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BIORAMA NIEDERÖSTERREICH AUSGABE 3 —JULI 2019. WWW.BIORAMA.EU
BIORAMA NIEDERÖSTERREICH Grüner Ring: Ein Masterplan soll rund um Wien für geschützten Naturraum sorgen. Verkehrswende: Passen Landleben und Elektromobilität zusammen? Biotechnologie: In Tulln werden Enzyme entwickelt, die beim pet-Recycling helfen.
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un halten wir schon die dritte Ausgabe, in der biorama sich ganz dem Bundesland Niederösterreich widmet, druckfrisch in den Händen. Für diese Regionalausgabe haben wir natürlich die übliche »biorama-Brille« aufgesetzt. Das bedeutet, dass wir uns nach Ideen, Projekten und Initiativen umgesehen haben, die sich das N-Wort ins Programm geschrieben haben – die Nachhaltigkeit. Dabei sind wir auf interessante Menschen und Geschichten gestoßen. Wenn wir ehrlich sind, auf so viele, dass wir in der Redaktion das Gefühl haben, wir könnten noch viel häufiger als bisher eine NÖ-Ausgabe von biorama in die Druckerei schicken. Übrigens steht auch diese Druckerei in Niederösterreich. Die Recherchen für dieses Heft haben uns quer durch NÖ geführt. Wir waren in Tulln, wo ein Team von ForscherInnen an Plastik-Recycling-Methoden arbeitet, und das auf Weltklasse-Niveau (S.52). Wir waren in Krems, wo interdisziplinär das Altern im ländlichen Raum unter die Lupe genommen wird (S.48). Wir haben uns die Frage gestellt, wie Elektroautos und das Leben am Land zusammenpassen, und Antworten südlich von Wiener Neustadt gefunden (S.40). Wir haben mit der neuen Chefin des Nationalparks Donau-Auen gesprochen (S.24). Und wir haben ein uramerikanisches Kunstwerk für unser Cover geremixt (S.14). Wir hoffen, die dritte Ausgabe von biorama NÖ gefällt euch. Und natürlich freuen wir uns über Feedback, Anregungen und tatsächlich auch über kritische Nachfragen unter redaktion@biorama.eu.
BILDER MI CHAEL MICKL, E LIS ABETH E LS
Wir wünschen gute Lektüre!
Thomas Stollenwerk, Chefredakteur stollenwerk@biorama.eu
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Übrigens: Die nächste Ausgabe von BIORAMA Niederösterreich erscheint im Oktober 2019.
IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEUR Thomas Stollenwerk AUTOR*INNEN Michael Anranter, Franziska Bechtold, Heidi Dumreicher, Thomas Stollenwerk, Thomas Weber GESTALTUNG Michael Mickl, Lisa Weishäupl COVER Michael Mickl ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Micky Klemsch, Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck Gesellschaft mbh, Gutenbergstraße 12, 3100 St.Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT www.biorama.eu, redaktion@biorama. eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT siehe Website: www.biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 2× jährliche Niederösterreich-Ausgabe ERSCHEINUNGSORT Wien BLATTLINIE BIORAMA ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint sechs Mal im Jahr.
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BIL D DER AU SGA B E
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BILD Vorname Nachname
BILD DER AUSGABE HEADLINE Pa poriatur, omnis volupta ssimodi tatusam, est, ut optam fuga. Et est, intur moluptas dolupta dolorem estrum fugit idelentotat lam que dolore pa voloriatet aliquiatur, temquiducim restiur autes utes ex es magnihi ctiore mo eatur, ut faceprati quas sinciae conem. Aximporent most, offic tem volese ex esciisi minimus que nus perio blab in cum illesequam fugitas vollestrume vendeli aernam, quia et aut etur? Is pliatae maionse quaturis reped explatquos quo ipsam harunt optam et que es in reperem apictatur? Undae conseque conectatem et ut alit prae velique simodio erspedi gnatur, voloria nis ut eosam, coreiust anditate volorpore quates dit ventem vendaectatem et plam, experum quos alia volupta quiam, num volut verum ut quid que que et eatiunt ut quame velitia cullaccus sint. Ut volest qui nis eumquisci ute ommoluptat accae erferumquam et la si to mi, officia tureptat venihit volorit accuptatiur, volum, abo. IRINA ZELEWITZ
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POLYMERHABITAT Vom 7. Juni bis 27. Juli zeigt der Kunstraum Niederösterreich in der Wiener Innenstadt die Gruppenausstellung »Nature \ nature«. Darin wird die aktuelle Renaissance der Natur als Sinnbild von Unberührtheit und als Sehnsuchtsort zum Thema, so die Kuratorin Mirela Baciak. »Jahrhundertelang wurde die Natur dabei als Gegenpol zur Kultur postuliert – eine Dichotomie, die heute nicht mehr haltbar ist: Neue Hybridformen zwischen organischer/anorganischer Umwelt und technischen Artefakten machen eine solche Unterscheidung obsolet. Mit der Ausstellung versammelt der Kunstraum Niederösterreich zehn Positionen, die sich der Zukunft und dem Stand der Natur unter Einfluss unserer technologisierten Gegenwart widmen.« Teil der Ausstellung sind auch Fotografien gefundener Objekte der polnischen Künstlerin Diana Lelonek. »Lelonek sammelt und klassifiziert Objekte, die aus der Symbiose von Pflanzen und Abfall entstanden sind und schließlich selbst zu einem neuen natürlichen Lebensraum für lebende Organismen wurden: Buchstäblicher können wirtschaftliche und soziale Prozesse kaum mit sogenannten organischen verschmelzen.«
BILD CULTI VAR413 UNTER CC-BY 2.0
Ausstellung »Nature \ nature« 06.08. bis 27.07.2019 Kunstraum Niederösterreich Herrengasse 13 1014 Wien
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Konstantin Wecker | Yiddish Glory | Refugees For Refugees | Omar Sosa | Wolfram Berger | Michael Köhlmeier | Erwin Steinhauer | Mira Lu Kovac | Clemens Wenger | Uxía | She´Koyokh | u.v.m.
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INHALT
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Editorial
04 Bild der Ausgabe 09 10 14
Tweet Talk Splitter Lower Austrian Gothic Wir haben eine Ikone der amerikanischen Kunst geremixt.
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Stadt, Rand, Flur Der Masterplan eines »Grünen Rings« um Wien soll Naturraum erhalten
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Good Practice: Perchtoldsdorf Wie 400 Freiwillige und 250 Steinschafe eine Jahrtausende alte Kulturlandschaft erhalten.
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»Wildnis im Garten hilft enorm« Die Direktorin des Nationalparks Donauauen, Edith Klauser, erklärt, warum es »Korridore des Lebens« braucht.
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Sicht der Donau Wie sehen Menschen entlang der Donau ihren Fluss?
STADT, RAND, FLUR
Die lebenswerteste Stadt der Welt wuchert in ihr Umland. Der Masterplan eines »Grünen Rings« um Wien soll nun naturnahen Erholungsraum, aber auch Äcker, Wiesen und Weinberge erhalten.
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Passen Landleben und Elektromobilität zusammen? Viele Menschen halten Elektroautos und das Leben auf dem Land für unvereinbar. Doch immer mehr Leute entdecken, dass das nicht stimmt.
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Besser Altern Das Kompetenzzentrum Gerontologie analysiert die Lebenssituation älterer Menschen in Niederösterreich – und arbeitet an Lösungen.
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»Wir machen hier beschleunigte Evolution im Labor.«
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Das Weidebeef Biltong vom Biohof Harbich – ein aromatisches Trockenfleisch – wurde als niederösterreichisches Bioprodukt des Jahres ausgezeichnet.
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SICHT DER DONAU
DORIS RIBITSCH IM INTERVIEW
285 km fließt die Donau durch Niederösterreich. Ein partizipatives Forschungsprojekt hat Menschen in den Anrainerländern nach ihrem Blick auf den Strom gefragt.
In Tulln werden Enzyme entwickelt, die Plastik in seine Einzelteile zerlegen können. Sie könnten in der Recycling-Wirtschaft der Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
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Trockenfleisch vom Freilandrind
Heimlicher Heuler Der Goldschakal kommt nach Niederösterreich
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Auf Schiene Sehenswertes entlang niederösterreichischer Bahnstrecken.
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Marktplatz Picknick Kolumne: Hintaus
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Die Natur bietet die Enzyme, die nötig sind, um Plastik zu recyclen.
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T W E ETTA L K
TWEET TALK WIR HABEN DIE TWITTER-COMMUNITY BEFRAGT.
»WAS WÜRDET IHR AM LIEBSTEN IN DER MITTE EINES KREISVERKEHRS SEHEN?«
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MICHAEL MAZOHL
L. SCHLERITZKO
STEFAN APFL
JOACHIM WRESSNIG
Journalist und Fotograf, Wien. Wirtschafts-, Sozialpolitik und immer wieder Popkultur. Chefredakteur @AundW-Magazin. Tweets sind meine private Meinung. »Jeder NÖ Kreisverkehr ohne Büste von Erwin Pröll ist eine Verschwendung.« 07:09 - 29. Mai 2019 – @MichaelMazohl
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ANJA LAUERMANN
»Bienenblumen, ein schattenspendender Baum (nicht so ein zahnstocherdünner, der beim ersten Sturm abbricht oder bei der ersten Hitzewelle austrocknet), Solar und/oder Photovoltaik, ein kleines Biotop (wenn machbar), Insektenhotel« 04:13 - 30. Mai 2019 – @anjalauermann
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Chefredakteur & Miteigentümer datum. journalist. unternehmer. lehrender. lernender. ins offene »Einen Gastgarten mit Barbetrieb.« 02:30 - 30. Mai 2019 – @apfl
Landesrat für Finanzen und Mobilität, Niederösterreich – hier privat »Bin gespannt auf die Vorschläge. Für den besten finden wir bestimmt einen Platz in NÖ.« 11:27 - 29. Mai 2019 – @lschleritzko
Politik, Geschichte, Kunst, Sport. Chief of the Boat (cob) #hmsDramaQueen - liberal. CoFounder @moveo_X »Ein richtig cooles Kunstwerk, das sich um Produkte aus der Region dreht. In Städten: Springbrunnen. Madrid macht das super vor.« 10:39 - 30. Mai 2019 – @jowressnig
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2018 veröffentlichten Erwin und Johanna Uhrmann bereits »111 Orte im Waldviertel, die man gesehen haben muss«. Ihren neuen Reiseführer nun widmet das Paar naheliegenderweise der Wachau. Das Konzept ist bewährt, die Form vollendet, der Stil der Uhrmanns überzeugend in Wort wie Bild. Auch vermeintlich Wohlbekanntes zeigen sie aus neuen Blickwinkeln. Denn natürlich kann ein Buch über die Wachau schwer ohne Marille und Marillenknödel auskommen; braucht es eine Erwähnung der Gefangenschaft von Richard Löwenherz in Dürnstein. Doch auch viel Unbekanntes, vielleicht Unerwartetes haben die beiden zusammengetragen und besucht: etwa ein Arbeiterwohnhaus in der »Bürgerstadt« Krems oder die Pielachmündung (»Karibik unter der Donaubrücke«). Alles ist verpackt in kurzweilig erzählte kleine Geschichten, die nur zynische Zeitgenossen als »unnützes Wissen« aburteilen könnten. Liebevoll und brauchbar. THOMAS WEBER »111 Orte in der Wachau, die man gesehen haben muss« ist im Kölner Emons Verlag erschienen.
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BILDER EVN-ZAK, MICHAE L MI CKL, DANUBEPARKS /FRANK, LU DWIG FAHR NBE RGE R/ WOLLKE.AT
»111 Orte in der Wachau, die man gesehen haben muss« – der andere Reiseführer durch die besondere Donaulandschaft.
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FLUGSICHERHEIT
MÜLLVERMEIDUNG
Hochspannungsleitungen über der Donau sind ein Risiko für Vögel. Das soll sich ändern.
Das Start-up Meine Wollke sorgt für nachhaltige Damenhygiene nach dem Zero-Waste-Prinzip.
Für Wasservögel sind Hochspannungsleitungen, die Gewässer queren, eine kaum sichtbare Gefahr. Damit fliegende Vögel seltener mit den Drahtseilen kollidieren, hat Danubeparks, der Zusammenschluss der Schutzgebiete entlang der Donau, die Initiative Danube Free Sky ins Leben gerufen. Das Vorhaben: Entlang des Flusses werden Maßnahmen umgesetzt, die das Kollisionsrisiko um bis zu 90 % senken sollen. In einem spektakulären Hubschraubereinsatz hat der österreichische Stromnetzbetreiber Austrian Power Grid an der donauquerenden Leitung bei Altenwörth im Frühjahr 2019 mit der Montage von Vogelschutz-Fahnen begonnen. Schritt für Schritt werden entlang der gesamten Donau ähnliche Maßnahmen umgesetzt.
»Mein Anliegen ist eine müllfreiere, selbstbestimmte Zukunft für die Frauen dieser Welt«, erklärt Sabine Fallmann-Hauser, die Gründerin des Zero-Waste-Slipleinlagen-Unternehmens Meine Wollke aus Lunz am See. Die wiederverwendbaren Einlagen bestehen vollständig aus Bio-Baumwolle und kommen völlig ohne Chemikalieneinsatz aus. Noch dazu werden sie unter fairen Arbeitsbedingungen in Österreich hergestellt. Und sie helfen dabei, Müll zu vermeiden. Denn jede einzelne der Binden kann rund 300 Wegwerf-Slipeinlagen ersetzen, heißt es vom Hersteller. Inzwischen ist das niederösterreichische Produkt auch in den Regalen des deutschen Rewe-Konzerns zu finden. »Ich wollte schon immer einen echten Beitrag für die Umwelt und für mehr Frauengesundheit leisten. Dass Meine Wollke nun auch den deutschen Mainstream erreicht, zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Je mehr Frauen unsere wiederverwendbare Slipeinlage benutzen, umso besser ist es für ihre Gesundheit und unseren Planeten«, freut sich Gründerin Fallmann-Hauser.
BILDER EVN-ZAK, MICHAE L MI CKL, DANUBEPARKS /FRANK, LU DWIG FAHR NBE RGE R/ WOLLKE.AT
FREIER LUFTRAUM FÜR WASSERVÖGEL
ÖKO-SLIPEINLAGEN AUS LUNZ AM SEE
THOMAS STOLLENWERK
donauauen.at
THOMAS STOLLENWERK
wollke.at
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WALDVIERTEL
WINDKRAFT
David Bröderbauer hat mit »Wolfssteig« ein Buch über die Waldviertler Serengeti geschrieben – und den längst fälligen Allentsteig-Roman.
Im Waldviertel versuchen BürgerInnen-Initiativen, Windkraftanlagen aus Wäldern zu verbannen.
Kein Geheimnis, dass »Wolfssteig« das Städtchen Allentsteig meint, bekannt durch den Truppenübungsplatz (tüpl) und, zuletzt, als Wolfsrevier. Man merkt: Der Autor, selbst studierter Biologe und ursprünglich aus Zwettl, schöpft aus einer ihm bekannten Welt. Das Setting: Der tüpl wird aufgelassen, die Kaserne zum Flüchtlingsheim, ein Biologe erforscht im Auftrag einer ngo die Wildnis, weil aus dem einstigen Sperrgebiet ein Nationalpark werden soll. Während der Biologe Ulrich beim Sammeln von Kot-Proben von Birkhühnern über die Dorfbevölkerung, Thoreau und den ökologischen Mehrwert von Panzern sinniert, bemühen sich die Nachgeborenen um eine Restitution der ihren Vorfahren einstmals vom Führer zur Errichtung des tüpl enteigneten Liegenschaften. Ein gelungenes Debüt mit witzigen LagerhausEpisoden, interessanten Einsichten und Wissenswertem über Birkhühner. THOMAS WEBER »Wolfssteig« ist im Milena Verlag erschienen.
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WALD VERSUS WIND Klimaschutz und Umweltschutz bedeuten nicht immer und für jedermann und -frau dasselbe. Und Klima- und Umweltschutz können sich durchaus widersprechen. Das verdeutlicht auch eine Skulptur, die bereits im März von UmweltschützerInnen vor dem Niederösterreichischen Landtag aufgestellt wurde. Dahinter stecken acht BürgerInnen-Initiativen aus dem Waldviertel, denen es um den Schutz des Waldes geht, den sie durch Windkraftanlagen bedroht sehen. Sie fordern ein Umdenken in der NÖ-Energiepolitik und einen Ausbaustopp für die Windkraft im Waldviertel. »Wälder sind für den Erhalt der Biodiversität und für den Klimaschutz zu wertvoll, um sie als Stellflächen für Windräder zu opfern. Die ehrgeizigen Ausbauziele des Landes lassen sich auch durch Repowering – also dem Ersetzen alter durch leistungsstärkere Anlagen in bereits bestehenden Windparks erreichen. Es besteht somit keine Notwendigkeit im windschwachen Waldviertel ökologisch wertvolle Naturflächen zu zerstören«, teilen sie mit. THOMAS STOLLENWERK windparkfrei.at
BILDER MI LENA VERL AG , IG WALDVIER TEL/APA
GEDANKEN BEIM SAMMELN VON KOTPROBEN
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BAUEN IM EINKLANG MIT DER Natur Interview mit Herrn DI (FH) Alexander Wilhelm in seinem Haus in Holzbauweise
Mehr Infos und Fotos auf:
April 2019
WWW.POELL.CC
F HOLZBAU INGENIEURHOLZBAU DACHDECKEREI VIER SPENGLEREI GENERATIONEN PLANUNG SCHAFFEN VERTRAUEN STATIK BAUPHYSIK 4-facher Meisterbetrieb
irma Pöll: Lieber Hr. Wilhelm, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, unsere Fragen zu beantworten. Beginnen wir gleich mit der ersten Frage: Wo sehen Sie die Vorteile im Holzbau und warum haben Sie sich für die Holzriegelbauweise entschieden? Hr. Wilhelm: Ich habe mich sehr lange mit den verschiedensten Bauweisen befasst, darunter Ziegel, monolythische Ziegel, Massivholz und Holzriegel. Der Dämmwert und auch die Vermeidung von EPS waren für mich sehr wichtige Kriterien. Bei meinen Berechnungen fand ich heraus, dass der Holzriegel den besten Dämmwert pro Stärke liefert. Firma Pöll: Wie stehen Sie zum Thema Ökologie und CO2 Reduzierung?
BILDER MI LENA VERL AG , IG WALDVIE RTEL/A PA
Hr. Wilhelm: Mir gefällt der Begriff Nachhaltigkeit besser. Da ich so wenig erdölbasierende Baustoffe wie möglich verbauen wollte, kam ich am Baustoff Holz nicht vorbei. Diese Bauweise ist kein Raubbau an der Natur. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung war neben dem Thema Nachhaltigkeit auch schöne Architektur, Komfort, kühles Wohnklima vereint mit modernster Technik. Das alles konnte mit dem Holzriegelbau verwirklicht werden.
Firma Pöll: Worin liegen die Vorteile der vorgefertigten Holzbauteile? Hr. Wilhelm: Die Fertigung mit der CNC Maschine garantiert eine tolle Genauigkeit, weiters überzeugte mich die Schnelligkeit. Firma Pöll: Zum Abschluss Hr. Wilhelm noch die Frage, warum Sie sich für die Firma Pöll entschieden haben und ob Sie uns weiter empfehlen können? Hr. Wilhelm: Ich suchte eine Firma in der Region, die bereits Häuser gebaut hat und mein Haus so baut, wie ich es wollte. Ihre Mitarbeiter sind auf meine individuellen Wünsche eingegangen und wir haben gemeinsam Lösungen gefunden. Da die Zusammenarbeit auch bei der Umsetzung sehr gut funktioniert hat, werde ich Sie gerne weiter empfehlen und hab das auch bereits getan. Vielen Dank und viel Freude in und mit Ihrem Zuhause! Kurzinfo Bauweise: » Holzriegelbau » CLT-Decken » Dämmstoff: Stroh / Holzweichfaser / Zellulose » Fassade: hinterlüftete Holzfassade » Dach: hinterlüftetes Flachdach
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LOWER AUSTRIAN GOTHIC I
Ist American Gothic aus dem Jahr 1930 purer Realismus oder Satire, authentisch oder ironisch? Wer weiß.
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m Art Institute of Chicago kann man ein sehr berühmtes Bild bewundern. American Gothic heißt es, und gemalt hat es der Künstler Grant Wood im Jahr 1930 mit Ölfarbe auf einer Spanplatte. Das Gemälde ist 76 Zentimeter hoch und 63 Zentimeter breit. Es zeigt einen Mann, der mit seiner rechten Hand eine Heugabel hält, und daneben eine Frau, die seine Frau oder auch seine Tochter sein könnte. Im Hintergrund ist ein Haus mit weißem Giebel und gotischem Fenster zu sehen. Mann und Frau schauen ernst, fast finster. Er scheint den Betrachtenden direkt in die Augen zu schauen. Sie schaut eher an den Betrachtenden vorbei. In den usa genießt das Bild ikonischen Status. American Gothic ist eines der meistzitierten Bilder der Popkultur. Unzählige Male wurde das Gemälde nachgestellt und parodiert. Weshalb das Gemälde, das 1930 übrigens nur den dritten Platz in einem Malwettbewerb belegte, zu dem Grant Wood es eingereicht hatte, und das er anschließend
TEXT Thomas Stollenwerk
Wir haben eine Ikone der amerikanischen Kunst geremixt. So ist eine niederösterreichische Variante von American Gothic entstanden.
für 300 Dollar verkaufte, so berühmt wurde, ist eine Frage, mit der sich schon einige KunsthistorikerInnen beschäftigt haben. Eine der Thesen: Weil jedeR im Gemälde sehen kann, was er oder sie darin sehen will. Ist American Gothic purer Realismus oder Satire, authentisch oder ironisch? Wer weiß. In den usa der 1930er-Jahre hatte mit der Weltwirtschaftskrise die Verstädterung rasant zugenommen. Immer weniger Menschen arbeiteten in der Landwirtschaft und das traditionelle amerikanische Kleinstadtleben war Lebensrealität für immer weniger Menschen. Sahen die Menschen von damals im Gemälde eine Verkörperung des ursprünglichen, authentischen Amerikas? Oder sahen sie eine Karikatur der Landbevölkerung? Sahen sie verkleidete Stadtmenschen oder waschechte Farmer? Nicht jedeR sieht im Bild dasselbe. Einige KritikerInnen empfanden die Arbeit als eine vernichtende Parodie des Mittleren Westens – eine empörte Farmfrau soll damit gedroht haben, Grant Woods Ohr abzubeißen. Die Schriftstellerin Gertrude Stein lobte das Gemälde als treffende Kleinstadtsatire. Wieder andere sahen das Gemälde als Ehrung des Mittleren Westens und seiner starken Werte. Während die Weltwirtschaftskrise sich auf das Land ausbreitete, sehnten sich die AmerikanerInnen nach positiven Darstellungen ihrer selbst, und Woods Arbeit versorgte die Nation mit einem Paar vorgefertigter weltlicher Heiliger. Eine eher überraschende Reaktion des Publikums war jene, die sich auf den Altersunterschied zwischen Mann und Frau im Bild konzentrierte. Es kam zu Protesten. So ging der Künstler selbst dazu über,
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Klar zu erkennen: St.Leopold, der Schutzpatron Niederösterreichs.
Die Dachform dieses Hauses bezeichnet man als »Sperrhaxendach«.
Hast Du es erkannt? Das ist natürlich der Ötscher.
zu behaupten, dass das Gemälde einen Vater und eine Tochter darstellt, statt eines verheirateten Paars. Überhaupt war Grant Wood flexibel darin, seine eigene Erklärung des Bildes an jene des Publikums anzupassen. Als das Gemälde als Satire bezeichnet wurde, tat er das auch; als es zur Hommage an den Mittleren Westen erklärt wurde, stimmte er auch dem zu. Schließlich stellte er fest: »Es steckt Satire darin, aber nur, da es in jeder realistischen Aussage Satire gibt. Zu sehen sind jene Typen, die ich mein ganzes Leben lang gekannt habe. Ich habe versucht, sie wahrheits-
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gemäß zu charakterisieren – um sie mehr zu sich selbst zu machen als das wirkliche Leben.« Vieles lässt sich ins Gemälde hineininterpretieren. Aber was hat American Gothic mit Niederösterreich zu tun? Genau. Eigentlich nichts. Trotzdem haben wir für das Cover dieser Ausgabe von biorama Niederösterreich einen eigenen »Remix« von American Gothic entwickelt. Nennen wir ihn »Lower Austrian Gothic«, auch wenn darin statt des gotischen Fensters eine Hausmadonna den Giebel im Bild ziert. Nun geht es darum, »Lower Austrian Gothic« zu interpretieren. Also: Was siehst Du?
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170 Jahre nach dem Schleifen der Stadtmauern wuchert Wien stärker denn je ins Umland. Der Masterplan eines »Grünen Rings« soll nun naturnahen Erholungsraum, aber auch Äcker, Wiesen und Weinberge und nicht zuletzt das Landschaftsbild erhalten.
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Stephan Pernkopf Der Landeshauptfrau-Stellvertreter steht als Niederösterreichs Landesrat für Umwelt, Landwirtschaft und (u.a.) Energie im Spannungsfeld zwischen Raumordnung und Landwirtschaft. Das von ihm initiierte Projekt »Grüner Ring« soll das unkontrollierte Ausbreiten des Speckgürtels stoppen, ohne dem Umland die Perspektiven zu nehmen.
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s kommt nicht allzu oft vor, dass »Wir wollen keinen Glassturz man sich in Niederösterreich auf über die gesamte Region die Ideen eines Otto Wagner bestülpen, sondern eine positive ruft. Dabei war der Architekt und Großstadtvisionär ursprünglich sogar Entwicklung für die Gemeinden gebürtiger Niederösterreicher. Sein steuern und damit das Gesicht Wohnort Penzing wurde erst 1890 in Wien eingemeindet. Geprägt vom Aufunserer Heimat bewahren.« bruch in die Moderne hatte Otto WagStephan Pernkopf, Landeshauptfrauner als Planer der wachsenden Stadt Stellvertreter bereits die Viermillionenmetropole vor Augen. Er erdachte sich »die unbegrenzte Großstadt« in ringförmigen Kreisen, von der unesco anerkannten Biosphärenpark heute noch erkennbar am Ring um die InnenWienerwald mündete. Während auch östlich stadt und am Gürtel. Nichts sollte ihre Ausbreivon Wien durch die Besetzung der Hainburger tung aufhalten. Natur hatte darin nur domesAu die einzigartige Flusslandschaft erhalten tiziert Platz – kein Wienerwald, sondern Parund später zum Nationalpark wurde, breitete kanlagen, zwischendurch Gärten. In seinem sich die Stadt im Norden und im Süden nahezu idealen, nirgendwo realisierten Bezirk plante unkontrolliert aus. Der Druck auf die Stadtreer gezählte 36 Gärten ein. »Wagner sprach sich gion steigt ebenso wie die Mieten, die Grundsogar explizit gegen einen Grüngürtel aus«, stückspreise und der Bedarf an ständig neuer weiß Andreas Nierhaus, Architektur-Kurator Infrastruktur. am Wien Museum. KLEINE BAUSTEINE FÜRS GROSSE GANZE All das sieht man heute, da sich Wien abermals auf die 2-Millionen-Grenze zubewegt, Um die Lebensqualität, aber auch um Agraranders. Und ist froh, dass 1905 auf Geheiß von und Grünraum zu erhalten, besann man sich Bürgermeister Karl Lueger der »Wald- und 2018 außerhalb Wiens auf Wagners Ring-GeWiesengürtel« für alle Zeiten festgeschrieben danken: Zwischen Wienerwald und Nationalwurde – »zur dauernden Sicherung der Gepark Donau-Auen sollen die fehlenden Segsundheitsverhältnisse unserer Stadt sowie zur mente eines »Grünen Rings« so weit wie mögErhaltung des landschaftlich schönen Rahlich geschlossen und ökologisch aufgewertet mens« –, und dass die »Wienerwald-Deklarawerden. Viele kleine Bausteine, lokale Initiation« westlich der Stadt schließlich im 2005 tiven und regionale Leitprojekte sollen – erst-
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TEXT Thomas Weber
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mals ernsthaft als großes Ganzes gedacht – dafür sorgen, dass künftig möglichst wenig Boden verbaut und versiegelt wird. Wobei die »Stadtregion« wirklich weit reicht und auch viele Kleinstädte im Einzugsgebiet um Wien umfasst, wie der Ziviltechniker Thomas Knoll erklärt, der das Land Niederösterreich bei diesem potenziellen Jahrhundertprojekt berät und begleitet: »Das ist ein Raum, der über die drei Bundesländer Niederösterreich, Wien und Burgenland zwischen Hollabrunn und Mistelbach im Norden, Altlengbach im Westen, Wiener Neustadt und Mattersburg im Süden sowie der Staatsgrenze im Osten aufgespannt wird und dem für den Zeitraum von 2006 bis 2031 ein Zuwachs an 400.000 EinwohnerInnen prognostiziert wird.« Wie groß der Handlungsbedarf wirklich ist, verdeutlichen die tatsächlichen Zahlen. Allein zwischen 2008 und 2015 wuchs die Stadtregion bereits um 180.000 Menschen – was mit 44%
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der prognostizierten Zahl deutlich über der ursprünglichen Annahme liegt und den Nutzungsdruck auf die Flächen schneller als gedacht erhöht hat.
LANDWIRTSCHAFT HAT VORRECHT Der im Land Niederösterreich für Umwelt und Agrar zuständige Landesrat Stephan Pernkopf bewegt sich mit seinen Ressorts im Spannungsfeld zwischen Raumordnung und Landwirtschaft. Wo in Wien selbst die Stadt verdichtet und höher gebaut wird, konzentriert er sich mit dem Grünen Ring vorerst darauf, dass der Masterplan in Recht gegossen wird. Ein durchaus komplexes Unterfangen, weil hunderte Gemeinden, tausende private Liegenschaften und noch einmal so viele Interessen im Spiel sind. Zuletzt wurden Siedlungsgrenzen verrechtlicht, aktuell laufen Leitplanungen im besonders rasant wachsenden Bezirk Gänserndorf und in Bruck an der Leitha. Im Wie-
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Thomas Knoll Schon seit Jahrzehnten ist der Ziviltechniker für das Land Niederösterreich und für diverse Gemeinden planend tätig. Aktuell unterstützt er das Land bei Fachfragen, die den »Grünen Ring« betreffen. Sein erklärtes Ziel: die hohe Ernährungskompetenz des Wiener Umlands zu erhalten und die Biodiversität zu erhöhen.
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nerwald, wo der gleichnamige Biosphärenpark von den westlichen Außenbezirken Wiens bis weit nach Niederösterreich reicht, wurde in 51 niederösterreichischen Gemeinden im Frühjahr 2019 die Anzahl der Pflegezonen um 3.500 Hektar erhöht. Die nunmehr 740 Pflegezonen (29.000 Hektar) dienen als Puffer zwischen den 27 streng geschützten Kernzonen (5.100 Hektar) und dem Bauland sowie intensiv genutzten Flächen. Die Spekulation mit Weinbauflächen als Bauland soll eine Verschärfung des Grundverkehrsgesetzes verhindern. Bereits ab 1.000 Quadratmetern Fläche hat hier die produzierende Landwirtschaft seit kurzem ein Vorkaufsrecht. Der Ziviltechniker Knoll rechnet damit, dass es früher oder später »wie bereits im Naturschutz üblich auch beim Bodenverbrauch verpflichtende Ausgleichsmaßnahmen geben dürfte«. Das heißt: Wird irgendwo Fläche versiegelt, muss andernorts dafür Fläche geöffnet werden. Während früher im Umland von Städten vielerorts auch das Ideal einer Extensivierung der Landwirtschaft angestrebt wurde, hält Knoll diesen Ansatz für teilweise überholt. »Mittlerweile sehen wir: Zuviel Extensivierung können wir uns nicht leisten.« Das Ziel sind deshalb produktionsintegrierte Biodiversitätsmaßnahmen – also eine Erhöhung der Biodiversität, ohne die Ertragssituation deutlich zu ändern. Besonders im Biolandbau gehe das gut: mit Windschutzgürteln, Blühstreifen, Baumreihen, Heckenwiederherstellung, einer Renaturierung von Gräben, mit Winterbegrünung und dem Vermeiden sogenannter Schwarzbrachen. »Sommergerste etwa wächst von März bis Juni und im Extremfall liegt ein Feld dann sieben Monate schwarz brach. Das ist sehr viel Zeit für tolle Biodiversitätsmaßnahmen. Durchdachte Begrünung nützt diese Zeit als Stickstoffbrücke bis in die nächste Erntesaison, belebt den Boden, bietet Insekten und Vögeln Lebensraum und bietet Wild Deckung. Bei der Großtrappe etwa hat sich das wirklich bewährt – der bedrohte Vogel profitiert von der Winterbegrünung.« Bewährt hat sich der Grünraum in und um Wien freilich auch im ganz großen Maßstab. Mit dem »landschaftlich schönen Rahmen«, dem kulinarischen Erbe und nicht zuletzt der guten Luft trägt er ganz wesentlich dazu bei, dass Wien alle Jahre wieder gepriesen und gefeiert wird: als lebenswerteste Stadt der Welt.
Wie 400 Freiwillige und 250 Steinschafe eine Jahrtausende alte Kulturlandschaft erhalten: die Perchtoldsdorfer Heide, wo extensive Tierhaltung auf intensive Freizeitnutzung trifft.
TEXT Thomas Weber
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GOOD PRACTICE: PERCHTOLDSDORF
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enn am Wochenende das Wetter passt, ist auf der Perchtoldsdorfer Heide die Hölle los. Bis zu 3.000 Menschen wurden schon gezählt, die sich joggend, spazierend oder beim Picknick im weitläufigen Natura-2000-Naturschutzgebiet tummeln, um dort die Luft und die Landschaft zu genießen. Das Ziesel, das herzige Maskottchen des wertvollen Steppenlebensraums – die Ökologie spricht von einer »Flaggschiff-Art« für den überaus blüten- und insektenreichen Trockenrasen – ist da mittlerweile deutlich seltener anzutreffen. Nur mehr 20 Erdhörnchen gibt es auf den 25 Hektar. Und
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doch ist es der Beliebtheit seines Lebensraums als Naherholungsraum zu verdanken, dass dieses Biotop überhaupt bestehen bliebt und dass die Perchtoldsdorfer Heide die Jahrzehnte nach Ende ihrer Nutzung als Gemeindeweide in den 1950er-Jahren überdauert hat und nicht ver-baut wurde. Seit bald 20 Jahren kümmert sich ein Verein von Freiwilligen darum, dass die Heide, die seit der Jungsteinzeit – und damit seit 7.600 Jahren – von Rindern, Schafen und Ziegen beweidet wurde, als Trockenrasen überlebt. Denn bei der menschgemachten Kulturlandschaft handelt es sich um einen wahren Hort der Biodiversität. Zwar halten
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Irene Drozdowski Die Obfrau des Vereins Freunde der Perchtoldsdorfer Heide und des Landschaftspflegevereins Thermenlinie - Wienerwald - Wienerbecken lebt seit ihrer Kindheit in Perchtoldsdorf. Außerdem arbeitet die studierte Ökologin als selbständige Biologin.
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2006 gab es in Perchtoldsdorf erstmals eine Heidepflegewoche. Heute sind Dutzende Erwachsene und bis zu 25 Schulklassen im Einsatz und schützen aktiv den wertvollen Trockenrasen.
Seit bald 8.000 Jahren beweidet hat sich die Perchtoldsdorfer Heide als Hort der Artenvielfalt etabliert. Neben vielen seltenen Pflanzen ist sie auch Lebensraum für zahllose Tiere – unter anderem für das Ziesel.
die 250 Krainer Steinschafe des Bioschafhofs Sonnleitner die Graslandschaft frei. Arbeit, die früher von den Gemeindehirten nebenbei erledigt wurde – der regelmäßige Schnitt von Bäumen und Büschen –, übernimmt mittlerweile ein Netzwerk von 400 Freiwilligen.
GENETISCH VERARMT: DAS ZIESEL Für das Ziesel ist dieses Engagement dennoch zu wenig. »Das Problem ist, dass die Population isoliert ist und mit nur 20 Tieren genetisch
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verarmt«, erklärt Irene Drozdowski, Obfrau der Freunde der Perchtoldsdorfer Heide. Diese sammeln deshalb gerade Spenden, um damit gegensteuern zu können. »Wir wollen aus einem anderem niederösterreichischen Ziesel-Vorkommen ein paar Exemplare fangen, vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde der VetmedUni Wien auf ihre Gesundheit hin untersuchen lassen und sie danach bei uns aussetzen.« Management ist alles, gerade auch im ganzheitlichen Umweltschutz. Um das genetische Verarmen anderer Arten zu unterbinden, denkt der Heideverein um Drozdowski seit 2017 deshalb auch bewusst großräumig – und gründete den »Landschaftspflegeverein Thermenlinie - Wienerwald - Wiener Becken«. Gemeinsam mit Privaten, dem Biosphärenpark Wienerwald, der Stadt Wien, anderen Vereinen und insgesamt 20 Gemeinden werden seither wertvolle Trockenrasenflächen, Steinbrüche, Schottergruben und Feuchtwiesen geschützt und als genetische Trittsteine erhalten. »Ohne diesen Verein wäre die Region ein Stückchen ärmer und farbloser«, weiß Ronald Würflinger, Geschäftsführer der Stiftung »Blühendes Österreich«, welche die Vereinsarbeit finanziell unterstützt. »Dass die Gemeinden in der Region einen essentiellen finanziellen Beitrag zur Arbeit des Vereins leisten, hat Vorbildwirkung für ganz Österreich.« Bis 2022 hat auch die Stiftung ihre Zuwendungen zugesagt. Bis dahin soll ein stabiles Fundament gelegt und ein langfristiges Wirken garantiert sein. Auf dass es anderen Arten besser ergehe als den Perchtoldsdorfer Erdhörnchen.
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»WILDNIS IM GARTEN HILFT ENORM« Edith Klauser, Direktorin des Nationalparks Donau-Auen, erklärt warum es in jeder Gemeinde »Korridore des Lebens« braucht, warum es problematisch ist Gelsen zu bekämpfen und wie der Waschbär die Sumpfschildkröten bedroht. BIORAMA: Frau Klauser, nach knapp einem halben Jahr im Amt: Wie kann ich mir denn einen typischen Tag im Leben einer Nationalpark-Direktorin vorstellen? EDITH KLAUSER: Grundsätzlich lasse ich einen Arbeitstag am liebsten im Büro starten, wo ich die dringendsten Emails und Telefonate erledige. Nach Möglichkeit versuche ich dann aktuelle Projekte im Schutzgebiet zu begleiten oder Begehungen vor Ort wahrzunehmen. Erst vor einigen Tagen haben wir gemeinsam mit Birdlife und dem wwf junge Seeadler besendert. Andernorts erfolgte eine Besichtigung von Umwandlungsmaßnahmen auf einer Auwaldfläche: Schwarzpappeln wurden gesetzt, damit autochthone Baumarten gefördert werden. Am Nachmittag geht es dann meist wieder ins Büro, wo klassische Verwaltungsarbeit auf mich wartet. Aber natürlich gibt es auch Tage nur mit Besprechungen. Wir sind im Bereich Projektakquise und Drittmittelakquise sehr aktiv. Viele EU-Projekte aus verschiedensten Fördertöpfen (z.B. interreg, life, aus dem Programm für ländliche Entwicklung) gilt es abzuwickeln.
Was heißt sehr viele …? … dass etwa rund 40 Prozent der Finanzierung unserer Aktivitäten über Projekte laufen. 2016 wurde die Fläche des Nationalparks erweitert. Gibt es da weitere Pläne und Flächen, die Sie gerne hätten?
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Dazu gibt es aktuell keine Überlegungen. Wir sind dabei, die Erweiterungsflächen aus dem Jahr 2016 in einen nationalparkkonformen Zustand umzuwandeln. Es geht z.B. um Waldflächen, die sehr stark forstwirtschaftlich genutzt wurden und die wir in einen naturnahen Auwald umzuwandeln versuchen. Vorrangiges Ziel ist es, dass diese Flächen die Anforderungen eines Nationalparks erfüllen. Gerade in den Jahren vor Errichtung des Nationalparks 1996 waren immer wieder auch die Marchauen als Teil des Nationalparks mit im Gespräch. Selbst wenn das aktuell kein Thema ist: Gibt es Projekte, die bis in die Marchauen hineinreichen? Es gibt eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem wwf, der dort teilweise auch Grundeigentümer ist. Generell sind wir sehr bemüht, auch außerhalb des Nationalparks sogenannte »Korridore des Lebens« zu schaffen. Das sind ökologische Trittsteine mit einer hohen Artenvielfalt, wo wir beispielsweise im Rahmen von interreg-Projekten Revitalisierungsmaßnahmen setzen, um wertvolle Biotope in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Wir arbeiten dabei sehr gut mit vielen Projektpartnern zusammen, unter anderem mit der slowakischen Naturschutzorganisation broz. Welche »Korridore des Lebens« meinen Sie konkret im unmittelbaren Umfeld des Nationalparks?
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Edith Klauser Seit Februar 2019 ist die boku-Absolventin und Bergbauerntochter die erste Nationalparkdirektorin Österreichs. Davor leitete sie seit 2007 die Sektion Landwirtschaft und Ernährung im zuständigen Ministerium und war seit 2015 im Rechnungshof tätig.
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Wir haben ein ganz konkretes Projekt namens »Alpen Karpaten Flusskorridor«, wo im Bereich der Flüsse Fischa und Schwechat in Zusammenarbeit mit den Gemeinden Revitalisierungsmaßnahmen stattfinden. Mir persönlich ist sehr wichtig, dass auch die Gemeinden integriert werden. Denn dann lassen sich selbst mit kleinen Eingriffen – z.B. mit Uferrückbauten oder dadurch, dass die Vegetation entlang des Flusses nicht gemäht oder abgeholzt wird
Im direkten Vergleich zum Jubiläumsjahr 2016: Wie geht es denn der Donau derzeit? Gemeinsam mit viadonau, die für den Erhalt der Wasserstraßenfunktion der Donau zuständig ist, ist es gelungen, der Sohleintiefung entgegenzuwirken und eine Stabilisierung herbeizuführen. Möglich ist das unter anderem durch ein regelmäßiges Geschiebemanagement und mit Gewässervernetzungsprojekten. Wir wissen aber auch, dass wir diese Maßnahmen weiterhin brauchen. Sonst würde sich die Donau weiter eingraben. Wie sieht denn das Geschiebemanagement durch Kieseinbringung im Bereich des Nationalparks aus? Zwei Faktoren sind für die Sohleintiefung
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– Rückzugsmöglichkeiten für verschiedenste Arten schaffen. Unsere Leitarten, die in diesem Projekt besonders betont werden, sind der Eisvogel, die Würfelnatter oder die Nase, ein heimischer Fisch. Da wird ganz gezielt auf die Bedürfnisse der Arten geachtet. Was brauchen sie, damit sie sich in diesem Lebensraum wohlfühlen und etablieren können.
WAGRAM AN DER DONAU
SCHÖNAU
ORTH AN DER DONAU
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NATIONALPARK GEBIET
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HASLAU AN DER DONAU
GESCHIEBEZUGABE
REGELSBRUNN FLIEßRICHTUNG DER DONAU
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27 verantwortlich. Die Donau transportiert mit ihrer Fließkraft ständig Kies flussabwärts, dieser wird allerdings durch die Staustufen der Kraftwerke abgefangen und kann nicht mehr weitertransportiert werden, weshalb sich stromab davon die Sohle vertieft. Der Verbund hat daher die Bescheidauflage, den zurückgehaltenen Kies stromab des Kraftwerks der Donau wieder zuzuführen. Zusätzlich ergibt sich eine Sohleintiefung durch die Flussregulierung durch Begradigung und Regulierungsbauwerke für die Bedürfnisse der Schifffahrt. Dadurch erhöht sich das Gefälle und der Fließquerschnitt wird eingeengt. Der Fluss kann seine Energie nur mehr an der Sohle abbauen. Seit einigen Jahren betreibt viadonau ein regelmäßiges Geschiebemanagement. In der Praxis bedeute das: Kies, der an seichteren Stellen wegen der Schifffahrt ohnehin gebaggert wird, wird bis zu 20 Kilometer stromaufwärts geführt und dort der Donau wieder zugegeben (in der Fachsprache spricht man vom »Verklappen«). Es entsteht dadurch ein neuer Kreislauf und der Kies verbleibt länger in diesem Abschnitt der Donau und wirkt damit der Eintiefung entgegen. Parallel dazu haben wir auch einen aktiven
gestalterischen Part in der Gewässerrenaturierung, wo es darum geht, harte Uferverbauungen zurückzunehmen, Seitengewässer wieder an die Donau anzubinden und dem Fluss damit mehr Raum zu geben. Dadurch wird nicht nur die Gewässersohle entlastet, auch die Hochwasserspiegel werden dadurch gemindert. Es gibt nördlich wie südlich der Donau einen starken Zuzug in die Nationalparkgemeinden. Das bedeutet nicht nur Verbauung, Versiegelung und Verdichtung, sondern auch mehr Druck durch BesucherInnen. Wie lässt es sich da in einem Nationalpark zwischen zwei Millionen-
HAINBURG
»Ohne Geschiebemanagement würde sich die Donau weiter eingraben.« – Edith Klauser
So funktioniert das Geschiebemanagement
GESCHIEBEUMLAGERUNGEN
GESCHIEBEFANG
»In den freien Fließstrecken der österreichischen Donau gräbt sich der Fluss immer tiefer in sein Flussbett ein. Innerhalb von 50 Jahren hatte sich die Donau östlich von Wien um etwa einen Meter eingegraben. Mit der Stromsohle sinken auch die Oberflächenund Grundwasserspiegel ab und bedrohen das sensible Ökosystem der Donau-Auen. Hauptgrund für die Sohleintiefung ist die Unterbrechung des natürlichen Kiestransportes des Flusses durch die Staumauern der Kraftwerke. Auch die Kanalisierung des Flusses in ein einzelnes Flussbett spielt eine Rolle, weil dadurch die Erosionskräfte zunehmen. viadonau setzt Maßnahmen zur Reduktion dieser Eintiefungstendenzen um. Der bei der Instandhaltung der Schifffahrtsrinne laufend gebaggerte Kies wird dem Fluss nicht entnommen, sondern stromauf verführt und wieder verklappt.«
Quelle: viadonau.org
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Die Umweltschutzorganisation Global 2000 hat gerade ihre Kampagne »Nationalpark Garten« gestartet, in der sie die Menschen auffordert, ihre privaten Gärten gewissermaßen zum Nationalpark zu machen. Eine gute Idee? Prinzipiell ist alles gut, was der Natur und der Artenvielfalt dient und da kann wirklich jede und jeder von uns einen Beitrag leisten. Schon ein Quadratmeter Wildnis im Garten hilft enorm, weil jede Wiese ein Refugium für Bienen und Schmetterlinge schafft. Auch blühende Pflanzen am Balkon sind wichtig. Denn diese Rückzugsräume sind für die gesamte ökologische Kette entscheidend. Dass die Biomasse der Insekten generell abnimmt,
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ist allgemein anerkannt. Die Abnahme der Insektenbiomasse setzt sich leider auch bei den höheren Ebenen der Nahrungspyramide fort. Als im Winter das Insektensterben durch die Medien ging, war da in der Region auch Thema, dass die Gemeinden selbst aktiv eingreifen und mitverantwortlich sind, weil sie massiv Gelsen bekämpfen? Gelsen haben eine wichtige Funktion im Ökosystem, weil sie Teil der Nahrungskette für Amphibien, Libellen, Wasserkäfer, Fledermäuse und Vögel sind. Im Schutzgebiet des Nationalparks Donau-Auen ist die Gelsenbekämpfung strikt verboten. In anderen Regionen wie entlang der March und an der Leitha werden mit behördlicher Genehmigung Maßnahmen zur Gelsenbekämpfung gesetzt. Hauptproblem aus ökologischer Sicht ist dabei, dass alle Gelsenarten bekämpft werden, auch die für den Menschen nicht lästigen Arten. Die Gelsen bilden eine wichtige Nahrungsgrundlage für viele Arten. Weniger verfügbare Nahrung bedeutet letztlich auch weniger Potential für Artenvielfalt. Mit dem sogenannten Grünen Ring um Wien möchte das Land Niederösterreich besondere Habitate, Lebens- und Naherholungsräume rund um die stark wachsende Stadt und den boomenden Speckgürtel
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Besonders Waschbär und Marder graben gerne nach den nahrhaften Eiern der Europäischen Sumpfschildkröte. Im Nationalpark werden die Gelege deshalb durch engmaschige Gitter geschützt.
städten den Anliegen des Naturschutzes gerecht werden? Indem wir versuchen darauf aufmerksam zu machen, dass es im Nationalpark gewisse Verhaltensregeln zu beachten gilt. Grundsätzlich muss jede und jeder auf dem Weg bleiben, weil es für den Erhalt der Ruhezonen für Tiere ein Wegegebot braucht. Jeder soll wissen, dass er oder sie mithilft, die Natur zu schützen, wenn man sich daran hält. Gleichzeitig freuen wir uns natürlich über jeden Besuch im Nationalpark. Denn nur wenn man etwas kennt, ist man bereit, darauf zu achten und es für künftige Generationen zu schützen.
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»Vor allem der Waschbär liebt die Eier der Sumpfschildkröte.« – Edith Klauser
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erhalten. Ist der Nationalpark in dieses Projekt aktiv eingebunden oder ist er ohnehin ein problemloses Segment in diesem Ring? Der Nationalpark Donau-Auen war erst vor kurzem bei einer Start-up-Veranstaltung mit Anrainergemeinden vertreten. Es geht grundsätzlich darum, Grünräume und hochwertige ökologische Flächen vor Verbauung bzw. Verbrauch zu schützen. Der Nationalpark Donau-Auen nimmt als Schutzgebiet eine Sonderrolle ein. Natürlich bringen wir im Rahmen dieser Initiative gerne unsere Expertise ein. 2022 findet im Marchfeld die Landesausstellung mit Marchegg als Zentrum statt. Nach dem genauen Titel wird noch gesucht. Fest steht: Es soll um Natur und Ökologie gehen. Welche Rolle sehen Sie da für den Nationalpark Donau-Auen? Wir wollen uns intensiv einbringen. Der Arbeitstitel lautet »Wunderwelt Natur« – wir bieten als Ausflugsziel die Schlossinsel sowie spezielle Wanderungen und Führungen an. Auch planen wir gemeinsam mit der Region Marchfeld eine spezielle Ausbildung zum Naturführer sowie den Ausbau unserer Partnerschulen. Wir wollen mit unserem Know-how Bewusstsein für die wertvollen Ökosysteme unmittelbar vor unserer Haustüre schaffen. Wenn jemand im Garten einen Vogel singen hört, sollte das Zwitschern erkennbar sein: »Ah! Da habe ich jetzt den Halsbandschnäpper gehört«. Auch wollen wir den Kreis der Partnerschulen ausbauen und Schülerinnen und Schüler tageweise aber auch für mehrtägige Camps in die Donauauen holen, damit sie diesen besonderen Lebensraum selbst erleben können. Ich war gerade erst bei den Waldjugendspielen in Eckartsau. Die Begeisterung, wenn die Jugendlichen in die Au marschieren, sich freuen, wenn sie einen Hirschkäfer entdecken, oder wenn sie beim Tümpeln kleine Wasserschnecken fangen und unterm Mikroskop ihr Herz pochen sehen,
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oder die eleganten Büschelmückenlarven mit ihren unglaublich großen Augen beobachten können, die steckt an. Wir wollen Zusammenhänge aufzeigen und vermitteln, dass z.B. diese Larve wichtig ist als Nahrungsquelle für viele andere Tiere wie Amphibien, Wasserkäfer, Fische beispielsweise, die wiederum vom Seeadler gefressen werden, der wiederum alte mächtige Bäume für seinen Horst braucht und fischreiche Seitenarme, um seine Brut aufzuziehen. Unsere Hoffnung ist, dass diese Begeisterung anhält und selbst wieder weitergegeben wird an die nächsten Generationen. Wir wollen,
dass auch die Enkelkinder unserer Enkelkinder noch eine Sumpfschwertlilie bewundern, einen Hirschkäfer beobachten und einen Seeadler kreisen sehen können. Dennoch bleibt alles im Fluss und auch exotische Pflanzen und Tierarten tauchen neu auf. An den Ausbreitungskarten in Deutschland sieht man etwa deutlich, dass auch bei uns mittlerweile erste Waschbären auftauchen sollten. Sind die schon spürbar? Es gab einzelne Beobachtungen von Waschbären. Wir achten deshalb bewusst darauf, den Lebensraum der Europäischen Sumpfschildkröte im Nationalpark zu schützen, weil es die letzte autochthone Schildkrötenpopulation in ganz Österreich ist. Die Gelege der Schildkröten schützen wir mit engmaschigen Gittern, weil Waschbären, aber auch Marder sonst die Eier ausgraben. Vor allem der Waschbär liebt die Eier der Sumpfschildkröten. Noch ist er bei uns aber eher ein selten auftretender Exot.
Ursprünglich in Nordamerika heimisch breiten sich die Nachfahren der aus Pelztierfarmen entkommenen Waschbären auch in Europa rasch aus. In Deutschland ist der geschickte Räuber mancherorts ein Problem für die Vogelwelt, in Österreich ein – noch – seltener Gast.
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SICHT DER DONAU Wir sehen Dinge oft unterschiedlich. Kultur prägt uns, aber auch die Erziehung unserer Eltern, die Sozialisierung im Klassenverband. Krieg formt auch. Und die Donau sowieso.
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m interreg Projekt danurb Danube Urban Brand haben sich Heidi Dumreicher und Michael Anranter zwei Jahre lang darum bemüht, mit Menschen aus Kleinstädten entlang der Donau ins Gespräch zu kommen. Um in die Gespräche hineinzufinden, forderten sie ihre InterviewteilnehmerInnen auf, Fotos von jenen Plätzen und Orten zu machen die ihnen besonders wichtig erschienen. Was soll bleiben? Was soll verändert werden? Diese Fragen gaben die beiden WissenschaftlerInnen ihren InterviewteilnehmerInnen mit auf den Weg.
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Eine Auswahl kombinierter Eindrücke aus Bild und Text wird nun erstmalig im biorama veröffentlicht. Weitere Ergebnisse aus dem danurb Projekt können ab April auch in einer Wanderausstellung begutachtet werden. Übergeordnetes Ziel von danurb ist es Gemeinsamkeiten zu finden, Unterschiede anzumerken und in Hinblick auf eine sozial verträgliche Tourismusstrategie zu überwinden. Als Basis dafür stellt danurb das eigene, gelernte Verständnis von Kulturerbe und lokaler Verankerung in den Vordergrund.
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Im Projekt danurb Danube Urban Brand haben sich Heidi Dumreicher und Michael Anranter zwei Jahre lang darum bemüht, mit Menschen aus Kleinstädten entlang der Donau ins Gespräch zu kommen. Um in die Gespräche hineinzufinden, forderten sie ihre Interviewteilnehmer auf, Fotos von jenen Plätzen und Orten zu machen die ihnen besonders wichtig erschienen. Was soll bleiben? Was soll verändert werden? Diese Fragen gaben die beiden Wissenschaftler ihren Interviewteilnehmerinnen mit auf den Weg. Übergeordnetes Ziel des Projekts war es, Gemeinsamkeiten zu finden, Unterschiede anzumerken und in Hinblick auf eine sozial verträgliche Tourismusstrategie zu überwinden. Als Basis dafür, stellt danurb das eigene, gelernte Verständnis von Kulturerbe und lokaler Verankerung in den Vordergrund. interreg-danube.eu/danurb
TEXT Heidi Dumreicher, Michael Anranter
»Einst waren sie auf der anderen Seite viel ärmer als bei uns. Als ich noch Kind war, warteten die Menschen dort oft tagelang auf Benzin, auf Milchprodukte. Hier bei uns gab es damals alles. 2011 hat sich das Blatt gewendet. Wir hatten uns mehr vom EU Beitritt erwartet. Nur Lastwagen gibt es in unserer Stadt jetzt mehr – alles andere wurde weniger.«
»Seit zwanzig Jahren werden die Erwachsenen nicht müde zu erzählen, dass junge Menschen besser abwandern: Geh! Hier wirst du keine gute Zukunft haben! Geh! Nur so wirst du Erfolg haben! Unsere Kinder werden von den Erfahrungen und Meinungen unserer Eltern erzogen. Es ist nicht die Entscheidung der jungen Menschen. Sie haben nie gelernt Möglichkeiten bei uns zu sehen. Ich habe selbst in vielen Städten gelebt und gearbeitet. Immer hat mir etwas gefehlt. Erst als ich zurückkam, wurde ich glücklich. Ich habe gelernt mit weniger Dingen zu leben.«
»Manchmal sitze ich hier und schaue über die Donau nach Rumänien. Ich war in Craiova und Calafat; beide Städte sind wunderschön. Und die Leute sind sehr gut dort, die streben wirklich nach vorne. Vor allem geh ich mit meiner Tochter gerne nach Craiova – zum Einkaufen. Klamotten kaufen wird dort; und Schuhe. Ich bin so begeistert davon, dass ich nun dem rumänisch-bulgarischen Zentrum hier beigetreten bin. Dort lernen meine Tochter und ich die Kultur und Sprache kennen. Bald wird sie auch zum Studium nach Rumänien gehen. Durch die Brücke ist alles einfacher geworden.«
– GEORGI, Bulgarien
– MARIANA, Bulgarien
– PROLET, Bulgarien
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»Ein großes Unternehmen hier in der Region war einst Eigentümer von unserem Resort. Für seine Kunden und auch für seine Mitarbeiter aus dem ganzen Land wollte man hier ein Erholungszentrum bauen: Sport stand im Vordergrund. Nach dem Krieg wurde das Grundstück verkauft und auch das Unternehmen ist heute nicht mehr in der Hand der ehemaligen Besitzer. Mein Bruder und ich dachten uns: Hey, lass uns das versuchen. Bisher sind die Nächtigungsraten ganz gut – wir haben viele Hochzeiten bei uns. Dafür geben die Leute hier sehr viel Geld aus.« – MARINA, Serbien
»In unserer Fischereischule gibt es junge und ältere Schüler. Erst nach vier Jahren ist man für das abschließende Examen bereit – dafür kennt man dann aber jeden Fisch, der in der Donau schwimmt. Ein Teil der Prüfung ist theoretisch, der zweite ist praktisch. Unsere Schüler lernen nicht nur das Angeln, sondern auch Fischzucht. Dabei arbeiten wir mit anderen Einrichtungen zusammen. Sie betreuen Warm- und Kaltwasserfischen und schützen unsere Umwelt.« – PIOTR, Slovakei
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»Zum Sonnenuntergang ist es hier am schönsten. Von der Erhebung aus sieht man, was unsere Landschaft definiert: die Donau und Windräder. Beides steht für Kräfte, die unseren Alltag prägen.« – JANKO, Slovakei
»Dieser Ort ist eine wahre Oase. Der Fahrradweg verläuft entlang der Donau. Es gibt hier weite Grünflächen, an den sich die Menschen im Sommer und auch im Winter gerne aufhalten. Es ist der perfekte Ort, um Enten zu füttern und mit dem Kanu zu fahren. Und aufgepasst: Nirgendwo sonst ist mir im Umland von Budapest ein Strandabschnitt bekannt, an dem Steinewerfen erlaubt ist. Dabei macht das unheimlich viel Spaß.«
»Eigentlich bin ich für den Naturschutz; davon haben wir alle etwas. Der Schutz des großen Kormoran geht meiner Meinung nach aber etwas zu weit. Die Bestände haben sich nicht nur erholt, sondern in einem Maße zugenommen, dass die Fischbestände gefährdet sind. Wir merken das vor allem in den Nebenflüssen. Der großer Kormoran ist ein ausgefuchster Jäger – bis zu 40 Meter tief kann er tauchen. Faszinierend, oder?«
– ESZTER, Ungarn
– BRANOSLAW, Serbien
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»Das ist ein besonders hübscher Vogel – eigentlich würde man ihn ja eher im Amazonas beheimatet wägen. Aber nein; diese Schönheit fliegt durch unsere Wälder entlang der Donau. Es gibt niemanden, dem dieser Vogel nicht gefällt.« – BRANOSLAW, Serbien
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»Besonders gerne gehe ich auf den Markt. Marktstände geben uns nämlich einen Einblick in die Lebensrealität der Menschen. Immer dann, wenn du eine Schlange vor einem Stand entdeckst, oder zwei, drei Menschen, die angeregt miteinander diskutieren, dann merkst du, welche Prioritäten der oder die Einzelne setzt.« – ISTVAN, Ungarn
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»Früher habe ich das auch gemacht – heute zahlt es sich kaum noch aus. Eigentlich ist alles sehr einfach. Du fährst mit deinen Containern im Schlepptau an eines der größeren Boote heran und kaufst ihnen für wenig Geld Treibstoff ab. Du füllst die Container bis sie nicht mehr aus dem Wasser ragen. Seit 2015 Menschen ohne Erlaubnis versuchten über die Grenze zu kommen, ist das Geschäft mit dem Treibstoff nicht nur weniger lohnenswert, sondern auch gefährlich geworden. Aber wenn die Ölpreise steigen, dann wird auch der Schmuggel wieder aufgenommen. Das ist ein offenes Geheimnis.« – MLADEN, Serbien
»Bis um 5 Uhr musste alles gerichtet sein. Das ganze Dorf reinigte die Straßen und bereitete das Essen vor. Dann kam das Schiff mit den Kohlen an. Es gab Musik und mein Vater war auch auf dem Schiff. Manchmal - also im Sommer - durfte ich auf dem Boot mitfahren. Dann haben wir gemeinsam mit den Hühnern dort gelebt und Schreibmaschinen aus der Sowjetunion in den Westen geschmuggelt; am Rückweg hatten wir dann Nähmaschinen an Bord. Wer hatte schon Lust sich mit Kohle anzuschwärzen?« – JELENA, Serbien
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»Ich mag diese Gebäude sehr. Es ist so unwahrscheinlich, wie es eine neue, zeitgenössische Haut bekam und dennoch seine alte Struktur bewahren konnte. Es war und es ist noch immer ein Bootshaus. Jetzt ist es allerdings frei zugänglich. Das ist der Ort, wo man ein Bier trinken kann, mit Freunden quatscht, Vorträgen lauscht – und im Hintergrund werden Boote gebaut und repariert. Ein feiner Ort ist das.« – JANKO, Ungarn
»Noch im Sozialismus haben sich einige hier schwimmende Ferienhäuser gebaut. Obwohl die meisten dieser schwimmenden Häuser einst illegal gebaut wurden und Eigentum verpönt war, sind die meisten der noch intakten schwimmenden Häuser heute in Privatbesitz. Ihre Nutzungsmöglichkeiten sind unbegrenzt. Einige könnten von den Besitzern selbst genutzt werden, andere als Ferienhäuser vermietet werden. Oder als Bar für die vielen Angler und Schwimmer, die hier in den Morgen- und Abendstunden vorbeiziehen.« – MILICA, Serbien
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»Im Ort gab es Geschäfte – sie waren geschlossen. Es war so als würde hier niemand mehr leben. Als ich dann die Gruppe an Menschen bei der Feldarbeit erblickte, machte ich sofort ein Foto. Hier sind die Menschen! In den Weinbergen aber war was los! Ich dachte die ländlichen Regionen sind menschenleer; dabei sind es nur die Dörfer in den ländlichen Regionen, wo sich niemand findet. Das hatte ich nicht erwartet.« – ZSOLT, Ungarn
»Die Frau des Königs befahl ihren Untertanen schneller und schneller zu bauen – ohne Pause. Landauf und landab hasste man sie für ihre eiserne Führung. Als junges Mädchen interessierte mich die Geschichte der Königin ganz besonders: Weshalb war sie so grausam zu ihren Untertanen gewesen? Als ich später herausfand, dass diese Königin all ihre Kraft, ihre Zielstrebigkeit und Härte darauf verwendete, die Festung und damit auch das Umland vor der Besetzung durch die osmanischen Truppen zu schützen, hatte ich das Bedürfnis allen von dieser tollkühnen Tat zu erzählen. Sie war tapfer und großartig; sie schwamm gegen den Strom, verärgerte alle und behielt trotzdem Recht.« – EKATERINA, Serbien
»Ich weiß, dass viele Leute Angst davor haben, was unterhalb der Brücke passiert. Ich stimme zu, dass der Ort nicht besonders ansehnlich erscheint. Aber das macht der Winter. Im Sommer sitzen wir hier jeden Tag. Mit Freunden und mit zahlreichen Menschen, die ich nicht kenne. Alle Jugendlichen aus der Stadt verbringen dann hier ihre Zeit. Daran, dass die Brücke in einem nato Bombardement zerstört wurde, erinnert heute nichts mehr. Neu aufgebaut leuchtet sie nun nämlich Tag für Tag in hellen Farben, die sich im Wasser spiegeln. Mehr Ambiente gibt es nicht in dieser Stadt.« – ADRIANA, Serbien
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TEXT Thomas Stollenwerk
PASSEN LANDLEBEN UND ELEKTROMOBILITÄT ZUSAMMEN? Viele Menschen halten Elektroautos und das Leben auf dem Land für unvereinbar. Doch immer mehr Leute entdecken, dass das nicht stimmt.
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enn die MitarbeiterInnen der Firma Berl edv in Neunkirchen zu Kundendienst-Terminen aufbrechen, dann sind die ersten Autos, die vom Firmenparkplatz rollen, besonders leise unterwegs. Denn in der Gunst der MitarbeiterInnen stehen die Elektroautos im Fuhrpark ganz oben. »Die E-Autos sind als erstes außer Haus«, erzählt Geschäftsführer Walter Berl. Schon vor sechs Jahren hat der Unternehmer begonnen, in seinem Betrieb Elektroautos einzusetzen. Zwei VW E-Ups und ein Kia E-Soul werden aktuell eingesetzt. Und dafür kann der mittelständische edv-Dienstleister eine ganze Reihe von Gründen aufzählen. Da sind die Nachhaltigkeit und der Umweltschutz. Denn zum La-
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den der Elektroflotte wird Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage verwendet. Die Betriebskosten seien niedrig, auch wegen direkter und indirekter Förderungen. Schließlich seien E-Autos kfz- und Vorsteuer-abzugsberechtigt. Privat genutzte E-Dienstautos gelten auch nicht als einkommenssteuerpflichtiger Sachbezug. Zudem spart sich die Firma Berl in Neunkirchen die Parkgebühren. Denn davon sind E-Autos hier wie in vielen anderen Gemeinden befreit. Und hat sich die Autonutzung im Betrieb mit der Anschaffung der Elektroautos verändert? »Nein, nicht wesentlich. Es muss lediglich nachgedacht werden, welches Auto mit welcher Reichweite jeweils benötigt wird.« Immer mehr Menschen entdecken die Elek-
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Christian Wagner ist Manager der Klimaund Energiemodellregion Schwarzatal.
tromobilität für sich oder ihr Unternehmen. Im ersten Quartal 2019 wurden laut Bundesverband Elektromobilität Österreich (beo) österreichweit 2.542 E-Autos zugelassen. Im Vorjahreszeitraum waren es nur 1.599. Im ersten Quartal 2017 1.226. Insgesamt umfasst der E-Auto-Bestand in Österreich inzwischen nach beo-Angaben 23.241 Fahrzeuge. »Mein persönliches Gefühl ist, dass das Thema langsam ankommt, in einer gewissen Bevölkerungsschicht. Viele Menschen informieren sich, aber schieben ihre Entscheidungen noch auf. Grundsätzlich ist Elektromobilität interessant, aber ich warte die Entwicklung noch ab, sagen sie mir in Gesprächen«, erklärt Christian Wagner. Er arbeitet als Manager der Klima- und Energiemodellregion Schwarzatal, einem Verbund von 13 Gemeinden im südlichen Niederösterreich, die an einem von Klima- und Energiefonds geförderten Programm teilnehmen. Es geht darum, in den Gemeinden gemeinsam Strategien zur CO2-Reduktion umzusetzen. Im Schwarzatal setzt man dabei stark auf Elektromobilität. »Es wird ja in den Medien ständig kommuniziert, welche Autos im nächsten Jahr erschei-
»Nur wenn E-Autos gekauft werden, wird weiter entwickelt – auch Zwischenlösungen müssen gekauft werden.« – Walter Berl nen werden und wie hoch deren Akkukapazität sein wird. Das scheint viele Menschen, die durchaus interessiert sind, dazu zu veranlassen, ihre Kaufentscheidung zu vertagen.« Auch der Unternehmer Walter Berl kennt dieses Argument. Und er hat eine Haltung dazu: »Nur wenn E-Autos gekauft werden, wird weiter entwickelt – auch Zwischenlösungen müssen gekauft werden.« Hat das Zeitalter der Elektromobilität einfach noch nicht so recht begonnen? »Ja und Nein«, meint Christian Wagner, der im Schwarzatal regelmäßig E-Auto-Tests veranstaltet, bei denen Interessierte die Gelegenheit erhalten, aktuelle Elektromodelle verschiedener HerstellerInnen auszuprobieren. Neben denen, die Elektroautos
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Im mittelständischen Betrieb von Walter Berl sind die E-Autos unter den KollegInnen die begehrtesten Dienstfahrzeuge.
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Walter Berl ist Geschäftsführer der Firma Berl EDV in Neunkirchen und setzt seit Jahren auf Elektroantrieb bei seinen Firmenfahrzeugen.
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zwar offen gegenüberstehen, aber lieber noch abwarten, trifft Wagner auch auf eine andere Gruppe: »Es gibt sehr viele Menschen, die Elektromobilität allgemein für unpraktisch halten. Die sagen: Ich kann es mir nicht vorstellen, mit einem Auto nur 150 Kilometer weit fahren zu können, um dann zwei Stunden lang zu tanken. Das ist für viele Menschen reiner Horror.« Allerdings ist das für Wagner ein Argument, das bei genauerer Betrachtung des Mobilitätsverhaltens oft kaum standhalte: »Wenn man die Leute dann fragt, wie oft sie denn überhaupt 150 Kilometer weit fahren, stellt man fest, dass es gar nicht wirklich um die Alltagstauglichkeit geht, sondern um eine Grundsatzfrage. Denn weitere Strecken werden mit den meisten Autos nur sehr selten zurückgelegt.«
AM LAND FUNKTIONIEREN
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Für Menschen, die auf dem Land leben, ist das Auto häufig ein unverzichtbares Verkehrsmittel. Ganz einfach, weil öffentliche Verkehrsmittel nur selten fahren und das Streckennetz dünner ausgebaut ist als im urbanen Raum und rund um Großstädte. Elektroautos werden dennoch von vielen Menschen als städtisches Verkehrsmittel wahrgenommen, schildert Christian Wagner: »Ein Statement höre ich in Diskussionen mit Menschen auf dem Land immer wieder. Die sagen: Wenn ich in der Stadt leben würde, dann hätte ich ein E-Auto, weil dort hätte ich ja nur kurze Wege und würde ständig im Stau stehen.« Doch auch dieses Argument hält Wagner für nicht sehr belastbar. »Die meisten Stadtmenschen wohnen in Mehrfamilienhäusern ohne Garage und Auflademöglichkeit. Die Einfamilienhäuser am Land sind eigentlich besser für die Nutzung von E-Autos geeignet. Ein Einfamilienhaus mit einer Pho-
PASSEN LANDLEBEN UND ELEKTROMOBILITÄT ZUSAMMEN?
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tovoltaik-Anlage am Dach ist für den Betrieb eines E-Autos aktuell im Prinzip das Optimum. Schließlich stehen die meisten Autos zumindest über Nacht in der Garage oder vor der eigenen Haustür. Diese Zeit kann man ideal zum LaPRO den nutzen.« Gleichzeitig würden • viele kurze Alltagswege, die im Auto die Leute im ländlichen Raum viel zurückgelegt werden häufiger kurze Strecken im Auto • gute individuelle Lademöglichkeiten zurücklegen als Stadtbewohnerdurch hohe Eigenheim-Quote Innen. »Die Fahrten zur Arbeit, • gute Amortisierung durch hohe jährliche zur Schule, zum Einkaufen, zum Kilometerleistung Arzt, zum Sport sind am Land selten weiter als 20 Kilometer. Das • hohe Energieausbeute und Effizienz von Elektromotoren macht die Nutzung eines E-Autos am Land sehr viel praktikabler als • Fahrspaß in der Stadt.« CONTRA Martin Heller, der ein Ingenieurbüro für Elektrotechnik • teilweise schlecht ausgeschilderte in Kirchschlag betreibt und als Ladeinfrastruktur Energieberater tätig ist, ist einer, • begrenzte Reichweite lässt Langstrecken der von den Vorzügen der Elektnur bei Routenplanung entlang von Ladestationen zu romobilität auf dem Land längst überzeugt ist. Für ihn war die Ent• intransparente Preispolitik bei vielen scheidung für ein Elektroauto eine Ladestationen klare Angelegenheit: »Von 100 Prozent Energie, die man im Tank hat, bringt der Verbrenner nur 16 bis 20 Prozent auf die Straße. Der Rest ist Abwärme. Das E-Auto liegt zumindest bei 60 Prozent, eher mehr. Und: Den Treibstoff kann man erneuerbar erzeugen – das geht beim Verbrenner nicht wirklich.« Außerdem überzeugte ihn neben der nachhaltigen Energieausbeute das angenehme und ruhige Fahrverhalten seines Hyundai Ioniqs. Am Nutzungsverhalten habe sich mit dem Umstieg vom Verbrenner aufs Elektroauto bei ihm nichts geändert. Mit
»Die Fahrten zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen, zum Arzt, zum Sport sind am Land selten weiter als 20 Kilometer.« – Christian Wagner
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lität allerdings gar nicht um solide Argumente, ist der Eindruck, den Christian Wagner während der vergangenen Jahre, in denen er sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, gewonnen hat. »Es ist eine Art Glaubenskrieg, der hier tobt«, sagt er. »Aber es gibt natürlich auch jene, die sich die Kosten eines Elektroautos beinhart durchrechnen und ihre Entscheidung ganz betriebswirtschaftlich fällen. Grundsätzlich macht es Sinn, sein eigenes Mobilitätsverhalten genau zu analysieren. Viele Menschen fahren mit dem Auto täglich zur Arbeit und retour. Ab einer gewissen Jahres-Kilometerleistung macht ein Elektroauto dabei Sinn. Bleibt man unterhalb einer bestimmten Jahres-Kilometerleistung, bleibt es ökonomisch unrentabel, weil sich die hohen Anschaffungskosten dann nicht amortisieren.« Hat man das individuelle Mobilitätsverhalten erst einmal realistisch eingeschätzt, lässt sich eine pragmatische Entscheidung treffen. Für edv-Unternehmer Walter Berl aus Neunkirchen gibt es allerdings auch einen ganz emotionalen Grund, das Leben und Arbeiten auf dem Land und Elektromobilität zu kombinieren: »Weil E-Mobil- Fahren einfach geil ist.«
Martin Heller ist Elektroautofahrer und selbstständiger Energieberater in Kirchschlag.
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dem E-Auto erledige er »das volle Programm, von kurzen Einkaufsfahrten bis zu Urlaubsfahrten. Es gibt nur sehr wenige Fälle, in denen wir auf den auch noch vorhandenen Verbrenner zurückgreifen. Eigentlich möchte von uns niemand gerne mit dem Verbrenner fahren – der bleibt stehen, außer es geht nicht anders.« Natürlich gibt es bei der Elektromobilität auf dem Land auch noch den einen oder anderen Aspekt mit Verbesserungspotenzial. Da wäre zum Beispiel die schlechte Kennzeichnung von Ladestationen. »Oft scheitern E-Autofahrer ganz einfach daran, dass sie die Ladestationen nicht finden. Es gibt zwar im Internet E-Tankstellenfinder. Das heißt aber noch lange nicht, dass man die Ladestation vor Ort dann auch wirklich findet. Oft sind die Stationen schlecht beschildert, was dazu führt, dass Einheimische, die keinen Parkplatz finden, plötzlich bei der E-Ladestation parken. Nichts ist ärgerlicher, als mit leerem Akku eine Ladestation zu finden, die von einem Benziner oder Diesel blockiert wird«, berichtet Christian Wagner. Außerdem sei die Preisgestaltung der Ladestationen oft intransparent. Letztlich gehe es beim Für und Wider der Elektromobi-
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BESSER ALTERN Das Kompetenzzentrum Gerontologie analysiert die Lebenssituation älterer Menschen in Niederösterreich – und arbeitet an Lösungen.
Franz Kolland ist Soziologe und Leiter des Fachbereichs Gerontologie an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems.
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angsam, Stück für Stück, schließt ein Laden nach dem anderen. Erst der Fleischer, dann der Bäcker, dann der Greißler. Veranstaltungen gibt es kaum mehr und irgendwann wird sogar der Gottesdienst ausgesetzt. Solche Dörfer gibt es in Niederösterreich, denn die Jungen zieht es in die Städte, wo mehr Arbeitsplätze und Möglichkeiten warten. Stellenweise wird versucht, mehr TouristInnen anzulocken, häufig fehlen sowohl Mittel als auch Ideen, um gegen die Abwanderung anzukämpfen. Dann entstehen Geisterdörfer – auch, weil oft eine Menschengruppe unbeachtet bleibt: die Alten. Dabei sind sie viele. 2018 zählte man in Niederösterreich 1,6 Millionen BewohnerInnen. Knapp 30 Prozent waren älter als 60 Jahre. Bis 2050 soll sich mehr als ein Drittel der Bevölkerung im oberen Lebensabschnitt befinden und für sie muss gesorgt werden – im Gesundheits- und im Kultursektor. Deshalb forschen nun WissenschaftlerInnen am neugegründeten Fachbereich Gerontologie an der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems zum Altern in Niederösterreich. Der Fachbereich wurde 2018 unter der Leitung des Gerontologen Franz Kolland ins Leben gerufen und wird vom Niederösterreichi-
schen Gesundheits- und Sozialfonds (nögus) gefördert. Aktuell wird dort nur Forschung betrieben, die Einrichtung eines Studienprogramms ist allerdings geplant. Die vielseitige Disziplin vereint dabei Medizin, Psychologie, Biologie, Soziologie und Kulturwissenschaften. Ziel des Fachbereichs und eines möglichen zukünftigen Gerontologie-Studiums sind die Erforschung des Alterns und die Vermittlung der gewonnenen Erkenntnisse.
ALTERN IST UNPOPULÄR Das erste Projekt des Instituts war der Altersalmanach, der vom Land Niederösterreich regelmäßig für Prognosen zur Entwicklung der Bevölkerung in Auftrag gegeben wird. Er ist laut Landesrätin Johanna Teschl-Hofmeister (övp) einer der wichtigsten Outputs der Zusammenarbeit und bietet die Grundlage für die weitere strategische Planung im Gesundheits- und Sozialbereich im Bundesland. Die Studie ergab, dass bis 2025 fast 18 Prozent der Bevölkerung stationäre Langzeitpflege in Anspruch nehmen werden. Eigentlich sollte die Gerontologie also richtig boomen, wird ihre Relevanz doch weiter zunehmen. Leider ist das aber (noch) nicht der Fall. »Ein Grund, warum sie eine unterge-
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»Wenn ein Ort, in dem man ein ganzes Leben verbracht hat, langsam verstummt, dann wirkt sich das auch auf die noch dort Lebenden aus: Sie fühlen sich vergessen.« ordnete Rolle spielt, sind die sehr ungünstigen Altersstereotype. Das kann zum Teil als Altersdiskriminierung verstanden werden«, erklärt Fachbereichsleiter Franz Kolland. »Gesellschaftspolitisch wird die Auseinandersetzung mit dem Alter als gar nicht nobel oder fein angesehen und besitzt keine Attraktivität.« Das kann nicht von heute auf morgen verändert werden. Aber mit 4,7 Milliarden gibt Niederösterreich 2019 rund die Hälfte des Landesbudgets für Pflege, Gesundheit und Soziales aus. Die Forschung soll dabei helfen, das Geld effektiv anzulegen. Lange musste man sich für umfangreiche Studienergebnisse in den usa und Deutschland bedienen. Selbstverständlich lassen sich einige Punkte auch auf Österreich übertragen – aber eben nicht alle. »Man schaut nicht mehr auf große Studien in den usa, sondern versucht viel stärker lokale, regionale Bedingungen zu erforschen«, erklärt Kolland das Ziel seines Fachbereichs. Der Gerontologe sieht die Umstände des Alterns auch regional bedingt: »Es macht einen Unterschied, wie groß die Entfernung zum nächsten Stützpunkt eines mobilen Dienstes, zum nächsten Pflegeheim, zur nächsten rehabilitativen Einrichtung ist. Die Versorgungsstrukturen sind in Niederösterreich gut ausgebaut.«
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LEERES DORF Rechnet man 24-Stunden-Betreuung, mobile Pflege und die Pflege durch Familienangehörige zusammen, so werden 90 Prozent der NiederösterreicherInnen zu Hause betreut. Das bedeutet auch, dass das soziale Umfeld dieser Menschen besonders im Mittelpunkt steht. Kolland nennt dies das Sozialkapital: »Es gibt Bezirke und Regionen, die ein sehr lebendiges Sozialleben haben und wirtschaftlich prosperieren. Das führt dazu, dass es ein großes Angebot für Menschen in der zweiten Lebenshälfte
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gibt, sich zu betätigen und sich sozial zu engagieren.« Dazu gehören kulturelle Veranstaltungen, Klubs, aber eben auch Läden und Gastronomie. Wenn das wegfällt, wo trifft man sich dann noch auf einen Kaffee? Wenn ein Ort, in dem man ein ganzes Leben verbracht hat, langsam verstummt, dann wirkt sich das auch auf die noch dort Lebenden aus: Sie fühlen sich vergessen. Addendum untersuchte 2018 in einer ausführlichen Studie die Landflucht seit 1971. Vor allem die Regionen im Norden und Süden des Bundeslandes verzeichneten einen Bevölkerungsrückgang von mehr als 40 Prozent. Betroffen sind vor allem die Bezirke Waidhofen an der Thaya, Lilienfeld, Horn, Hollabrunn und Neunkirchen. Diese Gebiete gehören mit einem Durchschnittsalter von 45 und höher auch zu den ältesten Gebieten in Niederösterreich. Rein körperliche Beschwerden können von ÄrztInnen behandelt werden, aber wenn Menschen zusätzlich sozial isoliert sind, treten sie laut Kolland viel schneller wieder ins Gesund-
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SOZIALES UMFELD ERHÖHT DIE LEBENSQUALITÄT Gerade deshalb ist das Thema »Leben im Dorf« zentral für die Forschung der GerontologInnen in Krems. Auch wenn man mit 70, 80 oder 90 Jahren noch körperlich und geistig fit ist, kann es eine Herausforderung sein, sich selbst zu versorgen. »Wenn viele Stationen und weite Wege zurückgelegt werden müssen, kann das sehr anstrengend sein. Hinzu kommt, dass die Geriatrie häufig noch keine Rolle spielt«, so Kolland. Gerade für Menschen, die auf die medizinische Betreuung mehrerer Fachbereiche angewiesen sind, funktionieren geriatrische Einrichtungen vernetzend. Auch hier möchte Franz Kolland mit seinem Team ansetzen: »Oft werden in unserem Gesundheitssystem alte Menschen ausgeblendet, da sie keine attraktiven Patienten sind. Wir wollen, dass Einrichtungen entstehen, die auf das Alter ausgerichtet sind.« Dafür müssen ganz neue Konzepte und Ideen her, die alle Bereiche der Pflege, von der stationären bis zur 24-Stunden-Betreuung zu Hause betreffen. Vor allem das betreute Wohnen hängt dabei noch
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durch und Kolland sieht Raum zur Verbesserung: »Momentan hat das betreute Wohnen mit der mobilen Betreuung oder der stationären Pflege sehr wenig bis gar nichts zu tun. Wir möchten, dass diese verschiedenen Angebote in ein System gebracht werden, die Qualität gut ist und professionelle Bedingungen herrschen. Da ist sicher weiterer Handlungsbedarf notwendig.« Das betreute Wohnen sollte näher an Pflegezentren gebaut werden, damit die Vernetzung der verschiedenen Systeme schon räumlich gegeben ist.
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LOKALE FORSCHUNGSARBEIT Weil solche Missstände aufgedeckt werden sollen, arbeitet Kolland mit seinem Team am »Gesundheitsbarometer Alter«, das im September präsentiert werden soll. Dafür werden Interviews mit Menschen zwischen 60 und 80 durchgeführt. Die gesammelten repräsentativen Daten sollen Einblicke in die Lebensgewohnheiten der älteren Bevölkerung ermöglichen. Ein Fokus wird dabei auf die Gesundheit und medizinische Versorgung gelegt, um diese in Zukunft verbessern zu können. Ziel ist es aber, nicht nur für Niederösterreich, sondern über einzelne Bezirke Aussagen treffen zu können, da der Alterungsprozess vom persönlichen Umfeld maßgeblich beeinflusst wird. Die Befragungen sollen nicht nur Defizite aufdecken, sondern auch bestehende Maßnahmen und Leistungen des Landes auf den Prüfstand stellen. Natürlich wird das Problem der Landflucht damit nicht gelöst. Die betroffenen Dörfer werden weiter aktiv für ihr Bestehen kämpfen müssen. Eine touristische Erschließung der Gebiete, nicht nur für Familien und Jugendliche, sondern für PensionistInnen wäre aber eine Möglichkeit, Aufschwung mit sozialem Halt zu kombinieren. Dazu muss man die Menschen inhaltlich abholen und ihnen die Möglichkeit geben, gesund leben und altern zu können. Die GerontologInnen wollen mit dem Gesundheitsbarometer nicht nur aufdecken, wo die größten Probleme liegen, sondern auch Lösungsansätze mitliefern. Die lebensnahe und ausführliche Forschung könnte Niederösterreich zum Vorreiter der Altersforschung in Österreich machen.
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heitssystem ein. Es fehlt, ganz simpel gesagt, an Unterhaltungsmöglichkeiten für PensionistInnen. Vor allem solche Zentren, die alte und junge Menschen zusammenbringen, haben sich immer wieder bewährt. Manche Gemeinden versuchen, mit günstigen Baugründen zu locken. Vor allem HeimkehrerInnen, die das Dorf in ihrer Jugend verlassen haben, versucht man zurückzuholen und so langfristig die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Mit neuen Arbeitskräften können Firmen wieder wachsen, es kommt wieder Geld für Infrastruktur und Naherholung in die Kassen. Das hilft auch den älteren Menschen.
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»WIR MACHEN HIER BESCHLEUNIGTE EVOLUTION IM LABOR.« In Tulln werden Enzyme entwickelt, die Plastik in seine Einzelteile zerlegen können. Sie könnten in der RecyclingWirtschaft der Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
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isher werden alltägliche Kunststoffe wie pet meist verbrannt oder mit eher geringer Recycling-Quote wiederverwertet. Blickt man auf die Umweltbilanz der praktischen Alltagsmaterialien, ist das Verschwendung. Das Ziel der Forschung sind deshalb Stoffkreisläufe, in denen Plastik mit der Hilfe der Natur zum wiederverwertbaren Material wird. In einem der weltweit führenden Forschungsteams auf diesem Gebiet von Prof. Georg Gübitz leitet Doris Ribitsch am Institut für Umweltbiotechnologie die Molekularbiologie zur Entwicklung von Enzymen in Tulln.
BIORAMA: Sie entwickeln biologische Verfahren, um Plastik zu Leibe zu rücken. Kann man das so sagen? DORIS RIBITSCH: Das stimmt. Allerdings muss ich dazusagen, dass wir Plastik hier nicht verdammen. Kunststoffe haben nämlich ganz tolle Eigenschaften und sind extrem wichtig für uns, in
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allen Bereichen des Lebens. Manche Kunststoffe sind regelrecht überlebenswichtig. Sie sind resistent gegenüber Chemikalien und Wettereinflüssen. Man kann Plastik an der Oberfläche modifizieren, damit es besondere Eigenschaften erhält und zum Beispiel hydrophil wird. Es ist außerdem irrsinnig leicht und günstig in der Herstellung. Das ist einfach praktisch. Aber wo liegen die Nachteile von Kunststoffen? Wir haben uns hier am Institut die Gruppe der Polyester herausgegriffen. Dazu zählt zum Beispiel pet, das Polyethylenterephthalat, das immer noch als sehr resistent gegen den Bioabbau gilt. pet wird wie viele andere Kunststoffe auch aus Erdöl hergestellt. Und das ist eine Ressource, die einmal zuneige gehen wird. Es ist sehr schade, dass wir das kostbare Erdöl für Einwegmaterialien verwenden, die wir einfach wegschmeißen. Das ist eines der Probleme an der übermäßigen Plastikverwendung, wie wir sie
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»Um das Plastikmüllproblem in den Griff zu bekommen, brauchen wir viele verschiedene Ansätze. Unser Ansatz ist einer davon.«
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Doris Ribitsch
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heute betreiben. Ein anderes Problem ist, dass gerade die positiven Eigenschaften des Plastiks dafür sorgen, dass es nicht biologisch abbaubar ist. Das hat man zumindest gedacht. Es stimmt allerdings nicht zu 100 Prozent. Und das führt zu unserer Arbeit hier im Institut. Wir haben Enzyme isoliert, die in der Lage sind, Plastik abzubauen. Und diese Enzyme kommen in der Natur vor? Ja, zum Beispiel im Komposthaufen. Auch dort gibt es Material, das Polyester enthält. Etwa die Schale von Äpfeln und Tomaten. Die wachsartige Komponente in den Schalen besteht aus dem natürliche Polyester Cutin. Dieses Biomaterial unterscheidet sich strukturell vom künstlichen pet, wird aber beim Kompostieren von natürlichen Enzymen abgebaut. Was machen Sie mit diesen Enzymen? Wir haben zunächst das Cutin aus Apfelscha-
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len isoliert. Dann haben wir Mikroorganismen angezüchtet, die in der Lage sind, Cutin abzubauen. Mit den Enzymen, die den Abbau erledigen, beschäftigen wir uns dann im Labor. Sie können zwar Cutin abbauen, nicht aber pet als nichtnatürliches Substrat. Die Aktivität der Enzyme auf pet ist deutlich geringer und für technische Anwendungen viel zu gering. Genau hier setzen wir an. Denn man kann Enzyme im Labor maßschneidern und an nichtnatürliche Substrate anpassen. Dafür verändert man gewisse Eigenschaften, indem man Aminosäuren austauscht. Zum Beispiel verändert man die Oberfläche, damit das Enzym besser an der pet-Oberfläche bindet.
forscht am Institut für Umweltbiotechnologie der boku Wien am Campus Wieselburg an Recyclingtechnologien, die natürliche Zersetzungsprozesse nutzen.
Sie erzeugen also Enzyme, die an pet binden und dafür sorgen, dass pet zerfällt. Genau. Sie müssen sich die Enzymreaktionen so vorstellen: Es gibt ein Substrat, in diesem Fall pet. Das Enzym bindet sich ans Substrat und wirkt wie eine Schere. Es zerschneidet das
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Plastik in die kleinen Ausgangsmaterialien. Ein Polymer ist ja aus vielen kleinen Bestandteilen aufgebaut. Und das Enzym kann die Bestandteile auseinandernehmen. Es bleiben dann die Ausgangsstoffe übrig. Bei pet sind die Baustoffe vor allem Terephthalsäure und Ethylenglycol. Daraus kann man dann wieder etwas Neues bauen. Sind diese Ausgangsstoffe ökologisch unbedenklich? Ja. Diese Stoffe können von Mikroorganismen im Stoffwechsel verarbeitet werden. Das ist also ein echter Bioabbau. Die Enzyme selbst sind Proteine. Sie sind daher zu 100 Prozent biologisch abbaubar. Und sie arbeiten unter milden, physiologischen Bedingungen in wässrigen Systemen. Man braucht für ihren Einsatz keine Lösungsmittel und keinen Druck. Sie sind also wirklich umweltfreundlich und eine grüne
Alternative zu den bisherigen Recycling-Verfahren für pet, speziell in Verbundmaterialien für die etablierte Verfahren schwer anwendbar sind. Was sind denn die bisherigen Verfahren? Bisher war ein Recycling von Verbundmaterialien, die pet enthalten, sehr schwierig und diese wurden meist verbrannt. Verbrennt man diese Kunststoffe, verbrennt man letztlich Erdöl. Das ist eine One-Way-Nutzung, bei der nichts zurück in den Ressourcen-Kreislauf kommt. Es wird verbrannt und weg ist es. Dabei entstehen auch noch Treibhausgase. Unsere Erdöl-Reserven könnten wir wirklich besser und sorgfältiger nutzen. Am Ende Ihrer Forschungsarbeit könnten also Enzyme stehen, die in Recyclingbetrieben eingesetzt werden? Genau. Wir arbeiten mit Firmen zusammen, die unsere Ergebnisse zu Produkten und Anwendungen weiterentwickeln. Zum Beispiel
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Im Labor binden die Enzyme an PET als Substrat, um es in seine unterschiedlichen Bestandteile zu zerteilen.
Natürliche Verfallsprozesse könnten in Zukunft dabei helfen, das weltweite Plastikmüll-Problem zu lösen.
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Armstrong – Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond von Torben Kuhlmann © 2016 NordSüd Verlag AG, Zürich / Schweiz
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Spielt es für Ihre Forschung eine Rolle, dass das Plastikproblem in letzter Zeit vermehrt öffentlich diskutiert wird? Wir arbeiten schon seit über 20 Jahren an diesen Enzymen und haben einiges an Expertise aufgebaut. Erst jetzt ist das aber zu einem gro-
»Man kan Enzyme im Labor Maßschneidern und an nichtnatürliche Substrate anpassen« ßen Thema geworden. Es dauert wohl immer eine Zeit, bis ein Problem als großes Problem wahrgenommen wird. Es hat vielleicht auch damit zu tun, dass China unseren europäischen Plastikmüll nicht mehr annimmt, sondern wir nun selbst darauf sitzenbleiben. Hinzu kommt die neue EU-Richtlinie zur Reduktion von Einwegplastik. Wenn erst einmal Gesetze da sind, wird natürlich der Druck, Lösungen zu entwickeln, größer.
Auch in der Natur gibt es Polyester. Die wachsartige Komponente in den Schalen von Äpfeln und Tomaten besteht aus dem natürlichen Polyester Cutin. Dieses Biomaterial wird beim Kompostieren von natürlichen Enzymen abgebaut.
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Woran scheitert das Recycling noch? Wir müssen unsere Enzyme noch verbessern. Wir haben zwar schon viel erreicht, aber um das Recycling durch Enzyme wirtschaftlich zu machen, müssen die Enzyme Plastik schneller abbauen. Wir sind hier allerdings auf einem guten Weg. Wie speziell müssen die Enzyme an verbreitete Plastiksorten angepasst sein, damit der natürliche Abbau funktioniert? Enzyme sind sehr spezialisiert. Im Labor spezialisieren wir hochspezifische Enzyme aus der Natur noch weiter, um sie an bestimmte Arten von Plastik anzupassen. Wir maßschneidern also Enzyme für völlig unnatürliche Substrate, die noch dazu nicht wasserlöslich sind. So ein Enzym besteht aus ungefähr 300 Aminosäuren. Davon tauschen wir eine oder zwei aus. Das hat bereits einen riesigen Effekt. In ein paar hundert Jahren wird die Natur wahrscheinlich auch evolutionär ein Enzym entwickelt haben, das das unnatürliche Substrat pet abbauen kann. Nur können wir so lange nicht warten. Wir machen hier beschleunigte Evolution im Labor.
Sehen Sie im Recycling durch Enzyme die Lösung? Ja. Das ist genau das, was wir in der Biotechnologie machen: Wir schauen in die Natur und suchen darin nach Problemlösungen. In unserem Fall geht es um Abbauprozesse. Der passiert in der Natur durch Enzyme. Das ist der natürlichste Weg, den Abbau von Materialien zu betreiben.
Kann das langfristig auch das Problem der Plastikverschmutzung der Meere lösen? Es wäre vermessen, zu behaupten, alle Probleme durch unsere Methode lösen zu können. Dafür sind die Probleme einfach zu vielfältig. Es macht einen großen Unterschied, ob man sich mit Mikroplastik im Meer beschäftigt, oder mit gesammeltem, sortiertem Plastikmüll. Um das Plastikmüllproblem in den Griff zu bekommen, brauchen wir viele verschiedene Ansätze. Unser Ansatz ist einer davon.
Wie weit sind wir noch davon entfernt, dass ihre Methode zum üblichen Recyclingverfahren wird? Da ist noch viel Arbeit nötig. Denn es ist heute noch viel billiger, Verbundmaterialien aus Plastik einfach zu verbrennen. Aber das ist kein fairer Wettbewerb. Denn beim Verbrennen erfolgt ja nur eine Entsorgung, aber kein Recycling.
Stoßen Ihre Ansätze auch in der Kunststoffindustrie auf Interesse? Wir haben auch gemeinsame Forschungsprojekte mit großen Kunststoffherstellern und Müllentsorgungsunternehmen. Hier findet ein Know-how-Transfer statt, bei dem es um die Entwicklung des Plastiks der Zukunft geht. Wir wissen ja, was notwendig ist, damit
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mit einem französischen Unternehmen, das die Enzyme bereits einsetzt und verkauft. Dabei gibt es Abbauraten von über 90 Prozent.
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Plastik natürlich abbaubar ist. Und das Plastik der Zukunft sollte den natürlichen Abbau unterstützen.
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Man entwickelt also die Enzyme, die zum Plastik passen, und das Plastik, das zu diesen Enzymen passt. Welche Rolle spielen die Plastiksorten, die bereits heute als Bioplastik vermarktet werden? Die sind noch nicht ganz das, was wir gerne hätten. Der Begriff Bioplastik suggeriert einerseits, dass es aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, und andererseits, dass es bioabbaubar ist. Das ist, was sich die Konsumierenden erwarten. Allerdings ist Bioplastik anders definiert. Es besteht entweder aus nachwachsenden Rohstoffen, oder es ist biologisch abbaubar. Das Oder macht einen großen Unterschied. Es gibt biologisch abbaubares Plastik, das aus Erdöl besteht. Und es gibt Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen, das aber nicht bioabbaubar ist. Das ist eine Diskrepanz. Mit dem Begriff Bioplastik muss man also aufpassen und genau hinschauen, wenn man umweltfreundlich handeln möchte. Es macht keinen Sinn, Plastik gegen nachwachsendes Bioplastik auszutauschen, für das am Ende Urwälder gerodet werden müssen. Hier muss man sehr gut abwägen, was wirklich grün und bio ist. Können einzelne Konsumierende das überhaupt abwägen? Es gibt inzwischen viele verschiedene Labels und Zertifikate, die angeben, was ökologisch sinnvoll ist, und was weniger. Aber ich muss zugeben, dass das für Konsumierende sehr schwierig zu überblicken ist. Eine der besten Maßnahmen bleibt es, einfach weniger Plastik zu verwenden. Wenn man ein Plastiksackerl zweimal statt einmal verwendet, reduziert man den Müll um 50 Prozent – eine einfache Rechnung. Das ist noch immer die wirksamste Methode. Es geht letztlich um drei Säulen: re-use, also Wiederverwenden; re-cycle, Stoffkreisläufe aufbauen; und re-duce, weniger verwenden.
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Werden wir in zwanzig Jahren deutlich weniger Plastik einsetzen, oder einfach anderes, besseres Plastik? Beides. Die eine Lösung für das Plastikproblem wird es nicht geben, weil es so vielfältig ist. Es gibt Bereiche, in denen man Plastik leicht ersetzen kann. Es gibt aber auch Bereiche, in denen das kaum geht. Zum Beispiel in der Medizin, oder auch in der Automobilindustrie. Wenn ein Auto nicht so viele Plastikteile hätte, wäre es schwerer und würde so viel Kraftstoff verbrauchen, dass es deutlich umweltschädlicher wäre. In der Automobilindustrie gibt es deshalb Bemühungen, wieder mehr holzbasierte Materialien zu verwenden, weil auch Holz leicht ist. Man muss für einzelnen Produkte und Anwendungen Lösungen finden, um Plastik zu reduzieren oder zu ersetzen. Aber es gibt Anwendungsbereiche, in denen wir Plastik einfach nicht ersetzen können.
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TROCKENFLEISCH VOM FREILANDRIND Das Weidebeef Biltong vom Biohof Harbich – ein aromatisches Trockenfleisch – wurde als niederösterreichisches BioProdukt des Jahres ausgezeichnet. Vinzenz Harbich erklärt den Unterschied zu Beef Jerky und wie er seine Rinder füttert.
Vinzenz Harbich bewirtschaftet mit seiner Frau Julia den Biohof in Aderklaa im Marchfeld. Seine Leidenschaft gehört den Rindern.
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BIORAMA: Biltong ist in Europa wenig be kannt. Dabei gibt es die besondere südafrikanische Form der Zubereitung von Trockenfleisch traditionell auch in der Schweiz, wo man vom Bündnerfleisch spricht. Wie entstand denn die Idee, es mit Trockenfleisch zu versuchen? VINZENZ HARBICH: Bündnerfleisch oder auch Bresaola wie in Italien hatte ich früher schon einmal versucht. Das ist aber schwierig, weil da mit größeren Fleischstücken gearbeitet wird und in Italien auch mit Edelschimmel. Irgendwann habe ich dann von Biltong gelesen und mir selbst eine Biltong-Box zum Trocknen gebaut. Das hat gleich super funktioniert.
Ist euer Weidebeef Biltong eigentlich das Gleiche wie Beef Jerky? Beef Jerky wird in Chips getrocknet, Biltong im Ganzen in zwei bis zweieinhalb Zentime-
ter dicken Scheiben, die dreißig bis vierzig Zentimeter lang mit der Faser geschnitten und getrocknet werden. Für Biltong verwenden wir hauptsächlich Stücke vom Schlögel ohne Sehne und ohne Fettauflage. In den usa oder Südafrika gibt es Biltong zwar auch oft mit dicker Fettauflage drauf, aber das trifft den österreichischen Geschmack nicht so. Ist die Klientel für dieses Produkt so männlich, wie man sich das klischeemäßig vorstellt? Überhaupt nicht eigentlich, nein. Das ist ziemlich ausgeglichen, und ich glaube sogar, dass unsere beste Biltong-Kundschaft eher Frauen sind. Gekauft wird das meiste Biltong im Ganzen und die Leute schneiden sich das selbst zuhause. Wir verkaufen es aber auch aufgeschnitten, als Geschenk. Der Biohof Harbich vermarktet sein
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INTERVIEW Thomas Weber
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Rind- und Schweinefleisch ausschließlich regional und über den Hofladen. Wie hat denn die Stammkundschaft darauf reagiert, dass es eines eurer Erzeugnisse zum niederösterreichischen Bio-Produkt des Jahres geschafft hat? Das wurde wahrgenommen. Uns haben viele darauf angeredet, vor allem kam aber auch neue Kundschaft in den Hofladen. Großen Run auf Biltong gab es jetzt keinen, aber die Aufmerksamkeit war für uns perfekt. Riesige Mengen Biltong haben wir ohnehin nicht. In den vergangenen zwei Monaten seit der Auszeichnung haben wir vielleicht 30 Kilo verkauft, was aber eigentlich eh viel ist, weil die Portion im Schnitt ja nur 50 Gramm ausmacht. Im Vergleich zu Rindersaftschinken oder Carpaccio bleibt Biltong aber natürlich ein Nischenprodukt. Für mich selbst ist der Reiz, weiter zu experimentieren, auf jeden Fall noch größer geworden. Im Frühling bleibt dann wegen der vielen Arbeit leider wenig Zeit für Versuche. Gibt es auch Anfragen aus der Gastronomie? Immer wieder, ja. Aber das passt meistens nicht. Wenn, dann müsste ein Lokal ja ein halbes oder ganzes Rind nehmen und nose to tail verarbeiten. Die Edelteile allein, die
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werde ich selbst ja auch ganz leicht los. Für innovative Zusammenarbeit wären wir aber immer offen. Rinder wie Wühlschweine sind bei euch ganzjährig im Freien, ihr schlachtet am Hof. Viele TierhalterInnen klagen, dass die Freilandhaltung behördlich laufend erschwert wird. Die Freilandhaltung von Schweinen wurde wegen der Afrikanischen Schweinepest verschärft, da gibt es gewisse neue Auflagen. Eine doppelte Einzäunung hatten wir immer schon. Jetzt steht auf der Weide auch ein Container mit Handwaschbecken und Desinfektionswannen. Alles muss wildschweinsicher sein. Das ist aber durchaus sinnvoll, wenngleich sich der Aufwand für wenige Tiere vielleicht nicht lohnt. Aber bei unseren 70 Schweinen passt das schon. Für Rinder gab es zuletzt keine neuen Auflagen.
Seine Rinder hält Biobauer Vinzenz Harbich ganzjährig im Freien. Den Großteil des Jahres sind die Herden – absolut einzigartig im Marchfeld – auf weitläufigen Weiden unterwegs. Geschlachtet werden die Tiere direkt am Hof.
Euer Hof liegt im Marchfeld, einer klassischen Ackerbaugegend, die immer wieder als Gemüsegarten vor den Toren Wiens bezeichnet wird. In einem Interview habt ihr einmal gesagt, es gäbe eigentlich in jedem Dorf genügend Platz für einen Rinderbauern, der regional direkt vermarktet.
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Gibt es in der Gegend schon Betriebe, die es eurem gleichtun? Noch nicht wirklich. Aber ein Schulfreund von mir stellt gerade seinen Hof auf Bio um und beginnt mit der Lämmermast. Ab Frühling werden wir seine Lämmer vermarkten. Ein Bekannter baut in der Gegend gerade eine Herde mit Blonde-d’Aquitaine-Rindern auf. Ein paar wenige gibt es also. Vor zwei Jahren hat auch ein konventioneller Bauer begonnen, selbst zu schlachten und regional zu vermarkten – halt mit ganzjähriger Stallhaltung, das ist schon was anderes.
Großer Andrang herrscht im Hofladen in Aderklaa (Dorfanger 28) jeden Freitag Nachmittag. Verkauft werden Fleisch und Wurst von den eigenen Tieren sowie Produkte von anderen Biobetrieben aus der Region.
Das Marchfeld ist nicht nur fruchtbar, sondern auch besonders trocken. Im vergangenen Sommer war immer wieder und aus ganz Europa von Milch- und Fleischrinderbetrieben zu lesen, die ihre
Herden verkleinern und Tiere schlachten mussten, weil es durch die langanhaltende Dürre zu wenig Futter für das Vieh gab. Ist das auch für den Biohof Harbich ein Thema? Wir haben solche Szenerien in der Region jedes Jahr, sind also sehr erprobt, damit umzugehen. Auf einigen meiner Weiden habe ich eine Bewässerungsmöglichkeit. Unsere Hauptfuttergrundlage ist zwar Luzerne, aber meine Trockenheitsversicherung ist Silomais. Ein Hektar Silomais gleicht vier Hektar Luzerne aus. Der ist sehr trockenheitsresistent und ideal für die Tiergesundheit, weil die Energie super in den Futtermix passt. Auch für die Fleischqualität ist er ideal. Er sorgt für die ausreichende Fettabdeckung und ermöglicht die Trockenreifung beim Fleisch. weidebeef.at
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Werden manchmal verwechselt: der Fuchs, der Goldschakal und der Wolf (v.l.n.r.).
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in Feldweg ein paar Meter abseits der B49 kurz vor Anbruch der Dunkelheit. Jennifer Hatlauf hat alles vorbereitet: die SD-Karte, das Megaphon, den Recorder. Gleich hebt das Geheul an, erst zaghaft, dann lauter, eine ganze Gruppe. Hatlaufs Hoffnung: Irgendwo da draußen könnten Goldschakale auf ihre aufgezeichneten Artgenossen antworten. Mit einer Kontaktaufnahme von einsamen Durchzüglern ist eher nicht zu rechnen. Die Wildbiologin möchte ganze Gruppen nachweisen – und
»Sie leben sehr heimlich, es gibt wahrscheinlich mehr Goldschakale als wir wahrnehmen.« – Jennifer Hatlauf, Wildbiologin sucht damit Belege, dass sich der Goldschakal auch in Niederösterreich fortpflanzt. Denn davon ist auszugehen. Erstmals in Niederösterreich nachgewiesen wurde er 1988. Seit die Biologin 2015 ihr »Goldschakal-Projekt« begann, gibt es jedes Jahr zumindest einen gesicherten Nachweis. Auch hier an der Grenze zur Slowakei könnten Goldschakale eine Heimat gefunden haben. Entschei-
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dend sind nur natürliche Deckungsmöglichkeiten. »Sie leben sehr heimlich, es gibt wahrscheinlich mehr als wir wahrnehmen.« Sein Hauptverbreitungsgebiet in Europa hat Canis aureus in Bulgarien. In Ungarn ist er mittlerweile häufig anzutreffen. Sogar in Estland wurde bereits eine Gruppe nachgewiesen, in Dänemark ein Schafriss dokumentiert. Hatlauf arbeitet mit den örtlichen Jagdgesellschaften zusammen. Auch von deren Kamerafallen kommen verlässliche Nachweise. Verwechselt wird das fuchsgroße Tier, das aussieht wie ein Wolf, von Laien häufig mit dem Rotfuchs, lässt sich von diesem aber durch die viel kürzere Rute unterscheiden. Als Beute holt sich der Schakal, was leicht verfügbar ist: bevorzugt kleine Säugetiere, Kadaver, auch Katzen und Rehkitze. Fünfmal hat Hatlauf das Geheul abgespielt, ohne Resonanz. Drei Kilometer weit wäre es hörbar. Deshalb zieht sie jetzt drei Kilometer weiter. Auftauchen könne das scheue Tier wirklich überall. »Nur in die Kerngebiete eines Wolfsreviers wird sich kein Goldschakal trauen.« Denn neben dem Straßenverkehr wäre dies der größte Feind des Goldschakals: der Wolf. Infos auch auf Instagram (@goldschakalprojekt) und unter goldschakal.at
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Als Gewinner des Klimawandels lässt er sich seit 2015 auch in Niederösterreich jedes Jahr nachweisen: der Goldschakal.
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Das Wolfsforschungszentrum in Ernstbrunn ist eine weltweit einzigartige Forschungseinrichtung, das 2019 sein 10-jähriges Bestehen feiert!
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Zirka 2.100 Kilometer Schienennetz liegen in Niederösterreich. Und damit lassen sich viele Attraktionen und Sehenswürdigkeiten wunderbar erreichen.
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Styx Naturkosmetik wird weltweit geschätzt. Wolfgang Stix betreibt aber auch eine Bio-Schokoladenmanufaktur und hat sein kleines Imperium mittlerweile zur »Styx Erlebniswelt« ausgebaut. Den Genuss auf die Spitze treibt, wer ein paar Stationen weiter direkt vor der Haustür von Hans Weiß aus der Mariazellerbahn aus- und in dessen Groß Gerungs Naturhotel Steinschaler Hof absteigt (steinschaler.at). Emmersdorf/Donau Herzogenburg
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WANDERN UND SCHNEESCHUHWANDERN
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Wackelsteine aus Granit, wie von urzeitlichen Riesen in eine archaische Gegend geworfen, die doch auch eindeutig Kulturlandschaft ist: Mischwäldern, Äckern und artenreichem Trockenrasen. Im Winter ideal zum Schneeschuhwandern.
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Wirklich überprüft wird der Titel »Niederösterreichs Bio-Hauptstadt«, den Wolfgang Sobotka, damals Landesrat, seiner Heimatstadt vor bald zwanzig Jahren verlieh, nicht. Ein beeindruckendes Bewusstsein für regionale Bio-Landwirtschaft gibt es hier allerdings durchaus. Neben dem tollen Radwegnetz ist es außerdem der richtige Ausgangspunkt für Wanderungen in die Ybbstaler Alpen.
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Heiß umfehdet, wild umstritten: Die Strecke, die einst Gänserndorf und Mistelbach verband und nun nur noch bis Bad-Pirawarth fährt, soll eingestellt, die Gegend stattdessen durch Elektro-Busse erschlossen werden.
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Der größte Weinkeller Mitteleuropas –Laa/Thaya mit weitläufigen 21 Kilometern – liegt im nördlichen Weinviertel, direkt unter dem Hauptplatz Mistelbach von Retz, der wiederum einer der schönsten und größten Marktplätze Österreichs ist. Obersdorf Auch das Retzerland ringsum hat – zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem E-Bike Floridsdorf (Verleih!) – viel zu bieten.
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Wer sich von Gelsen nicht abhalten lässt, findet Kittsee entlang der österreichisch-slowakischen Grenze abwechslungsNeusiedl/See Nickelsdorf reiche Rudergewässer. Kanus verleiht zum Beispiel der »Kanu Ferl« in Münichsthal (kanu-ferl.at).
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pe, die von Reichenau aus erSiebenhierten Oberlaa wandert oder per Seilbahn befahren werden kann, ist das höchste Bergmassiv des Bundeslandes. Von der Gemeinde Berg im Bezirk Bruck an der Leitha, dem niedrigsten Punkt Niederösterreichs, gelangt man übrigens binnen zirka drei Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln hierher.
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PICKNICK ARTISTS Ein Korb mit Brot und Käse. Wurstsalat. Vielleicht auch noch Ei-Aufstrich. Alles wunderbar und zweifelsohne wichtige Dinge, plant man ein Picknick unter freiem Himmel. Aber was ist essentiell? Womit kann ich meine Freunde überraschen?
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ir haben ein paar Sachen ausprobiert und die besten zusammengestellt und eine Gemeinsamkeit festgestellt: Fermentation. Das kontrollierte Verrot-
ten macht Dinge nicht nur haltbarer, es macht sie auch besser. Viel besser sogar. Und genau darauf kommt es doch an, beim Picknicken, oder?
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DESTILLERIE FARTHOFER, WHISKY
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LEO UIBEL, GRÜNER VELTLINER HUNDSBERG
Sie nennen es »Vom Feld in die Flasche« und lehnen sich dabei an die im Moment so moderne »From Farm to Table«-Philosophie an. Nur eben Flasche statt Tisch. Die Farthofer-Whiskys sind bio, das Malz ist selbst gemälzt und in den Fässern, in denen die »new makes« reifen, war davor der Mostello zuhause. Was dabei herauskommt? Ein unglaublich dichter und kompakter, hocharomatischer Voralpenwhisky mit röstigen und nussigen Aromen. Eher für die letzten Stunden des Picknicks. destillerie-farthofer.at
Das Gut Oberstockstall am Wagram ist schon länger ein sicherer Hafen für Genießer. Ein grandioses Restaurant, eindrucksvolle Kulisse und mit Fritz Salomon ist ein leidenschaftlicher demeter-Winzer am Werken, dessen Weine unglaublich beeindruckend sind. Auch der Wermut! Wermut pur nennt er ihn, und der Name ist Programm. Heimische Kräuter, kristallklarer Wein. Bitter ohne Ende und dabei wunderbar harmonisch. Passt perfekt zum Nattõ und damit an den Beginn des Freiluftessens. gut-oberstockstall.at
Leo Uibel ist ein Weinviertler Unikat. Seit 2016 bio, seit Ewigkeiten ein Winzer, der prägnante, charakterstarke Weine macht. Der Hundsberg ist kein Terrassenwein. Dazu ist er viel zu komplex und zu opulent. Aber fällt ein Nachmittag alleine in der Hängematte und einer Flasche Wein auch unter den Begriff »Picknick«? Da wäre der Hundsberg nämlich daheim. Ein Wein voller Kraft und Eleganz. Trockenfrucht und Kiefernholz. Mit einem Hauch Zitrusfrische. uibel.at
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FAIRMENTO, NATTŌ
Sie sind echt keine Unbekannten, die Adelsbergers. Moste zum Niederknien, phänomenale Säfte, hauptsächlich von der Birne, meistens sortenrein. Der Saft von der Schweizer Wasserbirne gehört zum erfrischendsten, das das Mostviertel zu bieten hat. Und jetzt steht auch ein Cider im Regal. Danke, darauf haben wir gewartet. Ein spritziger Prickler mit verspielter Süße auf Apfel/Birnen-Basis. Handliche Flasche, Dauerbegleiter beim Picknick. adelsberger-bio.at
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Es gibt ein paar Dinge, die – speckmäßig – in Stein gemeißelt sind. Erstens, Fett ist Geschmacksträger, vorausgesetzt, es ist gutes Fett. Zweitens, gutes Fett entsteht am Rücken geeigneter Fettschweine und durch gute Fütterung. Die Wiesners wissen das. Also halten sie Mangalitzas und füttern sie mit gekochten Erdäpfeln. Was dazu führt, dass Herr Wiesner Sachen sagt, wie »Mit dem Fett meiner Sauen, kannst an Nagel einschlagen«. Wir übersetzen das mit »feste Struktur und kompakte Konsistenz«. Ein Pflichtprügel bei jedem ernsthaften Picknick. dewiskentale.com
Nein, es ist nichts ursprünglich Niederösterreichisches. Nattõ ist ein traditionelles Gericht, das eigentlich nach Japan gehört. Beziehungsweise von dort kommt. Es sind Sojabohnen, die die JapanerInnen in Reisstroh gewickelt haben und dem in der Natur vorkommenden bacillus subtilis zur Fermentation überlassen haben. Was dabei herauskam, ist allerdings alles andere als subtil. Unglaublich intensive, schlotzige und (gesteuert) verrottete Sojabohnen, voll mit herrlichem Umami-Geschmack und ultragesund. Als Argument sollten die Inhaltsstoffe reichen: Nattokinase, Vitamin K2, Isoflavone und Polyamine. Multiple Organstärkung sozusagen. Und es schmeckt. Seit kurzem gibt es Nattõ auch in Niederösterreich. fairmento.at
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RADIKALE BAUERNFUNKTIONÄRE
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menschen meint, nicht selten retimmt schon: Die Vorstellung, die manche von präsentiert durch irgendeine uns von Landwirtschaft haben, sind haarsträuUmweltschutzorganisation. bend. Mitunter auch haarsträubend naiv. Landwirtschaft bleibt eine hochkomplexe AngeleGEBEN UND NEHMEN genheit. Damit ein Auskommen zu finden, ist alles andere als einfach. Gleichzeitig entfremden wir uns Erst im EU-Wahlkampf eiferte Georg immer mehr von »unseren« Bäuerinnen und BauStrasser, der Präsident des övp-Bauernern – auch, weil immer weniger Betriebe immer bunds, es brauche »bäuerliche Praktiker mehr Menschen ernähren müssen. Diese Entwickmit Herz und Hirn statt selbsternannte Aglung ist in absehbarer Zeit nicht umkehrbar und rarexperten«. Eine populistische, im Kern die Mehrheit der Bevölkerung strebt das auch gar undemokratische Forderung – weil sie einicht an. nerseits interessierten BürgerInnen UnmünImmer öfter ist deshalb von einzelnen Bäudigkeit attestiert. Subtext: Wir sind die Exerinnen und Bauern, vor allem aber von depertInnen und alle anderen sollen die Klappe ren Standesvertretung zu hören, die Vorstelhalten und gefälligst kaufen was wir produlungen der KonsumentInnen wären absolut zieren! Andererseits unterstellt sie unzähliunrealistisch. Würden sich die gefordergen boku-AbsolventInnen, die sich in den ngos ten Produktionsbedingungen überhaupt tummeln, und nicht zuletzt all jenen, denen umsetzen lassen, dann wären sie unwirtebendiese ein Sprachrohr bieten, sie würden an schaftlich. Überhaupt hätten die Mensprechende Bio-Ferkel glauben. Nach innen hin schen da draußen keine Ahnung. Wobei mögen solche Wortmeldungen vielleicht zusamdie Menschen meist den anonymen Stadtmenschweißen. Effektiv vergrößern sie aber bloß die Distanz zur Mehrheitsgesellschaft. Und sie schaden Bäuerinnen und Bauern. Denn so wie diese uns ernähren, füttern wir sie mit unseren Förderungen durch. Das hören diese zwar nicht gerne, ist aber ein Faktum. Darum: Öffnet eure Höfe und Stalltüren, Bäuerinnen und Bauern! Beantwortet bereitwillig auch dumm erscheinenden Fragen! Und wir an30. März – 27. Oktober 2019 deren: Fordern wir diese Einladung täglich geöffnet von 10.00 – 17.00 Uhr ein! Haben wir keine Angst vor – verUnterWasserReich Schrems || Moorbadstraße 4, A-3943 Schrems meintlich –blöden Fragen. Tel. +43 2853 76334 || www.unterwasserreich.at KOLUMNE Thomas Weber
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