SPREEWALD AnTHOLOGIE III
Spreewald-Literatur-Stipendium 2010 - 2011
SPRE EWA L D A NT HOLO G IE III
Spreewald-Literatur-Stipendium 2010 - 2011 Patrick Findeis Sebastian Orlac Martin Brinkmann Heide Schwochow Sabrina Janesch
S preew 채 lder K u lt u rsti f t u n g au f S c h l o ss M체 s c hen
INHALT
Martin L체dke, Vorwort................................................................................................................................. 04 Patrick Findeis.............................................................................................................................................. 09 Entlang der Allee................................................................................................................................................... 10 Sebastian Orlac.......................................................................................................................................... 15 Gegendarstellung.................................................................................................................................................. 16 Martin Brinkmann..................................................................................................................................... 21 Die Mittagsfrau und der Nichtstuer..................................................................................................................... 22 Heide Schwochow..................................................................................................................................... 29 R체ckbesinnung..................................................................................................................................................... 30 Sabrina Janesch.......................................................................................................................................... 37 Westw채rts.............................................................................................................................................................. 38 Die jury.............................................................................................................................................................. 45
Vorwort
Noch zwei Schritte zum Paradies Ein Ertrag des Spreewald-Literatur-Stipendiums: Die Anthologie III
Die „Mittagsfrau“ hat unserem Autor, zugegeben, kein
Ein Schriftsteller, der einmal den Büchner-Preis oder,
Glück gebracht, aber, anders als er befürchtete, auch
besser noch, den Deutschen Buchpreis erhalten hat,
nicht den Kopf gekostet. Immerhin hat sie ihm, wenn
kann fast sorgenfrei weiter leben und schreiben, vor
ich (an-)deutend seine kleine „Bleiche“-Geschichte
allem, weil sein Name zu einem literarischen Marken-
fortführen und dabei zuspitzen darf, die Tür zum Glück,
zeichen geworden ist und fortan beim Buchhandel als
wenn auch nur einen winzigen Spalt weit, offen gehal-
verkaufsträchtig gilt. Es gibt Preise, die mit 111 Fla-
ten. Denn nicht nur im offenen Bademantel wird ein
schen Wein oder, wie bei der durchaus renommierten
Versprechen sichtbar. Die Einzelheiten sind bei Martin
Zuckmayer-Medaille, gerademal mit 30 Flaschen vom
Brinkmann nachzulesen. Auf ganz andere Weise zeigt
„Fröhlichen Weinberg“ dotiert sind. Es gibt, nach dem
sich dieses Versprechen, fast verdeckt von einer Lebens-
Urbild Bergen-Enkheim, Stadtschreiberpreise, die
geschichte, die wenig Höhepunkte bot und doch immer
hoch dotiert vieles ermöglichen und wenig nur fordern.
mehr als nur Hoffnung, in Heide Schwochows „Rückbe-
Und umgekehrt Stadtschreiber, die skandalös bezahlt,
sinnung“ auf die alte, bald achtzigjährige Reiseführerin
regelrechte Fronarbeit leisten sollen. Es gibt Preise, bei
Marga Morgenstern. Heide Schwochow beschreibt die-
denen es um hohe Summen geht, und solche, die es bei
ses Leben, treffsicher, mit einfachen Worten, und damit
der beurkundeten Auszeichnung bewenden lassen, das
umso eindringlicher. Auch sie zeigt: Literatur überhaupt
heißt bei der Ehre. Und es gibt, ein Unikum unter den
lebt von ihrem utopischen Kern, gleichgültig wie stark
deutschen Literaturpreisen, das Spreewald-Literatur-
der lodern, wie schwach der noch glühen mag.
Stipendium, das es dem Ausgezeichneten erlaubt, vier volle Wochen im Spreewald, in dem Hotel „Zur Blei-
In Deutschland gibt es unzählige literarische Preise
che“, zu verbringen. Es ist unmöglich, dieses Privileg in
und Stipendien, und zwar der unterschiedlichsten Art.
gebotener Kürze auch nur andeutend zu beschreiben.
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Luxushotel ist nicht ganz das richtige Wort. Und un-
ahnen als zu erkennen ist. Geschichte. Ums Haus
ter dem Begriff „Landtherme“ kann man sich schwer-
herum ebenso präsent wie im Haus, in den Bildern,
lich vorstellen, welche Fülle an sinnlichen Reizen
den Skulpturen, den Möbeln, den tausenden von
den Gast erwartet. Der Schriftsteller lebt also wie
Büchern, sehr viele opulente Bildbände darunter, die
Gott in Frankreich und das nur zwei Schritte vom
jedem Besucher zur Verfügung stehen, den lodernden
Paradies entfernt. Entsprechend steigt die Zahl der
Kaminen, dem Geruch von brennendem Holz, den
Bewerbungen von Jahr zu Jahr, und zwar sprunghaft,
Saunen und Dampfbädern, den Wasserbecken, den
an. Natürlich muss, das sei zugestanden, der Deckel auf
Liegeflächen draußen und den Kissen-Landschaften
den Topf passen. Arno Schmidt hätte sich hier kaum
im Haus. Die „Bleiche“ ist tatsächlich ein mythischer
wohlgefühlt, Thomas Mann (und zwar der Mann,
Ort. Auch deshalb gefällt sie den meisten ihrer Gäste
von dem jetzt wieder viel die Rede ist) schon eher.
und fast allen ihrer Stipendiaten. Sie verweist eben –
Jeder Stipendiat verpflichtet sich, neben vier Lesungen
auf etwas Anderes.
für die Gäste des Hauses, eine Geschichte oder auch Gedichte, kurz gesagt, einen Text für die jährlich
Die sog. Scholastiker, also jene gelehrten Köpfe des
erscheinende Anthologie beizusteuern. Diese Beiträ-
Mittelalters, die aus den Lehren des Aristoteles Schlüs-
ge sind in aller Regel vom, ich darf so sagen, ‚Geist
se für ihre finsteren Zeiten ziehen wollten, haben sich
des Hauses‘ inspiriert. Die Wälder, das flache Land,
auch Fragen gestellt, über die sich ihre Nachfahren nur
das dunkle Wasser der Spree-Arme, das lautlos da-
noch wundern konnten. Das geistige Wesen der Engel
hingleitet, all das deutet bereits auf den mythischen
vorausgesetzt, stellten sie die Überlegung an, wie viele
Rahmen hin, den dieses Haus umgibt. Eine Art Un-
dieser himmlischen Wesen wohl auf eine Nadelspitze
tergrund, aus dem etwas emporsteigt, was mehr zu
passen könnten.
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Leonardo da Vinci dagegen, Maler, Bildhauer, Archi-
der sich hier zeigt. Mit ihm, diesem Verlust, wird die
tekt und Forscher, ein Universalgelehrter, betrachtete
Kunst steril, die Politik buchstäblich aussichtslos und
als Mensch der Renaissance solch leere Gelehrsamkeit
das Leben eindimensional.
schon mit erheblicher Skepsis und fragte sich gleichwohl, ob „Engel“, also ebenjene himmlischen Geschöpfe,
Vladimir Nabokov, einer der großen Erzähler des 20.
denn „nackt“ seien.
Jahrhunderts, berichtet in seinem „Wiedersehen mit einer Autobiographie“, unter dem Titel „Erinnerung,
Eine, von heute aus gesehen, scheinbar ziemlich mü-
sprich“, von einer Episode aus seiner Kindheit. Er war
ßige Frage. Doch, ob angezogen, von durchsichtigen
offenbar ernsthaft krank. Deshalb fuhr seine Mutter
Schleiern bedeckt, oder tatsächlich nackt, es macht
täglich mit Schlitten, Kutscher und Diener in die Stadt,
einen Unterschied. Diese geflügelten Wesen, deren
um durch ein Geschenk für den Jungen dessen Gene-
stets bloßer Rücken meist von dem breiten Federkleid
sung zu beschleunigen. Eines Tages, der Junge hatte in
ausgebreiteter Flügel bedeckt ist und deren Vorder-
Fieberträumen ihre Rückkehr bereits vorweggenom-
ansicht nichts enthüllt, was den Offenbarungsgehalt
men, trat sie durch die Tür seines Kinderzimmers,
unbekleideter Käthe-Kruse-Puppen übersteigt, ver-
hinter ihr der Diener trug, eingewickelt noch, das Ge-
körpern eben in ihrer nackten Unschuld zugleich ein
schenk. Der Gegenstand erwies sich „als ein riesiger,
Versprechen.
kantiger Faber-Bleistift, über einen Meter lang und entsprechend dick. Er hatte als Ausstellungsstück im
Die Alten haben es gewusst. Wir, die Zeitgenossen von
Schaufenster des Ladens gehangen“, eigentlich „nicht
Angela Merkel, erleben gerade, wie dieses Wissen ver-
käuflich“, aber echt. Also völlig unbrauchbar, und da-
loren geht. Es ist, fürchte ich, der Verlust der Utopie,
rum unschätzbar wertvoll für den kleinen Nabokov.
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Er nennt es l’art pour l’art, man könnte auch von
schreibt ihn als Verkörperung der Fülle. Unser Ausdruck
(realer) Utopie sprechen. Anders gesagt: Auch für den
von Durchlässigkeit, porös, leitet sich ebenfalls von ihm
russischen Schriftsteller, wie für die großen Vertreter
ab. Findig, fähig, überall einen Ausweg zu finden, damit
der ästhetischen Theorie des 20. Jahrhunderts, sind die
auch das Vermögen, sich ein Vermögen zu verschaffen,
Bilder erlebten Glücks in der Kindheit Vor-Bilder mög-
das alles wird ihm zugeschrieben. Dieser Poros war von
lichen Glücks in der Zukunft. Das heißt eben: Inbilder
Penia, nachdem er an Aphrodites Geburtstag zu viel
auch einer gesellschaftlichen Utopie. In der Kunst sind
Nektar getrunken hatte, verführt und nach dem Ablauf
sie aufbewahrt und jede Literatur, die ihren Namen ver-
der entsprechenden Zeit Vater geworden – von Eros.
dient, bringt in ihrem innersten Glutkern diese Bilder zum Leuchten. Dieses Moment der Utopie sollte porös
Es würde mich nicht wundern, in einem der vielen
sein, durchlässig für die Strahlkraft des Eros.
Ecken und Nischen der „Bleiche“ irgendwo auf eine Statue von Poros zu treffen, wenigstens auf eine alte
Der Weg in der „Landtherme“ der „Bleiche“, der von
Kopie einer antiken Statue. Denn Eros, sein Sohn,
dem heißen Innen-Pool zu dem Sauna-Bereich führt,
lauert, auch fernab vom Sauna-Bereich, an jeder Ecke.
vorbei an dem großen Kamin, in dem immer Holz-
Das spürt man, und zwar auch an den Texten der Au-
scheite brennen, über einige Stufen hinweg vorbei an
toren, die das unverschämte Glück hatten und haben,
dem Whirl-Pool, dieser Weg ließe sich fast umstandslos
gleich mehrere Wochen in der „Bleiche“ zu verbrin-
in die griechische Mythologie zurückverlagern.
gen, lebend wie Gott in Frankreich, zwei Schritte vom Paradies entfernt.
Poros, noch heute der Name einer griechischen Insel, gilt nach einer Lesart als Vater des Eros. Platon be-
Martin Lüdke (Juror)
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Herbst 2010
Foto: Rui Calcada Bastos
Patrick Findeis Geboren 1975 in Heidenheim an der Brenz, lebt als freier Autor in Berlin. Handwerkslehre, Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, Absolvent des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Im Sommer 2009 erschien sein Debütroman „Kein schöner Land“, 2012 der Roman „Wo wir uns finden“. Findeis‘ Werk wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem 3-Sat-Preis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt, dem Literaturpreis Berlin-Brandenburg, dem Stipendium der Villa Aurora in Los Angeles… Zuletzt erhielt er das Autorenstipendium des Berliner Senats.
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Entlang der Allee Die Gänse schrien hoch oben im grauen, konturlosen Himmel. Langsam flog die Formation über Katja hinweg, aus dem Nichts waren sie gekommen, ihre Rufe aber hatte sie Minuten vorher schon hören können. Dieser Zug würde einer der letzten sein, das wusste sie und war froh darüber. In der Nacht war der erste Frost gekommen, der Reif überzog die Felder und Wiesen, starr stand die aufgerissene Erde der umgegrabenen Äcker. Endlich war der Herbst vorbei. Kein feuchtes, rutschiges Laub mehr in den Alleen. Sie hoffte auf frühen Schnee, auf Winter, auf gefrorene Spreearme, auf monatelange Kälte, auf unbefahrbare Straßen. Das V, das die Gänse gebildet hatten, verschob sich und sah jetzt aus wie eines der Häkchen, das die Lehrer ihrem Raik mit einem grünen Stift unter seine Hausaufgaben gesetzt hatten, waren sie mit ihnen einverstanden gewesen. Raik hatte ihr seine Hefte immer zur Kontrolle vorgelegt, auch als sie längst nicht mehr verstand, was er mit seiner Klasse behandelte im Unterricht auf dem Gymnasium. Katja drückte den Rücken durch und sah den Gänsen nach, bis sie nur noch eine Ahnung waren an der Grenze des Horizonts, wo die Dämmerung begann und der Tag endete. Sie stopfte das Laub, das sie zusammengerecht hatte, in den Sack und warf ihn auf die Schubkarre. Sie wusste, dass ihr Chef am Fenster stand in seinem Büro und sie beobachtete, wie sie die lange Auffahrt hinauf kam, bis sie am Hauptschuppen anlangte, wo der kleine Trecker stand, den sie für solche Arbeiten benutzen sollte. Sie zählte jede Minute, die sie zusätzlich brauchte, weil sie nicht mit dem Trecker fuhr. Jeden Tag. Und arbeitete länger deswegen. Sie hob die Hand zum Gruß, als sie an dem Fenster des Büros vorbeikam, hinter dem sich gerade die Lamellen des Rollos schlossen. In dem Bauwagen, der als Pausenraum diente, öffnete sie den Kühlschrank und warf den Becher Joghurt in den Abfall, von dem sie am Mittag drei Löffel gegessen hatte. Sie nahm ihre Jacke vom Haken und zog die Tür hinter sich zu. Der Wagen stank. An der Schranke der Einfahrt zum Gelände brannte sie sich ihre erste Zigarette des Tages an. Ihre Hände waren so trocken gewesen, dass sie die Zigarette kaum aus der Packung hatte nehmen können. Sie inhalierte so tief sie konnte und blies den Rauch langsam in die Luft. Sie hatte Raik versprochen, nicht mehr soviel zu rauchen, und sie hielt sich daran. Sie machte einfach weiter. Wie die Bäume der Allee, die den Fahrweg säumten, ihre Blätter verloren im Herbst;
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und weil es Bäume waren, blieben sie stehen und bewegten sich nicht, wenn einer mit dem Auto gegen sie fuhr und herausgeschleudert wurde durch die Windschutzscheibe und mit gebrochenem Körper halb auf dem Fußweg, halb im Verbindungskanal zu liegen kam; und in den letzten Sekunden seines Lebens vielleicht die Wipfel anstarrte und dachte, wie schade es doch war, dass er nicht die Lücke zwischen zwei Bäumen erwischt hatte. Katja überquerte die Straße. Mit gesenktem Kopf ging sie an dem bunten Anhänger vorbei, aus dem heraus an Wochenenden Kürbisse und Gurken verkauft wurden. Von weitem schon sah sie das Weiß der Lilie, die sie in die Steckvase gestellt hatte vergangenen Sonntag. Dass sie den Blumenkranz bald austauschen müsse, dachte sie, als sie dem Kreuz näher kam. So wie sie damals gedacht hatte, den defekten, von einem Marder angefressenen Bremsschlauch ihres Wagens austauschen lassen zu müssen. Und dann doch die dreißig Euro, die sie dafür zur Seite gelegt hatte, ihrer Freundin Claudia gab, weil die nach Polen hatte reinfahren wollen und ihr Zigaretten mitbringen. Und Raik trotzdem den Wagen lieh für die Fahrt nach Cottbus zu dem Konzert. Wie jeden Morgen und Abend versuchte Katja, sich zu zwingen, nicht stehen zu bleiben an der Stelle, nicht auf den Baumstamm zu achten, der mit Stahlklammern gesichert war gegen das Auseinanderbrechen. Die alles einnehmenden Stille nach dem Aufprall, die Luft erfüllt vom Geruch verbrannten Gummis und den Dämpfen des austretenden Benzins. Die Feuerwehrmänner auf der Suche nach den Insassen des Fahrzeugs. Sie blickte sich um und ging in die Knie, strich mit der Hand über den Asphalt am Rande des Weges und das wenige Gras am Ufer des Kanals. Die Blutlache war längst unsichtbar gemacht worden vom Vergehen der Zeit, aber sie wusste genau, wo die Stelle war, an der Raik gestorben war. Sie betete ihre Entschuldigung und ging. Ihr Haus war still. Das Licht der Straßenlaterne fiel ins Wohnzimmer, beleuchtete die Couchgarnitur, spiegelte sich im Bildschirm des Fernsehers. Katja wartete, aber niemand begrüßte sie; und dagegen half nichts. Nicht die Schokolade im Küchenschrank, nicht der Wodka im Gefrierfach, nicht das Protokoll samt Gutachten der Polizei, das sie sich an die Kühlschranktür geheftet hatte, das besagte, dass an dem Unfallwagen keinerlei Fehlleistungen festzustellen seien, dass die Bremskraft ausreichend gewesen sei, dass die Geschwindigkeit des Wagens der Enge der
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Kurve einfach nicht angemessen gewesen sei – und die Beschaffenheit der Straße aufgrund des glitschigen Laubes zum Kontrollverlust des Fahrers beigetragen haben könne. Katja schaltete den Backofen ein, sein gelbes Licht warf Schatten in der dunklen Küche. Sie hatte keinen Hunger. Sie nahm eine Zigarette aus der Packung und brannte sie an. Die Umwälzpumpe des Kühlschranks sprang an. Sie warf die Kippe nach drei, vier Zügen ins Spülbecken und schaltete den Ofen aus. Schade um die Zigarette, dachte sie und atmete aus.
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Winter 2010
Foto: bernward Reul
Sebastian Orlac Geboren 1970 in Bochum, lebt gerne mit Frau und Tochter in Berlin. Nach dem Abitur arbeitet er zunächst als Regieassistent, dann als Regisseur für Schauspiel (u.a. Schauspielhaus Bochum, Nationaltheater Weimar) und Musikvideos. Seit 2001 schreibt er Theaterstücke, Romane, Erzählungen, Drehbücher. 2006 ist sein erster Roman Verteidigung der Himmelsburg bei Klett-Cotta erschienen. Im ZDF sind u.a. die von ihm geschriebenen „Lotta“-Filme mit Josephine Preuß zu sehen, sowie Ende 2013 das Helmut Schmidt Doku-Drama „Lebensfragen“. Zusammen mit der Gruppe KULTURMASSNAHMEN realisiert er zudem seit 2002 Die Show des Scheiterns, deren TV-Adaption 2012 für den Grimme-Preis nominiert wurde.
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GEGENDARSTELLUNG Die Behauptung, ich hätte im Spreewald Zwerge gesehen, ist unwahr. Wahr ist vielmehr, dass ich diesen Winter nur selten vor die Türe gegangen bin. Sollte ich dennoch zu einem Spaziergang aufgebrochen sein, so bin ich mit Sicherheit nicht vom Weg abgekommen, und ich habe mich zu keinem Zeitpunkt verlaufen. So kann es nicht sein, dass ich, wie behauptet wird, eines Nachmittags zwischen zwei knorrigen Weiden hindurch in den Wald gegangen bin, weil mir dort ein Buntspecht aufgefallen war und ich ihn mir näher ansehen wollte. Auch bin ich nicht weitergelaufen, über den Reif bedeckten Winterboden, um auf eine bucklige Weide zu gelangen. Ich habe mir dort keine aufgerissenen Furchen angesehen, in denen das Eis stand und darunter, eingefroren, noch das grünes Gras. Ich bin auch nicht weiter, vorbei an einem verlassenen Gehöft, in dem nur noch Birken wohnten, und es flog auch kein Schwarm Sperlinge auf, wie Laub im Wind. Ich bin nicht zurück in den Wald, mäandernd zwischen den Kanälen, auf der Suche nach einem Weg. Der Boden unter meinen Füßen wurde nicht immer feuchter, so dass ich nur noch auf Steine, Wurzeln und umgestürzte Baumstämme treten konnte. Selbst wenn behauptet wird, ich hätte mich in der anbrechenden Dunkelheit keineswegs gefürchtet, sondern im Gegenteil, geborgen gefühlt zwischen den Armen der Spree, ist das nicht richtig, denn ich war ja gar nicht da. So kann es nicht sein, dass ich irgendwann in völliger Dunkelheit an eine riesige, umgerissene Eiche geraten bin, deren Wurzel als Halbrund aus dem Boden ragte. Bei dem Anblick musste ich nicht an eine verwunschene Kurmuschel denken. Ein Bild, das sich somit auch nicht verstärken konnte, als kurz darauf ein leiser, mehrstimmiger Gesang zu hören war. Ich bin nicht näher getreten. Der Gesang wurde nicht lauter. Und mir war auch nicht, als käme er aus der Wurzel. Ich habe gar nichts gehört. Denn ich war zu keiner Zeit an der fraglichen Stelle. Wie also sollen mir mit einem Mal die kleinen Lichter aufgefallen sein, die man für Augen hätte halten können? Wie die schemenhaften kleinen Gesichter dahinter, die mich im Schein ihrer Laternen betrachtet haben sollen? Dies alles sind unhaltbare Behauptungen. Ebenso wie die, dass kurz darauf der Gesang verstummt sein soll. Und es stimmt auch nicht, dass ich mich erschrocken habe, weil mich angeblich eine Stimme ansprach, leise und heiser, so als sei sie schon länger nicht in Gebrauch gewesen. „Hallo, Nicht-Du! Ich nicht meine Nicht-Dich.“
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Ich will nicht leugnen, dass ich schon einmal von der Existenz von Zwergen gehört habe. Aber erst nachdem man mir die Begegnung mit ihnen unterstellte, habe ich mich genauer mit ihnen beschäftigt. Diese kleinen Wesen, deren Gestalt mal als niedlich und zierlich, dann wieder als krüpplig, verwachsen und aufgedunsen beschrieben wird. Die Angaben zu ihrer Größe sind oft ungenau. Mal sind sie winzig, mal heißt es, sie seien so groß wie Tannenzapfen, eine Messerscheide, eine halbe oder ganze Elle lang, nicht größer als eine sitzende Katze, dann wieder faustgroß, fingerlang, daumengroß. Auch ihre Bezeichnungen sind verschieden. Von Aulken ist die Rede, von Ulken, Umken, Butz, Putz, Botz, Pützle, Pitzel, aber auch von Heimchen, Heinchen, King Piper, Pippe Kong, Killewittchen und Kullemännkes. Im Spreewald sollen sie Lutchen heißen oder auch Lutken, aus dem Wendischen stammend, die Lutki, also die Lütten, die Kleinen. Der Sage nach sind es freundliche und hilfsbereite Wesen, dem Menschen ähnlich, nur kleiner. Sie wohnen stets im Erdboden, unter Bäumen, in Höhlen und führen dort ihren Haushalt. Eine besondere Vorliebe ist wohl das Backen von Brot, das ebenfalls klein, aber schmackhaft sein soll. Sie sollen auch mal unter den Menschen gelebt haben, bis der harte Klang der Kirchenglocken sie vertrieb. Es gehört schließlich zu ihrer Eigenart, in einer Sprache zu sprechen, die alles verneint. All das würde dafür sprechen, dass der erwähnte Zwerg ein Lutki war und der zitierte Satz würde übersetzt dann heißen: „Hallo Du. Ich meine Dich.“ Noch einmal. Sämtliche dieser Angaben, ich betone, sämtliche, habe ich mir angelesen und beruhen nicht auf eigener Erfahrung. Und ganz gleich, wer es war, der da vor dem großen Wurzelteller der Eiche stand und von einem Lutki mit dessen Laterne in ihre Höhle gewinkt wurde, ich war es jedenfalls nicht. Wer mich kennt, weiß auch, dass es nicht meine Art ist, in hohle Baumstämme zu kriechen. Zum einen, weil ich unter Platzangst leide, zum anderen, weil es mir körperlich gar nicht möglich wäre. Wenn also behauptet wird, ich sei einem dieser Zwerge in seine unterirdische Höhle gefolgt, so entspricht das in keiner Weise den Tatsachen. Unvorstellbar, dass ich in einem schmalen Tunnel, kaum größer als mein Kopf, mit den Füßen abstoßend und mit den ausgestreckten Armen mühsam am Wurzelwerk nach vorne ziehend, in den Bau der Lutki gelangt sein soll. Zunächst den Geruch von dunkler, torfiger Erde
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in der Nase, der bald überging in den Duft von frisch gebackenen Brötchen, soll ich immer tiefer in den Boden eingedrungen sein, stets einen schwachen Lichtschein der Laterne vor Augen. Und schließlich wäre ich in eine größere Halle der Zwerge geraten, für sie groß genug, um darin Vollversammlungen abzuhalten. Da ich nun aber den ganzen Raum eingenommen haben soll, sei nur noch Platz gewesen für mich und einen Oberzwerg. Muss ich dergleichen noch dementieren? Ich hoffe nicht. Doch die Unterstellungen gehen weiter. Allem Anschein nach soll ich mit besagtem Oberlutki eine Unterhaltung geführt haben. Angeblich interessierte er sich dafür, was ich sonst so täte, wenn ich nicht in Zwergenhöhlen eindringen würde. Ich vermute mal, wäre ich tatsächlich in so einer Situation gewesen, hätte ich Widerworte gegeben und darauf hingewiesen, dass man mich ja hineingewinkt habe, in diesen Bau. Doch stattdessen soll ich nur schlicht geantwortet haben: „Schreiben.“ „So, so. Nicht-Schreiben“, soll der Zwerg entgegnet haben. Worauf ich im Gegenzug habe wissen wollen, was die Lutkis den ganzen Tag treiben würden, außer Brötchen zu backen. Ich bitte Sie! Sollte mir keine andere Frage eingefallen sein, wenn ich die einmalige Chance gehabt hätte, mich mit einem Fabelwesen zu unterhalten? „Uns nicht reicht es, nicht kleine Nicht-Brötchen zu nicht backen“, soll die Antwort gelautet haben. Und als hätte ich, eingezwängt in einem Erdloch, nichts Besseres zu tun, als Konversation zu treiben, soll ich mich weiter erkundigt haben, ob etwas daran sei an der Sage, dass die Lutki von Kirchenglocken verjagt worden sind. Dass also der christliche Glaube den Glauben an mythische Wesen wie sie ausgetrieben hätte? „Uns ist es nicht egal, ob ihr nicht an uns glaubt oder nicht nicht an uns glaubt. Wir nicht wollen nur unsere Nicht-Ruhe.“ An diese Aussage soll sich noch ein längerer Monolog angeschlossen haben, in dem sich der Oberzwerg darüber ausließ, dass die Lutki kein Interesse hätten an Ruhm, an irgendeiner Darstellung von ihnen, ja nicht einmal an einer Erwähnung. Sie würden lieber ihr Nicht-Dasein führen und ihre kleinen Nicht-Brötchen backen, als womöglich irgendwo da draußen als Kuriosität dargestellt zu werden. Wer, wenn nicht ich, würde das verstehen und wäre auch gegen Darstellung. Zum Abschluss soll mich der Oberlutki noch gebeten haben: „Wenn du nicht schreibst, schreib bitte nicht nicht über uns.“ Ganz gleich, was über mich behauptet wird - hiermit erkläre ich noch einmal: Ich bin nicht vom Weg abgekommen, bin keinem Zwerg begegnet und ich habe auch nicht darüber geschrieben. Nicht?
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Fr端hjahr 2011
Martin Brinkmann Geboren 1976 in Bremerhaven, lebt als Lektor, Kritiker und Autor in München. Er promovierte mit einer Arbeit über Musik und Melancholie im Werk Heimito von Doderers. Seit 1993 ist er Herausgeber der Literaturzeitschrift „Krachkultur“. Kritiken schreibt er u.a. für „Zeit online“. Für seine literarische Tätigkeit bekam er diverse Stipendien zugesprochen, so auch das SpreewaldLiteratur-Stipendium. Zuletzt erschienen Texte von ihm vor allem in Zeitschriften und Anthologien, u.a. in „Lettre International“ sowie im „Jahrbuch der Lyrik 2013“.
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Die Mittagsfrau und der Nichtstuer Die Mittagsfrau, die ich hier kennenlernte, hatte kein Glück mit mir – und ich nicht mit ihr. Obwohl ich mich bemühte, ihr klarzumachen, dass ich ständig am Arbeiten war, auch jetzt, in diesem Moment, gegen zwölf Uhr am Pool liegend, meine – in Wahrheit ja sehr spärlichen – Aufzeichnungen unter dem Oberschenkel – ich blieb dennoch am Leben. Von der Legende der Mittagsfrau hatte ich erst kürzlich erfahren. Auf der Höhe des Tages erschien sie den Landarbeitern. Und wer nicht ruhte, keine Pause machte, der bekam mit einer Sichel, die sie hinter dem Rücken trug oder wo auch immer, den Kopf abgeschnitten. Die Theorie, dass ein Schriftsteller, ein Geistesmensch oder anderweitig Behinderter ununterbrochen arbeite, da er ja immer wahrnehme und Worte für Wahrgenommenes finde, trug ich schon länger mit mir rum. Zwischendurch glaubte ich gelegentlich selbst nicht mehr dran, überdrüssig der Wahrnehmung (etwa, dass immer wieder diese DDR-Laster namens Barkas an der Hotelanlage vorbeifuhren) und der Wortfindung. Ich lebte also weiter – und das gar nicht schlecht. Meine Mittagsfrau nämlich war in den weißen Bademantel gehüllt, den die Wellness-Anlage bereitstellte, und oben schaute ein trotz leichter Geknautschtheit überaus hübsches und offenes Gesicht heraus. So weiß eingewickelt blieb sie die ganze Zeit, erst noch stehend, dann auf der Nachbarliege liegend, als wir, die Mittagsfrau und ich, erste und weitere Worte wechselten, deren Inhalt ich ja teilweise bereits erwähnt habe (meine Bemühungen, mich als vielbeschäftigen Mann darzustellen). Wie schnell die Schatten, die die kopfseitig der Poolliegen aufgestellten Sonnenschirme warfen, um die Liegeflächen herum wanderten, ließ sich dieser Tage gut beobachten (meine Versuche,
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allerneueste und besonders elegante Formulierungen für die Wetter- und Lichtereignisse im Hotelgarten zu finden, waren gescheitert). Momentan saßen wir beide sicher im Schatten. Hatte die kleine Mittagsfrau deswegen den Bademantel an, weil ihr kühl war? Woher stammte sie noch mal? Obwohl ich alles erfassen und nicht nur in entsprechende, sondern sogar darüber hinausgehende Worte kleiden wollte (was auch immer dann geschehen sollte), vergaß ich meist sofort wieder, was man mir erzählte. Ihr Freund oder Mann oder so was würde heute Abend zu Besuch kommen, nur zum Essen, danach hätte sie wieder Zeit. Letzteres freute mich. Wir verabredeten uns also für später an der Bar. Das alles bewegte sich offensichtlich im Rahmen des Harmlosen und Unverfänglichen. Es bedeutete nichts. Jedenfalls sah man ihrem Gesicht nichts Gegenteiliges an. Es blieb fröhlich und ausgeglichen. Die kleine Dame war mit sich und ihrer Existenz im Reinen. Der Saum des Bademantels schleifte über den Rasen, als sie zurück ins Hotel ging. Wenn man im Hotel unterwegs war, musste man gehörig aufpassen: Aus jedem Gang konnte jederzeit einer der zahlreichen Bediensteten oder eine der hübschen, mit Kleid und Schürze uniformierten Angestellten hervorpreschen, zum Beispiel stapelweise Handtücher im Arm, bereit, sich augenblicklich zu entschuldigen für die gerade noch mal abgewehrte Karambolage. Auf meinem Weg zurück aufs Zimmer, den Bademantel am Hals zuhaltend und mit den Latschen auf dem Teppich quietschend, gab ich daher an jeder Ecke Acht. Es war inzwischen früher Abend, und draußen bahnte sich ein Unwetter an. Das gedämpfte Licht vom Himmel war auch hier drinnen – in dem langen Flur, der etwa am Eingang zum Barraum vorbeiführte, an dessen tiefergelegenem Ende große Panoramascheiben waren – anwesend. Den ganzen restlichen Nachmittag, seitdem die Begegnung mit der knautschgesichtigen Mittagsfrau vergangen war, hatte ich auf der Liege am Pool verdöst, hin und wieder ein paar Bahnen
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schwimmend, mir gelegentlich ein Glas aus den überall herumstehenden Wasserkaraffen (mit Limetten drin) einschenkend. Notiert hatte ich mal wieder nichts – außer eine sinnlose Bemerkung: „Alte Barkas-Laster in DDR-Grün und DDR-Blau brettern regelmäßig an allen Seiten des Hotelgrundstücks vorbei, lärmend und stinkend, ein nostalgischer Protest.“ Die zwei Wochen, die ich bisher hier war, hatten noch kaum hingereicht, mich annähernd zu beruhigen. Weder kam ich zur Entspannung noch zur Wellness. Und zum Arbeiten schon gar nicht (keine Ahnung, warum eigentlich ich so vehement Gegenteiliges behauptet hatte). Erst einmal hing ich nur aufgeregt in der Luft. Einen frühen Moment nachhaltiger Erholung hatte ich erleben dürfen. An einem meiner ersten Nachmittage hier war ich die kleinen Feldwege entlang gegangen (wo ich auch erstmals einen Barkas in seiner Original-Umgebung im Einsatz bewundern durfte, ein herrliches Gefährt in zugkräftiger und ruckender Bewegung), in all dem Spreewälder Grün, das im Licht des Tages stand. Auf einer Bank an einem abgelegenen Wegesrand hatte ich Rast gemacht. Im Schatten liegend, war ich ein wenig zur Ruhe gekommen. Morgens konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich ausschlafen oder sogleich aktiv Wellness betreiben sollte. Das Frühstück durfte nicht zu schnell absolviert werden, denn sonst käme man der Zimmerdame in die Quere. Meistens speiste ich zu viel und zu lang. Es war ja auch zu schön, um wahr zu sein: dieser Platz im großen Wintergarten, mit umfassendem Ausblick in den kleinen Spreewaldhafen direkt vor der Tür. Zwischen Frühstück und Mittagessen versuchte ich, mich zu konzentrieren: entweder auf irgendein Buch oder eine Textarbeit. Die Lektüre wurde mir meist schon nach wenigen Sätzen zu öde. Die Tätigkeit des Lesens hielt mich nur von meinen eigenen Wahrnehmungsangelegenheiten ab. Versuchte ich selbst, etwas zu dichten, versagte mein Hirn vollends. Irgendwann bemerkte ich, dass ich nur noch wahrnahm, kaum noch dachte (und auch das nervte): das Zimmer nämlich, die edle Sitzecke, in der ich auf der riesigen Couch lümmelte. Draußen wurde Rasen gemäht. In so einer Hotelanlage wird viel Rasen gemäht.
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Das Mittagessen nahm ich immer auf der Terrasse ein. Im Schatten eines Sonnenschirms wartete ich die verschiedenen Gänge ab, die herangetragen wurden. Alles zog sich hin, und ich ergriff die schöne Gelegenheit, etwa den alten Leuten dabei zuzusehen, wie sie mit ihren afghanischen Windhunden auf der frisch gemähten Rasenfläche spielten, im Hintergrund die irisierenden Fächer der Wassersprenger in der warmen Luft. Einmal ließen die Pferde auf der Weide nebenan mächtige Fürze fahren, als sie wie wild losrannten und ausschlugen. Gewaltige Explosionen waren das, von denen man als Ganzjahresstädter erst gar nicht wusste, woher sie kommen könnten. Überhaupt lernte ich dieser Tage einiges über die Natur und ihre Bewohner. Zunächst hatte ich tatsächlich angenommen, dass das Grillen-Gezirpe, das aus allen Ecken und Enden des Hotels drang, von versteckten Lautsprechern verursacht wurde. Bei meinen allabendlichen Baraufenthalten kamen mir aber gelegentlich doch Zweifel, denn hin und wieder sang es so vielstimmig in den Holzbalken über uns paar Barbesuchern, dass da ja mindestens dreißig kleine Lautsprecher verborgen sein müssten! Schließlich klärte mich der Barkeeper auf. Da oben saßen tatsächlich echte Sänger! Manchmal fielen auch welche runter und liefen auf der Theke davon. Wenn es zu viele Heimchen wurden, die da oben wohnten, kam der Kammerjäger und dünnte aus. Wie überall, traf es die überzähligen Männer. In kleinen Schächtelchen mit weiblichen Lockstoffen wurden die hässlichen Kerlchen gefangen und abtransportiert. Ich kam jetzt an einem weiteren der zahlreichen Speiseräume vorbei. Wie immer fand ich es komisch, im Bademantel an vornehmer Abendgesellschaft vorbeizugehen. Und da hinten erkannte ich tatsächlich die kleine Mittagsfrau, die ein besonders fröhliches Knautschgesicht machte. Ihr gegenüber am kleinen romantischen Zwei-Personen-Tisch saß ein Typ, Marke sportlicher Chefarzt ohne Haarausfall, dem sie zulächelte und die Hand tätschelte, als sie sich mit Weingläsern über dem mit Kerzen bestückten Tischchen zuprosteten. Mit seltsam leeren Gedanken ging ich den Gang entlang und stieß am Durchgang zur Küche fast mit einem Kellner zusammen, der sich eifrig entschuldigte (ich mich auch) und mir einen schönen Abend wünschte (ich ihm auch). Zurück auf dem Zimmer dann, das mir jedes Mal wieder fast so weit wie ein Tennisfeld vorkam, ließ ich mich fensternah im Sessel nieder und nahm mir vor, mich – ehe ich mich selbst fürs
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Abendessen fertig machen würde – für eine konzentrierte Weile ganz dem Wetterumschlag hinzugeben. Der kam nämlich weiterhin aufregend umständlich daher. Die Verdunkelung des Himmels vollzog sich quälend langsam. Das in großen Abständen auftretende Grollen, das gedämpft und fern klang, schien sich zunächst noch weiter zu verziehen. Endlich kamen doch erheblich kühlere Windstöße ins Zimmer geweht. Vor dem Fenster, das nach vorne rausging (von hier aus hatte ich vor einigen Tagen die Ankunft von circa vierzig Lamborghinis beobachtet), hoben die Äste zweier Birken an zu rauschen, ehe sie sich wieder beruhigten und für einen Moment still waren. Es schien, als wollte das Wetter gebeten werden, näher zu kommen, um sich endlich zu offenbaren. Wie es mit der Mittagsfrau, die dann zur Mitternachtsfrau wurde, weitergegangen ist? Im letzten Moment ist ihr dann doch noch eingefallen, dass sie ja verheiratet war! Was für ein Glück im Grunde: Vielleicht hätte das auch nicht gepasst mit uns, körperlich. Ich fühlte mich gar nicht so sicher in ihrer Nähe, ehrlich gesagt. Welche Nähe eigentlich? Nun ja, zumindest wurde noch viel getrunken in der Hotel-Bar, nachdem ihr Typ wieder verschwunden war. Chefärzte sind ja sehr gefragt. Dann waren wir noch schwimmen, ganz alleine mitten in der Nacht in der riesigen gluckernden Wellness-Anlage. Das Gute so nah! Ihr weißer Bikini, wild und bunt gepunktet. Was für ein perfekter Körper: klein und gut proportioniert (und gar keine Teufelskrallen anstelle von Füßchen). Ich merke schon, auch zur Beschreibung dieser Tatsachen fehlen mir ein wenig die Worte. Jedenfalls lag sie dann noch bis drei Uhr in der Früh bei mir auf dem Sofa rum, während draußen das Unwetter an dunkler und feuchter Dynamik immer mehr zunahm, und hat mir aus ihrem offenbar auch sexuell ereignisreichen Leben berichtet, das bisher offenbar völlig schmerzfrei (für sie jedenfalls) vergangen war. Deswegen bildete ich mir ein, mich bereits zu langweilen – und war dann auch froh, wenigstens ein bisschen, als sie endlich ging – ohne mich kopflos zurückzulassen.
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Sommer 2011
Heide Schwochow Aufgewachsen in Bergen auf Rügen, studierte Heide Schwochow zunächst Pädagogik in Leipzig. Nach einem Schauspielregiestudium in Berlin, war sie von 1987 bis 1989 beim ostdeutschen Rundfunk tätig. Von 1990 bis 1993 studierte sie Journalistik in Hannover. Anschließend arbeitete sie als freie Autorin und Regisseurin und als Lehrbeauftragte in Hannover, Göttingen und Leipzig. Von 1996 bis 2001 war sie Programmdirektorin am Leipziger Uniradio mephisto 97,6. Mit ihrem Ehemann Rainer Schwochow schrieb und produzierte sie viele Hörfunk-Features für die unterschiedlichsten ARD-Anstalten. 2006 gab Heide Schwochow ihr Debüt als Kino-Drehbuchautorin. Unter der Regie ihres Sohnes Christian Schwochow entstand der preisgekrönte Kinderfilm „Marta und der fliegende Großvater“. Weitere gemeinsame Projekte folgten. Für das Drama „Novemberkind“ wurde sie 2009 für den Deutschen Filmpreis nominiert, 2012 für das Projekt „Lagerfeuer“ zum Deutschen Drehbuchpreis. 2013 entstand gemeinsam mit Rainer Schwochow das Drehbuch „Bornholmer Strasse“.
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Rückbesinnung Über die Reiseführerin Marga Morgenstern. Ihre Sätze schwanken nicht. Marga setzt sie fest auf. Sie betont einzelne Worte, zieht sie mit rhetorischem Geschick in die Länge, hebt sie in der Lautstärke an, trennt sie durch bedeutungsvolle Pausen. Marga sucht ihre Sätze nicht. Sie hat sie parat. „Sehen Sie die Eiche, wie sie sich gedreht hat im Sturm der 1000 Jahre? Und steht doch fest verwurzelt“, sagt sie und geht auf den uralten Baum zu. Sie lächelt. Berührt ihn. Sieht zu ihm auf, erhebt ihre Stimme: „Lädt zum Sitzen ein. Zum Denken. Zum Überdenken.“ Und schon folgt ein Gedicht über den Baum. Marga kennt viele Gedichte. Sie hat sie wieder und wieder gelesen und in ihrem Gedächtnis gespeichert. Vielleicht hundert oder mehr. Es sind schöne Gedichte. Und sie passen sich ein in Margas Erzählungen über den Spreewald, dessen Sitten und Gebräuche. Zwischendurch fädelt sie einzelne Sätze oder kleine Episoden über ihre eigene Geschichte ein. Dass Großmutter Konzack eine Wendin war und Großmutter Faber eine Deutsche und dass sie gut miteinander lebten. Ihre Familie sei ein Beispiel für Toleranz. „Der Spreewald, so wie er heute ist, ist das Werk der deutschen und wendischen, eben aller Spreewälder.“ Marga streichelt die Eiche und spricht über „Rückbesinnung“. Gescheite Worte, schöne Zitate: ihr Programm. „Soll ich meine Tracht anziehen?“, hatte mich Marga Morgenstern gefragt, als wir uns verabredeten. „Ihre Tracht?“ – „Nein, nein, …“ Ich sagte so etwas wie: „Ich möchte ein Porträt über Sie machen.“ Marga kommt mit einer duftigen Sommerbluse und einem Parfüm, das wie Flieder riecht. In einem Stoffbeutel bringt sie jene Bücher mit, die sie in den letzten Jahren geschrieben hat. Lübbener Skizzen. Eine romantische Wanderung durch den Spreewald. Die alte Spreewälder Küche. Und später, nach dem heiligen Gang zur Eiche, als wir gemeinsam auf einer Bank sitzen, wird sie mir daraus vorlesen. Lange. Ich mag sie nicht unterbrechen, aber meine Ungeduld wächst. Wie komme ich in die Zwischenräume?
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Marga Morgenstern ist eine Reiseführerin, die sich jeder Besucher des Spreewaldes nur wünschen kann. Die Erfahrung einer alten Dame, Jahrgang 1935. Ihr Wissen über die Geschichte der Niederlausitz. Ein unfassbares Gedächtnis. Der Stolz, mit dem sie die wendische Tracht ihrer Großmutter präsentiert. Sie ist das, was man ein „Spreewälder Original“ nennt. „Was schmeckt dem Spreewälder zur Sonntagsruh? Kaffee und Plinse dazu.“, zitiert Marga den Heimatdichter Otto Lucas, als wir in einem Gasthof die Speisekarte studieren. Und erzählt: „Wenn Großmutter nach dem Mittagessen ihre Kirchgangstracht ablegte, sich eine Sonntagsbluse anzog und die große blaue Schürze über den schwarzen Rock band, wurde es gemütlich. So stand sie dann ohne ihre Haube am Herd, nur mit einem Samtband im Haar …“ Nun folgen Geschichten über die Hefeplinse. „Was waren Sie eigentlich für ein Kind?“, unterbreche ich sie. Marga Morgenstern sieht mich irritiert an. „Was ich für ein Kind war?“ Was soll sie darauf antworten? Sie ist es nicht gewohnt, über sich zu reden. Und nun geraten Margas Sätze doch noch ins Schwanken. Es gibt Worte, die sie suchen, Gedanken, die sie finden muss. Und manches bleibt auch in der Schwebe. Marga Morgenstern erzählt: „Ich war die Älteste von drei Kindern, wissen Sie?! Meine Schwester ist vier, mein Bruder fünf Jahre jünger als ich. Mutti hat immer gesagt: ‚Du musst auf die Kleenen aufpassen.‘ Einmal bin ich mit meinen Geschwistern nach Lübben gefahren und habe ein Foto machen lassen. Ich – in der Mitte, die Kleenen – links und rechts neben mir. Das hab ich ihr geschenkt. Mutti nimmt das Foto, guckt: ,Du siehst ja aus wie die Glucke von de beeden.‘, hat se jesagt.“ Aber Marga wollte keine Glucke, sie wollte ein Kind sein. Und einmal, da hat sie den Kinderwagen mit dem Bruder einfach stehen lassen, mitten auf dem Weg. Und dann sind die Dorfleute zur Mutter gekommen: „Was ist los bei Euch, Gretel?!“ Na, da war das Geschimpfe groß. „So bin ich eben auch als Kind gewesen.“, sagt Marga und rückt ihre Kette zurecht, auf der sich Perle an Perle in schönster Ordnung reiht, passend zu ihren silbergrauen Haaren, den Perlensteckern im Ohr und irgendwie auch zu dem Fliederduft. „Aber eigentlich“, sagt Marga Morgenstern und macht eine sehr lange Pause: „Wissen Sie?! Eigentlich wollte ich immer alles richtig machen.“
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Wie sieht ein Leben aus, in dem man alles richtig machen will? Ein braves Mädchen sein. Häusliche Pflichten erfüllen. Verantwortung für die Geschwister übernehmen. Gute Zensuren nach Hause bringen. Denn obwohl Marga die Schule schon nach acht Klassen verlassen hatte, durfte sie in der Handelsschule ein Jahr überspringen: wegen herausragender Leistungen. Es sah alles so aus, als wollte Marga ebene, ausgemessene Flächen durchschreiten und eine gerade Bahn nach vorn gehen. „Wissen Sie, ich habe gelebt wie auf gegenseitige Ersetzbarkeit.“ Ich verstehe den Satz nicht und frage nach. Marga erklärt ihn nicht, dafür macht sie in ihrer Erzählung einen Sprung. Mit 17 fuhr sie zur Weiterbildung nach Fürstlich Drehna. Damals arbeitete sie im Volkseigenen Erfassungs- und Aufkaufbetrieb (VEAB) in Lübben. Als ihre Eltern sie besuchen kamen, sagte Marga: „Guckt mal, den da. Den find ich gut.“ – „Der da so lahm geht?“ Die Mutter sah ihre Tochter sehr verwundert an. „Ja! Genau den find ich gut!“ Die Eltern fuhren ab, der Lehrgang ging zu Ende, aber Marga hatte mit dem jungen Mann noch kein einziges Wort gewechselt. Erst als sie in den Bus steigen wollte, sprach er sie an. „Würden Sie mir vielleicht Ihre Adresse geben?“ Marga erzählt, ihr sei heiß und kalt geworden. Natürlich gab sie ihm ihre Adresse. Acht lange Wochen passierte nichts. Dann endlich kam der erste Brief. „Sie glauben nicht, wie der geschrieben war. So fein!“ Und schließlich kam Werner Morgenstern zu Besuch nach Straupitz. „Einen Tag vorher hatte Oma Geburtstag, und Mutti musste wie immer ihren berühmten Streuselkuchen backen. Oma lud dann immer zehn alte Weiber ein. Die saßen im Wohnzimmer beim Kaffeekränzchen. ‚Nimm ihn doch mal mit ins Wohnzimmer.‘, sagte Mutti. ‚Stell ihn mal vor.‘ Und wissen Sie?“ Marga lacht. „Werner hat gedacht, die haben die ganzen alten Weiber eingeladen, um ihn zu besichtigen. Der dachte, das wäre im Spreewald so üblich. Und wurde immer stiller. Mutti sagte: ‚Der Kerl sagt ja keen Wort.‘ Aber bevor er ins Erzgebirge zurückfuhr, ging er zu meinen Eltern. Er würde gern noch mal wiederkommen. ‚Ja, warum nicht?!‘, sagte Mutti. - ‚Aber ich würde mich vielleicht um Ihre Tochter bewerben wollen.‘ - ‚Ja und?‘ - ‚Kann ich Krüppel mich um Ihre gesunde Tochter bewerben?’“ Werner Morgenstern waren im Krieg beide Kniee durchgeschossen worden. Marga fährt fort: „ ‚Sie haben doch zwee gesunde Hände.‘, hat Mutti gesagt. ‚Da werden Sie meine Tochter doch ernähren können.‘ Weihnachten war er wieder da.“ Verliebt. Verlobt. Verheiratet. Marga spricht leise, aber deutlich: „Dann begann der Ernst des
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Lebens.“ Natürlich kam sie überhaupt nicht auf die Idee, sich von ihrem Mann ernähren zu lassen. Man suggerierte ja auch von staatlicher Seite, dass Frauen in der DDR Familie und Beruf vereinbaren können. Warum sollte sie zuhause bleiben? Nein, Marga lebte ihren Alltag und fragte sich nicht ständig, ob sie dabei glücklich war oder nicht. Morgens mit den beiden Kindern zur Krippe eilen, acht Stunden arbeiten, abends beim Fleischer Schlange stehen, den Haushalt schmeißen, die Kinder ins Bett bringen… Werner half mit, aber natürlich mit seinen begrenzten Möglichkeiten. Manchmal sehnte sich Marga danach, tanzen zu gehen, ausgelassen, jung zu sein, aber Werner lebte lieber zurückgezogen. Sein Handicap, die kranken Beine. „Hast Du Dir das richtig überlegt?“, hatte man Marga vor ihrer Hochzeit gewarnt. „Eines Tages musst Du Deinen Mann im Rollstuhl fahren.“ Aber Marga hat den Mann geheiratet, der Schmetterlinge in ihrem Bauch zum Toben brachte. Dass sie ihn heute pflegt, betrachtet sie nicht als ihr Schicksal, sondern als Selbstverständlichkeit. Und nach einem langen Schweigen sagt sie einfach: „Nun ja!“ Und es folgt kein Spruch und es folgt kein Zitat. Nur: „Der Spreewald fängt mich auf.“ Marga gehörte zu den Frauen in der DDR, die in ihrer Arbeit aufgingen. Volontariat, Fernstudium, der Aufstieg zur Betriebsteil-Leiterin in ihrem landwirtschaftlichen Handelsbetrieb. Dann bot man ihr eine verantwortliche Arbeit im Rat des Kreises Lübben an. Marga war stolz. Sie würde das Vertrauen durch gewissenhafte Arbeit rechtfertigen, das wusste sie. Jetzt sammelt sie ein paar Krümel vom Tisch auf. Ihre Erzählung kommt ins Stocken: „Und denn haben sie gesagt: Partei!“ Das geht nicht, habe sie geantwortet, sie sei doch ein Christenmensch, von klein auf an die Kirche gebunden. Aber das interessierte nicht. Nach einer Pause sagt Marga: „Ich bin eingetreten.“ Sie trinkt einen Schluck Kaffee, schweigt, schluckt, dann: „Plötzlich hieß es: Kirche, da musst Du raus!“ Marga weint. „Ja, und dann habe ich meinen Austritt aus der Kirche erklärt!“ Es habe lange gedauert, bis sie sich selbst vergeben konnte. „Wissen Sie? Ich war doch von zuhause aus wirklich sehr gläubig.“ Sie nimmt sich immer noch übel, dass sie sich so angepasst hat. Nun ist es an mir, einen weisen Satz zu wiederholen, den Marga an der Eiche gesprochen hat: „Älter werden ist wie Bergsteigen. Desto steiler der Weg nach oben, desto besser der Überblick.“ „Stimmt!“, sagt Marga. „Der Spreewald hat mich wirklich aufgefangen.“ Als die Wende 1989 kam und sie mit 56 Jahren in Frührente geschickt wurde, vertiefte sich Marga in Bücher. Sie las.
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Las ununterbrochen. In ihrer Phantasie vermischten sich die alten Sagen und Geschichten über den Spreewald mit dem, was sie selbst erlebt hatte. Sätze rasteten sich ein, zum Beispiel der von Theodor Fontane: „Der Fleck, der einen geboren hat, schließt 100 Kräfte in sich ein.“ Oder auch Sätze der eigenen Großmutter: „Margachen, es ist nicht die pauersche, es ist die wendische Tracht.“ Mit diesem Satz verknüpft die Reiseführerin Erinnerungen an jene Zeit, als alles Wendische verboten war: die Sprache, der Gesang, die Rituale. „Pauersch“ war eine Abwertung des Wendischen vor allem während des deutschen Nationalsozialismus. Marga sammelte Material für ihre Art der Rückbesinnung. Dazu gehörte das Öffnen von Großmutter Konzacks Truhe. Das Herausholen ihrer Trachten. Das Aufleben der alten Spreewälder Traditionen. „Mach doch mal was mit Gästen.“, hatte ihr jemand gesagt. Und so fing alles an: Marga wurde in eine Pension eingeladen und präsentierte ein kleines Programm: „Plauderei über Land und Leute.“ Das Programm habe sich in ihren Kopf eingerammelt, sagt Marga. Es läuft etwa so ab: Zuerst stellt sie sich als Marga Morgenstern vor, geboren und aufgewachsen in Straupitz, Enkeltochter einer deutschen und wendischen Großmutter. Wegen letzterer sei ihr Geburtsname: Konzack. Dann präsentiert Marga Großmutters Tracht. Sie hebt die einzelnen Röcke hoch, natürlich nur ein bisschen, angefangen von der weißen Spitzenschürze bis zum Spitzenunterrock und den Spitzenunterhosen. Dann sagt sie: „Nicht, dass Ihr denkt, hier kommt son altes Weib, bisschen dunkel und pessimistisch sieht sie aus. Seht mal, an dieser Ecke hab ich noch etwas Optimismus.“ Und schon zeigt Marga ihre Strumpfbänder. „Wie Sie sehen …“, sagt sie zum Publikum, „bin ich das Gegenteil von einem Jammer-Ossi. Ich habe nämlich sogar richtig alte Strumpfbänder, und zwar mit Perlen bestickt.“ Und dann reiht sie eine Geschichte an die andere. Ja, Marga kennt viele Geschichten. Sie sieht auf die Uhr. Marga muss zurück zu ihrem schwerkranken Mann. Zum Schluss sagt sie noch: „Ich gehe gern zu den Menschen und baue mich auf.“
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Nachwuchs 2010/2011
Foto: Milena Schlösser
Sabrina Janesch Sabrina Janesch, geboren 1985 in Gifhorn, studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim sowie Polonistik in Krakau. Sie ist u. a. Gewinnerin des O-Ton-Literaturwettbewerbes des NDR (2005), Stipendiatin des Schriftstellerhauses Stuttgart und des LCB. Als erste Stadtschreiberin von Danzig erntete sie viel Medienaufmerksamkeit. Für „Katzenberge“ (2010) wurde sie mit dem Mara-Cassens-Preis für das beste Romandebüt des Jahres, dem Nicolas-Born-Förderpreis und dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet. 2011 war sie Stipendiatin im Ledig House/New York. Im Herbst 2012 erschien ihr Roman „Ambra“.
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Westwärts Seine Augen tränten, als er am Waldrand ankam und auf eine weite, mit dürrem Heidekraut bewachsene Lichtung blickte. Die Sonne war vor wenigen Minuten aufgegangen. Ein fahles Licht fiel auf das Land, das erst vor kurzem vom Schnee und dem Eis des Winters freigegeben worden war. Ein paar hoch aufgeschossene Eiben hoben sich dunkel von den Schneeresten und Buchenstämmen ab, deren Laub sich nass gegen den Boden drückte und alles Wasser an sich abperlen ließ. Die wenigen Eiszapfen, die sich noch an den Zweigen und Birkenpilzen gehalten hatten, reflektierten hell das Sonnenlicht und tropften einen irritierenden Rhythmus auf die Pfützen und Lachen, die sich überall gebildet hatten. Überall, tiefer im Wald selber und auf der Lichtung troff es, rann, plätscherte und gluckste. Es waren das Wasser und seine Geräusche gewesen, die ihn in diesen Wald geführt hatten, mit seinen Flussläufen, Rinnsalen und Bächen, und ihm verdankte er, dass er endlich den Winter hatte hinter sich lassen und im Frühling ankommen können. Wie freundlich war ihm die Gegend erschienen, nach seiner Reise durch die Kälte: Der Mischwald würde Nahrung im Überfluss bieten, den Siedlungen der Menschen konnte man sich fernhalten und nur im Mondlicht geräuschlos über die Anhöhen gleiten, die sich zwischen den Flanken des Waldes erhoben. Er horchte auf. Zwischen den Geräuschen des Wassers meinte er einen anderen Laut gehört zu haben, etwas Quietschendes, Schabendes, aber als er sich um die eigene Achse drehte und sich umsah, bemerkte er nichts als ein Eichhörnchen, das sich in die Astgabelung einer Lärche schmiegte und mit vor Nervosität zuckendem Schwanz hinunter blickte. Natürlich war er erfahren genug, um zu wissen, dass ein erster Eindruck täuschen konnte, und wäre der Wind von Osten gekommen und nicht von Westen, so hätte er sicher früher bemerkt, dass das Aufschmatzen und Aufglucksen von einem Paar vorsichtig aufgesetzter Gummistiefel herrührte, die schließlich, wenige hundert Meter entfernt, still ausharrten und sich keinen Zentimeter mehr bewegten. Vor einem Flusslauf, ganz am Ende der Lichtung, duckte sich ein Haus hinter ein Gebüsch von Hartriegel und Weißdorn. In den kahlen Verästelungen flatterten mehrere Amseln um die Reste von ein paar Nestern und zeterten dabei so laut, dass es ihm wie ein Splitter in die Ohren fuhr. Der Schmerz setzte wieder ein, der ihn seit der Begegnung am Stacheldrahtzaun vor ein paar Wochen verfolgt hatte. Er kniff seine Augen zusammen, aber so sehr er sich auch auf die grauen, gläsernen
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Flächen hinter dem Gebüsch konzentrierte, so war doch hinter den Fenstern keine Bewegung zu erkennen. Aus dem Kamin drang scharf nach Wacholder riechender Rauch, der sich wenige Meter über dem reetgedeckten Dach zu einem Bündel formte und einen Moment über den Amseln schwebte, bevor er zerfloss wie die Schneereste unter ihm. Ärgerlich wechselte er von einem Vorderbein auf das andere. Sein Magen knurrte mittlerweile so laut, dass es fast das Keckern des Eichhörnchens übertönte, das noch immer in der Lärche saß und ab und zu einen Zapfen auf ihn niederfallen ließ. Einen Teil von ihm zog es hinaus auf die Lichtung, hin zum Haus und dem kleinen Stall, versprach ihm Essen und köstlichen Überfluss, einen anderen hingegen hielt es im Wald, warnte ihn davor, seinen Schutz zu verlassen. Minutenlang blieb er auf der Stelle stehen und rang mit sich, welchen Weg er einschlagen sollte. Als er schließlich das Knacken hörte, wusste er, dass er einen Fehler begangen hatte. Ihm gegenüber, keinen Steinwurf von den Eiben entfernt, stand ein Mann, ein Gewehr in der Hand, und starrte zu ihm herüber. Jetzt nahm er den Geruch von Schweiß wahr, von frisch geschnittenen Fingernägeln und dem Talg, den die Kopfhaut absonderte. Plötzlich verstummten die Amseln, und der Schmerz in seinem Kopf verschwand so schnell, wie er gekommen war. Der Wind hatte gedreht. Ihn fror. Er sah, wie der Mann das Gewehr anhob. Die Erinnerung an den Beginn seiner Reise flackerte auf. Die Sonne war ähnlich schwach gewesen, hatte die Erscheinungen um ihn herum ähnlich lose gestreift und die Haare seines Pelzes kaum gewärmt. Die Blätter der Birken, die den Eingang zur Höhle seiner Mutter gesäumt hatten, waren so gelb gewesen wie die Eidotter der Auerhahneier, die er als Welpe einmal gefunden und zerbissen hatte, und die Tannen, deren Astspitzen noch vor nicht allzu langer Zeit weich und hellgrün gewesen war, hatten sich in eine tiefgrüne Wand verwandelt, gegen die der Wind anrannte und so wütend aufheulte wie eine Wölfin, die die Anwesenheit eines männlichen Wolfes witterte. Die Höhle, in der er mit seiner Mutter gewohnt hatte, war jeden Tag eine Spur kälter geworden, und wenn er die Nähe seiner Mutter gesucht hatte, so war sie von ihm abgerückt, hatte geknurrt und ihn schließlich in die Flanke gebissen. Eines Tages, als er sich der Höhle näherte, lag seine Mutter da, auf dem Felsen vor dem Eingang, und als sie ihn bemerkte, zog sie ihre Lefzen hoch und entblößte ihre Zähne, die in der Sonne schwach auffunkelten.
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Er wunderte sich sehr, was mit seiner Mutter geschehen war, hatte sie ihn doch lange Zeit beschützt und ihn mit ihrer warmen Zunge liebkost, hatte ihm Fleisch aus dem Wald gebracht, der ihm endlos und gefährlich schien. Einmal, als er noch klein gewesen war und seine Mutter ihn allein gelassen hatte, war an der Höhle eine Gruppe von Wesen erschienen, die größer waren als alle Tiere, die der kleine Wolf jemals gesehen hatte: größer als seine Mutter, größer als der Luchs, sogar größer als die Hirschkuh, die die Mutter einmal erlegt hatte. Zitternd hatte er in der Höhle gelegen und ihren Atem gehört, wie sie am Felsen vorbeizogen und mit ihren gewaltigen Köpfen und Schaufeln die Birken streiften und schließlich weitergingen. Als der erste Schnee fiel, verließ er seine Mutter und zog in den Wald. Anfangs suchte er die Nähe von Rudeln, die durch den Wald streiften, aber kaum näherte er sich ihnen, vertrieben ihn die älteren Rüden mit gesträubtem Nackenfell und einem kehligen Knurren. Einmal fiel ihn ein Rüde, der kaum älter war als er selber, an und verletzte ihn an der Schulter. Humpelnd hatte er sich verzogen und war seither allen anderen Wölfen aus dem Weg gegangen. Noch hatte der Schnee das Moos und den Schachtelhalm, der zwischen den alten Tannen wuchs, erst mit wenigen Zentimetern bedeckt, und die Rehe und Hirsche waren noch so stark, dass sie jedes Mal, wenn sich der junge Wolf ihnen näherte, mühelos flohen. Mit der Zeit fiel schließlich so viel Schnee, dass der Wolf bis zum Bauch darin versank. Der Hunger, gestillt nur von ein paar altersschwachen Hasen, quälte ihn mittlerweile so sehr, dass er eines Morgens seinen Unterschlupf unter einer umgestürzten Föhre verließ und gen Westen trabte, dorthin, wohin die Rehe immer flohen, wenn sie seine Witterung aufgenommen hatten. Nach vielen Tagen, in denen zwar der Schnee weniger geworden, der Wind aber an Stärke gewonnen hatte, kam er schließlich durch eine Gegend, in der es mehr Menschen gab, als er je im Wald seiner Kindheit gesehen hatte. Ab und zu hatte sich einer von ihnen zwischen den Tannen verirrt, besorgt hatte seine Mutter ihn dann beobachtet und sich erst zurück gezogen, wenn der Mensch verschwunden war. Hier aber gab es ganze Flächen, auf denen nur die Menschen wohnten, und mit ihnen lebten dicke, wohlgenährte Tiere, das konnte der Wolf aus der Entfernung riechen. Als er sich einmal, vermeintlich getarnt von einem Schneesturm, den Ställen genähert hatte, war ein Hund aus einer Nische auf ihn zugestürzt, und da hatte sich der Wolf gewundert, wie groß der
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andere war und wie sonderbar sein Fell. Ein Mensch war mit einem Gewehr aus dem Haus gestürzt und hatte mehrmals auf ihn geschossen, aber da war der Wolf längst wieder im Wald verschwunden. Die ganze Nacht war er umhergestreift, so lange, bis er schließlich einen verendeten Hirsch gefunden hatte, von dem er nicht abließ, bis es Morgen wurde. Das Kadaver brachte ihn über die kältesten Tage des Winters, der ihm aus dem Osten nachgefolgt war. Tag und Nacht lag er neben dem Hirsch und verteidigte ihn gegen Marder und andere, umherziehende Wölfe, die sich ihm näherten. Noch, als neben ihm bloß ein Gerippe lag, von dem die letzten Fasern Fleisch längst abgenagt worden waren, blieb er neben ihm und leckte die Knochen der Hinterläufe ab. Doch der Winter war noch nicht überstanden: Noch immer zogen Schneestürme über das Land, und die einzige Nahrung, die der Wolf erbeuten konnte, bestand aus einem jämmerlichen, kaum kniehohen Hund, der sich in den Wald getraut hatte. Bald schon machte er sich wieder auf den Weg. Der Bauch des Wolfes war bis unter das Rückgrat zurück geschrumpft, als er endlich eine Gegend erreichte, in der der Schnee zu tauen begonnen hatte. Auf dem Blätterbett des Erlenwaldes ließ es sich angenehm laufen, der Geruch von Humus und altem Holz kitzelte seine Nase. Allenorts verliefen Bäche und Rinnsale durch den Wald, in denen das Eis, von der Sonne aufgewärmt, sich langsam wieder in fließendes Wasser verwandelte. Die Nachtigall schlug so stark, dass es dem Wolf in den Ohren gellte, aber er kannte das Geräusch und stellte seine Ohren auf. Bald schon erlegte er einen Biber, der sich aus seiner Burg gewagt hatte, und suchte sich schließlich ein Versteck in der Mitte einiger junger Eschen, die ein Sturm umgeknickt und ineinander verschränkt hatte. Als am nächsten Tag ein warmer Wind begonnen hatte, erste Stellen im Waldboden vom Schnee zu befreien, das grüne Moos und ein Schneeglöckchen zum Vorschein kamen, war der Winter überwunden. Die Rehe in dieser Gegend waren noch so geschwächt, dass es dem Wolf nun nicht mehr an Beute mangelte; er wurde sorglos und strich nachts achtlos an den Holzhäusern vorbei, die er im Wald gefunden hatte. Auch hier gab es Menschen, und wo sie waren, gab es Tiere, die sie eifersüchtig bewachten. Aber der Winter schien auch ihnen zugesetzt zu haben: Noch ließen sie sich nicht im Wald und auf den Weiden blicken, die sie angelegt hatten, und der Wolf war für sich allein. Schon glaubte er, nie wieder einem anderen Wolf zu begegnen, da kitzelte ein Geruch seine Nase, der ihm sonderbar angenehm war. Ein vertrauter Duft, der ihn lockte, ihm schmeichelte und nächtelang spüren ließ, dass er allein war, wo doch vielleicht ganz in der Nähe andere
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Wölfe waren, freundlichere als die, denen er begegnet war… Im Morgengrauen hielt er es nicht mehr aus, verließ sein Versteck und trabte hinüber zum Waldrand. Dann war er an die Lichtung gekommen, hatte den Geruch verloren, dafür die Hütte und die Ställe betrachtet, die er vorgefunden hatte, der Wind hatte gedreht, und da, zum ersten Mal, hatte er etwas Wichtiges übersehen. Der Mann stand ihm noch immer gegenüber, keinen Steinwurf von den Eiben auf der Lichtung entfernt. Der merkwürdige Stock, mit dem man schon einmal auf ihn gefeuert hatte, war noch immer auf ihn gerichtet. Regungslos starrte der Wolf auf den Mann. Das Eichhörnchen, dem es in seiner Lärche langweilig wurde, begann wieder zu keckern und ließ einen Zapfen fallen. Der Wolf zuckte zusammen und ließ für einen Moment den Mann aus den Augen. Als er wieder aufsah, hatte der den Stock gesenkt und neben sich gestellt. Die Sonne schien auf seine Stirn, von der sich eine Schweißperle löste. Da geschah etwas Seltsames, was der Wolf noch nie bei den Menschen gesehen hatte: Der Mann hob seinen rechten Arm und wedelte damit in der Luft umher. Als er seinen Arm wieder hinunter nahm, war der Wolf im Wald verschwunden, nur das Eichhörnchen saß noch immer in seiner Lärche und blickte misstrauisch zu den Amseln hinüber.
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Die Jury des Spreewald-Literatur-Stipendiums
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NINA BOHLMANN ist seit 1989 in der Filmbranche tätig. Nach ihrer Laufbahn u.a. bei der Lichtblick Filmproduktion und Corona Film Hamburg gründet sie gemeinFoto: © magnolia / Jat J.Olczyk
sam mit Babette Schröder die magnolia Filmproduktion. Die erste Eigenproduktion „Süperseks“ läuft 2004 auf dem Filmfest Hamburg; für den Fernsehfilm „Kuckuckszeit“ gewinnen sie 2007 in Hamburg den „TV-Produzentenpreis“. Ihre deutsch-österreichische Koproduktion „Die Fälscher“ läuft 2007 im Wettbewerb der Berlinale und gewinnt 2008 den Oscar für den besten nichtenglischsprachigen Film. Neben ihrer Arbeit als Produzentin ist Nina Bohlmann auch als Autorin für Film und Fernsehen tätig.
Heinz Rudolf Kunze wurde 1956 im Flüchtlingslager Espelkamp geboren. Vor dem Lehramtsstudium der Germanistik und Philosophie besucht er das Graf-Stauffenberg-Gymnasium in Osnabrück. Schon früh entdeckt er seine Liebe zum sprachliFoto: © Nikolaj Georgiew
chen Balanceakt. 1978 wird er mit dem Literatur-Förderpreis der Stadt Osnabrück ausgezeichnet, bald darauf musikalisch bei einem Nachwuchs-Festival entdeckt. Das junge Talent bekommt seinen ersten Plattenvertrag und veröffentlicht sein allererstes Album. Songs wie „Dein ist mein ganzes Herz“, „Mit Leib und Seele“ oder „Finden Sie Mabel“ machen Heinz Rudolf Kunze zu einer der Koryphäen deutschsprachiger Rockmusik. Übersetzungen diverser preisgekrönter Musicals, Buchveröffentlichungen, große Tourneen und musikalische Lesungen schließen sich an. Zwischenzeitlich moderierte Kunze Radiosendungen, unterrichtete als Gastdozent und trat in Fernsehserien auf. Nur wenige andere Künstler schafften es bisher so wie Kunze, ihrem Stil treu zu bleiben und sich dennoch künstlerisch kontinuierlich vorwärts zu bewegen. Ende August 2011 veröffentlichte er seinen ersten Prosatext unter dem Titel „Vor Gebrauch schütteln – Kein Roman“.
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Der Literaturkritiker Martin Lüdke war nach dem Studium der Philosophie, Soziologie, Germanistik und Politik von 1976 bis 1978 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem sozialwissenschaftlichen Institut des Bundes in München (SOWI), bis 1984 Foto: Wolfgang Becker
Professor für Neuere Deutsche Literatur an der J.W. Goethe-Universität Frankfurt am Main, und hatte später verschiedene Gastprofessuren in den USA (San Diego, Los Angeles, St. Louis, Gainesville, FL) inne. 1985 bis 1990 arbeitete er als Redakteur des Hessischen Rundfunks (Fernsehen/Kultur), seit 1990 beim Südwestfunk, dem heutigen SWR. Seit Sommer 2003 ist er Courtesy Professor der University of Florida, Gainesville, FL, USA. Martin Lüdke schreibt u.a. für die Frankfurter Rundschau, DIE ZEIT, DER SPIEGEL, LITERATUREN und veröffentlicht zahlreiche literaturwissenschaftliche Bücher u.a. bei Suhrkamp und im Rowohlt Verlag. Als Kritiker gehört(e) er zahlreichen Jurys an, u.a. war er Vorsitzender der Jury zur Vergabe des Preises der Leipziger Buchmesse und Mitglied der Jury zur Vergabe des Deutschen Buchpreises, Frankfurt am Main.
FRIEDRICH SCHIRMER Theaterintendant und Dramaturg. 1951 in Köln geboren, begann er seine Theaterlaufbahn unmittelbar nach dem Abitur 1970 als Assistent und Dramaturg am Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel. Sein Weg führte ihn an-
Foto: © Ilona Habben
schließend über die Freie Volksbühne Berlin, die Städtischen Bühnen Nürnberg, das Nationaltheater Mannheim und die Städtischen Bühnen Dortmund zu seiner ersten Intendanz an der Württembergischen Landesbühne Esslingen (ab 1985). 1989 wurde Friedrich Schirmer Intendant der Städtischen Bühnen Freiburg. Von 1993 bis 2005 leitete er als Intendant das Schauspiel Staatstheater Stuttgart. Seit der Spielzeit 2005/2006 war Friedrich Schirmer Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. Im September 2010 trat er infolge nicht eingehaltener finanzieller Zusagen und erheblicher Zuschusskürzungen seitens der Stadt Hamburg zurück. Im Herbst 2012 wurde er wieder zum Intendanten der Württembergischen Landesbühne Esslingen berufen. Sein neues und altes Amt wird er mit Beginn der Spielzeit 2014/15 antreten.
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Der Schriftsteller und Jurist Bernhard Schlink wurde 1944 bei Bielefeld geboren und wuchs in Heidelberg auf. Er wurde Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an den Universitäten in Bonn, Frankfurt und Berlin (HumboldtFoto: © Herlinde Koelbl
Universität) und Professor of European Law and Comparative Constitutionalism an der Benjamin N. Cardozo School of Law, New York. Von 1988- 2007 war er Richter des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein- Westfalen. Seit 1985 veröffentlicht er Romane, Erzählungen und Essays. Sein Roman „Der Vorleser“ machte ihn international bekannt.
FRANZISKA STÜNKEL Regisseurin, Drehbuchautorin und Fotokünstlerin. Die Filme von Franziska Stünkel liefen in 19 Ländern auf über 150 internationalen Filmfestivals
Foto: © Stefan Neuenhausen
und wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Best New Director Award“ in New York. Für ihren Kinospielfilm „Vineta“ arbeitete sie mit Peter Lohmeyer, Ulrich Matthes, Justus von Dohnanyi, Matthias Brandt und Susanne Wolff zusammen. Franziska Stünkel erhielt für ihre Leistungen als Regisseurin den „Otto-Sprenger-Preis“ und wurde unter anderem für den „Prix Genève Europe – Bestes Europäisches Drehbuch“ nominiert. Als Regisseurin realisierte sie ferner den 15stündigen TV-Dokumentarfilm „Der Tag der Norddeutschen“. Für ihre fotografischen Arbeiten wurde sie mit dem Audi-ArtAward ausgezeichnet. Im Jahr 2012 erschien ihr Fotokunstbuch „Dialog der Geschichten“. Seit 2008 betreut sie als Kuratorin das Spreewald-Literatur-Stipendium.
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S preew ä lder K u lt u rsti f t u n g auf Schloss Müschen
Die Spreewälder Kulturstiftung wurde im Jahr 2002 ins Leben gerufen. Ihr Anliegen ist die Förderung und Bewahrung der traditionellen Spreewälder Kultur und des Brauchtums. Die Wahrung der ursprünglichen Zeugnisse des Spreewaldes sowie das bewusste Wahrnehmen der einzigartigen Leistungen in der prähistorischen Zeit (1300 v. Chr.) und der sogenannten „Lausitzer Kultur“ (bronze- und eisenzeitliche Kultur 1300-500 v. Chr.) ist ein wesentlicher Schwerpunkt der Stiftungsarbeit. Mit der Unterstützung des Spreewald-Literatur-Stipendiums möchte die Stiftung darüber hinaus zeitgenössischen Literaten die Möglichkeit eröffnen, sich vom Spreewald inspirieren und ihn so in ihre Werke einfließen zu lassen.
www.spreewaelder-kulturstiftung.com
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Impressum Herausgeber: © 2013 Spreewälder Kulturstiftung Fotos: Nikolaj Georgiew, Jochen Arndt Gestaltung: Ronald Reinsberg Druck: Druckzone, Cottbus ISBN 978-3-00-044439-5
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