special: bottom up!
die erdgespräche am 16. mai. 2013, hofburg wien
Der Jäger des verlorengehenden Schatzes: Die Doku »Chasing Ice« begleitet den Klimaaktivisten James Balog.
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programm Events der ERDgespräche-Woche
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Montag, 13. Mai, 19.30 Uhr De France Kino »A Fierce Green Fire« Der neue Film von Sundance-Gewinner Mark Kitchell handelt von der weltweit erstarkenden Umweltbewegung, von den Menschen dahinter und ihrem Bestreben, den Planeten, die Zukunft und oftmals ihre eigene Existenz zu schützen.
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Donnerstag, 16. Mai, 17.30 Uhr Wiener Hofburg, Eingang Josefsplatz ERDgespräche
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Freitag, 17. Mai, 10.00 Uhr Oekostrom AG, Mariahilferstraße 120 Workshop mit Polly Higgins
Dienstag, 14. Mai, 17.30 Uhr De France Kino »Just Do It« »Just Do It« erzählt Geschichten des englischen Umweltaktivismus der Gegenwart. Über den Lauf eines Jahres hat die Regisseurin Emily James verschiedene Aktivisten durch sämtliche Höhen und Tiefen begleitet.
anmeldung: www.erdgespraeche.net Eintritt: jeweils freie Spende!
Dienstag, 14. Mai, 19.30 Uhr De France Kino »In Transition 2.0« Diese so genannte Transition-Bewegung setzt den gegenwärtigen Krisen und dem »Peak Everything« Kreativität und Einfallsreichtum entgegen. Auf lokaler Ebene ergreifen sie Initiative und gestalten mit. MI
EICH ERR ÖST EMIERE PR
Burg Kino Mittwoch, 15. Mai, 20.30 Uhr »Chasing Ice« Der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilm zeigt die Arbeit von National Geographic-Fotograf James Balog in seiner Mission, den fortschreitenden Rückgang der Gletscher aufzuzeichnen. anmeldung: www.erdgespraeche.net Eintritt: jeweils freie Spende!
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Donnerstag, 16. Mai Wiener Hofburg ERDgespräche Programm 16.30–17.30 Uhr Empfang (nur mit VIP-Ticket) 17.00 Uhr Einlass (bitte um Anmeldung unter www.erdgespraeche.net) 17.30 Uhr Beginn
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WIENER HOFBURG EINGANG josefsplatz Weitere Infos unter www.erdgespraeche.net
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17.30–20.30 Uhr Vorträge — Polly Higgins — Tim Jackson — Bill McKibben — Alexander Egit — Harald Katzenschläger 20.30–23.30 Uhr Buffet und Networking
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Ökozid Polly Higgins – laut The Ecologist einer der zehn visionärsten Köpfe der Welt – kämpft für die Anerkennung ökologischer Massenzerstörung als fünftes Verbrechen gegen den Frieden.
Verbrechen gegen den Frieden: 1. Völkermord 2. Kriegsverbrechen 3. Verbrechen gegen die Menschlichkeit 4. Aggression 5. Ökozid (beantragt 2013)
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interview
Mirjam Bromundt
biorama: Wie kam es zu deinem Engagement als Umweltanwältin bzw. in weiterer Folge zum Ökozid-Gesetz? polly higgins: Ich vertrat einen Mann, der am Arbeitsplatz schwer verletzt wurde und während wir auf die Jury warteten, wurde mir klar, dass die Erde für die Verletzungen, die wir ihr zufügen, keine Anwältin hat. Für mich hat sie – genauso wie die Menschen – das Recht auf Leben und wir die Verpflichtung, dieses zu schützen. Ich kam an den Punkt, wo ich mich fragte, wie es sein kann, dass es absolut normal ist, mit massiver Umweltzerstörung Profit zu machen. Ich fand heraus, dass das Gesetz das Problem kreiert, indem Unternehmen von der Maxime »put profit first« geleitet werden und die Interessen der Shareholder an erster Stelle stehen. Da beschloss ich, mich statt mit Gesellschaftsrecht für die Klientin Erde zu einzusetzen. Was genau ist Ökozid und was will das Gesetz? Was ich zunächst nicht wusste, ist, dass es 1995 / 96 schon den ersten Versuch gab, Ökozid – neben Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Aggression – als fünftes Verbrechen gegen den Frieden anzuerkennen. Viele Länder, darunter auch Österreich, haben sich dafür stark gemacht. Es wurde in letzter Sekunde gestrichen. Mein Gesetzesvorschlag hebt den von damals auf eine andere Ebene, da sich das Bewusstsein gewandelt hat. Wir verstehen jetzt, dass wir für kommende Generationen verantwortlich sind und wenn wir die Erde zerstören, unweigerlich uns selbst zerstören. Ich habe Ökozid eine rechtsgültige Definition gegeben, die im Wesentlichen zwei Arten einschließt: Menschengemachter Ökozid, der weitgehend, aber nicht ausschließlich unternehmerischer Natur ist und es möglich macht, gegen Menschen und Organisationen vorzugehen, die in Positionen überdurchschnittlicher Verantwortung sitzen und aktiv am Ökozid beteiligt sind – ceo’s, Staatsoberhäupter, Bänker etc. Die zweite Art ist natürlich vorkommender Ökozid wie steigende Meeresspiegel oder Tsunamis, der die legislative Einbindung einer Verpflichtung zur Hilfe erfordert. Da haben wir mit dem UN-Treuhandrat bereits einen Mechanismus, der greifen könnte. Es fehlt lediglich die gesetzliche Auflage, auch helfen zu müssen – unabhängig davon, wie hoch die Kosten dafür sind. Warum ist gerade ein Gesetz die richtige Lösung, also eigentlich die Bestrafung und nicht Bewusstseinsbildung?
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Lupi Spuma / Elevate
Es geht nicht um Bestrafung, sondern um Berechenbarkeit. Wir müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, in der sich Unternehmende entscheiden können, ob sie umweltzerstörend arbeiten und ins Gefängnis gehen oder aber ihre Unternehmenspolitik ändern. Sie sollten die Konsequenzen kennen und danach wählen. Und ich bin keineswegs daran interessiert, Unternehmen zu schließen. Sie müssen vom Problem zur Lösung werden, indem es zum Beispiel für ein Energieunternehmen attraktiver ist, den Weg nachhaltiger Energie zu gehen, weil dort Profit zu machen ist und es dafür Subventionen der Regierung gibt. Menschliches Verhalten zu ändern ist zwar ein sehr starkes Tool, überlässt man solche Themen jedoch der Freiwilligkeit, dauert es rund 200 Jahre, bis sie im Mainstream verankert sind. Ein Gesetz hingegen kann ebenfalls unsere Normen verschieben, vor allem das Strafrecht unsere Ethik bzw. Werte beeinflussen, und Menschen sozusagen über Nacht ändern. Wie finanzierst du dein Projekt? Gerade jetzt sind wir zu dem Punkt gekommen, an dem uns kein Geld mehr zur Verfügung steht, mein Team oder mich zu bezahlen. Wir bekommen keine Unterstützung von Unternehmen oder Stiftungen und haben uns dazu entschieden, keine Förderanträge mehr zu stellen. Wir wollen uns bewusst dem institutionalisierten Missbrauch von Geldern entziehen und unsere freie Stimme behalten, die so oft von Geldgebern zum Schweigen gebracht wird. Ich habe vielversprechende Treffen mit Botschaftern oder Ministerpräsidenten, die hinter verschlossenen Türen sagen: »Das muss passieren!« Aber in der Öffentlichkeit haben alle Angst, dies zuzugeben. Deshalb wenden wir uns an die GrassrootsBewegung, an die Menschen, die uns unterstützenswert finden. Wir müssen alle zusammenhalten, mutig sein, aufstehen und sagen, was wir denken; no matter what. Das ist das, was ich tue – auch mit meinem Geld. Gibt es schon erste Resultate? Die Gründung der European Citizen Initiative ist eine großartige Gelegenheit. Über diese Plattform können Menschen mitentscheiden, welche Gesetze sie in Europa haben wollen. So wurde der Entwurf für eine »Ökozid-Richtlinie« – ein Rechtsakt – eingereicht, der von der Europäischen Kommission akzeptiert wurde und für dessen Thematisierung im Europäischen Parlament nur eine Million Stimmen notwendig sind. Dafür haben wir bis Jänner 2014 Zeit und man sieht: Es geht ganz klar um people power! Die Initiative wird natürlich ruhig
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Polly Higgins (hier 2012 beim Elevate Festival in Graz) hat nur eine Klientin: die Erde. gehalten – keine Regierung würde sie bewerben, denn kriminalisieren wir Ökozid in Europa, wird dies weltweite Auswirkungen haben. Europäische Unternehmen könnten dann auch auswärts ihr Geld nicht für umweltzerstörende Geschäfte ausgeben. Was ist seit deinem Besuch beim Elevate-Festival im vergangenen Jahr in Graz passiert, was dürfen wir für die Erdgespräche 2013 erwarten und wie geht es bei dir weiter? Das Elevate ist ein großartiges Beispiel für innovatives Denken und hat eine Menge Aktivitäten ausgelöst. Bei den Erdgesprächen 2013 werde ich wieder über den Ökozid sprechen und warum ich glaube, dass Österreich dabei eine Schlüsselrolle hat. Österreich ist interessant, weil es zu Genmanipulation oder Atomkraft Nein gesagt hat und sehr klar formuliert, was akzeptabel ist und was nicht. Im Vergleich mit anderen Ländern ist es auch weiter entwickelt, was ökologisches Engagement oder das Bewusstsein für die Verpflichtung zu helfen angeht. Im September werde ich den Arne Næss Chair for Global Justice and the Environment an der Universität Oslo antreten, wo ich eine ganze Generation junger Anwälte inspirieren werde, als Stimmen für die Erde zu fungieren. Da freue ich mich schon darauf!
Ökozid ist die erhebliche Beschädigung, Zerstörung oder der Verlust von Ökosystemen eines bestimmten Gebietes durch menschliches Handeln oder andere Ursachen in einem Ausmaß, welches die friedliche Nutzung des Gebietes durch seine Bewohner stark einschränkt oder einschränken wird.
www.eradicatingecocide.com www.oekozid.org Unterschriftenseite der Europäischen Bürgerinitiative: www.endecocide.eu
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Macht uns zu Augenzeugen des Klimawandels: James Balog.
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Die MÆr vom Ewigen Eis Es ist eine simple Idee und eine im Grunde alte Technik, doch sie erfordert robuste Hightech-Ausrüstung, Mittel und Geduld: 2007 bringt der Naturfotograf (National Geographic), Geologe und Abenteurer James Balog auf dem isländischen Sölheim Gletscher Kameras an. Im Fokus: das »Ewige Eis«. Mehrmals tägliche Aufnahmen sollen festhalten, ob und wie die Gletscher tatsächlich schwinden. Schon sechs Monate später, als er begleitet von Regisseur Jeff Orlowski nach Island zurückkehrt, um die Kameras zu kontrollieren und erste Daten auszuwerten, können Balog und seine Mitstreiter kaum glauben, sich nicht im Ort geirrt zu haben – derart drastisch hat sich das Landschaftsbild verändert. Im Zeitraffer aneinandergereiht zeigen die über mehrere Jahre gemachten Aufnahmen schließlich, dass der Gletscher binnen eines halben Jahrzehnts dahinschmilzt wie ein Stück Butter in der Bratpfanne. Balogs Idee, Veränderung sichtbar – und damit emotional fassbar – zu machen, geht voll auf. Einmal sogar in Echtzeit, als seine Mitarbeiter zufällig filmen, wie binnen Minuten ein Gletschermassiv von der Größe einer Kleinstadt vor ihren Augen implodiert. Aufnahmen wie diese sieht man sonst bloß, wenn sich Hollywood computeranimiert den Weltuntergang ausmalt. Balog war, das erzählt er zu Beginn des Films, selbst vor zehn, zwölf Jahren ein Zweifler, der sich kaum vorstellen konnte, dass die Menschheit einen Klimawandel herbeiführen und auf geologische Dimensionen einwirken könne. In Jeff Orlowskis Doku werden wir nicht nur punktuell Zeugen dieses »geologic scale change«. Insgesamt 23 Kameras haben James Balog und sein Team für ihr eis-Projekt (»Extreme Ice Survey«) in Island, Grönland, Alaska und Montana angebracht. Auch wenn der Titel »Chasing Ice« aufs Erste stark überzeichnet klingt: Letztlich wird die Jagd nach dem Eis Realität. An einer Stelle musste Balog seine Weitwinkelkamera viermal in Folge verrücken, um den Rückzug zu beobachten und den Gletscher weiter im Blick behalten zu können. Was wir neben gigantischen Schmelzwasserströmen, Cryoconite-Löchern (welche die Schneelandschaft wie Pockennarben überziehen) und eindrucksvollen Momentaufnahmen elementarster Naturlandschaft noch sehen und erzählt bekommen: das Porträt eines leidenschaftlichen Aktivisten und verantwortungsvollen Vaters, der sich nicht scheut, seine Gesundheit der Aufklärungsarbeit zu opfern. Es ist der vielleicht stärkste Moment dieses Films, wenn sich gegen Ende hin James Balog nach seiner dritten Knie-Operation mit Krücken einen Gletscher hinaufplagt. Einmal mehr mit dem Anspruch, sich selbst ein Bild zu machen und bewegende Bilder für die Welt einzufangen. Ab Mitte 2013 verfügbar: die Film-DVD, Flyer und Unterrichtsmaterialien www.chasingice.com — www.extremeicesurvey.org Im Rahmen der erdgespräche: Vorführung im Burg Kino Mittwoch, 15. Mai, 20.30 Uhr: »Chasing Ice« Burg Kino (Wien 1, Opernring 19); Eintritt gegen freie Spende Anmeldung: www.erdgespraeche.net
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text Thomas Weber bild James Balog
Naturfotograf James Balog dokumentiert, was Klima(wandel)Skeptiker anzweifeln: In Zeitraffer schmelzen die Gletscher Islands, Grönlands und Alaskas dahin wie Butter in der Pfanne.
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Engagement mit hand und hirn
ERDGESPRÄCHE LIVE-STREAM
aus der wiener hofburg unter www.erdgespraeche.net
das team
engagement mit hand und hirn
Angie Rattay kommt aus
Adam Pawloff kommt aus
Wien, studierte Grafikdesign an der Universität für Angewandte Kunst und leitet den Verein neongreen network und ihr eigenes GrafikdesignStudio Angieneering. Angie ist Gründerin und Executive Director der erdgespräche.
Großbritannien, hat Politikwissenschaft studiert und arbeitet ehrenamtlich bei neongreen network und am Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der Universität für Bodenkultur. Adam ist Managing Director der erdgespräche.
André Karsai kommt aus Judenburg, hat Kommunikationswissenschaften studiert und arbeitet als Event Manager weltweit bei Großveranstaltungen. Bei den erdgesprächen ist André für das Eventmanagement zuständig.
Saša Asanović kommt aus
Ulrich Einweg kommt aus Bay-
dem ehemaligen Jugoslawien, ist Produktentwickler, Erwachsenentrainer, Foodstylist und seit 1997 mit seiner catering:agentur selbstständig tätig. Bei den erdgesprächen ist Saša für die Koordination des Caterings zuständig.
ern, studierte Grafikdesign an der Universität für Angewandte Kunst und arbeitet in Wien als selbstständiger MotionGraphics-Designer. Bei den erdgesprächen ist Uli für die Technikkoordination zuständig.
sponsoren
veranstaltungspartner
E H U Q K D U G D Y Im Herzen von Wien
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D X G L R Y L V X D O V \ V W H P V
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