BIORAMA NIEDERÖSTERREICH 12

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BIORAMA NIEDERÖSTERREICH AUSGABE 12 — NOVEMBER 2023 WWW.BIORAMA.EU

DI E NIED ÖST E ERRR A U SG E I C H A BE #12

WAS UNS STARK MACHT Beim Essen kommen Leute und Einflüsse zusammen. Die Hauptsache: Wo wir was Gscheites zu essen bekommen. Der Capo: Verlässlicher Weizen für Jahre der Dürre. Dacapo: Die Ausgrabung eines prähistorischen Hirsotto-Rezepts.

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»Die Geschichte von Ruth Klüger. Wie ein kleines Mädchen mit Glück und Gedichten am Leben blieb.«

ERHÄLTL ICH UNT ER e d i t i o n. b io r ama .e u

Ruth Klügers beeindruckende Lebensgeschichte soll inspirieren. Kindgerecht aufbereitet, fundiert recherchiert und liebevoll illustriert und erzählt – als haptisches Erlebnis zum Immer-wieder-in-die-HandNehmen, zum gemeinsamen Lesen oder als Geschenk!

Bücher über Vorbilder, gute Beispiele und beeindruckende Persönlichkeiten.

Edition


B IO R A M A N Ö

E D I T O R I A L , IM P R ESSU M

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WIE FRÜHER, NUR BESSER

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o beim Reden die Leute zamkommen, ist oft ein Wirtshaus. Sein langsames Verschwinden aus vielen Orten ist seit Langem zu beobachten, der Grund dafür lautet: Es geht keiner mehr hin! Um den Erhalt des Wirtshauses sicherzustellen, vielleicht sogar wieder mehr seiner Art entstehen zu lassen, könnte man es attraktiver machen. Zum Beispiel durch den Einsatz regionaler Biolebensmittel, durch kreative Arten des Fleischverzichts, durch ein vielfältiges Angebot, durch Interesse an Küchen­traditionen und Nahrungsmitteln, durch anständige Arbeitsbedingungen. Wir haben uns umgeschaut und umgehört, was das Wirtshaus braucht, in dem sich viele Gäste wohlfühlen.

COVERBILD ISTO CK. COM/SAVA NY, ANTARE SNS , DO MIN DOMIN, HERMSDO RF, C REATIVESTO CKH UB

Gehen wir wiedermal gemeinsam was Gutes essen – um regionale Lebensmittel zu fördern, den regionalen Zusammenhalt zu stärken und unsere kulinarische Vielfalt zu bewahren! Wir wünschen gute Lektüre!

IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORINNEN Martin Mühl, Doris Müllner, Thomas Weber GESTALTUNG Patrizia Enigl, Nanna Kaiser LEKTORAT Barbara Ottawa ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG ­Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA NIEDERÖSTERREICH 2 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien. BLATTLINIE BIORAMA ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. BIORAMA erscheint sechs Mal im Jahr. Zusätzlich erscheinen wechselnde BIORAMA-Line-Extentions.

Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber


B IO R A M A N Ö

NÖ INHALT Editorial Bild der Ausgabe 08 Global Village 03

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Street Talk Wirtshauskultur Wirtshauskultur: Wie schaut ein Gasthaus aus, in dem die Leut zum Reden zamkommen?

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Ganz schön wild Ungekünstelt, gschmackig und mit hundertprozentiger Herkunftstransparenz. Ein Besuch im Wilden Wirtshaus.

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Die Weinbeisserei Naturweinheuriger im Kamptal

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Umtriebiger Botschafter Beim Floh in Langenlebarn gibt es Wirtshausklassiker und kreative Küche.

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Summ summ summ, Pferdchen lauf herum! Warum es Pferde unter freiem Himmel braucht, um Wacholder hochkommen und Wildbienen zurückkehren zu lassen.

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Das Biokistl und der Coach Portrait einer Veränderung

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Der Capo von Niederösterreich

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Knödel im Bauch Was sagt der Körper abwärts vom Gaumen zur Frage Kartoffel- oder Semmelknödel?

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36 DER CAPO VON NIEDERÖSTERREICH Welcher Weizen im immer trocker werdenden Osten des Landes angebaut wird – und Zukunft hat.

Kochbuchempfehlung Österreich Express

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Rezepttipp Parvin Razavis Bronzezeithirsotto

MARKTPLATZ 32

Marktplatz Naturkosmetik

KOLUMNEN 47 50

Aus dem Verlag Hintaus

ALT PERAU, SYLVIA WANZENBOE CK, BI ORAMA, MIC HAE L REI DI NGER, HU GER

Welcher Weizen im immer trocker werdenden Osten des Landes angebaut wird – und Zukunft hat.

BILD

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AU F TAKT


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22 GASTWIRTSCHAFT

Der Floh in Langenlebarn sagt nicht nur bio und regional, sondern kann es auch mit einem Betriebsbiozertifikat und einem Kilometerradius untermauern.

27 SUMM SUMM SUMM, PFERDCHEN LAUF HERUM!

Warum es Pferde unter freiem Himmel braucht, um Wacholder hochkommen und Wildbienen zurückkehren zu lassen.

34 DAS BIOKISTL UND DER COACH

Die vier Zoubek-Kinder übernahmen den Hof der Eltern. Wie man einen Familienbetrieb wie den Biohof Adamah gemeinsam führt.

32 MARKTPLATZ KOSMETIK

Fünf Produkt­e, die zur Gesichtspflege in Niederösterreich produziert werden.


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BI L D D E R AU SGA B E

BILD

MARTIN ZEL LHOFER

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VORÜBERGEHEND BILD: MARTIN ZELLHOFER

Es war ein Mal eine Gaststätte, nachdem die zugesperrt hatte, stand das Gebäude an der Bernsteinstraße in Jedenspeigen, wenige hundert Meter von der österreichisch-slowakischen Grenze, sechs Jahre lang frei, bis es zum Wohnhaus mit Altwarenhandel umgebaut wurde. Dieser ist derzeit geschlossen – zu wenige KundInnen kämen noch ins Geschäftslokal von Roman Jelinek. Geöffnet wird nur mehr punktuell für Versteigerungen oder nach Terminvereinbarung – vielleicht ist es auch nur vorübergehend und es wird wieder fixe Öffnungszeiten geben. Interessierte melden sich über die Website. IRINA ZELEWITZ altwaren-jelinek.at


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Du kaufst ein Abo. Wir geben dir Gründe. 1. Zum Mitreden. Dein Friseur fragt dich, ob du pro oder contra Gentechnik in der Landwirtschaft bist, und du hast keine Ahnung? Deine Eltern wollen wissen, warum du so viel Geld für ein gebrauchtes Fahrrad ausgibst wie sie damals für ihr erstes Auto? Du möchtest eine Freundin überzeugen, dass FairtradeProdukte mehr als gutes Marketing sind? Bei uns findest du die Argumente und Hintergrundinformationen, die dich so überzeugend machen, wie du immer schon sein wolltest. 2. Weil dich unbequeme Gedanken quälen. Du bist nicht allein! Auch wir ärgern uns über achtlose Mitmenschen, Umweltzerstörung, Ignoranz und Probleme, auf die wir noch keine Antwort kennen. Wir übernehmen den anstrengenden Teil für dich: hören uns um, fragen nach, recherchieren Antworten und Lösungen und fürchten uns nicht vor Widersprüchen.

3. Weil du anders bist. Wir sind es auch! Wir sind beim Thema bio nicht nur an Skandalen interessiert, sondern am größeren Ganzen. Nachhaltigkeit hört nicht bei Biohumus und Upcycling auf und ist für uns kein Themenbereich, sondern Anspruch und Perspektive auf alle Lebensbereiche. 4. Weil dein Alltag sehr kompliziert ist. Wir zeigen dir, wie du deine Essensreste geruchsfrei in der Wohnung kompostierst, wie du dein Fahrrad diebstahlssicher verstaust oder wie du günstig und mit kleinem Fußabdruck um die Welt reist. Kurz: Bei uns wird dir geholfen! 5. Weil du keine Ausgabe verpassen willst! Niemand möchte sich einen Zeitschriftensammler vorstellen, in dem auf die BIORAMA-Ausgabe 77 die BIORAMA-Ausgabe 79 folgt. 6 AU

SGABEN 25 EURO

MAGAZIN FÜR NACHHALTIGEN LEBENSSTIL. biorama.eu/abo

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BIO R A M A NÖ

G L O BAL VIL L AG E

WALDVIERTEL:

MOSTVIERTEL:

»Frau Ida« bietet einen Coworking-Space, in dem Frauen an erster Stelle stehen.

Mit einer E-Ladestation und einem Dorfladen erweckt die Sonnenladen GmbH einen Ortskern zum Leben.

»Frau Ida«, die Zwettler Standortmarke des Vereins Waldviertler Frauenwirtschaft stellt unternehmerisch tätigen Frauen einen Co-Working-Space inklusive Serviceleistungen wie Coachings zur Verfügung. Ziele dabei sind, berufliche Weiterentwicklung sowie Vernetzung von Frauen zu erleichtern. Der 2018 konzipierte Betriebsstandort »Frau Ida« richtete sich ursprünglich an Unternehmerinnen. Durch die Covid-19-Pandemie wurde aber klar, dass auch für Angestellte im Home-Office öffentliche Arbeitsräume fehlten, weswegen das Angebot nach dem Grundsatz »women first« erweitert wurde. Vereinbarkeit von Beruf und Familie für selbstständige Frauen ist für das Vereinsteam seit der Gründung zentrales Thema. Weibliche Erwerbsarbeit zuhause neben der Kinderbetreuung würde oft gar nicht als Unternehmerinnentum wahrgenommen. Mit dem Ziel, Frauen die Teilnahme am Arbeitsmarkt zu erleichtern, gründeten sie 2015 die Kleinkindertagesbetreuungseinrichtung »Apfelbäumchen« – zuvor gab es keine solche Stätte im Bezirk. »Frau Ida« kooperiert auch mit Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder und SeniorInnen und will so zu passenden Betreuungsangeboten verhelfen. Die Waldviertler Frauenwirtschaft hat den Trigos-Preis 2023 für verantwortungsvolles Wirtschaften in der Kategorie »regionale Wertschaffung« gewonnen. HANNA STUMMER frau-ida.at

Eine eigene Photovoltaik-Anlage am Dach, die Strom in den Keller schleust, der jederzeit aus mehreren ElektroLadestationen bezogen werden kann, außerdem ein Dorf­ laden mit Lounge zum Verweilen – mit diesen Erneuerungen revitalisierte die Sonnenladen GmbH in St.-Pantaleon-Erla ein leerstehendes ehemaliges Lagerhaus. Sie versuchte somit in ländlichen Gegenden häufig auftretende Probleme, wie fehlende Nahversorgung, Leerstand und fehlende Infrastruktur für E-Mobilität, anzugehen und belebte damit den Ortskern. Zusätzlich schuf sie mit dem Verein »Emil – Elektromobilität im ländlichen Raum«, mit dem das bestehende öffentliche Verkehrsangebot ergänzt und Elektromobilität beworben werden soll, auch ein Angebot für Personen, die über kein eigenes Auto verfügen oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Für diese Beiträge zu nachhaltigem Zusatznutzen wurde das Projekt bereits mehrfach ausgezeichnet. 2020 wurde es von dem Gemeinde Dienstleistungsverband (gda) zum Energietrend-Sieger 2020 gekürt, 2023 folgte nun die zweite Auszeichnung mit dem Trigos Regionalpreis für Niederösterreich. Die Sonnenladen GmbH konnte den Preis in der Kategorie »regionale Wertschaffung« mit nach Hause nehmen. HANNA STUMMER sonnenladen.eu

BILD STEPHAN HUGER, IST OCK.CO M/3 500 7

WOMEN AT WORK

SONNE TANKEN


GL O BAL VIL L AG E

BADEN:

BADEN:

Restlküche mit Sojasprossen.

Baden wird für seine nachhaltige Grünflächengestaltung ausgezeichnet.

Ob Meal-Prep oder Restlverwertung – Mahlzeiten vorkochen erspart oft Zeit und eventuell noch wichtiger: Nerven. Morgens vor dem Büro oder dem Schultag der Kinder noch eine gesunde, vollwertige Mahlzeit zu kochen schaffen die wenigsten von uns, den Kühlschrank nach Überbleibseln vom Vortag zu durchsuchen wohl eher. Besonders für Kinder- und Jugendliche im Wachstum ist eine gesunde Jause für die Gehirnentwicklung und Lernleistung unerlässlich – aber auch, um dem gefürchteten Nachmittagstief im Büro entgegenzusteuern. Dabei muss es keineswegs langweilig zugehen, Basis-Zutaten wie vollwertige Kohlehydrate können mit Protein- und Eisenlieferanten wie Tofu und Gemüse versehen und Biosprossen aufgewertet werden. Das niederösterreichische Familienunternehmen Evergreen produziert seit 1985 Biosprossen und mittlerweile auch Biotofu aus taiwanesischem Familienrezept in Oeynhausen und beschäftigt dort rund 30 MitarbeiterInnen. Martin Chu leitet Evergreen gemeinsam mit seinem Vater Ming-Shin Chu. Er war es, der auf der Suche nach frischen Sprossen für sein Chinarestaurant die Idee für eine eigene Produktionsstätte in die Tat umsetzte. Die Sojabohnen für alle Produkte kommen aus Österreich. Trotz seiner langen Anbaugeschichte hierzulande scheint Soja immer noch nicht ganz in den hiesigen Küchen angekommen. Auf ihrer Website finden sich einfache Rezepte und Anleitungen für gesunde, aber abwechslungsreiche Jause und Snacks. Dort gibt es beispielsweise Tofu-Wraps, Frühlingsrollen mit Gemüseresten aber auch Experimentelles wie Tofu-Smoothies mit Kakao und Nüssen. HANNA STUMMER evergreen.at/rezepte

Die Stadtgemeinde Baden wurde zum Gewinner des Euro­ pean Award for Ecological Gardening in der Kategorie »Klima­fitte kommunale Grünflächen« auserkoren. Die 72 Einreichungen aus zehn europäischen Ländern traten in drei Kategorien gegeneinander an, die beiden anderen Gewinnerprojekte kamen aus Kortrijk in Belgien und Berlin. Allen Preiskategorien lag die Idee des ökologischen Gärtnerns zugrunde, gesucht wurden nachhaltige und innovative Konzepte mit Vorbildcharakter. Wichtig war, dass die Projekte naturnah gestaltet und ökologisch gepflegt wurden und darüber hinaus soziale und wirtschaftliche Aspekte einblenden. Die Siegerprojekte wurden von einer internationalen Fachjury gekürt und erhielten bei der SiegerInnenehrung am 13. 10. in Innsbruck unter anderem ein Preisgeld von 1000 Euro. Das seit 2019 konzipierte Projekt »Gartenstadt Baden – Ökologie trifft Welterbe« verbesserte das Stadtklima durch die Umgestaltung von Grünflächen im Umfang von 10.000m2 auf ausgedehnte Staudenbeete im Straßenraum, artenreiche Blumenwiesen, Trockenrasen und Baumunterpflanzungen, welche wichtige Lebensräume für Insekten und Vögel bieten. Zudem wurde im Kurpark eine neue Oberflächenentwässerung nach dem Schwammstadtprinzip eingeführt, wodurch Stadtbäume im Stadtraum überleben können, da ihr Wurzelraum unter befestigten Flächen liegt. Die Stadt setzt seit 2019 ein gezieltes Regenwassermanagement um, betont Bürgermeister Stefan Szirucsek. HANNA STUMMER baden.at

DIE GARTENSTADT BLÜHT AUF

ADRIAN ALMAS AN, ISTOCK.CO M/SURFI, S O NNENTO R, GRÜ NE SO NNE

BADENER JAUSE

BILD

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ZWETTL:

AN DER MAUER AUF DER LAUER In Zwettl liegt es sich demnächst loftig locker an der Stadtmauer. Der Biotee- und Gewürzhändler Johannes Gutmann hat in Zwettl, wenige Kilometer vom Sonnentor-Hauptquartier (und von der dazugehörenden Erlebniswelt), ein Gründerzeithaus aus dem 13./14. Jahrhundert an der alten Stadtmauer gekauft (siehe oben, vorher), liebevoll saniert und darin fünf Ferien­ wohnungen eingerichtet (siehe unten, nachher). Samt kleinem gemeinsamen Garten und Aussichtssteg von der Mauer aus über Zwettl. Die Wohnungen sind zwischen 23 und 79 Quadratmeter groß und bieten Platz für eine bis sieben Personen. Wer nicht urlauben kann, kann in den Lofts auch allein oder gemeinsam arbeiten – Gemeinschaftsküche und Seminarraum liefern die nötige Infrastruktur. Buchbar werden die Ferienwohnungen erst für 2024 sein, Genaueres wollte Sonnentor noch nicht verraten. Fotos vom Baustellenfortschritt von dokumentarischem wie künstlerischem Wert und Details zur Verfügbarkeit – man kann sich sogar für einen Newsletter für Updates zu den Lofts eintragen – gibts auf IRINA ZELEWITZ sonnentor.com/stadt-loft

WALDVIERTEL:

KLIMASCHUTZ INS LICHT RÜCKEN Grüne Sonne unterstützt mit dem Verkauf von grünem Strom regionale Umweltprojekte. Ungenutzte Waldviertler Dächer auf landwirtschaftlichen Betrieben oder Firmengelände bekommen endlich eine neue Aufgabe. Das Anfang 2023 gegründete Unternehmen Grüne Sonne pachtet leerstehende Dach- und Industrieflächen im ländlichen Raum und will damit einen Beitrag zur Energiewende leisten. Mit finanzieller Unterstützung von Unternehmen, die zur Erreichung der Klimaziele beitragen wollen, installiert Grüne Sonne auf den geeigneten Dächern Photovoltaik­anlagen, schließt sie an das Stromnetz an und kümmert sich um die Wartung und Instandhaltung. Nach dem Ablauf der Vertragszeit von 20 Jahren gehen die Anlagen in das Eigentum der VerpächterInnen über. Die Hälfte des gewonnenen und verkauften Stroms wird dazu genutzt, regionale und gemeinnützige Umweltprojekte zu finanzieren, dazu gehören laut Gründer und Geschäftsführer Sascha Böhm zum Beispiel die Aufforstung von Mischwald, die Renaturierung von Flüssen und die Schaffung von Biodiversitätsflächen. Das Unternehmen betont, für die VerpächterInnen – ohne dass diese viel Arbeit oder eigenes Kapital investieren zu müssen – einen Beitrag zum sichtbaren Klimaschutz für die Region leisten zu können. Grüne Sonne wirbt außerdem an Unternehmen gerichtet um zusätzlich finanzielle Mittel – stets mit dem Hinweis darauf, wie gut sich diese Investitionen in Nachhaltigkeitsberichten machen, dass sie als Nachweis von Beiträgen zu den Klimazielen dienen und wie positiv sie auf das Firmenimage wirken können.. HANNA STUMMER gruenesonne.at


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ST R E E T TA L K

STREET TALK WIR FRAGEN, 8 TRADITIONSBEWUSSTE ANTWORTEN.

»WELCHES IST DEIN ­LIEBSTES TRADITIONS­ GERICHT UND WAS ­VERBINDET DICH DAMIT?« INTERVIEW UND BILD HANNA STUMMER

JANA

22, Studentin der Innenarchitektur »Ich komme ursprünglich aus Bulgarien. Mein liebstes Traditionsgericht ist ein Eintopf, der für mich totale Wohlfühlküche bedeutet. Darin ist eigentlich alles – zum Beispiel Paprika, Huhn und Zwiebel – in Tomatensoße und darüber wird noch ein Ei geschlagen. Damit verbinde ich das Haus im Dorf, wo alle meine Großeltern zusammen sind.«

JOHANN

83, Pensionist »Da gibt es viele. Am liebsten habe ich Teigwaren jeder Art wie Nudeln, Fleckerl oder Nockerl und solche Dinge. Damit verbindet mich neben der täglichen erforderlichen Nahrungsaufnahme der Gedanke an den Gasthof Winkler am Mühlweg hier in St. Pölten, der Essen so bietet, wie ich es gerne habe.«

GEORG PETRA

32, selbstständige Designerin »Mein liebstes Traditionsgericht ist ehrlich gesagt Kaiserschmarren. Damit verbinde ich Geborgenheit zuhause. Es ist auch das einzige Gericht, das mein Freund wirklich gut kochen kann. Also verbinde ich damit einfach: Zuhause.«

25, Tischler »Mein liebstes Traditionsgericht sind Palatschinken. Ich bin seit ein paar Jahren Vegetarier, also fallen leider viele Traditionsgerichte schon einmal grundsätzlich für mich weg. Mit Palatschinken verbinden mich sehr viele schöne Kindheitserinnerungen.«

FRANZ

60, Pensionist »Das ist der Kaiserschmarren. Damit verbinde ich Gedanken an die Natur, Berge und das Wandern. Im Endeffekt ist es Heimatliebe.«


>>>CONTINUE System can`t find path... >>>REFLECT SUNLIGHT INTO SPACE Operation not permitted... >>>MARS FLAT RENTAL Command not found...

ALEXEJ

35, Ingenieur »Da ich aus der Ukraine komme, ist das für mich klassisch Borschtsch. Dieses Gericht verbindet mich mit meiner Heimat und es schmeckt auch einfach sehr gut.«

NICOLE

40, Kellnerin »Mein liebstes Traditionsgericht ist Schweinsbraten, also richtige­Haus­mannskost. Ich esse sehr gerne deftig, ­also verbinden mich damit gute Gefühle und Gedanken.«

6 AUSGABEN BIORAMA + BIORAMA NÖ 180 EURO

BIORAMA im Schulklassenabo. 6 x j„hrlich 30 Hefte pro Ausgabe.

BRIGITTE

69, Pensionistin »Ich habe am liebsten eine klassische Rindsuppe mit Nudeln. Die habe ich schon mein Leben lang gerne gegessen, das verbindet mich damit.«

MAGAZIN FÜR NACHHALTIGEN LEBENSSTIL. biorama.eu/abo

BIOR Abo Schulklasse 79x228 231108 BIOR NOE 12.indd 1

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08.11.23 18:31


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INTERVIEW Irina Zelewitz

»DAS WIRTSHAUS IST EIN MÖGLICHKEITSRAUM.« Ein exklusives Restaurant? Für viele wäre ein inklusives Wirtshaus vorteilhafter.

INTERVIEW Irina Zelewitz

BIORAMA: Was konstituiert das Wirtshaus als sozialen Ort? Gilt das für jedes Restaurant? MICHAELA MOSER: Das Wirtshaus ist im Grunde ein öffentlicher privater Raum. Also ein sehr spezieller Raum, wo sich alle möglichen Leute treffen können, auch über unterschiedliche Zugehörigkeiten hinweg. Denn ähnliche Orte sind oft Vereinslokale oder auf andere Weise

Räume für Menschen, die ein Interesse teilen. Um sich im Wirtshaus zu treffen, muss man kein spezielles Interesse teilen. Das Wirtshaus wäre dazu konstituiert, ein Ort für alle und damit der Inklusion zu sein. Ein Ort, wo man sich über unterschiedliche Interessen, aber auch soziale Schichten hinweg treffen kann. Das ist es aber nicht automatisch – man muss schon etwas dafür tun.


Sie beschreiben einen Idealtypus und nicht die überall gängige Praxis? Das Wirtshaus ist ein Möglichkeitsraum. Wir leben ja in relativ segregierten Gesellschaften: Die Leute teilen sich zunehmend auf und bleiben hauptsächlich in ihren Blasen. Aber ein Wirtshaus kann ein Ort sein, wo sich Leute mit unterschiedlichen Hintergründen treffen. Das ist nicht nur eine abgefahrene Fantasie, es gibt sie ja, diese Wirtshäuser, die solche Orte sind. Gleichzeitig wird es aber auch ganz anders gelebt, und es gibt Entwicklungen, die eher Ausschlüsse produzieren. Welche unterschiedlichen Zwecke in punkto Inklusion erfüllen denn Wirtshäuser und Vereinslokale? Das Vereinslokal ist für Mitglieder. Vereine setzen ein Commitment zu einem gemeinsamen Interesse voraus. In einen Fußballverein gehen nur Leute, die gerne Fußball spielen. Wäre für mich nichts. In einen HobbymalerInnenverein, gehen Leute, die gerne malen. Essen und Trinken ist kein besonders spezifisches Interesse, und ich muss nicht Teil eines Vereins werden, um ins Wirtshaus zu gehen.

BILD UNS PLASH.C OM/ELLI OTT-STAL LION, LU IZA PU IU

Heißt das, dass gerade in kleinen Gemeinden, wo das Angebot an sozialen Orten oder auch Vereinslokalen klein ist, es wichtiger ist, dass jene sozialen Orte, die es gibt, nicht für eine spezifische Gruppe von Menschen angelegt sind? Ja, dass sie für alle da sind, ist sehr wichtig. Wir arbeiten gerade in einem kleineren Ort an einem Projekt, wo es um mehr Lebensqualität für unter anderem ältere Menschen und um die Bekämpfung von Einsamkeit geht. Der große Wunsch einiger älterer Frauen ist dort, dass es ein Café gibt, einen Treffpunkt, der nicht stark punziert ist. Ein Ort, wo sich Leute, treffen, vernetzen und austauschen und in der Folge dann auch gegenseitig unterstützen können. So manches Wirtshaus scheint eher homogen in der Gruppe, auf die es einladend wirkt. Wer kein älterer, trinkender Mann ist, oder eine andere, als die in der angestammten Runde vorherrschende Meinung vertritt, will dort anscheinend nicht hin oder ist nicht willkommen. Leider sind die vielerorts weniger werdenden Wirtshäuser teilweise keine Orte mehr, an de-

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nen sich viele Leute wohlfühlen Bei Inklusion geht es nicht nur um Menschen mit Behinderungen oder Menschen mit migrantischer Herkunft, sondern darum generell möglichst alle BewohnerInnen anzusprechen, z. B. auch Familien mit Kindern oder ältere Frauen. Es geht um einen Ort, wo sich viele gerne länger aufhalten. Alkohol hat eine schillernde Rolle an solchen Orten. Was wäre den ein inklusiver Umgang damit? Alkohol muss nicht unbedingt ein Problem sein. Auch die älteren Frauen in unserem Projekt, die sich ein gemütliches Café wünschen, trinken sicher gern mal ein Glaserl. Es muss ja nicht gleich ungut werden, nur weil wo Alkohol getrunken wird. Zum Problem werden Situationen, in denen niemand drauf schaut. Im Grunde hätten die WirtInnen da auch die soziale Funktion, halt irgendwann einmal, wenn es genug ist, jemanden nichts mehr auszuschenken oder um Zurückhaltung zu bitten und so ein gutes Ambiente für alle zu schaffen.

Michaela Moser ist Dozentin an der FH St. Pölten am Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung und forscht u. a. zu Diversität, Partizipation und Entwicklung guter Nachbarschaften.

»Auch wenn ich österreichische Küche anbiete, geht es darum: Wie kann ich die österreichische Küche so gestalten, dass möglichst viele gut bei mir essen können? « —  Michaela Moser Also braucht ein Wirtshaus eine Wirtin oder einen Wirt, die Gastlichkeit hochhalten? Ja, es braucht GastgeberInnen, die sich dafür verantwortlich fühlen, dass sich alle möglichst wohlfühlen. Lokale wie Wirtshäuser können also Inklusionsfunktionen übernehmen, weil sie ein Ort für viele mit vielen Funktionen gleichzeitig sein können. Was kann ein Wirtshaus im Idealfall, das eine Tankstelle nicht kann? Eine Tankstelle ist kein Ort, wo ich mich unbedingt länger aufhalten will, wo ich Kontakte knüpfe und die vertiefe. Die Tankstelle ist eher Ort der schnellen Versorgung.


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16 Zumindest solange es im Ort noch ein Wirtshaus gibt. Welche Rollen spielen Essen und Nahrungsaufnahme für dieses Kontakteknüpfen? Welche Rolle hat Ernährung für den sozialen Zusammenhalt, für Inklusion in einer Gemeinde? Nahrungsaufnahme hat meistens eine soziale Komponente, Essen wurde historisch gesehen und wird auch aktuell in in unterschiedlichen Kulturen gemeinschaftliche vollzogen. Im Gegensatz zu anderen existenziell notwendigen Vollzügen, wo man für sich bleibt, also zum Beispiel beim Ausscheiden der Nahrung. Da gibt es ja kaum Bestrebungen, das kollektiv zu tun. Aber die Nahrungsaufnahme hat eben auch soziale Funktionen. Man trifft sich als Familie oder im FreundInnenkreis zum Essen, man feiert mit besonderem Essen und Essen hat oft auch rituelle oder religiöse Funktionen. Sind diverse gesellschaftliche Aufgaben leichter zu erfüllen, wenn man sie mit diesen sozialen Momenten des gemeinsamen Essens koppelt? Es hat sich jedenfalls in der Menschheitsgeschichte bewährt. Man sieht ja, dass Essen im Zusammenhang mit sozialem Zusammenhalt eine große Rolle spielt. Da kommen die Leute zusammen. Den meisten Leuten – das kann man auch kritisch sehen – fällt als erstes, wenn es um andere Kulturen geht, das Essen ein. Und auch wenn es nicht alle wahrhaben wollen: Unsere Essgewohnheiten sind sehr divers und von sehr vielen unterschiedlichen Einflüssen geprägt. Insofern sind Vorschläge, welche Art von Küche gefördert werden sollte, ein bisschen lächerlich. Man muss sich nur mal genau fragen, woher denn diverse Gerichte überhaupt kommen? Brauchen inklusive Wirtshäuser also unbedingt ein vielseitiges Speisenangebot? Um es systematischer anzugehen: Ich sehe, was das Thema Wirtshaus und Inklusion betrifft, drei Ebenen. Erstens gibt es die Ebene des Ortes an sich: Wie er gestaltet wird und wie willkommen und wie wohl sich unterschiedliche Leute dort fühlen. Dazu gehört auch das Angebot an Speisen und Getränken. Wer wird von diesem Angebot vielleicht ausgeschlossen? Wenn es zum Beispiel nur Gerichte mit Fleisch gibt, sind alle, die vegetarisch oder vegan oder

aus religiösen Gründen bestimmtes Fleisch nicht essen, ausgeschlossen. Ähnliches gilt für Unverträglichkeiten. Zweites gibt es die Ebene der Gäste und Gästinnen: Wer ist willkommen? Wer ist nicht willkommen und wie wird das kommuniziert? Und dann gibt es drittens im Wirtshaus natürlich die Ebene der Menschen, die dort arbeiten. Die ist meist schon von einer gewissen Diversität gekennzeichnet, aber nicht unbedingt von Inklusion oder von Gleichberechtigung, sondern da spiegeln sich natürlich Machtverhältnisse wieder. Plakativ gesagt: Menschen, die in manchen Wirtshäusern vielleicht als Gäste nicht unbedingt so gern gesehen sind, findet man dort durchaus in der Küche. Wer das eigene Wirtshaus zu einem inklusiveren Ort machen will, soll also mit der Organisation und Einbindung der MitarbeiterInnen beginnen? Wir können nicht über Inklusion reden und uns nur einen Aspekt vom Wirtshaus anschauen. In der Integration, geht es eher darum, einzelne Menschen – positiv formuliert – in die Lage zu versetzen, – negativ gesagt – so zuzurichten, dass sie in ein System passen. Während es bei der Inklusion darum geht, ein bestimmtes System (einen Ort oder eine Organisation) so zu verändern, dass sich alle in ihrer Unterschiedlichkeit dort wohlfühlen und miteinander agieren können. Das ist das Wesen und der Kern der Inklusion. Wenn man über Inklusion im Wirtshaus redet, muss ich das Ganze sehen – die Menschen, die dort arbeiten, die Menschen, die dort konsumieren, aber auch das Angebot, das es dort gibt. Welche Wirtshäuser würden Sie denn gerne fördern? Naja, Wirtshäuser, die genau das im Blick haben. Die Orte sein wollen, wo – ‚alle‘ ist immer sehr großer Begriff – möglichst viele Menschen gut versorgt werden können und sich dort einfach gerne aufhalten und miteinander ihre Gemeinschaft pflegen. Was könnte eine Maßnahme sein, um das zu fördern? Woran kann man das festmachen, dass Inklusion gefördert wird? Man könnte einen Fördertopf ausschütten für inklusive Wirtshäuser, und sie damit unterstüt-


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BILD ISTOCK.C OM/4FR

zen, ein Konzept zu erstellen, das auf den genannten Ebenen der MitarbeiterInnen und eines diversen Angebots inklusive Ideen umsetzt. Wenn das dazu führt, dass viele unterschiedliche BewohnerInnen sich dort wohlfühlen, dann ist Inklusion gelungen. Gibt es einen Widerspruch zwischen diesem Bedürfnis nach dem Bewahren des kulturellen Erbes und dem diversen Wirtshausangebot? Da würde ich zunächst gerne über Kultur an sich reden. Was ist denn niederösterreichische Kultur? Es ist ja ein extrem plattes Kulturverständnis, das die derzeitigen Gespräche darüber bestimmt. Geht es um die Kultur einer Dozentin an der Fachhochschule oder von einer Weinbäuerin mit einem kleinen Weingarten im Weinviertel oder die der Landeshauptfrau? Die leben ja ganz anders. Der Kulturbegriff, der hier verwendet wird, ist extrem fragwürdig. Und man muss sich hier schon die Frage stellen: Was will man damit erreichen? Was soll der Sinn davon sein? Außerdem muss man das alles kontextbezogen anschauen: Es geht ja nicht darum, vorzuschreiben, dass alle Wirtshäuser jede Küchenrichtung anbieten müssen. Natürlich kann es auch spezifische Angebote geben, aber auch die können dann wieder mehr oder weniger inklusiv sein. Es braucht zum Beispiel Lokale, die vor allem Jugendliche ansprechen. Da kann man dann aber diejenigen fördern, die darauf schauen, dass sie wirklich Jugendliche unterschiedlicher Herkunft und Geschlechter ansprechen. Und genauso kann man spezielle Küchen inklusiv anbieten. Wenn ich ein Wirtshaus habe und gern österreichische Küche anbieten würde, denn das ist meine Spezialität, dann geht es darum, zu überlegen: Ja und wie? Was bedeutet das? Wie kann ich die österreichische Küche so gestalten, dass möglichst viele gut bei mir essen können? Wichtig ist da vor allem die Intention und ein Bewusstsein für Inklusion. Dann wird schnell klar, dass auch die österreichische Küche genügend vegetarische und vegane Gerichte bietet, ohne dass ich moderne Ersatzprodukte brauche. Also die Absicht zur Inklusion wirkt bereits inklusiv? Was können BetreiberIn-

Es gibt nicht bei allen überlebenswichtige Körperfunktionen, die Tendenz, diese kollektiv auszuüben.

nen von Gastronomiebetrieben im eigenen und im öffentlichen Interesse tun, um für möglichst viele KundInnen attraktiv zu sein? Die Absicht zeigt sich ja dann im Speiseangebot, wenn ich eben z. B. auch vegane österreichische Klassiker anbiete und solche, in denen kein Fleisch enthalten ist. Da gibt es viele positive Ansätze und es wäre schön, wenn diese Art von Kreativität gefördert würde. Und ich denke, es gibt in Niederösterreich sicher genug Wirtsleute, die da Interesse haben, etwas in die Richtung zu machen und das von der Politik auch gestärkt wird. Wodurch? Man könnte einen Inklusionspreis für Wirtshäuser vergeben. Ich bin mir sicher, es gibt et-


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»Essen und Trinken ist kein besonders spezifisches Interesse, und ich muss nicht Teil eines Vereins werden, um ins Wirtshaus zu gehen.« —  Michaela Moser liche WirtInnen in Niederösterreich, denen da was einfällt und über die wird dann auch positiv berichtet. Bei den angekündigten Maßnahmen geht es leider weder darum, Inklusion zu fördern, noch darum, die österreichische Esskultur in ihrer Vielfalt zu fördern. Was fehlt in Ihren Augen für entsprechende Glaubwürdigkeit? Es wäre gut aufzuhören, so zu tun, als würden wir uns nicht schon divers ernähren. Und zum Nachdenken darüber anregen: Was ist österreichische Esskultur oder Speisekultur und woher kommt das alles? Woher kommen die Speisen, die hier gemeint sind und ´wer isst das denn jeden Tag Also am Sonntag Schnitzel, am Montag Gröstl, am Dienstag Schweinsbraten, am Mitt-

Michaela Moser hat in der Vergangenheit etwa im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zur Inklusion von ZuzüglerInnen und Leerstansreduktion im Waldviertel geforscht.

woch Grießkoch und am Donnerstag Palatschinken. Wer ernährt sich denn so? Im Grunde muss man sich nur anschauen, was die Leute – auch in Niederösterreich – im Alltag so essen. Die meisten kaufen sich auch ein Kebab und mögen Pizza und Pasta oder Sushi, Und das wahrscheinlich auch sehr gerne. Und wenn es wirklich darum geht, so etwas wie „die österreichische Küche“ zu bewahren, müssen wir sie zumindest auch in ihrer ganzen Vielfalt fördern. Also nicht nur die zehn bis 20 Wirtshausklassiker? Damit wird man der Vielfalt sicher nicht gerecht. Vielleicht sollte man jedem niederösterreichischen Haushalt das Kochbuch »Immer schon vegan« schenken. Damit die Breite der pflanzlichen Küche sichtbar wird. In Zeiten der Teuerung wäre es auch besonders lohnend, Community Cooking zu organisieren, also gemeinschaftliche Koch-Events, wo Leute sich über ihre Unterschiede hinweg gemeinsam über verschiedene Rezepte, Fertigkeiten und Tricks, zum Beispiel zum Einkochen und Haltbarmachen austauschen. Wo sie voneinander etwas lernen können, die österreichischen Traditionen des Einkochens weitergeben, aber etwa auch Fermentieren und andere Techniken aus unterschiedlichen Küchen austauschen. Gerade, wenn es um die Bewahrung alter Küche geht, sollten man diese in ihrer ganzen Vielfalt zelebrieren. Und dabei auch die Verwendung von regionalen Lebensmitteln fördern. Das gilt auch für den Kochunterricht in Niederösterreichs Schulen und für die Art, wie in Heimen oder Flüchtlingsunterkünften gekocht wird. Esskultur war und ist nie etwas Fixes und Feststehendes. Es gehört dazu, dass sich Dinge entwickeln, dass man aber auch vergessene Nahrungsmittel wiederentdeckt, wie zum Beispiel, Steckrüben und die Pastinaken. Es geht einfach darum, insgesamt Vielfalt wertzuschätzen. Da kann man gerne auch mit Vielfalt der eigenen – im Sinne von vertrauten und bekannten – Küche anfangen. Und wenn man die insgesamt positiv sieht, dann tut man sich auch leichter, neue Einflüsse mit rein zu nehmen.

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GANZ SCHÖN WILD

Ungekünstelt, gschmackig und mit hundertprozentiger Herkunftstransparenz. Ein Besuch im Wilden Wirtshaus.

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it etwas Hunger isst man sich zu zweit locker durch die Karte des »Wilden Wirtshauses« von Hannes und Lydia Wiesmayer. Eine Hendlsuppe, eine würzigen Rote-Rüben-Cremesuppe, »Wildes Schnitzerl« mit Salat, Kartoffelchips und Preiselbeeren und einmal »Wilde Palatschinken«. Die Palatschinken gäbe es noch in Variationen – vegetarisch oder süß mit selbst gemachter Marillenmarmelade; außerdem als kalte Speisen: ein »Wildes Brot« und ein Käsebrot. »Unsere Speisekarte ist keinen halben Kilometer lang, dafür müssen wir morgen nix wegschmeißen«, sagt Hannes Wiesmayer beim Entgegennehmen der Bestellung. Als ob es eine Entschuldigung für überschaubares Angebot bräuchte. Die braucht es prinzipiell nicht. Und am allerwenigsten in einem Wirtshaus, das nur an ei-

nem Abend die Woche geöffnet ist (immer am Mittwoch) und sonst nur an Samstagen Frühstück bzw. Brunch anbietet. Der Großteil des Gemüses stammt aus der eigenen Biolandwirtschaft, das Wild aus eigener Jagd oder aus dem Biogatter (in dem die Wiesmayers Damhirsche züchten).

KLARHEIT BEI ALLEN ZUTATEN Die Suppenhühner sind die ehemaligen Legehühner, deren Eier die Wiesmayers nebenan im Hofladen verkaufen. Und sogar das hauseigene Weißbier (»Wiener Weizen«) macht die in der Nähe gelegene Brauerei Kobersdorf aus dem hofeigenen Weizen. Bei allem was zugekauft werden muss, wird klar angeführt, woher es kommt. Beim Wein ist das ohnehin üblich. Er stammt von befreundeten Biobetrieben; der

TEXT Thomas Weber


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Die Palatschinken – hier in »wild«, gibt‘s auch noch pikant in vegetarischer Variante oder süß, mit Marillenmarmelade gefüllt.

Wildes Wirtshaus Wiesmayer Hauptstraße 33 2332 Hennersdorf Wirtshaus geöffnet Mittwoch 17 bis 22 Uhr Samstag 9 bis 14 Uhr

Grüne Veltliner von Martin Niegl (aus Brunn am Gebirge), der Frizzante Rosé von Ettl (aus Podersdorf ), der Gemischte Satz von Norbert Walter (aus Wien-Floridsdorf ). Aber auch bei allen anderen Zutaten gibt es Klarheit: Die Kräuter stammen von Sonnentor, das Brot von Öfferl oder von Schrott. »Wir warten nicht darauf, dass es gesetzlich vorgeschrieben ist die Herkunft der Lebensmitteln zu kennzeichnen, wir tun es einfach«, verspricht die Website. Beim Besuch im Wirtshaus in Hennersdorf werden alle Versprechen gehalten; auch geschmacklich.

Die Rose aus Stadlau, Fendrich, Danzer, Ambros. Austropop – und was später daraus wurde. Wanda, Seiler & Speer. Wo sonst wird in Gaststuben noch Arik Brauer gespielt? Nicht ganz so regional sind allerdings die Gäste. »Die Eingeborenen pfeifen uns was!«, sagt Wiesmayer zerknirscht. »Wir machen trotzdem weiter auf.« Die Stammgäste kommen aus ganz Ostösterreich. Ihr Wildes Wirtshaus betreibt die Familie vor allem aus Freude am Bewirten (und im geschmackvoll restaurierten Gewölbe, in dem einst die Großeltern wohnten). Alles hier hat Charme, kommt ohne unnötigen Schnickschnack aus, ist irgendwie authentisch. Die urigen Wirtshaustische, erzählt Hannes Wiesmayer am Nebentisch auf Nachfrage, stammen vom Dachboden eines vor vielen Jahren zugesperrten Wirtshauses im Ort. Einige der Sitzgelegenheiten hat man aus alten Kirchenbeständen zusammengetragen. Außer an Mittwochen öffnet man nur für geschlossene Veranstaltungen auf Anfrage. Wild dominiert auch dann die Karte, wenn auch weniger kompromisslos als früher. Wiesmayers setzen allerdings auf mündige FleischfresserInnen als Gäste. »Wer drei Deka Hirn hat, isst weniger Fleisch«, sagt Hannes Wiesmayer. Und hofft natürlich: zum Beispiel an Mittwochen, hier in Hennersdorf, zwei Kilo­ meter südlich von Wien. An Samstagen, beim Brunch serviert Lydia Wiesmayer ihr »Gsundes Frühstück« aber auch vegan. wiesmayer-wild.at

IRGENDWIE AUTHENTISCH In der Wilden Palatschinke möchte man sich eingraben. Gefüllt ist sie mit aromatischem Hirschsugo (das es im Hofladen auch im Glas zu kaufen gibt). Wie ihr Teig dermaßen flaumig gelingen kann, verrät Hannes Wiesmayer. Im Palatschinkenteig kommen bei ihm auf einen Liter Milch unglaubliche 12 (in Worten: zwölf ) Eier. Das Hirschschnitzel ist zart und einwandfrei, besonders begeistert aber die perfekte Panier. Mit Eiern wird wohl auch dabei nicht gegeizt, das Auffällige ist aber, dass sie nicht aus den üblichen Bröseln besteht, sondern aus Hafer­flocken, gepresst aus hofeigenem Nackthafer. Streng regional ist überraschenderweise auch die Playlist, die (nicht zu laut) zu hören ist.

Wer gern auf alten Kirchenbänken sitzt, kann das bei Wiesmayer mit Tisch und Wildmenü.

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Kochen leicht gemacht EIN NATURWEINHEURIGER

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Hagers Buschenschank am Kamp bietet feste und flüssige Klassiker – und mehr! Die Weinbeisserei ist buchstäblich über dem alten Presshaus der Familie Hager aus dem Jahr 1888 gebaut. Und der Wein, der steht bis heute im Mittelpunkt. Matthias Hager, der Bruder von Gastgeber Herman Hager, ist bekannt für seine Demeter-zertifizierten Naturweine und Pet Nats. In der Weinbeisserei, so nahe an der Quelle, bekommt man diese nicht nur in den gerade aktuellen Jahrgängen, sondern auch so manch Rarität. Gastronom und Küchenchef Herman Hager ist gelernter Koch, der seine Ausbildung im Landhaus Bacher gemacht hat und dann einige Jahrzehnte in durchaus bekannten Küchen in Hotels des Landes, aber auch in den USA tätig war. Mit der Weinbeisserei hat er sich ab 2003 ein eigenes Reich geschaffen – inklusive kleiner Biolandwirtschaft und einigen Turopolje-Bioschweinen, die hinter dem Haus leben. Seine Küche bietet unter anderem klassische Heurigenkost wie eine Aufstrichvielfalt, so manch (Roh-) Wurst und Fleischspezialität und viel Gemüse von den umliegenden Bauern. Das geht dann über klassische Heurigenkost schon deutlich hinaus, wenn auf der häufig wechselnden Karte »Pilz Quinoa«, »Gerösteter Karfiol«, »Ziegenkäse mit Spargel« oder auch »Tofu Pad Thai« stehen. Die Weinbeisserei ist als Betrieb nicht biozertifiziert. Der einladende Holzbau bietet einen wunderbaren Ausblick über die Weinberge der Gegend und etwa auch auf den Manhartsberg. Hier ist ein Ausflugsziel gelungen, das sich wunderbar in die Umgebung einbindet, kulinarisch überzeugt und überrascht und das Angebot mit Naturwein nicht nur abrundet, sondern diesen ins Zentrum rückt. Martin Muehl weinbeisserei.at

Unsere Bio-Kochbox verwöhnt dich mit genussvollen Rezepten für jeden Gusto. Alle dafür benötigten Bio-Zutaten in der richtigen Menge sowie eine kinderleichte Kochanleitung werden ganz bequem zu dir nach Hause geliefert. Entdecke die vielfältige Auswahl an köstlichen Gerichten und genieße nach Herzenslust. Jetzt probieren auf www.adamah.at/biorezeptkistl


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UMTRIEBIGER BOTSCHAFTER Beim Der Floh in Langenlebarn gibt es Wirtshausklassiker und kreative Küche. Regionalität und Bio spielen dabei eine große Rolle. TEXT Martin Mühl

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er Floh ist ein Pionier, der ungern stehen bleibt. Immer mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und tiefem Interesse – vielleicht meint er auch das, wenn er vom nötigen und grundlegenden Respekt spricht und diesen auch als erste und wichtigste Zutat auf die Speisekarte schreibt. Er ist aber eben auch gern dabei, Neues auszuprobieren. 1994 hat er seine heutige Gastwirtschaft übernommen und daraus in den folgenden Jahren einen der wichtigsten gastronomischen Betriebe über die Region hinaus, aber ganz sicher für Niederösterreich gemacht. Ihm gelingt dabei bis heute die Gleichzeitigkeit immer noch ein traditionelles Wirtshaus mit den Klassikern (Gulasch Blunzn, drei verschiedene Schnitzel) auf der Karte und

den erwartbaren saisonalen Schwerpunkten zu sein, und gleichzeitig nicht nur kulinarisch weit darüber hinaus zu gehen. Sein gut bestückter Weinkeller mit mehreren tausend Positionen wurde schon vor Jahren ausgezeichnet. Und irgendwann in den 2000er-Jahren hat er die Regionalität zu einem seiner Hauptthemen gemacht. Das Menü »Radius 66« mit fünf Gängen, deren Zutaten aus einem Radius von maximal 66 Kilometern stammen ist nur ein sichtbares Zeichen dafür. Aus diesem Umkreis stammen übrigens nicht nur die Zutaten für die Speisen, sondern auch für die Ausstattung und das Mobilar des Lokals. Und kaufen kann man sie nicht nur Wirtshaus, sondern teilweise auch im so genannten Floh-Markt, seinem Laden in


dem die Produkte seiner Produzenten gekauft werden können. Auf der Speisekarte werden sie zu kreativ benannten Gerichten: »Systemrelevant« sind Waldviertler Linsen von Martin Allram mit Schwarzkohl & eingelegten Totentrompeten und Quitten-Chili-Ragout. »Wild­ fires« ist eine lauwarme Seeforelle zum Löffeln mit Fischbuttersauce mit Absdorfer Curcuma & Zitrone, und das Kimichi von Robert Brodnjak. Ein »Floh-Klassiker« ist das Kalbszüngerl mit Kernöl und Kren. In einem Radius von 66 Kilo­ metern ist man vom Floh aus auch schon in Tschechien, aber Regionalität hat für den Floh auch nichts mit Staatsgrenzen zu tun.

DIREKTE BEZIEHUNGEN

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Die direkten Beziehungen zu den Produzenten fanden auch schnell Eingang in seine Speisekarte, wo das Lamm als Biolamm vom Schober-Bauer ausgezeichnet wurde. Als eine EU-Verordnung (EG ) – über deren gesetzliche Umsetzung bis heute in Österreich diskutiert wird – 2009 nahelegte, dass die Auszeichnungen von Bioprodukten auf der Karte nur dann vorgenommen werden dürfen, wenn der Gastronomiebetrieb auch biozertifiziert ist, da hat der Floh seinen Betrieb zertifizieren lassen, weil es ihm eben wichtig war, dass die ProduzentInnen und Produkte in der Karte stehen. Das ist ihm außerdem gelegen gekommen, weil er die Geburt seiner Tochter zum Anlass genommen hat, sich noch genauer mit der Frage auseinanderzusetzen, was in seinem Haus auf den Tisch kommt und bio hier für ihn die richtige Antwort war. Seit 2010 ist Der Floh nun schon biozertifiziert. Das Donaugartl, der Gastgarten mit kleinerer Karte noch direkter an der Donau, natürlich auch. Im kleinen und großen bleibt er seitdem immer in Bewegung, ohne seine Grundausrich-

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Im Floh-Markt kann man vor Ort und online die Produkte von Floh und seinen Lieferanten kaufen.

tung zu ändern. Vor dem Wirtshaus gibt es eine Ladestation für E-Autos. Der Floh macht Kochbücher und es gibt ihn immer wieder auf allen möglichen digitalen Kanälen oder als Podcast. Seit 2013 ist er außerdem ein Gründungsmitglied des Kochcampus, einer Vereinigung österreichischer GastronomInnen und ProduzentInnen, die einerseits die Qualität der heimischen Küche nach draußen in die Welt tragen wollen und auf der anderen Seite auf regelmäßigen Veranstaltungen von einander lernen. Und während bei den Produzenten quasi alle biozertifiziert sind, ist er damit bei den GastronomInnen, zu denen sonst etwa Andreas Döllerer und die Weinbank zählen, bis auf das Biohotel Daberer und Jeremias Riezler von der Walserstube eine Ausnahme. Im Mai 2023 hat er einen Kochcampus gemeinsam mit dem biodynamisch arbeitenden Winzer Bernard Ott zum Thema Boden veranstaltet. Für den Floh ist ein Besuch bei ihm im Restaurant eine Erfahrung und mehr als nur Nahrungsaufnahme. Er meint damit keine verspielte Eventisierung – auch wenn er sich etwa in die offene Küche schauen lässt und zeitweise Plätze mit direktem Blick in diese anbietet –, sondern will seinen Gästen etwas mitgeben. Das nennt er mehrdeutig Energie und für diese sorgen eben nicht nur die Nahrungsmittel, sondern alle Zutaten des Besuchs, vom Interieur bis zum Service. »Wer beim mir isst und trinkt, soll nicht voll werden, sondern das Lokal mit mehr Energie und Kraft wieder verlassen«, beschreibt er sein Ziel als Gastgeber. Nicht nur in Niederösterreich ist der Floh damit leider nach wie vor eine Ausnahme, eines der wenigen zertifizierten Biorestaurants, und darüber hinaus ein umtriebiger Botschafter.

In der wärmeren Jahreshälfte bietet Flo Donnerstag bis Montag 30 Schritte vom Donaufer (und wenige mehr von seinem Stammlokal) auch Platz im Freien, im »Donaugartl«. derfloh.at


Vom herbstlichen Naturpark Hohe Wand aus offenbarte sich dem Fotografen Andreas Wolf ein eindrucksvoller Blick auf die Milchstraße.

Die Magie der Nacht festhalten Für fotobegeisterte Nachtaktive dauerte die »Lange Nacht der Naturparke« in Niederösterreich erstmals eineinhalb Monate. Ein Wettbewerb würdigt herausragende Nachtfotos.

»Lange Nacht der Naturparke« Diesem bedrohten Gut widmete sich in diesem Jahr die »Lange Nacht der Naturparke« in Niederösterreich Mitte September, die im Anschluss an die »Earth Night« stattfand. Diese Aktion, 2020 erstmals von der deutschen NGO »Paten der Nacht« ausgerufen, macht auf das Problem der Lichtverschmutzung aufmerksam. Dabei wird aufgerufen,

ab Einbruch der Dunkelheit eine ganze »Earth Night« lang das Licht abzuschalten (oder zu reduzieren). Das Augenmerk liegt dabei auf der Außenbeleuchtung, die allerorts die Nachtlandschaften flutet. Lichtverschmutzung schadet nachweislich Mensch und Umwelt und beeinträchtigt den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus vieler Tiere und Menschen. Die Veranstaltungen der »Langen Nacht der Naturparke« machten erfolgreich auf diesen Zusammenhang aufmerksam. Auf die in einigen Naturparken angebotenen geführten Nachtwanderungen zum Sternderlschauen und Sinneschärfen herrschte ein Riesenandrang. Mancherorts mussten Interessierte aufs nächste Jahr vertröstet werden. Denn ein Massenauflauf hätte draußen gestört, was es in dieser langen Nacht zu entdecken galt: die Magie der Nacht. Bedrohtes Gut: die Dunkelheit Die Nachtschutzaktivitäten beschränken sich aber nicht auf einen Aktionstag. So erarbeitet etwa der Astrophysiker

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Was braucht es, um die Natur in allernächster Nähe zu erkunden? In der Regel reichen Offenheit, das Bewusstsein, dass keine Weltreise unternehmen muss, wer die Wunder der Natur entdecken möchte, und die Bereitschaft, sich mit allen Sinnen auf die unmittelbare Umgebung einzulassen. Gerade die Naturparke bemühen sich aktiv darum, Einheimischen und Gästen genau das zu vermitteln. Denn das Gute liegt ganz nah. Oft genug ist aber gar nicht klar, dass es auch in unserem unmittelbaren Einflussbereich gefährdet ist. Beispielsweise die Dunkelheit.


Stefan Wallner von der Universität Wien in Modellregionen langfristige Maßnahmen zur nächtlichen Lichtreduktion. Darunter finden sich vier der österreichischen Naturparke: die Naturparke Kaunergrat, Weissensee und aus Niederösterreich die Naturparke Heidenreichsteiner Moor und Hochmoor Schrems. »Eine Zunahme von Lichtverschmutzung führt zu einer Reduktion von lebensfreundlichen Korridoren für die Tierwelt, speziell auch in Natur- und Nationalparken«, sagt Forscher Stefan Wallner. »Künstliches Licht bei Nacht kann enorm große Distanzen zurücklegen. Daher sind auch Gebiete, wie eigentlich dunkle Naturparke, immer mehr von dessen Einfluss betroffen.«

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DER NATURPARKE NIEDERÖSTERREICH

Fotowettbewerb #nachtsimnaturpark Der Fotowettbewerb der Naturparke Niederösterreichs weitete die Lange Nacht gewissermaßen auf eineinhalb Monate aus. Von Anfang September bis zum 15. Oktober konnten nächtliche Fotos aus den Naturparks auf Facebook und Instagram mit den Hashtags #nachtsimnaturpark und #landschaftenvollerleben gepostet werden. »Die Fotografie von Sternen bzw. dem Nachthimmel erfordert spezielle Kenntnisse und auch entsprechendes Equipment«, sagt Sarah Martin, Naturvermittlerin im Naturpark Ötscher. Deshalb haben sich 2023 vor allem ProfifotografInnen beteiligt. Etwa 100 veröffentlichte Aufnahmen nehmen am Wettbewerb teil. Die GewinnerInnen waren bei Redaktionsschluss noch nicht ermittelt. Als Preise warten exklusive Erlebnisse; im Naturpark Heidenreichsteiner Moor beispielsweise eine von einer Naturvermittlerin begleitete Wanderung durch die Moorlandschaft unter dem Motto »Riechen, fühlen, schmecken – Den Naturpark mit allen Sinnen erleben«. Andernorts, im Naturpark Ötscher-Tormäuer, geht es für eine/n ausgezeichnete/n Fotografen/Fotografin und 5 BegleiterInnen seiner/ ihrer Wahl nach einer Stärkung am Lagerfeuer bei Neumond, nur vom Sternenhimmel erleuchtet in die Nacht hinein: möglichst leise, um das Fiepen der Rehe oder die Rufe der Waldvögel mitzubekommen. Fest steht bereits: »Die Gewinnerbilder werden auf hochwertige Postkarten gedruckt, die in allen Naturparken zur freien Entnahme aufliegen«, so Sarah Martin. Die Naturparke Niederösterreichs bleiben also weiter am Thema Nacht und Nachtschutz dran. Für den Kalender: Die nächste Earth Night findet – wieder weltweit – am 6. September 2024 statt. Dafür österreichweit geplant: Nachtwanderungen in Naturparken.

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naturparke-niederoesterreich.at

Die Milchstraße, festgehalten von Fotografin und »Nature Passionist« Sonja Ivancsics im Naturpark Ötscher. Vielerorts ist sie durch die Lichtverschmutzung nicht mehr sichtbar.


Im Projekt »Naturnacht« brachte Katja Weirer vom Naturpark Ötscher der Bevölkerung näher, dass Lichtverschmutzung Thema ist. Wie zeigt sich denn die Lichtverschmutzung ganz konkret im Naturpark Ötscher-Tormäuer? Katja Weirer: Gott sei Dank sind wir als Region weitab größerer Städte davon noch einigermaßen verschont. Aber auch wenn es bei uns noch viele Gegenden gibt, in denen es nachts wirklich dunkel wird: Es gibt auch bei uns undurchdachte Beleuchtung, die nach oben strahlt oder weit übers Ziel hinaus leuchtet. Eigentlich sind wir aber noch eine sehr finstere Region. Diese Dunkelheit ist für Tiere wie Fledermäuse oder Insekten gut, die nicht in ihrem Lebensrhythmus gestört werden. Aber auch wir Menschen profitieren davon, wenn es wirklich finster ist. Wir schlafen hier vielleicht alle besser als in hellerleuchteten Gegenden. (lacht)

Wenn wir die weltweiten Light Pollution Maps zeigen, um zu vermitteln, wo es in Europa überhaupt noch dunkle Regionen gibt, sind viele erst einmal erstaunt. Ihnen ist nicht bewusst, dass unsere Dunkelheit etwas Besonderes ist. Dass man bei uns noch viele Sterne sieht und auch die Milchstraße sichtbar ist. Wir sind die richtige Region für Sternenbeobachtung – wenn man bedenkt, dass in Mitteleuropa nur mehr ein Prozent der Bevölkerung von ihrem Wohnort aus die Milchstraße sehen kann, weil es dafür auch nachts zu hell ist. Mein eigener Blick hat sich auf alle Fälle geändert. Ich fahre anders durch Ortschaften, achte auf Straßenbeleuchtung und hoffe, dass die Beleuchtung von Kirchen und Denkmälern spätnachts wenigstens gedimmt wird.

Was war denn Ihr persönliches Highlight beim Projekt »Nachtlandschaften voller Leben«? Definitiv als ich mit dem Forscher Stefan Wallner von der Uni Wien mitgefahren bin, um Dunkelheit zu messen. Für mich war das völlig neu: dass man Dunkelheit überhaupt messen kann. Es war erstaunlich zu sehen, dass kleine Ortschaften für Lichtkuppeln sorgen, die bis zu zehn Kilometer weit sichtbar sind. Eindrucksvoll war auch zu erkennen, was Einzelgebäude ausmachen können. Für Lichtverschmutzung braucht es keine Stadt. Bahnhöfe zum Beispiel sind definitiv ein großes Problem, weil sie die ganze Nacht beleuch»Für Lichtverschmutzung braucht es tet werden. Das hätte ich nie gedacht. keine Stadt«, hat Katja Weirer vom naturpark-oetscher.at Naturpark Ötscher erkannt.

Womit wird im Rahmen der »Earth Night«, in der jedes Jahr die Lichter ausgemacht werden, noch auf Lichtverschmutzung aufmerksam gemacht? Grundsätzlich setzen wir auf Bildungsarbeit über Social Media. Aber auch die vier Naturparkgemeinden versuchen, das Thema publik zu machen. Das bewusste Lichtabschalten in der »Earth Night« kannte man hier nicht. Sind durch die Aufklärungsarbeit Veränderungen bemerkbar? Was man merkt: Dunkelheit wird bei uns noch als Selbstverständlichkeit betrachtet. Es fehlt also noch ein bisschen am Bewusstsein für das Problem.

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ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DER NATURPARKE NIEDERÖSTERREICH

»Unsere Dunkelheit ist etwas Besonderes.«


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SUMM SUMM SUMM, PFERDCHEN LAUF HERUM!

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Warum es Pferde unter freiem Himmel braucht, um Wacholder hochkommen und Wildbienen zurückkehren zu lassen. Ein Besuch in der Marchfelder Steppenlandschaft.

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s ist eine Idylle wie aus einem güldenen Bilderrahmen. Weiche Hügel, Pferde in satten Brauntönen, stolze Föhren, Dornengebüsch und weites Grasland wie von Ferdinand Georg Waldmüller ins warme Abendlicht gerückt. Tobias Schernhammer beugt sich über den Elektrozaun und deutet auf den staubigen Boden. »Wo sich Pferde wälzen, gibt es lockere Sandflächen«, sagt er. Der Blick des

Biologen ist wenig empfänglich für Biedermeierkitsch. »Das ist spannend für viele Insektenarten, die im Boden brüten. Und die Dungkäfer brauchen die Pferdeäpfel«, sagt Schernhammer. Dass hier im Naturschutzgebiet in diesem Jahr wieder Pferde weiden – das erste Mal seit vielen Jahrzehnten – ist sein Verdienst. Als Betreuer des Europaschutzgebiets Sandberge Oberweiden hat er sich dafür eingesetzt, dass

TEXT Thomas Weber


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28 »Nichts davon ist eingetreten«, sagt der Bauer. »Die Vorbehalte haben sich alle in Wind aufgelöst.« Ende Oktober kehrten die Pferde, allesamt Jungtiere oder trächtige Mutterstuten, zurück in den Stall. »Nächstes Jahr wird alles leichter«, meint Erich Konlechner, »dann kommen ein paar bereits erfahrene Tiere mit einigen Neuen hinaus auf die Weide. Wir müssen erst herausfinden, wieviele Tiere die Fläche wirklich verträgt. Sie werden nicht gefüttert und fressen nur, was sie finden.«

WENIGER WIND, WENIGER WILDBIENEN Warum es für die Artenvielfalt wichtig ist, dass hier im Naturschutzgebiet Tiere weiden, hat eine im Frühsommer veröffentlichte Studie am Beispiel von Wildbienen gezeigt. Im »Journal of Insect Conservation« wiesen WissenschafterInnen des Wiener Naturhistorischen Museums (NHM) und der Universität für Bodenkultur nach, wie stark die Wildbienenbestände in den Sandbergen Oberweiden in den vergangenen 100 Jahren zurückging. 164 von ursprünglich 289 hier nachgewiesenen Wildbienenarten konnten seit über 50 Jahren überhaupt nicht mehr nachgewiesen werden. Brisant sind diese Zahlen nicht nur weil sie aus einem Naturschutzgebiet stammen, sondern weil es selten derart weit zurückreichende, seriös vergleichbare Daten und Aufzeichnungen für ein und denselben Ort gibt. »Im Gegensatz zu anderen Studien, die den Rückgang der Artenvielfalt in den letzten fünf Jahrzehnten aufgezeigt haben, konnten wir Veränderungen der Wildbienenfauna und ihrer Lebensräume über 100 Jahre hinweg analysieren«, erklärt Erstautorin Dominique Zimmermann vom NHM. Erstaunt waren die ForscherInnen von Zweierlei: Dass der erste massive Rückgang der Wildbienenvielfalt bereits Anfang des 20. Jahrhunderts bemerkbar ist – also Jahrzehnte vor der wirklichen Intensivierung der Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Das dürfte auf den Erfolg des 1880 gegründeten Marchfelder Aufforstungskommitees zurückzuführen sein. Um den Boden zu stabilisieren und den Flugsand zurückzudrängen, wurden tausende Schwarzföhren und eine Vielzahl von Windschutzgürteln gepflanzt. Das dämmte die Erosion ein, vereinfachte den Ackerbau, machte die Landschaft aber auch weniger attraktiv

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zumindest ein kleiner Teil der Gesamtfläche von 128 Hektar, die alle im Eigentum der Gemeinde sind, wieder beweidet werden. »Ich war sehr skeptisch«, gesteht Erich Konlechner, einer der beiden Pächter. Er schreckte vor dem Aufwand zurück. Doch im August brachte der Besitzer des einstigen Rothschild-Gestüts erstmals acht seiner edlen Warmblutpferde vom Ortsgebiet in die Sanddünen hinaus; auf unebene Flächen, die schwer zu mähen sind, die als besonders artenreiche Steppenlandschaft gemäß der Vorgaben der Naturschutzabteilung des Landes aber gemäht werden müssen. Bislang wurden sie nur sporadisch gemäht und von der Dorfjugend für Motocrossfahrten heimgesucht. Auf den leicht zu mähenden Flächen macht Konlechner seit vierzig Jahren Heu für seine insgesamt 60 Pferde. Auch für die acht glücklichen Rösser war die Freiheit unter freiem Himmel anfangs ungewohnt. Noch wächst dieser Wacholder in Oberweiden als Solitär. »Das war eine große UmWeil ihn die Pferde verschmähen, kommt er auf stellung aus der Stallhalbeweideten Wiesen wieder hoch. Von der Pflanzenvielfalt tung«, sagt der Landwirt. profitieren besonders Wildbienen wie dieses Malven»In einem völlig neuen Langhornbiene (Weibchen). Umfeld musste erst eine neue Rangordnung ausgemacht werden. Das dauerte ein Monat, hat sich aber gut eingespielt«. Im September war Ruhe eingekehrt. »Ich bin zuversichtlich, dass wir die Beweidung beibehalten werden«, sagt Konlechner. Auch im Ort hat sich die anfängliche Aufregung gelegt. Vor allem die JägerInnenschaft war skeptisch gewesen, hatte befürchtet, dass die Neuankömmlinge das Wild beunruhigen könnten und Wildwechsel stören.


29 für Wildbienen und Sandwespen, die den warmen Sand als Brutschrank nutzen. Ebenfalls erstaunlich: Den zweiten massiven Rückgang gab es in den vergangenen Jahrzehnten – obwohl sich die Landnutzung in den Jahren zwischen 1966 und 2018 kaum veränderte. Zwar ging der Anteil der Steppe geringfügig zurück und mancherorts verwaldeten Flächen. »Das kann den Rückgang aber nicht plausibel erklären«, meint Wildbienenforscherin Zimmermann. »Unsere Schlussfolgerung ist deshalb, dass sich die Qualität des Steppenrasens verändert hat.« Der einzige wirkliche Unterschied in der Nutzung der Flächen: Wo früher beweidet wurde, wird seit Jahrzehnten maschinell gemäht. »Wir wissen: Es macht für Bienen und Insekten einen riesigen Unterschied, ob Beweidung oder Mahd stattfindet«, sagt Zimmermann. »Maschinelle Mahd tötet flächendeckend und wirkt sich verheerend auf Insekten aus. Rotationsmäher tö-

ten und mit einem Schlag sind riesige Flächen kurz. Flächendeckende Effizienz ist für die Natur aber eine Katastrophe.« Zwar ist es besser, Naturschutzflächen werden selten, aber doch gemäht. Doch: »Mahd ist die schlechteste der guten Landnutzungsformen«, sagt Tobias Schernhammer. Genau deshalb hat der Biologe den Pferdebauern im Ort überzeugt, seine Tiere heraus auf die Sandberge zu bringen. Welchen Unterschied die Anwesenheit der Pferde macht, zeigt ein Blick auf die andere Seite des Elektrozauns. »Man sieht: gemähte Flächen sind monoton, beweidete Flächen nicht«, erklärt Schernhammer. »Die Pferde bringen eine tolle Struktur in die Landschaft.« Auf der Koppel wachsen immer wieder Wacholderpflänzchen zwischen dem kurzgefressenen Gras. »Wacholder ist ein klassischer Beweidungszeiger. Beim Mähen wird er immer wie-

Sandberge Oberweiden Naturschutzgebiet (seit 1961) im nördlichen Marchfeld im Bezirk Gänserndorf. Charakteristische Steppenlandschaft mit mehrere Meter hohen Sanddünen naturland-noe.at

Erstmals seit Jahrzehnten durften auf den Sandbergen wieder Pferde weiden. Der Einfluss der Pflanzenfresser war bereits nach wenigen Wochen offensichtlich.


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Bestand an Großvieheinheiten pro EinwohnerIn war«, weiß Schernhammer. Auf jede Person kamen statistisch 1,18 Großvieheinheiten. Das heißt: Gemessen an der Bevölkerung gab es fast nirgendwo in Niederösterreich so viele Rinder, Pferde und Schafe wie im Marchfeld. Wie sich die Landschaft damals zusammensetzte, lässt sich bislang nur erahnen. Wildbienenforscherin Dominique Zimmermann möchEin seltener Anblick: Steinbienen (Lithurgus cornutus) bei der Paarung. Mindestens 50 weibliche Tiere einer Art te das ändern; zumindest für die Bobraucht eine überlebensfähige Wildbienenpopulation. Theoretisch sind auch Wiederansiedelungen denkbar. tanik. Denn der historischen Insektensammlung des Naturhistorischen Museums lässt sich mit modernen Analysemethoden (und dank finanzieller Unterstützung der umgeschnitten. Die Pferde verschmähen der Hotelgruppe Arcotel) neues Wissen abgeihn aber und er wachst Jahr für Jahr höher.« winnen. Auf den alten, in Schiebeladen aufgeIn wenigen Jahren wird die Beweidung so für spießten Bienenexponaten des NHM finden eine abwechslungsreiche Landschaft mit versich nämlich noch Pollen der seinerzeitigen einzelten Sträuchern, Bäumen und BaumgrupMarchfeldflora. »Anhand von Wildbienenarten, pen gesorgt haben. Ein wertvoller Lebensraum die nicht auf eine einzige Pflanze spezialisiert nicht nur für Wildbienen, sondern auch für Vösind, kann ich mit Pollenspektrenanalyse regel, Amphibien und steppentypische Pflanzen konstruieren, wie die für Wildbienen relevanwie die seltene Sandnelke, die lückigen Sand te Offenlandschaft früher botanisch ausgesebraucht, um zu gedeihen. Noch braucht es eihen hat.« nen kundigen Blick, um den Unterschied zwiWildbienen-Studie Die Wiederansiedlung von lokal ausgestorschen beweideten und maschinell gemähten »Changes in the wild bee benen Arten ist bei Insekten zwar nicht üblich. community (Apoidea: HymeSanddünen zu sehen. In ein paar Jahren wernoptera) over 100 years in »Das wäre aber schon denkbar«, sagt Zimden die beweideten Hügel nicht mehr mit den relation to land use: a case mermann. »Es gibt Versuche, die zeigen, dass gemähten Wiesen zu vergleichen sein. study in a protected steppe eine Population großer Bienenarten mindesDann sollen zumindest ein paar Hektar der habitat in Eastern Austria« tens 50 weibliche Tiere und 924 Blühpflanzen Sandberge Oberweiden wieder aussehen wie von Dominique Zimmermann u. a. im »Journal of Insect braucht«, weiß sie. Eine Voraussetzung dafür sie bis Ende des 19. Jahrhunderts ausgesehen Conservation« wären also im ersten Schritt vermutlich: gröhaben – und damals auch das restliche Marßere Weideflächen, mehr Pferde. chfeld rundum. Denn das Marchfeld als KornDas kann sich womöglich sogar Erich Konkammer Wiens ist eine Erfindung des 20. Jahrlechner vorstellen, denn, so erklärt er: »Die hunderts und der landwirtschaftlichen SpeziSandberge sind ein Naturjuwel, das unbedingt alisierung auf »Körndlbauern« im fruchtbaren erhalten werden muss.« Dafür ließe sich auch Osten und tierhaltende »Hörndlbauern« im alder Mehraufwand für ihn – etwa das tägliche pinen Österreich. Kontrollieren der Zäune und die Versorgung DAS MARCHFELD, EINST WEIDELAND mit Wasser – rechtfertigen. Sorgen macht sich der Bauer aber um andere potenzielle Rück»Was die Alten hier erzählen, stimmt einfach kehrer in die Kulturlandschaft: »Wenn Wölfe nicht«, sagt Tobias Schernhammer. »Hier wurkommen, dann stelle ich die Beweidung wiede früher überall beweidet.« Die kollektive Erder ein, sonst fressen mir die meine Fohlen. innerung würde dafür aber nicht weit genug Wir sind hier nahe an der slowakischen Grenzurück reichen. »Alte Aufzeichnungen aus ze. Wirklich ausschließen kann man das also dem Jahr 1869 zeigen, dass der damalige Benicht.« zirk Marchegg jener mit dem zweithöchsten

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MAR K T P L ATZ KO SM E TIK M A DE IN N Ö

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ES STEHT GUT ZU GESICHT, … …auch Naturkosmetik regional zu beziehen. Fünf Produkt­vorschläge, die zur Gesichtspflege in Niederösterreich produziert werden.

Jungheit Wa s c h c r e m e No 1 Nicht nur sauber, sondern rein niederösterreichisch. Verarbeitet werden bei Jungheit im Weinviertel ausschließlich Biorohstoffe aus österreichischer Produktion, teilweise aus eigenem Anbau. An Texturen und Gebinden wird womöglich noch ein wenig getüftelt werden, sympathisch aber: die Listung der Inhaltsstoffe, die auch jeweils eine Erklärung ihrer Funktion miteinschließt. Die Unisex-Waschcreme reinigt gründlich und duftet frisch nach Zitronenverbene. Zertifiziert nach nach Bio Austria Garantie. jungheit.com

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CAROLINE PETERS

SIMON SCHWARZ

CHANTAL ZITZENBACHER

TEXT Irina Zelewitz BILD Nanna Kaiser

Esbjerg Power Pilze Gesichtsserum In dieser erfrischenden leichten Tagespflege von Esbjerg steckt die geballte Kraft der Welt der Pilze, Vitamin C aus unterschiedlichen Quellen, Mandel- und Jojobaöl und etwa der Extrakt der exotischen »Auferstehungspflanze« Myrothamnus flabellifolia. Produziert wird allerdings in Niederösterreich (wo genau, ist ein gut gehütetes Geheimnis) und das in Naturkosmetikqualität – nach dem Kapitel B33 des österreichischen Lebensmittelgesetzbuchs. Langes Leben! esbjerg.at

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BI O L AN DWIR TSCH A F T

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DAS BIOKISTL UND DER COACH TEXT Thomas Weber

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er Biohof Adamah ist weithin bekannt für seine Abokisten, in denen, vom Marchfeld aus, Bioprodukte in ganz Wien, weiten Teilen Niederösterreichs und mittlerweile bis hinunter nach Graz ausgeliefert werden. Seit zwei Jahren ist das als Beteiligungsgesellschaft organiMittlerweile haben siert. Je 23,5 Prozent Krieg, Energiekrise und davon gehören den Geschwistern ChrisInflation auch bei der tian (43), Elisabeth Biokundschaft die Kauf(37), Stefan (40) und laune etwas gedrückt. Simon (28). Die restlichen sechs Prozent bleiben beim Vater. »Damit ist das Erbe auch gleich geregelt«, sagt Elisabeth Zoubek. In einem Gesellschaftsvertrag sind die Aufgabenbereiche zugeteilt und festgelegt und für welche Entscheidungen es Mehrheitsbeschlüsse braucht. So halten die fünf Familienmitglieder gemeinsam mehrere Tochterunternehmen: den Vertrieb, eine eigene Produktion und zwei landwirtschaftliche Betriebe. Einer davon die ursprüngliche Biolandwirtschaft, von der aus 1997 alles seinen Anfang nahm. Der andere

eine zugekaufte Landwirtschaft, deren Apfelplantagen gerade noch in der Umstellungsphase auf Bio sind. Es war kein unbedachter Schritt als Sigrid und Gerhard Zoubek, mittlerweile 66 und 67 Jahre alt, vor zwei Jahren den Hof an ihre vier Kinder übergaben. Bereits zehn Jahre davor kam die Familie regelmäßig mit einem von den Eltern engagierten Coach zusammen, um alles gut vorzubereiten. »Auch jetzt treffen wir uns noch alle sechs Wochen zu einem Familienrat«, sagt Elisabeth Zoubek, die Geschäftsführerin des Biobetriebs. »Wir haben jedes Mal eine Agenda mit Themen, die sich nicht einfach zwischen Tür und Angel erledigen lassen. Denn es gibt natürlich auch unangenehme Punkte, die man mit Brüdern oder Eltern nicht so gerne anspricht.« Auch begleitete Geschwistertreffen ohne Eltern gibt es und Einzeltreffen mit dem Coach. »Ohne ihn wären wir heute nicht soweit«, ist sich Zoubek sicher. »Natürlich gibt es manchmal Bröseln«, sagt sie, »wir sind ein Familienbetrieb, wohnen alle recht nah beieinander und sehen uns jeden Tag. Da gehst du dir schnell mal auf die Nerven.« Die Geschwister, aber auch deren PartnerIn-

BILD SA NDRA TAUS CHE R

Die Zoubek-Kinder übernahmen den Hof der Eltern. Wie man einen Familienbetrieb wie den Biohof Adamah gemeinsam führt (ohne sich allzusehr auf die Nerven zu gehen).


nen arbeiten jeweils ihren Fertigkeiten und Vorlieben entsprechend. Seit einem Jahr steht Elisabeth Zoubek auch ein Co-Geschäftsführer zur Seite: Christian Brenner, der nicht Teil der Familie, aber bereits ein Jahrzehnt im Betrieb beschäftigt ist. »Im Wesentlichen kümmert er sich um die Buchhaltung und um die Zahlen«, sagt sie. Bei einem Betrieb dieser Größe sei es gut, dafür einen Profi zu haben. Mit wöchentlich knapp 7.000 ausgelieferten Biokistln und dem Bioladen in Glinzendorf machen die knapp 100 MitarbeiterInnen einen Jahresumsatz von 11 bis 12 Millionen Euro.

KINDERGÄRTEN UND KOCHBOXEN Allen Zehnjahresplänen zum Trotz bleibt auch ein Biokistlvermarkter nicht unbeeindruckt von den Wirrungen des Zeitgeschehens. Als die Kinder den Hof vor zwei Jahren übernahmen steckte die Welt noch in Lockdowns. Die Nachfrage nach bequem ins Homeoffice gelieferten Bioprodukten war dermaßen groß, dass Adamah zwischenzeitlich keine neuen KundInnen mehr aufnehmen konnte. Mittlerweile haben Krieg, Energiekrise und Inflation auch bei der Biokundschaft die Kauflaune etwas gedrückt. »Wir haben zum Glück viele treue StammkundInnen, die schätzen, dass ein regionaler Familienbetrieb hinter ihrem Einkauf steckt und die uns auch immer wieder in Glinzendorf besuchen«, sagt die Geschäftsführerin und verweist auf Hoffeste und regelmäßige Kochkurse. Oft organisieren überzeugte PrivatkundInnen auch gemeinsame Biokistlbestellungen an ihren Arbeitsplatz. »Büros, Schulen und Kindergärten werden immer wichtiger für uns.« Besonders beliebt sind aber auch die Rezeptkisten, in denen – abgesehen von Salz, Pfeffer und Olivenöl – alle Zutaten zur Zubereitung eines speziellen Rezepts geliefert werden. Wobei auch das Geschäft mit den Kochboxen ein umkämpftes ist. Umso stolzer ist man in Glinzendorf, dass die Adamah-Kochbox im Testbericht der Oktoberausgabe der Zeitschrift »Konsument« auf dem zweiten Platz landete – neben internationalen Anbietern, die ihre Boxen mit Ware völlig unklarer Herkunft von weither liefern. Was oft auf Kosten der Frische geht. »Einzig Adamah kommt aus Österreich und liefert auch regionale Lebensmittel«, heißt es. Bei der Frische war man klarer Testsieger. Und dass das Angebot aus Niederösterreich etwas teurer ist, erklären die Biozutaten. Positiv bewertet werden auch die Mehrwegboxen. Negativ erwähnt wurde einzig, dass das Lieferfenster bei Adamah »sehr unflexibel« sei und »ein ganzer Tag angegeben« wird. Dafür haben die Zoubeks aber eine Erklärung: »Es wäre ineffizient und völlig unnachhaltig, würden wir jeden Ort zu jedem gewünschten Zeitpunkt anfahren«, sagt Elisabeth Zoubek. »Deshalb ist bei uns auch 48 Stunden vor Lieferung Bestellschluss. Wir müssen planen können und wollen kein bummvolles Lager, von dem wir dann immer die Hälfte wegwerfen müssen.« In Glinzendorf sieht man sich deshalb auch auf dem zweiten Platz als heimlicher Sieger.

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DER CAPO VON NIEDERÖSTERREICH Welcher Weizen im immer trocker werdenden Osten des Landes angebaut wird – und Zukunft hat. TEXT Thomas Weber

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Bei Aurelius lag die Ernte in Nieder­ österreich heuer zwischen sechs und sieben Tonnen pro Hektar«, sagt Johann Birschitzky. Der Saatgutzüchter spricht nicht von Bauernregeln, Heiligenlegenden oder katholisch geprägten Kalendertagen. Vielmehr ist Aurelius die mittlerweile am weitesten verbreitete Weizensorte Ostösterreichs. Vor allem in der konventionellen Landwirtschaft, die mit hohem Düngemittel- und Pestizideinsatz noch höhere Erträge erzielt, ist Aurelius beliebt. Fast ebenso weit verbreitet sind die Sorten Christoph und Axaro. Alle drei haben den lange dominierenden, »längeren«, das heißt: höherwachsenden Capo abgelöst.Im Bioackerbau

behauptet sich Capo bislang gut. Der höhere Anteil an Stroh ist hier – als lockernde Bio­ masse und natürlicher Dünger – durchaus von Vorteil oder für die Viehhaltung als Einstreu erwünscht. Und die Erträge, die im Bioanbau in schlechten Jahren um bis zu 50 Prozent geringer ausfallen können, sind bei Capo gut. Neben der Wahl der Sorte haben Witterung und Niederschlag, Bodengüte und Düngung, und, damit zusammenhängend, auch die Fruchtfolge auf der Anbaufläche entscheidenden Einfluss auf den Ernteertrag. »Wir produzieren unter freiem Himmel. Die Schwankungen sind riesig«, sagt Birschitzky, »bei Aurelius brachte die Ernte 2023 je nach Fläche deshalb Erträge von


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drei bis neun Tonnen pro Hektar«. Im Schnitt lag sie damit in Österreich jedenfalls über dem langjährigen Mittel von fünf Tonnen, was an der Intensität der Niederschläge im Frühjahr lag. Wie zumeist gehen gute Getreideerträge aber etwas zulasten der Qualität: Der für die Qualität entscheidende Proteingehalt lag um 1 bis 1,5 Prozent unter dem Üblichen. Trotzdem bleibt Weizen aus Österreich weltweit gefragt.

BILD ISTOCK.CO M/GALYNA0404

WEIZENREGIONEN NIEDERÖSTERREICHS In Niederösterreich gibt es traditionell drei Pflanzregionen. Im Waldviertel wird, bei überschaubaren Erträgen auf weniger guten Böden, vor allem für den heimischen Bedarf produziert. Auch im Mostviertel und bis nach Oberösterreich, wo ausreichend Niederschläge auf sehr gute Böden fallen und damit den höchsten Ertrag bringen (in Einzelfällen bis zu zehn Tonnen pro Hektar), wächst eher Mahlweizen für den lokalen Mühlenbedarf. Der auch international begehrte »Qualitätsweizen« stammt allerdings aus dem pannonischen Raum, der vom nördlichen Weinviertel bis ins nördliche Burgenland reicht. Pannonischer Weizen geht zu einem Gutteil in den Export, vor allem nach Italien, teilweise auch nach Deutschland, wo er als »Aufmischweizen« dem lokal produzierten Getreide minderer Qualität beigemengt wird, um dem Mehl die nötigen Backeigenschaften

zu geben. Die im pannonischen Raum vorherrschende Trockenheit liefert hohe Qualität. Problematisch ist allerdings die Hitze. »Temperaturen über 27 Grad bereiten dem Weizen Stress«, sagt der Pflanzenzüchter. Das verkürzt seine Vegetationszeit. »Wir dreschen das Getreide in unseren Breiten mittlerweile um zwei Wochen früher als Anfang der 90er-Jahre. War der Weizen früher meist gegen Ende Juli erntereif, ist er das heute manchmal schon Anfang Juli.« Ist es heiß, erhöht das manchmal zwar die Qualität, minimiert aber den Ertrag. »Wie sehr sich das Klima auf das Getreide auswirkt, sehen wir allein schon an den Erträgen in den unterschiedlichen Teile der Welt«, sagt Hermann Bürstmayr vom Institut für Biotechnologie in der Pflanzenproduktion an der Universität für Bodenkultur (Boku). »Beim Weizen sind das zum Beispiel neun bis zehn Tonnen pro Hektar in Westeuropa und Neuseeland bis etwa eine Tonne pro Hektar und darunter in den Halbwüsten, zum Beispiel in Teilen von Australien«. Züchterisch setzt die Saatzucht Donau in Probstdorf deshalb auf »relative Hitzebeständigkeit«, wie Geschäftsführer Johann Birschitzky betont. Die Arbeit ist aufwendig, kleinteilig, braucht viel Personal und im Gegensatz zur Ernte in der landwirtschaftlichen Produktion oft auch Handarbeit. Auf Versuchsflächen von insgesamt 30 Hektar wächst das Getreide teil-

Winterweizen Mittlerweile dominiert im Oktober und November angebautes Wintergetreide. Es kann die Feuchtigkeit des Winters nützen. Von Februar bis März angebauter Sommerweizen verliert an Bedeutung.


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zu Kulturen, die besser mit Hitzephasen umgehen können. Der Anbau von Mais, Sojabohne oder Hirse gewinnt auch deshalb an Bedeutung. Für die Landwirtschaft ist der Weizenanbau auch deshalb attraktiv, weil er unabhängiger von Saatgutherstellern passieren kann. Beim Mais etwa muss jedes Jahr neues Saatgut zugekauft werden. Der in Österreich angebaute Weizen stammt hingegen zu 40 bis 60 Prozent von Saatgut, das Bäuerinnen und Bauern selbst vermehrt haben. Das Geld aus den Lizenzgebühren gehe den ZüchterInnen allerdings zur Finanzierung ihrer Forschung ab, sagt Birschitzky. Er wünscht sich deshalb »eine bessere Abgeltung der Züchtung durch jene, die nicht mit zertifiziertem Saatgut arbeiten. Sonst schwächt das die Weizenzüchtung zum Beispiel gegenüber Mais.«

Der Bauer und der Capo: Bauer Robert Harmer (Mitte) wirtschaftet seit 40 Jahren biologisch. Wichtigste Kultur des Familienguts Prerau: Weizen.

Biogetreide Der Bioanteil bei Getreide liegt in Österreich 2023 bei 21 Prozent.

weise in Einzelreihen und wird von Hand gesichelt. Ein wirklich ertragreicher Weizen bringt etwa 45 bis 50 Körner pro Ähre. Zur Verbreitung und Vermarktung vermehrt wird er dann von den beiden Eigentümerfirmen der Saatgut Donau – auf tausenden Hektar Anbaufläche. Die Züchtung einer neuen Getreidesorte dauert 10 bis 15 Jahre. Nicht immer geht das schnell genug. Aus der Lebensmittelproduktion sind Weizen und andere Getreidesorten zwar nicht wegzudenken. »Bei Futtermitteln hat Futtergerste aber gegenüber Mais bereits etwas an Wettbewerbskraft eingebüßt«, sagt Züchter Birschitzky. Auch ganz generell wechseln LandwirtInnen öfter

»Weizen spielt bei uns im Anbau die wichtigste Rolle«, sagt Robert Harmer vom Landgut Alt Prerau. Er ist seit 40 Jahren Biobauer bei Laa an der Thaya, direkt an der tschechischen Grenze, in einem ausgesprochenen Trockengebiet. Seit 17 Jahren bewirtschaftet er 400 Hektar Ackerfläche nach den strengen Kriterien des Demeter-Verbands. »Es geht nur um den Boden«, ist Harmer überzeugt. Um gute Weizen­ erträge zu erzielen, arbeitet er mit einer ausge­ klügelten Fruchtfolge. Zuerst baut er zwei Jahre Luzerne an, die über ihre Knöllchenbakterien Stickstoff im Boden einlagern – ein idealer Dünger für den im dritten Jahr angebauten Weizen. Danach sät er über den Winter Dinkel aus, im Frühjahr Körnermais, danach ein aufbauendes Erbsengemenge, dann wieder Weizen und schließlich humuszehrende Kulturen wie Karotte oder Erdäpfel. »Das schafft resilienten Boden, der Fruchtbarkeit und Feuchtigkeit erhält«, sagt Harmer. Eines Tages werde auch im nördlichen Weinviertel eine trockenheitsresistentere Genetik nötig sein, schätzt er. Noch baut er beim Weizen auf Capo. Das zertifizierte Saatgut kauft er jedes Jahr zu. Die Zucht überlässt er aus Überzeugung den Profis und konzentriert sich stattdessen auf den Boden. Bislang mit großem Erfolg. Sein proteinreicher Weizen geht in den Export nach Deutschland; in Österreich beliefert er damit exklusiv die Bäckerei Öfferl. Die führt mittlerweile sogar ein eigenes Brot unter diesem Namen: Capo.

BILD ALT PRERAU

EXPORTWEIZEN


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KNÖDEL IM BAUCH Was sagt der Körper abwärts vom Gaumen zur Frage Kartoffel- oder Semmelknödel?

BILD ISTOCK.CO M/ NATLE, STE FAN ALFONSO

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b süß, pikant, aus Erdäpfeln, Grieß, Topfen oder altem Brot – Über den Favoriten entscheidet meist der Geschmack. Doch wenn wir den einmal beiseitelassen, welche Vorzüge hat aus ernährungsphysiologischer Sicht der eine gegenüber dem anderen klassischen Knödel? Wie unterscheiden sich Kartoffel- und Semmelknödel aus Perspektive unseres Körpers? Beide Knödel zählen vor allem zu den Kohlenhydratlieferanten, weshalb sie auch als Sättigungsbeilage gelten. Kohlenhydrate sind für unserem Körper der wichtigste Energielieferant. Der Konsens in den Ernährungsempfehlungen lautet, etwa 55–60 Prozent unserer Gesamtkalorien, also unserer Energie, aus Kohlenhydraten zu beziehen. Darum stehen Getreideprodukte und Kartoffeln auch auf der dritten Stufe der Ernährungspyramide des österreichischen Gesundheitsministeriums gleich nach Getränken sowie Obst und Gemüse. Während in Semmelknödeln etwa 25–30

Gramm Kohlenhydrate auf 100 Gramm Knödel enthalten sind, sind es bei Kartoffelknödeln etwa 20–25 Gramm. Zudem enthält die Erdäpfel-Variante auf 100 Gramm etwa 120 Kilokalorien (umgangssprachlich wird das »Kilo« immer weggelassen), ungefähr ein Drittel weniger als der Semmelknödel.

ÄHNLICH, ABER DOCH NICHT GLEICH Die beiden unterscheiden sich zudem im Proteingehalt. Während Kartoffelknödel in etwa 1–3 Gramm Eiweiß enthalten, bestehen Semmelknödeln zu etwa 5–8% aus Eiweiß, da sie mit Milch oder Pflanzendrink und meist auch Eiern zubereitet werden. Trotzdem kann man Semmelknödel aber nicht zu den eiweißreichen Lebensmitteln zählen – wie etwa tierische

TEXT Doris Müllner


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Früher gab es oft einen festen Knödeltag, wo Übergebliebenes zu den runden Delikatessen verarbeitet wurde. Da dies oft nach dem Sonntagsessen der Fall war, galt der Montag lange Zeit als Knödeltag.

KNÖDEL VORM VORTAG

Mehr Vitamine Wenn bei den Kartoffelknödeln die Schale mitverarbeitet wird, erhöht das den Gehalt an Ballast- und Mikronährstoffen.

reitet werden können. Gluten ist an sich nicht ungesund, immer mehr Menschen haben allerdings Schwierigkeiten mit der Verdauung von Gluten oder von Weizenprodukten. Ernährungsphysiologisch betrachtet haben Kartoffel- doch ein paar kleine Vorteile gegenüber Semmelknödeln, um viel gehts aber nicht. Zentral ist dabei, womit die Knödel kombiniert werden. »Die Entscheidung Semmel- oder Erdäpfelknödel ist für mich eine rein geschmackliche. Auf der Nährstoffebene unterscheiden sie sich nur wenig. Viel wichtiger ist, was man dazu isst. Und die Qualität der Zutaten!«, sagt die Ernährungs- und Gesundheitswissenschaftlerin Theres Rathmanner, die am Institut für Gesundheitswis-

Doch mit einer anderen Qualität stechen Kartoffelknödel besonders positiv hervor: sie enthalten resistente Stärke. Denn wenn gekochte, stärkehaltige Lebensmittel abkühlen, verändert ein Teil der entWenn gekochte, stärkehaltige haltenen Stärke nach 12 bis 24 StunLebensmittel abkühlen, den seine Struktur. Sie ist dann für verändert ein Teil der den Darm nahezu unverdaulich, wirkt wie eine Art Ballaststoff und stärkt die enthaltenen Stärke Darmflora. Sogar durch erneutes Erhitnach 12 bis 24 Stunden zen wird sie nicht zerstört. Der unverseine Struktur. dauliche Stoff wird nämlich von Darmbakterien abgebaut und dient unserer Mikroflora als Nahrung. Das kann beispielsweise unser Immunsystem stärsenschaften der Fachhochschule St. Pölten ken und gleichzeitig für Sättigung sorgen. Das forscht. Eine ausgewogene Mahlzeit enthält bedeutet auch, dass ein Teil der Stärke, die wir Kohlenhydrate, Eiweiß, Fett und Ballaststofin den Knödeln zu uns nehmen, gar nicht verfe – sprich zum Knödel brauchen wir vor alstoffwechselt wird. Dafür müssen die Kartoflem Gemüse und Eiweißquelle. Die Wirtsfeln für den Knödelteig oder die Knödel aber hausklassiker werden oft am einfachsten am Tag zuvor gekocht werden. Semmelknödel zu ausgewogeneren Mahlzeiten, indem wir vom Vortag enthalten nur sehr geringe Mendie Fleischmengen verkleinern und die von gen resistenter Stärke. Kartoffelknödel haben ­Gemüsebeilagen oder Salat vergrößern außerdem den Vorteil, dass sie glutenfrei zube.

BILD ISTOC K. COM/ EPINE ART

Althistorischer Knödeltag

Produkte oder Hülsenfrüchte. Beim Blick auf die Mikronährstoffe, also den Gehalt von Vitaminen und Mineralstoffen von Lebensmitteln, zeigt sich: Kartoffelknödel enthalten etwas Vitamin C, Magnesium und Kalium, Semmelknödel enthalten beispielsweise Spuren von Zink oder B-Vitaminen. Ein Bestandteil beider Knödel sind Ballaststoffe. Diese sind wichtig für eine längere Sättigung und eine gesunde Verdauung. Beide Knödel enthalten in etwa 1 bis 2 Gramm Ballaststoffe pro 100 Gramm, was sie keinesfalls zu ballaststoffreichen Lebensmitteln macht. Würden wir hier zum Beispiel auf Vollkornsemmeln zurückgreifen, wäre sowohl der Eiweiß- als auch der Ballaststoffgehalt deutlich höher.


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BUTTERBRÖSEL ODER BRÖSELBUTTER? B ILD VA NE SS A MAAS /BRA NDSTÄTTE R VE RLAG

Die BIORAMA-Kochbuchempfehlung aus den Neuerscheinungen des Herbsts 2023: Katharina Seisers »Österreich Express«.

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Ihr bisher persönlichstes Kochbuch habe sie mit »Österreich Express« veröffentlicht, schreibt Katharina Seiser im Vorwort zu diesem Buch, das, »Express« hin oder her, vor allem eine zentrale Klammer hat: Was regelmäßig auf Katharina Seisers Tisch kommt, teils seit ihrer Kindheit. Aufhänger ist aber die Alltagstäuglichkeit, der Weg zum Standarwerk wie

twa auch bei den Kochbuchkassenschlagern »Immer schon vegan« (2015) und »Immer wieder vegan« (2020) scheint vorgezeichnet. Eine Sammlung von allem, das die der »traditionellen« österreichischen Küche Verbundenen, sowieso öfters kochen – von einer Frau, die Karfiol in zwei Varianten anbietet: Butterbrösel oder Bröselbutter. Die die Eiernockerl aus der

TEXT Irina Zelewitz


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» ÖSTERREICH EXPRESS« von Katharina Seiser, Brandstätter, 2023.

Vereinnahmung befreien will und nicht davor zurückschreckt, auch ihre eingefleischtesten Kindheitserinnerungsgerichte einmal in anderen, neuen Variante zu kochen, das Ergebnis für gut zu befinden und in ein Rezept zu schreiben. Wer heuer (nur) ein neues Kochbuch erwerben möchte, dem sei dieses voller alter, beiläufiger Weisheiten empfohlen.

ERDÄPFELTEIG

4. Mehl darauf verteilen, mit der Teigkarte in die Erdäpfel eher von oben „hineinstechend“ einarbeiten. Sobald der Teig homogen bröselig wirkt, mit bemehlten Händen flott (sonst wird er zäh und klebrig), aber sorgfältig zu einem glatten Teig verkneten. Der Mehlbedarf kann dabei sehr unterschiedlich sein, s. Tipps. Der Teig soll weich, aber gut formbar sein. 5. Teig sofort weiterverarbeiten, er wird sonst feucht, klebrig und zu weich. Entweder für Schupfnudeln, Grammelknödel, Zwetschkenknödel (Variante) oder Mohn- oder Nussnudeln verwenden oder in anderen Formen (s. Varianten) verarbeiten.

Basis für Schupfnudeln, Grammelknödel und Mohnnudeln und viel einfacher, als man denkt. Sind gekochte Erdäpfel vom Vortag da (und das sind sie bei uns – absichtlich – oft), ist Erdäpfelteig nämlich im Handumdrehen gemacht. Da er gar nicht rasten soll (weil er sonst Feuchtigkeit zieht, klebrig wird und man mehr Mehl verwenden muss), ist er der ideale Kandidat für dieses Buch. Bei der Recherche fiel mir auf, dass es zig Varianten mit Ei oder nur Dotter, mit beidem, mit Butter oder ohne, mit Grieß und Stärke gab. Allen gleich war nur die Verwendung mehliger Erdäpfel, Ei in irgendeiner Form, Mehl und Salz. Nach einigen Versuchen samt Blindverkostung war klar: Keep it simple, es hängt von der Qualität der Erdäpfel und nicht zu viel Mehl ab. Ein super Basisteig.

TIPPS

ZUTATEN

VARIANTEN

für 4 Portionen Schupfnudeln oder Grammelknödel oder Mohnnudeln als Hauptspeise (oder 8 als Nachspeise)

Man kann diesen Teig auch in ca. 1 cm dicke Rollen formen, davon kleinere Wuzerl, Baunzerl oder Nockerl abstechen oder -schneiden und kochen, das geht noch schneller als Schupfnudeln zu formen. Aus kleinen gekochten Nockerln (wie kleine Gnocchi) Schottnockerl machen. Oder kleine Nockerl mit Paradeissauce servieren. Oder die Teigstücke (welcher Form auch immer) roh langsam in reichlich Butterschmalz knusprig braun braten, so hat meine Oma kleinfingerdicke Erdäpfelwuzerl gemacht. Die wurden dann mit Blaukraut gegessen oder mit einem Sauerrahmgmachtl überbacken und mit Sauerkraut verspeist.

• ca. 600 g am Vortag in der Schale gekochte große mehlige Erdäpfel, s. Tipp • 1 Ei (Größe egal) • 1 TL feines Salz (6–7 g)

• 1 gute Prise Muskatnuss • evtl. Abrieb von 1/2 Zitrone • ca. 100 g Weizenmehl (universal) + evtl. mehr

ZUBEREITUNG 1. Erdäpfel schälen und abwiegen, es sollen ca. 500 g geschälte Erdäpfel sein. 2. Erdäpfel durch die Wiegepresse (s. Bild) passieren, auseinanderbreiten. 3. Ei, Salz und Muskatnuss (und evtl. Zitronenschale) darauf verteilen, mit der Teigkarte mit dem Erdäpfel»schnee« vermengen, bis kein flüssiges Ei mehr zu sehen ist.

Erdäpfel nach dem Kochen abgießen und mit Küchenpapier unter dem Deckel einfach heraußen auskühlen lassen. Sie lassen sich viel besser verarbeiten, wenn sie noch nicht im Kühlschrank waren (das geht aber nur, wenn Sie wissen, dass Sie sie gleich am nächsten Tag verarbeiten, länger als über Nacht sollten Erdäpfel nicht heraußen stehen bleiben). Je nach Erdäpfelsorte und -alter braucht der Teig kein zusätzliches Mehl (weil gar nichts klebt) oder eine leicht bemehlte Arbeitsfläche oder gut bemehlte Hände auf einer bemehlten Arbeitsfläche. Oder zusätzlich teelöffelweise Mehl.

BRÖSELKARFIOL War schon immer ein Lieblingsgericht, wird immer eines bleiben. Ob mit flüssig-luxuriöser Bröselbutter oder tro-

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REZEPTE AUS:


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44 Katharina Seiser

BIORAMA.EU/ KATHARINA-SEISER

ZUTATEN für 2 Portionen

Katharina Seiser war im Jahr 2016 eine BIORAMA-Ausgabe gewidmet. biorama.eu/katharina-seiser

• 600–700 g Karfiol und/oder Romanesco und/oder Brokkoli • Salzflocken

für die Bröselbutter (2–3 Portionen)

• 125 g Butter • 25 g Semmelbrösel • feines Salz • Muskatnuss • 1 Zitrone • 1–2 TL möglichst kleine Kapern in Lake

b) für die Butterbrösel (2–3 Portionen) • 125 g Butter • 125–150 g Semmelbrösel • 1 EL Kapern in Lake • ca. 5 Zweige Petersilie • 1 Zitrone • 2 EL geriebene geröstete Haselnüsse • feines Salz • Muskatnuss

ZUBEREITUNG 1. Dampfgarer vorheizen oder einen Topf mit Dämpfeinsatz mit Wasser bis knapp unter den Einsatz zustellen. 2. Karfiol & Co. putzen, dafür mit einem scharfen kleinen gebogenen Messer in nicht zu kleine Röschen inkl. Stielen teilen, evtl. braune Stellen wegschneiden. Strünke rundum schälen, bis sie sich nicht mehr faserig/trocken anfühlen. Röschen und Strünke waschen. 3. Gemüse im Dampfgarer oder bei geschlossenem Deckel im Dämpfeinsatz dämpfen, bis eine schmale Küchenmesserspitze mühelos hineingleitet. Das dauert je nach Gemüse und Größe ca. 10 (Brokkoli) oder 15–20 Minuten (Karfiol/Romanesco). „Bissfest“ wäre zu fest, fallen die Röschen schon beim Hinschauen auseinander, war’s zu lang. 4. Spätestens während das Gemüse gart, müssen Sie sich entscheiden, es gibt 2 Möglichkeiten: a) Für die Bröselbutter in einer nicht zu großen Pfanne Butter aufschäumen lassen, Brösel darin unter öfterem Rühren mit einem Pfannenwender bei mittlerer Hitze langsam bräunen lassen,

das dauert je nach Pfanne und Herd mind. 5 Minuten. Die Butter wird dabei auch goldgelb bis hellbraun und beginnt intensiv zu duften. Salzen ( je nach Brösel ca. 1/4 TL) und mit 1 Prise Muskatnuss würzen. Falls das Gemüse jetzt noch nicht fertig ist, Bröselbutter in einen kleinen Krug umfüllen, weil sie sonst zu dunkel wird. Zitrone waschen, abtrocknen, mit dem Zestenreißer einige Streifen direkt in die Bröselbutter reißen. Kapern abtropfen lassen und dazugeben. b) Oder für die Butterbrösel Butter in einer großen Pfanne aufschäumen, Brösel dazugeben, unter öfterem Rühren mit einem Pfannenwender bei mittlerer Hitze langsam hellbraun rösten. Das dauert gut 10 Minuten. Währenddessen Kapern abtropfen lassen und nicht ganz fein hacken, Petersilie waschen, trocken tupfen, inkl. zarter Stängel nicht ganz fein schneiden. Zitrone waschen, abtrocknen. Wenn die Brösel die richtige röstbraune Farbe haben, schön knusprig sind und duften, vom Herd nehmen (dunkeln nach!). Haselnüsse, gehackte Kapern, Petersilie und feinen Abrieb von 1/4–1/2 Zitrone einrühren. Mit Salz ( je nach Bröseln ca. 1/4 TL) und 1 guten Prise Muskatnuss abschmecken. 5. Gemüse anrichten, mit Salzflocken bestreuen. Reichlich Bröselbutter oder Butterbröseln dazu servieren. Und Achtung: Bei den Bröseln verbrennt man sich schnell den Mund!

TIPPS Bröselbutter und Butterbrösel halten gut verschlossen ein paar Tage im Kühlschrank. Einfach wieder in einer kleinen Pfanne erhitzen. Übrig gebliebenes gegartes Gemüse noch lauwarm mit Vinaigrette oder Dressing mischen und sich am nächsten Tag über die Jause oder ein leichtes Mittagessen freuen. Varianten: Kohlrabistifte, halbierte Kohlsprossen, Karottenstifte, Fisolen, Spargel statt Karfiol & Co. verwenden. Den meisten Gemüsen stehen Kapern und Zitronenschale hervorragend, manchen (wie Kohlgemüsen) auch 1 Spritzer vom Saft. Falls 1 hart gekochtes Ei da ist: schälen und entweder fein hacken oder durch die Wiegepresse drücken und auf die Bröselbutter geben. Wer mag, kocht noch ein paar Erdäpfel extra dazu.

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cken(er)en, aufregend aromatischen Butterbröseln, das entscheiden Sie nach Tagesverfassung. Hauptsache sehr viel davon!


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KOCHEN WIE FRÜHER F

Wer braucht Paleo, wenn er Bronzezeitküche haben kann?

ür ein prähistorisches Gericht aus der Bronzezeit begab sich im Jahr 2013 Parvin Razavi (damals BIORAMA-Köchin, heute Haubenköchin) auf eine kulinarische Entdeckungsreise. Inzwischen wurde die kreative Rekonstruktion/ rekonstruktive Kreation auch zur Illustration der historischen Pflanzennutzung herangezogen. Zum Zehn-Jahre-Jubiläum ist es Zeit für eine Neuveröffentlichung.

BRONZEZEIT-HIRSOTTO In Stillfried an der March traten bei archäologischen Ausgrabungen verkohlte Speisereste aus der späten Bronzezeit (dem Zeitraum zwischen 1300 und 1000 vor Christus) zutage. Bei diesen »verbackenen Klumpen« handelt es sich um eine Art bronzezeitliches Getreide-Eintopfgericht (Hirsotto) aus verschie-

denen Getreidezutaten, die im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung durch Marianne Kohler-Schneider, Archäobotanikerin an der Universität für Bodenkultur in Wien, als Hirse, Gerste und Roggentrespe identifiziert wurden. Die Roggentrespe wächst bei uns nur noch als Ackerunkraut, war aber zur damaligen Zeit ein Bestandteil der allgemeinen Ernährung. Vor allem ging es den Menschen damals darum, ihren Magen zu füllen und genug Kalorien zu sich zu nehmen – ganz simpel gesagt: Es ging darum, zu überleben. Das Grundrezept mag deshalb sehr schlicht erscheinen. Da die meisten der heute genutzten Gewürze und Gemüse erst mit der Römerzeit und dem Mittelalter zu uns kamen, waren die kulinarischen Möglichkeiten, prähistorische Gerichte zu würzen, auf Salz sowie wenige wild wachsende Kräuter und Wildgemüse beschränkt. Das Rezept trägt dem Rechnung.

TEXT Parvin Razavi BILD Arnold Pöschl

Wer mehr über die Pflanzennutzung im historischen Niederösterreich erfahren will: »Pflanzennutzung« von Michaela Popovtschak, Andreas G. Heiss, Hans-Peter Stika in: Michaela Lochner (Hrsg.), Brandbestattung und Bronzemetallurgie – Die Urnenfelderkultur in Niederösterreich (1300–800 v. Chr.), Archäologie Niederösterreichs 5 (Wien 2021).


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DIY BRONZEZEIT-HIRSOTTO ZUTATEN

Sie kocht weder explizit iranisch noch österreichisch, sondern bezeichnet ihre Küche als »moderne Weltküche«.

• 50g Goldhirse • 50g Gerste • 25g Roggentrespe* • 20g Speck**

* muss »entspelzt« werden, dazu die Körner in einer Pfanne erhitzen und anschließend durch händisches Abreiben und Ausblasen der sich leicht lösenden Spelzen. Bei der Dosierung ist Vorsicht geboten, da die Roggentrespe durchaus etwas bitter sein kann. ** ist zwar anhand der archäologischen Funde nicht nachweisbar, könnte aber durchaus im Original enthalten gewesen sein (und dient außerdem der geschmacklichen Aufbesserung).

ZUBEREITUNG Speck in der Pfanne anrösten, Getreide zufügen und kurz mit anbraten. Mit ungefähr der doppelten Menge Wasser aufgießen, leicht salzen und zugedeckt bei geringer Hitze quellen lassen. Zum Schluss den Bärlauch unterheben. Dank an Herrn Dr. Andreas Heiss von der Universität für Bodenkultur in Wien und an das ­Urgeschichte-Museum in Asparn a. d. Zaya.

BILD MICHAE LKOE NI GSHO FER

Parvin Razavi hat früher bei und mit BIORAMA gekocht und drüber geschrieben, kocht heute im Wiener Restaurant »& Flora« und ist »New­comerin des Jahres« 2023 (»Gault Millau«).

• Salz • Bärlauch oder Brennessel** • Wasser


BIO R A M A NÖ

AU S D E M V ER L AG

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UND SONST SO, IM BIORAMAUNIVERSUM ... ENTGELTLICHE KOOPERATION MIT DER MESSE WIESELBURG

NÖ, AUSGEZEICHNET!

BILD THOMAS WEBER, BI ORAMA

Das sind die »Bio-Produkte des Jahres« 2024 aus Niederösterreich. Beide entsprechen dem Food-Trend »New Glocal« und regionalisieren üblicherweise Weithergeholtes. Alle Jahre wieder im November zeichnen BIORAMA und die Messe Wieselburg die »Bio-Produkte des Jahres« aus. Die Idee des seit 2018 vergebenen Awards ist es, die Vielfalt der Produkte der österreichischen Biobranche zu zeigen und aus dem wachsenden Angebot Herausragendem eine Plattform und Aufmerksamkeit zu bieten. Weil sich Äpfel nicht mit Birnen vergleichen lassen und Zwicklbier schwer mit Brotaufstrichen oder Würzsaucen mit Düngemitteln für den Biogarten, wird der Award in mehreren Kategorien vergeben. Neben den Kategorien Farm & Craft für bäuerliche Erzeugnisse und solche aus Manufakturen, Retail & Big Brand für Handels- und große Vermarktungsunternehmen, Bio-Garten sowie Bio-Getränk des Jahres gibt es auch Sonderkategorien: u. a. Farm & Craft – Niederösterreich für Produkte aus dem größten österreichischen Bundesland und Bio Austria für Mitgliedsbetriebe des größten österreichischen Bioverbands. In beiden Genannten gingen die Trophäen nach Niederösterreich. Beide Produkte – das feine Bio-Rosen-Hydrolat und die geschmacklich abgerundete Fischsauce – entsprechen einem der be-

deutendsten aktuellen Food Trends »New Glocal«; also der Regionalisierung üblicherweise von weither geholter, importierter Produkte. Wie im Vorjahr gab es Nominierungen aus allen neun Bundesländern. Ausgezeichnet wurden sowohl altbekannte Unternehmen, als auch innovative Produkte von Unternehmen, die erst seit jüngster Zeit auf eine Biozertifizierung setzen. Neuzugänge gab es auch in der Jury. An der Seite von langjährigen JurorInnen wie Reinhard Gessl (Forschungsinstitut für biologischen Landbau), Kulinarik-Journalistin und Kochbuchautorin Katharina Seiser, Designer Jürgen Undeutsch (Messe Wieselburg) und BIORAMA-Herausgeber Thomas Weber erstmals dabei: die neue Bio-Austria-Obfrau Barbara Riegler, Stefan Strobelberger (Natur im Garten) und Ernährungsökologin Theres Rathmanner vom Institut für Gesundheitswissenschaften der FH St. Pölten. Die Bewertungskriterien waren unverändert Innovation, Design, Nachhaltigkeit und Nomnom/ Spaßfaktor. Shortlists aller nominierten sowie eine Vorstellung der ausgezeichneten Produkte aller Kategorien unter biorama.eu/bioprodukt-des-jahres


B IO R A M A N Ö

AU S D EM VER L AG

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Kategorie Farm & Craft NÖ

FISCHSAUCE VOM GENUSSKOARL

BIOHYDROLAT ROSENWASSER VOM BIOHOF HASELBERGER

Für die authentische Zubereitung vieler nahöstlicher Speisen, für­Reispuddings oder Mandelkuchenrezepte ist Rosenwasser unverzichtbar. In Bioqualität ist es kaum verfügbar, an Rosen aus regionalem Anbau war bislang ohnehin nicht zu denken. Nun kommt ausgerechnet aus dem südlichen Waldviertel ein hochkonzentriertes bioregionales RosenHydrolat. Denn der Biohof von Christa und Rupert Haselberger in Nöchling, eigentlich auf die Haltung von Milchkühen spezialisiert, nutzt verstärkt auch die »Waldviertler Pflanzenkraft«. Und bringt als Ergebnis schonender Wasserdampfdestillation der Rosenblütenblätter deren wasserlösliche Inhaltsstoffe ohne Alkohol oder andere Zusatzstoffe in 75ml-Pumpsprühfläschchen. Juror Reinhard Gessl schwärmt vom »starken, unverfälschten Geschmack bei gleichzeitiger Zurückhaltung«. Bio Austria-Obfrau Barbara Riegler ist vom Gesamtpaket begeistert: »Edel, irgendwie englisch, elegant«. waldviertlerpflanzenkraft.at

fischsauce.at

BILD PRIVAT, GENUS SKOA RL

Kategorie Bio Austria

Wenige Tropfen fermentierter Fischsauce reichen aus, um den Geschmack von in der Pfanne Zubereitetem, von Fleisch-, Fisch- und Gemüsemarinaden, Suppen, Saucen oder auch Salatdressings auszubalancieren. Das ist keine Raketenwissenschaft, sondern uraltes Wissen. Unter dem Namen »Garum« war Fischsauce bereits in der Antike beliebt, sie ist somit seit Jahrtausenden Teil der europäischen Esskultur. Gegenwärtig kommt Fischsauce allerdings vor allem in der asiatischen Küche zum Einsatz – und als Produkt zumeist von weit her. Dank einer Zusammenarbeit von Karl Severin Traugott (Genusskoarl) und Klaus Declava (Declava’s Alpenfisch) gibt es nun eine wohlschmeckende regional hergestellte Fischsauce in bester Bioqualität. Dafür verarbeitet werden die Karkassen und Innereien von Declavas Forellen und Saiblinge aus Mariazell. In der Weinviertler Brauküche des Genusskoarl, bekannt für seine Würzsaucen auf Lupinenbasis (u.a. die »Wiener Würze«) oder sein Kichererbsenmiso, fermentieren sie dann nach einer Beigabe von Salz der Salinen Austria zu jener Fischsauce, die auch die Jury fürs »Bio-Produkt des Jahres« euphorisierte. »Ein vielschichtiger, dichter und vermutlich mehrheitsfähiger Geschmack mit komplexer Aromenvielfalt «, meint Reinhard Gessl. »Schmeckt intensiv und überraschend sardellig für Süßwasserfische«, urteilt Katharina Seiser, »großartig!«, sagt Theres Rathmanner.


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MAGAZIN

UPCOMING

Die vierte Hauptstadtausgabe kommt!

ABO

BIORAMA IM ABO

Im März 2023 erscheint wieder biorama Wien–Berlin. Das Heft, in dem wir uns die unterschiedlichen Antworten dieser beiden Städte auf ihre Bedürfnisse ansehen. Denn: Wir lieben unsere Hauptstädte, wollen sie aber stets noch liebenswerter gestaltet wissen und dazu immer wieder neue gute Vorbilder suchen.

Jährlich sechs Ausgaben direkt in deinen Briefkasten! Auch wenn biorama ein Gratismagazin ist, kannst du es abonnieren und bekommst jede Ausgabe nach Hause geschickt – bei einem Wohnsitz in Österreich auch unsere Line-Extension biorama Niederösterreich. Für 25 EUR im Jahr bist du dabei und unterstützt unsere unabhängige redaktionelle Arbeit. biorama.eu/abo

MAGAZIN

COMING SOON!

MAGAZIN

Das BIORAMA-Bookazine für alle ÖsterreicherInnen, die Wert auf biologische Küche legen, geht in die vierte Runde! Wir zeigen die Vorzeigebetriebe der Bioverpflegung genauso wie jene, die deren Grundlagenarbeit machen: BioproduzentInnen von Vorarlberg bis zum K ü21c h e H E Bs tie ro Neusiedler See. Bei uns C r e i c h • 20 Ö KH •• Ü BSSTTIEERRO 21 2023 20 CH REEIIC R Ö Ö erzählen sie, worauf sie stolz sind und womit sie hadern. Im Mitmachteil widmen wir ­uns schwerpunktmäßig – endlich – der ­Pasta – in ihrer klas– BIO PREMIUM O BI sischen, köstlichen EIN High-carbFACH BESSER Form, aber auch den neuen, kreativeren Varianten. Richtig viele richtig gute Produktempfehlungen, Küchentipps und Rezepte gibt’s obendrauf! Produkte stehen Bio Premium achtungsvollen SalzburgMilch Geschmack und mit Tier und für natürlichen Bauernfamilien htliUmgang unserer n nicht nur die Bio-Ric tiUmwelt. Sie befolge im Rahmen der einzigar achten dass ihre nien sondern sinitiative darauf, Wohlerfür ihr gen Tiergesundheit Bedingungen ideale he . Und zwar Milchkü Gesundheit erhalten Wie gehen und ihre Vorgaben hinaus! iche gesetzl gMilch weit über rnhöfe der Salzbur alle Familien-Baue

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WUNSCHAUSGABE

BIORAMA BIOKÜCHE 2024

Ausgabe verpasst? BIORAMA-Einzelexemplar direkt in deinen Briefkasten! Du weißt genau, was du willst, und das ist eine bestimmte Ausgabe unseres Magazins? Wir bieten – mit begrenzter Verfügbarkeit – auch Einzelexemplare an. Abgebildet ist übrigens unsere zweite Hauptstadtausgabe BIORAMA Wien–Berlin zum Schwerpunkt Stadtwildnis. Solange der Vorrat reicht, schicken wir dir gerne deine Wunschausgabe – druckfrisch oder aus unserem Archiv ab dem Jahr 2015 – zum Pauschalpreis zu dir nachhause oder in dein Büro oder an deine FreundInnen in der Europäischen Union. biorama.eu/abo

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B IO R A M A N Ö

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HOCH DIE SILOSOPHIE!

Vom leerstehenden Getreidesilo als Projektionsfläche und vertikale Spielwiese für neue Ideen.

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu

M

ILLUSTRAT ION I STO CK.COM/ FRANKRAMSPO TT

TEXT Thomas Weber

ein erster Impuls: abreißen. Wenn ein Bauwerk, das schmucklos und ohne Die allermeisten stehen in Ostösjeden Schnörkel weithin die Landterreich, wurden zwischen 1950 schaft versaut, wirklich nicht mehr und 1970 erbaut und befinden sich gebraucht wird, wäre es doch für alle ein Gewinn, würim Besitz der lokalen Lagerhausgede es geschleift und aus der Welt geschafft. »Erinnert ihr nossenschaften. Als »Wahrzeichen euch noch an die Bürgerbefragung zum Lagerhausareal einer aufstrebenden Getreidelandim März?«, hatte eine Neos-Ortsgruppe auf Facebook wirtschaft der Nachkriegszeit« lösten gefragt. »Die Ergebnisse dazu wurden leider nie dissie damals die traditionellen Schüttkutiert und veröffentlicht.« Auch ich hatte mich an kästen ab, nährten den Wohlstand, stander Umfrage der Stadtgemeinde Gänserndorf beteiden für Versorgungssicherheit und den ligt. Ich bin zwar heute nur noch selten dort, wohne Siegeszug des industrialisierten Ackeraber wieder in der Gegend. Und ein knappes Jahrbaus. Dass die Stahlbetonhüllen manchzehnt hat der Lagerturm der Bezirkshauptstadt seierorts nicht mehr genutzt werden, heißt nen langen Schatten auf meinen Schulweg gewornicht, dass hierzulande kein Getreide mehr fen. Man fühlt sich also irgendwie betroffen, wenn gelagert wird. Mittlerweile passiert das aber Landschaftsprägendes oder Lange-den-Weg-Weiverstärkt in Stahltanks und ebenerdig, was sendes diskutiert wird. Mitlesend und nachfraleichter zu reinigen und günstiger zu warten gend – die Neos Gänserndorf hatten ihre Konist. Einige Türme wurden deshalb bereits gezeptidee öffentlich präsentiert – stieß ich das sprengt. Doch auch in Niederösterreich gibt erste Mal auf die Ideen der »Silosophie« und es gelungene Formen der Nachnutzung: In auf die Masterarbeit von Armin Knöbl, der Tulln beispielsweise wurden Silos zu bewohnden gleichnamigen Verein vor einiger Zeit ten Wolkenkratzern. Die Silosophie sieht die gegründet hat: »Silosophie. KonzeptualiChance, Türme zu »Wahrzeichen des Wandels« sierung von nachhaltigen Nutzungsmögzu machen. Von der Nutzung als Heimatmuseum, lichkeiten für Getreidespeicher-Türme« Jugendzentrum, Kunstdepot, Hotel, Kletterturm (2021, Institut für Soziale Ökologie, Aloder – ein Gedanke der Gänserndorfer Oppositionspe-Adria-Universität Klagenfurt). Dafür partei – als »Solar Silo«: Ideen gibt es viele. »Wir hahat Knöbl unter anderem erfasst, wievieben die Konzeptidee entwickelt und vorgestellt, weil le noch oder nicht mehr genutzte, hoch wir finden, dass Stadtentwicklung alle etwas angeht«, in den Himmel reichende Getreidespeierklärt Obmann Joseph Lentner auf Nachfrage. In der cher es in Österreich gibt, wie es diesbeVergangenheit wären Projekte dieser Größenordnung züglich weltweit aussieht, welche Lömeist durch die Meinung der Mehrheitsparteien diksungen gefunden wurden, Leerstand tiert und umgesetzt worden. BürgerInnenbeteiligung zu vermeiden. Denn Gänserndorf und Visionsfindung hätte kaum stattgefunden. In Nieist kein Einzelfall. Von den 340 in derösterreich gibt es derzeit noch 150 Silospeicher; dreiÖsterreich ermittelten Silotürmen mal so viele wie es Neos-Ortsgruppen gibt. Aber gute Idestehen 36 leer. Einige werden seit en kann ja ein/e jede/r haben. Jahrzehnten nicht mehr genutzt.


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