ALLES KLAR?
Nachhaltige Lebensmittel erkennen bleibt einfach mühsam.
Wie viel wissen? Der Planet-Score erfasst mehr, als die Biokontrollstelle interessiert. —
Wo is’ er denn? Tracker zeigen, wo sich das Haustier rumtreibt.
Wie neu? Milch ohne Tier: Die Pflanzendrinkgeschichte ist eine alte.
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1060 WIEN KOSTENLOS —
AUSGABE 89 — FEBRUAR / MÄRZ 2024 WWW.BIORAMA.EU — DEUTSCHLANDAUSGABE
P.B.B.
M —
ABER ABONNIERBAR
WIRD MAN WOHL NOCH NOCH SAGEN DÜRFEN
Seit über 30 Jahren ist Bio der Nachhaltigkeitsclaim, bei dem gesetzlich geregelt ist, was er bedeutet. Das zu wissen, war allerdings bisher Aufgabe der KonsumentInnen. Wie Umfragen belegen, hat das nur so mittel funktioniert. Ein Problem ist das vor allem, seit im großen Stil neben den Bioprodukten andere Produkte mit Nachhaltigkeitsversprechen auftauchen, die ohne gesetzliche Grundlage, mitunter gar ohne jede Grundlage für diese auskommen – aber aufgrund der Versprechen gekauft werden.
Die Biobranche hat immer drauf bestanden, dass biologische Produktionsweise Ausdruck einer Überzeugung dazu ist, wie langfristig verträglich für Mensch und Umwelt produziert werden kann. Aber sie hat das in Form der Bioverordnung in einen Katalog an kontrollierbaren und auch wirklich kontrollierten Regeln gegossen. Sie fokussieren auf den Verzicht auf chemisch-synthetische Dünge- und Spritzmittel, auf Haltungsstandards von Nutztieren, beschränken den Zukauf von Produktionsmitteln aus anderen Weltregionen (etwa Futtermittel) und legen etwa auch fest, dass und wie auf natürlichem Boden gewirtschaftet werden muss.
Diese Kriterien klingen technisch, sie haben aber weitreichende Effekte – auf den Erhalt von fruchtbarem Boden auf dem Planeten, auf das Grundwasser, Flüsse, Meere, die Artenvielfalt, die menschliche Gesundheit, aber nicht zuletzt auch aufs Klima. Das trifft aber nicht für alle Bioprodukte im selben Ausmaß zu.
In der EU wird gerade an einer Regelung gearbeitet, die festlegt, dass auch andere Nachhaltigkeitsversprechen zur Bewerbung eines Produkts nur mehr dann getätigt werden dürfen, wenn sie belegt werden. Wer unbedingt eine nachhaltige Wirkung eines Produktes behaupten will, muss sie auch belegen können. Klingt fair. Das wird halt anstrengend – für die, die es nachweisen müssen, wie für uns als VerbraucherInnen, die es verstehen wollen. Gut, dass BioproduzentInnen, VerarbeiterInnen und KonsumentInnen das prinzipiell gewöhnt sind.
Gute Lektüre!
Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu
IMPRESSUM
HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORINNEN Conny Allum, Barbara Fohringer, Martin Mühl, Ursel Nendzig, Jürgen Schmücking, Hanna Stummer, Thomas Weber, Armin Winkler, Nikolaus Zelewitz GESTALTUNG Ulrike Dorner, Patricia Enigl LEKTORAT Barbara Ottawa ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien.
BLATTLINIE BIORAMA ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. BIORAMA erscheint sechs Mal im Jahr. Zusätzlich erscheinen wechselnde BIORAMA-Line-Extentions.
BILD BIORAMA, COVER: BIORAMA, IISTOCK.COM/ ART ALEX
Bitte sammeln Sie Altpapier für das Recycling. EU Ecolabel : AT/053/005 PEFC/06-39-08 PEFC-zertifiziert Dieses Produkt stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.at BIORAMA 89 EDITORIAL, IMPRESSUM 3
89 INHALT
12
WARUM BIO ALLEIN ZU WENIG BLEIBT
Auswirkungen auf Biodiversität, Beschäftigte oder die CO2-Bilanz bleiben bei Biokontrollen ausgespart. Einige Hersteller berechnen deshalb den Planet-score ihrer Produkte. Philip Luthardt von der Bohlsener Mühle erklärt, warum.
03 Editorial
06 LeserInnen
08 Bild der Ausgabe
10 Street Talk
12 Warum Bio allein zu wenig bleibt
Einige Hersteller berechnen den Planet-score ihrer Produkte. Philip Luthardt von der Bohlsener Mühle erklärt, warum.
18 Problem Nummer 1 Nachhaltige Produkte erkennen.
20 Sprüche klopfen
Eine feine Komposition opulenter Nachhaltigkeitsbeteuerungen, garniert mit herrlichen kleinen Ablenkungen.
30 Gesundheitsschädliches Gesundheitswesen
Als erste Ansatzpunkte für mehr Klima- und Umweltschutz sind Gewohnheiten so wichtig wie das eingesetzte Material.
38 Balkonkraftwerke aus B-Ware
Neue Retter mischen auf dem Zweitmarkt für Solarmodule mit.
40 Duftende Seele der Pflanzen NaturparfumeurInnen haben an Spielraum gewonnen – Vier Marken im Portrait.
46 Where’s Waldi Jo, wo is’ er denn?
50 Milchgeschichten
Scheinbar wird jedes jahr eine neue Pflanzenmilch »erfunden«.
52 Cremig, winterweiß und nussig Wie neu: Joghurt ohne Milch.
56 Kochbuchempfehlung
22 SPRÜCHE KLOPFEN
Eine feine Komposition opulenter Nachhaltigkeitsbeteuerungen, garniert mit herrlichen kleinen Ablenkungen.
60 Rezensionen Empfehlungen, Warnungen, warnende Empfehlungen.
MARKTPLATZ
42 Marktplatz Kosmetik
KOLUMNEN
64 Aus dem Verlag
66 Elternalltag
BILD ISTOCK.COM / BANJONGSEAL324, FRANTS TSYVINSKYI, LEESLE, BOHLSENER MUEHLE, BIORAMA / PATRICIA ENIGL
BIORAMA 89 AUFTAKT
GESUNDHEITSSCHÄDLICHES GESUNDHEITSWESEN
Es sind die alltäglichen Handgriffe, Gewohnheiten und Arbeitsabläufe, bei denen begonnen werden sollte, um den ökologischen Fußabdruck der Krankenhäuser zu verringern, meint Isabella Pali.
PFLANZENMILCH Wie neu: Milch ohne Tier. Die Pflanzendrinkgeschichte ist eine alte. 30 50 ZUM EINSCHLAFEN: MARKTPLATZ KOSMETIK Eine ordentliche Portion Schlaf unter gepflegten Bedingungen kann Wunder wirken. 42
LeserInnen an und über uns –Mails, Tweets und hoffentlich Liebesbriefe an die Redaktion – und unsere Antworten.
BETRIFFT:
»KEIN SÜSSER HONIG MEHR VOM MOND«
im BIORAMA 88
Sehr geehrte Damen und Herren!
Vielen Dank für den sehr interessanten und aufschlussreichen Artikel zu gemischten Honigen in BIORAMA 88.
Das einzige, was mir gefehlt hat, war ein Hinweis auf Biohonig. Trifft das alles auch für diesen zu? Oder ist es für Biohonig ausgeschlossen? Oder stimmt letzteres nur theoretisch, krankt aber in der Praxis?
Falls Sie dazu noch mehr Aufklärung bieten könnten, würde ich mich – und sich mit mir gegebenenfalls noch andere LeserInnen? – freuen, diesbezüglich von Ihnen zu hören.
– SUSANNE KNUTH, aus Berlin, per Mail
Sehr geehrte Frau Knuth!
Prinzipiell gibt es in den Importdaten keine Unterscheidung zwischen biologischem und konventionellem Honig – es wird schlicht nicht erfasst. Auch die überarbeitete Frühstücksverordnung, um die es in unserem Artikel geht und die mittlerweile beschlossen ist, regelt nur die Herkunftskennzeichnung. Die Produktionsweise bleibt unberücksichtigt.
Das Zumischen von Reiszuckerwasser ist sowohl bei Biohonig als auch bei konventionellem Honig verboten. In Österreich stellt beispielsweise die Honigverordnung klar, dass dem Honig nichts entnommen und nichts hinzugefügt werden darf. Passiert das doch bei Ware, handelt es sich um Betrug.
Für den Alltagsgebrauch spricht einiges für den Bezug regionalen Biohonigs. Gerade bei Honig sind regionale Bioerzeugnisse von DirektvermarkterInnen einfach erhältlich. Hier handelt es sich dann um regionalen, unbehandelten Biohonig. Vieles, was in den Handel gelangt, muss be-
handelt werden (teilweise weil es die Handelsunternehmen so wollen, teilweise auch auf Wunsch mancher KonsumentInnen).
Die wichtigsten Unterschiede zwischen bio und konventionell beim Honig haben wir übrigens 2019 in einem Artikel beschrieben:
Was ist Biohonig?
BIORAMA.EU/ WAS-IST-EIGENTLICH-BIO-AN-BIO-HONIG
BETRIFFT:
im BIORAMA 87
Guten Tag! Vielen Dank für das Rezept für das Darjeeling-Schokoladenmousse in Ausgabe 87, Seite 53. Sehr lecker. Auf das Kilo Schweinenacken, das in der Zutatenliste angegeben ist, habe ich jedoch verzichtet. Bei euch sitzt wohl ein Scherzkeks in der Redaktion ��
Schönen Tag,
– CHRISSIE T., per Mail
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die og. Ausgabe lag jetzt in unserem DennsMarkt aus. Ist das Rezept »Darjeeling Schokoladenmousse« auf der Seite 53 zutreffend wiedergegeben worden?
Als Zutaten sind 1 kg Schweinenacken und 2 TL Salz aufgeführt. Allerdings fehlen in der »Zubereitung« diese Zutaten.
– MANFRED WEISHAUPT, per Mail
REZEPT IN DER KOCHBUCHEMPFEHLUNG
WIR
… Green Job: Wenn alle an der Klimawende arbeiten sollen, braucht es dafür Qualifikationen. 12 Pure Honey: Wo Honig draufsteht, soll künftig EU-weit auch Honig drin sein müssen. 21 Vegan Baby: Was es bedeutet, Kinder vegetarisch und in manchen Phasen vegan zu ernähren. ZUM FRESSEN GERN Gemüse essen: Probiers mal mit Gelassenheit! AUSGABE 88 DEZEMBER/JÄNNER 2023 ÖSTERREICHAUSGABE KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR
MÜSSEN REDEN
6 BIORAMA 89 LESERINNENMEINUNG
Vor ein Paar Tagen nahm ich das Biorama 87 Heft von meinem Lieblingskino mit. Es hat einige für mich sehr interessante und lehrreiche Artikel. Ich koche auch gerne, daher habe ich die Rezepte studiert.
Allerdings war ich erstaunt, dass ins »Darjeeling-Schokoladenmousse« auf Seite 53 auch 1 kg Schweinenacken hineinkommt. ��
– ULRIKE, per Mail
Guten Tag!
Ist in dem Mousse-Rezept nicht zu viel Schweinenacken? ��
– ECKHARD ALLROTH, per Mail
Liebe aufmerksame und nachsichtige LeserInnen!
Wir haben vier Zusendungen stellvertretend für viele ausgewählt und sind überwältigt vom Interesse an unseren Kochbuchempfehlungen. Von »Hey biorama_mag, nices Rezept!« (Instagram) bis zu »Das heißt immer noch Schopfbraten!« (Eltern eines Redaktionsmitglieds) haben wir auch außerhalb unseres Posteingangs sehr viel Zuspruch und konstruktive Kritik zu unserer Interpretation des Darjeeling-Schokoladenmousse bekommen, für die wir uns in einer (Geschmacks-)verirrung durch die Zutatenliste des Rezepts der Seite davor (Thomas Vilgis’ »Steirisches Wurzelfleisch«) inspirieren haben lassen.
Was sollen wir sagen? In der Zutatenliste ist nicht nur zu viel, sondern viel zu viel Schweinenacken und ähnlich zu viel Salz. Um sich ans Rezept der weltberühmten Pariser Kochschule Le Cordon Bleu zu halten (Wir bitten demütig um Verzeihung fürs Versalzen des Originalrezepts!), ist es unbedingt erforderlich, die letzten beiden bei uns angegeben Zutaten gänzlich wegzulassen. Die korrigierte Liste der Zutaten findet sich online – und freilich im vorgestellten Kochbuch:
Rezept aus »‚Schokolade«
BIORAMA.EU/
DARJEELING-SCHOKOLADEN-MOUSSE
»SCHOKOLADE – Rezepte aus der renommierten Konditorschule Schritt für Schritt erklärt«, Le Cordon Bleu, LV Buch, 2023.
Wir schauen aufs Ganze.
Die bio austria Bäuerinnen & Bauern
Bio-Genuss
mit Verantwortung und vollem Geschmack
Bio ist Qualität mit Verantwortung
BIO AUSTRIA Rinder bekommen als Kälber frische Bio-Milch zum Trinken. Wenn sie alt genug sind, fressen sie Raufutter wie frisches Gras, Kräuter und Heu. Auslauf und Weide über die gesamte Wachstumsdauer sichern Tierwohl und Qualität.
Bio ist sicher
Die jährliche Kontrolle der Biohöfe durch eine unabhängige Bio-Kontrollstelle garantiert die Einhaltung von Tierwohl, Regionalität und Bio.
Bio-Zutaten
Wo es die besten Bio-Zutaten gibt, nämlich direkt vom Biobauernhof, findet man ganz einfach auf
www.biomap.at
Bio, regional und sicher.
FRAGEN DER BETRACHTUNG
BILD: CYNTHIA HÄFLIGER
Die Schweizer Illustratorin Cynthia Häfliger (Jahrgang 1994) erzählt in ihrer ersten Graphic Novel einen Ausschnitt aus dem Verlauf einer phsychischen Erkrankung – als Familiengeschichte, wechselnd aus Sicht des Betroffenen und seiner Umgebung. »Fremde Blicke« bietet gerade durch diese Perspektivenwechsel viel Raum für Identifikation, hat den Mut zu Banalitäten
in BILD KUNSTANSTIFTER, CHARLOTTE MUELLER / KUNSTANSTIFTER BIORAMA 89 BILD DER AUSGABE 8
»FREMDE BLICKE« von Cynthia Häfliger (Illustration & Text), Verlag Kunstanstifter, 2022.
IRINA ZELEWITZ
Bild und Text und ist nicht zuletzt gerade dadurch ausdrucksstark in der Grundbotschaft, die sich auf einer Illustration zu einer Rückschau des Betroffenen Lars auf sein Innenleben in einer psychotischen Phase als Randnotiz findet: »Für mich war es Realität«.
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WIR FRAGEN, 10 WÄHLERISCHE ANTWORTEN.
LEGST DU WERT AUF KONSUM VON PRODUKTEN, DIE BIO ODER VEGAN SIND?
INTERVIEW UND BILD HANNA STUMMER
PETER
STEFANIE
37, Rechtsanwältin
Auf vegan achte ich nicht, auf bio teilweise schon. Bei Eiern und Fleisch zum Beispiel sehe ich zu, dass ich bio einkaufe.
80, Pensionist
Auf bio lege ich etwas Wert. In erster Linie bei Obst, dabei kommt man direkt in Verbindung mit dem Produkt.
BARBARA
53, Selbstständig Vegan nein, auf bio weitestgehend. Am wichtigsten ist es mir bei Fleischprodukten und Gemüse.
THOMAS
55, Zeichner
Bei Lebensmitteln ja, bio ist mir da besonders wichtig.
PATRICK
32, Diplomstudent Ja, bei Lebensmitteln. Allgemein ernähre ich mich seit zehn Jahren vegetarisch und hauptsächlich vegan, das hat mir gesundheitlich gutgetan und hat auch Vorteile für die Umwelt. Bei den tierischen Produkten, die ich konsumiere, ist es mir wichtig, dass sie bio sind.
BIORAMA 89 STREET TALK 10 STREET TALK
ELISABETH
50, selbstständig
Bei Lebensmitteln ja, zumindest versuche ich es.
ELIOT, 19
auf Weltreise
Ich bin nicht vegan, aber versuche, wenig Fleisch zu essen, nur etwa einmal pro Woche. Auf bio achte ich dabei nicht so. Bei Kleidung lege ich nicht konkret auf vegan oder bio Wert, ich versuche aber, alles secondhand zu beziehen.
SEAN
27, bildender Künstler
Ich finde es ist wichtig, sich darüber zu informieren, woher Produkte kommen und wie sie produziert wurden. Besonders in unserer heutigen Zeit bemühe ich mich herauszufinden, woher etwas kommt und was seine Geschichte ist. Ich achte bei Lebensmitteln darauf, dass sie bio sind, weil ich das für meine Gesundheit wichtig finde. Dabei ist es nötig, zu verstehen, was verschiedene Zertifizierungen bedeuten und wofür sie stehen.
ELISABETH
21, Schauspielerin
Auf vegan nicht so sehr, ich bin aber Vegetarierin. Auf Biolebensmittel lege ich immer schon wert – seit ich ein Kind bin, weil es in meiner Familie auch üblich war und ist, solche Produkte zu kaufen.
ROSIO
24, Studentin
Auf bio lege ich weniger Wert, auf vegan schon eher. Lebensmittel sind bei mir sowieso vegetarisch und ich versuche, mich mehr vegan zu ernähren.
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WARUM BIO ALLEIN ZU WENIG BLEIBT
Auswirkungen auf Biodiversität, Beschäftigte oder die CO2-Bilanz bleiben bei Biokontrollen ausgespart. Einige Hersteller berechnen deshalb den Planet-score ihrer Produkte. Philip Luthardt von der Bohlsener Mühle erklärt, was diesen aussagekräftig macht.
INTERVIEW
Thomas Weber
BIORAMA: Vor einigen Jahren hat die Bohlsener Mühle für Aufsehen gesorgt als sie auf ihren Produktverpackungen das Wort Bio demonstrativ durchgestrichen und mit dem Wort »Öko« ergänzt hat. Warum reicht Bio nicht?
PHILIP LUTHARDT: Die Biobranche hat sich aus den Erkenntnissen der Grenzen des Wachstums heraus gebildet. Wir glauben, dass es den PionierInnen der ökologischen Landwirtschaftsbewegung in den 70er- und 80er-Jah-
ren bereits um deutlich mehr ging als bloß ums reine Vermeiden von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln. Da ging es auch um eine andere Art zu wirtschaften, um soziale Leistungen, um ein gemeinschaftliches und faires Miteinander. Heute, nach 30, 40 Jahren, sind uns die natürlichen Grenzen stärker bewusst und die Erkenntnisse haben sich weiterentwickelt. Nachhaltigkeit umfasst heute auch die CO2-Bilanz, den Klimawandel, Biodiversität und soziale Aspekte. All das wird aber nicht explizit im
BILD BOHLSENER MUEHLE
12 BIORAMA 89 BIO – UND WEITER?
Denkt Bio ganzheitlich weiter – und spricht darüber: Philip Luthardt (rechts) von der Bohlsener Mühle im Gespräch mit einem regionalen Biobauern in dessen Quinoafeld.
GREEN-CLAIMS-DIREKTIVE
Damit Greenwashing nicht die tatsächliche ökologische Transformation verhindert, möchte die EU mit der Richtlinie über Nachweisbarkeit und Kommunikation umweltbezogener Produktangaben (»Green Claims Directive«) Transparenz schaffen. An der konkreten Ausgestaltung wird noch gearbeitet. Vorgesehen sind die wissenschaftliche Überprüfbarkeit von Angaben, Kontrollen und strenge Strafen, wenn Unternehmen sich besser darstellen als ihre Produkte sind.
Biostandard mit abgebildet. Deshalb braucht es heute eben mehr als nur Bio. Um es positiv zu formulieren: Wir müssen uns ganz explizit mit unserem Beitrag zur Lösung der Klimakrise auseinandersetzen – als BioherstellerInnen, als BiolandwirtIn, aber auch als konventionelle LandwirtInnen.
Wo muss denn Bio besser werden?
Vor allem bei der Transparenz, also bei der Darstellung des wirklichen Impacts.
Wo ganz konkret?
Das ist quer durch die Branche ganz unterschiedlich und lässt sich schwer pauschal sagen. Wir bei der Bohlsener Mühle setzen neben verbandsbiologischen Rohstoffen besonders auf Klimatransparenz: Wir bilanzieren sehr detailliert die Klimaauswirkungen unserer Produkte vom Feld bis zum Produkt und machen diese auf unserer Webseite transparent.
Ausgehend von Frankreich propagiert die Biobranche seit einiger Zeit das private Zertifizierungslabel Planet-score. Welchen Mehrwert bietet es?
Wir wissen, dass der Verbraucher, die Verbraucherin, aber auch die EU an sich, auf Produkten mehr darüber erfahren möchte, ob diese nachhaltig sind – und zwar in einem weiteren Sinn als Bio aussagekräftig ist. Wir haben gesehen, dass Ansätze wie beispielsweise der Ecoscore Bioprodukte aus unserer Sicht diskriminiert haben. Die Bewertungssysteme waren sehr konventionell geprägt und von der industrialisierten Lebensmittelwirtschaft mitentwickelt. Der Planet-score basiert auf einem Ansatz, der aus meiner Sicht zurzeit am besten dazu geeignet ist, auf Basis ge-
Philip Luthardt
Leitet seit 2016 die Nachhaltigkeitsabteilung der Bohlsener Mühle in Niedersachsen und ist seit 2023 auch für die Kommunikationsarbeit des Unternehmens zum Thema verantwortlich.
»Ob eine Biomango mit dem Flugzeug zu uns gebracht wird oder nicht, das interessiert eineN BiokontrollorIn nicht. Planet-Score geht weiter und unterscheidet den Transport zwischen Flugzeug und Schiff.«
— Philip Luthardt
BILD BOHLSENER MUEHLE
13
nerischer Daten zu einer umfassenden ökologischen Bewertung von Produkten zu gelangen. Bewertet werden die Kriterien Pestizideinsatz, Biodiversität, Klima und bei tierischen Produk-
rung sie angebaut worden sind. Bei uns ist ja alles bio, das macht es relativ einfach. Die Lieferkette ist ebenfalls wichtig. Denn bei Kakao, Palmöl und Kokosfett handelt es sich um Zu-
Die Planet-Score AAA-Bestwertung für die Erbsen-Sticks wird vorerst nur im Onlineshop kommuniziert.
»Verbandsware«
Bezeichnet in der Biobranche Produkte oder Rohstoffe, die von bäuerlichen Anbauverbänden wie Bioland, Naturland, Demeter, Bio Austria oder Bio Suisse kommen. Deren Mitglieder erfüllen freiwillig höhere Anforderungen als die gesetzlichen Mindeststandards der EU-Bioverordnung.
Die Logos der Bioverbände fungieren deshalb als Qualitätssiegel.
ten außerdem das Tierwohl. Das sind Bereiche, bei denen wir die planetaren Belastungsgrenzen bereits überschritten haben.
Was bedeutet das für die Bohlsener Mühle wenn sie zum Beispiel eine Packung Kekse mit dem Planet-score zertifizieren lässt?
Wir reichen bei Planet-score in Frankreich unsere Rezeptur ein mit den Daten der einzelnen Bestandteile unserer Produkte; also den Kakao, den Weizen, die Butter oder das alternative Fett, was bei uns häufig Bioland-Sonnenblumenöl ist. Wir müssen darstellen, wo die Produkte herkommen, mit welcher Zertifizie-
taten, bei denen für den Anbau ein hohes Entwaldungsrisiko besteht. Da braucht es Zertifikate, die das ausschließen. Und wenn Kakao nur Bio- und nicht auch Fairtrade-zertifiziert wird, schneidet er schlechter ab. All das wird zentral in Frankreich bewertet.
Gibt es andere Aspekte, die der Planet-score berücksichtigt, die für eine Biozertifizierung unerheblich sind?
Den Transport zum Beispiel. Transport spielt in der Lebensmittelindustrie jetzt insgesamt keine sehr große Rolle. Ob eine Biomango mit dem Flugzeug zu uns gebracht wird oder nicht,
BILD BOHLSENER MUEHLE
14 BIORAMA 89 BIO – UND WEITER?
das interessiert eine/n BiokontrollorIn nicht. Da ist die Hauptsache Bio. Planet-score geht weiter und unterscheidet den Transport zwischen Flugzeug und Schiff. Tendenziell schnei-
Auf dem Produkt ist weder auf der Vorder- noch auf der Rückseite ein Hinweis auf den Planet-score angebracht. Allerdings einer zur Klimatransparenz: Die Produktrückseite verweist auf die Firmenwebsite, wo der CO2-Fußabdruck der Produkte ausgewiesen ist.
den tierische Produkte bei der Lebenszyklusanalyse schlechter ab. Auch das berücksichtigt der Planet-score. Doch differenziert der Planet-score auch bei der Tierhaltung. Er bewertet beispielsweise, wie lange etwa die Kühe auf der Weide stehen und ebenso, wie hoch der Anteil an Gras oder Heu im Futter – und natürlich, ob es bio ist.
Die Produkte der Bohlsener Mühle schneiden beim Planet-score durchwegs sehr gut ab und werden mit A bewertet. Trotzdem wird das nicht auf den Produkten kommuniziert.
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BILD BOHLSENER MUEHLE
langt von uns, ihn wenn, dann ganz vorne anzubringen. Dafür ist unsere Marke aber aus unserer Sicht einfach noch nicht stark und der Planet-score gleichzeitig noch nicht bekannt genug. Das große bunte Siegel würde auf unseren Verpackungen mehr verwirren als Klarheit schaffen. Es muss sich außerdem erst zeigen, ob es mit der Green-Claims-Richtlinie der EU konform ist. Und es ist extrem teuer, Verpackungen umzugestalten, weshalb wir uns aktuell für die Verpackung ohne das Label entschieden haben.
Werden solche Anstrengungen und Auszeichnungen wie der Deutsche Nachhaltigkeitspreis auch von den KonsumentInnen an der Kasse honoriert?
Deutscher
Nachhaltigkeitspreis
Im November 2023 wurde der Deutsche Nachhaltigkeitspreis bereits zum 16. Mal von der gleichnamigen Stiftung vergeben. In der Kategorie Nahrungs- und Genussmittel wurden u. a. die Molkerei Berchtesgadener Land, Lebensbaum, Vivani sowie die seit 1979 biozertifizierte Bohlsener Mühle ausgezeichnet.
Wir kommunizieren unseren Ansatz der Produkttransparenz, bei dem wir sowohl Bilanzierung als auch Planet-score als »Reason to believe« ausloben. Dies findet auf den jeweiligen Produktseiten online statt. Wir haben uns gegen eine Auslobung des Planet-score auf unseren Verpackungen entschieden, das hat mit den Label-Richtlinien zu tun. Der Planet-score ver-
Der Gewinn des Deutschen Nachhaltigkeitspreises nach 2015 zum zweiten Mal ist für uns eine große Ehre und zeigt uns, dass wir weiterhin die richtigen Dinge angehen und umsetzen. Doch nur wenige KonsumentInnen kennen den Preis. Am Regal wünschen sie sich eine klare und produktbezogene Kennzeichnung. In unserem Kernmarkt, dem Biofachhandel, werden wir als Unternehmen und mit unseren Produkten bereits als nachhaltige Marke wahrgenommen. Damit erreichen wir viele klassische BiokundInnen und teilweise einige darüber hinaus.
In der Region kommuniziert die Bohlsener Mühle auch direkt – auf den Feldern ihrer Bäuerinnen und Bauern. BILD BOHLSENER MUEHLE 16 BIORAMA 89 BIO – UND WEITER?
Biodiversitäts-Check im Haferfeld: Philip Luthardt und Biobäuerin Laura Kulow.
Das Ziel: Gleiche Behandlung
IKEA schließt den Gender Pay Gap und arbeitet aktiv an der Gleichbehandlung der MitarbeiterInnen.
0,64 Prozent. Aktuell beträgt der Gender Pay Gap bei IKEA Österreich diese bereits niedrige Zahl. Es wird aber weiter an dem Thema gearbeitet, bis die Null erreicht ist. Bereits 1979 wurde in Österreich im Gleichbehandlungsgesetz festgeschrieben, dass Frauen und Männer für vergleichbare Arbeit gleich viel verdienen müssen. Laut den aktuellsten Zahlen des Bundeskanzleramts lag Österreich hier 2021 mit 18,8 % weiterhin auch deutlich über dem EU-Schnitt von 12,7 %. »Bei IKEA Österreich lagen wir bereits 2022 bei rund 2 % und 2023 bei 1 % – wir arbeiten weiter daran, bis wir die Gleichstellung erreicht haben«, gibt RuthEmily Eckrieder, verantwortlich für Employer Branding bei IKEA Österreich, Einblick. Seit 2018 gibt es bei IKEA weltweit für jedes Land ein Equal Pay Assessment, extern unterstützt von KPMG. Begonnen wurde die Evaluation über alle 130 Beschäftigungsgruppen mit jenen, in denen die meisten MitarbeiterInnen zu finden sind, heute – nachdem vieles erreicht ist – sind die Schritte, die noch gemacht werden können, deutlich kleiner. In die Berechnungen fließen Faktoren wie Erfahrung, Kompetenz und die Performance mit ein. Untersuchungen ergeben regelmäßig, dass Werte wie Gleichbehandlung bei Ar-
beitnehmerInnen weiterhin wichtiger werden und Unternehmen, die hier gut aufgestellt sind, leichter Mitarbeiter Innen finden.
UNTERNEHMENSKULTUR
Die gleiche Bezahlung und Behandlung von MitarbeiterInnen im Unternehmen sind Teil des Wertesystems und der Unternehmenskultur. Entsprechend schult IKEA Österreich auch Führungskräfte und es gibt im Rahmen des Onboardings Schulungen für alle MitarbeiterInnen, etwa zu Biases wie Nationalitäten, Religionen oder sexueller Orientierung. Gleichstellung bedeutet aber etwa auch, in allen Bereichen, wo das möglich ist, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle zu fördern, oder dass etwa im Management gleich viele Männer und Frauen beschäftigt werden. Gute Erfahrungen hat IKEA Österreich auch mit dem Bemühen um größtmögliche Inklusion und der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Ruth-Emily Eckrieder weiß aus der Praxis: »Es ist gut für MitarbeiterInnen andere Sichtweisen zu bekommen und einen Einblick in andere Lebenswelten. Das hilft im Umgang mit KundInnen und PartnerInnen und tut schlicht jedem Team gut.«
BILD IKEA ÖSTERREICH ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG VON IKEA ÖSTERREICH
Die Gleichbehandlung von MitarbeiterInnen ist bei IKEA Teil der Unternehmenskultur.
Irina Zelewitz
PROBLEM NUMMER 1:
Wer sagt mir, was ein nachhaltiges Produkt ist?
Die Auswirkungen eines Produkts auf die Umwelt sind 73% der Befragten einer im September 2023 in den 27 EU-Mitgliedsstaaten durchgeführten Eurobarometer-Umfrage »eher wichtig« oder »sehr wichtig«, wenn sie eine Kaufentscheidung treffen.
So weit die Theorie. Wer nun beim alltäglichen Einkauf Produkte meiden will, für deren Herstellung Menschen ausgebeutet und die Umwelt unverhältnismäßig stark belastet wurde, muss über viel Wissen und noch mehr Zeit verfügen.
Green Claims
Die Gesetzgebung bertreffend Green Claims umfasst drei Richtlinien, darunter die Änderung zweier bestehender und den Beschluss einer neuen:
1. Die Richtlinie zu unlauteren Handelspraktiken (»Empowering Consumers«-Richtlinie) 2005/29/EG
2. Die Verbraucherschutzrichtlinie 2011/83/EU
3. Der Vorschlag zur Greenwashing-Richtlinie – »Green Claims Directive«
Besonders bei Lebensmitteln kommt man mit den Prinzipien, möglichst regional Produziertes in Bioqualität zu kaufen, wenn es im Freiland Saison hat oder aus Lagerbeständen verfügbar ist, und dabei den Konsum von Fleisch-und Milchprodukten auf ein Minimum zu reduzieren, schon recht weit. Erstens aber nicht weit genug – denn wie viele Menschen können oben Genanntes schon konsequent einhalten? Zweitens braucht auch das Vertrauen in die Sinnhaftigkeit dieses Mixes an Kriterien Unterfütterung durch glaubwürdige Aussagen.
ABER WIE PASST DAS ZUSAMMEN?
Dass man auch mit so manchem Biogemüse im wortwörtlichen Sinn zur Verwüstung des Planeten beitragen, mit dem fair gehandelten Kaffee dem Biodiversitätsverlust Vorschub leisten kann und dass im Supermarkt ausgerechnet die Biogurken oft die in Plastik verpackten sind, ist dabei nicht immer einfach zu akzeptieren. Gleichzeitig gibt es daneben »klimaneutrale«, »faire« und »bienenfreundliche« Produkte und sogar solche mit Verpackung aus 100% Recyclingmaterial.
Welchem Nachhaltigkeitsziel ist der Vorrang zu geben? Die Antwort ist nicht nur Frage der individuellen Präferenzen, sondern wird auch
durch eine Menge substanzloser oder unverstständlicher Slogans verkompliziert. Im Jahr 2022 identifizierte ein von der EU-Kommission in Auftrag gegebener Report zur Frage, was einen effektiven und aktiven Beitrag der VebraucherInnen zur ökologischen Wende behindert, ein »Problem 1«. Es lautet: »KonsumentInnen fehlt verlässliche Information zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung, um ökologisch nachhaltige Konsumentscheidungen zu treffen.« Und diese Informationen fehlten nicht von ungefähr: Für den Bericht wurde unter anderem mittels Stichprobe erhoben, dass 53% der Nachhaltigkeitsversprechen auf Produkten aus »vagen, irreführenden oder unbegründeten Aussagen« bestehen. »Irreführende Werbepraktiken im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit eines Produkts« seien das zweite zentrale Problem. Insgesamt wurden 40 % der untersuchten Behauptungen nicht evidenzbasiert getroffen.
WOHER AUF EINMAL?
Der Green Deal hat (im Jahr 2019) der Relevanz des Ernährungssektors zur Erreichung der Klimaziele vor allem in Form der »Farm-to-Fork«Strategie Rechnung getragen. Zur Umsetzung dieser Strategie wurden in den vergangenen Jahren einige Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, manche davon sind inzwischen geltendes Recht, andere gescheitert, einige sind noch in Aushandlung.
Weil das generelle Konsumverhalten der VerbraucherInnen als Problem auf dem Weg zur Erfüllung der europäischen Klimaziele und Kreislaufwirtschaftsziele erkannt wurde – wurden Maßnahmen gesucht, die notwendigen Änderungen im VerbraucherInnenverhalten zu erleichtern. Wenn die Wende zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem schon maßgeblich auf den Schultern jener VerbraucherInnen liegt, die versuchen,
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BILD ISTOCK.COM/ SPIRALMEDIA
BIORAMA 89 UMWELTBEZOGENE WERBESLOGANS
bei jeder Kaufentscheidung die ökologischen Konsequenzen zu antizipieren, dann sollten die Informationen, die die Basis für diese Entscheidungen bilden, verfügbar, verständlich und korrekt sein. Ausgehend von der EU-Kommission wird also an mehreren Richtlinien gearbeitet, die für eine in diesem Sinn verbesserte Informationsgrundlage sorgen sollen.
WANN SEHEN WIR VERÄNDERUNGEN AUF DEN PRODUKTEN?
Eine der zentralen Initiativen in diesem Kontext besteht aus drei Rechtsinstrumen- ten, die gemeinsam zum Ziel haben, Greenwashing zu verhindern – zumindest Teile davon werden voraussichtlich in den kommenden Wochen als erneuerte Richtlinie veröffentlicht und müssen dann binnen zwei Jahren von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Die Green Claims Richtlinie hingegen wird noch verhandelt.
Sollten allerdings die Vorschläge in etwa so in Kraft treten, wie sie derzeit verfasst sind, würden sie festlegen, dass Produkte nur mehr mit sogenannten freiwilligen Umweltaussagen beworben werden dürfen, wenn die Herstellerunternehmen diese auch belegen kön- nen:
Als Beispiele werden Aussagen genannt wie »klimaneutraler Versand«, »Verpackung zu 30 Prozent aus recyceltem Kunststoff« oder »ozeanfreundlicher Sonnenschutz«. Wobei der Beleg zur Untermauerung dieser Claims nicht nach Aufforderung geliefert werden muss – sondern für die VerbraucherInnen zugänglich gemacht werden muss. Etwa über einen Link oder einen QR-Code auf dem Produkt, die zu den Produktinformationen auf einer Webseite führen.
Die Anforderungen der Richtlinie gehen hier weit – sowohl die Zugänglichkeit, aber auch deren Umfang und Tiefe betreffend: Vorgesehen ist etwa auch eine »kurze Erläuterung, wie die Verbesserungen, die Gegenstand der Aussage sind, erreicht werden«. Wenn beispielsweise künftig ein Produkt mit Aussagen beworben wird, die sich sich auf kompensierte Treibhausgasemissionen beziehen, müsste offengelegt werden, in welchem Umfang sich die Aussagen auf Kompensationen stützen und ob diese auf Emissionsminderungen oder Entnahmen von Treibhausgasen zurückzuführen sind. Das sind nur Ausschnitte aus den Entwürfen – doch sie geben Anlass zur Hoffnung, dass sich etwas bewegt.
Auch ein Entwurf etwa für eine europaweit einheitliche Nachhaltigkeitskennzeichnung von Lebensmitteln liegt bereits da – derzeit ist völlig offen, ob, wann und in welcher Form sie eingeführt wird. Die Diskussion über die Ausgestaltung hat jedoch längst begonnen – und schlägt sich schon auf den Produktverpackungen nieder.
»biologisch gärtnern« –natürlich ohne Torf!
Für Garten und Balkon gibt es schon seit 10 Jahren das Gütesiegel »biologisch gärtnern«.
Mit diesem Siegel werden Produkte ausgezeichnet, die strengen Biokriterien entsprechen. Zusätzlich ist die Torffreiheit der Produkte eine Bedingung, dies ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz! Bewertet werden alle Produkte von EASY-CERT services, einer Organisation, die sich auf die Bewertung von Betriebsmitteln für die Biolandwirtschaft spezialisiert hat. Alle Produkte findet man in einer Datenbank auf der Website der Umweltberatung:
www.biologischgaertnern.at Doch welche Erde ist für den eigenen Balkon oder Garten die passende? Um das herauszufinden, wird seit drei Jahren ein Praxisversuch gemeinsam mit der Versuchsstation Wies in der Südsteiermark durchgeführt. In einem Freilandversuch werden am Markt erhältliche torffreie Erden auf ihre Praxistauglichkeit für den Hobbybereich untersucht. Dabei werden Pflanzen mit verschiedenen Ansprüchen (Paradeiser, Paprika, Basilikum) in den gleichen Trog gepflanzt. Ergebnisse und Anwendungstipps finden sich auf
www.betriebsmittelbewertung.at/ praxisversuch-bio-erden
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG VON EASY CERT
SCHNITZEL SPRÜCHE KLOPFEN
BILD ISTOCK.COM / MICOLINO 20 BIORAMA 89 GASTRONOMIE
Die nervigsten Nachhaltigkeitssprüche. Ein Menü in 5 Gängen.
Derzeit kämpfen nicht nur ganze Industrien mit dem Vorwurf des Greenwashings. Egal, ob Versicherung, Ölriese oder Elektronikkonzern, ob Schokohasenhersteller oder Bergbäuerin. Wer sich der Gunst der KonsumentInnen, der Stakeholder und ein wenig auch der Gesellschaft sicher sein will, investiert in MitarbeiterInnen oder Agenturen, die grüne Sprüche liefern und ein Bild vermitteln, dass –ökologisch gesehen – eigentlich eh alles passt oder dass alles getan wird, was irgendwie zumutbar wäre. Und zwar unabhängig davon, ob außerhalb der Kommunikationsagenden sonst noch wo im Dienst der Nachhaltigkeit gearbeitet wird. In vielen Unternehmen bewegt sich endlich was an der Arbeitsweise, in den meisten aber viel zu wenig – manchmal auch fast gar nichts. In der Gastro ist das nicht anders. Der Rahmen ist kleiner und die Sprüche sind anders. Aber die Richtung ist die Gleiche.
»WIR SAGEN, WO’S HERKOMMT.«
Aha. Schön. Und was genau bedeutet das? Diese Frage nach der Bedeutung kann in doppeltem Sinn gelesen werden: Wie sieht dieser Hinweis auf den Ursprung genau aus? Werden zu jeder Zutat konkrete PartnerInnen und LieferantInnen gelistet? Oder nur die Herkunftsregion der Produkte? Deren Staat? Was bedeutet diese in Bezug auf die sensorischen Eigenschaft des verwendeten Produkts? Für seine Qualität? Wird dadurch irgendein Rückschluss darauf möglich, wie produziert wird – oder wird dieser nur suggeriert, gerade weil die Auskunft zur Produktionsweise nicht folgt?
Gibt es qualitative oder sensorische Eigenschaften, die sich aus dieser Herkunft ableiten? Terroir gar? Das wäre natürlich wünschenswert und sogar sinnvoll. Beim Wein
TEXT Jürgen Schmücking
21
Die Slow Food-Bewegung wurde 1986 vom Aktivisten Carlo Petrini in Italien gegründet und hat sich seither der Qualität, Authentizität, Regionalität und dem Handwerk verschrieben.
Mittlerweile vereint der Verband mit der Schnecke knapp 50.000 Menschen.
Klare Kriterien stehen hier nicht im Vordergrund – die Mitgliedschaft bei Slow Food ist eher ein Commitment zu einer Haltung.
slowfood.com/de
wird schon länger versucht, die jeweilige Herkunft mit bestimmten geschmacklichen Qualitäten zu verknüpfen. Allerdings ist das nur selten der Grund für die Angabe der Herkunft. Der aktuelle Regionalismusboom in der Gastronomie hat andere Quellen und Ursachen. Eine davon ist lupenrein psychologischer Natur. Das Nahe ist uns näher als das Ferne. Anders gesagt, je näher ein Ort, eine Region oder eine Produktionsstätte zu dem ist, was wir »daheim« nennen, desto höher ist unser Vertrauen. Dieses Vertrauen ist aber irrational.
Der zweite Grund, warum uns regionale Produkte so ans Herz gewachsen sind, ist der Transport. Auch hier haben wir den Glaubenssatz »Näher ist besser« im Kopf. Das stimmt zwar grundsätzlich, der Teufel liegt aber im Detail. Gerade im komplexen System der Gastro-Logistik. Lebensmittel, die in der umliegenden Nachbarschaft produziert werden, müssen trotzdem irgendwie in die Lagerräume der Gast- und Wirtshäuser. Das kann entweder direkt geschehen, sprich der/die GastronomIn arrangiert eine individuelle Lieferung mit dem/der ProduzentIn.
Würden das alle so machen, gäbe es so viele individuelle Zustelllösungen wie Partnerschaften. Ökologisch sinnvoller wäre es da natürlich, den regional hergestellten Käse in die ausgeklügelte Gastro-Logistik einzuspeisen. Das bedeutet, einen Händler zwischenzuschalten – dann wird die Ware vom Produzenten abgeholt, in ein zentrales Lager verfrachtet und bei Bestellung dann an die Gastronomie liefert. Der Käse wird dann zwar immer noch in der Nachbarschaft hergestellt, hat aber ein paar Hundert Lkw-Kilometer am Buckel, bevor er im Dorfwirtshaus am Käsebrett landet. Ökologisch sinnvoll, weil der Käse für das eine Wirtshaus ja nicht ganz allein im Lkw durch die Gegend fährt, psychologisch eine Herausforderung.
das gerade in der Gastronomie nicht nur ökologisch und ökonomische Nachhaltigkeit bringen, sondern auch die Einzigartigkeit einer Küche mitschreiben kann. Wenn Landwirtinnen, Lebensmittelhandwerker oder kleine Läden zu starken PartnerInnen der Gastronomie werden, stärkt das die Wertschöpfung in der Region und steigert die Qualität, weil beide in regem Austausch stehen und ihre Produkte aneinander anpassen und weiterentwickeln können.
Es hilft, genauer hinzuschauen. Ein Mastbetrieb mit Vollspaltenböden und industriell angelegter Ferkelaufzucht kann auch im Nachbarort stehen.
»WIR VERARBEITEN DAS GANZE TIER.«
Kaum eine Idee hat in den letzten Jahren eine derart steile Karriere hingelegt, wie der ›Nose-to-Tail‹-Gedanke. International haben wir es Leuten wie Fergus Henderson zu verdanken, der in seinem Londoner Restaurant St. John’s das Konzept salonfähig gemacht hat.
Die meisten dieser Sprüche lösen aber nicht das Vertrauen aus, das sie auslösen sollten.
In Österreich war es vor allem der eigensinnige Koch Max Stiegl in Purbach, der bei seinen Sautänzen Hirn mit Ei für 100 Personen gerührt, schlachtwarme rohe Leber wie Hostien verteilt und so lange nicht aufgehört hat zu braten, schmoren, grillen und wursten, bis die in der Früh geschlachtete Sau bis aufs letzte Futzerl Fleisch verarbeitet (und verspeist) war. Mit dem Thema Bio hat es der Stiegl allerdings nicht so. Er verwendet zwar Produkte von PartnerInnen, mit denen er eng zusammenarbeitet (und die auch biozertifiziert sind), wirklich wichtig ist es ihm aber nicht.
Regionalität ist ein großartiges Konzept,
Das Verwenden von Teilen, die nicht als »Edelteile« gelten, ist überhaupt nichts Neues. Die traditionelle Küche kennt da diverse Rezepte und Gerichte, und zwar unabhängig da-
BILD ISTOCK.COM / NINOCHKA
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30.4. + 1.5. Justice
Musiktheater
Hèctor Parra, Fiston Mwanza Mujila, Milo Rau, Tonkünstler-Orchester
3.5.–
12.5. Shared Landscapes
Theater
Caroline Barneaud, Stefan Kaegi (Rimini Protokoll)
Festival für Gegenwartskultur
30.4–6.10.2024
9.5.–11.5. TimeTipping
Klimakonferenz Globart, Solektiv
TangenteSt.Pölten
BILD ISTOCK.COM / NINOCHKA
von, ob wir von Deutschland oder Österreich, von gehobener Restaurantküche oder von Wirtshausklassikern sprechen. In der Wiener Küche gab es Kalbsbries (das übrigens Eckart Witzigmann in München als »Kalbsbries Rumohr« zur Legende kochte), in der Steiermark die Klachlsuppe, die Zunge war eine Delikatesse und in Deutschland gibt es keine Schlachtplatte ohne Blutwurst. Allerdings wurden diese Gerichte von Filets, T-Bones und Schnitzeln arg in die Bredouille gebracht. Nur die Leber hat das überlebt. Sie ist zwar eindeutig eine Innerei, aber gebacken oder als »venezianische« oder »Tiroler Leber« ein Gericht, das bei Weitem nicht so exotisch wahrgenommen wird, wie etwa gebackenes Hirn oder lauwarm marinierte Stierhoden. Letztere waren als »weisse Nierndln« in der Wiener Küche bekannt. Leicht hatten sie es aber nie wirklich. Zurück zu den Wirtinnen und Wirten, die damit werben, ganze Tiere zu verarbeiten. Das sind nämlich ordentlich viele. Wie viel dahinter streckt, ist nicht nur eine Frage der Kompetenz. Weder in der Lehre zur Köchin/zum Koch noch in Tourismusschulen wird das Zerlegen ganzer Tiere gelehrt.
Viele haben auch die Ressourcen, den Platz, gar nicht, um einen Ochsen aufzuhängen oder zu lagern. Die Lösung ist natürlich: Man nimmt zum Beispiel Bries, Nierenbraten oder Zunge auf die Karte und bestellt bei der Metzgerin oder beim Metzger, was man braucht. Das ist freilich wesentlich besser, als wenn es nur Schnitzel, Schopf oder faschierten Braten gäbe. Aber es erweitert das Spektrum nur um ein paar Teile des Tieres, was mit dem Rest
passiert, weiß niemand. Von einer »Verarbeitung des Ganzen« ist man da noch meilenweit weg. Und in der Regel kommen die Innereien auch nicht von derselben Kuh oder vom selben Lamm, wie das Fleisch fürs Ragout. Mit »Wir verarbeiten das ganze Tier« wird aber genau das vermittelt. Wie bei der Regionalität gilt auch hier: Die Idee ist großartig. Jene wenigen Köchinnen und Köche, die wirklich noch ganze Tiere verarbeiten, sind HeldInnen. Es sind auch die, die ihr Wissen weitergeben. Sie müssen weiterhin gesucht, gefunden und ins Rampenlicht gestellt werden.
»WIR BEZIEHEN AUS DER EIGENEN LANDWIRTSCHAFT.«
Es gibt so etwas wie die alpine Urform der Farm-to-table-Gastronomie: Die Alm. Oder die Alpe, je nachdem, wo im alpinen Raum man sich gerade befindet. Auf bewirtschafteten Almen, also solchen, auf denen im Sommer Kühe oder Schafe weiden, werden die Tiere gemolken und aus der Milch Almprodukte hergestellt. Butter, Käse, Buttermilch. Mit der Molke, die beim Käsen als Nebenprodukt entsteht, werden ein paar Almschweine gemästet, die üblicherweise im Winter geschlachtet und zu Speck verarbeitet werden. Das ist auch die Grundausstattung eines klassischen »Almmenüs«: Speck, Käse, Buttermilch. Aus eigener Landwirtschaft. Dass
Je näher ein Ort, eine Region oder eine Produktionsstätte zu dem ist, was wir »daheim« nennen, desto höher ist unser Vertrauen.
BILD ISTOCK.COM / NINOCHKA, DAVIT85 25 BIORAMA 89 GASTRONOMIE
Klare Prioritäten bei »Farm to Table«: Zuerst werden die Tiere gefüttert, dann die Gäste.
Eine verpflichtende Auslobung der Herkunft von Zutaten und Lebensmitteln wird in Österreich seit Jahren erfolgreich von der Wirtschaftskammer verhindert. In Tirol beispielsweise gibt es ein wegweisendes Projekt, bei dem Wirtschaftsund Landwirtschaftskammer an einem Strang ziehen. dakommtsher.at
das gut ist, wussten wir schon immer. In Amerika wurde ein Konzept daraus. Die »Farm-to-Table«-Gastronomie entstand als revolutionäre Bewegung, um den Auswüchsen der Lebensmittelindustrie entgegenzuwirken. Anfang der 70er-Jahre gründete Alice Waters, später eine der Gallionsfiguren der Slow-Food-Bewegung ihr Restaurant Chez Panisse in Berkeley, Kalifornien. Das Lokal gilt heute als die Keimzelle der »Farm-toTable«-Idee. Sie erlebt in den letzten Jahren eine kleine Renaissance, die vor allem unserem Wunsch nach Authentizität und Ursprünglichkeit geschuldet ist. Wobei »aus eigener Landwirtschaft« noch einen Schritt weiter geht als Alice Waters‘ Interpretation der Idee. Das Chez Panisse ist vergleichbar mit dem heutigen Wiener Restaurant Tian. Das Tian wird, genau wie das Chez Panisse, nicht von LandwirtInnen betrieben. Es gibt nur eine außerordentlich enge Partnerschaft mit LandwirtInnen und WinzerInnen, darunter viele biozertifizierte – systematisch offengelegt, woher oder aus welchen Anbau standards bezogen wird, wird im Tian aber weder einzeln noch über eine Biozertifizierung.
Es gibt so etwas wie die alpine Urform der Farm-to-tableGastronomie: Die Alm.
Manchmal betreiben KöchInnen sogar einen eigenen Acker. Das bringt die Restaurateure zwar näher zur Landwirtschaft, macht sie aber noch nicht zu Bäuerinnen und Bauern.
Andere Konzepte lassen ProduzentInnen zu GastronomInnen werden. Auch das ist nicht neu. Der »Metzgerwirt«, den es früher in jedem Dorf gab, der Hofladen mit Bistro-Angebot, der Buschenschank. Neu ist, dass es richtig gute Restaurants mit spannenden Konzepten gibt, die von Betrieben betrieben werden, die sonst Felder beackern. Der Spruch »aus eigener Landwirtschaft« nervt also dann, wenn der Anteil eigener Produkte minimal oder nebensächlich ist. Wenn der Betrieb zum Beispiel eine Rinderzucht hat,
die Rinder zwar in der Gastronomie verwendet werden, der Rest (meist über 95 % aller Produkte und Lebensmittel) aber nicht aus der eigenen Landwirtschaft kommt. Oder wenn die eigene Landwirtschaft Mais oder Weizen anbaut. Und das Getreide für die Polenta oder das selbst gebackene Brot verwendet wird. Das ist wunderbar. Aber für den Claim zu wenig.
»WIR SIND NICHT BIOZERTIFIZIERT. WIR SIND MEHR ALS BIO.«
Zugegeben, dieser Spruch wird kaum wo zu lesen sein. Aber zu hören. Oft ist er eine Antwort auf die Frage, ob Bioprodukte verarbeitet werden oder ob eine Biozertifizierung des Gastronomiebetriebs vorliegt. Ganz nach dem Motto ›Angriff ist die beste ...‹. Das Problem bei der Argumentation: Sie offenbart, dass die Wirtin oder der Wirt die Grundidee der biologischen Landwirtschaft nicht verstanden hat. Mit »besser als bio« ist meistens »regional« gemeint. (siehe »Wir wissen, wo‘s herkommt«.) Jetzt ist das mit dem Ausspielen des Einen gegen das Andere so eine Sache. Es funktioniert einfach nicht. Hinter der Biozertifizierung steht ein strenges Regime an Regeln und Vorschriften. Sie gelten für alle, die sich für eine bestimmte Produktionsweise entschieden und sich diesem Regime unterworfen haben, indem sie einen Vertrag mit einer unabhängigen Kontrollstelle unterschrieben haben.
Die Einhaltung der Richtlinien wird laufend kontrolliert, Verstöße abhängig von Art und Schwere reklamiert und geahndet. Das ist bio. Und regional? Nichts. Kein verbindliches Regulativ, keine gemeinsame Sprache, keine Kontrolle, keine Konsequenzen. Wenn ein Betrieb in Stuttgart entscheidet, die Herkunft »Deutschland« ist regional genug, wird der Allgäuer Bergkäse zum regionalen Produkt. Es ist natürlich richtig, dass ›bio‹ nichts über sensorische Eigenschaften eines Produkts aussagt. Bio ist ein Standard,
26 BILD ISTOCK.COM / MICOLINO, NINOCHKA BIORAMA 89 GASTRONOMIE
ein Regelwerk für die Art zu wirtschaften, wobei, es mag absurd klingen, das Selbstverständliche zu betonen: die Regeln dürfen übererfüllt werden. Weil Bio viele Spielräume lässt – weit über diese Standards hinausgehend in Sachen Tierwohl oder Reduktion von Pflanzenschutzmitteln oder Biodiversitätsmaßnahmen.
Dass Bioprodukte trotzdem oft qualitativ hochwertig und sensorisch herausragend sind, hat damit zu tun, dass sie entsprechend häufiger von LandwirtInnen und LebensmittelhandwerkerInnen produziert werden, die eine Leidenschaft für ihre Erzeugnisse haben. Was nicht bedeutet, dass alle, die nicht biozertifiziert sind, diese Leidenschaft nicht haben – doch wer nachhaltig wirtschaftet und das auch erzählen will, für den hat Bio den Vorteil, dass seine KundInnen und Gäste auch
nachvollziehen können, was das bedeutet. Das »Wir sind besser als bio«-Narrativ ist ein Märchen. Nicht, weil Bio in jedem Einzelfall besser in puncto Nachhaltigkeit ist als jedes konventionelle Produkt – aber in den allermeisten. Sondern vielmehr, weil dem Vergleich jegliche Grundlage fehlt: Was sollen solche Aussagen eigentlich werden außer ein Ablenkungsmanöver? Wer konkret was besser macht, wird nicht davor zurückscheuen, es konkret zu benennen.
»WIR GEHEN BEWUSST MIT DER NATUR UM.« Neben »Wir gehen bewusst mit der Natur um.« bitte auch gerne einsetzen: »Wir gehen schonend mit Ressourcen um.«, »Wir arbeiten mit der Natur.«, »Wir setzen Rohstoffe bewusst ein« oder »Wir verarbeiten nachhaltig produzierte Rohstoffe.« Diese Floskeln haben eines gemeinsam: Dass sie eben Floskeln sind. Und genau gar nichts bedeuten.
Was ist die Idee dahinter? Klar geht es darum, den allgemeinen Zustand der Welt zu reflektieren und der Gesellschaft zu erzählen, dass man vieles tut, um das Blatt zu wenden. Das ist verständlich. Die meisten dieser Sprüche lösen aber nicht das Vertrauen aus, das sie auslösen sollten. Vermutlich liegt das an ihrer Un-
27 BILD ISTOCK.COM / MICOLINO, DENIS STANKOVIC, NINOCHKA
verbindlichkeit und Diffusität. Es sind Nebelgranaten, die einen klaren Blick vermeiden (sollen). Hier gilt es, mit konkreten Fragen den Nebel aufzulösen. Was genau ist mit »Wir arbeiten mit der Natur.« gemeint? Wie sieht das in der Beschaffung der Lebensmittel aus? Was passiert, wenn eine Anbausaison vorbei ist? Wechselt man dann die Herkunftsregion? Was verstehen Sie unter ›nachhaltig produziert‹? Wer kontrolliert das oder wo lässt sich das nachvollziehen?
Gerade in diesem Bereich lohnt auch der Blick auf jene Restaurants, die als Benchmark für Nachhaltigkeit gelten.
Was verstehen Sie unter ›nachhaltig produziert‹? Wer kontrolliert das oder wo lässt sich das nachvollziehen?
Vor etwa 15 Jahren galt das Kopenhagener Restaurant Noma als Paradebeispiel für Nachhaltigkeit und radikalen Regionalismus. Die positive Wirkung entfaltet sich aber nur bei einem einseitigen Blick auf das Menü und die Küche des Restaurants. Erweitert man die Perspektive auf die Gäste und deren Anreise, wird die Gesamtrechnung im Noma schnell zum Desaster. Kaum eine Dänin hat sich in den vergangenen Jahren ins Noma verirrt. Die Gäste kamen aus aller Herren Länder, in der Regel mit dem Flugzeug und bleiben meistens nur einen Tag. Das kann man schwer dem Lokal anlasten, aber: So lange KonsumentInnen, die sich selbst als nachhaltigkeitsgetrieben beschreiben, zum Abendessen jetten, ist es zweitrangig, ob die Karotte,
die sie dort kredenzt bekommen, bio und CO2-neutral hergestellt wurde.
VORBILDHAFT
Ein anderes Beispiel ist Massimo Botturas weltberühmtes, ebenfalls über kein relevantes Nachhaltigkeitszertifikat verfügendes, Al Gatto Verde in Modena. Er hat hier, gemeinsam mit seiner langjährigen Sous-Chefin Jessica Rosval, ein Restaurant eröffnet, das gerne als Benchmark für nachhaltige Gastronomie genannt wird. In gewisser Hinsicht nachvollziehbar, denn die Geschichten, die hier gemeinsam die nachhaltige Ausrichtung des Hauses prägen – oder besser: die Ausrichtung der Nachhaltigkeit des Hauses prägen, lassen sich gut erzählen: Regenwasser wird aufgefangen und zur Bewässerung eigener Gärten genutzt, eine Photovoltaikanlage sorgt dafür, dass das Restaurant energieautark ist und das Holz für die Feuerstellen – offenes Feuer spielt eine zentrale Rolle – kommt von einem Waldschaden, den ein massiver Wirbelsturm angerichtet hat. Gleichzeitig entlocken diese, wenn auch fundierten, Shows jenen, die schlicht den CO 2-Fußabdruck ihres Restaurants berechnen, um die Schwachstellen zu finden, die sich um eine Biozertifizierung oder eine Gemeinwohlbilanz des Betriebs kümmern und ernsthaft versuchen, ihre Gäste für eine öffentliche Anreise zu sensibilisieren, womöglich nur ein müdes Lächeln. Modena ist übrigens auch die Stadt schneller Sportwagen, Massimo ein Freak in Sachen Motoren. Seine Betriebe sind Partner von Lamborghini und Ferrari. Und wenn es die Show braucht, um für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, dann stören solche Details das Gesamtbild und somit auch den Effekt. Ein Tipp – und ein Wunsch – daher: fragen. Durch den Nebel blicken. Klarheit schaffen. Und die klare Sicht auf die Dinge erzählen.
28 BIORAMA 89 GASTRONOMIE BILD ISTOCK.COM / NINOCHKA
Mit der Kraft der Sonne
Gebrüder Weiss Peak Evolution Team setzt Höhenweltrekord am Ojos del Salado, Chile
Schon mehrfach war der höchste aktive Vulkan der Erde, der Ojos del Salado in Chile, Schauplatz von Höhenweltrekorden für Fahrzeuge. Aber noch nie kam ein Elektrofahrzeug mit Photovoltaikanlage so hoch hinaus: 6.500 Höhenmeter erreichte der Solar-Lkw des Gebrüder Weiss Peak Evolution Teams Mitte Dezember 2023. Dieser Erfolg demonstriert die beeindruckende Leistungsfähigkeit alternativer Antriebstechnologien. Patrik Koller, Vorstand und Entwickler bei Peak Evolution, berichtet: »Das ist ein Rekord für die Technik, für unsere Forschungsarbeit und für die Zukunft der Mobilität. Wir erhoffen uns dadurch mehr Aufmerksamkeit für alternative Antriebe.«
Unterstützer seit Tag eins ist Logistikpartner und Hauptsponsor Gebrüder Weiss. Das Unternehmen hat sich nicht nur um den sicheren Transport des Fahrzeugs von der Schweiz nach Südamerika gekümmert, sondern die innovative Unternehmung mitfinanziert. »Als ältestes Transport- und Logistik-
unternehmen sehen wir uns der Zukunft der Mobilität verpflichtet«, so Frank Haas, Marketingleiter bei Gebrüder Weiss. »Dieser Erfolg unterstreicht unsere fortlaufende Unterstützung nachhaltiger Mobilitätsprojekte und innovativer Technologien.« Mit dem Weltrekord im Gepäck kehrt das Gebrüder Weiss Peak Evolution Team nun in die Schweiz zurück, wobei der Logistiker auch den Rücktransport des Rekordfahrzeugs nach Europa sicherstellt. Auch weiterhin wird der Logistiker zukunftsträchtige Projekte unterstützen. Im Januar fand eine Generalprobe der Mars Mission des Österreichischen Weltraum Forums am Gebrüder Weiss Standort Maria Lanzendorf bei Wien statt. Zudem testet das Unternehmen in diesem Jahr einen autonom fahrenden Lkw und schickt ein internationales Forschungsteam nach Grönland, um wichtige Erkenntnisse über den Klimawandel zu gewinnen. www.gw-world.com
29
BILD GEBRÜDER WEISS / ANNA POCINSKA ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DER GEBRÜDER WEISS
Das Team auf 6.500 m ein neuer Höhenweltrekord für Elektrofahrzeuge.
Allein mit der Kraft der Sonne brachte das Fahrzeug »Terren« (Rätoromanisch für »Erde«) das Team auf 6.500 m.
GESUNDHEITSSCHÄDLICHES GESUNDHEITSWESEN
Als erste Ansatzpunkte für mehr Klima- und Umweltschutz im Gesundheitswesen sind Gewohnheiten und Arbeitsabläufe so wichtig wie das eingesetzte Material.
TEXT Martin Mühl
Die Auswirkungen von Klimawandel und mangelnden Umweltschutzmaßnahmen auf die Gesundheit von Mensch und Tier sind offensichtlich. Und das nicht erst, seit in den letzten Jahren besonders heiße Sommer für körperliche Belastungen und Todesfälle sorgen. Zu diesen Auswirkungen gehören – wenn auch in Österreich und Deutschland
schwächer als in anderen Gegenden – extreme Wetter- und Umweltkatastrophen, die Gegenden unbewohnbar machen, Wasser- und Nahrungsknappheit, aber etwa auch Infektionen, Epidemien und Zoonosen. Der Climate Summit der Vereinten Nationen hat errechnet, dass der Gesundheitsbereich für 4,4 bis 10 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen ver-
30 BIORAMA 89 KLIMASCHUTZ IM GESUNDHEITSWESEN
antwortlich ist und somit auch selbst für mehr Erkrankungen und Gesundheitsschäden sorgt. Ähnlich wie die Landwirtschaft ist das Gesundheitswesen damit einer jener Sektoren, der direkt unter dem Klimawandel leidet, während er diesen gleichzeitig weiterhin mitverursacht. Zumindest, wenn man die Branche nicht in erster Linie als Geschäftszweig sieht.
VIEL SPIELRAUM VOR DEM INTERESSENSKONFLIKT
Im Detail sind die Zusammenhänge klimaschädlicher Aktivitäten im Gesundheitssektor und den Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit komplex. Die Frage, welchen Lösungsansätzen der Vorzug zu geben ist, ist auch hier mitunter eine Abwägungsfrage, bei der unterschiedliche Interessen in Konflikt stehen. Gleichzeitig gibt es auch hier ganz grundsätzliche Fehlentwicklungen, die in fast allen Bereichen auftreten – und deren Änderung wesentliche ökologische Vorteile bieten können, ohne mit enormen – z. B. finanziellen – Nachteilen verbunden zu sein. Und: Es gibt
wohl einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass gerade im Gesundheitswesen manche Prioritäten nicht gegeneinander ausgespielt werden sollen: »Weder die Qualität einer medizinischen Behandlung, noch die der Forschung dürfen unter einer Veränderung hin zu weniger umweltschädlichem Verhalten leiden«, ist Isabella Pali, Ernährungswissenschaftlerin und Allergieforscherin am Messerli-Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität in Wien überzeugt. Derlei Überlegungen sind aber auch gar nicht die dringendsten. Es kann viel verändert werden, ohne in Behandlungsqualität oder Forschung einzugreifen. Isabella Pali
»In den meisten Fällen fehlt es nicht an Studien, sondern an der Umsetzung der Ergebnisse.«
— Isabella Pali, Ernährungswissenschaftlerin und Allergieforscherin
BILD ISTOCK.COM / ADELART
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ist im Rahmen des One-Health-Ansatzes tätig, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt interdisziplinär zusammenführen möch-
»Es ist berechenbar, wie Umweltschutzinvestitionen Kosten durch Krankenstände, chronische Krankheiten, Asthma, Übergewicht oder Depressionen verringern.«
— Isabella Pali
Isabella Pali ist Ernährungswissenschaftlerin und Allergieforscherin am Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Sie engagiert sich für den One-Health-Ansatz, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt interdisziplinär zusammenführt.
te, und hat hier für die Europäische Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) gemeinsam mit anderen MedizinerInnen praktische Ansätze erarbeitet.
INVESTITIONEN EINORDNEN
Viele davon unterscheiden sich nicht maßgeblich von denen für andere Sektoren. Auch wenn im Gesundheitswesen aus hygienischen Gründen beispielsweise viele Verbrauchsartikel nur ein mal genützt werden können. Entscheidend sind – wie so oft – außer dem hohen Einsatz von Ressourcen auch Transporte und der Energiebedarf. Für Isabella Pali braucht es daher den gemeinsamen Einsatz von Verwaltung, Politik und vielen einzelnen Handelnden, um eine breite Palette an Maßnahmen umzusetzen. Veränderungen führen dabei teilweise zu Einsparungen – auch bei den Kosten –, andere setzen Investitionen voraus. »Das führt natürlich zu Diskussionen, wer für diese aufkommen soll«, erzählt Isabella Pali, plädiert aber auch dafür, Berechnungen über die langfristigen auch monetär positiven Auswirkungen anzustellen: »Geld, das in den Umweltschutz investiert wird, wirft vielleicht nicht offensichtliche Renditen ab. Es ist aber bere-
chenbar, wie dadurch mittelfristig Kosten, die durch Krankenstände oder chronische Krankheiten, Asthma, Übergewicht oder auch Depressionen der Allgemeinheit entstehen, verringert werden können.« Direkte Einsparungen etwa durch geringeren Stromverbrauch oder weniger benötigte Verbrauchsmaterialen lassen sich ebenso darstellen wie Investitionen in Elektromobilität oder Photovoltaikanlagen und die Einsparungen, zu denen sie führen. Ihr beruflicher Hintergrund in der Forschung erleichtert es Isabella Pali, Studien und Untersuchungen und deren Ergebnisse miteinzubeziehen. Auch wenn sie weiß: »In den meisten Fällen fehlt es nicht an Studien, sondern an der Umsetzung der Ergebnisse.« Das Einsparen von Energie ist ein allgemeines, wohlbekanntes, aber auch effektives Thema, andere Einspa-
BILD ISTOCK.COM / VELISHCHUK, VETMEDUNI / BERNKOPF 32 BIORAMA 89 KLIMASCHUTZ IM GESUNDHEITSWESEN
CHANGE THE GAME! BWL & ÖKO BESUCHE UNS LIVE AUF DER HALLEBIOFACH 9 - 565
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Studiere MANAGEMENT IN DER ÖKOBRANCHE (B.A.) Nachhaltigkeit managen – Zukunft gestalten
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1. Zum Mitreden.
Dein Friseur fragt dich, ob du pro oder contra Gentechnik in der Landwirtschaft bist, und du hast keine Ahnung? Deine Eltern wollen wissen, warum du so viel Geld für ein gebrauchtes Fahrrad ausgibst wie sie damals für ihr erstes Auto? Du möchtest eine Freundin überzeugen, dass Fairtrade-Produkte mehr als gutes Marketing sind? Bei uns findest du die Argumente und Hintergrundinformationen, die dich so überzeugend machen, wie du immer schon sein wolltest.
2. Weil dich unbequeme Gedanken quälen.
Du bist nicht allein! Auch wir ärgern uns über achtlose Mitmenschen, Umweltzerstörung, Ignoranz und Probleme, auf die wir noch keine Antwort kennen. Wir übernehmen den anstrengenden Teil für dich: hören uns um, fragen nach, recherchieren Antworten und Lösungen und fürchten uns nicht vor Widersprüchen.
3. Weil du anders bist.
Wir sind es auch! Wir sind beim Thema bio nicht nur an Skandalen interessiert, sondern am größeren Ganzen. Nachhaltigkeit hört nicht bei Biohumus und Upcycling auf und ist für uns kein Themenbereich, sondern Anspruch und Perspektive auf alle Lebensbereiche.
4. Weil dein Alltag sehr kompliziert ist.
Wir zeigen dir, wie du deine Essensreste geruchsfrei in der Wohnung kompostierst, wie du dein Fahrrad diebstahlssicher verstaust oder wie du günstig und mit kleinem Fußabdruck um die Welt reist. Kurz: Bei uns wird dir geholfen!
5. Weil du keine Ausgabe verpassen willst!
Niemand möchte sich einen Zeitschriftensammler vorstellen, in dem auf die BIORAMA-Ausgabe 89 die BIORAMA-Ausgabe 91 folgt.
6 AUSGABEN 25 EURO issuu.com/biorama MAGAZIN FÜR NACHHALTIGEN LEBENSSTIL. biorama.eu/abo
rungen haben sogar weitreichendere Folgen. So kann etwa mit der Vermeidung von Übermedikation nicht nur Geld gespart werden, sondern auch die Entstehung von Resistenzen und Folgeerkrankungen und Nebenwirkungen vermieden bzw. vermindert werden. Ein entsprechendes Thema ist auch der Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht. Diese Lösungen sind mit Richtlinien, Aufwänden, Kontrollen und Kommunikation verbunden. In anderen Fällen könnte man etwa untersuchen und berechnen, ob teurere Materialen, die vielleicht gewaschen und wiederverwendet werden können, Kosten und Umwelt zugutekommen – oder auch nicht.
ARBEITSFELDER
Sie selbst hat mit einer EAACI-Arbeitsgruppe, an der auch Kolleginnen aus Deutschland be-
teiligt waren, fünf Bereiche herausgearbeitet, die eine große Hebelwirkung haben können, um die Auswirkungen des Gesundheitsbereichs auf den Klimawandel zu reduzieren. Der erste Bereich sind Forschungseinrichtungen und Labore. Deren Betrieb benötigt zwischen dreiund fünfmal soviel Energie und Wasser wie andere Arbeitsstätten. Energie könnte man durch moderne Tiefkühlgeräte, Heizgeräte, Wasserbäder oder auch Abzüge und Lüftungen bzw. deren sinnvollen Einsatz einsparen – ein Umstieg auf erneuerbare Energie wäre bei hohem Verbrauch aber auch besonders lohnend. Eine andere Studie hat ergeben, dass allein die Life-Science-Labs weltweit rund 5,5 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle pro Jahr erzeugen. Verbrauchsmaterialen können durch andere Fabrikate, die vielleicht wiederverwendbar sind oder weniger Ressourcen verbrauchen, ersetzt werden – und noch mehr lässt sich durch eine optimierte Handhabung und eine Anpassung von Gewohnheiten einsparen. Und manchmal führen auch neue Forschungsergebnisse zu neuen Möglichkeiten. Etwa wenn diese ergeben, dass manche Stoffe auch bei beispielsweise bei -70 Grad haltbar bleiben und nicht erst bei -80 Grad – alleine diese wenigen Grad Unterschied können bis zu 30% Energie einsparen.
KLASSISCHE MASSNAHMEN, GROSSE EFFEKTE
Ein weiterer Bereich mit großen Potenzialen sind Krankenhäuser. Dazu gehören das Einsparen von Energie oder auch Transportwegen, aber auch eine nachhaltige Bauweise. Neben dem Verkehr gehört der Sektor Gebäude schließlich weltweit zu den größten Treibhausgasemittenten: mehr Recycling, gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln für Personal und PatientInnen, so wie ein schonender Umgang mit Ressourcen oder auch Lebensmitteln im Krankenhausbetrieb können hier bedacht werden. Mitunter bieten auch einzelne Krankheiten
UN Climate Summit
Die UN-Klimaschutzkonferenz hat 2021 im Rahmen ihrer »The Global Road Map for Health Care Decarbonization« errechnet, dass das Gesundheitswesen für 4,4% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. 84% davon stammen von der Nutzung von fossilen Brennstoffen entlang der Prozesse und Lieferketten.
BILD ISTOCK.COM / VELISHCHUK, VETMEDUNI / BERNKOPF 35
»Ebenso entscheidend wie der Materialeinkauf, der mitunter zentral erfolgt oder auf alle Fälle die Einbindung anderer benötigt, sind auch oft die kleinen Abläufe und Prozesse. «
— Isabella Pali
COP28 Health Day
Im Rahmen der 28. Klimakonferenz, die Ende 2023 in Dubai stattgefunden hat, wurde erstmals ein »Health Day« abgehalten, um einen Fokus auf die Auswirkungen des Klimawandels auf Ernährungssicherheit und Gesundheit zu legen.
und deren Behandlung einen Raum für Verbesserung: Je nach Definition haben laut
WHO zwischen
250 und 400 Millionen Menschen Asthma. Bei diesen Zahlen macht die Beschäftigung mit verschiedenen Asthma-Inhalatoren – deren Funktionsweise, der Verwendung von Treibgasen oder auch deren Recyclingfähigkeit – einen nennenswerten Unterschied. Innovationen, Digitalisierung und technische Entwicklungen ermöglichen auch in der Medizin vieles, das vor 20 oder 25 Jahren noch schwieriger umsetzbar war: etwa eine Einsparung von Wegen durch Telemedizin, wo Ärztin oder Arzt und PatientIn dies für sinnvoll erachten. Als fünften Bereich haben sich Isabella Pali und ihr Team neuen Möglichkeiten durch hybrid abgehaltene Kongresse gewidmet, die nicht nur Reisen und Wege einsparen, sondern auch dazu führen können, dass einzelne Vorträge mehr ZuhörerInnen erreichen.
IN DER PRAXIS OFT BOTTOM-UP
Isabella Pali will Politik, Krankenkassen und die Verwaltung nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Selbstverständlich ist es Aufgabe jener, die hier Entscheidungen treffen und Verantwortung tragen, die optimale Richtung einzuschlagen und durch Vorgaben und Unterstützung für Veränderung zu sorgen. Praktisch sieht es laut Isabella Pali derzeit häufig anders aus: Es sind oft einzelne MitarbeiterInnen, die mit ihrem Engagement eine Veränderung lostreten – und diese bekommen erst nach und nach von ihren Vorgesetzten mehr
Unterstützung. In ihrer Erfahrung gibt es für Veränderungen einen geradezu klassischen Verlauf. Die erste Initiative geht von einzelnen Personen oft ohne Führungsverantwortung aus, die sich dafür interessieren Prozesse zu verändern oder Ressourcen einzusparen. Dies wird von leitenden Personen dann unterstützt und auf eine breitere Ebene getragen. Gemeinsam müssen die Veränderungen dann evaluiert werden, um zu sehen, was funktioniert, was verworfen wird und wo man durch Anpassungen noch weitere Verbesserungen erzielen kann. Nur in seltenen Fällen würden dabei medizinische oder regulatorische Standards tatsächlich für Einschränkungen sorgen, ebenso wenig wie der Umstand, dass im Bereich der öffentlichen Verwaltung Kosten freigegeben werden müssen oder Bestellungen nur gesammelt vorgenommen werden können. Auch innovative Hersteller alternativer Produkte müssen sich, um für den Einkauf in Frage zu kom-
36 BIORAMA 89 KLIMASCHUTZ IM GESUNDHEITSWESEN
Die Barmherzigen Brüder lassen ihre Umweltschutzbemühungen nach dem Umweltschutzmanagementsystem EMAS zertifizieren und haben auf vielen ihrer Krankenhäuser – wie hier in Kritzendorf bei Wien – PV-Anlagen installiert.
men, an Bestimmungen halten und bestimmte Kriterien erfüllen.
DER VERMEINTLICH KLEINE UNTERSCHIED
»Ebenso entscheidend wie der Materialeinkauf, der mitunter zentral erfolgt oder auf alle Fälle die Einbindung anderer benötigt, sind auch oft die kleinen Abläufe und Prozesse«, beobachtet Isabella Pali in der Praxis. »Dazu gehören der Umgang mit Laborgeräten, die statt ins Stand-by ganz ausgeschaltet werden können, die Dimensionierung von Plastikgefäßen, oder eine genaue Experimentenplanung, damit in einem Labor für den Griff zum Handy oder nach anderen Unterbrechungen nicht immer neue Handschuhe benötigt werden. Um solche Änderungen und Abläufe geht es in fast allen Bereichen, wie etwa auch in der Versorgung von PatientInnen mit Essen. Es gibt keinen Grund für zu große Portionen, die dann entsorgt werden müssen. Klüger ist es, bei Bedarf
nachzubringen und das geht in Grenzen auch mit dem vorhandenen Personal.« Zusammenfassend meint sie, dass »die Etablierung eines Nachhaltigkeitsmanagements in Gesundheitseinrichtungen und Forschungsorganisationen gängige Praxis werden sollte. Neue Technologien, künstliche Intelligenz, Big-Data-Analysen existierender Daten sowie mathematische Simulationen können von großer Bedeutung sein.« Für entscheidend hält sie, derlei Überlegungen in die Ausbildung zu integrieren, da sich diese Haltung auf einer größeren Basis durchsetzen muss, auch wenn manche Maßnahmen wie der Umgang mit Elektrogeräten oder auch Verbrauchsmaterialen allzu offensichtlich scheinen. Zu den Möglichkeiten, das Gesundheitswesen nachhaltiger zu gestalten, gibt es einen internationalen Austausch, um anhand gelungener Beispiele voneinander zu lernen. Umgesetzt werden müssen die individuell passenden Maßnahmen aber vor Ort.
One Health
Der One-Health-Ansatz betrachtet die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt im Zusammenhang. Das Ziel ist die Vorbeugung von Gesundheitsrisiken, beispielsweise bei Allergien.
BILD KAERNTEN-SOLAR
37
Neue Retter mischen auf dem Zweitmarkt für Solarmodule mit.
TEXT
Hanna Stummer und
Irina Zelewitz
REFURBISHED BALKONKRAFTWERK 2
Refurbished
Refurbished Geräte (oder Teile) sind nicht mehr neuwertige Geräte, welche professionell gereinigt, eventuell repariert und weiterverkauft werden. Sie unterscheiden sich von gebrauchten Geräten durch eine erneut vergebene Garantie.
,6 Millionen Solaranlagen waren laut deutschem Statistischem Bundesamt Destatis im März 2023 in Deutschland installiert – ökologische und ökonomische Vorteile, zusätzlich angestoßen durch Förderungen lassen diese Zahl stetig weiterwachsen. Gleichzeitig wächst aber auch die Anzahl der Alt-Solarmodule, denn vielerorts wird schon die zweite Generation in Betrieb genommen. Ein Weißbuch der Deutschen Umwelthilfe besagt, dass allein im Jahr 2020 bis zu 51.600 Tonnen Altmodule entsorgt wurden. Und entsorgt bedeutete da meist verschrottet.
AM ANFANG WAR DER EIGENBEDARF
Einen Beitrag dazu zu leisten, dass PV-Module nicht zum Elektroschrott werden – haben sich zwei Elektroingenieure mit dem im Mai 2023 gegründeten Unternehmen Panelretter vorge-
nommen. Die Unternehmensgründer Christoph Kirschner und Tillmann Durth kennen sich seit dem ersten Semester ihres Elektrotechnikstudiums, haben beide einzeln bereits eigene Unternehmensideen umgesetzt, bei denen, wie sie sagen, »Nachhaltigkeit im Vordergrund stand«. Da schien es bald naheliegend, sich zusammenzutun. Konkreter Anlass war Kirschners eigene Solaranlage – als er sich auf dem Markt umschaute, kam ihm die Idee, dabei auf B-Ware zurückzugreifen – dazu recherchierte er gemeinsam mit Durth nach Bezugsquellen. »Balkonkraftwerke waren schon ein großes Thema, aber wir haben einfach nicht verstanden, warum man dafür nicht auch bereits benutzte Module nehmen kann.« Die Dimension der Probleme rund um die Entsorgung von Solarmodulen sei ihnen erst nach und nach klar geworden – und habe die beiden in ihrem Ansinnen bekräftigt, ein
Ge- BILD PANELRETTER
38 BIORAMA 89 REUSE
Aufgabenteilung im Duo: Christoph Kirschner (links) ist technischer Leiter und Tillmann Durth kümmert sich um Marketing, Vetrieb und Website.
schäftsmodell daraus zu entwickeln. Durth hat gerade seinen Bachelor abgeschlossen und verantwortet den Bereich, Kirschner schreibt an der Masterarbeit in Elektro- und Informationstechnik und fungiert gleichzeitig als technischer Leiter der Panelretter. Antrieb ist »die Welt von Morgen mitzugestalten«, und zwar nach dem Grundsatz: »Erst wiederverwerten und das was nicht verwertet werden kann dann recyceln!«.
B-WARE
Zu Beginn arbeitete das Team von Panelretter vorranging mit B-Ware – etwa solche mit Kratzern in der Oberfläche – oder übrig gebliebenen Lagerbestände großer Unternehmen. Mit Anfang Dezember 2023 wurde allerdings auf die Wiederaufbereitung gebrauchter Solarpanels umgestellt – und nun will sich das Team darauf, also auf den Refurbished-Markt, fokussieren.
Zu den entsprechenden gebrauchten Panels kommen sie, indem sie aufkaufen, was im Zuge von Repowering-Maßnahmen ausgewechselt wird: Wenn – vor allem im industriellen Maßstab – auf- oder nachgerüstet wird und manche Teile dadurch nicht mehr zum Rest der Anlage passen.
Die Panelretter sind nicht die ersten auf dem Zweitmarkt für Photovoltaikkompenten, mittlerweile ist es auch auf vielen verschiedenen Plattformen möglich, gebrauchte PV-Anlagen-Teile ver- und anzukaufen (BIORAMA hat berichtet). Doch der Second-Hand-Markt scheint noch einigen Mitbewerb zu vertragen. Christoph Kirschner verweist auf konservative Schätzungen, die davon ausgehen, dass die Zahl des jährlich anfallenden »Solarmülls« alleine in Deutschland bis 2030 auf 300.000 Tonnen steigen wird – und auf den entsprechenden »dringenden« Handlungsbedarf. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) geht sogar von 500.000 Tonnen alter »Photovoltaik-Module auf dem Recyclingmarkt« aus. Damit dieser Recyclingmarkt zugunsten einen Reuse-Marktes schrumpft, braucht es Unternehmen wie Panelretter. Die Reuse-Quote liege in Deutschland bei erschreckenden 3% –und das, obwohl beispielsweise bei den Partnerunternehmen, mit denen die Panelretter derzeit arbeiten 60–70% der Module funtonstüchtig wären.
Die Industrie sei das Recycling von Solarpanels betreffend »zwar auf einem guten Weg, jedoch noch weit davon entfernt ist, ein Panel zu
100 Prozent auf Großprozess-Niveau recyceln zu können«, meint Kirschner.
Im Angebot auf der brandneuen Panelretter-Website finden sich nun Module für den Bau von Balkonkraftwerken, aber auch Modelle für Wände, Dächer und Gärten. Die fertigen Sets sind einfach aufzubauen, natürlich günstiger als Neuware – und sparen Ressourcen, nicht zuletzt auch durch die Nutzung von Verpackungen und Füllmaterial, das ebenfalls aus zweiter Hand bezogen wird. Von der Konkurrenz wollen sich die Panelretter dadurch unterscheiden, dass die nur Qualitätszubehör anbieten und dieses durch »gute Anleitungen« und »menschlichen Support« ergänzen. Das junge Team treibt an, einen Beitrag zu einer saubereren Umwelt leisten zu wollen – in jedem Modul, dass sie vor dem Müll »retten«, sehen Sie eine Chance für die Kreislaufwirtschaft: »Und die Lösung sollte natürlich nicht im ersten Schritt sein, diese Module alle zu verschrotten bevor man nicht das wiederverwendet, was noch wunderbar für viele Jahre Strom erzeugen kann.«
Im Weißbuch der Deutschen Umwelthilfe aus 2021 zum Thema »Kreislaufwirtschaft in der Solarbranche« wurden auf Basis einer Untersuchung zur Entsorgung von PV-Modulen aus dem Jahr 2020 Verbesserungsmöglichkeiten erarbeitet.
duh.de/projekte/pv-recycling
Auf panelretter.de werden nicht nur Solarmodule angeboten, sondern auch Unterstützung mit deren Anmeldung
BILD PANELRETTER
Online zeigen die Paneelretter, wie optisch ansprechend sich Solarpaneele in manche Umgebung einfügen lassen. 39
DUFTENDE SEELE DER PFLANZEN
Die Bandbreite der natürlichen Duftstoffe ist in den vergangenen Jahren dank intensiver Forschung erheblich gewachsen – das gibt NaturparfumeurInnen nun ähnlich große Auswahl zur Duftkomposition wie jenen, die mit synthetischen Düften arbeiten.
99,99 % NATÜRLICHKEIT FRANKREICH IN DER NASE
Natürliche Parfums aus nur vier Inhaltsstoffen.
Zu viel Marketing, zu viel Verpackungsmaterialien und zu viele synthetische Inhaltsstoffe – das störte Emmanuel Roche an konventionellen Parfums, wie er erzählt. Aus diesen Gründen habe er 2020 Aemium gegründet. Nun stellt er sieben Unisex-Düfte, alles Eau de Parfums, her.– Zusätzlich zu den Duftstoffen braucht es nur drei weitere Inhaltsstoffe: So enthält jeder Duft 13 bis 17 % verschiedene Duftextrakte, 74 % Bioweizenalkohol, Wasser sowie Vitamin E. Alle Inhaltsstoffe der Düfte sind zu 99,99 % natürlich, die restlichen 0,01 % sind vergällter Alkohol.
»Wir lehnen die Verwendung synthetischer Produkte ab, die aus Petrochemikalien stammen. Im Gegensatz zu herkömmlicher Kosmetik enthalten unsere Düfte daher keine umstrittenen Inhaltsstoffe, insbesondere keine Antioxidantien wie BHT oder andere synthetische Anti-UV-Wirkstoffe«, erklärt Emmanuel Roche. Zum Hintergrund: Butylhydroxytoluol (BHT) ist ein Antioxidans, das in kosmetischen Produkten Radikale abfängt und Oxidationsreaktionen verhindert, dadurch wird die Haltbarkeit von Fetten verlängert. In Tierversuchen wurde ein krebsförderndes Potenzial entdeckt, dieses wurde beim Menschen jedoch nicht bestätigt. Anti-UV-Wirkstoffe wiederum sollen, wie der Name schon nahelegt, die schädlichen Auswirkungen von UV-Licht auf Produkte minimieren – sie können sich jedoch in der Umwelt ablagern. Roche verpackt seine Düfte daher in dunkle Flaschen , um die Inhaltsstoffe vor Licht zu schützen. Eine hohe Konzentration der Duftextrakte sorgt zudem für längere Haltbarkeit.
Die ganze Linie ist nach Cosmos-Standard zertifiziert: »In einer Zeit, in der die meisten großen und kleinen Marken Greenwashing betreiben, schien uns die strenge Cosmos-Zertifizierung die einzige wirkliche Garantie für ein Qualitätsparfum.« Der Bestseller im Sortiment von Aemium ist »Silence Des Calanques«: »Es ist kraftvoll und erinnert an den Süden Frankreichs«, sagt sein Schöpfer.
aemium.com
BARBARA FOHRINGER
BILD AEMIUM
40 BIORAMA 89 NATURAL SENSE
DUFTES NATURKOSMETIKPIONIER
ENTSPRECHUNG EINZIGARTIGER NATUR
Alverde hat drei Naturdüfte im Sortiment.
Seit 1989 bietet Dm mit der Marke Alverde Naturkosmetik einen preiswerten Zugang zu Naturkosmetik. Der Gesellschaft für Konsumforschung, dem größten deutschen Marktforschungsinstitut, zufolge ist sie die meistverkaufte Naturkosmetikmarke Deutschlands. Die Produkte – und so auch die Düfte – sind nach dem Standard des internationalen Naturkosmetikverbands Natrue zertifiziert und sind insofern frei von synthetischen Duft-, Farb- und Konservierungsstoffen. Die Rohstoffe stammen bevorzugt – das heißt teilweise und auch abhängig von Verfügbarkeit – aus kontrolliert biologischem Anbau und es werden keine Inhaltsstoffe auf Mineralölbasis verwendet. Außerdem führt Alverde grundsätzlich keine Tierversuche durch, auch nicht für die Entwicklung von Produkten für Märkte außerhalb Europas.
Bei den Düften arbeitet Alverde mit neuen Extraktionsmethoden, die eine größere Bandbreite an natürlichen Duftstoffen verfügbar machen und so komplexere Kompositionen ermöglichen. Synthetische Duftstoffe können in großen Mengen und somit kostengünstiger produziert werden, beim Anbau natürlicher Duftstoffe entscheidet die Natur mit über die Erträge einer Ernte – und zwei Chargen eines Rohstoffs
sind nie identisch. Letzteres beschreibt Alverde als eine Herausforderung für die ParfumeurInnen, allerdings eine lohnende, denn: »Synthetische Duftstoffe erreichen in ihrer Duftentwicklung keinesfalls die Fülle und Tiefe natürlicher Duftstoffe.« Die beiden Duftwelten – die natürliche und die synthetische – seien unvergleichbar und ebenso auch die jeweiligen Entwicklungsmöglichkeiten. Die Forschung hat in den vergangenen Jahren die Vielfalt natürlicher Duftstoffe kontinuierlich erweitert – und so können, heißt es von Alverde, inzwischen nahezu alle Duft-Richtungen natürlich hergestellt werden. Im Sortiment sind derzeit drei Naturdüfte verfügbar, alles Eau de Parfums: Der Duft »Wunderwelt« wartet mit Lavendel, Orange, Zimt sowie Patchouli, Sandelholz und Zedernholz auf. In die Kategorie blumig bzw. holzig fällt »Tagtraum«: Geranie und Rose treffen auf Zedernholz, Schwertlilie und Maiglöckchen. »Sonnenseite« ist ebenso würzig durch die Kopfnote (Ingwer und Rosa Pfeffer), mit der Herznote (Orangenblüte, Orchidee und Frangipani) entwickelt sich der Duft blumig. BARBARA FOHRINGER dm.de/alverde
BILD ALVERDE
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„VISIONS“ zeigt NORAH JONES in Bestform, sanft rockend und groovend, mit zwölf Songs über eine neu empfundene spirituelle Freiheit. Man kann das Album als das Yang zum Yin von „Pick Me Up Off The Floor“ betrachten, Jones‘ letztem Studio-Album mit eigenen Songs, das zu Beginn des Corona-
LANG LANG
SAINT-SAËNS ’ Karneval der Tiere , sowie sein virtuoses Klavierkonzert Nr. 2, eingespielt mit einer Starbesetzung: dem Gewandhausorchester und Andris Nelsons. Für Lang Lang ist dieses Konzert ein wahres romantisches Meisterwerk, das es mit den berühmten Klavierkonzerten von Rachmaninoff oder Liszt aufnehmen kann.
ÄTHERISCHE ÖLE IN BIOQUALITÄT ESSENZ DER NATUR
In den Düften von Feeling stecken wertvolle Extrakte der Natur.
Das Unternehmen Feeling mit Sitz in Satteins (Vorarlberg) ist seit über 30 Jahren am Markt tätig und hat sich auf ätherische Öle spezialisiert, aber auch daraus entwickelte Parfums ergänzen das Sortiment: »Wir haben früh schon den Bedarf gesehen und bieten sowohl Naturparfums auf Basis von Alkohol und Hydrolat an, aber auch praktische Roll-ons auf Basis von Jojoba«, begründet man das bei Feeling. Hydrolate entstehen bei der Gewinnung von ätherischen Ölen durch Wasserdampfdestillation und wurden früher auch Pflanzenwässer, Blütenwässer oder Aromatische Wässer genannt. Die Feeling-Parfums setzten sich aus naturreinen ätherischen Bioölen, Hydrolaten sowie Bioalkohol zusammen und sind biozertifiziert. Das gilt jedoch nicht für das gesamte Sortiment von Feeling: »Wir sind ein biozertifizierter Betrieb, führen Bioöle aber auch Öle aus konventionellem Anbau«, heißt es dort. Die Düfte jedenfalls werden, wie alle Bioprodukte im Sortiment von Feeling, von der Kontrollstelle »Austria Bio Garantie« zertifiziert. Unter jenen Düften im Sortiment, die biozertifiziert sind, sind das Naturparfum-Roll-on Rose und auch das »Love«-Naturparfum besonders gefragt, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. BARBARA FOHRINGER feeling.at
BILD BUEROMAGMA
BIORAMA 89 NATURAL SENSE
NORAH JONES
PFLANZENKRAFT
VON DER ALM AUF DIE HAUT
Die Speick-Pflanze wird auch für die Düfte der gleichnamigen Marke verwendet.
Sie wird maximal 15 Zentimeter hoch, hat gelbe Blüten und einen würzigen Duft: Die Speick-Pflanze, die fast nur mehr im Biosphärenpark Nockberge (Kärnten) zu finden ist – und in den meisten Produkten bei Speick. Zuerst wurden Seifen hergestellt, mittlerweile beinhaltet das Sortiment etwa Gesichts-, Haar- und Sonnenpflege, aber auch: Naturparfums. Das Eau de Cologne von Speick Natural Aktiv ist nach Cosmos-Standard zertifizierte Naturkosmetik, das laut Hersteller besonders stark nachgefragte Speick Men Eau de Toilette mit Lemongras-, Petitgrain- und Patchouliöl ist allerdings nicht zertifiziert. Auf Nachfrage, was die Zertifizierung für die Duftherstellung bedeutet, erfährt man bei Speick: »Bei den Duftstoffen, die in zertifizierten Naturkosmetik-Düften vorkommen, handelt es sich um natürliche ätherische Öle,
die direkt aus den Pflanzen gewonnen werden.« Zum Vergleich: Bei konventionellen Düften kommen auch naturidentische Duftstoffe zum Einsatz, die synthetisch erzeugt werden und den Vorbildern aus der Natur möglichst gleichen sollen, oder es werden synthetische Duftstoffe verwendet, die keine natürlichen Vorbilder imitieren sollen. Als Vorteil natürlicher Düfte nennt Speick beispielsweise, »dass sie auf bestimmte gesundheitskritische Inhaltsstoffe, wie beispielsweise Phtalate, verzichten«. Das Unternehmen hat einige Duft-Klassiker im Sortiment, etwa das unisex »Eau de Cologne« aus dem Bereich »Speick Natural Aktiv« mit Orangenöl, Amyrisöl und Lavandinöl. BARBARA FOHRINGER speick.de
BILD PHILIP KOTTLORZ
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ÜBER NACHT
TEXT
Irina Zelewitz
BILD
Wer schön einschläft, wacht vielleicht noch schöner auf. Mit diesen Produkten rechne ich mir Chancen aus.
3 3
apeiron Pflanzenölseife
Wildrose & Mandel
Die Hauptbestandteile Kokos- und Mandelöl werden durch Rosenöl und Biosheabutter ergänzt, so überfettet empfiehlt sie der der Hersteller nicht nur zur Reinigung trockener Haut, sondern auch zur Pflege trockener Haarspitzen. Cosmos-natural-zertifziert. Vegan gefertigt in Niedersachsen apeiron.care
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Santé Toner
Skin Protection
Weicher Toner für trockene, sensible Haut, soll mit Bio-Aloe, Biomandel und Probiotika die Hautbarriere stärken. Nach Natrue-Standard zertifizierte Naturkosmetik. Hergestellt in Deutschland. Vegan. sante.de
ringana
Cleansing
Water
Fresh
Verdient sowohl das Adjektiv cremig, erfrischend als auch die Einordnung als »Wasser« – u. a. dank der Hauptbestandteile Bioaloe und Biokirschwasser – und Wasser. Wie immer bei Ringana: Alle Inhaltsstoffe werden auf der ablösbaren Banderole mit ihrer Funktion in der Formulierung erklärt. Nach Cosmos-organic-Standard zertifizierte Biokosmetik aus der Steiermark. Vegan. ringana.com
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Patricia Enigl
BILD BIORAMA / PATRICIA ENIGL
BIORAMA 89 MARKTPLATZ KOSMETIK
Jungheit Nachtcreme
unisex Rose & unisex Zitronenverbene
Ehrliches System: Bei Jungheit ist der Großteil der Zutaten der Produkte eines Typs gleich – angeboten wir jedes dann in drei puristischen unisex-Duftvarianten. So auch bei der Nachtcreme auf Marillenkernölbasis für alle Hauttypen. Vegane Biokosmetik mit Austria-Bio-Garantie, hergestellt in Niederösterreich. jungheit.com
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i+m Midnight Miracle
Sleeping Cream
Dicker Patz mit arger Farbe (Blau) und ungewöhnlichem Duft (Vanille und mehr) möchte man schon sagen, bevor man die samtige Textur zwischen den Fingern spürt und die Hinweise zum Mixen & Matchen des Herstellers liest. Pur als Maske anwenden – oder zur klassischen Feuchtigkeitspflege mit Fluid verdünnen lauten da Vorschläge. Pur dann zur intensiven Nachtpflege. Nach dem Cosmos-Standard zertifizierte, vegane Naturkosmetik. Hergestellt in Berlin und Brandenburg. iplusm.berlin
bluvion
Face Oil night
Luxuriöser Ölcocktail aus Mandel, Jojoba, Argan, Wildrose und Sanddorn – ätherisch beduftet durch Zitrusfurchtnoten, Benzoe, Rosengeranie und Rosenholz. Zieht schnell ein und hinterlässt ein seidiges Gefühl. Nach Austria-Bio-Garantie zertifizierte Biokosmetik aus Vorarlberg. Vegan. bluvion.com
Primavera Handcreme
Rose und Mandarine
Biomandelöl, Bio-Cupuacu-Butter und Biomacadamianussöl– wie der Rest der »Alles Liebe«-Linie von Primavera fruchtig ätherisch beduftet mit einem Mix aus Orange, Mandarine, Vanille und dem bei Primavera (zu Recht) besonders beliebten Neroli – soll insgesamt stimmungshebend duften. Naturkosmetik nach Natrue-Standard. Made in Germany. primaveralife.com
Weleda Augenpflege
Granatapfel und Maca-Peptide
Einer der Klassiker im Weleda-Sortiment (Granatapfel-Linie) wurde um Maca-Peptide ergänzt und dabei auch gleich aus der Alu- in eine Kunststofftube gepackt. Das Ergebnis: Unkomplizierte, effektive Augenpflege – vernünftigerweise duftfrei – vom Hersteller empfohlen ab 40, aber wer Augencreme verwendet … Nach Natrue-Standard zertifiziert hergestellt in Deutschland. weleda.com
4 8 8 6
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Intutitiv und einfach zu nutzen: der Weenect-Hundetracker. Getestet wurde die »White Edition«.
WHERE’S WALDI?
GPS-Tracker fürs Halsband sind praktisch, wenn leinenlose Vierbeiner verloren gehen. Einziger Nachteil des getesteten französischen Modells: Seine Nutzung erfordert ein Abo.
Den Weenact-Tracker gibt’s nicht nur für Hunde, sondern etwa auch für Katzen weenect.com
Das Anwendungsgebiet scheint ebenso grenzenlos wie die prinzipielle Reichweite des GPS-Trackers, den Testhund Penny, eine dreijährige Save-Bracke, für längere Spaziergänge am Brustgeschirr trägt. Die Handhabe ist einfach: Man lädt die App des Herstellers Weenect aufs Handy, tippt den Code des Trackers ein, registriert sich und wählt ein Abomodell; man bindet sich also entweder für drei Monate, ein ganzes Jahr oder
gleich für drei Jahre. Das kostet 30, 70 oder 150 Euro.
BEFESTIGUNG AM BRUSTGESCHIRR
Da der hochwertige Tracker mit seinen Silkonhüllen zur Befestigung nicht für das Kettenhalsband geeignet ist, mit dem Hundehalterin Isabell Ritter ihren Familienhund sonst im Alltag ausführt, kommt der Weenect-Tracker im Testzeitraum nur bei längeren Spaziergängen
TEXT Vorname Nachname
BILD ISABELL RITTER
TEXT Thomas Weber
46 BIORAMA 89 HAUSTIER
»Bewusst muss einem sein: Neben Handy, Smartwatch und anderen Geräten hat man mit einem GPS-Tracker noch ein Teil zu Hause, das regelmäßig aufgeladen werden will.«
— Isabell Ritter, Hundehalterin
oder Wanderungen zum Einsatz – eben am Brustgeschirr befestigt. Für die mehrmals täglichen Gassirunden wäre es schlicht zu aufwendig und unpraktisch, den Hund jedes Mal, wenn die Natur ruft, ins Geschirr schlüpfen zu lassen.
VIBRATION UND HALSBANDLAMPE
Ist der Tracker ständig am Tier befestigt, ist es vermutlich leichter, sich an seine regelmäßige Nutzung zu gewöhnen. »Bewusst muss einem sein: Neben Handy, Smartwatch und anderen Geräten hat man mit einem GPS-Tracker noch ein Teil zu Hause, das regelmäßig aufgeladen werden will«, sagt Isabell Ritter. Sie empfiehlt deshalb, Routinen einzuhalten.
»Da der Tracker sonst garantiert genau dann leer ist, wenn man ihn nutzen will.« Bei ununterbrochenem Tracking hält der fix verbaute, wasserfeste Akku laut dem französischen Hersteller drei Tage. Bewegt sich das Tier in der Wlan-Zone, hält eine Akkuladung angeblich auch bis zu zehn Tage. Ausgereizt haben Penny und ihre Familie beides nicht.
Genutzt wurden die Aufzeichnungen vor allem, um im Anschluss an gemeinsame Touren die (vom Hund) zurückgelegte Strecke sehr genau am Handy oder auf der Smartwatch nachverfolgen zu können. Das macht ebenso Spaß, wie die Möglichkeit im Dunkeln via App eine Halsbandlampe einschalten zu können. Durch Vibrationen lässt sich der Hund auch konditionieren. Derlei Übungen erfordern allerdings Muße, Regelmäßigkeit und Konsequenz. Theoretisch lassen sich so auch virtuelle Zäune errichten, die vom Hund (oder der Katze, denn es gibt auch eine Katzenversion) als unsichtbare Barriere akzeptiert werden. Ein mehrmonatiger Mindestnutzungszeitraum scheint also durchaus sinnvoll –eben um Routinen entwickeln zu können und die Möglichkeiten wirklich spielerisch zu erproben. Trotzdem bedauert Isabell Ritter, dass Weenect nicht auch ein einmonatiges Urlaubsabo anbietet. Das wäre für ihre bevorzugte Anwendung nämlich besonders praktisch: »Gerade im Urlaub und in ungewohnter Umgebung ist es besonders unangenehm, wenn der Hund plötzlich weg ist.« Und mit dem Weenect-Tracker lässt sich der verloren gegangene Vierbeiner in Echtzeit mit dem Handy aufstöbern.
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MILCHGESCHICHTEN
Scheinbar wird jedes Jahr eine neue Milchalternative erfunden. Die meisten davon gibt es aber schon seit Hunderten Jahren.
Hafer, Mandel, Cashew, Reis, Soja, Erbsen, Kokos, Dinkel, Hirse. Aus diesen und noch vielen anderen Pflanzen kann Milch gewonnen werden. Was heute aus einem Tetrapak aus dem Supermarkt bezogen wird, findet sich bereits ab dem 14. Jahrhundert in ägyptischen Kochanleitungen. Während Soja-, Reis- und Mandelmilch auf eine lange Geschichte zurückblicken können, zählen Hafer-, Dinkel-, Hirse- und Erbsenmilch zu den Neuentwicklungen der Milchalternativen.
AM ANFANG WAR DIE SOJAMILCH
Aus Sojamilch können nicht nur Tofu oder die Würzpaste Miso gewonnen werden. In süßer
oder salziger Form findet man Sojamilch in China ganz selbstverständlich auch auf dem Frühstückstisch zum Löffeln. Wie weit genau die Geschichte der Sojamilch im asiatischen Raum zurückreicht, lässt sich nicht genau sagen.
In Europa wurde die Sojamilch erst Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Aufbau der Soyama Werke ab dem Jahr 1913 in Frankfurt am Main industriell produziert. Während der folgenden Kriegsjahre wurde auf Soja als günstigere Milchalternative in Zeiten der Nahrungsmittelknappheit zurückgegriffen. Später hat vor allem die Verwaltung des Dritten Reiches auf Sojamilch sowie andere Produkte aus Soja für die
In China gehört salzige Sojamilch auf den Frühstückstisch. Gewürzt wird sie mit Sojasauce, Ölen, Essig, Senfstängeln und Frühlingszwiebeln.
BILD ISTOCK.COM / JENIFOTO
TEXT Conny Allum
49 BIORAMA 89 PFLANZENMILCH
Das Kochbuch «Wiener Soja-Küche» wurde Ende 1947 veröffentlicht. Durch die Beigabe von Soja sollten klassische Gerichte an Nährwert gewinnen und geschmackvoller werden.
Versorgung von Bevölkerung als auch Militär gesetzt. Auch nach dem zweiten Weltkrieg sorgte Lebensmittelknapp heit dafür, dass Soja – vor allem als Milch oder Mehl – einen Platz in den europäischen Küchen, insbesondere der österreichischen, bekam: In Österreich etwa wurden in Gerichten der klassischen »Wiener Küche« tierische Zutaten dadurch ersetzt, was als Wiener Soja-Küche bekannt wurde.
Dauerhaft etablieren konnte sich die Sojaküche allerdings damals noch nicht – sie wurde als Notlösung wahrgenommen und wieder durch tierische Produkte ersetzt, sobald diese ausreichend verfügbar waren. In den USA allerdings wuchs indes das Interesse an Sojamilch ab den 1950er-Jahren an. Während sie bis in die 1970er-Jahre vorwiegend als ein Ersatzprodukt für Laktoseintoleranz, Diabetes oder Mitglieder der Kirche der Siebten-Tags-Adventisten vermarktet wurde, führten eine Verbesserung des Geschmacks der industriellen Produkte und vegetarische Kochbücher wie «Diet for a Small Planet» zu einer Steigerung der Bekanntheit. Mitte der 1990er-Jahre wurde eine Studie des Forschungsteams Anderson, Johnstone und Cook-Newell veröffentlicht, welche die Vorteile von Sojaproteinen im Vergleich zu tierischen Proteinen aufzeigte. Die Publikation führte zu einem erneuten Beliebtheitsanstieg der Soja milch, sodass sie daraufhin weltweit auch aufgrund gesundheitlicher Aspekte konsumiert wurde.
SCHMALZGELD ODER MANDEL!
Das älteste überlieferte Rezept für Mandelmilch stammt aus einem ägyptischen Kochbuch
des 14. Jahrhunderts und dürfte schon einige Jahrzehnte später auch im europäischen Raum bekannt gewesen sein. Durch die strengen Fastenrichtlinien der weite Teile Europas dominierenden katholischen Kirche wurde Mandelmilch bis ins 20. Jahrhundert als willkommene Alternative zu den ver botenen tierischen Milch produkten genutzt. Sowohl für reine Milch, als auch für Käse oder ein Gemisch mit Wein sind klösterliche Kochanleitungen erhalten geblieben. Gläubige, die dennoch Milchprodukte verzehren wollten, konnten in so genannten Butterbriefen um Ausnahmen ansuchen und eine Bußezahlung (Schmalzgeld) leisten. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Mandelmilch zu einem erfrischenden Sommergetränk, welches gerne bei Tee- und Tanzgesellschaften in Mittel- und Westeuropa gereicht wurde. Zunächst wurde Mandelmilch noch händisch für den Eigenbedarf produziert, doch die industriell gefertigten Produkte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts boten sowohl besseren Geschmack als auch eine längere Haltbarkeit. Der Historiker Uwe Spiekermann weist in seinem Blog über die Geschichte der Mandelmilch auch auf eine weitere Verwendung als Milchersatz für Säuglinge im 19. Jahrhundert hin. Die von dem Mediziner Heinrich Lahmann eingeführte vegetabile Milch für Säuglinge sollte vor allem als Muttermilchersatz dienen und dadurch der hohen Kindersterblichkeitsrate von bis zu 40% im deutschsprachigen Raum entgegenwirken. Weiters wurde
50 BIORAMA 89 PFLANZENMILCH
die Milch ebenso zu medizinischen Zwecken bei der Behandlung von Kranken genutzt. Während der Weltkriege wurde Mandelmilch ähnlich wie Sojamilch als Alternative in Zeiten der Lebensmittelknappheit und Krankheit herangezogen. Nach den Kriegsjahren verlor Mandelmilch zwar an Beliebtheit, konnte aber weiterhin im Reformhaus erworben werden. Erst ab den 2000er-Jahren stieg die Popularität von Mandelmilch wieder an, nachdem Studien aus den USA über die gesundheitlichen Vorteile der Milch veröffentlicht wurden.
EINE LÜCKE IM GEDÄCHTNIS
Wie Sojamilch stammt auch die Reismilch aus dem geografischen Raum um China. Allerdings finden sich kaum Aufzeichnungen über die Nutzung oder die Her stellung dieser, sodass der Beginn der Produktion von Reismilch nicht genau bestimmt werden kann. Im Westen konnte Reismilch zunächst in den USA Fuß fassen. Die ersten Rezepte in englischer Sprache für die Herstellung zu Hause finden sich in Kochbüchern ab Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1921 wurde die erste Fabrik für Reismilch durch das Unternehmen Vita Rice in San Francisco eröffnet. Das Produkt konnte jedoch nur in kleinen Mengen produziert und gelagert werden. Erst in den 1990er-Jahren kam sowohl in den USA als auch in Europa der industrielle Auf-
KERNSAFT
Auch aus Obstkernen kann Milch gewonnen werden. Das österreichische Unternehmen Kern Tec aus Krems an der Donau stellt weltweit die ersten industriell gefertigten Produkte aus übergebliebenen Steinobstkernen her. Bisher ist noch keine Obstkernmilch in Bioqualität erhältlich.
schwung für Reismilch. Mit 1991 wurde in Europa der erste Reisdrink namens »Rev’Riz« auf den Markt gebracht.
HEIMATLAND SCHWEDEN
Zusammen mit Dinkel- und Hirsemilch wurde die Hafermilch in den 1990er-Jahren in den europäischen Alternativmilchmarkt eingeführt. Entwickelt wurde diese von dem schwedischen Lebensmittelforscher Rickard Öste. Zusammen mit seinem wissenschaftlichen Kollegen Skanska Lantmänne gründete er das Unternehmen Oatly, das sich auf die Produktion von Hafermilch spezialisierte. Die Beliebtheit des Produkts stieg ab den 2010er-Jahren, heute wird von keiner anderen Pflanzenmilch in der EU mehr verkauft wie ein Bericht des Smart-Protein-Projektes 2021 aufzeigte.
DIE NEUE AUS DER SCHOTE
Erbsenmilch ist der Neuzugang unter den pflanzlichen Milchsorten. In den 2010er-Jahren vom amerikanischen Unternehmen Ripple entwickelt, wird sie aus gelben Erbsen produziert. Heute werden auch schon europäisch angebaute und produzierte Alternativen in Bioqualität wie zum Beispiel der Marke Alnatura angeboten. Die Erbse zeichnet sich neben anderen Milcharten vor allem durch die Verträglichkeit für Nuss- oder Gluten-AllergikerInnen aus.
Ob aus Obstkernen, Lupinen oder Roggen, das Interesse der KonsumentInnen in der EU an den pflanzlichen Milchalternativen ist vorhanden und entsprechend dieser wird die Suche der ProduzentInnen nach «neuen» Entwicklungen und Rezepturen fortgesetzt.
Empfehlenswert für mehr Information zur Geschichte der Mandelmilch: der Blog des Historikers Uwe Spiekermann. uwe-spiekermann.com
Gezählt
Die Drogeriekette Dm bietet 63 Pflanzendrinks im österreichischen Sortiment an.
BILD ISTOCK.COM /CHENGYUZHENG,
ANILAKKUS, ITHINKSKY, ANSONSAW, PICTUREPARTNERS, FUATKOSE
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CREMIG, WINTERWEISS UND NUSSIG
Pflanzliche Joghurts sind relativ neu.
Jürgen Schmücking
Soja, Nüsse, Mandeln, Kokos. Pflanzen, aus deren »Milch« sich kinderleicht cremig-saurer Joghurt fermentieren lässt, gibt es jede Menge. Auch in Super- und
Biomarkt-Regalen wird das Angebot immer größer. Worauf ist zu achten? Und ist die Herstellung in der eigenen Küche tatsächlich keine Hexerei?
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52 BIORAMA 89 RUMKOSTEN
Beginnen wir mit einer kleinen Geschichte, die – zumindest auf den ersten Blick – mit pflanzlichen Joghurts wenig zu tun zu haben scheint. Michael Kerschbaumer ist ein Kärntner Milchbauer und Käser. Seine Sennerei, die »Kaslab’n Nockberge« verarbeitet Biomilch (Kuh, Schaf und Ziege) von Kärntner BiolandwirtInnen zu Butter und Käse. Mittlerweile in stattlicher Menge. Er schreibt gerade ein Buch. Aber nicht etwa über Käse, Kühe oder Milch. Über Tofu. Und einer der wesentlichen Gründe, warum er über Tofu schreibt, ist, dass er zwischen den Ernährungsphilosophien einen Graben verlaufen sieht, den er überwinden möchte. »Den Konflikt heilen«, wie er es in seinen eigenen Worten nennt. Gemeint ist der Graben zwischen jenen, die der Umwelt und/oder den Tieren oder etwa der eigenen Gesundheit zuliebe auf Milch und Milchprodukte verzichten und jenen, für die das kategorisch gar nicht erst in Frage kommt. Kerschbaumer will weg von der Sichtweise, dass es sich bei Tofu (mancherorts als »Bohnenkas« vermarktet) um ein Ersatzprodukt handelt. Er will weg vom Entweder-oder hin zur Ansicht, dass beides seine Geschichte und seine Berechtigung hat. Es sind andere Ideen, andere Produkte, andere Geschmäcker, andere Konsistenzen, andere Rezepte, die daraus entstehen. Pflanzliche Joghurts müssen nicht notwendigerweise als Alternative zum Kuh- oder Schafmilchjoghurt gesehen werden. Sie schmecken ganz anders –und fühlen sich ganz anders an. Aber der Vergleich bringt uns nicht weiter. Vielmehr die Tatsache, dass sie Möglichkeiten eröffnen. Der Strauß an Farben, Formen, Geschmäckern und möglichen Rezepten wird größer. Es lebe die Vielfalt.
DIE WURZELN
Genug philosophiert. Worum geht es? Zugegeben, neu sind pflanzliche Joghurts nur im Ver-
gleich zu ihrem historischen Vorgänger. Die Wurzeln des Joghurts auf pflanzlicher Basis liegen klar erst in jenem Wandel der Ernährungsgewohnheiten, der durch gezielten Verzicht auf tierische Produkte angetrieben wird. Diese Feststellung ist wesentlich, weil es auch bedeutet, dass es eine relativ junge Geschichte ist. Oder anders gesagt, Joghurts auf Milchbasis gehören, wie Sauermilchprodukte generell, zu den ältesten Nahrungsmitteln, die wir kennen. Irgendwann, vermutlich zufällig, sind wir draufgekommen, dass Milch sauer werden kann, dann anders schmeckt und noch dazu länger haltbar ist. Das Wort Joghurt hat seine Wurzeln im Türkischen, wo es, Yoğurt, nichts anderes heißt als ›vergorene Milch‹. Das bedeutet aber auch, dass es in vielen Ländern und Kulturen auch verschiedene Formen des Joghurts gibt. Kefir im Kaukasus, Skyr in Island, Dugh in Persien, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Daraus resultieren auch unzählige Gerichte und Rezepte, die Teil kulinarischer Kulturen wurden. Denken wir nur an Griechenland und sein Tsatsiki.
Soja rules!
77,6 % aller (befragten) KonsumentInnen in Deutschland bevorzugen Soja als Basis beim Pflanzenjoghurt. Gefolgt von Kokos (41 %). Reis, Hanf und Dinkel sind weit abgeschlagen.
Das Wort Joghurt hat seine Wurzeln im Türkischen, wo es, Yoğurt, nichts anderes heißt als ›vergorene Milch‹.
Dann, ein paar tausend Jahre später, kam die Erkenntnis, dass Konsum von Milch- und Milchprodukten und Tierwohl zumindest im heute üblichen Ausmaß nicht unter einen Hut zu bringen sind. Womit die Suche nach Alternativen begann.
Die Idee dahinter ist simpel: Was Kuhmilch sauer macht, macht auch Sojamilch sauer. Soja ist hier nun deshalb als Beispiel angeführt, weil vom Soja alles ausging. Die erste marktfähige Pflanzenmilch war Sojamilch. Auch wenn sie derzeit nicht als »Milch« vermarktet werden
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SELFMADE
Last not least ein kleiner Tipp, wie man selbst Hand anlegt. Denn das ist alles andere als eine Hexerei. Die einfachste Variante dabei: eine Pflanzenmilch eigener Wahl nehmen. Soja, Hafer oder Mandel eignen sich dabei am besten. Auf 42–45 Grad erwärmen. Hier bitte präzise arbeiten und auf alle Fälle ein Thermometer verwenden.
Bakterienkulturen (sind im Handel erhältlich) einrühren und die Mischung bei Raumtemperatur stehen und die Bakterien ihre Arbeit machen lassen.
Danach zwei Stunden Kühlschrank oder im Winter auf den Balkon. Fertig. Müsli, Beeren, Granola, Marillenmarmelade. Natur. Mahlzeit!
darf: Analog zur Milch wird die Pflanzenmilch zu pflanzlichem Joghurt verarbeitet. Auch der muss im Handel dann anders heißen – es darf weder im Hofladen, noch im Supermarkt »Joghurt« draufstehen.
Mithilfe probiotischer Bakterienstämme jedenfalls wird pflanzliche Milch fermentiert. Die Bakterien wandeln den verfügbaren Zucker in Milchsäure um, und die wiederum ist für zwei sensorische Eigenschaften verantwortlich: das Säuerliche und das Cremige. Achtung bei der Cremigkeit.
Die beiden am häufigsten verwendeten Bakterienstämme arbeiten ziemlich stichfest. Das heißt, durch die Fermentation mit Lactobacillus bulgaricus oder Streptococcus thermophilus entsteht stichfester Joghurt. Um hier mehr Cremigkeit zu erreichen, wird oft Tapioka- oder Reisstärke und auch Pektin als Stabilisator dazugegeben. Die Zutatenliste gibt entsprechend Auskunft. Achtung auch beim Zucker. Sojamilch enthält von Natur aus weniger Zucker als Kuhmilch. Manchmal wird das mit Agavendicksaft oder Rohrzucker kompensiert. Wenn eines von beiden zugesetzt ist, muss es allerdings auf der Verpackung ausgewiesen werden.
DIE PRÄGUNG
Aus sensorischer Sicht sind pflanzliche Joghurts hochgradig spannend. Aber Achtung. Der Geschmack ist ein heikler Genosse, geprägt von frühkindlichen Erfahrungen und vor allem ein Gewohnheitstier. Wer erinnert sich nicht an das köstlich süß-säuerliche »Fru Fru«,
für das es verschiedene Strategien des Genusses gab. Schütteln, Umrühren, das Joghurt löffeln, bis man unten bei der Marmelade ist. Bei pflanzlichen Joghurts müssen wir umlernen: Nichts erinnert uns an das, was wir als Joghurt kennen. Sie sind viel dichter, viel nussiger, viel voluminöser. Meist sind sie auch eine Spur dunkler als milchbasierter Joghurt. Dafür aber weicher im Abgang und insofern zum Beispiel die perfekte Wahl, wenn man das eingangs erwähnte Tsatsiki machen will.
BRONZE FÜR JOGHURT
Auf dem europäischen Markt für pflanzenbasierte Produkte belegt veganer Joghurt mit einem Marktvolumen von 200 Millionen Euro den dritten Rang nach Milch- und Fleischersatzprodukten.
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Tiroler Bio-Bergkäse
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Das Beste vom Berg
Aus der Tiroler Bio-Heumilch entstehen in 10 Tiroler Sennereien variantenreiche Käsespezialitäten. Bergkäse ist der Klassiker in unserem Tiroler Bio-Sortiment. Etwa zehn Liter Bio-Heumilch brauchen die Senner für die Herstellung von einem Kilo Käse. Dieser Hartkäse ist der ideale Begleiter auf Bergtouren. Für den Tiroler Ursprung bürgt das Gütesiegel „Qualität Tirol“.
biovomberg.at
NUDELN MIT TOMATENSAUCE
– und dann ein Eis!
Die in Italien lebende Iranerin Sanhar Setareh hat in ihrem ersten Kochbuch traumhaft bebilderte Geschichten vom Essen und Kochen aufgeschrieben – auf eine Art, die dafür sorgt, dass einem wieder einfällt, worum es beim Kochen geht. Vieles ist iranisch-ita-
lienische Fusion, aber es fehlt nicht an iranischen Klassikern. Bonus: Wer traut sich schon, in einem Kochbuch explizit von Migration von Menschen und Zutaten (statt von »Vielfalt« oder »Buntheit …) zu schreiben? Eine Wohltat. Und ein so schöner Beitrag zur Vielfalt.
BILD SAGHAR SETAREH, ARS VIVENDI
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MITTERNACHTSSPAGHETTI MIT KNOBLAUCH, CHILI & OLIVENÖL
AJO, OJO E PEPERONCINO
Eine Wohngemeinschaft mit StudentInnen oder frischgebackenen AbsolventInnen um die Zwanzig hinterlässt bleibende Erinnerungen fürs ganze Leben. Sicher gab es Unstimmigkeiten, etwa, wer mit dem Putzen dran war, oder über die Stromrechnung. Aber es gab viel zu lachen und einfache Antworten auf die meisten Fragen des Lebens, und nicht selten gehörten Alkohol und Essen dazu. Egal, ob man eine Prüfung gut bestanden hatte oder durchgefallen war, ob jemand eine nette ragazza kennengelernt oder ein ragazzo nicht anrief, Feiern wie Trösten begann mit billigem Bier, gefolgt von etwas Stärkerem, gelegentlichem Abtanzen und manchmal wurde einfach nur gekocht.
In Italien tragen junge Leute ihre Gefühle nach draußen auf ein Bier und zum Tanzen. Im Iran, einem kulturell introvertierten und politisch durch die Tyrannei geknebelten Land, feierten wir drinnen. Vielleicht nicht so oft wie die Menschen in Italien, aber eindeutig ausgelassener. Nach der Party gingen wir zuweilen raus, auf der Suche nach einem nächtlichen Sandwich oder, wenn wir uns besonders verwegen fühlten, einem frühmorgendlichen kalleh pacheh. Wenn man in Italien in den frühen Morgenstunden etwas beschwipst und hungrig vom Feiern nach Hause kommt, steht vielen oft der Sinn nach einer spaghettata con aglio, olio e peperoncino – eine schnelle, billige und einfache Spaghettimahlzeit, meist nur mit Knoblauch, Olivenöl und Chilischoten zubereitet, aber unwiderstehlich lecker.
Das ursprünglich aus Neapel stammende Pastagericht ist in ganz Italien ein Renner, weil es so einfach und schnell geht und weil auch Ältere damit Erinnerungen an einen großen Topf Pasta um drei Uhr morgens verbinden. Als ich einmal in Mailand war, rührte ein Neapolitaner witzigerweise eine andere spaghettata zusammen, mit Sardellen, Knoblauch und Walnusskernen, und erklärte, so würden es dort die StudentInnen in der Nacht essen.
Bei dem hier vorgestellten Rezept, für das nur Knoblauch, Chili und große Mengen Olivenöl verwendet werden, könnte man meinen, es müsse doch etwas fehlen – aber probieren Sie es aus, dann werden Sie überzeugt sein. Im neapolitanischen Dialekt hieß das Gericht früher ver-
micelli con le vongole fujute – Vermicelli mit »entlaufenen Venusmuscheln«. Sicher, alles, was man braucht, um aus aglio, olio e peperoncino echte spaghetti alle vongole zu machen, ist ein Glas Wein und natürlich die Muscheln. (In Neapel enthält die aktuelle Version von Spaghetti mit entlaufenen Venusmuscheln auch Tomaten –noch ein Schritt weiter weg von aglio, olio e peperoncino, ein Gericht, das immer »weiß« ist.)
Ich mag es besonders gern in der Variante mit Semmelbröseln, die dem Ganzen eine wunderbar sandige Textur verleihen, angeblich ein sizilianischer Einfluss. Als Gericht der »extrem armen« Küche wird dafür nicht einmal Käse verwendet – vor allem ist er für den Geschmack gar nicht nötig. (Ich versuche gerade, Ihnen diplomatisch nahezulegen, dieses Gericht wirklich niemals mit Käse anzurichten.)
Nächtliche Spaghetti mit »entlaufenen Muscheln« sind die perfekte Mahlzeit für gute und weniger gute Nächte, für jeden Anlass – geprägt durch die intensiven Aromen von Knoblauch und peperoncino.
ZUTATEN FÜR 4–6 PORTIONEN
• Salz
• 500 g Spaghetti
• 125 ml hochwertiges Olivenöl
• 3 Knoblauchzehen, fein gehackt
ZUBEREITUNG
• 1/4–1/2 TL Chiliflocken oder 1 rote Chilischote, fein gehackt mit Samen
• 50 g Semmelbrösel
»GRANATAPFEL UND ARTISCHOCKE«, von Sanhar Setareh. Ars Vivendi, 2023.
In einem großen Topf reichlich Wasser zum Kochen bringen und kräftig salzen. Die Spaghetti hineingeben. Sie sollen hier sehr al dente garen, nur die Hälfte der auf der Packung angegebenen Zeit.
Also hat man etwa 5 Minuten Zeit, um das Öl mit dem Knoblauch und der Chilischote in einen großen (aber nicht unbedingt sehr hohen) Topf zu geben (den Herd aber noch nicht anschalten, es geht vorerst nur darum, dass sich Öl und Gewürze vermengen).
In der Zwischenzeit die Semmelbrösel in einer kleinen Pfanne 1–2 Minuten duftend rösten, bis sie leicht gebräunt sind. Dann in eine kleine Schüssel geben.
Nun die Kochplatte für den Topf mit Öl, Chili und Knoblauch auf eine mittlere bis niedrige Stufe stellen. Der
57 REZEPTE AUS:
BILD SAGHAR SETAREH, ARS VIVENDI 58 BIORAMA 89 KOCHBUCHEMPFEHLUNG
Knoblauch sollte nicht verbrennen, denn sonst bekommt er einen unangenehmen Nachgeschmack, der das Gericht verdirbt.
Nach zwei Dritteln der Kochzeit vom Kochwasser 750–1000 ml abschöpfen. Die Spaghetti abgießen und sofort in den Topf mit dem Öl, jetzt auf hoher Stufe, geben und gut umrühren. 250 ml Kochwasser zugeben und etwa 4–5 Minuten weiterrühren, dann nach und nach das übrige Kochwasser angießen, bis sich im Topf eine sämige Sauce gebildet hat, die so noch zu flüssig zum Servieren wäre –aber sie zieht weiter durch, nachdem man den Topf vom Herd genommen hat.
Die Hälfte der gerösteten Semmelbrösel untermischen. Die Spaghetti rasch auf Teller verteilen, Semmelbrösel darüberstreuen, mit etwas Olivenöl beträufeln und sofort servieren. Kein Käse!
SCHNELLES IRANISCHES EIS
BASTANI SONNATI
Ich liebe Kochen, aber ich bin auch eine große Verfechterin der Bequemlichkeit in der Küche. Manchmal mache ich mir die Mühe, etwas so Zeitaufwendiges wie das sartù (Mehr dazu im Buch, Anm.) zuzubereiten, aber manchmal möchte ich einfach nur ein Verlangen stillen, ohne dass ich dafür lange in der Küche stehe.
Im Iran lieben wir nicht nur unser traditionelles Speiseeis, bastani sonnati. Ich war sogar einmal verrückt nach einem amerikanischen Eis, Baskin-Robbins, es tauchte auf mysteriöse Weise im Iran auf, trotz jahrzehntelanger Handelssanktionen. (Ebenso rätselhaft ist, wie wir die neuesten iPhones bekommen, bevor es sie in Europa gibt, während wir gleichzeitig als Teil dieser Wirtschaftssanktionen im Iran keine Kreditkarten benutzen können.)
Das traditionelle bastani sonnati ist ein Genuss. Es unterscheidet sich durch seine kompaktere Konsistenz von normalem Eis, da keine Eier enthalten sind. Die Hauptzutat ist sahlep, ein Mehl aus Orchideenwurzeln. Es ist auch wie Mastix, ein Baumharz, in bakdash booza enthalten, dem berühmten Eis aus Damaskus, das auch sehr zähflüssig ist. Bastani sonnati wird oft zwischen zwei hauchdünnen Waffeln serviert, wie ein Sandwich, und enthält Stücke von gefrorenem Mascarpone.
Das folgende Rezept ist gleichzeitig eine Ode an die Faulheit und an die Raffinesse in der Küche. Es handelt sich nicht um das traditionelle Rezept, denn dies hier ist bastani sonnati ohne Orchideenwurzeln, ohne Baumharz und
ohne kräftiges Rühren. Das »Geheimnis« liegt, wie bei vielen anderen iranischen Süßigkeiten, in der Verwendung von Rosenwasser, Safran und Pistazien. Einfach, blumig und eindrucksvoll.
ZUTATEN FÜR 4–6 PORTIONEN
• 500 g Sahne- oder Vanilleeis
• 12 Kardamomkapseln (oder 1 TL gemahlener Kardamom)
• 1 winzige Prise Zucker
• 3 EL Safran-Aufguss (Mit Zucker gemörserte Safranfäden, die für 10 min zugedeckt in heißem (Rosen-)Wasser ziehen dürfen; eine Anleitung dazu findet sich im Buch, Anm.)
ZUBEREITUNG
• 2 EL Rosenwasser
• 1 große Handvoll Pistazienkerne,
• grob gemahlene DamaszenerRosenblütenblätter zum Garnieren (optional)
Das Eis 10 Minuten bei Zimmertemperatur antauen lassen. Kardamomkapseln in einen Mörser geben und aufbrechen, um die Samen herauszulösen. Kapseln wegwerfen (oder Tee damit aromatisieren) und die Samen mit dem Zucker zu Pulver zerstoßen. (Diesen Schritt überspringen, wenn Sie gemahlenen Kardamom verwenden – aber abgesehen davon, dass Sie ein intensiver duftendes Kardamompulver erhalten, gibt Ihnen dieser Schritt auch das Gefühl, einen Teil dieses köstlichen Desserts selbst gemacht zu haben.)
Den Safran-Aufguss zubereiten, aber nur ein Drittel des angegebenen Wassers verwenden und stattdessen mit Rosenwasser verdünnen. Mit dem Kardamompulver vermengen.
Das Eis in eine große Schüssel füllen (die Packung aufbewahren) und mit einem Gummispatel auflockern. Eine dünne Schicht Eiscreme auf dem Boden der Eispackung verteilen. Die Schicht muss nicht perfekt sein. Mit einem Teelöffel große Tropfen der Safranmischung darüberträufeln, dann Pistazien daraufstreuen. Den Vorgang wiederholen, bis die Eisschale mit dem persischen Eis gefüllt ist.
Zugedeckt für 4–5 Stunden in den Gefrierschrank stellen.
Für einen Wow-Effekt servieren Sie das Eis in bunten Gläsern mit getrockneten Rosenblättern als Dekoration.
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NEU ODER NOCH GUT
Empfehlungen, Warnungen, warnende Empfehlungen. Von Neuentdeckungen und alten Perlen. Auf dass uns weghören und -sehen vergeht.
VALESA SCHELL / »KASTENBROTE«/ Ulmer, 2022.
Nachgelesen für alle, die von mehrstufigen Rezepten vom Brotbacken abgeschreckt werden.
Brot-Backen kann schnell zur Wissenschaft werden. Zu Mehl, Wasser und Salz gesellen sich dann Vorteige, Poolish, Stockgare und Simperl. Wer es unkomplizierter möchte, sollte einen Blick in »Kastenbrote« werfen. Valesa Schell – bekannt für ihren Blog »Brotbackliebe … und mehr« – hat das erste deutschsprachige Buch veröffentlicht, das sich ganz dieser Methode widmet.
»TOUR DE RAD.«/ Gestalten und Stefan Amato, 2022.
Nachgelesen für jene, die nur noch einen Anstoß brauchen, um sich zu trauen, loszuradeln
Wer interessiert ist, aus dem kleinen Radausflug einmal was Größeres zu machen – dem könnte »Tour de Rad. Unterwegs auf den legendären Bikepackingrouten der Welt.« den entscheidenen Schubser geben.
Geschrieben von Weltenbummlern zeigt es, wie unterschiedlich man Radreisen gestalten kann – nicht nur auf dem Rennrad, sondern auch auf dem Mountain- oder Gravelbike, mit Zelt oder doch im Wellnesshotel? Man bekommt immer wieder Werkzeugefür den Umgang mit geografischen, klimatischen oder topografischen Umständen in die Hand – mit Kind, allein, als Gruppe – welche technischen Unterstützungen helfen. Für ein Coffee Table Book recht sinnvoll gegliedert, verfügt es über ein Glossar und auch über eine Packliste – die durch die enthaltenen Regenübersocken bis zur Kamera daran erinnern, dass so eine Reise durchaus vorbereitet sein will.
ARMIN WINKLER
Die Kastenform ermöglicht, Teige in derselben Struktur zu backen, in der man sie Gehen lässt. Das ist gerade für Backneulinge ein Vorteil, da es größere Unsicherheiten in der Teigführung verzeiht. In den 60 Rezepten findet sich aber auch Anspruchsvolles, wobei konsequent auf einen niedrigen Hefeanteil und eine lange Teigruhe (die hilfreich nach Raumtemperatur aufgelistet ist) geachtet wird. Der einzige Wermutstropfen ist die Küchenmaschine, die die Autorin zum Nachbacken voraussetzt. Wer eine solche nicht besitzt, dürfte mit »No Knead Brote – Unkompliziert Backen ohne Kneten. Wenig Hefe. lange Teigführung.« (2022), das ebenfalls bei Ulmer erschienen ist, besser beraten sein.
Die Herausforderung liegt in der Aufgabe, mit knappen Texten zu jeder Route differenzierte Eindrücke zu vermitteln. Manchmal steht die Landschaft, manchmal stehen Land, Kultur und Leute im Vordergrund, die Routen
BILD ULMER, GESTALTEN, CAMPUS
60 BIORAMA 89 REZENSIONEN
werden vor allem geografisch beschrieben. Um Genaueres über eine Route zu erfahren, besorgt man sich woanders Detailinformationen.
Auch wer nicht durch das Eis den Annapurna umradeln will, wird in diesem Buch Ideen finden, denn es zeigt, wie viele Möglichkeiten des Radreisens es prinzipiell gibt und bietet eine wirklich breit gefächerte Auswahl an Routen. Die »legendären« sind diese wohl vor allem in den Augen der AutorInnen – manche haben sie sogar erst selbst definiert. Von 27 Routen sind 9 in Kontinentaleuropa – das ist aus Sicht europäischer LeserInnen schwach vertreten (ein bisschen Toskana, ein bisschen Frankreich). »Tour de Rad« gibt einen Anstoß und Überblick – für Leute, die das Rad als Werkzeug schätzen, um sich Orte zu erschließen und/oder die in Punkto Euround CO2-Budget flexibel genug sind, um zu Radfahren auch mal nach Alaska oder Neuseeland zu fliegen. NIKOLAUS ZELEWITZ
BETTINA STEINBRUGGER / »BLOODY BUSINESS«/ Campus, 2023.
Nachgelesen für alle, die eine nahbare Erzählung einer geradezu notwendigen Unternehmensgründung verfolgen wollen.
Durch die ausführliche, im groben chronologisch aufgebaute Geschichte dieses »Bloody Business« ziehen sich drei Ebenen: erstens die des Weges zur Unternehmensgründung mit dem allzu braven Namen »Erdbeerwoche« auf Basis eines gemeinsamen Hobbyinteresses – und dessen Weiterentwicklung durch hartnäckige Frauen mit Selbstbewusstsein, Gespür, Netzwerktalent – und einer Menge Arbeit. Zweitens eine der persönlichen Gedanken, Zweifel und Erfolge von Autorin Bettina Steinbrugger und ihrer Kogründerin und lang-
lassedeine www.sonnentor.com Entdecke Rezepte, Wissen und inspirierendeGeschichten. Natürlich hat Weiblichkeit viele Facetten. Hör auf deinen Körper und seine wechselnden Bedürfnisse. Entdecke die Kraft der Kräuter und wachse über dich hinaus. Denn die Natur hat die besten Rezepte für deinen selbstbestimmten Lebensweg.
Inspiriende Ideen, nachhaltige Lösungen –die Messe der Zukunft!
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jährigen Geschäftspartnerin Annemarie Harant auf diesem Weg. Und drittens die der Sache, um die es den beiden GründerInnen schon ging, lange bevor sie auf die Idee gekommen sind, unternehmerisch tätig zu werden: eine allgemeine Ahnungslosigkeit und Tabuisierung rund ums Thema Menstruation. Zum Beispiel, dass Tampons (und andere Frauenhygieneprodukte) üblicherweise Plastik enthalten und das kaum jemand weiß, obwohl damit erhebliche gesundheitliche Risiken und ökologische Probleme verbunden sind. Dass in den vergangenen Jahren endlich erstes Problembewusstsein entstanden und das Angebot an nachhaltigen Altrnativen gewachsen ist, ist zweifelsfrei auch diesem Unternehmen zu verdanken, das als Single-Issue-Informationswebsite entstanden ist und sich von da aus zum Webshop, zum Beratungsunternehmen und zur digitalen Lernplattform rund um Zyklus und Menstruation für Jugendliche und PädagogInnen entwicklet hat. Zwischen allzu vielen Wortspielen mit »rot« und »blutig« gibt das bietet das Buch vor allem jenen, die selbst über Unternehmensgründung nachdenken, wertvollen Einblick. Ein inspirierendes Buch, das Mut macht, Ideen auch umzusetzen – ohne den damit verbundenen steinigen Weg auszusparen.
IRINA
ZELEWITZ
4.0«/ Alexander Verlag, 2024.
Vorgelesen für alle, die sich ausführlich mit der absurd großen Rolle, die das Auto inzwischen eingenommen hat, auseinandersetzen wollen.
Herman Knoflacher ist einer der bekanntesten und versiertesten Kritiker der Dominanz, die das Automobil seit vielen Jahrzehnten in unserem Leben und vor allem in der Gestaltung unserer Umwelt einnimmt. Er studierte Bauingenieur-, Vermessungswesen und Mathemathik an der TU Wien,
KNOFLACHER / »VIRUS AUTO
hatHERMANN
BILD ALEXANDER VERLAG, SZOLNAY BIORAMA 89 REZENSIONEN
MÄRZ 2024
UHR BIS 21 UHR
16
MÄRZ 2024
UHR BIS 21 UHR ÖGB-CATAMARAN 1020 WIEN, JOHANN-BÖHM-PLATZ 1 U2 DONAUMARINA solidar.global/fairmarkt Internationales Referat International Department EINTRITT FREI!
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MARTIN MÜHL
te dort seit 1975 eine Professur und war seit 1985 Vorstand des Instituts für Verkehrsplanung- und Technik. Seine Kritik am Auto bzw. unserem Umgang mit diesem formuliert er seit mehr als fünf Jahrzehnten, 1975 präsentierte er sein »Gehzeug«, einen Holzrahmen in der Größe eines Autos, den er mit sich herumtrug, um mit seiner Irritation humorvoll die Dimensionen von Autos vor Augen zu führen. Nun erschien sein vielleicht bekanntestes Buch »Virus Auto« – 2009 erstmals mit dem Untertitel »Geschichte einer Zerstörung« veröffentlicht – in überarbeiteter Fassung, mit Vorworten von Maria Vassilakou und Helga Kromp-Kolb. Knapp gehaltene Abschnitte, zusammengefasst zu acht Kapiteln auf ingesamt 400 Seiten in leicht süffisanter, jedenfalls aber humorvoller Sprache, lassen zwischendurch vergessen, dass seine Ausführungen nicht nur historisch akkurat sind, sondern auch auf wohlüberlegten, aber nicht immer ganz einfache Gedankengängen basieren. Er erzählt eine große Geschichte von Fehlentscheidungen und Entwicklungen im Sinne des Autoverkehrs und macht einen Ausflug in die Biologie, in dem er ausführlich beschreibt, wie sich seiner Meinung nach das Auto in unsere Biologie und Gehirne eingeschrieben hat. Eben wie ein Virus. Und im letzten Viertel des Buches beschäftigt er sich mit – bisher gescheiterten – Versuchen eines Auswegs. Etwas kurz geraten sind dann seine praktischen Ideen für eine Veränderung – aber nach der Lektüre des Buches fällt es auch ein wenig schwerer, zu verstehen, warum sie überhaupt so schwer zu erreichen sein soll.
GAEA SCHOETERS / »TROPHÄE«/ Zsolnay,
2024.
Vorgelesen für alle, die sich einer packenden Story über Artenschutz in Afrika, Jagd und den Wert eines Menschenleben ausliefern wollen.
Im ehrwürdigen Oxford English Dictionary wird man fündig. Es definiert den »Mindfuck« als eine verstörende oder aufschlussreiche Erfahrung, hervorgerufen vor allem durch Drogen oder durch vorsätzliche psychologische Manipulation. Klingt natürlich cool. Doch wir wollten erst sichergehen, ob wir dem flämischen Autor Dimitri Verhulst zustimmen können, der am Einband dieses außergewöhnlichen, sprachlich und emotional packenden, Romans zitiert wird – wo er den Bestseller seiner Landsfrau Gaea Schoeters als »ethischen Mindfuck« auslobt. Doch Verhulst hat keineswegs zu viel versprochen. Beides ist hier im Spiel. Drogen erst ganz gegen Ende hin und im weitesten Sinne, wenn die Hauptperson nach dem Stich eines Skorpions illuminiert und vor Schmerzen halluzinierend durch den afrikanischen Busch stolpert.
Und wir, die wir dem ausländischen Geschäftsmann und Großwildjäger Hunter White mit pochendem Herzen folgen, nicht mehr wissen, was da jetzt Wahrheit ist, was Wahn oder ob wir doch bloß seinem selbstdisziplinierten Transzendieren zwischen Überleben und Tod mitfiebern. Ja, der Name Hunter White klingt schablonenhaft. Der Roman bleibt das allerdings an keiner Stelle.
Seine Handlung ist verstörend, wendungs- und aufschlussreich. Allzu viel kann man trotzdem nicht verraten ohne damit gleich auch zu viel zu verraten. Nur so viel: Hunter White ist ein erfahrener Jäger, in seiner amerikanischen Heimat ebenso wie hier im afrikanischen Busch. Diesmal ist er auf die Jagdfarm seines Freundes gekommen, um die »Big Five« abzuhaken; um – gewissermaßen als Krönung eines Großwildjägerlebens – nach Löwen, Elefanten, Büffel und Leopard auch ein Nashorn zu erlegen. Alles legal, alles artenschutzkonform. Denn das ausgewählte Tier ist alt, hat seinen Beitrag zum Überleben der Art bereits geleistet.
Nun wurde es auserkoren, gegen Geld geschossen und zur Trophäe zu werden – was wiederum den Erhalt seines Lebensraums und damit seiner Art zugute kommt. Doch auch Wilderer haben es auf das Tier abgesehen … all das führt mitten ins pulsierende »Heart of Darkness«, mit zahlreichen Referenzen an Joseph Conrads klassische gleichnamige Erzählung. Ganz nebenbei erkennen wir beim Lesen nicht nur des Großwildjägers kolonialistischen Blick, sondern – Obacht, Unterstellung! – auch den der allermeisten LeserInnen.
Auch wenn es die Autorin schafft, den Reiz des Jagens nicht nur zu schildern, sondern zu vermitteln, wie das selten zuvor einmal gelungen ist, und obwohl Hunter White das ganze Buch über Sympathieträger bleibt, lässt uns Gaea Schoeters ohne jegliche moralische Wertung zurück. Was für ein wunderbarer Mindfuck THOMAS WEBER
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UND SONST SO, IM BIORAMAUNIVERSUM ...
OUT NOW!
BIORAMA BIOKÜCHE 2024
Das fünfte biorama-Bookazine für alle ÖsterreicherInnen, die Wert auf biologische Küche legen. Alles dreht sich um nachhaltige Lebensmittel und die Weiterentwicklung der Biolebensmittelszene – von innovativen ProduzentInnen und KonsumentInnen, den besten Biogastronomiebetrieben bis hin zu Rezepten und Küchentipps und Alltagshacks: dieses Mal – endlich – schwerpunktmäßig zur Pasta – in ihrer klassischen, köstlichen High-carb-Form, aber auch in neuen, kreativeren Varianten! Zu haben via biorama.eu/abo
BIORAMA IM ABO
Jährlich sechs Ausgaben direkt in deinen Briefkasten!
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biorama.eu/abo
OUT SOON!
Die dreizehnte BIORAMANiederösterreichRegionalausgabe
Niederösterreich umgibt die österreichische Bundeshauptstadt Wien, da liegt es uns besonders nahe, schwerpunktmäßig darüber zu berichten, was dort nachhaltig bewegt. In der nächsten Regionalausgabe schauen wir uns an, warum sich Menschen in ihrer Freizeit dorthin bewegen, was es zu sehen und unternehmen gibt – und wie die NiederösterreicherInnen damit umgehen, dass andere auf Besuch in ihre Ortschaften, aber vor allem in ihre Natur kommen.
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MAGAZIN MAGAZIN
64 BIORAMA 89 AUS DEM VERLAG
BIERJUBILÄUM
Happy Birthday, Baby!
Von 12.–13. April feiert das craft bier fest, einst Baby der Biorama GmbH – heute längst eigenständig und groß, seinen zehnten Geburtstag. Zu diesem famosen Zweck kommen in der Wiener Marx Halle internationale und österreichische Kreativbrauereien zusammen, dazu gibt’s (Ver-)Stärkung durch Food Trucks und gute Unterhaltung. Kommt vorbei zum Verkosten, Kennenlernen, Fachsimpeln und einfach, um gemeinsam Bier zu genießen! craftbierfest.at
Ulli
Ich denke ... es ist alles halb so wild, und was ich erzählen will, erzähle ich am liebsten über gute visuelle Gestaltung. Ich bin … Kultur-, Wald- und Musikfanatikerin. Manchmal gern in der Stadt, aber immer viel lieber am Land und da am besten in oder an einem Fluss.
– Ulrike Dorner, Grafik
Die vierte Hauptstadtausgabe kommt!
Im Juni 2024 erscheint wieder biorama Wien-Berlin. Das Heft, in dem wird uns die unterschiedlichen Antworten dieser beiden Städte auf die Bedürfnisse ihrer BewohnerInnen ansehen, drehen und wenden, um dann Unvergleichbares zu vergleichen. Denn: Wir lieben unsere Hauptstädte, wollen sie aber stets noch liebenswerter gestaltet wissen und dazu immer wieder neue gute Vorbilder suchen.
MAGAZIN
UPCOMING
03 IN DER STADT IST FÜR ALLE PLATZ Lorem ipsum dolor sit amet servis Lorem Ipsum: Lorem lorem lorem 08 Lorem Ipsum: Lorem lorem lorem 15 Lorem Ipsum: Lorem lorem lorem 37 AUSGABE XXXXXXX 2020 2020. WWW.BIORAMA.EU ÖSTERREICHAUSGABE 11Z038861 1040 WIEN KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR SPEZIALAUSGABE: WIEN–BERLIN BILD NINA KLIMENT
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MITFEIERN:
Marx Halle Wien 12 . & 13 . April 2024 CRAFTBIERFEST.AT ÜBER 300 BIERE & STREETFOOD EVENT 65
TEAM
KOLUMNE
Ursel Nendzig
DIE QUADRATUR DES SECHSECKS
Es heißt immer: Du kannst alles werden, was du willst. Klingt schön. Stimmt aber leider nicht.
Ich muss immer wieder an einen Videoclip denken, den ich irgendwo im Internet gesehen habe. Ein kleines Mädchen unterhält sich mit seiner Oma. Es geht darum, dass jede Körperform okay ist. Das Mädchen: »Gut, dann will ich ein Sechseck sein.« Die Oma lacht, aber die Kleine besteht darauf. Sehr süß, natürlich. Aber halt auch voll einen Punkt getroffen. Denn auch wenn es sich hart und gemein anhört: Man kann nicht alles werden.
Bei uns geht es gerade darum, welchen Zweig der große Sohn für die Oberstufe wählen soll. An dieser Stelle erspare ich uns allen das ganze »OMG wie schnell ist das bitte jetzt passiert?«, weil ja: OMG, es ist einfach sauschnell passiert. Aber kann man auch nichts mehr machen, jetzt stehen wir vor dieser Entscheidung. Eine Entscheidung, das muss man jetzt auch einmal ganz klar sagen, die noch überhaupt keine Endgültigkeit hat. Oberstufe oder Lehre oder Berufsbildende Schule – das hat noch überhaupt keinen Einfluss darauf, ob er später Philosoph, Förster oder Mechaniker wird. Trotzdem wird, allein schon durch diese intensive Beschäftigung mit seinen Stärken und Schwächen, Interessen und Desinteressen klar, dass sich nach und nach ein paar Türen schließen.
»Mit seinen vierzehn Jahren ist der große Sohn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr dazu in der Lage, Primoballerino zu werden.«
Denn am Anfang sind noch alle Türen offen und kleinen Kindern wird immer gesagt, sie können alles werden, was sie wollen. Mit jedem Jahr, das sie älter werden, wird aber auch klar, dass bestimmte Dinge davon ausgenommen sind, dass sich Türen schließen. Mit seinen vierzehn Jahren ist der große Sohn zum Beispiel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr dazu in der Lage, Primoballerino zu werden. So ehrlich muss man sein, vermut-
lich ist es sogar für eine Fußballerkarriere schon zu spät. Wie ich das sehe, ist seine Begabung für Naturwissenschaften auch so weit begrenzt, dass das leider nichts mehr wird mit dem Nobelpreis für Physik. Man tut den Kindern doch keinen Gefallen, wenn man sie im Glauben lässt, dass sie auf jeden Fall AstronautInnen werden können. Auch Feuerwehrmann muss man halt wirklich werden wollen und dabei sehr sportlich und keinesfalls höhenängstlich sein. Es ist niemandem damit geholfen, wenn man mit Mitte Zwanzig nach wie vor das Gefühl hat, alles werden zu können, von Florist bis Astrophysikerin.
»Du kannst alles werden« stimmt einfach nicht. Ich finde, so viel Ehrlichkeit haben sich meine Söhne verdient. Ich muss ihnen leider dabei helfen, die Auswahl der Berufswege einzugrenzen und sie auf ihre offensichtlichen Grenzen hinweisen. »Tut mir leid, aber das mit dem American-Football-Star ist für einen Hänfling wie dich, der sich nicht schinden möchte, einfach nix.« Nicht jeder von uns möchte das gerne hören. Der große Sohn hat jetzt beschlossen, Rockstar zu werden, »zur Not« Musikproduzent. Sechseck wär ein Witz dagegen.
ILLUSTRATION NANA MANDL
Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn.
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