentrales Thema der Begehung. Seit 2012 plant die Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) das Kraftwerk auszubauen, die Idee wird von Organisationen wie dem WWF oder der Alpenschutzkommission CIPRA-International scharf kritisiert. Ein weiterer Schwerpunkt des Riverwalks lag darauf, den Fluss durch Revitalisierungen, wie eine von den Wandernden besuchte Schotterbank zur Hilfe bei einem Kartierungsprojekt, besser an die Seitengewässer anzubinden und somit Lebensräume zu schützen. Der WWF arbeitet etwa in Kooperation mit dem Bund und Land Tirol am Projekt »Der.inn« und länderübergreifend mit der Schweiz und Deutschland an der Aktion »Innsieme«. HANNA STUMMER

Für viele junge Menschen erfolgt sexuelle Bildung immer noch ausschließlich im Schulunterricht und dort auch nicht allzu ausgiebig – aber auch im weiteren Lebensverlauf ist die Befassung mit der Thematik sinnvoll – und lohnend: Sexual­ erziehung steht laut einer Studie aus 26 Ländern etwa im Zusammenhang mit Zufriedenheit mit dem eigenen Sexualleben und eine weitere Studie aus Deutschland belegt eine Verbindung von sexueller Zufriedenheit mit genereller Lebenszufriedenheit im Alter. Die Schwelle, der erste und lange Jahre einzige sexpositive Raum in Wien, lädt (Am 15. und 16. September 2023 am Campus der Universität Wien) zur zweitägigen Konferenz mit elf SpeakerInnen aus verschiedenen Bereichen der Sexpositiv-Szene. Gesprochen wird unter anderem über sexuelle Gesundheit, Sexualität unter dem Einfluss von berauschenden Substanzen und die miteinhergehenden Risiken. Aber auch Themen wie die Schaffung von Sicherheit auf sexpositiven Events sowie unterschiedliche Beziehungskonstellationen und Beziehungscoachings werden behandelt. Die Konferenz richtet sich an alle Menschen, die sich über einen verantwortungsbewussten Umgang mit Sexualität weiterbilden wollen. Zusätzlich zu den Vorträgen werden Frage- und Diskussionsformate mit den SpeakerInnen angeboten. In der Schwelle Wien finden regelmäßige Workshops, Diskussionsrunden und Events rund um die Themen Sexpositiviät und Beziehungen statt. HANNA STUMMER schwelle-conference.com

Auch im Jahr 2024 geplant: river-walk.eu

EVE LYN SEPPI , SHU TTERSTOC K.C OM/ KA STO 80

SEXPOSITIVITÄT WIRD AM CAMPUS DISKUTIERT

BILD

MIT DEM STROM GEHEN


Es geht auch anders! Johannes Gutmann, SONNENTOR Gründer

KÄRNTEN:

SCHUTZBEDÜRFTIGE NATUR AM OSTUFER DES WÖRTHERSEES

BILD

LORE M L OREM

Lendspitz-Maiernigg wird zum sechsten Ramsar-Gebiet Kärntens. Das Natura-2000 Gebiet Lendspitz-Maiernigg wird pünktlich zum Vierzig-Jahr-Jubiläum der Ramsar-Konvention in Österreich nun das sechste Ramsar-Gebiet in Kärnten. Insgesamt verzeichnet Österreich somit nun 23 solche Gebiete, in Deutschland zählt man 35. Die Ramsar-Konvention, der 172 Länder zugehören, regelt »Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung« und ist die älteste internationale Konvention, die sich dem Erhalt und der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen widmet. Insgesamt umfassen die 2493 Ramsar-Gebiete der Welt 256.786.063 Hektar. Feuchtgebiete spielen eine wichtige Rolle für alle Wasserkreisläufe, etwa über die Sicherung unseres Trinkwassers oder der Abmilderung von Hochwässern. Sie tragen auch einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz bei, indem in ihnen große Mengen an Kohlenstoff gespeichert werden. Ein Beispiel: Die Moore der Welt speichern ca. 600 Milliarden Tonnen CO2 – doppelt so viel wie die Biomasse der Wälder der Erde. Essenziell sind Feuchtlandschaften darüber hinaus als Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten. Die Stadt Klagenfurt und das Land Kärnten bekennen sich zur Weiterführung und Verbesserung der bisherigen Schutzund Pflegemaßnahmen des so wichtigen Feuchtlebensraums. Schwerpunkte in den Bereichen »Bewusstseinsbildung, Naturvermittlung, Naturerleben, naturkundliche Forschungen in Kooperation mit Bildungs- und Forschungseinrichtungen und nachhaltigem Tourismus« sind geplant. HANNA STUMMER ramsar.org

Auf unserem Planeten werden großflächig chemisch-synthetische Pestizide eingesetzt. Warum? Man erwartet sich davon mehr Ertrag, weniger Schäden und vor allem großen Profit. Dass dabei Natur und Mensch vergiftet werden, juckt die großen Konzerne nicht. Jedes Jahr kommt es zu 385 Millionen Pestizidvergiftungen.* Pestizide belasten unser Wasser, unsere Böden und Lebensmittel, und auch unsere Atemluft. Seitens der Politik wird wenig getan. Viele denken, es würde zumindest nicht mehr so viel Gift wie früher verwendet – doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Zwischen 1999 und 2019 ist der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft in Europa von hohem Niveau um weitere 3% gestiegen und in Asien um fast 29%.* LandwirtInnen geraten in Abhängigkeiten, weil sie glauben, ohne Pestizide geht es nicht. Das trifft eine Apfelbäuerin in Österreich genauso wie einen Teeplantagenbetreiber in China. Und das, obwohl es eine bewährte Lösung gibt: BIO. Unsere AnbaupartnerInnen auf der ganzen Welt zeigen, dass es auch ohne Chemie geht und im Kreislauf der Natur. Mit der Bewegung enkeltaugliches Österreich, setzen wir uns dafür ein, dass BIO zum Standard in öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Kindergärten wird. Mit jedem Teller und jeder Tasse ohne Pestizide muten wir unserem Körper weniger Gifte zu – und unserer Natur. www.sonnentor.com/esgehtauchanders *Pestizidatlas 2022 (Heinrich-Böll-Stiftung und Global 2000)

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG VON SONNENTOR

Gift kommt uns nicht in die Tasse.


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GL O BAL VIL L AG E

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BADEN-WÜRTTEMBERG:

HESSEN:

Leki produziert den weltweit ersten Trekking-Stock aus Hanf.

Die 17. Tagung der Öko-JunglandwirtInnen zu zukunftsfähiger Landwirtschaft.

Stock- und Handschuhspezialist Leki aus dem schwäbischen Kirchheim unter Teck ist in das Hanfgeschäft eingestiegen – und zwar um einen Wanderstock als Alternative zu solchen aus den gängigen Materialien wie Aluminium und Carbon zu erzeugen. Besonders letzteres gestaltet sich als schwierig zu recyclen. Der für den »Hemp One Vario« verarbeitete Hanf hat in der Nachbarschaft der Schwäbischen Alb lange Tradition und kommt von einem Feld nur wenige Kilometer vom eigenen Firmensitz. Die Stöcke werden momentan in Handarbeit bei einem Partner in Innsbruck hergestellt und die Endmontage findet in der Produktionsstätte im tschechischen Tachov statt, somit werden alle Produktionsschritte in Europa durchgeführt. Aus Sicht des Geschäftsführers Matthias Hatt handelt es sich um den derzeit nachhaltigsten Trekkingstock der Welt, da er als erster »konsequent den Einsatz von organischen Materialien als Ersatz von Aluminium, Carbon, Kunststoff und Polyester verfolgt.« Der Stock besteht großteils aus Hanffaser, in einzelnen Teilen, beispielsweise im kurzen Oberteil, kommt Alulinium zum Einsatz, um Stabilität zu garantieren. Der verarbeitete Kunststoff in Griff und Teller besteht zu etwa einem Viertel aus Hanf. Zum aktuellen Zeitpunkt ist der Stock mit 580 Gramm pro Paar noch schwerer als die herkömmlichen Pendants aus Carbon und Aluminium. Er ist in limitierter Stückzahl bei Globetrotter erhältlich. HANNA STUMMER

Junge LandwirtInnen stehen vor vielseitigen Problemen, darunter neben ökonomischen auch ökologische und soziale wie Klimawandelanpassung, eingeschränkte Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, die Frage, ob in einem Betrieb mit der Hofübergabe auch die Bewirtschaftungsphilosophie umgestellt wird. Zur Neugestaltung von Betrieben ist nicht nur landwirtschaftliche Fachkenntnis erforderlich, sondern auch die Schaffung von Rahmenbedingungen. Damit etwa ökologische Bewirtschaftung und artgerechte Tierhaltung weiterhin von möglichst vielen Betrieben praktiziert und weiterentwickelt werden, widmet sich die 17. Öko-JunglandwirtInnen-Tagung vielfältigen Fragen über die Biohöfe der Zukunft. Dazu gehören die faire und soziale Gestaltung des Landlebens für alle, unabhängig von Geschlecht oder Hautfarbe, genauso wie die Sicherung von Flächen für den Ökolandbau und des wirtschaftlichen Überleben der LandwirtInnen. Auch Gedanken über strukturelle Rahmenbedingungen und eine potenziell nötige Veränderung des Narrativs, um ökologische Produkte besser vermarkten zu können, werden diskutiert. Die Tagung findet vom 10.–12. November in Fulda statt. Eingeladen sind junge (und junggebliebene) LandwirtInnen, GärtnerInnen, ImkerInnen, WinzerInnen wie auch SchülerInnen, Lehrlinge und Studierende mit Interesse am Ökolandbau. Ab 110 Euro kann man teilnehmen, unterstützt von den großen deutschen Ökoverbänden Bioland, Biokreis, Demeter und Naturland. IRINA ZELEWITZ

leki.com

oeko-junglandwirte-tagung.de

LEKI, I STO CK.COM/PIXDELU XE

JUNGLANDWIRTiNNENKONFERENZ

BILD

ÜBER STOCK UND STEIN


© 2023 VIER PFOTEN

Horror auf Rädern! Stoppen wir grausame Tiertransporte!

Stoppt die qualvollen Tiertransporte! Umfrage zeigt: Die österreichische Bevölkerung will ein Ende des Tierleids 2023 ist für den Tierschutz ein entscheidendes Jahr: Die EU-Kommission wird im Herbst einen Vorschlag für eine neue EU-Tiertransportverordnung vorlegen. Das ist gut so – denn die derzeitige Fassung ist aus Tierschutzsicht völlig inakzeptabel! Tiertransporte führen regelmäßig zu unglaublichem Tierleid und legen systemimmanente Missstände auf brutale Weise offen. Auch in Österreich werden lebende Tiere transportiert, exportiert, importiert. VIER PFOTEN verlangt daher auch von der hiesigen Regierung, aktiv dazu beizutragen, das enorme Leid zu beenden.

B I LD V I ER P F O T EN

FORDERUNGEN FÜR MEHR TIERSCHUTZ Unterstützung kommt von der österreichischen Bevölkerung: Eine Market Institut Online-Umfrage im Auftrag von VIER PFOTEN zeigt, dass rund 60 Prozent der be-

fragten ÖsterreicherInnen sich ein Exportverbot von lebenden Tieren in Staaten außerhalb der EU wünschen. 69 Prozent der Befragten wünschen sich ein Verbot des Transports von nicht-entwöhnten Kälbern. Ebenfalls fast zwei Drittel der befragten ÖsterreicherInnen fordern ein Verbot von Schiffstransporten. Rund die Hälfte spricht sich für ein Fahrverbot bei Außentemperaturen über 25 Grad aus, weitere 41 Prozent für strengere gesetzliche Regelungen, wie Fahrverbote untertags im Sommer. Österreich sieht sich gerne als Vorreiter im Tierschutz. Aber gerade bei den Tiertransporten werden wir in letzter Zeit von einigen anderen EU-Mitgliedsstaaten überholt, allen voran Deutschland. Österreich täte gut daran, seine gesetzlichen Regelungen im Sinne des Tierschutzes, aber auch im Sinne der Bevölkerung endlich zu verbessern. Im Herbst legt die EU-Kommission eine www.vier-pfoten.at/ neue Tiertransportverordnung vor. Reden stoppt-tiertransporte wir mit!

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG VON VIER PFOTEN

vier-pfoten.at/tiertransporte


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K Ü ST E NB E F ESTIG U N G

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TEXT Irina Zelewitz

DAS BAUMRIFF

Effiziente Aufforstung beginnt immer öfter auf dem Meeresboden.


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BILD E RI K HOE KE NDIJK / NI OZ

R

und 40 Prozent der Weltbevölkerung leben im Umkreis von 60 km von der Küste. Bis Mitte des Jahrhunderts werden prognostiziert 450 Millionen von ihnen das unterhalb der Flutlinie tun – und darüber, dass der Meeresspiegel anschließend weiter steigt, sind sich alle Prognosen einig. Ungewiss ist, wie schnell und wie weit der Anstieg erfolgen wird – vor allem abhängig davon, ob wir die Treibhausgasemissionen rechtzeitig reduzieren können, um die Klimaerwärmung zu stoppen, bevor die Schmelze des Polareises eine unaufhaltsame Dynamik erreicht hat. Dieser Lebensraum Küste ist aber nicht nur als Habitat des Menschen von zentraler Bedeutung. Der Übergang zwischen Land und Meer ist eine besonders relevante Biosphäre – an Land und im Wasser. Zur Frage, wo er beginnt und wo er aufhört, kann die Definition von Küstengewässer herangezogen werden: Das ist der Bereich innerhalb von zwölf Seemeilen Entfernung von der »Basislinie«, der Grenze, auf die man sich international als Grenze zwischen Meer und Land verständigt hat. Diese Grenzen stammen zwar aus dem Seerecht und dienen der Klärung von Hoheitsrechten der Anrainerstaaten (Also zum Beispiel der Frage: Wer darf fischen?) und nicht der Abbildung ökologischer Gegebenheiten. Aber anschaulich ist: Diese ingesamt 10 % der Meere ausmachenden Küstengewässer sind Heimat von 90 % aller Arten, die im Meer leben. Für manche sind sie Kinderstube, andere verlassen die Küstengebiete nie. Vor allem Sonnenlicht und Nährstoffreichtum machen die Küsten so attraktiv für marines Leben. Doch Land, Gestein oder Pflanzen können sich sukzessive auflösen und in ihren Bestandteilen von Wind, Regen, Flüssen oder dem Meer davongetragen werden – Küsten erodieren. Damit verschieben sich die Lebenräume nicht unbedingt an eine andere Stelle, sondern viele verschwinden auf diese Weise, ohne woanders neu zu entstehen. Zur Befestigung von Boden und zur Wiederherstellung von Lebensraum kann an Land wie im Wasser aufgeforstet bzw. restauriert werden.


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K Ü ST E NB E F ESTIG U N G

Martin Zimmer forscht als Abteilungsund Arbeitsgruppenleiter am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung und als Professor für Mangrovenökologie an der Universität Bremen.

Seit Längerem wird das etwa vor allem bei Korallenriffen und Mangrovenwäldern versucht. Bei Korallenriffen handelt es sich um sehr sensible Ökosysteme, obwohl es unzählige Restaurationsprojekte gibt, sind nur manche von Erfolg gekrönt – und der Klimawandel gefährdet den Fortbestand vieler Riffe akut. Befürchtungen werden laut, Korallenriffe könnten gar die ersten Ökosysteme sein, die verursacht durch menschliches Verhalten aussterben. Wesentlich einfacher ist im Vergleich dazu die Wiederherstellung von Mangrovenwäldern. Die Pflanzen, die diese Wälder bilden, sind vielfältig, doch unser Bild davon ist von Bäumen mit Stelzwurzeln geprägt – und das ist laut Martin Zimmer auch gar nicht so verkehrt. Er leitet die Ökologie-Abteilung des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung in Bremen und dort auch die Arbeitsgruppe Mangrovenökologie und erklärt, dass es zwar auch auch Finger- oder Kniewurzler gebe, die klassische Mangrove aber Stelzwurzeln hat und etwa drei Meter hoch ist. Manche von ihnen können bis zu 20 Meter groß werden und manchmal hat der Stamm eines Baumes gar keinen Kontakt mehr zum Untergrund. Da das Sediment in den Mangrovenwäldern sauerstofffrei ist, sind Mangroven Luftwurzler, die Wurzeln sorgen gleichzeitig für Stabilität. Auf diese Wurzeln folgt dann schon die Baumkrone. Bereits 2007 hat die Welternährungsorganisation eine Studie zum Titel »The world’s Mangroves. 1980–2005« publiziert, für die internationale Daten zum dramatischen Rückgang der Mangrovenwälder analysiert und zusammengefasst wurden. Das Ergebnis damals: Von weltweit 18,8 Millionen Hektar im Jahr 1980 waren die Bestände bis zum Jahr 2005 auf 15,2 Millionen Hektar gefallen – ein Verlust von 20 % innerhalb von nur 25 Jahren. »Die Situation ist inzwischen ein bisschen besser geworden. Wir liegen derzeit bei 0,5 % jährlich«, fasst Martin Zimmer die immer noch besorgniserregend hohe Verlustrate weltweit zusammen. Diese würden kaum an mangelnden Schutzregimen in den relevanten Weltgegenden liegen, sondern an der mangelnden Einhaltung der Gesetze.

DIE SPUR FÜHRT ZU UNSEREN TELLERN Während Mangroven wie andere Wälder auch als Holzquelle fungieren, ist diese Form der

Abholzung nicht immer die zentrale Ursache für den langfristigen Verlust von Mangrovenwäldern. Einer der Hauptfaktoren für die Zerstörung der Mangrovenwälder ist in mehreren Weltgegenden die Aquakultur, meist in Form von Shrimpfarmen. Für diese werden Teiche in die Mangrovenwälder geschlagen und nach ein paar Jahren verlassen, um zu einem neuen Teich zu ziehen. Die Mangroven können sich auch dann aber kaum erholen und nachwachsen. Denn die Teiche sind häufig von der Gezeitenzone abgeschottet, wie Zimmer erläutert, dadurch ist die Hydrodynamik, die auch Sämlinge wieder in die Teiche bringen würde, gestört. Zur Restaurierung müsse man die steilen Ränder der Teiche abflachen und die Wasserdynamik wiederherstellen. Shrimps isst Martin Zimmer daher schon länger kaum mehr. Und wenn, »dann nur aus mangrovenfreundlicher Aquakultur«. Das sei eine der ersten Konsequenzen gewesen, als er begonnen hat, mit Mangroven zu arbeiten. »Als Mangrovenschützer würde ich spontan sagen: Am besten man isst gar keine Shrimps. Aber man muss ja verstehen, dass Aquakulturen für viele Menschen eine Lebensgrundlage darstellen.« Der Kompromiss aus ökologischen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Bedürfnissen wäre daher die mangrovenfreundliche Aquakultur. Zur Frage, welche Form der Aquakultur diesen Anspruch am ehesten erfüllt, wird gerade in unterschiedliche Richtungen geforscht. Entweder sie findet nicht mehr in Teichen statt, sondern in Kästen. Oder in Gegenden, wo keine Mangroven dafür abgeholzt werden. Eine weitere Alternative ist die integrierte Mangrovenaquakultur, bei der mache der Mangrovenbäume in den Teichen stehen bleiben dürfen oder Mangroven in bestehende Teiche gepflanzt werden. Richtig fundiert sei die Datenlage dazu noch nicht, bedauert Zimmer, doch erste Ergebnisse würden nahelegen, dass sich diese Aquakulturform nicht nur nicht negativ, sondern sogar positiv auf den Ertrag einer Farm auswirkt. Und, laut Zimmer neu und insofern noch ohne klare Ergebnisse sind Experimente, alternativ zu dieser Extensivierung auch Intensivierung in ökologischer Variante zu probieren. Also auf kleinstem Raum zu produzieren und somit die betroffene Fläche gering zu halten.

BILD THERE SA-MARIA FE TT, LE IBNIZ -Z ENTRUM FÜ R MARINE TRO PENFORS CHU NG (Z MT)

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Martin Zimmer sticht einen Sedimentkern aus dem Boden des Mangrovenwaldes, während Catalina Alvarez Porenwasserproben entnimmt – in Barú, Kolumbien.


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WARUM MANGROVEN?

Laut WWF-Analyse aus dem Jahr 2016 finden in Deutschland 70 Prozent der deutschen Krabbenfischerei (mit Kuttern von mehr als zwölf Metern Länge) innerhalb der drei Wattenmeer-Nationalparks stattfinden.

Der ökologische Zustand der Mangroven ist in zweierlei Hinsicht von zentraler Bedeutung – einerseits lokal, zur Befestigung und zum Schutz der Küsten, als Lebensraum und Nahrungsquelle für Mensch und Tier; andererseits als globaler C02-Speicher. Martin Zimmer macht klar: »Wenn wir alle Mangroven verlieren würden, würden zahlreiche benachbarte marine Ökosysteme gestört werden.« Biodiversität ist wichtig für den Ozean, und dieser wiederum ist ein enormer Kohlenstoffspeicher – durch zwei Mechanismen, die als die »physikalische« und die »biologische Kohlenstoffpumpe« zusammengefasst werden. Beide funktionieren schlechter, je weiter die Erwärmung der Meere fortschreitet und der Salzwassergehalt zurückgeht. Und durch die Versauerung

MEER OHNE GRUND An Aufforstung der etwas anderen Art arbeitet indes Jon Dickson, PHD-Student an der Abteilung Küstensysteme am »Königlichen Niederländischen Institut für Meeresforschung« (Royal Netherlands Institute for Sea Research). Er beforscht den Rückgang der Artenvielfalt im Wattenmeer der Nordsee, dem größten Wattenmeer der Welt. Das Gezeitengebiet ist riesig: Auf der Hälfte des 500 Kilometer langen und bis zu 40 Kilometer breiten Landschaftsbereichs wird alle zwölf Stunden der Meeres-

BILD CAROLI NA HO RTÚA ROME RO

Mangroven der Art »Rhizophora mangle« an der Küste von Barú, Kolumbien.

der Meere und den Verlust von Küstenökosystemen wie Seegraswiesen, Mangroven und Kelpwäldern wird direkt weniger CO2 in Biomasse gebunden und am Meeresboden abgelagert. Maßnahmen zum Erhalt der Küstenökosysteme lassen sich trotzdem nicht direkt in CO2-Speicherkapazitäten umrechnen. Klar ist inzwischen aber, dass diese Systeme eng zusammenhängen und ohne ein lebendiges Meer kaum Leben an Land möglich ist. Der Wettbewerb der unterschiedlichen Biosphären betreffend ihrer CO2-Bindungsfähigkeiten kann mitunter etwas unübersichtlich werden: Der Wald ist der wichtigste Speicher, der Regenwald im Besonderen, aber auch die Moore – und nun auch noch die Mangroven und Salzmargen? Martin Zimmer ordnet ein: »Weltweit gibt es etwa 15 Millionen Hektar Mangrovenwald. Das ist natürlich viel weniger als die Fläche, die terrestrische Wälder bedecken. Aber: Mangrovenwälder sind besonders effiziente Speicher.« Pro Quadratmeter betrachtet können Mangroven mehr CO2 binden und langfristig einlagern als Wälder an Land. Das gilt übrigens etwa auch für Seegraswiesen und Kelpwälder (Braunalgen). Wie steht es also um die Wiederherstellungsmöglichkeiten? Martin Zimmer weist darauf hin, dass die ExpertInnen hier uneins sind: Währnend viele dafür plädieren, Mangroven dort wieder anzusiedeln, wo sie in jüngerer Vergangenheit gewachsen sind, ist er davon überzeugt, dass man darüber hinausgehen muss. Denn nur ein sehr kleiner Anteil der ehemaligen Mangrovenwälder sei überhaupt für Restauration zugänglich. Zimmer sagt deswegen: »Lasst uns auch dort Mangroven aufforsten, wo vielleicht noch nie Mangroven gewachsen sind!«


boden freigelegt, sechs Stunden später steht er wieder unter Wasser. Das macht es als Ökosystem einzigartig, seit 2014 gehört es vollständig zum Unesco-Weltnaturerbe. »Es ist wunderschön oberhalb der Wasseroberfläche«, beschreibt Dickson den Zustand des Wattenmeers vor der niederländischen Küste. Aber unter Wasser gleiche die ganze Nordsee inzwischen »mehr oder weniger eine Wüste«. Er meint damit zuallererst den Sandboden: Geschätzte 20.000 Austern haben einst ein Drittel des Bodens der niederländischen Teils der Nordsee bedeckt – 1 % davon sei heute übrig. »Deswegen hat der Boden keine feste Struktur mehr und der Sand bewegt sich wie in der Sahara!« Soll heißen: Wie der Wind die Dünen durch die Wüste bläst, spülen die Wellen den Boden des Wattenmeeres vor sich her. Seit der Großteil der festen Bodenstrukturen wie Austernriffe und Muschelbänke sukzessive verloren ging, bewegen sich diese etwa einen Meter hohen Sandwellen, wie sie die ForscherInnen nennen, quasi ungehindert durch das Wattenmeer. Sie begraben alles unter sich, was nicht schnell genug fliehen kann und dazu gehören vor allem festgewachsene Organismen. Seit den 1960er-Jahren wird ein Rückgang der dortigen Fischbestände verzeichnet, der mutmaßlich schon lange vorher eingesetzt hat, in den 80ern wurde das Artensterben dann hier noch einmal messbar beschleunigt. »Wo Wale, Störe, Rochen und Lachse waren, sind heute nur noch wenige Seebarsche, einige Robben und Schweinswale übrig«, beschreibt Dickson den Zustand, in jenem Gebiet, das er beforscht.

AB 8. SEPTEMBER NUR IM KINO

EINE AUSSERGEWÖHNLICHE FREUNDSCHAFT

ARTWORK: PROPAGANDA B, FOTO: ANNA KRIEPS

WIE KOMMT DER SAND INS MEER? Wie es so weit kommen konnte? Die Riffe, die etwa die europäische Auster bildet, sind robust – das kann sich jeder vorstellen, der schon einmal versucht hat, mehrere gut verwachsene Austern voneinander zu trennen. Und auch andere Wattbewohner haben ihren Lebensraum befestigt: Würmer etwa bauen Sandriffe, die anders, als es klingen mag, ebenfalls den Meeresboden strukturieren. Doch erstens wird das Meer immer seichter, es kommt aus allen Richtungen Sand hinzu und verschüttet verbleibende Strukturen. Der Prozess ist grundsätzlich natürlich, doch der Mensch verstärkt diesen – etwa durch Küstenbefestigung. Vor allem die großen Dammbauten in den 1930er-Jahren hätten hier das Kräftespiel verschoben, beschreibt Jon Dickson: »Es muss ja dieselbe Menge an Wasser rein- und rausfließen, aber auf einer kleineren Fläche, und daher wird mehr Sediment bewegt.« Zweitens war Überfischung zwar schon Anfang des 20. Jahrhunderts ein Problem für die Austern im Watt, die Etablierung der Schleppnetzfischerei im Zuge der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat dem eine neue Dimension verliehen. Im Wattenmeer ist es inzwischen vor allem die Krabbenfischerei (Weil darunter regional Unterschiedliches verstan-


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KE RÜ LST E ND E NBLEOFRESTIG E M IPUSU N GM

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So sehen die Birnbäume aus, wenn das Team um John Dickson sie zu Baumriffen umfunktioniert hat und nach den ersten Monaten ein paar zur Kontrolle wieder aus der Versenkung geholt hat.

den wird: Gemeint ist die nach Shrimps.), die sich noch rentiert und noch in allen Staaten erlaubt ist. Vieles an Wirtschaftstätigkeit ist inzwischen im Wattenmeer verboten, doch die Verbote betreffend Fangzeiten, Tiefe und Art der Netze (davon hängt ab, wie stark dabei der Meeresboden zerstört wird) werden, wie Dickson vorsichtig festhält, nicht eingehalten und das kaum sanktioniert.

BILD FRA NKEN

VON STRUKTUREN PROFITIEREN FAST ALLE Alle robusten Strukturen sind tendenziell eine Gefahr für den Zustand von Grundschleppnetzen, da diese am Meeresboden entlang gezogen werden – und diesen abhängig vom Typ des Schleppnetzes regelrecht durchkämmen; So werden aber vor allem umgekehrt in kürzester Zeit viele der vorhandenen Strukturen auf dem Meeresboden auf lange Zeit zerstört. Umweltschutzorganisationen fordern immer wieder ein generelles Verbot dieser Fangmethode. Die Strukturen, die es in diesem Meer gibt, kommen übrigens ursprünglich gar nicht aus dem Meer, sondern wurden aus weit entfernten Landen angespült. Zumindest war das früher mal so. Bevor die meisten Flüsse ver-

baut und gestaut wurden, haben sie eine erhebliche Menge an Treibholz ins Meer und auch ins Wattenmeer gespült. »Das waren hier geschätzt 2000 Kubikmeter pro Jahr. Das klingt nicht nach sehr viel, aber wenn du zehn Jahre wartest, hast du 20.000, und wenn du 100 Jahre wartest, hast du 200.000 Kubikmeter Holz. Es fällt uns Menschen mitunter schwer, uns die Größenordnung vorzustellen, die unsere Eingriffe durch den Zeitfaktor bekommen«, erklärt Dickson. Im Gegensatz zu anderen Nordseeanrainerstaaten, wo es zumindest noch ein wenig Eintrag auf diesem Weg gibt, gehört dieser Prozess in den Niederlanden mit Ausnahme der Region Rotterdamm aufgrund der Lage unter dem Meeresspiegel und dem Umstand, dass die gesamte Küste durch Dämme befestigt ist, der Vergangenheit an – die Flüsse erreichen hier schon lange nicht mehr das Meer.

BETONFÜSSE FÜR BIRNBÄUME Der Gedanke, dieses fehlende Holz künstlich einzubringen, erscheint naheliegend und ambitioniert gleichzeitig. Dicksons Forschungskollege Professor Tjeerd Bouma hat erfahren, dass holländische Obstbäume nach 15–25

Jon Dickson Der Kanadier studiert und beforscht in den Niederlanden die Wiedereinführung von festen Strukturen auf dem Meeresboden (»re-introduction of hard substrates onto the sea floor« to enhance biodiversity and conduct ecological restoration). Er ist Erstautor der im August 2023 erschienen Studie »Who lives in a pear tree under the sea?«.


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Jahren gefällt und durch neue ersetzt werden, da sie nicht mehr ausreichend tragen. Bisher werden die Obstbäume in erster Linie als Brennholz verwertet. Sie sind also verhältnismäßig günstig. Zumindest im Vergleich zu jenen Materialien, die bisher einsetzt wurden, um Strukturen in Küstengewässer zurückzubringen – Metall und Beton. Denn schon seit geraumer Zeit wird erprobt, ob durch künstliche Riffgerüste Biodiversität und auch Einkommensquelle in Küstengewässer zurückgebracht werden kann, indem sich an den Gerüsten eine Art nach der anderen ansiedelt. Das funktioniert durchaus grundsätzlich, ist aber auf jeden Fall teuer und läuft darauf hinaus, dass wir eine Menge Beton an unseren Küsten versenken. Man könnte schon auch aus ein paar ausgedienten Europaletten ein recht ordentliches Riff bauen, erzählt Dickson, aber das würde ständig von Sand verschüttet. Weil ein erheblicher Teil eines Baumriffes allerdings zwischen einem und zwei Meter über dem Meeresgrund liegt, haben Meeresorganismen dort einen Ort, an dem sie vor den Sandwellen geschützt sind. Dicksons Forschungsteam jedenfalls hat Obstbäuerinnen und -bauern ausgediente Bäume abgekauft, ihnen Betonfüße angegossen und die Bäume mit Bolzen zu vier »Riffblöcken« mit jeweils 25 Quadratmetern verbunden. Vier solcher Blöcke haben Sie im April 2022 im niederländischen Wattenmeer versenkt und im folgenden August nachgeschaut, was sich getan hat. Und das war einiges: Zuerst haben sich, vor allem unten in den Bäumen, Makroalgen und Seepo-

Im August 2023 wurden wieder einzelne Teile der Riffe ausgehoben, um zu überprüfen, was darauf wächst. Dickson ist zufrieden und zuversichtlich, dass sich hier dauerhafte Ausgangsstrukturen für kleine Horte mariner Biodiversität bilden.

cken angesiedelt, während oben eher Moostierchen angewachsen sind und dann kamen auch die Jäger wie Steesterne, Krabben und Fische und zwischendurch auch Muscheln dazu. Von letzteren waren bei der nächsten Kontrolle aber schon die meisten wieder aufgefressen.

JÄGER OHNE FEINDE Dickson ist sich nicht sicher, welcher Jäger dafür verantwortlich ist und was er davon halten soll: Seesterne, Krabben oder Raubfische – die Anwesenheit dieser Jäger ist einerseits ein gutes Zeichen, allerdings scheint, wer auch immer sich über die Muscheln hergemacht hat, wiederum zu wenig natürliche Feinde im Baumriff zu haben. Die Krabbe ist Dicksons Hauptverdächtige. Das würde ins größere Bild der Entwicklung des Wattenmeeres passen: »Es ist das vielleicht weltweit am meisten veränderte Meeresgebiet und das Ökosystem ist hochgradig degradiert.« Es wurde in den letzten 100 Jahren so stark eingegriffen und überfischt, dass es insgesamt zu einem massiven Artenrückgang kam; inzwischen habe sich der Rückgang bei manchen schnell wachsenden Arten, die keine stabile Umgebung brauchen, beruhigt, betont Dickson, und einzelne würden florieren – Shrimps und Krabben zum Beispiel. Gleichzeitig schreitet der Rückgang bis zu Verschwinden von langsam wachsenden Arten, die Stabilität brauchen – wie etwa von Austern und einigen größeren Fischen –, nach wie vor fort. Doch im Riff waren nach eineinhalb Jahren auch Fischeier zu finden. Die Hoffnung, dass sie auch den Jägern der unbekannten Muscheljäger Kinderstube und stabile Umgebung bieten, ist groß. Wenn mehr Muscheln überleben, bilden sie die Riffe, die bestehen bleiben, wenn das Holz, das ihnen als Gerüst diente, in geschätzten 20–40 Jahren längst vom Holzwurm und den Umwelteinflüssen zersetzt wurde. Das Fischvorkommen jedenfalls war schon diesen Sommer, also nach eineinhalb Jahren, sechs mal so hoch wie an Vergleichsstandorten, an denen keine Baumriffe versenkt wurden. Dicksons Vision ist es, die Wiederentstehung natürlicher Riffe zu »kickstarten«, und das ohne massven Einsatz von Beton, Metall oder Plastik. Er ist überzeugt: »Die Menge an Fischen, die wir nun um unsere Riffe beobachten können, zeigt, dass wir durch entschlossenes Handeln in relativ kurzer Zeit einen messbaren Unterschied machen können«, und merkt an: »Halbherzig-

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keiten sind angesichts der fortschreitenden Biodiversitätskrise unzureichend.«

»MONEY TALKS!«

ERRATUM Dies ist die korrigierte Fassung des Artikels in der Druckausgabe. Dort sind uns mehrere Fehler unterlaufen, diese Fassung des Artikels hätte nicht veröffentlicht werden sollen. Wir sind unserer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen, dafür bitten wir insbesondere einen unserer beiden Gesprächspartner für den Beitrag, Martin Zimmer, und Sie, unsere LeserInnen, um Entschuldigung.

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Mindestens so wichtig wie Wiederherstellungsmaßnahmen ist allerdings, die Zerstörung dieser Lebensräume zu beenden. Und zur Rettung des Wattenmeers ruft auch Dickson daher zuallererst dazu auf, sich der Herkunft von Fisch und Meeresfrüchten bewusst zu sein und einer nachhaltigen Lieferkette zu folgen und nur zertifizierte Produkte zu kaufen, denn: »money talks«. Außerdem könne wirklich jedeR einer Politikerin oder einem Politiker schreiben und auf die Notwendigkeit umfassenderer Maßnahmen zum Schutz der Küstengebiete hinweisen. Übrigens könnte man durch Baumriffe auch andere Küsten wieder befestigen. Grundsätzlich wäre der Ansatz sogar weltweit in Gewässern umsetzbar, die von Abbau betroffen sind, nicht nur an den Meeresküsten – und fast alle Feuchtgebiete wären in einer Form im Abbau begriffen, meint Dickson. Konkret denkt er vor allem an Ostasien oder Südamerika, eine Einschränkung existiert allerdings für den Einsatz der Baumriffe in warmen, etwa tropischen Gewässern: Hier sind die Holzwürmer schneller beim Zersetzen der künstlichen Riffe, Dickson geht hier daher von einem schneller biologischen Abbau aus. Wie viele Baumriffe es dazu bräuchte, kann er nicht beantworten, doch er hat ein Ziel: »Wir haben noch nie in der Menschheitsgeschichte so eine verheerende Veränderung der Ökosysteme gesehen. Es ist schwer zu sagen, wie viel wir machen müssen. Ich bin mir nur sicher, dass wir viel mehr tun müssen.« Er ist aber zuversichtlich, dass wenn er in der Nordsee statt seiner vier 25 m2 großen Blocks zu Forschungszwecken welche aus drei bis vier Hektar bauen und verseken könnte, dies für die Nordsee schon zu einer spürbaren Verbesserung führen würde. Die erhoffte Verbesserung wäre nicht nur über ein intakteres marines Ökosystem von Vorteil für den Menschen: Muschelriffe haben die Eigenschaft, die Wucht der Wellen zu bremsen. Das wiederum verlangsamt die Küstenerosion und bremst Sturzfluten oder auch Tsunamis. »Die Baumriffe sollten das auch schon vor der Besiedelung durch Muscheln leisten können. Es könnte uns so möglich sein, lebende Küstenwehren zu bauen, die Biodiversität fördern und gleichzeitig den menschen Lebensraum schützen«, wirbt der Jungforscher für seine Idee.

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Mit Unterstützung von Bund und Europäischer Union


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DER BÜFFEL, EIN BULLIGER EUROPÄER


27 TEXT Thomas Weber

Eine imposante Erscheinung, genügsam und gutmütig: Warum der Wasserbüffel als Landschaftspfleger an Bedeutung gewinnt

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ie Milchkühe hatten niemanden gestört. Dass dort, wo bis vor drei Jahren seine Kühe auf der Weide standen, heute Wasserbüffel grasen, »das finden manche, die hier vorbeikommen, nicht gut«, erzählt Manfred Forthofer. Warum, das reimt er sich zusammen: »Sie wirken fremd und exotisch.« Tatsächlich handelt es sich eher um eine Rückkehr der robusten Riesen, vielleicht nicht unbedingt auf Forthofers mageren Hangwiesen, hier im südlichen Waldviertel, aber in Mitteleuropa hat die Haltung der gutmütigen Hornträger eine lange Tradition. In Deutschland wurden sie im Hochmittelalter als Haustiere gehalten, in der ungarischen Tiefebene, im Burgenland, vor allem aber im westlichen Ungarn blieben sie bis heute erhalten. In Wien sind Wasserbüffel bis in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen als Arbeitstiere einer Brauerei dokumentiert. In Rumänien ist von seinen einst Millionen Büffeln immerhin noch ein Restbestand von 15.000 Tieren erhalten. Und der italienische Büffelmozzarella ist eine Spezialität von Weltrang. Manfred Forthofer hält seine 51 Büffel aber nicht als Milch-, sondern als Fleischlieferanten. Den Ackerbau hat er aufgegeben, weil die anspruchslosen Tiere kein Getreidefutter brauchen. Damit sie sich wohlfühlen, hat er ihnen am tiefsten Punkt seiner Wiesen einen Teich gegraben. Im Sommer verbringen die sanftmütigen Wiederkäuer einen Gutteil des Tages darin. Das Bad kühlt und unter Wasser nerven keine blutsaugenden Bremsen.

DER BÜFFEL ALS LANDSCHAFTSPFLEGER Auf dem Horn eines mächtigen Bullen, der noch im Wasser ruht, während sich der Rest der Herde gemächlich bergauf bewegt, wippt


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Megaherbivore Deutsch: Große Pflanzenfresser bezeichnet teilweise ausgestorbene Huf-, Rüsselund Beuteltiere, die urzeitliche Landschaften prägten und mehr als eine Tonne wogen. Heute werden auch Rinder, Pferde und Rotwild als Megaherbivore erachtet.

lauernd eine Bachstelze und schnappt sich ein Insekt nach dem anderen. Wären nicht die von der EU vorgeschriebenen Ohrmarken unterhalb der Hörner und ein Elektrozaun, der den Teich vom ihn speisenden Bach trennt, die Szene könnte aus einem Land vor unserer Zeit stammen; als wären die Büffel nie weggewesen. Denn die domestizierten Karpatischen Wasserbüffel haben auch einen wilden prähistorischen Vorläufer: den Europäischen Wasserbüffel. Archäologische Funde zeigen sein Hauptverbreitungsgebiet im heutigen Deutschland. Er verschwand, als sich der moderne Mensch breit machte, – vermutlich – durch intensive Bejagung vor etwa 10.000 Jahren. An die Anwesenheit von Wasserbüffeln wird man sich in Zukunft wieder gewöhnen, nicht nur in der Nachbarschaft von Manfred Forthofers Biohof. Das hat direkt mit dem Green Deal der Europäischen Union zu tun. Das »Nature Restoration Law«, gegen das konservative und rechtsradikale Parteien gekämpft hatten, sieht vor, dass 20 Prozent aller europäischen Landund Meeresflächen ökologisch verbessert werden. Dabei geht es einerseits um aktiven Artenschutz, bei der Wiederbewässerung von Mooren und Sumpflandschaften als CO2-Senken aber auch um konkreten Klimaschutz. Europa soll wieder wilder werden, dabei aber nicht verwalden. Auf widerstandsfähige Weidetiere, die weitläufige Wiesenlandschaften freihal-

ten, und ganz besonders auf den Wasserbüffel kommt dabei eine große Aufgabe zu. »Der Wasserbüffel wird gerade richtig sexy«, sagt Herbert Nickel, freiberuflicher Biologe und als Naturschutzfachmann deutschlandweit in viele Weideprojekte involviert. Man könne den Büffel auch auf einstigen Sumpfund Moorflächen halten, die renaturiert werden sollen, sagt Nickel: »Dadurch kannst du Moore wiedervernässen, dabei CO2 im Boden konservieren und speichern und die Flächen gleichzeitig in der landwirtschaftlichen Förderkulisse behalten.« Das heißt: Nur wegen den Wasserbüffeln gehen diese Naturschutz-

Begleitet als Fachmann Graslandmanagement- und Weide­ projekte in ganz Deutschland: der freiberufliche Biologe und Zikadenforscher Herbert Nickel.

Wilder Fluss und sanfte Büffel: Die einstmals monotonen Überschwemmungswiesen entlang der Lainsitz bei Gmünd werden seit 2018 von Wasserbüffeln ökologisch aufgewertet. Eine Attraktion: Die Waldviertelbahn fährt fürs Safari-Feeling extra langsam.

BILD PRIVAT, AXEL SCHMIDT

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Gutmütig, aber wehrhaft: Probleme mit dem Wolf und der Büffelhaltung sind in den Wolfsgebieten in Brandenburg keine bekannt.

Lebensraum Kuhflade 1 Tonne Rinderbiomasse erzeugt im Jahr etwa zehn Tonnen Dung und darin 100 Kilogramm Insekten, die 10 Kilogramm Kleintiere ernähren, diese wiederum ein Kilogramm größerer Raubtiere und Greifvögel. Voraussetzung: Die Weidetiere werden nicht präventiv entwurmt.

flächen der Landwirtschaft nicht verloren und können – zumindest extensiv – weiter genutzt werden. Dass diese Flächen beweidet werden, ist wichtig. Sonst verbuschen und verwalden sie, werden zu Schilfwüsten und Gewässer verlanden wieder. »Büffel (…) eignen sich sehr gut für die Pflege von Feuchtgebieten, wenn eine Öffnung dichter Vegetation und eine Freihaltung von Gewässern gewünscht ist«, heißt es im Handbuch Beweidung der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege: »Durch die Anlage von Suhlen werden Pionierarten gefördert. Bereits geringe Besatzdichten

reichen in Feuchtgebieten aus, die Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten enorm zu fördern.«

DER BÜFFEL UND DER »GREEN DEAL« Im Zuge der Renaturierung stellt sich die Wissenschaft seit einiger Zeit auch verstärkt die Frage, wie Europa naturgemäß ausgesehen hat – also bevor fast überall Ackerbau und Viehzucht betrieben wurden. Die Annahme, früher wäre überall mehr oder weniger dichter Urwald gewesen, war auch in Naturschutzkreisen lange verbreitet, ist aber nicht mehr haltbar. Viel spricht für die sogenannte »Me-


gaherbivoren-Theorie«; also die Annahme, dass Europas Wildnis durch prägende große Pflanzenfresser wie Elch, Rothirsch, Nashorn, Wildpferd, Wisent und Auerochs eigentlich eher eine Offenlandschaft war – also letztlich eine gigantische Wildtierweide mit Buschwerk, Baumgruppen und nur vereinzelten Wäldern. Dafür spricht beispielsweise, dass 80 Prozent aller in Europa nicht ausgestorbenen Arten von Säugetieren, Insekten, Vögeln, aber auch Pflanzen und Pilzen sogenannte Freilandarten sind. Viele von ihnen verschwinden wo Wald wächst. Bekanntestes Beispiel: die Eiche. Einige der Megaherbivoren wurden nach der Sesshaftwerdung des Menschen zwar ausgerottet oder konnten nur in Rückzugsräumen überleben. Dass die Vielzahl der Arten, die sich im Laufe von Jahrmillionen an die von großen Pflanzenfressern gestalteten Landschaften angepasst hatten, trotzdem nicht verschwand, erklärt die Megaherbivoren-Theorie damit, dass sich durch die vorindustrielle Landwirtschaft mit ihrer sanften Beweidung von Heiden und Wäldern wenig änderte. Statt Wildtieren hielten nun Rinder, domestizierte Büffel, Ziegen, Schafe, Schweine und Pferde die Landschaft offen. Das große Artensterben, begann als die Weidepraxis verschwand und die Tiere, vor allem die davor dominanten Rinder, in Ställe gesperrt wurden. Noch 1900 gab es auf dem Gebiet des heutigen Deutschland geschätzt zwischen 25 und 30 Millionen Rinder und Pferde, großteils als zumindest zeitweise Weidetiere. Die heute verbliebenen 12 Millionen Rinder verlassen den Stall meist nur für Tiertransporte oder auf dem Weg zum Schlachthof.

ob die Rückkehr der Riesen eher »Konfliktfeld oder Chance für den Artenschutz« ist. Die Beiträge tendieren zur optimistischen Sichtweise. Zwar seien die Herausforderungen für ein Zusammenleben »immens«. Dennoch schließt das Vorwort mit einer Betonung der Chance: »Gelingt es uns aber, die Rückkehr von Wisent und Co. in unserer Kulturlandschaft nachhaltig zu ermöglichen, schaffen wir Ansätze, die zur Lösung einer der großen Herausforderungen unseres Jahrhunderts beitragen können – dem Erhalt unserer Artenvielfalt.« Für das Buch wurde auch ermittelt, wo Elch und Wisent wieder heimisch werden könnten. Lebensraumpotenziale für beide Arten wurden in der deutschen Schorfheide, im südlichen Brandenburg oder in den Wäldern der Mecklenburgischen Seeplatte sowie in einer Reihe von Mittelgebirgsregionen (Spessart, Thüringer Wald, Pfälzerwald) sowie im deutschen und österreichischen Alpenvorland erkannt. Für viele Regionen wären allerdings Auswilderungen nötig. Das wird für Kontroversen sorgen.

DAS NUTZTIER ALS EXTENSIVER KOMPROMISS Als Nutztier kann der Wasserbüffel als lebender Kompromisskandidat erachtet werden. Doch zumindest als sanfter Naturschützer ist er ohne Förderung im 21. Jahrhundert nicht wettbewerbsfähig, ist seine Haltung nicht wirtschaftlich. Manfred Forthofer hält seine Tiere auf einer biozertifizierten extensiven Koppelweide, verzichtet auf Kraftfutter, schlachtet seine Tiere erst ausgewachsen und vor Ort, verkauft ihr Fleisch zu einem guten Preis ab Hof und

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DIE RÜCKKEHR VON WISENT UND ELCH Im Zuge der europäischen Nature Restoration gewinnt auch die Idee von »Rewilding Europe« an Bedeutung. Sie möchte Gegenden großflächig natürlichen Prozessen überlassen, intakte Lebensräume und Nahrungsketten wiederherstellen. Raubtiere wie Wolf, Luchs und Bär haben darin ebenso ihre Rolle wie die verbliebenen großen Pflanzenfresser Elch, Wisent (der europäische Bison) und Rotwild. Ein Ansatz, der noch für Diskussionen sorgen wird. Im Oktober 2023 erscheint ein Buch von Sebastian Brackhane und Klaus Hackländer von der Deutschen Wildtierstiftung über »Die Rückkehr der großen Pflanzenfresser« (Oekom Verlag). Auch wenn der Untertitel offenlässt,

Das Fleisch der Wasserbüffel ist tiefrot und schmeckt etwas zarter und intensiver als Rindfleisch.

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» Die Rückkehr der großen Pflanzenfresser« Sebastian Brackhane, Klaus Hackländer, 2023, Oekom. Die Rückkehr von Wisent, Elch & Co. garantiert Konflikte, bietet aber Chancen für den Artenschutz. Ein Sammelband, herausgegeben von Sebastian Brackhane und Klaus Hackländer (Deutsche Wildtierstiftung), lotet sie aus. Erscheint im Oktober 2023 im Oekom Verlag.


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Gedruckt ist der »Praxisleitfaden für Ganzjahresbeweidung in Naturschutz und Landschaftsentwicklung«, herausgegeben von Margret Bunzel-Drüke ist in zweiter Auflage gegen Druckkostenbeitrag erhältlich. Als PDF steht er kostenlos zur Verfügung. abu-naturschutz.de

über die Direktvermarktungsplattform Nahgenuss.at. Doch den Winter verbringen sie im Laufstall. Und der Büffelbauer weiß: »Würde ich meine Tiere auf Naturschutzflächen halten, wäre mein Herde halb so groß und das wäre wirtschaftlich alles nicht tragbar.« Trotzdem bringt selbst sein Kompromiss eine Verbesserung: Weil er die robusten Tiere entgegen der in der Rinderhaltung weit verbreiteten Praxis nicht vorbeugend entwurmt, ist jede einzelne Kuhflade ein Lebensraum für sich. Dungkäfer, Fliegen- und Insektenlarven – selbst auf der kahlgefressenen Koppelweide wimmelt es von Insekten. Folglich finden hier nicht nur Bachstelzen Nahrung, sondern auch andere Vögel. »Der Biokontrolleur hat sich gefreut, dass er bei seinem letzten Besuch einen Wiedehopf gesehen hat«, sagt Manfred Forthofer. »Sonst kommt der Vogel bei uns in der Gegend eigentlich nicht vor.«

BEWEIDUNG MEIST UNWIRTSCHAFTLICH Auch wenn Forthofer seine Herde naturnah hält. Natürlich ist ihr Lebensraum nicht. Dafür bräuchte es größere Flächen, auf denen sich die Tiere frei und im Idealfall ganzjährig bewegen können. »Professionellen Bauern muss es um

wie es eigentlich natürlich ist.« »Für die sehr extensive Beweidung von Naturschutzflächen findet man fast niemanden zur Bewirtschaftung«, weiß auch Axel Schmidt, der als Biologe und Moorschutzaktivist ein Wasserbüffelprojekt im nördlichen Niederösterreich aufbauen half. Die Büffel für die Pflege einiger Hektar Überschwemmungswiesen der Stadt Gmünd wurden von »Blühendes Österreich« finanziert, der Naturschutzstiftung von Rewe Österreich. »Aus ökologischer Sicht entwickeln sich die Flächen fantastisch«, sagt Schmidt. Wirtschaftlich möglich sei das Projekt trotzdem nur durch Rückhalt in der Region, ein jährliches Büffelfest und Büffelwochen in der Gastronomie. »Der Naturschutz will einen geringen Besatz mit Tieren, weil er in der Landschaft Strukturen zum Ziel hat, keinen Kahlfraß«, sagt Biologe Herbert Nickel, der 2022 für die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg eine Studie über das »Potenzial der Wasserbüffelbeweidung für die Förderung arten- und biomassereicher Insektengemeinschaften« verfasst hat. Die Rechnung sei denkbar einfach: »Bei einer Ganzjahresbeweidung mit etwa 0,5 Tieren pro Hektar verdienst du halt nix. Du darfst nicht düngen, weil es um Naturschutz geht. Und wenn du nur zehn Hektar, hast sind die Zaunkosten und der Betreuungsaufwand höher als der Ertrag.« Ideal seien deshalb Flächen von mindestens zwanzig Hektar. »Im Naturschutz brauchen solche Extensivweiden insgesamt mindestens 1.000 Euro Förderung pro Hektar und Jahr«, sagt Herbert Nickel, »sonst ist das Liebhaberei«. Die Vermarktung des wohlschmeckenden Büffelfleischs ändert daran wenig.

UND WAS IST MIT MOZZARELLA?

Engagiert als Moorschutzaktivist, Wiedervernässer und Wasser­büffelpionier: der Waldviertler Biologe Axel Schmidt.

den Fleischertrag gehen«, erklärt Erhard Kraus. Kraus war Beamter des Landes Niederösterreich und betreute vor seiner Pensionierung Gewässer- und Flussrenaturierungen. Er sagt: »Bauern müssen wirtschaften, die haben kein Interesse, dass ihre Tiere im Winter abmagern,

Milchwirtschaft ist unter solchen Vorzeichen schwer denkbar. Weit in der Landschaft v­erstreute Büffel mit Jungtieren und Bullen im Herdenverband, die sich einzig von dem ­ernähren, was Vegetation und Jahreszeit hergeben, ermöglichen kein effizientes Wirtschaften. Würde Biobauer Manfred Forthofer seine Büffel nicht nur fürs Fleisch nutzen, sondern wie früher sein Fleckvieh auch melken wollen, »dann müsste ich sie anders füttern«. Auch wenn wir uns bei Überlandfahrten also an den Anblick weidender Wasserbüffel gewöhnen dürfen. Mozzarella wird weiterhin exotisch bleiben.

BILD PRIVAT

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Eine neue Alternative revolutioniert das vegetarische Grillen: das HERMANN.BIO Fungi Pad Hermann und Thomas Neuburger, die Gründer von HERMANN.BIO, sind überzeugt: Alternativen sollen Menschen in ihrer Ernährung bereichern, nicht einschränken. Und das gilt auch in der Grillsaison. Die Geschichte des Grillens ist eine Geschichte von Gemeinschaft, Entdeckung und Geschmack. Unsere Vorfahren erkannten: Wenn sie Lebensmittel grillen, konnten sie den Geschmack intensivieren und neue Aromen entdecken. So haben wir angefangen, mit unserem Essen kreativ zu werden. Das Ergebnis waren köstliche Gerichte mit völlig neuen Geschmacksnuancen. Grillen verbindet uns mit unseren Mitmenschen und der Natur, weckt die Kreativität, bringt neue Geschmackserlebnisse und bietet eine unglaubliche Vielfalt am Teller. Und genau darum wollen wir Menschen auch in Zukunft nicht aufs Grillen verzichten. Wir müssen es aber nachhaltiger gestalten, um unseren Fleischkonsum zu reduzieren. »Und genau dafür haben wir eine vegetarische Alternative

hergestellt. Keine Kopie, kein Fleischersatz«, meint Thomas Neuburger, »eine echte Alternative, die Menschen genauso viel Möglichkeiten bietet wie Fleisch«.

VEGETARISCH GRILLEN OHNE GRENZEN Mit dem neuen Fungi Pad präsentiert HERMANN.BIO die Fleischalternative 2.0 – aus der jedes Gericht kreiert werden kann, das sich auch mit Fleisch zubereiten lässt. Der Fantasie beim Kochen – und beim Grillen – sind so keine Grenzen gesetzt. Mit dem Fungi Pad wollen Hermann und Thomas Neuburger es den Menschen auch am Grill so einfach wie möglich machen, zu sagen: GOODBYE FLEISCH. HELLO FUNGI.

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Goodbye Langeweile auf dem Veggie-Grill


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WO BÜFFEL WEIDEN

BILD JAN HAFT

Bald werden die Landschaften Europas wieder von Büffelherden geprägt, hofft der bayerische Biologe und Naturfilmer Jan Haft. BIORAMA: Warum beschäftigen Sie sich mit großen Pflanzenfressern, mit dem Wasserbüffel im Speziellen? JAN HAFT: Auch in Mitteleuropa war die Landschaft über Jahrmillionen von großen Pflanzenfressern wie Wisent, Auerochs, Elch, Elefant und Nashorn geprägt und geformt. ­Irgendwann wurden sie vom Menschen durch Haustiere ersetzt. Erst vor etwa 200 Jahren begann der Prozess, Rinder, Pferde und Schweine ganzjährig in Ställe zu stellen. Das war bei uns der Beginn des enormen ­Rückgangs an Biodiversität. Mittlerweile kommen wir drauf, dass Landschaften für sehr viele Arten wieder als Lebensraum attraktiv werden, wenn man die Nutztiere zurück rausbringt. Und

da braucht es natürlich auch Tiere, die mit ­Feuchtgebieten zurechtkommen.

INTERVIEW Thomas Weber

Welche Rolle spielt der Wasserbüffel, wenn im Zuge des Nature Restoration Law bis 2030 ein Fünftel aller Land- und Meeresflächen renaturiert werden? Wenn das wirklich großflächig passiert, dann müssen wir Auen, Niedermoore und auch die Ränder der Hochmoore beweiden. Dazu eignet sich kein Tier so gut wie der Büffel. In Deutschland ist er ja mittlerweile häufiger anzutreffen als in Rumänien, wo die Landwirtschaft gerade nach EU-Vorgaben modernisiert wird, was mit einem Verschwinden der Rinder und Rinderhirt­Innen einhergeht und mit einem dramatischem

ist Biologe und Naturfilmer und offizieller Botschafter der »UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen (2021–2030)«.

Jan Haft


WASSE RB Ü F F EL

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»Wildnis. Unser Traum von unberührter Natur« , Penguin, 2023. In seinem Essay vermittelt Jan Haft, wie einstmals große Pflanzenfresser unsere Landschaften prägten und wie wir diese »Neue Wildnis« durch Weide-Management zurückgewinnen können.

10.000 J ­ ahren aus, als Verlust an Arten»Auch der Naturschutz der moderne Mensch vielfalt. Bei uns hat den Irrglauben, sich mit seinen Fernsind wir bereits dass von Natur aus waffen ausbreitete. einen Schritt weiter – und verüberall dichter Wald Aus heutiger Sicht: suchen, Ökosyswäre, lange vertreten. Was kann der teme wiederherDie meisten Arten sind Wasserbüffel, was zustellen. Ich etwa das Schaf n ­ icht hoffe, dass wir Arten des Offenlandes. « kann? künftig vielerSchafe eignen sich orts Wasserbüf—  Jan Haft außerhalb von Bergfelherden sehen regionen und karstiwerden. Wir hatgen Gebieten nicht gut zur Beweidung. Sie ten übrigens auch zu Urzeiten einen eurosind zwar einfach zu handhaben, verbeißen päischen Wasserbüffel, Bubalus murrensis. aber stark und suchen gezielt nach Blüten Funden gemäß hatte er sein Hauptverbreiund nährstoffreichen Trieben. Das führt zu tungsgebiet in Deutschland und den NieVerarmung der Flora. Rinderarten umfasderlanden, kam aber von Iberien bis Russsen Pflanzen beim Fressen mit ihrer Zunge. land vor. Wie andere Arten starb er vor etwa Es verschont die untersten 5 bis 6 Zentimeter, also den Bereich, wo viele Insekten leben oder Zikaden ihre Eier ablegen. Rinderweiden sind deshalb sehr viel artenreicher als Schafweiden. Der Wasserbüffel kann alles, was ein Rind kann, kommt aber auch mit Feuchtgebieten zurecht und frisst auch Sumpfpflanzen. Warum glaubt die Mehrheit der Menschen heute, Wald wäre die natürlichste Wildnis? Als vor 300 Jahren die Preussischen Forstgesetze erlassen wurden, war es Staatsziel, die Produktivität der Wälder zu erhöhen. Die Menschen hatten seit Jahrtausenden Schweine und Rinder im Wald weiden lassen – in der Stückzahl, die satt wurde. Dadurch wurden die Baumbestände sehr stark ausgelichtet, das ist zwar ökologisch wünschenswert, aber forstwirtschaftlich schlecht. Die Waldweide ist in Deutschland seitdem verboten. Als dann mit Wildnis experimentiert wurde, kam dichter Wald zurück und man dachte, das ist natürlich. Dabei wurde ­vergessen, dass es lange vor dem Menschen Beweidung durch dutzende große Pflanzenfresser gab. Auch der Naturschutz hat ­den Irrglauben, dass von Natur aus überall d ­ ichter Wald wäre, lange vertreten. Die meisten Arten sind Arten des Offenlandes. Es wird noch Jahre dauern, bis sich diese Erkenntnis durchsetzt.

BILD JAN HAFT

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NATÜRLICH IST DAS GANZ SCHÖN EGOISTISCH.

Auch Pflanzen sind Egoisten. Sie nehmen sich einfach was sie brauchen. Licht, Luft, Nährstoffe aus dem Boden. Dafür geben sie dem Boden Nährstoffe, die sie nicht brauchen. Verschiedene Pflanzen, unterschiedliche Nährstoffe. Aber das passt schon. Denn Bio ist Arbeiten mit der Natur. Durch eine vielfältige Fruchtfolge wird in der Biolandwirtschaft dafür gesorgt, dass der Nährstoffhaushalt ausgeglichen ist, Bodenleben und Biodiversität gestärkt werden. Wenn schon Egoismus, dann bitte Bio. Das ist wenigstens nachhaltig. Die richtige Fruchtfolge trägt auch dazu bei, Schädlinge zu minimieren. Das ist wichtig, denn in der Bio-Landwirtschaft sind viele direkte Maßnahmen zur Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen verboten. Bio ist arbeiten mit der Natur.

bioinfo.at


Die Badegewässer in Österreich weisen eine hervorragende Wasserqualität auf. Das bestätigt auch ein Bericht der EU-Kommission. Die EU-Kommission untersuchte die Badegewässer in Europa und kam erneut zu einem sehr guten Ergebnis für Österreich: Die Wasserqualität der heimischen Seen und Flüsse ist die zweitbeste in Europa. Untersucht wurden 260 heimische Badestellen. 258 Stellen (99,2 Prozent) wurden als »ausgezeichnet« oder »gut« eingestuft. Lediglich eine Stelle wurde als »ausreichend« eingestuft, eine weitere konnte aufgrund einer zu kurzen Datenreihe nicht bewertet werden. In ganz Europa wurden 85,7 Prozent der untersuchten Badegewässer mit dem Prädikat »ausgezeichnet« deklariert. Auf Platz eins im Ländervergleich befindet sich Zypern. Bei der Untersuchung werden die Gewässer – gemäß der EU-Badegewässer-Richtlinie – auf Escherichia coli und intestinale Enterokokken untersucht. Diese Bakterien können auf eventuelle Verschmutzungen hinweisen. Untersucht werden auch Temperatur und Sichttiefe. Letztere zeigt an, wie es um die Lichtdurchlässigkeit eines Gewässers bestellt ist: Je sauberer das Wasser ist, desto größer ist die Sichttiefe.

LEBENSGRUNDLAGE Die Qualität der Badegewässer in Österreich ist erstklassig – und das ist aus vielen Gründen bedeutend: Eine gute Wasserqualität hilft dabei, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Zudem ist eine ausgezeichnete Wasserqualität wichtig für die Biodiversität.

WASSERSCHUTZ Der Tourismus profitiert von den guten Gewässern Österreichs: Wir alle gehen im Sommer gerne schwimmen, nicht nur im Freibad, sondern auch in den vielen schönen Naturbadegewässern in Österreich. Sowohl inländische als auch ausländische Gäste nutzen diese für Sport und Erholung. Der Bericht ist eine erneute Bestätigung für die Wirkung der Investitionen in die Sanierung und den Schutz der Gewässer. Eine Übersicht über die Badewasserqualität bietet die AGES: www.ages.at/umwelt / wasser/ badegewaesser-monitoring

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VE R ANSTA LTU N G S-A R CH ITE KTU R

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Open for Maintenance – Das Team des Deutschen Pavillons nutzt das Material der vorangegangenen Ausstellung für neue Projekte in Venedig.

REDUCE -> REUSE TEXT Sebastian Jobst

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lle zwei Jahre präsentieren ArchitektInnen aus aller Welt ihre Perspektiven auf die Zukunft ihrer Zunft bei der Biennale Architettura di Venezia. Lesley Lokko, die Kuratorin der diesjährigen 18. Ausgabe der Biennale, gab als Leitthema für die nationalen Pavillons sowie den kuratierten Teil der Ideenschau das Thema »The Laboratory of the Future« unter besonderer Berücksichtigung von Dekolonialisierung und Dekarbonisierung aus. Damit aber aus architektonischen Visionen tatsächlich Räume für Menschen werden, muss gebaut werden. Dafür braucht es Baustoffe und

diese verursachen bei ihrer Erzeugung CO2. Eine besonders gute Bilanz erzielen Materialien, die einmal verbaut einen möglichst langen Lebenszyklus vor sich haben oder wiederverwertet werden.

VERANSTALTUNGSBILANZ Ausstellungsarchitektur steht unter diesen Gesichtspunkten naturgemäß unter keinem guten Stern. Meist handelt es sich um konventionelle Messebaumaterialien, bei deren Erzeugung auf Nachhaltigkeit kein Augenmerk gelegt wird. Durch ihren kurzen Einsatz wiegt der Kohlen-

BILD OPE N FOR MAI NTE NA NCE © ARCH+ SU MMACU MFE MMER BU ER O JULIA NE GRE B

Ein Fokus der 18. Biennale Architettura di Venezia ist die Dekarbonisierung des Bauens, drei Positionen zeigen Ansätze auf der Ebene des Materials auf.


stoffabdruck umso schwerer und meist werden sie nach der Ausstellung konventionell entsorgt. Bei der Konzeption der Ausstellung im Arsenale, also einer der beiden zentralen Ausstellungsflächen des Großereignisses, ging Lokko mit bestem Vorbild voran, würdigte die gelungene Ausstellungsarchitektur ihrer Kollegin Cecilia Alemani für die letztjährige Biennale Arte di Venezia und transformierte sie kurzerhand für ihr eigenes Konzept. Auf Ebene der Ausstellungsorganisation und -infrastruktur gelang immerhin erstmals die Zertifizierung der Biennale als CO2-neutrale Veranstaltung durch die Nutzung erneuerbarer Energie, effizienteren Materialeinsatz und etwa eine Anpassung des Cateringangebots – aber nicht ohne den Kauf von Kompensationszertifikaten aus Erneuerbare-Energie-Projekten in Indien und Kolumbien. Drei Positionen aus den Pavillons zeigen Ansätze zur Dekarbonisierung auf der Ebene des Materials auf:

WEGEN UMBAU GEÖFFNET Das KuratorInnenteam bezeichnet seinen Beitrag als Instandbesetzung. Architektur werde hier nicht gebaut, sondern performt. In der Praxis bedeutet das, dass das Team nach der vorangegangenen Kunstbiennale gebrauchte und für die Entsorgung bestimmte Materialien von knapp 40 Länderbeiträgen sammelte, katalogisierte und nun im Rahmen der Ausstellung im zum Materialdepot und Werkstatt umfunktionierten deutschen Pavillon vor Publikum wiederverwertet und weiterverarbeitet.

neu zu definieren. Die oftmals toxische Beziehung zwischen Mensch und Plastik thematisieren sie in skulpturalen Assemblagen aus Alltagsgegenständen bis hin zu Installationen aus in Form gepresstem Plastikgranulat. Damit zeigen sie gleichzeitig bildstark, dass die lange Lebenszeit und Widerstandsfähigkeit des Materials ein Fluch sowie sehr praktische Qualität sein kann. Die immensen Mengen Erdöl und Energie, die heute bereits in Plastik gebunden sind, wieder und wieder zu verwenden scheint jedenfalls eine bessere Idee als sie achtlos zu entsorgen. Natürlich blieben die Überlegungen zur Nachhaltigkeit nicht nur auf die Baumaterialien beschränkt. Beispielsweise schlummern in neuen Zugängen zum Bauen im Bestand und damit verbundenen ökonomischen Modellen in der Immobilienwirtschaft große Potenziale. Die Lage eines Neubaus zum Ortskern, also schlicht die Flächenwidmung, entscheidet ebenso über die ökologische Bilanz (Versiegelung, Mobilität, infrastrukturelle Erschließung et cetera). In der Architektur, Stadtplanung und Bauwirtschaft finden sich noch viele Handlungsfelder auf dem noch langen Weg zu ökologisch verhältnismäßigem Bauen. Gut, dass es mittlerweile so viele engagierte PlanerInnen gibt, die etwas daran ändern wollen.

BILD LA BIE NNALE DI VENEZ IA, THE LABORATORY OF THE FU TURE , MATTE O DE MAYDA

IN VIVO Das junge Studio Bento Architecture geht im Rahmen der Ausstellung gemeinsam mit der Philosophin und Psychologin Vinciane Despret der Frage nach, welche Qualitäten eine Architektur aus nicht nur nachwachsenden, sondern lebenden Materialien haben könnte. Diesem Gedankenexperiment verleihen sie in Form von Pilzziegeln und Platten einen Körper. Der daraus gebaute Raum überrascht durch eine angenehme Atmosphäre und Akustik.

EVERLASTING PLASTICS Für ihren Beitrag im Pavillon der USA luden die beiden Kuratorinnen Tizziana Baldenebro und Lauren Leving fünf DesignerInnen und KünstlerInnen ein, die Ästhetik und Materialkultur von Plastik in ortsspezifischen Werken

In Vivo – So könnte es aussehen, wenn Ziegel wachsen.

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MAR K T P L ATZ KO SM ETIK

GUT KEINSEIFEN!

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lastikvermeidung ist vermutlich für viele der Hauptgrund, sich für feste Pflegeprodukte zu interessieren. Die Inhaltsstoffe sind denen von Duschgels und -lotions sehr ähnlich, ihnen wurde aber das Wasser entzogen, oft etwas Stärke zugesetzt, und so kommen sie ohne wasserfeste Verpackung aus – sind also meist in Papier verpackt, oder gar nicht. Die Tenside sind oft aus Pflanzenölen (etwa Kokosöl oder Palmöl) und auch diese werden idealerweise – ergänzend zu den Ölen, die als Wirkstoffe hinzugefügt und auf den Produktverpackungen im

N. A . E . Moisturising Body Bar Biofeige & Biohibiskusextrakte Wer den Duft und die Anwendungsroutine von Kräuterseifen mag, aber keine echte Seife verwenden möchte, wird bei N.A.E. fündig, einer Marke der Henkel & Cie. AG – der Schweizer Tochter des Henkel-Konzerns. Cremig, ergiebig, bio. Das Tensid wird aus Biopalmöl gewonnen. In FSC-zertifizierter Kartonverpackung. Vegan und nach Cosmos-Organic-Standard biozertifiziert. Made in Germany. nae-erboristeria.ch/

TEXT Irina Zelewitz BILD Stefan Staller

Vordergrund stehen – aus nachhaltiger Quelle bezogen. Im Gegensatz zu echter Seife haben sie einen niedrigeren pHWert. Diese hat einen pH-Wert von 8 bis 11 – und ist damit alkalisch. Bei empfindlicher Haut oder häufigem Duschen hat feste Pflege, die keine Seife ist, also Vorteile. Bonus: Die Badreinigung gestaltet sich deutlich einfacher als nach der Verwendung von überfetteten Seifen – da die nicht verseiften Öle (die wir zur Hautpflege ja wollen, nicht aber zur Duschwannenpflege) sich recht hartnäckig in Dusch- bzw. Badewanne ablagern.

Alverde Naturkosmetik Fe s t e D u s c h e mit Minze-Bergamotte-Duft Riecht frisch, und ist weniger cremig, fällt durch eine kurze Liste an Inhaltsstoffen auf. Sie wird laut Herstellerempfehlung direkt auf der nassen Haut aufgeschäumt – und bildet einen formidablen Schaum. Mit Biosheabutter und Biokokosöl. Kartonverpackung aus 80% Recyclingmaterial. Hergestellt in Österreich. Natrue-zertifiziert. Vegan.

Herbalind Fe s t e s Shampoo Bio-Dachrose & Gurke Gurke und Dachrose – vielen womöglich weniger als Heilpflanze, sondern als Sukkulente im Steingarten und unter dem Namen Hauswurz bekannt – spenden Feuchtigkeit. Das Tensid wird aus Biopalmöl gewonnen. Direkt auf dem nassen Haar anwenden oder in den Händen aufschäumen, reinigt mild und versorgt trockenes Haar mit reichhaltiger Pflege, ohne zu beschweren. Im Karton aus recyceltem Graspapier. Natrue-zertifiziert und vegan. Made in Germany. herbalind-naturkosmetik.de


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Hafer Der festen Conditioner von i+m soll angefeuchtet werden, bevor mit ihm über die nassen Haarlängen und Spitzen gestrichen wird – und anschließend ausgespült. Während der Anwendung zweifelt man noch am Effekt, doch der Conditioner hält, was er verspricht: Er sorgt mit Hafer, Sheabutter, Bioolivenöl, Biokakaobutter und Bio-Aloe (u. a.) für bessere Kämmbarkeit, Glanz und Geschmeidigkeit. Er wird durch eine kompostierbare Verpackung aus Graspapier und Recyclingpapier geschützt. Nach dem Cosmos-Standard zertifizierte Naturkosmetik. iplusm.berlin

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Bigood Männerduschpflege ­­ & F e s t e s Körperpeeling Seit Frühjahr 2023 ist die Naturkosmetiklinie von BIPA (Rewe Österreich) auch in deutschen Märkten der REWE-Kette erhältlich. »4-in-1« – zwischen den Händen aufschäumen und Körper, Haar, Gesicht und Bart damit einschäumen und reinigen. Als Tensid dient Natriumcocosulfat (aus Kokosöl), hydrierte (und dadurch verfestigte) Pflanzenöle pflegen die Haut. Ergänzt u. a. durch Bioolivenöl und Biokakaobutter, Kohlepulver und

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O R ANGE N Ö L

ETIKETTENZAUBER Etiketten auf Glasflaschen oder Plastikbehältern können hartnäckig sein. Für die meisten ist Orangenöl eine Lösung. TEXT Samantha Breitler

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eim Versuch Etiketten abzulösen, scheitern viele der üblichen Hausmittel. Man rubbelt und schabt an der klebrigen Masse, die sich nicht ablösen lässt und unansehnlicher wird. Vor allem wenn man sich im Haushalt bemüht, Müll zu reduzieren und Schraubgläser und Verpackungen weiterzuverwenden, wird das Tüfteln und Probieren zur rückstandsfreien Entfernung von Klebeetiketten zur Alltagsbeschäftigung. Der Griff zu hochgiftigen Lösungsmitteln kann für alle, die sich auch aus Umweltbewusstsein für die Wiederverwendung von Behältnissen entscheiden, keine zufriedenstellende Antwort sein.

KLEBER MIT ÖL BEKÄMPFEN Hier kommt die Kraft der Terpene ins Spiel: Sie sind vor allem in Orangenöl in hoher Konzen­ tration vorhanden. Dieses wird zur Aromatisierung von Getränken und Lebensmitteln, Parfümierung von Haushaltsprodukten und in der Kosmetik verwendet, aber aufgrund seiner reinigenden und entfettenden Eigenschaften auch in vielen Bioreinigungsmitteln. Orangenöl ermöglicht eine gründliche Etikettenentfernung, ohne dass man zu aggressiven Chemikalien greifen muss. Die enthaltenen Terpene machen das Öl zu einem wirksamen Lösungsmittel. Terpene sind eine breite Klasse von organischen Verbindungen, die in Pflanzen vorkommen und ihnen oft ihren charakteristischen Duft verleihen. Einige besitzen wichtige biologische Funktionen – zum Beispiel eine Schutzfunktion für die Pflanzen, indem sie Insekten abwehren oder als Kommunikationsmittel dienen. Orangenöl enthält gleich mehrere solcher Terpene, das am häufigsten vorkommende ist

das Monoterpen Limonen. Dieses kommt in einer etwas niedrigeren Konzentration auch in Kümmel- oder Zitronenöl vor.

UNIVERSALLÖSUNG Zur Etikettenbefestigung haben sich hauptsächlich zwei Substanzen etabliert: Acryl und Kautschuk. Kautschukbasierte Klebstoffe können mit Orangenöl einfach angelöst und entfernt werden. Schwieriger wird es bei acrylbasierten Klebstoffen. Hier hilft es, wenn man den Entferner etwas länger einwirken lässt und mechanisch nachhilft, sprich: rubbelt und schabt. Unternehmen, denen nachhaltiges Wirtschaften ein Anliegen ist, setzen übrigens längst auf umweltverträgliche – und somit meist auch einfacher entfernbare Klebstoffe in und auf ihren Verpackungen. Da Orangenöl vollständig verdunstet, sind Oberflächen nach der Etikettenentfernung frei von klebrigen Resten und auch gleich sauber. Es ist sanft genug, um auf den meisten Oberflächen verwendet werden zu können, ohne sie zu beschädigen, und somit eine sichere Option für Glas, Metall, die meisten Kunststoffe, sogar einige Holzoberflächen. Bei manchen Kunstoffen oder lackierten Möbeloberflächen empfiehlt es sich aber vorher zu testen, ob das Mittel die Oberfläche angreift. Das rein ätherische Orangenöl wird übrigens meistens durch Kaltpressung gewonnen, kann aber auch durch die Erhitzung der Schalen mittels Wasserdampfdestillation extrahiert werden. Die Qualität des Orangenöls hängt von der Art der Orangen und der Gewinnungsmethode ab. Grundsätzlich gibt es zwei Sorten von Orangenöl: süßes Orangenöl (Citrus sinensis) und bitteres Orangenöl (Citrus aurantium). Beide werden aus Orangenschalen extrahiert, allerdings aus denen unterschiedlicher Sorten und sie unterscheiden sich in ihrer chemischen Zusammensetzung und somit auch ihren Einsatzmöglichkeiten. Hochwertiges Orangenöl enthält eine höhere Konzentration von Terpenen. Das Öl der Bitter-Orangen enthält von Natur aus einen höheren Anteil an Terpenen, weshalb es für die Lösung von Etiketten besser geeignet ist. Orangenöl kann wie jedes Öl mit Alkohol und anderen Ölen vermischt werden, nicht aber mit Wasser. Aufgrund der stark entfettenden und hautreizenden Wirkung sollte es nie unverdünnt mit der Haut in Berührung kommen.

BILD ISTOCK.CO M/BIG RYAN

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ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG VON ALPLA

#PLASTICISFANTASTIC Ich zeige dir warum!

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Folge mir auf

@philipp_lehner


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ME H R W EG

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FLASCHENDREHEN Speiseöl in der Pfandflasche aus Glas. Geht es nach dem Berliner Start-up Dotch, wird das Standard.

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Als der Krieg ausgebrochen ist, waren wir schon in der Umsetzung«, sagt Veronika Pfender. Die Glaskrise, die der russische Einmarsch in die Ukraine ausgelöst hat – einerseits durch gestiegene Energiepreise, andererseits durch zerstörte ukrainische Glashütten, die davor in großem Stil Gläser und Flaschen exportiert hatten – all das hat die Idee von Veronika Pfender und ihren beiden Geschäftspartnern allerdings noch einmal befeuert. Denn die Einführung eines Pfand- und Mehrwegsystems für Speiseölflaschen ist nicht nur ein Gebot der Kreislaufwirtschaft. Wenn eine leere Ölflasche bis zu fünfzig Mal zurückgenommen, gewaschen und wieder befüllt wird, dann senkt das nicht nur die CO2-Emissionen; weil Reinigung und Logistik weniger Ressourcen brauchen als das dauernde Sammeln, Sortieren und Einschmelzen von Altglas, um daraus wieder neue Gebinde zu gießen. Ein geschlossener Mehrwegkreislauf macht die Ölproduktion auch weniger anfällig von außen – und günstiger. »Durch die deutlich seltenere

»Durch die deutlich seltenere Neuproduktion von Flaschen werden wir den Ölmühlen langfristig auch geringere Preise bieten können, als bei Einwegglas.« —  Veronika Pfender, Dotch-Geschäftsführerin.

Neuproduktion von Flaschen werden wir den Ölmühlen langfristig eine Preisstabilität und auch geringere Preise bieten können, als es bei Einwegglas der Fall ist«, ist Pfender überzeugt. Ihre unverwechselbare Mehrwegflasche hört auf den Namen »Dotch«, eine Abkürzung für »do the change«. Die Flasche ist aus antikgrünem Glas, schützt den kostbaren Inhalt damit vor Licht, erhöht die Haltbarkeit und hat eine innen leicht konkave Flaschenmündung. Damit lässt sich im Flaschenhals ein Kunststoffausgießer anbringen, damit die Flasche beim Ausgießen nicht tropft. Außerdem ist die Form der »Dotch«-Flasche unverwechselbar; eine Voraussetzung für die automatisierte Rücknahme.

SYSTEMWECHSEL DURCH POOLLÖSUNG Weil sich auch ein Systemwechsel von Einwegflaschen auf Mehrweg nicht binnen weniger Tage bewerkstelligen lässt, dauerte es trotz des kriegsbedingt gestiegenen Interesses einige Zeit bis genügend Unternehmen für die Einführung der ersten 0,5-Liter-Flasche gefunden waren. Für einen einzelnen Hersteller allein wären die Investitionen zu hoch. »Es braucht einen unabhängigen Pool, dem sich alle Ölmühlen und Ölmarken anschließen können«, erklärt die Gründerin. Auch Handelsunternehmen mussten gewonnen und Rücknahmeautomaten programmiert werden. Den Start macht nun Bio Planète, die Marke der sächsischen Ölmühle Moog. »Spätestens im Oktober soll die gesamte Lieferkette der Branche die Möglichkeit haben, das Bio-Planète-Öl in der Mehrweg-

B ILD CREDIT TI M WI NKE R DO TCH

TEXT Thomas Weber


Das Pfand für die neue »Dotch«-Flasche beträgt 0,5 Euro – auch um die höhere Wertigkeit der Glasflasche im Vergleich zu den in Deutschland gesetzlich festgelegten 0,25 Euro Pfand für Einwegflaschen zu verdeutlichen.

flasche zu listen«, sagt Veronika Pfender. Auch andere Mühlen und Vermarkter bereiten ihre Mehrwegoffensive bereits vor. An der Entwicklung beteiligt waren etwa Mani Bläuel, Naturata und Byodo. Für den Biofachhandel hat Dotch vorerst 850.000 Flaschen vorgesehen. »Wir gehen mithilfe von logistischen Berechnungen davon aus, dass das System damit funktionieren wird«, so Pfender. Auch andere Flaschengrößen – von 250 Milliliter bis 1 Liter – sind in Vorbereitung. Auf die Biobranche möchte man sich keinesfalls beschränken. Je mehr Mühlen sich am Pool beteiligen, desto besser; auch international. Vorerst konzentriert man sich zwar auf Deutschland und nahe Märkte wie Österreich. Deutlich sichtbar ist aber die zweisprachige Aufschrift der Glasflasche: »Mehrweg« und »Reusable«.

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Wollen mit ihrer Öl-Mehrwegflasche Dotch die Kreislaufwirtschaft voranbringen: die GeschäftsführerInnen André Pietzke und Veronika Pfender und Produktentwickler Tim Winkler (von links nach rechts).


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eginnen wir ausnahmsweise mit der Hülsenfrucht in ihrer schrägsten Form: fermentierte Sojabohne. Bekannt auch unter der Bezeichnung Nattō. Ein Maßstab für die Kunstfertigkeit eines Fermentators ist sein Nattō. In Österreich reichen drei Finger, um die Produzenten aufzuzählen, die perfektes Nattō am Markt anbieten. Sanjay Bösch ist einer davon. Ihn und sein Nattō haben wir bereits vorgestellt, als es um Fermentiertes ging. Ein anderer Produzent ist das Unternehmen Farmento in Prellenkirchen. Auch dort verrotten Sojabohnen bis sie einen Grad der Köstlichkeit erreicht haben, der einzigartig ist. Nattō, also jene fermentierten Sojabohnen, sind ein japanisches Nationalgericht. So weit, so gut. Der Teufel steckt im – zugegeben gewöhnungsbedürftigen – Geruch. Um Nattō herzustellen werden die Sojabohnen gedämpft oder gekocht, wenn traditionell gearbeitet wird, in Reisstroh verpackt und mit dem im Stroh vorkommenden Bakterium bacillus subtilis natto »geimpft«. Den Rest erledigt die Natur und macht aus den Sojabohnen eine polarisierende Delikatesse.

Ein geschmackliches Kondensat Japans. Am Ende des Prozesses sind die Bohnen allerdings von einer schleimigen und klebrigen Masse umgeben, die beim Versuch, die Sojabohnen zu löffeln oder mit Stäbchen zu essen, sehr lange Fäden zieht. Wer Nattō gut hinbekommt, hat das Wesen der Fermentation verstanden. Man kann Nattō auf verschiedene Arten genießen. Die Empfehlung für Einsteiger: mit etwas Sojasauce in einer kleinen Schüssel verquirlen, ein weichgekochtes und geschältes Ei draufsetzen und entweder mit Katsuobushi, den getrockneten Bonito-Flocken oder Bottarga, den getrockneten Meeräschenrogen, würzen. Oder einfach so. Zum Frühstück.

TEXT Jürgen Schmücking

GRUNDLEGENDES UND EINORDNUNG Worüber sprechen wir, wenn von Hülsenfrüchten die Rede ist? Wesentlich ist, dass Hülsenfrüchte keine Früchte sind. Jedenfalls nicht im Sinne von Obst. Es ist Gemüse. Und es gibt ordentlich viel davon. Die Angaben schwanken zwischen 13.000 und 18.000 Arten. Zugegeben, »Hülsenfrüchte« klingt einmal wenig sexy.

Kichererbse Ihr Name hat nichts mit Kichern, sondern mit ›cicer‹, dem lateinischen Wort für Erbse zu tun.


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K E R NGE SCH Ä F T

In Österreich werden auf knapp 120.000 ha Hülsenfrüchte angebaut. 90.000 ha davon sind Sojabohnen. Damit erreicht Ö einen Selbstversorgungsgrad von 81 %. Bei Soja liegt der Bio-Anteil in Österreich bei 40 %

»Körnerleguminosen«, wie sie auch noch genannt werden, noch weniger. Letztlich ist das aber auch egal. Auf Menüs und Speisekarten stehen ohnehin immer die jeweiligen Vertreter. Also Linsen, Erbsen, Bohnen, Kichererbsen, Wicken oder Sojabohnen. Und Erdnüsse. Erdnüsse gehören auch zur Familie. Was sie gemeinsam haben, die Hülsenfrüchte ist die Hülse. In ihr eingeschlossen sind die Samen, die Kerne, die – in frischer oder getrockneter Form – kulinarische Verwendung finden. Warum beschäftigen wir uns eigentlich mit Linsen, Erbsen und Konsorten? Zum einen, weil wir sie schon eine ganze Weile anbauen. Anders formuliert, die Hülsenfrüchte gehören zu den ältesten Kulturpflanzen, die wir haben. In Griechenland fanden Archäologinnen und Archäologen Erbsenreste, die über 5000 Jahre alt sind. Die Geschichte der Kichererbse ist noch älter. Hier werden 8.000 bis 10.000 Jahre vermutet. Wobei sie, die Kichererbse, den Weg über die Seidenstraßen vom Himalaya in den Westen fand. Der zweite Grund ist schlicht, dass sie gesund sind. Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind sie unschlagbar. Ordentlich mit Ballast- und Mineralstoffen ausgestattet, jede Menge Protein, kaum Fett. Ihr einziger Nachteil ist, dass sie ziemlich lange (weich)gekocht werden müssen und dadurch die ganzen

Vitamine der B-Gruppe verlieren. Was die Sensorik der Hülsenfrüchte betrifft, ist deren Vielfalt so groß, dass eine einheitliche Darstellung kaum möglich ist. Nehmen wir daher eine besonders frische und grüne Variante heraus. Quasi als Gegenpol zur eingangs erwähnten fermentierten Sojabohne: die Erbse. Sie ist wie gesagt eine der ältesten Nutzpflanzen der Welt. In der gastrosophisch-kulinarischen Literatur finden wir sie in unzähligen Gerichten zu unzähligen Anlässen in unzähligen Formen. In Dosen verpackt als Verpflegung für Heere, die in den Krieg ziehen, als Farbtupfer im Reis (aka Risipisi), als nobles, royales Elitegemüse. Die Erbsen verfügen über das, was wir als ›umami‹ bezeichnen. Den Geschmack der Aminosäure Glutamat, auch »Wohlgeschmack« genannt. Außerdem sind sie dezent süß und leicht grasig. Es gibt eine Sorte, die in sensorischer Hinsicht besonders hervorsticht. Guisante lágrimas oder auch Tränenerbsen genannt. Die Kugerln gehören zu den teuersten Gemüsesorten der Welt. Teuer sind sie deshalb, weil erstens die Ernte enorm arbeitsintensiv ist und zweitens die Ausbeute gering. Von einem Kilogramm geernteter Schoten bleiben maximal 50 bis 60 Gramm Erbsen übrig. Die haben es dann aber in sich. Extrem dünnschalig und obwohl leicht süßlich ist auch etwas Salzigkeit zu schmecken. Beisst man auf die Erbse, platzt sie auf und der Saft samt Fruchtzucker werden freigesetzt. Mehr Erbse geht einfach nicht. Ein Wiener Sternekoch hatte erst kürzlich ein Gericht mit Lágrimas auf der Karte. Eine kleine Schüssel frischer Tränenerbsen, darauf eine Weltklasse-Rotbarbe. Nach der ersten Erbse wird schlagartig klar, dass nicht der Fisch die Hauptrolle bei diesem Gericht spielt. Worauf wir hinauswollen. Hülsenfrüchte werden oft mit Bohneneintopf, Speck mit Linsen oder Dosenerbsen assoziiert. Das gibt es. Es geht aber auch anders. Hülsenfrüchte können auch gut. Sehr gut sogar.

B ILD ISTOCK.CO M / BYMU RATDENIZ

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MESSE

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• Vorträge • Workshops • Verkostungen

Infos und Tickets: www.bio-oesterreich.at

11. & 12. November | WIESELBURG


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T E E K R ÄU TER

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EINES IM TEE? TEXT Irina Zelewitz

Verordnung (EU) 2020/2040 legt Höchgehalte für Pyrrolizidinalkaloide in bestimmten Lebensmitteln (Tee, Kräutertee, Nahrungsergänzungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel auf Pollenbasis, getrocknete Kräuter sowie Kreuzkümmel und Borretsch) fest.

T

ee, vor allem Kräutertee, ist als Getränk nicht nur seines Geschmackes wegen bliebt, sondern auch aufgrund der Wirkung vieler Kräuter auf die menschliche Gesundheit. Mache Tees sollten aufgrund ihrer Wirkstoffe nur in Maßen getrunken werden, andere eigenen sich hingegen ideal für den hemmungslosen Konsum durch all jene, denen Wasser auf Dauer zu »langweilig« wird. Allerdings nur, so lange dieser Tee nicht kontaminiert ist – etwa durch Pflanzenschutzmittel, Pflanzengifte oder Schwermetalle. Ungesüßt, teein- und koffeinfrei ist Kräutertee auch das klassische Heißgetränk für Schwangere, Kinder und körperlich geschwächte.

IST GIFT IM TEE »NATÜRLICH«? Eine Neuerung gibt es seit 2022 im Bereich der Verunreinigung durch natürlichen Pflanzengifte. Dabei handelt es sich um Gifte, die Pflanzen selbst auf natürliche Weise bilden, um Fraßfeinde abzuwehren. Wenn sie bei der Teeernte versehentlich mitgeerntet werden, sind sie auch im Tee in kleinen Mengen enthalten – sofern keine engmaschiges Qualitätssicherungssystem und eine entsprechende Qualitätskontrolle beim Hersteller dem vorbeugen oder kontaminierte Ware aus dem Verkehr ziehen. Ein Restrisiko bleibt allerdings auch bei sorgfältigen Kontrollen. Grundsätzlich können solche Pyrrolizidinalkaloide (PA) in vielen Lebensmitteln enthalten

sein, manche für den menschlichen verzehr grundsätzlich geeignete, enthalten sie auch. Das deutsche Bundesinstitut für Risikoforschung hat allerdings bereits 2016 festgestellt, dass Verunreinigungen in Tee und Honig die Hauptaufnahmequellen für Pyrrolizidinalkaloide (PA) darstellen. Das erste Problem dabei: »Bestimmte Pyrrolizidinalkaloide können die Leber schädigen«, wie das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung auf Anfrage bestätigt, und für manche von diesen, nämlich für 1,2-ungesättigte Pyrrolizidinalkaloide, wurde »in tierexperimentellen Untersuchungen ein erbgutveränderndes und krebserzeugendes Potenzial nachgewiesen«. Für Stoffe, von denen solche Gefahren ausgehen lassen sich, wie das BfR erklärt, keine Schwellenwerte ableiten, bei deren Unterschreitung davon ausgegangen werden kann, dass kein gesundheitliches Risiko besteht. Anders formuliert: Es gibt keine Dosis, die sicher bedenkenlos aufgenommen werden kann.

DIE GRENZEN DER VERNUNFT SIND UNBEKANNT EU-weit gilt daher die Empfehlung, solche Substanzen so weit zu minimieren, wie »vernünftigerweise erreichbar«. Was nun vernünftigerweise erreichbar ist, ist ein wenig umstritten: Durch »gute landwirtschaftliche Praxis und gute Erntepraxis« – können PA in Lebensmitteln »verhindert oder minimiert werden«, sagt das Bfr dazu. Und hält fest, dass hier sei-

BILD ISTOCK.CO M / EKATE RINA LANBINA / SHIMA / AR EVKA /ARXICHTU 4KI / VAN 96

Was ist ein Pyrrolizidinalkaloid?


Natürlich zu mehr Balance mit tens der Lebensmittelwirtschaft in den vergangenen Jahren schon Anstrengungen unternommen wurden, dass aber weitere nötig seien – insbesondere bei »Lebensmittelgruppen wie ›Kräuter/Gewürze‹, die teilweise durch sehr hohe Gehalte auffielen«. Dazu kann vor allem die Aufklärung und Ausbildung jener, die die Pflanzen kultivieren und ernten, beitragen. Gleichzeitig legt seit 2022 eine EU-Verordnung Höchstwerte für Pyrrolizidinalkaloide in einer Reihe von Lebensmitteln fest. Lebensmittel mit höheren Gehalten dürfen in der Europäischen Union nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Es gelten nun also gesetzliche Grenzen, zusätzlich kann es das Risiko minimieren, wenn für Abwechslung bei den konsumierten Seesorten gesorgt wird – und VerbraucherInnenportale und NGOs lassen zudem auch unregelmäßig Tests durchführen, die offenlegen, in welchen Produkten PA nachgewiesen wurden.

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»TEE« PA sind aber nicht die häufigste Verunreinigung in Kräutertee. Der wiederum ist kein Tee im engeren Sinne, weiß auch das deutsche Lebensmittelbuch: »Kräuter- und Früchtetee im Sinne dieser Leitsätze sind teeähnliche Erzeugnisse aus Pflanzen oder Pflanzenteilen, die nicht vom Teestrauch stammen und die dazu bestimmt sind, in der Art wie Tee verwendet zu werden. Hierzu zählen u. a. auch Gewürztee und Gemüsetee.« Konkret sind das also zum Beispiel sowohl die hiesig beliebten Kräutertees wie Pfefferminz- und Kamillentee, aber etwa auch Rooibostee. Wichtig ist das vor allem, um Zubereitungsempfehlungen auch in Punkto Lebensmittelsicherheit richtig befolgen zu können. Die erste und oberste Regel im Umgang mit Kräutertee betrifft nämlich die Zubereitung, die soll mit kochendem Wasser erfolgen. Das bereits zitierte deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung hat explizit eine Stellungnahme dazu veröffentlicht, dass Heißwasserspendern sich daher nicht zur Zubereitung von Kräuter- oder Früchtetees eignen, da sie in der Regel das Wasser nur auf 90°C erhitzen und die Abtötung von Keimen nicht garantieren können.

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Geteilte Gaudi, ist doppelte Gaudi ! Johannes Gutmanns persönliche unternehmerische Meilensteine auf dem Weg zu Resilienz – und einer großen Freude zum Teilen. Vor 35 Jahren gründete er SONNENTOR als Ein-PersonenUnternehmen. Eine One-Man-Show musste es sein, denn ohne ein bisschen Show keine Aufmerksamkeit. Und die braucht es, um eingefahrene Strukturen aufzubrechen und Neugier zu wecken. Die rote Brille wurde zum Markenzeichen; aus der Not des Spinnertums, das ihm und der Bioszene früher oft unterstellt wurde, eine Tugend: Dinge gezielt anders als gewohnt zu machen. Und zwar erfolgreich, sowohl nach den Parametern derer, die nichts anderes kennen, als ganz »normal« zu wirtschaften, als auch an Gemeinwohlkriterien gemessen. Johannes Gutmann gibt Einblicke zu ein paar Meilensteinen auf seinem Weg mit SONNENTOR. Wann hast du gemerkt, dass deine Produkte wertgeschätzt werden? Im privaten Umfeld war das anfangs dünn gesät. Meine Eltern haben sich in erster Linie Sorgen gemacht, dass ich einen gesicherten Job ausschlage, nämlich den Bauernhof weiterzuführen. Auf einem Hof sieht man die Ergebnisse der eigenen Arbeit, das Erntegut einer Saison. Meine Kräuter waren in dieser Hinsicht nicht sehr beeindruckend für sie. Was kleiner war als eine Kuh, war eigentlich sowieso nix wert. Meine erste Bestätigung hab ich mir am Bauernmarkt geholt, als ich erzählt hab, wo ich produziere und wo die Zutaten herkommen, nämlich aus dem Waldviertel. Ich bin wöchentlich zu meinen drei Bauern gefahren, zwei Tage auf den Markt in Zwettl und einen Tag nach Wien. Das war mein erster regelmäßiger KundInnenkontakt. Es war 1988, ich hatte meinen Wochenrhythmus und habe mir gedacht: Es wird, aber es wird mühsam. Für einen Bekannten habe ich damals auf den Märkten Getreidemühlen mitverkauft. Eines Tages ruft eine Kundin an, ihre Mühle sei verklebt. Ich bin mit dem Rad hingefahren und habe die Mühle gereinigt. Und dort habe ich nebenbei gesehen, dass da ein paar meiner Kräuter in dieser fremden Küche stehen und auch verwendet werden – da war ich schon stolz. Rückblickend gesehen waren die Hürden in die Küchenkasteln weniger hoch als gedacht.

Heute stehen deine Kräuter auch in Küchen, in denen niemand Vollkornmehl mahlt. Was hat dir gezeigt, dass man als Unternehmer Überzeugungsarbeit jenseits der Kernzielgruppe leisten kann? Als ich begonnen hab, war Bio völlig abwesend. In Niederösterreich gabs 70 Biobäuerinnen und -bauern, geschätzt 10 davon im Waldviertel. Ich hatte den Vorteil, ein unbeackertes Geschäftsfeld zu betreten. Ich habe nicht gewusst, wie tief das Meer ist, in das ich mich wage, aber ich habe gewusst: Ich kann nicht gut schwimmen, aber ich kann schwimmen – und ich muss nicht schnell sein, sondern nur nicht untergehen. Dann hab ich halt angefangen zu erklären, was Bio ist. Die Leute waren sehr interessiert, weil außer mir keiner da war, der das erklärt hat. Durch Gespräche wurden KundInnen zu StammkundInnen. Dazu muss man keine Großartigkeiten aufführen, sondern in Kommunikation bleiben. Dabei haben mir die Bauern und Bäuerinnen sehr geholfen, sie habe ich gefragt, was mich die Leute auf dem Markt gefragt haben und ich nicht beantworten konnte. Diese Landwirte und Landwirtinnen haben ja auch neue Wege eingeschlagen und sich dafür in ihren Dörfern auslachen lassen. Manche haben sich nach der Kirche nicht mehr ins Wirtshaus getraut, weil sie dort angeredet werden, warum sie Unkraut anbauen und ob sie ihre Familie verhungern lassen wollen. Zweifelt man auch nach großen Erfolgen noch daran, dass man mit dem eigenen Tun etwas zum Besseren bewegt? Ja, sicher. Wenn ich mir allein die politischen Rahmenbedingungen in Österreich ansehe: Wir geben mit unserem hohen Anteil von über 26% an Biolandwirtschaftsflächen an, aber sonst machen wir eigentlich nicht so viel. Wir haben nicht einmal ein Klimaschutzgesetz. Da zweifelt man schon, ob man mit dem, was man jahrzehntelang erzählt, wirklich Gehör findet. Aber: Wir haben PartnerInnen und MitarbeiterInnen, die sich in der Überzeugung, dass es wirklich nachhaltiges Verhalten und Wirtschaften braucht, dafür einsetzen, dass das irgendwann alle checken. Und unsere Unabhängigkeit macht uns stark genug, nicht irgendwem nach


Hattest du jemals das Gefühl, es »geschafft« zu haben? Das war nie der Fall. Geschafft hast du’s, wenn du dir die Kartoffeln von unten anschaust, auf ein zufriedenes Leben zurückblickst und sagen willst: »O. K., Danke für Alles!« Aber wirtschaftlich betrachtet, schon: Denn ich wollte, dass ich von meiner Arbeit leben und meine Versprechen halten kann. Und es hat mir gereicht, zu sehen: Ich hab mich nicht verrannt. Dass ich auch gesellschaftlich was bewegen und zeigen konnte, es geht auch anders und besser, war eine zusätzliche Befriedigung für mich. Das hab ich mir immer wieder vorgenommen und es funktioniert bisher super.

B ILD SO NNE NTO R, BIORAMA BILD SONNENTOR, BIORAMA

Ist es nach Jahren als One-Man-Show schwierig, Verantwortung zu teilen? Ich hab nie das Problem gehabt, diese Arbeit zu teilen und nie sonderlich Misstrauen kultiviert, dass MitarbeiterInnen »owezahn«. Wenn ich kontrolliert werde, macht mir das auch keinen Spaß. Ich habe MitarbeiterInnen nie als Leute gesehen, mit denen ich meinen Erfolg teilen muss. Sondern mit denen ich die Freude teilen kann und die neue Perspektiven einbringen. Die Richtung gebe ich vor, aber den Weg überlasse ich ihnen. Daraus resultiert unser Agieren als Unternehmen, das dem einer Familie ähnelt. Meine schönste Erinnerung an mein Aufwachsen war, zu fünft um den Tisch zu sitzen. Und manches davon haben wir in die Firma

integriert. Begonnen hat es mit einem Mitarbeiter, der in der Pause auf einer Palette gejausnet hat, während ich mir was gekocht habe. Er ist meiner Einladung gefolgt, mit mir gemeinsam zu kochen und zu essen. Mit der Zeit ist aus dem ganzen eine Viele-Leut-Show geworden. Das war eben immer bunt. Und das macht den Leuten Freude und deswegen kommen alle gern, nicht wegen mir. Ich bin Gott sei dank eh nicht immer überall. Man muss die Gaudi, die man hat, auch teilen. Wie wurde SONNENTOR zum Familienunternehmen? Das ist meiner Familie, meiner Mutter und meiner Frau Edith zu verdanken. Meine Mutter hat mir beigebracht, das, was man selber möchte, auch anderen zuzugestehen. Und meine Frau hat einen Riesenanteil daran, wie wir das konkret umgesetzt haben. Sie steht immer noch im Geschäft, in Zwettl, sie hat das auch gemacht, als unsere drei gemeinsamen Kinder ganz klein waren und gleichzeitig bewirkt, dass wir noch familienfreundlicher werden. Denn uns wurde klar, dass das, was wir brauchen, auch andere mit Kindern brauchen – und sie ist ausgebildete Kindergartenpädagogin und hat das mit dem entsprechenden Hintergrund auch in den Betrieb gebracht. So nachhaltig, wie wir landwirtschaftlich agieren, wollen wir auch betriebswirtschaftlich agieren. War es dir ein Bedürfnis, deine Heimat zu prägen? Dinge auch jenseits des eigenen Unternehmens zum Positiven ändern, die falsch laufen? Ich habe in der Schulzeit gelernt, dass man gemeinsam schnell was bewegen kann. Das wollte ich auch umlegen. Wir haben mit einer Gruppe anderer Unternehmen 2007 den ersten Nachhaltigkeitsbericht geschrieben. Plötzlich hat auch die Wirtschaftskammer Interesse gezeigt. Wir haben dazu beigetragen, die Waldviertelautobahn zu verhindern. Wir gehörten vor 10 Jahren zu den Ersten, die im Betrieb E-Autos eingeführt haben. Und wir bauen mit Holz. Beim jüngsten Lager mit 3000m2 – da wurde ich in der Planung noch gefragt, ob ich »deppert« bin, weil Stahl viel billiger ist. Und dann war Stahl in den ersten Jahren der Pandemie eh quasi nicht lieferbar. Es geht eben darum zu sagen: Was ist was wert? Wollen wir von der Geschichte lernen und uns fragen, was wir auf der Erde dalassen? Wir haben deswegen mit SONNENTOR die größte Biobewegung Österreichs initiiert – »Enkeltaugliches Österreich« – ich war überrascht, wie schnell das so groß wurde. Wir haben ihm Rahmen dieser zum Beispiel begonnen, Luft zu untersuchen. Das machte halt bisher keiner. Biogemüse gibts schon, aber was wir atmen, will wieder niemand erforschen. Und deswegen wollen wir da einspringen und eine Wissensgrundlage schaffen, um es besser zu machen. Und genau so gehts! Deswegen werden wir noch viel bewegen. Deswegen waren 35 Jahre nicht genug, sondern erst der Anfang!

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG VON SONNENTOR

dem Mund reden zu müssen. Das Schönste, das wir aus der Sicherheit schaffen konnten, ist unsere Resilienz.


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HERBSTKRÄUTER VOR DEINER HAUSTÜR Anleitung zum ganzjährigen Sammeln und Kochen.

TEXT Irina Zelewitz

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elten gelingt die Verbindung zwischen Pflanzenkunde und Bestimmungshilfen, Phytopharmakologischen Basics und abwechlungsreichen Rezepten so gut wie in »Wildkräuter vor deiner Haustür« von Marion Reinhardt. Im Buch findet sich

auch ein herausnehmbares Booklet für unterwegs – und dort je ein Bereich für Sammlung im Frühling, Sommer und zusammengefasst Herbst und Winter. Zwei Rezepte mit Zutaten, die im Spätsommer – oder Frühherbst zu ernten sind.


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FRAUENMANTEL-TASCHEN ZUTATEN Für den Teig • 250 g Dinkelmehl • 250 g Weizenmehl • Salz • 2 Bio-Eier • 2 EL Olivenöl

Für die Füllung

B ILD VA LERIE HAMMACHER, ARS VIVENDI

• 250 g Frauenmantelblätter und -blüten, plus etwas mehr zum Garnieren • Salz • 50 g Butter • 1 kleine Zwiebel

• 1 Knoblauchzehe • 50 g Mehl • 500 ml Milch • Salz und Pfeffer aus der Mühle • 1 Prise frisch geriebener Muskat

Zum Servieren • 6 EL Butter • 75 g geriebener Parmesan • Mixer oder Pürierstab

TOMATEN MIT WILDE-MÖHRE-FÜLLUNG

REZEPTE AUS:

ZUTATEN • 8 mittelgroße Tomaten • 8 Wilde-Möhre-Blütenstände zum Dekorieren

Für die Füllung • 150 g Frischkäse • 150 g Schmand • 1 Karotte • 1 Handvoll Wilde-Möhre-Blätter • 1 Knoblauchzehe • Salz und Pfeffer aus der

Mühle • 1 – 2 TL frisch gepresster Zitronensaft • 1 TL Honig • Küchenreibe • Knoblauchpresse • 1 kleine Zwiebel

ZUBEREITUNG

ZUBEREITUNG

• Für den Teig die Mehlsorten in einer Schüssel mit etwas Salz vermengen. Eier, Olivenöl und 125 ml Wasser hinzugeben und alles zu einem glatten Teig verkneten. Den Teig unter einer umgedrehten Schüssel 1 Stunde ruhen lassen. • Für die Füllung das Frauenmantelkraut abspülen und in Salzwasser blanchieren. Abkühlen lassen und grob hacken. Einen Teil davon zum Servieren beiseitelegen. • Butter in einem Topf schmelzen. Die Zwiebel schälen und würfeln, die Knoblauchzehe pressen und zusammen in der Butter andünsten. Das Mehl darüberstäuben, Milch hinzufügen und gut verquirlen, sodass keine Klümpchen zurückbleiben. Aufkochen und das Frauenmantelkraut untermischen. Alles kurz köcheln lassen und anschließend im Mixer pürieren. Die Masse mit Salz, Pfeffer und Muskat würzen und abkühlen lassen. • Den Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche dünn ausrollen. Die Füllung teelöffelweise auf der Hälfte des Teigs verteilen. Die andere Hälfte darüberklappen und den Teig rund um die Füllung andrücken. Anschließend daraus mit einem Glas mit 7 cm Ø Kreise ausstechen. • In einem großen Topf Salzwasser zum Kochen bringen. Die Teigtaschen hineingleiten und etwa 5 Minuten ziehen lassen, nicht kochen. Mit einem Schaumlöffel herausnehmen und abtropfen lassen. • Die Butter in einer großen Pfanne schmelzen und die Teigtaschen portionsweise darin schwenken. Auf Teller verteilen und mit Parmesan sowie etwas Frauenmantelkraut bestreut servieren.

Die Tomaten waschen, halbieren und Strunk sowie Kerne entfernen. Für die Füllung Frischkäse und Schmand zu einer glatten Masse verrühren. Die Karotte schälen und fein reiben, ­dabei einen Teil für die Garnierung beiseitestellen. Die Wilde-Möhre-Blätter waschen, trocken schütteln und fein schneiden. Die Knoblauchzehe abziehen und pressen. Karotte, Blätter und Knoblauch unter die Frischkäsemasse rühren. Mit Salz und Pfeffer, Zitronensaft und Honig ­abschmecken. Die Masse in die ausgehöhlten Tomaten f­üllen und mit je 1 Wilde-Möhre-Blüte und etwas geriebener Karotte garnieren.

»WILDKRÄUTER VOR DEINER HAUSTÜR« Ars Vivendi, 2022.


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DAS EINFACHE ITALIEN.

B ILD DAVID LOFTUS

Linsen ohne Speck.


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Wenig Shishi in der Küche, dafür umso mehr Amore. Auch wer jetzt mit den Augen rollt, weiß: In Italien weiß man aus wenigen, hochwertigen Zutaten viel rauszuholen. Und wie international unter Omas und Opas beliebt, liefert der britische Starkoch Gennaro Contaldo (ursprünglich aus Minori an der italienischen Amalfiküste) eine weitere Ausgabe der Geschichte: Wir haben ja früher nichts gehabt, mit dem Wenigen, das da war, mussten wir umgehen lernen, und wer das kann, kann erstens dann auch gleich halbwegs kochen und ist zweitens lebenslang im Vorteil, wenn die Ressourcen knapp sind. Und wenn diese Cuci-

RIBOLLITA | TOSKANISCHE BOHNENSUPPE MIT BROT Für diese herzhafte toskanische Suppe kann man wunderbar Gemüsereste und altes Brot verwerten. Sie entstand aus der Notwendigkeit heraus, Mahlzeiten zu strecken und länger haltbar zu machen, daher die Zugabe von Brot. Wahrscheinlich war sie dazu gedacht, sie mehrere Tage nacheinander zu essen, worauf der Name Ribollita anspielt, was wörtlich »aufgewärmt« bedeutet. Aber wie bei allen Gerichten der Cucina povera macht der Trick, Brot in die Suppe zu geben und es darin ziehen zu lassen, sie noch gehaltvoller und aromatischer, gesünder und zudem superlecker. Sie können dafür jede Art von Kohl, Frühlingsgemüse und Blattspinat sowie grundsätzlich alles an Gemüse nehmen, das Sie gerade vorrätig haben. Ich habe meine Version auf traditionelle Weise gekocht, mit getrockneten Bohnen, von denen man die Hälfte mit der Brühe püriert, wodurch die Suppe ziemlich dick wird. Man kann sie mit einer Gabel essen. Das Rezept ist etwas zeitaufwendiger und muss geplant werden, aber es lohnt sich, auch weil man sie im Voraus zubereiten und im Kühlschrank aufbewahren kann, um sie dann für mehrere Mahlzeiten aufzuwärmen.

ZUTATEN FÜR 4–6 PORTIONEN • 300 g getrocknete Cannellini-Bohnen, über Nacht in kaltem Wasser eingeweicht • 2 EL natives Olivenöl extra, plus mehr zum Beträufeln • 1 Knoblauchzehe, leicht zerstoßen, aber noch ganz • 1 Zweig Rosmarin • 1,7 l Gemüsebrühe, nach Bedarf etwas mehr • 1 Zwiebel, fein gehackt

na povera auch aus ökonomischer Knappheit oder schlicht aus der fehlenden Verfügbarkeit mancher Produkte auf dem ärmlichen italienischen Land entstanden sind: Heute wissen wir längst um neue Gründe, mit Ressourcen schonend umzugehen, auch wenn sie direkt vor unserer Nase scheinbar unendlich verfügbar sind. BIORAMA empfiehlt, von der eigentümlichen, auch in Contaldo Büchern üblichen Empfehlung, ausgerechnet manche der Zutaten in Bioqualität zu kaufen, Abstand zu nehmen, und das auf sämtliche Zutaten auszudehnen.

• 1 Stange Staudensellerie, fein gehackt • 1 Karotte, fein gehackt • 200 g reife Flaschentomaten, geschält und entkernt, oder Dosentomaten, grob gehackt • 1 große Kartoffel, geschält, fein gewürfelt • 200 g Weißkohl, grob gehackt • 200 g Cavolo nero (Palmkohl), grob gehackt • 200 g Mangold, grob gehackt • 200 g altbackenes Brot, in Scheiben geschnitten • Chiliflocken zum Servieren

ZUBEREITUNG Die eingeweichten Bohnen abgießen und abspülen. In einem großen Topf 1 EL Olivenöl erhitzen. Knoblauch und Rosmarin bei mittlerer Temperatur etwa 1 Minute darin dünsten. Bohnen und Brühe hinzufügen und zum Kochen bringen. Die Temperatur reduzieren und das Ganze bei leicht geöffnetem Topfdeckel etwa 50 Minuten köcheln lassen, bis die Bohnen weich sind (Packungsangabe beachten). Den Topf vom Herd nehmen und mit einem Schaumlöffel ungefähr die Hälfte der Bohnen herausnehmen und zur Seite stellen. Wenn die restlichen Bohnen in der Brühe abgekühlt sind, den Rosmarinzweig entfernen und die Mischung mit einem Pürierstab glatt pürieren. Zur Seite stellen. Restliches Olivenöl in einem großen Topf erhitzen, Zwiebel, Sellerie und Karotte darin bei mittlerer Temperatur etwa 3 Minuten braten. Tomaten und Kartoffelwürfel hinhinzufügen und ein paar Minuten sautieren. Die Kohlsorten und den Mangold untermischen und etwa 1 Minute mitbraten, bis die Blätter zusammenfallen. Die pürierte Bohnenmischung dazugeben, den Topfdeckel auflegen und bei schwacher Hitze etwa 45 Minuten kö-

TEXT Irina Zelewitz

REZEPTE AUS:

» CUCINA POVERA«, von Gennaro Contaldo, 2023, Ars Vivendi.


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60 cheln, bis der Cavolo nero gar ist. Nach Bedarf noch etwas Wasser oder Brühe angießen. Die ganzen Bohnen einrühren und den Topf vom Herd nehmen. Eine große Schüssel mit ein paar Brotscheiben auslegen, ein paar Kellen Suppe daraufgeben und so schichtweise fortfahren, bis das ganze Brot aufgebraucht ist. Zuletzt die restliche Suppe einfüllen. Mit Frischhaltefolie abdecken und abkühlen lassen. Dann für ein paar Stunden, am besten über Nacht, in den Kühlschrank stellen, damit sich die Aromen entfalten und das Brot in der Suppe aufweicht. Zum Servieren alles in einen großen Topf geben und sanft erwärmen. In Suppenteller füllen, mit Chiliflocken bestreuen und mit Olivenöl beträufeln.

RAGÙ DI LENTICCHIE | LINSENRAGOUT Linsen sind eine hervorragende Proteinquelle und ein perfekter Ersatz für eine Hackfleischsauce. Dieses Gericht ist mit Zutaten aus dem Vorratsschrank immer schnell auf den Tisch gebracht. Man kann es auch in größeren Mengen zubereiten und portionsweise einfrieren.

Linsenragout passt perfekt zu Pasta (wie hier), man kann es aber mit etwas Bauernbrot dazu auch pur essen. Am besten eignen sich braune oder grüne Linsen, die man überall bekommt und nicht vorher einweichen muss. Bitte beachten Sie, dass die Mengenangabe für die Brühe ein ungefähres Maß ist und dass auch die Kochzeit, je nach verwendeter Linsensorte, variieren kann.

ZUTATEN FÜR 4 PORTIONEN • 3 EL natives Olivenöl extra • 1 Zwiebel, fein gehackt • 1 Stange Staudensellerie, fein gehackt • 1 Karotte, fein gehackt • 1 Lorbeerblatt • 40 ml Rotwein • 200 g getrocknete kleine braune oder grüne Linsen (gewaschen) • 1 EL Tomatenmark • ca. 900 ml heiße Gemüsebrühe • 1 kleines Stück Parmesanrinde (nach Belieben) • Meersalz • 400 g Tagliatelle, Linguine, Spaghetti oder Penne • geriebener Parmesan zum Servieren


Das Olivenöl in einer großen, tiefen Pfanne erhitzen, die Zwiebel, den Staudensellerie, die Karotte und das Lorbeerblatt hinzufügen und bei mittlerer Temperatur etwa 4 Minuten anschwitzen, bis Zwiebel und Sellerie weich sind. Die Temperatur erhöhen, den Wein angießen und verdampfen lassen. Dann die Linsen zugeben. Das Tomatenmark mit etwas Gemüsebrühe verdünnen und unterrühren. Die Linsen mit heißer Brühe bedecken, die Parmesanrinde (falls verwendet) dazugeben und die Temperatur auf mittlere bis niedrige Stufe reduzieren. Bei halb geöffnetem Deckel etwa 40 Minuten köcheln, bis die Linsen gar sind. Von Zeit zu Zeit prüfen, ob noch Brühe benötigt wird. Gardauer und Flüssigkeitsbedarf hängen von der Linsensorte ab. Zum Ende der Kochzeit Salzwasser in einem großen Topf zum Kochen bringen und die Nudeln entsprechend der Packungsangabe al dente garen. Die Nudeln abgießen (dabei etwas Kochwasser auffangen) und sorgfältig unter die Linsen mischen. Dann bei hoher bis mittlerer Temperatur ein paar Minuten köcheln, gegebenenfalls noch ein wenig von dem aufgefangenen Kochwasser dazugeben, um das Ragout etwas aufzulockern. Vom Herd nehmen, mit geriebenem Parmesan bestreuen und sofort servieren.

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Bild Streuobstwiese: © K. Mayhack

ZUBEREITUNG

Eine Streuobstwiese beheimatet bis zu 5.000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten und ist damit genauso artenreich wie ein tropischer Regenwald. Diesen einzigartig vielfältigen Lebensraum erhalten und unterstützen wir mit unseren Streuobst-Säften und zahlreichen Pflanzaktionen.

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Schützt Streuobstwiesen!


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NEU ODER NOCH GUT

Empfehlungen, Warnungen, warnende Empfehlungen. Von Neuentdeckungen und alten Perlen. Auf dass uns Weghören und -sehen vergeht.

JUDITH SCHALANSKY /»SCHWANKENDE KANARIEN« / Verbrecher Verlag, 2023

LUKAS SCHULER U. KURT WIRTH / »MEIN HAUS, MEIN LICHT, UNSERE UMWELT« / Haupt Verlag, 2023

Vorgelesen für alle, die präzisen und schönen Gedankengängen von antiker Poesie über Grubenarbeiterschutz bis zu Kipppunkten im ­Klimawandel folgen möchten.

Vorgelesen für alle, die außerhalb der eigenen vier Wände bewusst mit Licht umgehen und die Lichtverschmutzung mindern wollen.

»Schwankende Kanarien« erscheint als vierter Band in der Reihe Wortmeldungen mit GewinnerInnentexten des Ulrike Crespo Literaturpreises im Berliner Verbrecher Verlag. Es ist ein kurzer Text, geschrieben, um vorgelesen zu werden oder sich beim Lesen den Vortrag vorzustellen. Die Ich-Erzählerin, die man recht nahe an Autorin Judith Schalansky vermuten darf, nimmt einen mit in ihre Gedanken, formuliert dabei so präzise wie lustvoll und setzt sich in dem Text mit den Frühwarnsystemen der Menschheit auseinander. Sie formuliert die Gedankengänge aus, schreibt über das Schreiben selbst und den Aufbau von Geschichten, streift Aristoteles und im Laufe des Textes unter anderem Rachel Carsons »Silent Spring« oder auch Vonnegut. Dem Titel folgend stehen im Zentrum, auf das sie immer wieder zurückkommt John Scott Haldane und die von ihm eingeführten und umfangreich beschriebenen Kanarien, die eingesetzt wurden, um Grubenunglücke zu verhindern. Es geht um Kipppunkte und die Tatsache, dass es nicht am Wissen und fehlender Information scheitert. »Schwankende Kanarien« ist kein dramatischer Weckruf zum Thema Klimawandel, sondern ein präziser Text mit dem Ziel »etwas zu erzählen, das zählt«. MARTIN MÜHL

Vielerorts sind die Nächte taghell; Straßen grell, Vorgärten punktuell ausgeleuchtet. Ganzjährig schmücken Lichterketten Lauben und Sträucher. Wir empfinden das als schön, fühlen uns sicher. Doch das viele Licht stört nicht nur den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus von Insekten, Fledermäusen und anderem Getier. Auch beim Menschen führt es zu Schlafschwierigkeiten. Lukas Schuler und Kurt Wirth, beide als Nachtschutz-Aktivisten von Darksky Switzerland um den Erhalt des Sternenhimmels und im Kampf gegen Lichtverschmutzung engagiert, beginnen ihr Buch deshalb mit Grundsätzlichem – »Warum schlafen?« –, landen aber bald bei einfach umsetzbaren Empfehlungen für »besseres Licht«. Praxisnah werden gelungene Beispiele vorgestellt. Dabei kommt es dem Ratgeber zugute, dass es sich bei Wirth um einen pensionierten Elektroplaner handelt. Alle Tipps sind handfest und die Möglichkeiten, die eigene »Ausstrahlung« zu verbessern, ohnehin mannigfaltig. Sie reichen vom richtig eingestellten Abblendlicht über den adaptierten Neigungswinkel bei Außenwandleuchten bis zur Zeitschaltuhr. Vorbildlich auch, dass Gerichtsentscheide rund um den Einsatz von Licht oder rechtliche Vorgaben

B ILD VERBRECHER VE RLAG , HAUPT VERL AG , FRE DERKI NG UND THA LER

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R E ZE NSIO N E N


(etwa Weihnachtsbeleuchtung betreffend) immer sowohl für die Schweiz, als auch für Deutschland und Österreich angeführt werden. Fundiert, sachlich und kompakt, d. h.: sehr brauchbar. THOMAS WEBER

THOMAS BEHREND / »UNSERE MEERE – NORD- UND OSTSEE« / Frederking & Thaler, 2023

Gratis Bio im Büro

Angesehen für Schaulustige mit Faible für die Geschichten hinter den Naturkulissen. Ein Buch, das besonders durch solche Hintergrundinformationen neugierig auf die gleichnamigen Dokumentarfilme der ARD-Reihe macht und eine Filmreihe, die das Bedürfnis weckt, manches vom Gesehenen festzuhalten. In der Doku wird mitunter in Text, Bild und Musik mit dem Pathos ein wenig übertrieben, die vielen durch ihre Intimität überwältigenden Aufnahmen aus dem Leben der portraitierten Meeresbewohner versöhnen allerdings umgehend. Im Bildband wird den Gedanken des Filmmachers um den Kontext mehr Raum gegeben. In unmittelbarer Erzählung nimmt einen der Taucher, Naturfilmer und Naturfilmproduzent Thomas Behrend mit auf sein Mammutprojekt, an 320 Drehtagen in elf Ländern »Unsere Meere« vorzustellen – gemeint sind, aus der Perspektive des gebürtigen Hamburgers, die der Deutschen. Von großen Zielsetzungen, übers Scheitern bei der Arbeit in der Natur, bis zu zufälligen und erarbeiteten Erfolgen, sorgt es unweigerlich für ein neues Verständnis der Zusammenhänge zwischen menschlichem Verhalten, dem Klimawandel und möglichen Grenzen der tierischen Anpassungsfähigkeit an diesen. IRINA ZELEWITZ

Hol dir jetzt einen gratis BioObst-korb ins Büro! Das Bio-Obst und Bio-Gemüse vom ADAMAH BioHof sorgt für vitaminreiche Jausenpausen, steigert das Wohlbefinden, die Motivation und die Gesundheit. Für kurze Zeit schenken wir jeder interessierten Firma in Wien und Umgebung einen kostenlosen Bio-Obstkorb zum Ausprobieren. www.adamah.at/obstkorb-fuers-buero


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AU S D E M VE R L AG

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UND SONST SO, IM BIORAMAUNIVERSUM ... ENTGELTLICHE KOOPERATION MIT DER STADT WIEN

EVENT

CRAFT BIER FEST WIEN Man soll die Craft Bier Feste feiern, wie sie fallen!

Denn dort können neue Biere entdeckt und gemeinsam verkostet werden. Das sechzehnte Wiener Craft Bier Fest fällt auf den 10.–11. November 2023 und wird mit einem noch stärkeren Fokus ein internationales Ausstellerfeld bieten. www.craftbierfest.at

AUDIO

Staffel 2 der Podcastreihe der Stadt Wien zum Thema Stadtlandwirtschaft In fünf neuen, abermals von Biorama gestalteten Folgen widmet sich der Podcast der Stadt Wien ihren knapp 700 bäuerlichen Betrieben, urbanen Food Trends und für mündigen Genuss Wissenswertem. Bevor fünf weitere Gespräche mit ProduzentInnen, Ernährungs-AktivistInnen und innovativen VermarkterInnen im September online gehen, lädt auch Staffel 1 noch zum Nachhören ein. Zu finden überall, wo es Podcasts gibt, und unter buzzsprout.com/1162916

MAGAZIN

WUNSCHAUSGABE

10. & 11. Nov 2023 Marx Halle Wien CRAFTBIERFEST.AT

Du weißt genau, was du willst, und das ist eine bestimmte Ausgabe unseres Magazins? Wir bieten – mit begrenzter Verfügbarkeit – auch Einzelexemplare an. Abgebildet ist übrigens unsere zweite Hauptstadtausgabe BIORAMA Wien–Berlin zum Schwerpunkt Stadtwildnis. Solange der Vorrat reicht, schicken wir dir gerne deine Wunschausgabe – druckfrisch oder aus unserem Archiv ab dem Jahr 2015 – zum Pauschalpreis zu dir nachhause oder in dein Büro oder an deine FreundInnen in der Europäischen Union. biorama.eu/abo

5,50

BILD DES IGNGRUPPE KOO P, BIORAMA

Ausgabe verpasst? BIORAMA-Einzelexemplar direkt in deinen Briefkasten!


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MAGAZIN

OUT SOON!

BIORAMA IM ABO

Einstweilen zum Nachlesen: BIORAMA Niederösterreich #11 biorama.eu/noe11

Auch wenn biorama ein Gratismagazin ist, kannst du es abonnieren und bekommst jede Ausgabe nach Hause geschickt – bei einem Wohnsitz in Österreich auch unsere Line-Extension biorama Niederösterreich. Für 25 EUR im Jahr bist du dabei und unterstützt unsere unabhängige redaktionelle Arbeit. biorama.eu/abo

Die zwölfte BIORAMA-Niederösterreich-Regionalausgabe erscheint im November 2023.

Jährlich sechs Ausgaben direkt in deinen Briefkasten!

KOOPERATION

»STADT.LAND.SCHLUSS.« Wie gestaltet man das Weniger?

Was eigentlich nicht (mehr) geht: Unsere auf Wachstum basierende Gesellschaft – verkörpert zum Beispiel durch Massentierhaltungsfleich und Plastikmüll, meint die Designgruppe Koop. Und sie meint auch: »Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Betrachtet man, welchen Einfluss beispielsweise Werbung und Design auf das Verhalten von Menschen haben, lässt sich das Potenzial erkennen.« Wie gestaltet man nun das Weniger – damit alle mehr haben? Diesen Fragen des Post-Wachstums stellt sich das diesen November zum vierten Mal stattfindende Symposium »Stadt.Land. Schluss.« in Marktoberdorf im Allgäu. Besonderen Wert wird dabei auf Transdisziplinarität gelegt – »damit nicht nur Designer vor Designern und Imker vor Imkern reden, sondern alle miteinander«. BIORAMA unterstützt das als Medienpartner.

10. – 11. November 2023 stadt-land-schluss.eu

+ 25,–


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E LT E R NA L LTAG

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UNSER ALFRED Autofahren finden wir im Grunde schlecht. Aber was tun, wenn ein Mitglied der eigenen Familie vier Räder hat und einen Motor?

Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn.

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ir leben zwar an ihrem Rand, aber doch in der Stadt. Es gibt Bus und Bahn in der Nähe, trotzdem haben wir ein eigenes Auto, allein schon, weil der Mann damit beruflich samt auch seine facettenreiche, schillernde Equipment herumfährt. Unseren Alltag bestreiten (die Grautöne der Autoteile passen nicht wir aber zu Fuß, mit dem Fahrrad oder den Öffis, immer) Persönlichkeit. ­allein schon, weil wir zwar AutobesitzerInnen, Auch ist der Alfred großzügig, was ­seine aber eigentlich AutohasserInnen sind. Diese zwei Beladung betrifft. Er hat einen riesigen ­Herzen schlagen, ach, in unserer Brust. ­Kofferraum, der erst Kinderwagen, dann Wären wir doch nur im Carsharing-Gebiet. Kinderwagen und Laufrad, dann Laufrad Gäbe es doch nur NachbarInnen, die bereit dazu und Fahrrad, dann Fahrrad und Fahrrad einwären, mit uns und unseren zwei Rücksitz-­ fach kommentarlos in sich aufnimmt. Dazu Krümelmonstern auf dauerhafter Basis ein Auto zu teilen. Gäbe es doch nur ­jedes Geschäft um die Ecke und » Dann werden wir unsere Familie wären Bierkästen doch nicht zu schwer, um sie im Bus zu verkleinern, Car sharen.« transportieren. Alles wunderbare Ausreden, warum wir ein kommt, dass der Alfred ein gewisses Alter erAuto brauchen. reicht hat, das ihn mit dem nötigen Gleichmut Die Wahrheit ist: Unser Auto ist nicht nur (Jausenreste, Dreck, Klebefinger, Getränkeunfälle) ein Auto. Es ist eine Persönlichkeit. Alfred, ausstattet. Außerdem ist er vom Leben so gezeichso sein Name, ist ein vollwertiges Familinet, verbeult und verschrammt, dass es ihn nicht enmitglied. Er ist, besser gesagt, das pernur verwegener aussehen lässt, sondern vor allem fekte Familienmitglied. Er ist zuverlässig einen sehr entspannten Umgang mit seiner Karosund treu, braucht dabei kaum Zuwenserie zulässt (Einparken auf Gehör). dung, hie und da ein Tank voll Kraftstoff Als der Alfred vor drei Jahren 18 Jahre alt geworden (nachdem wir wenig fahren, hält sich ist (ich sage ja, er ist im besten Alter!) haben die Söhne sein Durst in Grenzen) und einmal im sich gefreut, weil sie jetzt den Führerschein machen und Jahr ein »Pickerl«, das wir in der Werkganz alleine herumfahren können. Mir graut vor dem statt unseres Vertrauens nur deshalb Tag, an dem der Alfred nicht mehr kann. Zwar funktiobekommen, weil niemand Alfreds niert sein Tacho schon seit ein paar zigtausend KilomeCharme widerstehen kann. Genauso tern nicht mehr, was ihn am Papier jünger macht – trotzwenig unser KFZ-Mechaniker, der dem läuft er unbeirrt auf das Ende seines langen, schönen jedes Mal extra ein anderes Auto Autolebens zu. Dann werden wir unsere ­Familie verkleiausschlachtet, um unseres wieder nern, Car sharen. Und überall herumposaunen, wie unmögflott zu bekommen. Ich vermute, lich, rückschrittlich und unnötig der Besitz eines eigenen dass im Alfred bereits mehrere anAutos doch ist. dere Autos integriert sind. Daher

ILLUSTRAT ION NANA MANDL

TEXT Ursel Nendzig


museumnoe.at

Di bis So, Feiertage 9:00 – 17:00 Uhr

Sujet: Büro Perndl, Fotos: Photomaster, Stepan Kapl, Tracy Starr, twinlynx/shutterstock.com; CallallooAlexis/AdobeStock I Entgeltliche Einschaltung

Ausstellung

Heraus mit der Sprache!

Wie Tiere & Pflanzen kommunizieren


Kittseer Bio-Holzofenbrot Bester Bio-Weizen aus dem burgenländischen Kittsee wird in unserer hauseigenen Steinmühle selbst vermahlen. Durch das Backen in unserem alten, direkt befeuerten Holzbackofen im renovierten Joachim-Haus in Kittsee, bekommt es seinen typischen Geschmack mit herzhafter Kruste und zarten Röst- und Feueraromen. stroeck-feierabend.at


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