SPREEWALD ANTHOLOGIE VII

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SPREEWALD AnTHOLOGIE VII

Spreewald-Literatur-Stipendium 2014 - 2015



SPRE EWA L D A N T HOLO G IE V II

Spreewald-Literatur-Stipendium 2014 - 2015 Nadja Klinger Hansjรถrg Schertenleib Susanne Stephan Jan Brandt

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INHALT

Nadja Klinger............................................................................................................................................... 05 Elisabeths Welt....................................................................................................................................................... 06 Hansjรถrg Schertenleib........................................................................................................................... 27 Feuer, Stiche, Astronauten................................................................................................................................... 28 Susanne Stephan........................................................................................................................................ 39 Am Flieร der Zeit ................................................................................................................................................. 40 Jan Brandt..................................................................................................................................................... 59 Die Kahnfahrt....................................................................................................................................................... 60 Die jury.............................................................................................................................................................. 69

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Herbst 2014

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Foto: © Spitzcok Brisinski

Nadja Klinger Zu ihren Veröffentlichungen gehören „Ich ziehe einen Kreis“ (1997), „Einfach abgehängt. Ein wahrer Bericht über die neue Armut in Deutschland“ (2006, zusammen mit Jens König), „Über die Alpen. Eine Reise“ (2010) und „High Fossility. Der Sound des Lebens“ (2014). Für ihre Arbeiten erhielt die Autorin zahlreiche Preise und Stipendien, u.a. den Preis des Journalistenverbandes Berlin-Brandenburg „Der lange Atem“ im Jahr 2011 für ihre ergreifenden Reportagen und den Preis der Friedrich-Ebert-Stiftung „Das politische Buch des Jahres 2007“ für „Einfach abgehängt. Ein wahrer Bericht über die neue Armut in Deutschland“.

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Elisabeths Welt Wer sie ist? Ich weiß es nicht. Darum geht es. Wer ist man, wenn man diejenige nicht mehr kennt, die man war? Ich habe sie in der Stadt aufgelesen. Sie hatte einen Namen, aber keinen Wohnort. Sie wusste nicht, ob sie sich in der Nähe befand oder weit weg, ob im Mai oder im Oktober. Stand abseits vom Bürgersteig, unter einer Baumkrone, die sich räkelte wie ein Mensch nach dem Erwachen, befühlte ihre Wangen, den Hals, hatte sich in den Schatten zarten Laubs geflüchtet, wusste aber nicht mehr, wie sie hierher gekommen war. Vergaß, dass sie eben mit den Fingern einen schmerzhaften Sonnenbrand ertastet hatte und legte den Kopf in den Nacken, weil die Vögel über ihr lauter waren als der Verkehr. Sie erkannte den Frühling nicht, weil man zum Erkennen das Gedächtnis braucht. Weil sie sich dazu an den Winter hätte erinnern müssen. Sie war bei Sinnen, aber nicht in der Lage, sich einen Reim zu machen: Sie konnte die Melodie der Sätze nicht abgleichen, nicht das richtige Wort finden, denn wenn sie dabei war, eine Zeile zu vollenden, hatte sie die vorhergehende Zeile schon wieder vergessen. Wie sie aussah? Sie war groß und hielt sich gebeugt. Eine alte Frau eben? Mir schien, als wollte sie nicht gesehen werden. Ihre Haare: weiß und fein und vor zu langer Zeit das letzte Mal geschnitten. Das Gesicht: weich. Unter schiefen Brauenstrichen rotgeränderte Augen, wie wenn jemand gezwungen ist, sich wachzuhalten. Ein wasserblauer Blick, der mich unangenehm tief traf, zugleich stockte, eine Gefahr ausmachend, die er nicht kennt. Ich stand direkt vor ihr und dachte, dass sie einmal schön und klug gewesen sein musste. Doch während sie um Haltung rang, begriff ich, worum es hier ging: um Zeit, die verloren ist. Um ein Leben, aus dem man verschwindet, lange bevor man stirbt. Darum, ohne Trost auszukommen. Ihr Dekolleté sah aus wie Papier, das man zusammengeknüllt und dann wieder glattgestrichen hatte. Sie litt an einer Demenz. Ich wollte sie begleiten, sie wollte keine Fragen. Wohin? Sie redete: über den Einkaufszettel, den man ihr entwendet habe, über Bauzäune, die man ihr in den Weg stelle, über Stimmen und Geräusche, die über sie herfielen, über Häuser, die gestern hier

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noch nicht gestanden hätten. Sie gab ihre Tasche nicht her. Einen Ausweis hätte sie noch nie besessen. Sie käme zurecht. Sie hätte nicht um Hilfe gebeten. Als ich ihren Arm berührte, die Panzerhaut, ergänzte sie, sie könnte mir auch eine reinhauen. Dann kehrte sie mir den Rücken zu. Setzte zu großen Schritten an, die sie jedoch nicht vollendete, die ihr kleiner gerieten als gewollt, so dass sie vorwärtslief, zugleich zurückschreckte – die Fußspitzen auffällig nach außen gesetzt, als ginge es bergan. Ich habe sie Elisabeth genannt. Sie ist meine Figur, wie wir Schreibenden sagen. Eine Figur, mit der ich nichts anfangen kann und auch nichts beenden, weil sie kein Vorher und kein Nachher hat, sich nur noch im Augenblick aufhält. Ich habe sie mit hierher genommen, in den Spreewald. Um zu wissen, was die kranke Elisabeth noch hat, muss ich herausfinden, was sie entbehren muss. Sie werden hier nichts mehr von ihr hören. Sie ist bei mir, sie fordert mich heraus, mich zu erinnern. In der Fremde das zu erkennen, was mich zugehörig macht. Herauszufinden, wohin mich die Schritte unwillkürlich lenken. Und wie ich gehe, wenn ich nicht weiß wohin.

Wege Dieser Weg ist markiert. Irgendwann ist jemand hier gewesen, hat ein Schild aufgestellt, eine Richtung vorgegeben, und sicher nicht die Verantwortung dafür übernommen, dass der Weg sein Versprechen auch hält. Arbeitsteilung nennen wir das. Das Wort ist uns überliefert worden. Es steht dafür, dass wir unsere Kräfte verteilen, um die Produktivität zu erhöhen, dass in kürzerer Zeit mehr geschaffen und verkauft wird. Gemessen an den vielen, die sich im Laufe der Menschheitsgeschichte an das hielten, was das Wort verlangte, hat Arbeitsteilung nur sehr wenigen tatsächlich etwas eingebracht. Spreewaldwege verlieren sich gern. Sie dösen vor sich hin, schlendern durch eine Wiese, folgen einem satten Duft oder einem Schmetterling und sind plötzlich im kniehohen Dickicht nicht

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mehr zu sehen. Oder sie liegen straff da, es ist ihnen langweilig, denn außer den Früchten der Bäume oder den Steinen, die es beim letzten Regen angeschwemmt hat, gibt es kaum eine Abwechslung. Da kommt plötzlich ein anderer Weg daher. Wir nennen das Kreuzung und wir setzen darauf, dass wir entweder einen Hinweis bekommen oder klar erkennbar ist, wo entlang wir weitermüssen. An den Kreuzungen hier in der Gegend jedoch war nicht immer schon einer, da gibt es auch mal keine Schilder, da will das Land erschlossen werden. Es ist, als hätte einem jemand die Tür zum Spreewald geöffnet, sich dann sofort wieder verdrückt und gesagt: »Fühlen Sie sich wie zu Hause!« Der Weg indes, dem eben noch so langweilig war, ist hocherfreut. Er schmiegt sich an den anderen Weg, sie schlendern ein Stück gemeinsam, tänzeln umeinander herum, dann biegt einer nach hier ab, der andere nach dort. Man kann nicht wissen, was sie treibt, wohin es sie zieht, man kennt sie ja nicht, ist ihnen ausgeliefert, so wie allem Fremden, und weil man sich mit Unwissen nicht schützen kann, ist man misstrauisch. Und manchmal wird man böse. Nicht auf den Radfahrer, der absteigt und berichtet, dass er auch langsam böse wird. Auch wenn man es genießt, alleine zu gehen, sucht man auf seinen Wegen die Gemeinschaft. Die mit der Sonne zum Beispiel, die sich gern auf den Auen langmacht und die, wenn man sich dazulegt, einem den Kopf krault. Den wir, wie es so schön heißt, »ausschalten« sollen, gelegentlich, immer öfter, als wäre unser Kopf nur Wegverpflegung und als hätten wir schon genug gegessen. Ich bin gern auf Empfang. Ich greife zu, sortiere ein, schmeiße raus. Wenn ich mich auf etwas einlassen will, heißt das, ich muss etwas dazugeben. Manchmal bin ich gezwungen, etwas zu geben, manchmal suche ich nicht die Sonne, sondern die Gemeinschaft mit dem Wind, der so gar nicht in diese Gegend passt, die niemals Tempo macht. Der sich mitunter ganz schön aufspielt, um die Leute, die in aller Ruhe unterwegs sind, zu vertreiben. Der durch den Stoff meiner Jacke, aber nicht durch meinen Körper hindurch kann, die Kraft hat, mich umzuwerfen, aber nur, weil ich ihm im Weg stehe, weil es mich wirklich gibt.

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Provinz Wenig Gesichter, wenig Verkehr, wenig Abwechslung, wenig los. Wenig ist eigentlich immer Mist; wenig Sorgen, das wäre gut, aber das ist denen in der Provinz auch nicht garantiert. Die Provinz hat es schwer, sie selbst zu sein. Sie ist das, was andere erblicken, wenn sie die Provinz anschauen. Und weil jeder immer nur sieht, was er zu sehen in der Lage ist, und weil in so vielen Köpfen auch Provinz ist, müsste sie sich eigentlich ständig zur Wehr setzen. Aber das tut sie nicht. Einst hatte eine Kleinstadt im Spreewald den Schneid, die großen Schornsteine, deren Rauch den Bewohnern das Atmen, den Blick zum Himmel und den Regen verdarb sowie Seen, Wälder und Hausfassaden schädigte, zu ihrem Wahrzeichen zu erklären. Das Braunkohlenkraftwerk Vetschau war zuständig dafür, dass viele Menschen in einer großen Region ihre städtische Energie bekamen, während sie für dort, wo die ganze Kraft herkam, ein Adjektiv benutzten: provinziell. Der Gebrauch dieses Adjektivs ist wiederum so was wie ein Wahrzeichen der Städter, die gern damit spielen, indem sie es beispielsweise austauschen gegen »hinterm Mond«. Das klingt dann wie eine lustige Ortsbeschreibung, bleibt aber eine Anmaßung: verdammt weit weg leben, quasi in der Unsichtbarkeit, und auch noch stolz drauf sein. Vetschau hält sich wacker: unter der Arroganz, nach dem Ende der Braunkohle, konfrontiert mit den Ansprüchen der Touristen. Wer mit dem Zug in der Stadt ankommt, wird nicht gerade empfangen. Zwei Bahnsteige, links und rechts von der Straße, die aus dem Spreewald heraus zur Autobahn führt. Man kann sich auf diesen Bahnsteigen nicht gut aufhalten, sie schützen vor keinerlei Wetter; wer hierherkommt, weil er woandershin möchte, muss das ausbaden, wer ankommt, den hält man hier nicht auf. Vielleicht ist es das, was die Wahrzeichen von einst mitteilen wollten: Vetschau macht niemandem etwas vor. Ich erinnere mich gern an den Provinzbahnhof, auf dem ich als Kind im Sommer oft ankam. Mein Zug verließ kurz vor sieben Berlin und war nach einer Weile in Cottbus. Lausitz. Von jetzt an hatten die Städte zwei Namen. Weiter ging’s nach Weißwasser, runter nach Görlitz, wo es

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endlich dunkel wurde, die Erwachsenen mit Gewalt an den klemmenden Waggonfensterklappen zerrten und wir damit eine Art Klimaanlage hatten. Im launischen Fahrtwind wurde in die Brotbüchsen gelangt, derweil wir rüber nach Bautzen zuckelten. In Löbau war es dann schon Nacht, in der Fensterscheibe sah ich mich selber: eine Reisende, in deren Körper die Kilometer träufelten und die Stadt verdrängten, die eben noch in ihm war. Ich gab mir Mühe, durch mich hindurch zu sehen, ins Dunkel, das von kleinen Lichtern gekreuzt wurde, und ich malte mir aus, was die fremden Menschen hinter den beleuchteten Stubenfenstern wohl gerade machten. Sieben Minuten vor Mitternacht: Neugersdorf, Oberlausitz. Meine Großmutter war mit dem Leiterwagen da. Mein Rucksack fiel hinein, es zog uns in den Lichtkegel, der aus einer Flügeltür auf den schwarzen Bahnsteig fiel. Im nachtleeren Foyer des kleinen Bahnhofsgebäudes hing ein Vorhang aus Gerüchen: Ledertaschen, Menschen, Hunde. Links, an dem Eingang mit der Aufschrift Dienstzimmer, lehnte der Mann in Eisenbahneruniform, der sich mit zwei Fingern an den Hut tippte und das r in »Willkommen, Fräulein!« so weit ausrollte wie einen Teppich. An der Wand neben dem Dienstzimmer klebten, teilweise durch Pflasterband gehalten, Zettel. Zum Beispiel: Wer hat seinen Koffer stehenlassen? Bitte beim Stationsvorsteher melden! Oder: Ich war hier, Zug hat Verspätung, muss zurück auf den Hof, Schlüssel in der Bäckerei. Die Aufhängung des Leuchters im Deckengewölbe war so merkwürdig konstruiert, dass ich mir von demjenigen, der auf der Leiter gestanden und gewerkelt hatte, seit Jahr und Tag eine genaue Vorstellung machte, so als würden wir uns gut kennen. Im Fallbereich der Lampe waren die Fliesen des Fußbodenmosaiks zerschlagen. Ich ließ mir immer wieder erzählen, was hier geschehen war, merkte, dass meine Großmutter die Geschichte veränderte, ja neu erfand. Bei ihr war die Lampe in die Ereignisse der strengen Kaiserzeit verstrickt, in den stromlosen Nachkrieg, in den Ersatzteilmangel der DDR. Protagonisten waren die Bewohner Neugersdorfs, deren Familiennamen ich alle parat hatte. Nie kam jemand zu Tode, wenn meine Großmutter erzählte, und Verletzungen wurden wacker überstanden. Provinzbahnhöfe. Ich vermute, dass diese schlecht ernährte Vokabel in den Planungsunterlagen der dicken Deutschen Bahn vorkommt. Dass Provinzbahnhöfe dort lediglich dazu vorgesehen sind, das Ein-und Aussteigen zu ermöglichen: möglichst vielen Fahrgästen, möglichst schnell,

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möglichst reibungslos. Ich stelle mir vor, wie die dicke Bahn in breitbeiniger Stellung und leicht schwitzend ihren Blick auf Vetschau richtet. Auf die Landkarte. Karl-Marx-Straße, Ernst-Thälmann-Straße, Juri-Gagarin-Straße, Kraftwerkstraße. Ringsum menschenleeres Grün, zerpflückte Ansiedlungen, dünne, die Verkehrswege strapazierende Fließe der Spree, Auen, Sümpfe, unvorstellbare Territorien mit dem Namen Bergbaufolgelandschaft. Und dann noch, gleich am Stadtrand, diese verdammte A15 als Konkurrenz! Wie mit so vielen deutschen Orten, die vor langer, langer Zeit mal einen Eisenbahnanschluss bekamen und eines Tages dann ins sogenannte bundesdeutsche Schienennetz gerieten, wurde, so denke ich, auch mit Vetschau kurzer Prozess gemacht. Wenn ich hier ankomme, drängen sich mir keine kleinen Heldengeschichten auf. Keine Deckenkonstruktion macht mich darauf aufmerksam, dass, schon bevor ich eintraf, hier etwas geschah. Dass Geschichten zwar anfangen, aber nie enden. Nirgendwo ein mit Pflaster befestigter Zettel, der mich einweiht in das, was Vetschauer einander mitzuteilen haben. Da wird weder ein Willkommensteppich ausgebreitet, noch öffnet sich ein Vorhang aus Gerüchen. Diese Kleinstadt hat keine Bühne. So wie jedermann laufe ich, vom Bahnsteig kommend, nicht durch das Bahnhofsgebäude hindurch, sondern drum herum. Es ist recht groß, aus schönem Backstein, verwinkelt, es hat viele Fenster, doch keine Stimme und kein Publikum. Es schläft. Hoffentlich nicht gut. Provinzen, ihr Menschen hinter dem Mond! Wehrt euch gegen eure schlafenden Bahnhöfe! Die Städte haben das Große, das Tempo, die Lautstärke, die Skylines und die Kunstsammlungen. Ihr habt den Himmel und die Details. Hinterland, nennen Küstenbewohner die Provinz. Das Wort stammt aus der Zeit der Eroberungen: Die Besatzer waren schon an Land, aber noch nicht ins Innere vorgedrungen, zwar waren die da hinten bereits unterworfen, doch hatten die Unterwerfer auf sie noch keinen direkten Zugriff. Vetschauer, es ist höchste Zeit!

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Dunkelheit (und Sternenhimmel) Es ist zu spät. Die Straße führt nirgendwo hin. Es gibt sie nicht einmal mehr, sagen meine Augen, aber das Gedächtnis widerspricht. Vor drei Stunden bin ich in dem Wirtshaus abgestiegen, vor dem ich jetzt stehe. Aus den Fenstern fällt Licht, das gerade dafür ausreicht, dass ich sehe, wo der kurze Sandweg, der mich aus der Tür geleitete, auf Asphalt trifft. Und weil das Erinnern eine starke Angelegenheit ist, weil es ungreifbare Gedanken dazu bringt, meinen Körper in eine Richtung zu lenken, drehe ich mich nach rechts – wohl weil ich von dort kam. Ab jetzt kann ich nur hoffen, dass mein Gedächtnis weiterhin mein Freund ist. Dass es der schweigsamen Dunkelheit Auskünfte abringt, mit den Informationen etwas anfangen und sich zurechtfinden kann. Ich versuche, hilfreich zu sein. Setzte meine Schritte nicht so blindlings, nicht so dringend, nicht so lang wie sonst. Die Dunkelheit in mondlosen Spreewaldnächten ist ein Affront. Sie sackt tief in die Landschaft ein, ertränkt jede Kontur, ist schwerwiegend und zudringlich, indem sie schweigt und mir zeigt, dass ich laut bin, dass meine Kleider Geräusche machen, wenn ich gehe, dass ich meine Schritte nicht verheimlichen kann, mein Atem hörbar schneller wird. Sie verdrängt alles, was ich glaubte zu können: mich auf meine Sinne verlassen, den Verstand gebrauchen, meinen Weg finden, meinen Mitmenschen vertrauen, der Angst widerstehen. Ich sehe nichts. Ich denke, woran ich sonst nie denke. Dass Tiere in der Nähe sind, dass ich jemandem begegnen könnte, der seinen Verstand auch grad nicht parat hat, dass ich misstrauisch bin, allein. Einmal strauchele ich, weil mein rechter Fuß tiefer und weicher aufsetzt als der linke, ich habe wohl die Straße verlassen, gehe zu Boden, die Dunkelheit greift nach mir, aber sie reicht mir nicht die Hand. Meine Mitmenschen aus dem Spreewald haben mir kein einziges Licht aufgestellt. Mein laternenloser Heimweg, daran erinnere ich mich jetzt, muss zweimal eine Abbiegung nehmen. Ich habe mal gehört, dass bei Blinden die anderen, die funktionierenden Sinne Aufgaben übernehmen, die sie bei Sehenden in aller Ruhe den Augen überlassen; ich behaupte: Mein Temperaturempfinden (von links her streift mich plötzlich feuchte Luft) geleitet mich nach etwa zehn Gehminuten weg von der Asphaltstraße auf die lange Allee, die sich in Schlenkern durchs

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Wiesenland zieht, und mein Geruchssinn lässt mich eine halbe Stunde später den Weg finden, an dem seit Tagen Heuballen aufgetürmt werden. Unweit von dort steht mein Bett. Soweit zum Ausgang dieses Abenteuers. Ich überlebe. Und der Eindruck, der mich auf meinem Weg durch die schwere Dunkelheit heimsucht, überlebt auch: Ich bin eine Protagonistin, mit allem Möglichen ausgestattet, so dass ich mir hilfreich sein kann. Ich bin, was ich zustande bekomme, was mir nicht gelingt, was ich dazulerne, woran ich glaube. Wenn Gestein und Vegetation mich in den Alpen eher irritieren als aufklären, kann ich Schweizer Militärkarten lesen. Die Maßnahmen, die mich retten, wenn mich auf dem Hochgebirgspass ein Gewitter verfolgt, habe ich mir am Kartenrand notiert. Ich beherrsche alle vier Schwimmlagen. Nach einigen Jahren Übung erkenne ich meine Vorurteile. Ich nehme das Wesen ernst, das ich sehe, wenn ich mich in anderen Leuten spiegele. Ich zwinge mich zur Offenheit und dazu, lieber ein bisschen länger nach dem passenden Wort zu suchen. Ich kann verzichten und ich kann sagen: Ich will. Ich habe gelernt, meine Kinder zu beschützen und loszulassen. Ich halte keinen meiner Wünsche mehr für unangemessen, versuche, niemandem zur Last zu fallen und hoffe, dass es mir eines Tages gelingt, mich anderen auszuliefern. Aber all das ist nur Ausstattung, nicht das Sein. Ich bin nur anwesend, nicht ausschlaggebend. Ich kann von mir profitieren, aber ich kann mich auch verlieren. Einmal kommt ein Lichtpunkt auf mich zu. Es muss ein Fahrrad sein. Ich verkürze abermals die Schritte, hebe die Arme, damit die Jacke weniger Geräusche macht, der Punkt kommt näher und näher, ein Vorderrad ist zu erkennen, das Knarzen von Pedalen. Man spürt die Nähe eines Menschen, auch wenn man ihn nicht sieht, heißt es, doch meist sind Geschichten, die so etwas erzählen, klüger als der Augenblick, von dem sie berichten; immer ist das Gespür nur Teil der Erinnerung an die Sekunden vor dem Moment, als der Mensch plötzlich da war – und unsere Erinnerung ist das Unzuverlässigste, auf das wir uns gern verlassen. Ich spüre also den Menschen auf dem Fahrrad. Na klar, ein Rad bewegt sich nicht von allein. Doch obgleich diese Person wohl auch nur auf dem Heimweg ist und wie ich gegen die Dunkelheit antritt, fühle ich mich bedroht, denn sie hat kein Gesicht und keine Körpermaße, keine

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Kleidung, weder einen Blick noch Gebärden. Nichts, was ich erkennen, deuten und verstehen kann. Ich verliere kein Wort, als der Lichtpunkt neben mir ist, wir dicht beieinander sind – zwei der Nacht ausgelieferte Gefährten, ihrer Möglichkeiten beraubte Wesen; ich vermeide es zu sprechen, wenngleich ich mich durch Kommunikation gewöhnlich vergewissere und rette. Und dann bleibe ich stehen. Meine Schuhsohlen berühren den Erdboden. Rechts, links, vorn und hinten. Das sind Richtungen, die sich verändern, sobald ich mich auch nur ein Stück drehe. Lege ich den Kopf in den Nacken, dann ist oben geradeaus. Meine Augen, denen alles, was sie wahrnehmen, bekanntlich vom Licht geschenkt wird, erblicken die Sterne. Ich weiß, dass sie bei Neumond am besten zu sehen sind. Mein Hirn, das die Wahrheit immer nur zusammen mit der Verklärung abspeichert, informiert mich darüber, dass es in der Stadt zu keiner Zeit so viele Sterne gibt. Ich sehe, wie sie stillhalten und wie sie wandern. In der Dunkelheit, mich langsam am Boden drehend, wird mir klar, dass jeder Standort eines Sterns, jede Beziehung zwischen dem einen Stern und den anderen, jede Bewegung nicht eindeutig ist, dass Richtungen und Bezüge sich verändern, wenn ich mich verändere. Dass, was ich sehe, andere unwillkürlich anders sehen, der Mensch auf dem Fahrrad zum Beispiel, der längst verschwunden, abgebogen, aufgehalten worden, vorangekommen oder angekommen – der eine völlig andere Geschichte von ein und derselben Nacht ist.

Zäune Wie mein Tag war? Ja, haben Sie das nicht gesehen? Die Sonne schien, das Wasser im Hafen vorm Haus lag da wie ein geputzter Spiegel, kein Blatt ist auf die Oberfläche gefallen, kein bisschen Blütenstaub herübergeweht, denn der Wind war heute nicht unterwegs, hat nicht in meinem Buch geblättert, die wilde Wiese nicht gekämmt und den Vögeln ihren Gesang nicht aus den Schnäbeln gerissen. Um Ihre Frage zu beantworten, müsste ich von mir erzählen. Aber mich gab’s ja schon, als der Tag begann. Ich hatte in der Nacht einen Traum und bin ihn lange nicht losgeworden. Außerdem habe ich sowieso den Kopf voll. Dinge, von denen Sie nichts wissen können, die ich selber nicht einmal richtig kenne, weil sie sich nur irgendwie anfühlen,

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sich jedoch nicht offenbaren. Mein Blutdruck war wieder mal niedrig. Ich musste manche Sätze mehrmals lesen und habe mich gefragt, was aus den vielen Worten wird, die ich entziffere, aber nicht wiedererkenne. Ob sie sich in mir halten, bis es mir besser geht? Oder ob sie verloren sind, weil ein Wort zwar seinen Gehalt, aber jeden Tag, für jeden Menschen, in jedem erdenklichen Zustand eine andere Bedeutung hat? Ich bin dann einfach losgelaufen. Habe mich ans Fließ gehalten, dann die Kolonie durchquert, ein feuchtes Dickicht, hölzerne, gebogene Brücken angesteuert und mich abermals am Wasser orientiert. Meine Füße haben schneller aufgesetzt als mein Hirn denken konnte. Ich lag immer ein paar Schritte hinter mir selbst zurück. Sie wollen es wirklich wissen, oder? Schon wie Sie Ihre Frage gestellt haben. Wie war Ihr Tag? Sie betonen das erste Wort! Die meisten Menschen betonen das letzte. Ich auch. Das ist fahrlässig. Es geht hier nicht um das Subjekt, sondern um den Satzteil, der den Unterschied meint. Wir beide sprechen dieselbe Sprache, aber Sie sprechen anders als ich. Wir haben beide einen Dialekt. Herkunft. Einen Ursprung, an den der jeweils andere sich nicht zurückfallen lassen kann, weil er selbst einen anderen Ursprung hat. Wollen wir uns setzen? So vielleicht? Direkt gegenüber? Zwischen uns die Grenze und hinter der Grenze jeder mit seiner eigenen Geschichte? Mir ist es gleich aufgefallen. Im Spreewald haben viele Grundstücke keine Zäune. Die Häuser stehen nicht direkt an der Straße, sondern haben sich in die Landschaft zurückgezogen. Wie Deckshäuser eines großen Schiffes stehen sie aus, und an Bord sind wir alle: diejenigen, die die Fassade gestrichen, das Dach gedeckt und die Zimmer möbliert haben, ebenso wie der fremde Wanderer, der daherkommt. Er muss nur durchs Gras gehen, vorbei an Blumenstauden, Beeten, eine Reihe von Obstbäumen passieren und erreicht die Eingangstüren. Und wenn er will, steigt der Kapitän von der Kommandobrücke und öffnet. Kennen Sie das? Man kommt vor ein verschlossenes Gartentor, klingelt und weiß, dass man vom Haus aus, durch eines der Fenster, gesehen wird? Eine spannungsgeladene Situation. Man nimmt Haltung an, macht ein Gesicht, manchmal, um zu zeigen, wer man ist, nicht selten, um genau den ersten Eindruck abzugeben, den man sich wünscht. Ein typisches Verhalten am Zaun. Wo man nur sich selbst kennt, nur das, was sich hier abspielt, auf der eigenen Seite, und höchs-

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tens eine Ahnung davon hat, wer die auf der anderen Seite eigentlich sind und was da drüben möglich ist. Denn der Zaun ist die Grenze. Ein Bauwerk, das Innehalten erzwingt, die eigene Zeit stoppt und die gemeinsame Zeit anbrechen lässt, das Respekt einfordert: für einen Ort, der nicht durch pure Anwesenheit eingenommen werden will, sondern Begegnung verlangt. Hier trifft man aufeinander. Hier kommen Vorurteile und Halbwissen, Erfahrungen und Kenntnisse, Haltungen und die Fähigkeit sich zu bewegen, Erwartungen und Enttäuschungen zusammen. Die Grenze an einem zaunlosen Spreewaldgrundstück ist nicht zu sehen, aber vorhanden. Der Besucher, durchs Gras gehend, gerät in eine andere Welt. Wie laufen die Tage ab, die die Menschen in diesem Haus dort verbringen? Wie sprechen sie unsere Sprache? Welchen Ritualen geben sie Raum? Welche Zeitung lesen sie, was kochen sie und worüber wird geredet, wenn das Essen auf dem Tisch steht? Wie sitzt man? Werden Fragen gestellt? Finden sich Antworten? Von welchem Charakter sind die Bewohner und warum? Wie ist ihr Verhältnis zur Gemeinschaft? Was trinken und rauchen, wie feiern, putzen, schlafen sie? Rede ich zu viel? Man spricht ja sonst nicht, wenn man allein durch den Spreewald geht, man trifft kaum mal jemanden, und wenn, dann ist zwischen mir und dem, der meinen Weg kreuzt, auch eine Grenze. Die ich zögere zu überschreiten. Es gibt Grenzen zwischen Dorf und Umland, zwischen Städten, Stadtbezirken, Häusern, Wohnungen, Zimmern. Zwischen Nachbarn ist eine Grenze, zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern. Meine Haut ist die Grenze zur Außenwelt. Verstehen Sie? Gut. Wenn ich eine Staatsgrenze passiere – auf dem Flughafen, der Autobahn oder einem Pass im Gebirge, fällt mir sofort etwas ins Auge, das anders ist als eben noch. Ja, selbst die Berge verändern sich: die Wegmarkierungen, Sicherheitsvorkehrungen, die Kennzeichnungen der Nutztiere auf den Höhenwiesen. Ich mag diese Hinweise, sie geben mir zu verstehen, dass ich mich bewegt habe. Auch an den Spreewaldgrundstücken weist man mich hin: auf die Vorliebe für bestimmte Blumen, die Haltung zu gefallenem Obst, auf Neigungen zu Farben und zum Material. Es gibt vieles, was ich anders machen würde an diesen Häusern und in den Gärten, aber das sagt nur etwas über mich aus, nicht über die, die hier wohnen. Die Grenze ist der Ort, wo man sich nicht auskennt. Aber mir ist klar geworden: Auch ich würde keinen Zaun bauen.

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Finden Sie es übertrieben, wenn mich die Spreewaldgrundstücke, an denen ich heute vorbeikam, an Europa haben denken lassen? An die Angst vieler Menschen vor der Grenzenlosigkeit? An den – ich habe mich gefragt, ob das die Ursache dieser Angst sein kann – weltweit mangelnden Respekt vor dem Anderen? Ebenso: an die mangelnde Zuversicht in die eigene Kultur, in die Einzigartigkeit der Geschichte des eigenen Landes, in die Mitmenschen, letztlich in das Ich? Ich habe die bewohnten Flecken Erde, die ich heute sah, nicht als mein eigenes Land betrachtet, aber ich fühlte mich willkommen. Und w i e war Ihr Tag?

Das FlieSS Wir Städter würden sagen: Ich gehe ans Flüsschen. Alles, was nicht groß ist, verkleinern wir mit einer Endung. Das ist legitim. Nicht um das Kleine klein zu machen, sondern weil das Große nicht einfach zu ertragen ist. Im Großen gilt es, einen begrenzten, übersichtlichen Platz zu finden: wo man Einzelheiten aufspüren, den Namen der Dinge um sich herum kennen, vor allem wissen kann, was diese Dinge vermögen und was sie bedeuten. Wenn wir etwas verkleinern, meinen wir, endlich einmal durchzublicken. Den schmalen Wasserlauf, an dem ich fast täglich eine Weile sitze, nennen die Menschen, die im Spreewald leben, Fließ. Das Wort bezweckt nichts. Es hat Herkunft. Es hat die Zeit der Germanen erlebt, deren Stämme hier kurz haltmachten, und die Völkerwanderung. Es sah die ersten slawischen Siedler kommen und bleiben. Es sah, wie die Wälder zu Nutzflächen und aus Böden Äcker wurden, wie sich Grasland in Wiesen verwandelte, dass man Höfe baute, Straßen, Brücken. Das Wort ist wie eine uralte Großmutter, in der die Geschichte lebt. Diejenigen, die es einst kreierten sowie die Generationen, die es beibehielten, haben sich besonnen und jeder neuen Wortschöpfung widerstanden. Kaum irgendwo wird der Begriff Fließ heute noch verwendet. Ich sitze auf einem Stein am Ufer. Die Sonne krault meinen Rücken, das Wasser jedoch, das von Baumkronen überdacht wird, erreicht sie nur mit wenigen Strahlen. Sie zwängen sich durch das

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dichte Laub und verstreuen leuchtende Punkte auf der Oberfläche. Ich mag den Schatten eigentlich nicht. Er ist die Kehrseite. Ohne Schatten ist kein Licht zu haben. Er kommt ungerufen daher – zusammen mit dem Glück; er ist der Abstieg nach dem Aufstieg, er ist das »na, vielleicht doch nicht« nach dem »ja, ganz bestimmt«. Schatten verschont die Farben, bekommt aber auch keinen Glanz zustande. Er ist schön kühl, weil er niemals wärmen kann. Er ist der karge Morgen nach einem wundervollen Traum. Das Ende eines Menschenlebens ist Schatten. Wir nennen es Lebensabend. Wem es gutgeht, der kann sich ein Licht machen und einen Pullover anziehen. Wem es noch besser geht, der hat kaum Gelegenheit sich bewusst zu machen, dass schon Abend ist. Alle anderen indes verkörpern die Jahre ihres Daseins. Sie sind schwer, weich, langsam, zerknittert. Vielleicht finden sie Zuflucht an einem von der Wirklichkeit abgeschirmten Plätzchen. Vielleicht kleiden sie sich in Harmonie, vielleicht hat alles einen Sinn. Das Fließ, an dem ich ausharre, ist eine der vielen Verzweigungen, mit denen die Spree, die aus Südostdeutschland kommt, das Niederungsgebiet Spreewald passiert, satte Moorböden umschließt, Auen stillt, ehe sie wieder zu einem einzigen Fluss wird, der in Berlin dann die Dahme aufnimmt und kurz darauf in die Havel mündet. Quelle und Mündung, Anfang und Ende. Dazwischen: die Sonnenflecken. Wenn der Wind das Wasser nicht behelligt, bewegen sie sich nicht. Und wiederum doch, weil die Spree fließt. Weil sie durch ihre Konturen drängt, tote Insekten mitzieht, Pflanzenteile, Staub, weil sie, fast unmerklich, den Flecken das Starre und Haltbare nimmt, ihre Gewissheit und Dauer, indem es sie flimmern lässt. Ich bin die Frau auf dem Stein. Ich harre still aus, wehre nur ein paar Mücken ab, zupfe Grashalme aus, die mich an den Waden kitzeln, streiche mir über die Arme und spüre Pollen auf meiner Haut. Einst wurde ich geboren. Man überließ mir einen Körper, er reifte und war eines Tages zu allem in der Lage, was ich brauchte. Ich erzog, trainierte, testete ihn, lud ihm Erfahrungen auf, mutete ihm Erinnerungen zu, verschliss seine Unbedarftheit, die Sehschärfe, die Gelenke. Landete ich beim Arzt, war ich darüber wütend. Meine Narben blieben, aber das machte mich nicht demütig, denn ich fühlte mich meinem Körper nicht untertan, sondern als seine Besitzerin. Ich irrte. Weil ich das Leben als Geschenk betrachtete und nicht als Sonnenflecken auf dem Fließ.

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Ich bin der Fleck auf der Wasseroberfläche, der sich – mehr und weniger sichtbar – verändert, weil durch ihn meine Jahre ziehen. Von dem Moment an, da mein Körper ausgewachsen war, da ich ihn benutzt habe, nahmen seine Möglichkeiten ab. Das Altwerden ist kein Streckenabschnitt, sondern das ganze Leben. Geburt, kurzes Heranwachsen, in der Jugend beginnst du dann auf dich selbst zu setzen, der Körper jedoch macht sich da bereits schon wieder aus dem Staub: Reifen, Ergrauen, Schrumpfen, Verdämmern, Welken. Das Altsein ist dann, so stelle ich es mir vor, die rare Gelegenheit, sich endlich selbst dabei zu ertappen, wie man verschwindet. Wohl niemand würde am Fließ auf die Idee kommen, die meine Freunde und ich früher in die Tat umgesetzt haben: reinzuspringen in den Fluss und zu versuchen, schwimmend drüben an Land zu kommen. Wir wetteten auf eine Stelle am anderen Ufer, bis zu der wir abtreiben würden und wir trieben jedes Mal viel weiter. Der Fluss war ein Ort, eine Herausforderung, und wir nahmen sie immer wieder an. Das Fließ, diese schmale Verzweigung, die sich ihren Weg bahnt, um sich irgendwann wieder mit den anderen Fließen zum breiten Wasserlauf zusammenzutun, kann Boote tragen und es kann Boote ertränken. Mitunter büßt es an Tiefe ein, aber möglicherweise tritt sein Wasser eines Tages auch über die Ufer. Es umspült Gehölz und Steine, plötzlich jedoch reißt es sie mit. Ist es eine Frage des Alters, dass ich jetzt nicht das andere Ufer im Blick habe, sondern mich der Strömung hingebe? Der Fluss des Lebens, Quelle und Mündung. Das einzige, was zum Bild nicht passt: Wir kennen den Anfang, aber nicht unser Ende. Wir wissen nicht, wann das, was wir für unser Leben halten, vorbei ist und ob der Moment Stunden, Tage, Wochen, Monate oder Jahre vor dem Moment liegt, in dem wir sterben. Wir haben keine Ahnung, ob wir unser Leben dann noch mögen. Was wir tun werden. Was wir überhaupt noch tun können. Ich achte nicht darauf, wie viele Stunden ich auf dem Stein am Fließ verbringe, die Zeit sackt durch meinen Körper, niemals kommt ein Mensch vorbei, der dieses Erleben stört. Man wird allein geboren und man stirbt allein, zwischendurch tut man gut daran, das zu vergessen. Einmal versuche ich, die nackten Füße ins Wasser zu versenken, doch das Ufer ist dicht bewachsen, ich finde mit dem Hintern keinen Halt, rutsche, hänge schließlich bis zur Hüfte im Nass, mein

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Rock liegt zitternd auf der Wasseroberfläche, ich halte mich an einem dünnen Ast und einem Pflanzenbüschel fest und weiß nicht weiter. Altwerden geschieht ohne unser Zutun. Das Altsein indes verlangt uns etwas ab. Wir können nicht mehr, was wir einmal konnten, und sind doch noch da. In der Oberlausitz in Südostdeutschland, da wo die Spree herkommt, haben meine Großeltern gelebt. Ihre Kindheit war der Erste Weltkrieg. Sie haben mir Reichsbanknoten mit Aufschriften wie Fünfhunderttausend Mark, Eine Million Mark, Einhundert Millionen Mark vererbt, die gedruckt wurden, gerade als ihr Baby zur Welt kam. An ihrem alten Haus war bis zum Schluss keine Türklingel. Wenn man sehr laut an die Stubentür klopfte, zuckte meine Großmutter zusammen, da mit diesem Geräusch einst die Gestapo eingedrungen war, um ihren Mann zu holen. Sie ist mit Hitlers »Kraft durch Freude« auf einem riesigen Schiff voller Frauen durch die Norwegischen Fjorde gefahren. Ihr siebzehnjähriger Sohn wurde vor der Schule abgefangen und zu den Flakhelfern gebracht. Mein Großvater und sein bester Freund haben das KZ Hohnstein überlebt. All das, was meine Großeltern beim Älterwerden gewonnen, die Strecken, die der Fluss ihres Lebens passiert hatte, füllte ihr altes Haus am Rande von Neugersdorf aus. Es war voller Erfahrungen. Seine beiden Bewohner wussten, wie das Leben geht, wie es außerdem noch sein kann, wie man es erträgt, weiterführt und auskostet. Am Ende aber waren sie nur noch da. Mehr nicht. Sie hatten einen himmelblauen Trabant, der es einmal sogar bis Bulgarien geschafft hat. Sie besaßen den Leiterwagen, der es leichter machte, die Lebensmittel bergan zu ziehen. Ihnen gehörte ein kleiner Schrebergarten, ein Stück Fußweg von ihrem Haus entfernt, wo eine Hollywoodschaukel stand, die sie UfA-Schaukel nannten. Die war nun ihr friedliches Leben, aber sie gehörten ihm nicht mehr wirklich an. Stets hatte mein Großvater zu Beginn des Tages die Stubenuhr aufgezogen, seit da nun die neue Uhr hing, die von selbst lief, blickte er am Morgen zu ihr auf und sagte: »Halb sieben schon? Das ist nicht mehr meine Zeit.« In das Wirtshaus, wo er abends mit den Männern vom »Verein der Verfolgten des Naziregimes« sein Bier trank, kamen nie junge Leute. Daheim schob meine Großmutter mit einem Ächzen den großen Sessel zur Seite, um direkt vor das Fernsehgerät treten zu können, bückte sich so tief wie einst, als die wuchtigen Programmtasten gedrückt werden wollten, und hielt die Fernbedienung, die sie

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»Generalfeldmarschall« nannte, direkt vor den Bildschirm. Auf ihre Bitte hin markierte ich »die einzigen drei Knöpfe, die man zum Leben braucht«: Erstes Programm, Zweites Programm, An/ Aus. Bat ich sie darum, dann erzählte meine Großmutter bereitwillig und mit geschlossenen Augen von ihrem Leben. Wenn eine Geschichte geendet hatte, blickte sie zu mir und sagte: »Na ja, damit kannst du nichts anfangen.« Sie wollte Briefe lesen. Sie wollte sie weglegen, dann noch einmal lesen und noch einmal. Aber ich schrieb nicht, sondern war immer nur noch am Telefon. Das ist noch nicht einmal zwei Jahrzehnte her. Damals waren die Landausflüge der Menschen noch keine Maßnahmen zur Entschleunigung. Damals war es noch nicht angesagt, den Kopf auszuschalten. Man hat sich nicht von der Sonne oder dem Wind bestätigen lassen, dass man da ist, dass es einen, abseits vom Alltag, tatsächlich noch gibt. Von heute aus betrachtet, waren wir damals alle provinziell. Wir haben die hässlichsten Zäune der Welt aufgestellt, mancherorts haben wir es auch sein lassen, aber das fiel uns irgendwie gar nicht auf. Unsere Alten waren bei uns, aber nicht so richtig, eigentlich waren sie bei sich. Denn unsere Welt war eine andere. Aber sie hat die Alten nicht gestört, sie war leise. Heute ist die Welt laut. Es geht immerzu darum, etwas zu verstehen. Es ist schwer, ihr und den Menschen, die dazu in der Lage sind, ausgeliefert zu sein. Ich bin der Sonnenflecken. Vielleicht mündet das Flüsschen in Harmonie. Vielleicht hat alles einen Sinn.

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Winter 2014/2015

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Foto: © Milena Schlösser

Hansjörg Schertenleib Geboren am 4. November 1957 in Zürich. Ausbildung zum Schriftsetzer/Typographen; Besuch der Kunstgewerbeschule Zürich. Seit 1982 freier Schriftsteller. 1984 bis 1989 Vorstandsmitglied im Schweizerischen Schriftstellerverband. Seit 1985 journalistische Tätigkeit für verschiedene Zeitungen und Magazine, u.a. für Stern, Die Welt, Die Zeit, Zeit-Magazin, Magma, Film Bulletin, NZZ, Weltwoche, Tages Anzeiger Magazin, Bücherpick und sie+er. In der Spielzeit 1992/1993 Hausautor am Theater Basel unter Frank Baumbauer. Lesungen in der Schweiz, in Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Norwegen, Finnland, Schweden, Dänemark, Holland, Belgien, Luxemburg, Irland, Schottland, Wales, England, Frankreich, Bulgarien, Ungarn, Tunesien, den USA, in Südafrika, Mexico, Kolumbien, Brasilien und Thailand. Jurymitglied für den Christine-Lavant-Lyrikpreis in Wolfsberg, Österreich, und den Frank O´Connor Prize in Cork, Irland. Gastprofessuren in Amerika (MIT, Boston) und England (Brookes University, Oxford). Von 2008 bis 2010 Dozent und Mentor am Literaturinstitut in Biel. Lebte in Norwegen, Wien, London, Boston und Berlin, seit 1996 in einem ehemaligen Schulhaus aus dem Jahr 1891 im County Donegal in der Republik Irland und seit 2011 zeitweise auch in Suhr im Kanton Aargau (Schweiz). Besitzt seit 2003 die irische Staatsbürgerschaft.

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Feuer, Stiche, Astronauten Noch vor elf Stunden stand er auf der Veranda seines Hauses in Irland, ohne sich von Kälte und Nieselregen stören zu lassen, weil er die wilden Hasen beobachtete, die sich in seinem Garten angesiedelt haben, jetzt sitzt er allein an einem Tisch im Biergarten der Bleiche, der für vier Gäste eingedeckt gewesen ist und versucht, sich mit der ungewohnten Hitze zu arrangieren. Das jüngere Paar, das an einem Zweiertisch links von ihm diniert, hat seit einer halben Stunde kein Wort gewechselt; den Dialog, den sie führten, als er sich hingesetzt und die Stoffserviette im Schoss glatt gestrichen hat, liesse seine Lektorin, schriebe er ihn denn auf, in keinem seiner Texte unkommentiert. Mann: „Rot oder weiss?“ Frau: „Weiss.“ Kein Wort zu viel – und genau deswegen zu beredt. ‚Etwas sehr exemplarisch, um zu zeigen, dass sich das Paar auseinandergelebt hat’, würde sie mit Bleistift an den Rand des Manuskriptes schreiben und ihn bitten, den Dialog entweder zu streichen oder auszubauen. Hat sich das Paar denn, weil es sich nicht unterhält, auseinandergelebt? Überzeugt davon, nicht beobachtet zu werden, lehnt er sich auf dem Stuhl zur Seite und legt die rechte Hand auf den Stamm des Baumes, dessen Blätterdach das Abendlicht filtert. Die vernarbte, stellenweise von tiefen Rissen aufgesprengte Rinde des Baumes fühlt sich an wie die Haut eines uralten Tieres, fällt ihm ein. Er riecht an seinen Fingern und denkt seltsamerweise an Rossseich. Greift Wind in die Äste, blitzen Lichtsicheln über die Tische, das Kies, mit dem der Hof vor dem sogenannten Kahnschuppen ausgelegt ist, und die Gesichter der Gäste und Kellner. Er reagiert hektisch, ja panisch auf die Wespen, die über den Gastgarten herfallen, nervös auf- und absteigen, hektisch Runden fliegen, Achten, Ellipsen, oder wie schwankende, schwere Transporthubschrauber an seinem Tisch auftauchen und nicht einmal mit wedelnden Händen vom Kurs abzubringen sind. Gelegentlich schliessen sich die Wespen zu Kampfgeschwadern aus vier, fünf Insekten zusammen, die im Verbund anfliegen, vor seinem Gesicht in der Luft stehen bleiben und nur in die Höhe steigen, abdrehen und ein anderes Glas, einen anderen Teller anfliegen, wenn er wild mit beiden Händen fuchtelt und laut schimpft. Die Gelassenheit, die Wespen nicht zu beachten, geht ihm ab. Ohne das ausgelegte Abendmenü wüsste er nicht, was genau er gegessen hat: Galantine vom Berghäuser Geflügel mit Aprikosenchutney, Rohkost- und Gemüsesalate vom Buffet, als Hauptgang King Clip in der Eihülle mit Kirschtomatensauce, Blattspinat und Butterreis, als Dessert Ananas mit

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Muscovadozucker und Stracciatellaeis. Nun wartet die Käsekammer, ein angenehm heruntergekühltes Kabuff neben dem Buffet, das Gerüche speichert wie ein Einweckglas. Wann hat er zum letzten Mal vier Gänge zu sich genommen? Das Knirschen der Schritte der Gäste, die hinter ihm über den Kies gehen, stört die Sätze des Textes, den er für eine Anthologie schreiben soll, und die er erneut im Kopf Wort für Wort durchgeht, um sich ihrer zu versichern und sie irgendwo in seinem Körper gespeichert abzulegen: Als junger Mann hat er Stille nicht ertragen, nicht ausgehalten, heute sucht er sie. Sie bietet ihm Zuflucht, ähnlich wie Langeweile und Melancholie. Die Geräusche, die zu der kleinen Parkanlage gehören, in der sie sitzen, stören die Stille nicht, sie sind Teil von ihr und wirken oft genug, als würden sie aus einer anderen, einer fernen Welt zu ihnen herüberwehen. Das Rascheln, das entsteht, wenn der Wind in die Blätter ihrer Zeitungen fährt und das Rauschen der Baumkronen, die in Unordnung geraten, gehören ebenso zur Stille wie das Schwirren der Fahrradspeichen auf der Strasse in ihrem Rücken oder das Räuspern des Mannes, der sich niemals neben ihn, sondern immer an den linken Rand der Bank setzt. Manchmal, er mag sich täuschen, hört er gar sein eigenes Blut rauschen, so still ist es. Sie reden selten, sie lassen sich in Frieden. Er hat die Sätze für die Anthologie während der langen, umständlichen Reise von Donegal in Irland über Dublin und Berlin in den Spreewald erst in seinem Kopf hin und her gewendet und schliesslich wieder und immer wieder memoriert, ohne sie aufzuschreiben. Seit einiger Zeit ist er überzeugt, dass Sätze es nicht wert sind, Teil eines Textes zu werden, wenn es ihm nicht gelingt, sich ohne Notizen und somit auswendig an sie erinnern zu können. Von seinem Tisch geht der Blick über ein aufgebocktes Boot hinweg auf einen Kanal, auf dem manchmal, geräuschlos wie in einem Traum, Paddelboote vorbeigleiten. Das aufgebockte Boot ist lang, geformt wie ein Nachen, und hat die Farbe einer Steinskulptur. Zu seiner Rechten befindet sich ein Glasbau, der ihn an ein Gewölbe erinnert, in dem weitere Hotelgäste beim Abendessen sitzen. Am Himmelsausschnitt über seinem Kopf jagen Schwalben, das flaschengrüne Wasser des Kanales spiegelt Büsche, Bäume. Ein Junge steht unter einem Baum am Ufer des Kanals und drischt mit einem Stecken auf die Blätter eines herunterhängenden Astes ein, um sie zu zerfetzen. Warum steht er nicht auf und greift ein? Weil er keine Lust hat auf eine Auseinandersetzung mit dem

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Mann, wohl der Vater des Jungen, der auf der Treppe sitzt, die zum kleinen Bootshafen des Hotels führt, raucht und das Kind stolz anlächelt. Eine Krähe stösst ihre knarzenden Rufe aus, in irgendeinem der Bäume über ihren Köpfen, höhnisch, anklagend, ein Verbündeter im Geäst? Er lebt seit nunmehr zwanzig Jahren in Irland und hat dort gelernt, Landsleute treffsicher zu erkennen. Um zu wissen, dass das zweite Paar, es sitzt zwei Tische entfernt von ihm, wie er aus der Schweiz stammt, müsste er deshalb gar nicht hören, welche Sprache sie sprechen. Er bräuchte dem Mann also nicht zuzuhören und tut es doch. Wie viele Männer aus seiner alten Heimat sich doch über ihre Zeit im Militär definieren! Das Gesicht des Mannes strahlt, die Episode aus seiner Rekrutenschule, wie viele Jahre mag sie zurückliegen?, macht sein Gesicht frisch, der schön geformte Mund der Frau dagegen wird schmal, wird Strich. Der Mann, er scheint von Satz zu Satz jünger zu werden, erzählt von einer Velofahrt, die seine Kameraden und er in der drittletzten Woche der Ausbildung durchzustehen hatten, hundertachtzig Kilometer auf dem schweren Waffenrad, ohne Licht, ohne Lärm, die dreissig Kilogramm des Sturmgepäcks am Rücken, Rad an Rad über den Julier, ohne den Hintern aus dem Ledersattel zu heben, denn das war streng verboten. Als sie endlich auf der Passhöhe ankommen, befiehlt ihnen der Major, abzusteigen. Der Russe, behauptet er grinsend, hat Nägel gestreut, was die todmüden Rekruten um die herbeigesehnte Talfahrt betrügt, da sie ihre Velos, um den imaginierten Nägel zu entgehen, den langen Weg talab schieben müssen. Der Mann hat sich ins Feuer geredet, das Gesicht der Frau verrät, sie hat die Erinnerung zu oft gehört, um Bewunderung oder wenigstens Interesse zu heucheln. Der Mann räuspert sich, wirft die Stoffserviette auf den Tisch, steht abrupt auf und verschwindet mit steifem Gang in der Fischerstube. Die Welt, sie ist ein Jammertal, denkt er und sieht die Rekruten vor sich, die die Phantasie ihres Majors verfluchen und sich doch danach richten, indem sie verstohlen nach Nägeln Ausschau halten. Die Hitze, die wie eine Glocke über dem Spreewald steht, zwänge meine irischen Nachbaren in die Knie, weiss er, und greift nach der Serviette, um sich den Schweiss von den Unterarmen zu wischen. Dass sich eine Wespe in der Serviette verbirgt, begreift er erst, als er damit über die linke Ellbeuge streicht: es ist mehr als vierzig Jahre her, seit er das letzte Mal von einer Wespe gestochen worden ist; der jähe Schmerz schlägt die Brücke in seine Jugend. Der Stich brennt wie Feuer, wird zündrot, schwillt aber bloss leicht an. Ist er allergisch? Er zerdrückt die Wespe mit der Serviette, beugt den Arm, auf, zu, auf zu, bemüht, ruhig zu atmen und auf keinen Fall in Panik zu geraten. Damals hat

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er jedenfalls nicht allergisch auf den Stich reagiert; er war barfuss über die Wiese hinter dem Elternhaus seiner Mutter im Salzkammergut gegangen, in der, von Vogelschnäbeln malträtiert, von Wespen umschwirrt, Birnen lagen, und mit dem linken Fuss auf eine Wespe getreten. Er hatte über die Wiese gehen wollen, um Helga zu küssen, das erste Mal überhaupt ein Mädchen zu küssen, Helga, das Nachbarmädchen, das im Dämmerlicht des Schopfes auf ihn wartete, in dem sein Onkel nach Schichtende in der Saline Liebes- und Jagdszenen in Knöpfe und Gürtelschnallen aus Hirschgeweihen schnitt. Helga, das Mädchen, das bellend und abgehackt lachte, als amüsiere es sich über etwas, das überhaupt nicht lustig war, Helga, das Mädchen, das seinen gestochenen Fuss massierte, bevor sie ihm beibrachte, wie man küsst, richtig küsst, auch wenn man sich nicht liebt, Helga, die mit 22 Jahren unter den Zug ging, hundert Meter vom Bahnhof in Bad Ischl entfernt, Helga mit den Sommersprossen und den dicken gelben Zöpfen, nach denen er griff wie nach Seilen, weil sie ihm den Halt gaben, den er sonst nirgends fand. Er hat den süssen Moderduft der faulenden, gärenden Birnen in der Nase, den der Wind nachts in sein Schlafzimmerchen unter dem Dach trug, das er mit seiner Schwester teilte, spürt den damaligen Stich in der Fusssohle brennen, während er den Stich in der Armbeuge, den er eben erhalten hat, massiert. Er glaubt, Helgas Lippen zu spüren und beschliesst, auf den Käse zu verzichten und stattdessen ein weiteres Glas von dem Grauen Burgunder zu trinken. Sein Zimmer ist siebzehn Schritt lang, er hat den ockerfarbenen Teppich barfuss abgeschritten, um es auszumessen. Das Badezimmer ist doppelt so gross wie sein Arbeitszimmer im Dachgeschoss seines alten Schulhauses in Irland und verfügt, er traut seinen Augen kaum, über eine eigene geräumige Sauna; er hat die Glastür geöffnet und festgestellt, dass es in der duftenden Holzkabine tatsächlich kühler ist als im Zimmer. Soll er sich später auf einem der Lattenroste schlafen legen, um der Hitze zu entgehen? Wie beglückend es gewesen war, die Wespe mit der Serviette zu zerdrücken, dem Messer zu zerteilen und die Teile ins Kies zu fegen! Sterben Wespen nicht ohnehin, nachdem sie zugestochen haben? Ihm ist weder schwindlig noch übel, er ist nur müde, doch das ist er meist, er hat sich daran gewöhnt. Die Einstichstelle ist rot, aber kaum geschwollen. Er setzt sich an den Schreibtisch, den er an die Fensterfront gerückt hat und legt die Kopie der Fotografie, über die er für die Anthologie schreibt, neben die Lampe. Die Aufnahme in unscharfen Sepiatönen, deren Fotograf unbekannt ist, wurde 1922 in Japan gemacht und

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zeigt drei Männer, die nebeneinander auf einer Parkbank sitzen und Zeitung lesen. Er wüsste nicht zu benennen, woran ihn das Bild erinnert, doch es rührt etwas ihn ihm an, auf das er mit Sprache reagieren kann. Muss er nicht den Wespenstachel entfernen? Er streicht mit dem Zeigefinger über die Einstichstelle, kann den Stachel aber nicht erspüren. Der Blick durch die Fensterfront seines Hotelzimmers geht über einen Rasen, eine mit Holz ausgelegte Terrasse und einen Gemüsegarten, in dem eine weisse Vogelscheuche steht, auf eine von der Sonne versengte Wiese, auf der zwei Pferde weiden. Begrenzt wird der Blick, der ihn an Gemälde von Caspar David Friedrich erinnert und auf eigentümliche Weise versöhnt, von Laubbäumen, deren Kronen sich wiegen. Auch die Wiese im Elternhaus seiner Mutter wurde von einem Wald begrenzt, in dem er mit seinen österreichischen Freunden tagelang untertauchte und sich schmerzlos in den Jungen verwandelte, den er seinen Schulkameraden in der Schweiz gerne präsentiert hätte, der sich aber kurz nach jeder Rückkehr nach Zürich in Luft auflöste, als habe es ihn nie gegeben. Den Laptop klappt er gar nicht erst auf; er liebt es, mit Bleistift zu schreiben: Er hat gelernt, die Zeit verstreichen zu lassen, ohne dem Trugschluss zu erliegen, sie weiterhin sinnvoll nützen zu müssen. Er hat genug getan, hat genug geleistet, vollbracht. Nun darf er sitzen, sinnen und träumen. Die Welt, ist er überzeugt, interessiert ihn nicht länger. Kümmert es ihn vielleicht, weshalb die beiden anderen Männer Tag für Tag hier sitzen? Dient ihnen die Zeitung wie ihm vor allem dazu, zu verbergen, dass er nichts tut, oft noch nicht einmal liest, sondern den Blick in den gedruckten Zeichen verschwimmen lässt, um ungestört durch die Bilder der Vergangenheit streifen zu können? Er kennt die Namen der Männer, er weiss, in welchen Gassen und Häusern sie leben, weiss, was sie früher, als sie jünger waren, für Aufgaben erfüllten und welche Positionen sie inne hatten. Wer sie sind, weiss er natürlich trotzdem nicht, und es stört ihn nicht. Sie sitzen einträchtig nebeneinander, das muss genügen. Vor der Abreise aus Irland hat er sich den Spa-Bereich und die Landtherme der Bleiche im Netz angesehen; bestimmt kühlt das Wasser den Wespenstich. Die Badehose, vor vier Jahren in einem riesigen Einkaufszentrum in Bangkok gekauft, hat er fast nie getragen; er badet nicht gerne. Bevor er in Bademantel und Badeschlappen schlüpft und sich auf den langen Marsch durch die Hotelgänge in die Therme macht, peinlich in dieser Aufmachung, tritt er noch einmal ans Fenster: die zwei Pferde stehen mit gesenkten Köpfen auf der Weide, die Mäuler nah beisammen,

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reglos, ruhig. Ihre Schweife zeichnen unfassbar langsam Halbkreise in die Luft. Schnobern sie? Die Tiere, allein und von allen verlassen, wie ihm unsinnigerweise durch den Kopf geht, erwarten nichts, von niemandem, gar nichts, er weiss, dass das nicht stimmt, doch sie sind, wer sie sind, wunderbar einfach: zwei Pferde auf einer Weide in der Nähe eines Hotels im Spreewald, die ihren Schweif kreisen lassen. Der Anblick stimmt ihn auf beglückende Art traurig, es ist nicht einfach, sich davon loszureissen. Dämmerung kriecht über die Weide, Rasen, Terrasse und Garten liegen bereits in der Finsternis, bald wird sie die Tiere erreichen, gleich. Heben sie deswegen die Köpfe und wiehern? Tintenblau der Himmel, leer. Hat sich die Vogelscheuche abgedreht, sieht sie nicht in seine Richtung? Ihn fröstelt, trotz der Hitze. Macht er jetzt das Licht an, zerstört er etwas, das heil bleiben muss. Gegen das Wiehern, das aus seiner Brust bricht, kann er sich nicht wehren; es ist Jahrzehnte her, seit er als eingebildetes Pferd über eine Wiese rannte und wieherte, neben sich seine galoppierende kleine Schwester. Die einzelnen Stämme lösen sich auf, der Wald verwischt, versinkt, es ist, als falle Baum um Baum nach hinten, stürze unwiderruflich in einen tiefen schwarzen Raum, in dem Dämonen lauern, die nur in Menschenhirnen existieren, wie er vermutet. Er lässt sich ohne Zögern ins warme, blau ausgeleuchtete Wasser gleiten. Die Therme mit Liegesesseln, Galerie und offenem Kamin, in dem ein Feuer brennt, erinnert ihn an ein Theater, aber auch an eine Remise, einen ehemaligen Stall. Im Garten vor der Glasfront des Gebäudes liegen Leuchtkugeln, blau, rot und grün, die ihm das tröstliche Gefühl geben, nicht allein zu sein, auch wenn das Bassin, abgesehen von ihm, menschenleer ist. Der Duft der brennenden Holzscheite trägt ihn zurück, schon wieder, zurück in den österreichischen Wald seiner Kindheit, da kauert er, barfuss, in kurzen Hosen und mit nacktem Oberkörper, ganz bei sich, braungebrannt am Ende eines langen und doch zu kurzen heissen Sommers, die anderen Jungen lassen ihn kommentarlos machen, er bringt jedes Feuer in Gang, damit hat er ihren Respekt gewonnen. Sie werden ihre Erdäpfel und Maiskolben rösten können, der Schweizer macht das Feuer! Er lässt sich mit ausgebreiteten Armen und gespreizten Beinen auf den Rücken sinken, das warme Wasser trägt ihn, die Badehose bläht sich, und schon ziehen ihm die Sätze des Textes, an dem er sitzt, durch den Kopf, als junger Mann hat er Stille nicht ertragen, nicht ausgehalten, heute sucht er sie. Sie bietet ihm Zuflucht, ähnlich wie Langeweile und Melancholie, während er erstaunt feststellt,

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dass er sich in den vier Fenstern spiegelt, die in die aus weissgestrichenen Brettern gefügte Dachschräge der Therme eingelassen sind. Bestimmt liegt die Weide nun vollständig in der Dunkelheit; haben sich die Pferde in ihren Stall geflüchtet? Stehen sie furchtlos in der Nacht? Er schliesst die Augen, sieht aber bloss die Vogelscheuche vor sich, sie winkt, also hebt er erneut den Blick, sein Spiegelbild in den Dachfenstern zu finden, und begreift, er ist ein Astronaut, der in grüner Badehose rücklings durch ein blaues Nichts fällt und fällt und fällt, aber nein, er fliegt, die Luft trägt ihn, als sei sie Wasser, er schwebt, ein Mann allein, nicht wirklich alt und doch nicht länger jung, gestochen von einer Wespe, satt, auf dem Rücken eines Pferdes, das durch die Dunkelheit jagt, wohin, er weiss es nicht, zurück, voran.

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FrĂźhjahr 2015

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Foto: © Dagmar Jerichow

Susanne Stephan 1963 in Aachen geboren, aufgewachsen in Haßmersheim am Neckar. Studium der Germanistik, Geschichte und Romanistik in Tübingen, Konstanz, Hamburg und Paris. Verlagslektorin und Übersetzerin. Heute lebt sie als freie Autorin mit ihrer Familie in Stuttgart. Veröffentlichung von Lyrik, Prosa und Essays in Anthologien (dtv-Hanser), in Literaturzeitschriften (u. a. Akzente) sowie in Tageszeitungen (u. a. Frankfurter Allgemeine Zeitung). Auszeichnungen: Thaddäus-Troll-Preis des Förderkreises dt. Schriftsteller in Baden-Württemberg 2007, Kleiner Hertha Koenig-Preis 2008, Stipendien für das Deutsche Studienzentrum in Venedig und die Casa Baldi in Rom

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Am FlieSS der Zeit 1. Die SPREE der WALD das FLIESS

Die Spree und der Wald zeugen das Fließ. Nein, umgekehrt: Das Fließ – dieses labyrinthische Netz aus Gräben, Seitenarmen, Totarmen – gibt der Spree und dem Wald vor, wo es langgeht: wo das Wasser fließen, das Grün wachsen kann. Der Fluss wird zum Fließ, zum ES, dessen Topographie vor langer, langer Zeit, in vor-historischer Epoche, geprägt wurde: Es waren einmal DIE EISZEIT DER

URSTROM DAS SCHWEMMLAND.

Und wir steigen heute so gern in einen Kahn und lassen uns treiben: sind DIE FAHRT DER KAHN DAS

KIND. Regredieren wie Jean-Jacques Rousseau, Ahnherr der modernen Natur-Sehnsucht,

der, wie in der berühmten „Fünften Promenade“ in den Träumereien eines einsamen Spaziergängers beschrieben, sein Refugium auf einer Insel im Bieler See dazu nutzt, systematisch und geradezu manisch alle Pflanzen zu bestimmen, aber immer wieder mit dem Boot hinausrudert: sich darin bettet wie auf Freuds Couch und „verworrenen, doch süßen Träumereien“ nachhängt. Alles fließt (Heraklit), alles ist FLIESS. Die Atome sind Teilchen oder Wellen oder ein Feld: DIE ENERGIE DER

mich:

DIE

IMPULS DAS FELD. Was trägt mich, was treibt mich an, was spricht durch

SPRACHE

DER

SATZ

DAS

WORT. Und blickt man manche Wörter genauer an,

vor allem aus älteren Sprachschichten, wie Sigmund Freud in dem kleinen Aufsatz „Über den Gegensinn der Urworte“ erläutert, so schwindet das Eindeutige, entdeckt man einen bipolaren Sinn. „Altus“ bedeutet im Lateinischen sowohl hoch wie tief, „sacer“ heilig und verflucht. Das englische „without“ ist ein „mit ohne“, und der deutsche „Boden“ kann sich oben wie unten im Haus befinden. Verhältnisse wie im Traum, der nach Freud kein Verbot und kein Nein kennt, nur die Allmacht des Wunsches. Oder wie bei den Lutkis aus dem Spreewälder Sagenreich, einem Zwergenvolk, das vor dem Klang der christlichen Glocken in den Untergrund geflohen ist. Die Lutkis sagen Ja, wenn sie Nein meinen, sie möchten sich bei den Menschen einen Nichtbacktrog und eine Nichtbackschaufel ausleihen und bekommen immer, was sie wollen.

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Der Legende nach ist der Spreewald entstanden, als der Teufel mit seinen Ochsen ein Bett für die Spree pflügen sollte und in der Mittagshitze die Peitsche knallen ließ: Die Ochsen gingen durch und schufen mit dem Pflug ein Zickzack aus unzähligen Rinnen. Zwischen den beiden Aufenthalten im Spreewald, an Ostern, war ich mit meiner Familie in Kanada, wo unser Sohn einige Monate zur Schule ging; auf der Fahrt zu den Niagara-Fällen kamen wir durch das Gebiet der „Thousand Islands“, eine Seenlandschaft mit zahllosen kleinen Inseln im Grenzgebiet von Kanada und den USA, mit – man glaubt es kaum bei der amerikanischen Grenzkontrollwut – einigen nicht kontrollierten, kontrollierbaren Niemandsland-Flecken. Die Indianer nannten die Region „Garden of the Great Spirit“. Doch als in diesem friedlichen Garten, so die indianische Legende, Streit und Krieg um sich griffen, hat Gott das Land in eine große Decke gewickelt. Auf dem Weg zum Himmel ist sie zerrissen, und alles fiel in tausend Bruchstücken in den See. Zersplittert der „große Geist“, fragmentiert die Weisheit, oder gerade in den Fragmenten, in der Vielfalt der eine große Garten. -DAS

FLIESS FJELL FELL: Das FJELL ist in Norwegen alles, was über der Baumgrenze liegt und

nicht wirtschaftlich genutzt werden kann, es ist das FELL des Nordens: niedrige Sträucher, Flechten und Moos. Man muss bei einer Fjelltour nicht klettern, keine steilen Hänge überwinden – man wandert nahezu mühelos, auf einer schier endlosen Ebene, und bewegt sich immer tiefer über das FLIESS der Erinnerung in das eigene Gedanken-Schwemmland hinein. Und verliert bei Nebel leicht die Wegmarkierung aus dem Blick. Der Pionier der „Fjelltur“, Christen Smith, fand seinen Tod jedoch woanders: im „Herz der Finsternis“, im Kongo. -Ich als Nicht-Berlinerin, als Süddeutsche, höre in „Spreewald“ weniger den Fluss Spree als einen Anklang an „Spreu“, an „Streu“, also Verstreutes, das im Wort „Wald“ wieder gebündelt wird.

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Von „Streu“ bin ich gleich bei „Streuobstwiese“, einem Mini-Biosphärenreservat für unzählige Kleinlebewesen – dem, wie ich einmal gelesen habe, „Korallenriff Mitteleuropas“. Die klassische Streuobstwiese gedeiht unter Hochstämmen, die vielerorts nicht mehr gepflanzt werden, da die Ernte schwieriger ist, auf die es aber wiederum nicht so sehr ankommt: eher auf das Fallobst, die Spreu, das Nicht-Verwertete, doch Fortwirkende. -Das Dorf Burg, zu dem das Hotel Die Bleiche gehört, ist eine Streusiedlung, mit den weit verteilten Höfen sogar das größte Flächendorf Deutschlands. Volkskundler haben hunderte Volkslieder und -varianten dokumentiert. Zwischen Haus und Haus liegen mindestens EIN

EINE

WIESE

SUMPF EIN FLIESS. Nur langsam schritt im 20. Jahrhundert die Elektrifizierung voran. In

die Vielfalt der Lieder und Sagen oder in die Geschichte der sorbischen Sprache konnte ich nicht tiefer eindringen, aber mir bleibt ein Eindruck: die Fülle an Samentütchen in der örtlichen Drogerie. Darunter die verschiedensten Nelkenarten, während ich in Stuttgart allenfalls Bartnelken finde – zwischen einer Sorte Sonnenblumen und einer Sorte Sonnenbraut – und kaum die duftenden Federnelken, die mein Vater, aus Thüringen stammend, immer ausgesät hat, und dem ich dies jetzt nachtun kann, mit den Tütchen aus dem Spreewald. -In Berlin, wo die Spree wieder gesammelt und breit dahinfließt (wieder SIE, die Spree ist, ER, der Fluss: „Wo Es war, soll Ich werden!“ postuliert Freud), in der neuen Bikini-Concept-Mall, die ich mir, aus der schwäbischen Provinz kommend, natürlich ansehen muss, hat sich unter all den hippen Läden der „Echtwald-Shop“ angesiedelt. (Sobald ein Deutscher einen Wald betritt, fühlt sich alles echt und gut an.) Das Angebot umfasst Produkte aus Holz, dem kernigen, außerdem Obstbrände, „Tannenspitzen-Pickles“ oder „Löwenzahn-Chutneys“. Der Erlös soll der Renaturierung von „Industriewäldern“ im Schwarzwald dienen. Denn der Schwarzwald ist wie der heutige Spreewald eine künstliche, das heißt menschengemachte, Anpflanzung. Unser „Zurück zur Natur“ ist – oder war es schon immer – ein bewusster Schritt von einer entwickelten, alles durchdringenden Zivilisation aus. Nachdem Rousseau zur genauen Erfassung aller Pflanzen die kleine St. Petersinsel kartiert hat, flieht er auf den See hinaus, um – wie man heute sagen würde – zu sich selbst zu finden. Die Verwalterin der Insel hingegen muss er zu einer Bootstour geradezu zwingen, denn sie ist wasserscheu und würde sich nie nur zum Vergnügen in einen

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Kahn setzen – so wenig wie vor zwei, drei Generationen die Küstenbewohner der Nordsee die Reize eines „Wattspaziergangs“ empfanden. Und wir können uns die schöne Neu-Natur leisten, da unsere Lebensmittel, unsere Brennmaterialien (Holz, Braunkohle) und was wir sonst benötigen, woanders herkommen. Früher wurden die Spreeauen gerodet, um das Land zu bewirtschaften; die Folge waren große Überschwemmungen des inneren Spreewaldes. Jetzt sind die Auen „renaturiert“, eine Maßnahme von Vattenfall als Ausgleich für die großen Braunkohle-Brachen der Umgebung, in denen ganze Dörfer verschwanden. Und der Spreewald kann bilderbuch-mäßig weiter verwildern, während die große Naturzerstörung woanders – oder in der Atmosphäre – stattfindet. Daher, mit diesem modernen „Zurück zur Natur“, dem Zwiespalt zwischen „local“ und „global“, ist man im Spreewald am „Fließ der Zeit“, und im Hotel Die Bleiche (DIE BLEICHE DER FDGB DAS

HOTEL), der großen Verteidigung des Lokalen vor globalem Horizont, dicht am Diskurs

der Gegenwart: in der Küche mit dem Nebeneinander von Roter Beete und Quinoa, in der Buchhandlung mit den literarischen Neuerscheinungen und den Sachbuchtrends, der erhaschten Lektüre der SPA-Gäste und – was soll man machen, wenn es immer lauter und fröhlicher wird – den Gesprächen im Restaurant. So wurden einmal am Tisch neben mir die Urlaubspläne für den Sommer diskutiert: an die Ostsee oder mit dem Wohnmobil durch Kanada? Als ich beim Dessert angelangt war, sah es nach Jakobsweg für die Damen und Alpen-Überquerung auf dem E-Bike für die Herren aus, womit diese weitaus näher am Puls der Zeit waren.

2. DIE CHAUSSEE DER RING DAS GEHEN BURG Bei meinem ersten Ausflug zu Fuß verlaufe ich mich schon. Vom Dorf zurück zum Hotel folge ich nicht, wie beim Hinweg, der Autostraße, sondern suche eine Abkürzung über die Jugendherberge, zu der auch ein Schild beim Hotel weist. Es müsste doch ganz einfach sein, und die Schwäbin in mir, die ich von der Herkunft gar nicht bin, sagt: Quer rüber ist doch viel geschickter!

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Und schon bin ich eine Gefangene der Ringchaussee. Oder des Wendenkönigs, denn die ihm geweihte Straße quere ich auch öfters, ohne eine Ahnung zu haben, ob ich mich eher links oder rechts halten soll. Es sieht alles so gleich und ähnlich aus, immer ist da ein Graben und könnte gleich eine Brücke kommen oder auch nicht. Erlkönigfließ, Schlangengraben – ist das etwa vertrauenerweckend? Sicher nicht, wenn man an so manchen Spreewaldkrimi denkt. Und da stehe ich schon wieder auf der Ringchaussee, sie scheint überall zu sein! Leider immer mit zwei Optionen: rechts oder links? Lechts oder rinks (Jandl)? „Chaussee“ bedeutet eine künstliche, das heißt von Ingenieuren angelegte Straße, die den Verkehr und die Orientierung erleichtern soll. Die aber hier nicht anzukommen scheint gegen das vorhandene Netz an Wegen und Fließen, gegen die untergründig wirksamen Kräfte des Geländes. (Auch mit dem Fahrrad werde ich mich verirren, sogar auf einer einstündigen Kanutour, bei der man mir noch eine wasserfeste Landkarte ins Boot legt, übersehe ich die richtige Abzweigung und absolviere die Tour im Gegensinn, was aber gar nichts machte. Es war eine Anfängerstrecke ohne Schleusen.) Am besten ganz locker werden, einfach weitergehen und sehen, wohin man gelangt. Ganz leer werden, wie John Cage es einem Künstler empfiehlt, und dann würfeln… In seinem Essay „Empty Mind“ rät Cage beispielsweise: „Keine Vorstellungen von Ordnung“ – „Gegensätze = Teil der Ein-heit“ – „Wenn Struktur, rhythmische Struktur“. Vielleicht folgen die beiden Joggerinnen, die auf mich zukommen, einer solchen rhythmischen Struktur: Sie kennen sich nicht aus, scheinen aber sicher zu sein, dass sie wieder zu ihrem Startpunkt zurückfinden. Sie verweisen mich an die von ihnen gerade passierte „Trachtenstube“. Dort platze ich in eine lebhafte Damenrunde, Rotkäppchen-Sekt auf dem Tisch: Und ich sei also die Journalistin? – „Nicht so ganz.“ – „Radio Brandenburg?“ – „Sicher nicht.“ Sonst gehen sie hier montags radfahren, aber heute hat sich eine Journalistin angemeldet, Thema Tracht! Kaum ist sie eingetroffen (sicher mit Navi an Bord), bekomme auch ich das Mikro hingehalten: Sollen meiner Meinung nach die Menschen hier mehr Tracht tragen? Ich antworte, was wohl alle Touristen antworten: Ja, wenn es ihnen gefällt und es nicht nur zu touristischen Zwecken

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ist! (Später werde ich lesen, dass die Hauben im Spreewald ursprünglich gar nicht so hoch und ausladend waren, sondern erst mit dem Tourismus in wilhelminischer Zeit immer prächtiger wurden, als die Berliner anreisten, um die Spreewälder bei ihrem Gang zur Kirche zu bestaunen.) Bei einem Blick in die Vitrinen lerne ich, dass die blaue Tracht die des Alltags ist (mir gefällt sie fast besser als die Festtagskleidung), dass die Ostereier kleine Wolfszähne tragen, dass man zu Ostern Schwarz anlegt und zum Begräbnis eine Krone erhält. Der kurze Besuch in der Trachtenstube – einem zentralen Ort der Dorf-Kommunikation, wie ich später erfahre – verhilft mir bereits zu einigen Kenntnissen, dank derer ich beim nächsten Spreewaldkrimi den einen oder anderen fachlichen Kommentar einwerfen kann.

3. DIE GÖTTIN DER BAGGER DAS RESERVAT Werben - Briesen - Dissen An einem Sonntag radle ich e-unterstützt zwar auf der Ringchaussee, aber gelben, von übergeordneter staatlicher Macht aufgestellten Landstraßenschildern nach, hinaus aus der Riesenkrake Burg, erlaube mir nur einen kleinen Abstecher gleich hinterm Ortsende in den Wald, zum Friedhof der Vertriebenen, die (zumeist katholisch) nicht auf dem Gottesacker des Dorfes begraben werden durften. Radle dann aber geradewegs weiter zum Nachbarort Werben, wo laut Reiseführer eine „Gemüsekirche“ wartet, zu der auch ein großes Schild „Radlerkirche“ weist. Auf ganzer Fläche ist hier die Kirchendecke mit Blumen- und Gemüsemalerei überzogen – ein Himmel aus sehr irdischen Gewächsen wie Gurken, Zwiebeln, Möhren, Äpfeln. Aber als ich für bessere Fotos auf die Empore steige, entdecke ich noch einen ganz anderen Schatz: Sitzkissen, selbstgenäht, für die sonst allzu harten und kalten Stühle des Kirchenchors, fröhliche Blumendrucke aus den Siebzigerjahren, abstrakte Muster in Orange, Braun, Hellblau – Reste von Küchengardinen oder Kittelschürzen, die ein Café in Prenzlauer Berg oder in Friedrichshain sofort nehmen würde, einen ganzen Raum würde es damit ausstatten, Obstkuchen reichen aus biologisch-dynamischen Anbau und Torten, mit denen einst unsere Mütter wetteiferten. Aber die Kissen sollen nicht die Spree hinabschwimmen! Sie sollen mit ihren poppigen Polsterblumen weiter den wackeren Chor wärmen, ihm unterm grünenden Himmel den Swing geben.

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Weiter gen Cottbus so weit das E-Bike trägt, zur nächsten Kirche, in Briesen. Eine Missionskirche, wie mir der sonntags auf Besucher wartende freiwillige Mitarbeiter erklärt, deren Bildprogramm den Heiden den Weg zum Heil, vom Dunkel zum Licht, anschaulich vor Augen führen sollte. Im Westen, im Rücken des Kirchenbesuchers, die alten Götter, denen man abschwören muss, vor sich die christlichen Heiligen und der Altar, auf den das Sonnenlicht trifft. Mich faszinieren vor allem die fratzenhaften, stark verblassten Figuren am Eingang – aber was sind das für Gottheiten, etwa eine vielarmige Shiva? „Ja natürlich, was glauben Sie denn, woher die Germanen kommen?“ meint der Führer. „Aus Indien, wie die Gurke!“ (Karl der Große, erfahre ich später in Lehde, trug im Zuge der Christianisierung zur Verbreitung der Gurke bei, diesem ursprünglich exotischen, von den Hunnen oder Tartaren eingeführten Gemüse. Die indischen Götter mussten weichen, die Gurke blieb. Der christliche Gott wurde entthront, die Gurke blieb. Der Sozialismus kam und ging, die Spreewald-Gurke kriselte und füllt jetzt wieder die Regale in kapitalistischer Vielfalt.) Wer sich also in einem der schönen Bildbände im Ruheraum des Bleiche-SPA über einen fernöstlichen Tempel beugt, dem sei gesagt: Indien ist ganz nah! Es ist in dir oder eine Viertelstunde mit dem Auto entfernt. Du musst dich nach Betreten der Briesener Kirche nur umdrehen… In Dissen die dritte Kirche an diesem Sonntag – mit Blumen bemalte Deckenbalken, ein von den Nazis übersehener Davidstern in einem Buntglasfenster – und von dort über die Spreeauen, den neuen Deich, zurück nach Burg. Laut Karte müsste hier ein Auerochsen-Reservat sein, aber im weiten sumpfigen Gelände, das ich bei allmählich sinkendem Akku-Stand quere, ist nichts zu erkennen. In der Ferne, am Rand einer Wiese: etwa ein Auerochse? Nein, ein gelber Bagger. Der hier aber ebenso gut hinpasst wie die neuangesiedelten Ur-Ochsen, Wasserbüffel und robusten Ponys. (Wölfe streunen schon länger in der Gegend herum, sie warten nicht aufs neu gestylte naturnahe Ambiente.)

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Was der Tagebau zerstört hat, wird nach neuesten ökologischen Gesichtspunkten wiedererschaffen, wie in der Lausitz, wo laut Werbung das größte künstliche Seengebiet Europas entsteht. Einigen Uferabschnitten des Nordumfluters sieht man die gewollte Natürlichkeit des Landschaftsgärtners noch sehr an. In fünfzig Jahren wird man deren Urtümlichkeit preisen: DIE AUE DER OCHSE DAS

NEULAND.

4. DIE STADT DER KAHN DAS KRAFTWERK Lübbenau In Lübbenau treffe ich endlich auf ein Heimatmuseum, das nicht nur Trachten, nicht nur Fotos mit Ausflügler-Gruppen um 1900 zeigt, sondern auch die Jahrzehnte der DDR dokumentiert. Im Eingangsbereich laufen drei Projektionen parallel: historische Filmszenen, die ich schon zigmal gesehen habe (mit der Dampflok angereiste Hauptstädter, die unter großem Hallo in schwankende Kähne steigen), dann Sequenzen von Tänzen, Hochzeiten und Beerdigungen (die Tradition, die Konstanten) und – endlich! – Ausschnitte aus DDR-Fernsehsendungen: der Besuch des Staatsratsvorsitzenden in den sechziger Jahren, die Einweihung des Kraftwerks, zu seiner Zeit das größte BraunkohleWärmekraftwerk der Welt, Einblicke in die neue sozialistische Mustersiedlung der Neustadt. Im ersten Stock sind Objekte zur Kraftwerksgeschichte wie zum DDR-Alltag, darunter eine komplette Drogerie mit Originalprodukten, ausgestellt. Außer mir bewegt sich nur eine Gruppe aus dem örtlichen Alten- und Pflegeheim mit Rollatoren durch die Räume; vor einer Vitrine mit Sandmännchen-Puppe und Miniatur-Volksarmee-Jeep jammert eine Frau abwechselnd: „Ich hatte drei Kinder“ und „Ach, ich hab‘ gar keine Kinder mehr… !“ Als ich beim Hinausgehen an der Kasse bemerke, dass mir die Einbeziehung der Zeit vor 1989 besonders gefallen habe, erfahre ich, dass viele Besucher so reagierten. (In Burg ist man in der „Heimatstube“, die ein beeindruckendes Archiv an historischen Fotografien hütet, sehr erstaunt, als ich nach Aufnahmen aus der DDR-Zeit frage: „Ach, da war doch nichts los hier…“. Man lädt zu Diavorträgen über „Burg annodazumal“, das heißt, die Epoche vor dem Zweiten Weltkrieg, aber ich prophezeie: Bald werden die Kurgäste nach DDR-Abenden fragen!)

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Die Touristinformation in Lübbenau bietet Folder zu verschiedenen Stadtvierteln an, Vorschläge für Rad- und Kahntouren, aber nichts zum Kraftwerk – es steht ja auch nicht mehr. Dennoch: Für einige Jahrzehnte war es der Mittelpunkt des Ortes, der gesamten Region: „Es hat“, wie eine Taxifahrerin in nostalgischem Ton bemerkt, „uns allen Arbeit gegeben.“ Und es interessiert mich, da ich im Schatten eines anderen Kraftwerks, eines Atomkraftwerks, aufgewachsen bin, mein Vater dort gar als Physiker beschäftigt war. In der Lübbenauer Neustadt, wo über dem Wegweiser zur Agentur für Arbeit ein Schild für das „Sauna- und Badeparadies“ wirbt, auf das Jobcenter ein Pflegeheim folgt, wo es noch eine „Straße der Jugend“ und eine „Straße des Friedens“, eine August-Bebel- und Karl-Liebknecht-Straße gibt und eine Schiller- an eine Bertolt-Brecht-Straße grenzt – hier treffe ich auf einen „Energieweg“ (im nicht-spirituellen Sinn), der über Stationen verteilt die Geschichte des Kraftwerks und der Arbeiterstadt erzählt. Ein junges Paar, das ich nach dem Standort des ehemaligen Kraftwerks frage, kann mir die ungefähre Richtung nennen, auch den Weg zum Erlebnisbad, würde aber an meiner Stelle gleich dorthin abbiegen. Wieder fühle ich mich als Westlerin ertappt, die das Abgewrackte, das ehemals Real-Sozialistische, das „Authentische“ sucht. Ich radle ein Stück und frage dann in einer Kneipe, wo einige offensichtliche Ex-Kraftwerkler an der Theke stehen. „Gibt’s nicht mehr das Kraftwerk!“ ruft einer. „Ist heute alles Kaufland!“ War einmal: Bis auf einige Verwaltungsgebäude wurde das Kraftwerk vor fünfzehn Jahren gesprengt; an das eingezäunte, sicher kontaminierte Grundstück grenzt heute die Kaufland-Auslieferung. Zur „Kaufland-Logistik“ weist ein Schild an der „Neckarsulmer Straße“, was mich heimatlich angreift: Ich bin in der Nähe von Neckarsulm aufgewachsen; für uns bedeutete der erste Kaufland eine Verödung der nahen Innenstädte. Logistik aus dem Westen also zur flächendeckenden Verkauflandisierung des Ostens! Das Kraftwerk ist jetzt Kaufland, der Haupterwerbszweig von Lübbenau der Fahrrad- und KahnTourismus und die frühere Schwimmhalle, die von der Abwärme des Kraftwerks geheizt wurde, ein „Spreewelten-Spaßbad“, das offensichtlich mehrmals den Betreiber gewechselt hat, immer wieder umgestaltet wurde und jetzt die besondere Attraktion aufbietet, dass man hier „mit

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Pinguinen schwimmt“. Im Außenbecken können die Badegäste, getrennt durch eine Glasscheibe, mit Zwergpinguinen auf Tauchgang gehen. Allerdings sind die Vögel bei meinem Besuch gerade nicht einsehbar mit Brüten beschäftigt und lassen sich kaum im Freien blicken. Nur zwei Pinguine kommen aus den künstlichen Felshöhlen hervor und säubern ausgiebig ihr Gefieder. Mit mir warten an diesem Abend zwei Mädchen darauf, dass wenigstens einer mal ins Wasser springt, dass hier endlich etwas passiert! „Vielleicht“, meint die eine, „vielleicht klappt es ja mit der Bundeswehr und ich gehe nach Leipzig. Warst du schon mal in Leipzig?“ – „Nö.“ Zum Erlebnisbad gehört ein großes Saunadorf, das vor kurzem noch einmal erweitert, modernisiert wurde – es riecht nach frischem Holz – mit noch mehr Hütten im Spreewälder Stil, noch mehr „Erlebnis“: unterschiedlichen Temperaturen, Aufgüssen, Farbspielen, mit Hintergrundmusik oder Märchenerzählstimme. An diesem Tag verlieren sich die Saunagäste auf dem Gelände – wie saunaverrückt sind die Lübbenauer oder ihre Touristen, dass es hier einmal richtig voll wird? Ist das die neue Freiheit, die neue Vielfalt, ein Hüpfen von Hütte zu Hütte, bei der ich – von Namen und „Themen“ leicht zu verführen – kaum zur Ruhe komme. (Dabei innerlich die „Bleiche“ lobe, die mich mit einem Erlebniszwang verschont.) Und natürlich wieder mit der Ostalgie des Westlers frage: Wer hätte das vor 25 Jahren gedacht?

5. DIE BIRKE DER HOCHWALD DAS GETIER Lehde Zur Wotschofska bin ich von Lübbenau aus gewandert, begeistert von den Birken, wie gerne würde ich mit einem Birkengedicht nach Hause fahren, mit einem Baumgedicht, das so schwer zu machen ist! Für den Rückweg steige ich in einen Kahn, zur Fahrt durch den berühmten Hochwald – was nach „Hochamt“ des Waldes klingt, der aber auch hier nicht urwüchsig, sondern gepflanzt ist und als geschütztes Reservat sich selbst überlassen wurde. Ich erfahre, dass die Schlangen früher eine zuverlässige Hochwasserwarnung waren und daher die alten Häuser mit gekreuzten Schlangenköpfen als Glücksbringer geschmückt sind (auch beim großen Tsunami in Südostasien 2004 waren es zuerst die Tiere, die sich auf höheres Gelände flüchteten). Ich lerne,

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dass der Mink dazu gut war, die Bisamratte zu vertreiben. Dass der saure Regen gegen einen Pilz bei den Erlen geholfen hat. Dass die rötliche Färbung in manchen Kanälen eine kaum zu beherrschende Tagebau-Ausschwemmung ist, welche die Artenvielfalt bedroht. Dass die Erlen gar nicht „typisch“ sind und auch nicht Venedig auf Spreewald-Erlen steht, das hört der Kahnfahrer zur Zeit jeden Tag und fragt sich, in welchen Ecken des Internets das nun wieder herumschwimme. Aber die Fahrt ist ja doch „traumhaft“, mit der leisen Bewegung des Wassers, den Vogelstimmen, dem Ausblick auf malerisch verwilderte Seitenarme, wo gewiss selten gewordene Tiere leben, die hoffentlich nicht von Ab-in-die-Wildnis-Kanuten aufgestört werden. Auf Lehde zu wird es auch im Kahn wieder lauter, mit nahezu loriothaften Gesprächen: „Also die Wotschofska, ich weiß nicht – die Kartoffeln haben woanders schon besser geschmeckt“ – „Es standen aber auch Knödel auf der Karte!“ – „Guck mal Ernst, die Ente, hast du die Ente fotografiert, wer weiß, ob noch mal so eine Ente kommt…“ – „Köpfchen unters Wasser…“ O nein, bitte nicht, jetzt bitte nicht dieses LIED, an das ich doch selbst gedacht habe, das in mir zu summen anfängt, und wenn wir alle einmal im Altersheim nicht mehr wissen, wer wir sind, wie wir heißen, sind wir bei diesem Lied dabei, das in unseren Kindheitsfließen daherkommt: DIE PERSON DER

NAME DAS LIED.

6. DIE ERZÄHLUNG DER ROMAN DAS GEDICHT Ich bin schon wieder überstimmt. Die anderen Gäste, die sich zur „Quelvenerzählung“ im japanischen Ruheraum einfinden, votieren für die „Traumreise“, nicht für die Sagen aus dem Spreewald, von denen ich gerne eine hören würde. Am allerliebsten jedoch würde ich noch mehr aus dem Leben der „Quelve“, die heute im Dienst ist, erfahren: des SPA-Mitarbeiters, der zu DDR-Zeiten als Hochseefischer unterwegs war, dreimal nach New York kam! Nach der Wende arbeitete er in Österreich, ließ sich zum Sauna- und Bademeister ausbilden und ist jetzt wieder mit Familie zufrieden zurück in der Heimat.

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Also die „Traumreise“ bei geschlossenen Augen, entspanntem Daliegen, angeleitet durch die beruhigende Stimme unseres Traum- und Entspannungsguides. Wären da nicht meine ständigen nervös aufzuckenden Assoziationen. „Ich stelle mir vor, ich bin auf einer einsamen Insel…“ Sofort denke ich an Robinson Crusoe und an Tom Hanks in Cast Away – Verschollen, an die erschütternde Szene, als Wilson, der Volleyball mit dem aufgemalten Gesicht, sein Gefährte in der jahrelangen Einsamkeit, Gefährte wie Robinsons Freitag, als sein Wilson auf den Wellen davontreibt. „Ich bin allein auf einem weißen Strand…“ Schon fällt mir ein, wie sehr ich mich im letzten Sommer, als ich drei Monate in einem Bergdorf bei Rom verbracht habe, nach dem Meer gesehnt hatte und als ich endlich dort war, bei Sperlonga, der Sand zu heiß war, um ihn zu betreten, und es nur gegen Geld überhaupt möglich war, an einen schönen Strandabschnitt zu gelangen – aber bei der Traumreise, natürlich, sind wir allein, auf unserer eigenen Trauminsel. „Vor mir das wunderschöne blaue Meer…“ im Wasser vielleicht Haie, wie es an Australiens Traumstränden vorkommen soll? Der Nachbar meiner Eltern hat einen längeren Australien-Urlaub einmal folgendermaßen resümiert: „Und überall diese Insekten!“ Mein Sohn fällt mir ein, der als Fünfjähriger den großen Tsunami im Fernsehen gesehen hatte und dem ich versprechen musste, dass wir nie und nimmer in ein sogenanntes „Urlaubsparadies“ fahren. Unser Quelve hat es gut gemacht, erzählt uns noch von seinen persönlichen EntspannungsRitualen – aber ich habe nicht funktioniert. In dem Roman, den ich gerade lese, Kafka am Strand von Haruki Murakami, erklärt der rätselhafte Bibliothekar Oshima dem Jungen Kafka Tamura den Unterschied zwischen einem statischen Glücksmoment und einer Geschichte, nicht ohne auf den bekannten ersten Satz in Tolstois Anna Karenina zu rekurrieren, dass alle glücklichen Familien einander ähnelten, nur die unglücklichen auf ihre je eigene Art unglücklich seien: „Eine Geschichte entsteht erst durch einen großen Wendepunkt. Durch eine unerwartete Entwicklung. Das Glück hat nur ein Gesicht, aber das Unglück hat für jeden Menschen ein anderes. Wie Tolstoi gezeigt hat. Das Glück ist eine Allegorie, das Unglück eine Geschichte.“ Glück ist, sich im warmen Pool treiben zu lassen und den Opernstimmen unter Wasser zu lauschen – aber von welchen Dramen werden sie angetrieben? Klingt eine Arie nicht umso schöner, je verzweifelter die Rollenfigur ist? Oder die große Verzweiflung gerade „glücklich“ hinter

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sich hat? Und ist nicht bei den Filmen, zu denen wir uns im Kinoraum in warme Decken kuscheln, das Erlebnis am schönsten, wenn die Geschichte uns emotional packt, das heißt, eine Entwicklung gegen ein schnelles Happy End nimmt? Das Unglück ist eine Geschichte, sagt Murakami, das Glück eine Allegorie, ein Gedicht. Das ideale Gedicht ist ein festgehaltener Augenblick, ein aus dem großen Vergänglichkeitsstrom „geretteter“ Augenblick: DER

DIE

SUCHE

ZUFALL DAS GLÜCK.

Kafka am Strand hatte ich vor der Abreise im Oxfam Shop in Stuttgart entdeckt: Ich hatte Bücher hingebracht und wie immer andere mitgenommen, damit der Laden läuft – Titel, die ich schon immer mal lesen wollte, wenn nicht ständig andere Bücher dazwischen kämen. Aber jetzt war, durch Zufallsgriff, Kafka am Strand genau das richtige Buch mit dieser Mischung aus Realismus, Traum, Märchen; und ich konnte lesen, wann ich wollte (keine Familie um mich), morgens vor dem Aufwachen, mitten in der Nacht. Immer noch habe ich Szenen aus diesem Buch in Erinnerung, als sei ich selbst darin herumgegangen. (Aber vielleicht ist das Lesen hier von dieser Art, wenn doch die Buchhändlerin beinahe wie die Frau Holle im Märchen heißt!) Auch Reflexionen zu Gedichten fand ich bei Murakami, die gerade recht kamen, da ich einen Gedichtband abschließen, das heißt auch: aussortieren, streichen musste. Murakami unterscheidet scharf zwischen Gedichten, die nur eine „symbolhafte Sprache“ verwenden, „um poetisch zu wirken“; die wahren Gedichte seien die, die „einen prophetischen Zugang zum Leser finden“. Solche Gedichte, überlege ich, kann man wiederum nicht herbeischreiben. Wichtig ist auch die Haltung des Schreibenden: sich selbst offen zu machen, auch gegenüber dem eigenen ambitionierten Ich. Selbst leer zu werden, um zu den eigenen Themen, dem eigenen Ton zu finden. Eine poetische Sprache darf nicht wie die Strings-Taste beim Digitalpiano sein, die alles in Streicherklänge auflöst, oder auf sonstige effektvolle Zuschaltung setzen. Mein Ideal könnte sein: die Piano 1-Taste, das normale Klavier, und dann erklingt Satie.

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7. DIE ZEIT DER SCHMERZ DAS ERINNERN Ich sehe ihn unten auf der großen Wiese vor dem Hotel, in einem Steppmantel, der vielleicht etwas zu warm ist für diese Märztage; er blickt seiner kleinen Enkelin hinterher, die auf einen entfernten Baum zurennt. Die kleine Gruppe wäre mir auch so aufgefallen, wenn ich nicht sofort IHN erkannt hätte, den New Yorker Taxifahrer aus Night on Earth, während Frau Holler, in der DDR aufgewachsen, andere Rollen und Filme nennt – seine kleine Familie hätte ich beim Frühstück auch so als etwas Besonderes wahrgenommen, so gelöst und heiter wirkte sie und ein klein wenig melancholisch. (Und wenn wir jetzt von ihm erfahren wollten, welcher wohl sein wichtigster Film war, würde er vielleicht zurückfragen: „Wichtig - ?“) In diesem Jahr wird er 85 Jahre alt, was man ihm aber überhaupt nicht ansieht. Ich stehe oben am Fenster und blicke zur Wiese und sollte schon nicht mehr da stehen und ihn beobachten, obwohl ich doch dieses Zimmer habe, um das Kommen und Gehen zu verfolgen, als Hotelschreiberin auf Zeit! (Einmal, so kann ich berichten, reiste gar der japanische Botschafter mit Gefolge an!) Ich setze mich auf das Sofa und weine ein wenig um meine Mutter und meinen Vater, die vor einigen Jahren gestorben sind und nicht so alt wurden wie er, und um alles, was so gnadenlos dahinfließt im großen Nordumfluter der Zeit. Später, im Mai, als zahlreiche Artikel zum 70-jährigen Kriegsende erscheinen und ich selbst am 9. Mai vom Spreewald aus nach Berlin fahre und am Russischen Ehrenmal sehe, wie hochbetagte russische Veteranen im Rollstuhl durch ein Blumenmeer geschoben werden – , da lese ich, dass sein Vater, der die Schauspielerei und die Kunst liebte wie der Sohn, am 1. Mai 1945 in einem Hospital unter mysteriösen Umständen verstorben ist. Als Deserteur erschossen? Auf dem Friedhof in Burg finden sich dutzende Namen deutscher Soldaten, die zwischen dem 21. und 24. April 1945 bei den letzten „Abwehrkämpfen“ den Tod fanden. Bei einem sehe ich das ‚ Datum 1. Mai, als Berlin bereits fast vollständig von den Russen eingenommen war. Mit Mai 45 assoziiert man Kriegsende und Frieden, in Wahrheit starben noch einmal Tausende, viele auf Befehl fanatischer Nazis. Die Stadt Lübben wurde durch Häuserkämpfe zu 85 Prozent zerstört; was stehenblieb, wie das Schloss, trägt heute noch Einschusslöcher.

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Auch zur Zehn-Jahres-Feier des Holocaust-Denkmals kurz zuvor habe ich mich nach Berlin aufgemacht, nicht eigentlich wegen des Denkmals, sondern wegen der Gedenkfeier mit Zeitzeugen, von denen es immer weniger gibt. Später entdecke ich am Rand der Stelen den Architekten Peter Eisenman, der sich mit Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes fotografieren lässt und also auch mit mir. Liebe Kinder, wenn ihr dies einmal lest, gedenkt meiner mit Nachsicht! Immerhin gab Eisenman mir noch einen guten Rat auf den Weg: „Read Rilke!“

8. DIE SONNE DER MOND DAS GESTIRN Dann stehe ich selbst auf der Wiese, die Koffer sind schon an der Rezeption (aber ich darf noch einmal wiederkommen für eine vierte Woche im Mai) – es ist der 20. März, Frühlingsanfang und Tag einer partiellen Sonnenfinsternis, ich stehe auf der Wiese und blicke zur Sonne, mit einer Schutzbrille, die ich mir noch per Eilboten schicken ließ. Als Dichterin ist man ja auch für die Natur und die Sterne zuständig! Bald versammeln sich einige Hotelgäste und reichen die Brille herum; auch das Ehepaar Clausing und Frau Holler kommen hinzu. Mit einem Blatt Papier basteln wir uns noch eine einfache Lochkamera. Der Schatten schiebt sich über die Sonne, bedeckt sie schließlich zu 75 Prozent, wie man mit der Schutzbrille gut sehen kann; ohne sie bemerkt man nur eine ganz leichte Veränderung, eine Dämpfung der Farben. Dann weicht der Mond wieder zurück. Das nächste Mal wird eine solche partielle Sonnenfinsternis bei uns im Jahr 2021 zu sehen sein. Vorausgesetzt, der Himmel ist klar. An diesem Märztag gab es keinen schöneren.

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Sommer 2015

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Foto: © Tom Fischer

Jan Brandt Jan Brandt - geboren 1974 in Leer (Ostfriesland), studierte Geschichte und Literaturwissenschaft in Köln, London und Berlin und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Sein erster Roman „Gegen die Welt“ (DuMont 2011) stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und wurde mit dem Nicolas-Born-Debütpreis ausgezeichnet. 2015 erschien bei DuMont sein italienischer Streifzug „Tod in Turin“ und im Herbst 2016 seine Geschichten aus Los Angeles „Stadt ohne Engel“.

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Die Kahnfahrt Ich saß gerade im Restaurant beim Frühstück, als die Bauarbeiter hinter mir anfingen, die Wand einzureißen. Seit Tagen wurde die Küche des Hotels umgestaltet, die Erschütterungen der Presslufthämmer drangen bis in mein Zimmer hinauf. Draußen im Garten am hauseigenen Hafen versammelten sich einige Gäste für die tägliche Kahnfahrt. Drei Paare und eine Frau. Kurz entschlossen trat ich auf den Steg und sagte zum Fährmann: „Ich bin auch mit dabei.“ „Sind Sie denn angemeldet?“, fragte er und schaute auf seine Liste, auf der alle Namen durchgestrichen waren. „Nein.“ „Ohne Anmeldung keine Fahrt. Alles muss seine Ordnung haben.“ Ich lief durch den Baustaub hindurch zur Rezeption und erklärte, von der ungewohnt heftigen Bewegung völlig ermattet, dass ich an der Kahnfahrt teilnehmen wolle. Die Concierge hinterm Tresen sagte, „ist vermerkt“, als wäre es längst beschlossene Sache gewesen. Als ich zurückkam, hatte der Fährmann den Kahn schon vom Ufer abgestoßen. „Ich bin jetzt angemeldet“, sagte ich. „Zu spät“, sagte der Fährmann. Aber die eine Frau, die einzige andere Alleinreisende neben mir, sie war mir schon an den Tagen zuvor aufgefallen, bat ihn, mich aufzunehmen, ihr gegenüber sei doch noch Platz. So kamen wir ins Gespräch. Ich saß mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Beim Sprechen blickte sie oft an mir vorbei, auf die Bänke, die Brücken, die Wasserspiegelungen vor ihr. Ich dagegen sah immer auch den Fährmann hinter ihr aufragend, und, wenn ich mich weit zur Seite beugte, den Weg, den wir bereits zurückgelegt hatten. Manchmal wies sie mich auf etwas hin, ein Storch auf einem Feld, ein Eisvogel auf einem Ast, ein altes Waschhaus, allein zwischen den Bäumen. Ich musste mich jedes Mal umdrehen, um es selbst sehen zu können. Die ersten Eindrücke waren so stark, dass es mir schwer fiel, mich auf sie konzentrieren. Nach einer Weile aber lehnte ich mich zurück und schaute sie an. In ihren langen blonden, zum Zopf zusammengebundenen Haaren schimmerten Silbersträhnen. Um Augen und Mund waren ein paar Falten. Und am Kinn hatte sie eine Narbe, ein feiner Streifen, der sich bis zur Wange hinzog. Ansonsten sah sie für ihr Alter tadellos aus. Sie sagte, sie heiße Marie Bandi und stamme aus der Schweiz, ich hörte es am Akzent, sie

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arbeite als Hautärztin und sei vor ihrem Urlaub hier auf einem Kongress in Berlin gewesen. Wir sprachen über die Ausstellungen und Theaterstücke, die wir beide dort gesehen hatten, Sebastião Salgado im Amerikahaus, ZERO im Martin-Gropius-Bau, Richard III. in der Schaubühne, und wie sich herausstellte, gab es, was unsere Beobachtungen und Urteile anging, überraschend viele Übereinstimmungen. „Diese Bilder!“, sagte ich. „Diese Farben!“ „Null“, sagte ich. „Darauf muss man erst mal kommen!“ „Richard der Zweite hat mir besser gefallen“, sagte ich. „Noch besser als Richard der Erste.“ Während er die Rudelstange ins Wasser stakte und wir langsam dahinglitten, redete der Fährmann vom Biosphärenreservat, vom UNESCO-Weltkulturerbe, von den Fließen, wie die Kanäle hier genannt wurden, „das kommt von fließen“, das größte Binnendelta Europas, von der Weichsel-Eiszeit, von den Tieren und Pflanzen: „Hier links sehen wir die Hauptbaumart in diesem Teil des Spreewalds, die Schwarzerle.“ Als wir an eine niedrige Brücke kamen und er uns aufforderte, uns so weit wie möglich herabzubeugen, sagte er: „Die roten Striche, die man dort sieht“, er meinte ein Warnband am Unterbau, „stammen von den Köpfen der Leute, die nicht schnell genug unten waren.“ Kaum hatten wir uns wieder aufgerichtet, fragte ihn ein sonnengebräunter Mann im Jackett, ob man auf dem Fließ denn auch mit Sportbooten fahren dürfe. „Nein, Motorboote sind grundsätzlich nicht erlaubt. Einzige Ausnahme ist die Entenpolizei und der Wasser- und Bodenverband. Hier wird ja jedes Jahr eine Baumschau durchgeführt. Die entscheidet, ob ein Baum gefällt werden muss, wenn er krank oder abgestorben ist. Das hat ja auch was mit Unfallgefahr zu tun. Deswegen ist bei uns in der Grundsteuer ein Satz drinne, der an die abgeführt wird. Das betrifft auch die Uferbefestigung und die Schleusen.“ „Was ist denn die Entenpolizei?“, fragte eine Frau mit Goldschmuck. „Die Wasserschutzpolizei. Die nennen wir so, weil die hier mehr mit Tieren als mit Menschen beschäftigt sind, mit Enten und Bibern und Waschbären.“ Für Mitte Juni war es ein ungewöhnlich kalter Tag, eine fast herbstliche Stimmung. In der Nacht zuvor hatte es geregnet, auf einigen Feldern abseits der Straßen lag noch Nebel, und von den Blättern und Ästen über uns fielen immer mal wieder große Tropfen auf uns herab. Wir passierten Holzhäuser, die auf Findlingen standen, eine Wehranlage mit Schleuse, und schwenkten auf

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die Hauptspree ein, die breiter und tiefer ist als die Fließe ringsum. Beim Bootshaus machten wir Rast. Die anderen deckten sich an einem schilfüberdachten Stand mit Gurken und Leinöl ein, aßen Schmalzbrote und tranken Bier und Wein. Frau Bandi und ich saßen abseits, bestellten Kaffee und Kuchen. „Kennen Sie den Zauberberg?“ „Hier in der Gegend?“ „Ich meine den Roman.“ „Na, klar“, sagte ich. „Den kennt doch jeder.“ „Den lese ich nämlich gerade. Und je länger ich lese, desto stärker erinnert mich die Bleiche an den Berghof: diese ganze horizontale Lebensweise, das andauernde Herumliegen, am Pool und in den Ruheräumen. Die Bademantelmumien überall. Nur die Berge fehlen. Das Alpenpanorama. Und die Patienten dieses Wellnesssanatoriums wechseln schneller, als man gucken kann. Es ist nicht gerade leicht, hier Bekanntschaft zu machen.“ „Ja“, sagte ich. „Man darf keine Zeit verlieren.“ Und dabei sah ich ihr zum ersten Mal direkt in die Augen. „Da gibt es ja, wie Sie dann sicherlich wissen, auch eine Kahnfahrt“, sagte sie ungerührt, meinem Blick standhaltend. „Eine Kahnfahrt im Zwielicht. Eine Jugenderinnerung. Hans Castorp auf einem See. Allerdings allein und im Ruderboot. Nicht so wie wir.“ „Auf welchem See war das noch mal?“ „Irgendwo in Norddeutschland.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Bei Hamburg, nehme ich an.“ „In Schleswig-Holstein oder Niedersachsen?“ „Ich weiß nicht. Was macht das für einen Unterschied?“ „Einen riesigen.“ „Damals gab’s das doch noch gar nicht.“ „Was?“ „Bundesländer.“ „Bundesländer vielleicht nicht, aber Preußen und so.“ „Ist ja auch egal“, sagte Frau Bandi. „Jedenfalls rudert Hans Castorp da oben irgendwo in der Dämmerung über den See. Und während im Westen die Sonne versinkt, steht der Mond im Osten schon am Himmel. Eine besondere Konstellation, ein magischer Moment. Er sieht beides:

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Tag und Nacht, das Helle und das Dunkle, das Leben und den Tod. Stellen Sie sich vor, wir könnten das –“ „Liegt der nicht auch in Zürich begraben?“ „Wer?“ „Hermann Hesse.“ „Wieso auch?“ Ich fragte, um das Thema zu wechseln, nach der Narbe an ihrem Kinn, und sie erzählte mir von ihrem Segelunfall auf dem Zürichsee, von der Halse, der Patenthalse, vom Schothorn, das sie getroffen habe, bewusstlos sei sie über Bord gegangen, abgetrieben, fast ertrunken. Sie sprach von Kieferbruch, Schädelhirntrauma dritten Grades, Notoperation, Koma, künstlichem Koma, monatelanger Rekonvaleszenz mit einer seltsam monotonen Stimme, aus der die ganze schweizerische Sprachmelodie verschwunden war, als wäre das alles jemand anderem zugestoßen, einem zweiten Ich. Der Fährmann mahnte zum Aufbruch. Und Frau Bandi sagte zu mir, ich müsse sie entschuldigen, sie wolle den Weg zum Hotel lieber zurückgehen. Sie fühle sich nicht wohl, sie habe gedacht, das sei vorbei, aber seit dem Unfall mache ihr Wasser Angst, nichts Schlimmes, keine abgrundtiefe Angst, eher so eine leichte Unruhe in ihr drin, ein Anflug von Nervosität, eine Vorahnung, dass wieder etwas Schreckliches geschehen werde. Ach was, sagte ich, was solle schon geschehen auf so einer Kahnfahrt, „Kähne haben ja keine Segel“, wir werden, prophezeite ich, zusammen ankommen, und sie werde sich wie erlöst fühlen. Ich sprach von Reinigung durch Ruhe, von der Kraft der Stille, vom Runterkommen, von all dem, was ich in den Hotelbroschüren gelesen hatte, dazu seien wir doch hier. Spazierengehen könne sie hinterher immer noch. Ich bot ihr an, sie später zu begleiten, sagte, ich könne vor dem Abendessen auch noch etwas Bewegung vertragen, aber so eine Kahnfahrt mache man nur einmal im Leben. Und sie nickte und lächelte, und wir tranken unseren Kaffee aus und folgten den anderen zur Anlegestelle. Sie bestand darauf, die Plätze zu tauschen, sie habe schon genug nach vorn geschaut, sagte sie, jetzt dürfe ich dieses Privileg genießen. Der Fährmann stakte uns stromaufwärts die Hauptspree hinauf, unter der Liebesbrücke hindurch

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und an einem Storchennest vorbei, hoch oben auf einem Holzmasten; wieder machte er einen Witz: „An dieser Stelle sage ich immer, ‚Frauen, die Röcke zwischen die Beine!’“ Keine der Frauen trug einen Rock, und Frau Bandi und ich sahen uns an und rollten mit den Augen und lachten wie früher in der Schule, wenn der Lehrer sich daneben benommen hatte. Kajaks und Kähne mit anderen Reisegruppen überholten uns, bedauerten uns, weil wir nichts zu trinken dabei hatten, zu überhöhten Preisen boten sie uns ihre Getränke an. Wir mussten durch eine weitere Schleuse, eine Stemmtorschleuse, um das Geländegefälle auszugleichen, eine Wanne, die volllief und uns auf eine höhere Ebene spülte. Vor einem Haus, ein paar Meter weiter, hing ein an einer Kette befestigter Käfig im Wasser. „Und hier sieht man“, sagte der Fährmann, „als es noch keine Kühlschränke gab, einen Fischkasten. Die werden heutzutage noch benutzt, da kann man Fisch lebend halten, und nicht nur das. Früher hießen die auch Schwiegermutterkasten.“ Die Paare lachten pflichtschuldig. Frau Bandi und ich tauschten wieder Blicke aus. Fische schwammen vor uns davon. Hühner sahen uns an. Das heisere Bellen einer schwarzen Dogge begleitete uns minutenlang. Ich erzählte Frau Bandi von meinen Hotelerlebnissen und sie mir von ihren, von den Liebespaaren in der Therme und von den Gesprächen neben uns im Restaurant, die wir, da wir stets an Einzeltischen saßen, besonders aufmerksam verfolgten. Wir verstanden uns immer besser, ich merkte, wie sie sich, das Ziel vor Augen, allmählich entspannte. In der letzten Kurve kam uns ein Kahn mit Außenbordmotor entgegen. Der Fahrer, der allein am Heck saß, fuhr so schnell, dass unser Fährmann nicht mehr ausweichen konnte. „Das ist verboten“, rief er, und dann, an uns gewandt, „ festhalten! Vorsicht, nicht alle nach einer Seite.“ Die Wucht des Aufpralls drückte uns gegen einen Baum am Ufer. Ein Ast, ein alter, abgestorbener Ast fiel herab, und traf Frau Bandi am Hinterkopf; mit einem Ausdruck des Erstaunens im Gesicht sackte sie über dem Tisch zusammen. Ein Streifen Blut lief über ihre Stirn. Ich presste ein Papiertaschentuch auf die Wunde. Jemand rief den Notruf. Der Fährmann stakte zum Hotel zurück. Die ganze Zeit über hielt ich ihre Hand, fühlte ihren schwächer werdenden Puls, als flösse das Leben nach und nach aus ihr heraus. Ich sagte, ich stand unter Schock: „Frau Bandi, wir sind da, wir haben es geschafft.“ Durch den Baulärm, der von der Küche aus zu uns drang, hörte ich den Krankenwagen.

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Die Jury des Spreewald-Literatur-Stipendiums

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NINA BOHLMANN ist seit 1989 in der Filmbranche tätig. Nach ihrer Laufbahn u.a. bei der Lichtblick Filmproduktion und Corona Film Hamburg gründet sie gemeinFoto: © magnolia / Jat J.Olczyk

sam mit Babette Schröder die magnolia Filmproduktion. Die erste Eigenproduktion „Süperseks“ läuft 2004 auf dem Filmfest Hamburg; für den Fernsehfilm „Kuckuckszeit“ gewinnen sie 2007 in Hamburg den „TV-Produzentenpreis“. Ihre deutsch-österreichische Koproduktion „Die Fälscher“ läuft 2007 im Wettbewerb der Berlinale und gewinnt 2008 den Oscar für den Besten nichtenglischsprachigen Film. Neben ihrer Arbeit als Produzentin ist Nina Bohlmann auch als Autorin für Film und Fernsehen tätig.

Martin Hoffmann wurde 1959 in Nussloch/Heidelberg geboren. Er studierte an den Universitäten Saarbrücken, Lausanne und Hamburg Rechtswissenschaften und schloss 1991 das Studium mit der Großen Juristischen Staatsprüfung ab. Bis 1993 war

Foto: Sebastian Hänel

er wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht sowie als Rechtsanwalt in Hamburg tätig. Von 1994 bis 1996 war Martin Hoffmann Leiter Business Affairs beim Fernsehsender Sat.1 und von 1997 bis 1999 Geschäftsführer der Sat.1 Boulevard TV GmbH. Im Jahr 2000 folgte seine Berufung zum Geschäftsführer der Sat.1 Satelliten Fernsehen GmbH. Dieses Amt hatte er bis 2003 inne. Von 2004 bis 2010 war er Vorstandsvorsitzender der TV-Produktionsfirma MME MOVIEMENT AG. Im Jahr 2010 wechselte er in den Aufsichtsrat. Seit September 2010 ist Martin Hoffmann Intendant der Stiftung Berliner Philharmoniker.

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Der Literaturkritiker Martin Lüdke war nach dem Studium der Philosophie, Soziologie,
Germanistik und Politik von 1976 bis 1978 Wissenschaftlicher Mitarbeiter
 an einem sozialwissenschaftlichen Institut des Bundes in München (SOWI), bis
1984 Foto: Wolfgang Becker

Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Goethe-Universität
Frankfurt am Main und hatte später verschiedene Gastprofessuren in den USA
(San Diego, Los Angeles, St. Louis, Gainesville, FL) inne. 1985 bis 1990
arbeitete er als Redakteur des Hessischen Rundfunks (Fernsehen/Kultur), seit
1990 beim Südwestfunk, dem heutigen SWR. Seit Sommer 2003 ist er Courtesy Professor der University
of Florida, Gainesville, FL, USA. Martin Lüdke schreibt u.a. für die
Frankfurter Rundschau, DIE ZEIT, DER SPIEGEL, LITERATUREN und veröffentlicht
zahlreiche literaturwissenschaftliche Bücher u.a. bei Suhrkamp und im
Rowohlt Verlag. Von 2010 bis 2014 war er als Vorsitzender des Kuratoriums des Deutschen Literaturfonds Darmstadt tätig und als Kritiker gehört(e) er zahlreichen Jurys an, u.a. war er Vorsitzender der
Jury zur Vergabe des Preises der Leipziger Buchmesse und Mitglied der Jury zur
Vergabe des Deutschen Buchpreises, Frankfurt am Main.

FRIEDRICH SCHIRMER Theaterintendant und Dramaturg. 1951 in Köln geboren, begann er seine Theaterlaufbahn unmittelbar nach dem Abitur 1970 als Assistent und Dramaturg am Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel. Sein Weg führte ihn an-

Foto: © Ilona Habben

schließend über die Freie Volksbühne Berlin, die Städtischen Bühnen Nürnberg, das Nationaltheater Mannheim und die Städtischen Bühnen Dortmund zu seiner ersten Intendanz an der Württembergischen Landesbühne Esslingen (ab 1985). 1989 wurde Friedrich Schirmer Intendant der Städtischen Bühnen Freiburg. Von 1993 bis 2005 leitete er als Intendant das Schauspiel Staatstheater Stuttgart. Seit der Spielzeit 2005/2006 war Friedrich Schirmer Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. Im September 2010 trat er infolge nicht eingehaltener finanzieller Zusagen und erheblicher Zuschusskürzungen seitens der Stadt Hamburg zurück. Im Herbst 2012 wurde er wieder zum Intendanten der Württembergischen Landesbühne Esslingen berufen. Sein neues und altes Amt hat er mit Beginn der Spielzeit 2014/15 angetreten.

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Der Schriftsteller und Jurist Bernhard Schlink wurde 1944 bei Bielefeld geboren und wuchs in Heidelberg auf. Er wurde Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an den Universitäten in Bonn, Frankfurt und Berlin (HumboldtFoto: © Herlinde Koelbl

Universität) und Professor of European Law and Comparative Constitutionalism an der Benjamin N. Cardozo School of Law, New York. Von 1988 - 2007 war er Richter des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen. Seit 1985 veröffentlicht er Romane, Erzählungen und Essays. Sein Roman „Der Vorleser“ machte ihn international bekannt.

FRANZISKA STÜNKEL Regisseurin, Drehbuchautorin und Fotokünstlerin. Die Filme von Franziska Stünkel liefen in 19 Ländern auf über 150 internationalen Filmfestivals und wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Best New Director

Foto: © Carsten Witte

Award“ in New York. Für ihren Kinospielfilm „Vineta“ arbeitete sie mit Peter Lohmeyer, Ulrich Matthes, Justus von Dohnanyi, Matthias Brandt und Susanne Wolff zusammen. Franziska Stünkel erhielt für ihre Leistungen als Regisseurin den „Otto-Sprenger-Preis“ und wurde unter anderem für den „Prix Genève Europe – Bestes Europäisches Drehbuch“ nominiert. Als Regisseurin realisierte sie ferner den 15stündigen TV-Dokumentarfilm „Der Tag der Norddeutschen“. Für ihre fotografischen Arbeiten wurde sie mit dem Audi-ArtAward ausgezeichnet. Im Jahr 2012 erschien ihr Fotokunstbuch „Dialog der Geschichten“. Seit 2008 betreut sie als Kuratorin das Spreewald-Literatur-Stipendium.

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Die Spreewälder Kulturstiftung wurde im Jahr 2002 ins Leben gerufen. Ihr Anliegen ist die Förderung und Bewahrung der traditionellen Spreewälder Kultur und des Brauchtums. Die Wahrung der ursprünglichen Zeugnisse des Spreewaldes sowie das bewusste Wahrnehmen der einzigartigen Leistungen in der prähistorischen Zeit (1300 v. Chr.) und der sogenannten „Lausitzer Kultur“ (bronze- und eisenzeitliche Kultur 1300-500 v. Chr.) ist ein wesentlicher Schwerpunkt der Stiftungsarbeit. Mit der Unterstützung des Spreewald-Literatur-Stipendiums möchte die Stiftung darüber hinaus zeitgenössischen Literaten die Möglichkeit eröffnen, sich vom Spreewald inspirieren und ihn so in ihre Werke einfließen zu lassen.

www.spreewaelder-kulturstiftung.com

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Impressum Herausgeber: © 2016 Spreewälder Kulturstiftung Fotos: Nikolaj Georgiew, Marcella Wagner Gestaltung: Ronald Reinsberg Druck: Salzland Druck, Staßfurt ISBN 978-3-9817343-4-8

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