SPREEWALD ANTHOLOGIE IV

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S P R E E WA L D A n T H O L O G I E I V

SPREEWALD AnTHOLOGIE IV

Spreewald-Literatur-Stipendium 2011 - 2012


S P R E E WA L D A n T H O L O G I E I V

SPREEWALD AnTHOLOGIE IV

Spreewald-Literatur-Stipendium 2011 - 2012


SPRE EWA L D A NT HOLO G IE IV

Spreewald-Literatur-Stipendium 2011 - 2012 Peggy M채dler Martin Beyer Jan Decker Anna-Elisabeth Mayer



INHALT

Peggy Mädler................................................................................................................................................ 05 Wer rastet, der rostet ... nicht – Notizen aus dem Spreewald............................................................................... 06 Martin Beyer ................................................................................................................................................ 19 Der Wassermann .................................................................................................................................................. 20 Jan Decker ...................................................................................................................................................... 27 Die Geschichte meiner Erfindung........................................................................................................................ 28 Anna-Elisabeth Mayer............................................................................................................................. 43 Hotel Pension Zur Herberge................................................................................................................................. 44 Die jury.............................................................................................................................................................. 53


Herbst 2011


Peggy Mädler 1976 in Dresden geboren, lebt heute in Berlin. Studium der Theater-, Erziehungs- und Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und Promotion. Seit 2000 freischaffende Dramaturgin und Regisseurin u.a. am Theater Rudolstadt, Maxim-Gorki-Theater Berlin, Theater Heilbronn. Mitbegründerin des freien Künstlerkollektivs „Labor für kontrafaktisches Denken“. Bisherige Stipendien: Promotionsstipendium der Heinrich-Böll-Stiftung, Autorenstipendium des Künstlerdorfs Schöppingen, Alfred-Döblin-Stipendium der Berliner Akademie der Künste. Ihr erster Roman „Legende vom Glück des Menschen“ erschien im Februar 2011 bei Galiani Berlin.

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Wer rastet, der rostet ... nicht Notizen aus dem Spreewald

Ankunft Wie wird aus einem Hotelzimmer ein Arbeitsplatz?, frage ich mich gleich am ersten Tag nach dem Aufstehen, aber da mir auf leeren Magen keine rechte Antwort einfallen­ will, gehe ich zunächst einmal ins Grüne Gewölbe frühstücken. Der Name des Speisesaals erinnert mich an meine Heimatstadt und so ist es wohl auch dieser Erinnerung geschuldet, dass ich beim Frühstück – das erste Mal seit vielen Jahren – eine Sächsische Zeitung in die Hand nehme – jene Zeitung, die meine Eltern immer abends, nach getaner Arbeit, mit hochgelegten Füßen auf dem Sofa gelesen haben. Als ich schließlich in mein Zimmer, das eher einer Suite gleicht, zurückkehre, ist es schon fast zwei Stunden später. Ich erschrecke – es kommt mir sogleich ungehörig vor, die Stunden derart gehen zu lassen, auch oder gerade weil an diesem Ort alles darauf angelegt scheint, die Zeit aus dem Rhythmus zu bringen, so wie auch die Zimmernummern hier sicherlich nicht dem Zweck des Zählens dienen. Eine Suite mit der Nummer 605 in einem Hotel mit insgesamt 90 Zimmern muss schließlich darauf ausgerichtet sein, mir meine gewohnte Orientierung zu nehmen. Aber ich bin nun mal zum Arbeiten hier, rede ich mir gut zu und schaue mich um. Der kleine Schreibtisch steht an einer ungünstigen Stelle, kurzerhand verschiebe ich ihn an eines der großen Fenster des Zimmers, so habe ich das Tageslicht beim Schreiben nicht mehr im Rücken, dafür nun aber die Aussicht auf ein älteres Paar, das soeben aus der Hotellobby tritt. Sie trägt rote Turnschuhe, seine sind weiß und schwarz gestreift, wahrscheinlich wollen sie einen längeren Spaziergang unternehmen. Ihre Schritte sind gut aufeinander abgestimmt. Linkerhand entdecke ich ein Pferd, nein, es sind sogar zwei Pferde, die da auf der Wiese direkt vor dem Haus grasen. Ein anderer Gast verlässt das Hotel und schaut kurz zu mir hoch, seine Sachen, ein Koffer und zwei kleinere Taschen, werden von einem der Angestellten zum Auto gebracht. Ich bin froh, dass ich noch einen ganzen Monat vor mir habe, vier Wochen, 28 Tage und sehr viele Stunden.

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Obwohl es schon Ende November ist, wirkt das Sonnenlicht noch herbstgolden, so wie ich es am liebsten habe, und immer mehr Spaziergänger treten aus dem Hotel. Direkt unter meinem Fenster stehen große Pflanzenkübel, sie sind bereits zugedeckt mit frischem Tannengrün, dem warmen Bett für den Winter. Ich beobachte eine junge Gärtnerin, die in grünen Hosen vorbeigeht. Wie schön muss es sein, mit den Händen zu arbeiten, denke ich für einen Moment, um mir im nächsten Moment sogleich die Hände all jener Frauen und Männer vorzustellen, die hier an diesem Ort früher das Leinen bzw. die Wäsche gebleicht haben. Meine Hände, die für gewöhnlich auf einer silbernen Tastatur herumhüpfen, ziehen sich keine Schnitte oder Risse zu, dafür wachsen mir mitunter, wenn ich denkend auf der Stelle trete, Blasen im Kopf, nur kann die dann niemand sehen. Jetzt geht auch noch jenes junge und anscheinend sehr verliebte Paar spazieren, das ich gestern schon bei der Hotelführung bemerkt habe. Nach der Führung hatte ich immer noch keinen rechten Überblick über die vielen Ecken und Winkel, in denen man sitzen, lesen oder schreiben kann. Vielleicht sollte ich einfach Tag für Tag einen anderen Platz ausprobieren, überlege ich mir, jeden Tag eine andere Aussicht, eine andere Art zu sitzen – hoch, niedrig, hart oder weich jeden Tag ein anderer Gedanke, der entweder notiert oder verworfen wird. Andererseits könnte ich jetzt auch erst einmal spazieren gehen, mich aufmachen zu den vielen Kanälen, die hier überall zu finden sind. Es ist ja schließlich der erste Tag. Die Sonne scheint. Und morgen soll es bewölkt sein, lese ich im Internet. Nun ja.

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Strebsamkeit oder MüSSiggang Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen, sagten meine Eltern während meiner Schulzeit gern und meinten damit: Mach deine Hausaufgaben – und zwar gleich! Manchmal sagten sie auch: Alle Tage ist nicht Sonntag oder Ohne Fleiß kein Preis! Obwohl ich in einem atheistischen Haushalt aufgewachsen bin, wurde ich dennoch ganz im Geiste der protestantischen Arbeitsethik erzogen. Arbeit ist das halbe Leben, heißt eine andere Redewendung meiner Kindheit und zum ersten Mal kommt mir in den Sinn, dass die Betonung ja eigentlich auf dem Adjektiv liegen müsste. Ich beschließe also, für heute genug geschrieben zu haben und mein anderes halbes Leben – zumindest für die nächsten Stunden – in der Sauna zu verbringen. Doch zuvor nehme ich noch kurz im Rauchersalon Platz, (in einem von jenen Ledersesseln, in die man derart einsinkt, dass man nicht wieder aufstehen möchte). Auf dem langen Mitteltisch liegen verschiedene Bücher zum Lesen bereit, unter anderem auch Ben Schotts Sammelsurium: Sport, Spiel & Müssiggang, erschienen im Berlin Verlag 2006. Ich schlage willkürlich eine Seite auf und wie es der Zufall so will, lande ich bei S & O - wie Stachanow & Oblomow: „Alexei Grigorjewitsch STACHANOW (1906-1977) war ein sowjetischer Bergarbeiter, der in den 1930er Jahren für seinen Fleiß und seine Arbeitsleistung berühmt wurde. (...) Stachanow zu Ehren wurde seine Heimatstadt Sergo im Jahr 1978 nach ihm umbenannt.“ (Ich stelle mir sogleich die Umbenennung von Dresden in Mädler vor. „Wir fahren heute nach Mädler“ oder „Ich komme gerade aus Mädler“, würde es dann heißen. Der Oblomow in mir schüttelt fassungslos den Kopf.) „Ilja Iljitsch OBLOMOW, Romanfigur des Schriftstellers Iwan Gontscharow (1812-1891), ist so faul, dass es ihm in den ersten 150 Seiten des gleichnamigen Romans nicht einmal gelingt, aus dem Bett zu kommen. Dieser großartigen Kunstfigur verdanken wir die Idee der „Oblomowerei“ – einen Zustand lethargischer Gleichgültigkeit, der in der russischen Intelligenzija der Zeit verbreitet war.“ Ich lege das Buch zurück und begebe mich seufzend in den Saunabereich. Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust – oder anders gesagt: ein Stachanow und ein Oblomow in mir werden noch viele Kämpfe miteinander auszutragen haben.

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Krabats, Schleusen und andere (Wortge)schütz(e) An der Hutungsschleuse - so steht es auf einem Schild geschrieben – ist Selbstbedienung angesagt. Ich bemühe mich, das Schleusenverfahren präventiv zu verstehen, denn es könnte ja sein, dass ich irgendwann einmal, zu einer wärmeren Jahreszeit, hier als Paddlerin vorbeikomme. Außerdem kann man einen Spaziergang sehr gut dazu nutzen, sich botanisch oder in diesem Fall technisch ein bisschen fortzubilden. Zunächst einmal, so lese ich es mir murmelnd vor, sei also das Untertor nach Einfahrt des Bootes zu verschließen und danach löse man die Verriegelung des Obertors. Soweit so gut, die Verriegelung ist leicht zu erkennen. Aber was zum Teufel ist ein oder eine Schütz? Der Anweisung zufolge soll nun in einem nächsten Schritt am Obertor die oder der Schütz cirka 3 cm angehoben werden. Ich schaue mich um, ich laufe die Schleuse mehrfach ab und versuche vergeblich, einen Apparat oder Hebel mit der Aufschrift „Schütz“ zu entdecken. Als Paddlerin würde ich jetzt wahrscheinlich schon etwas nervös werden, als Spaziergängerin bin ich lediglich ratlos. Nach dem erfolgten Wasserausgleich, so steht es weiter geschrieben, darf das Obertor für die Ausfahrt des Bootes geöffnet werden. Das ist nun wieder leicht zu verstehen. Aber was hilft’s, wenn ein Wasserausgleich aus Unkenntnis darüber, was ein oder eine Schütz ist, gar nicht erst zustande kommt? Ein paar hundert Meter weiter stoße ich auf des Rätsels einfache Lösung, denn an der nächsten Schleuse, Krabatschleuse genannt, ist ebenfalls eine Anleitung zur Selbstbedienung angebracht. Hier wird nun aber nicht ein oder eine Schütz, sondern schlicht das Obertor mit Hilfe eines Handrades cirka 3 cm angehoben. Das Handrad vermag ich mit bloßem Laienverstand zu erkennen und so hoffe ich, dass die Anfänger unter den Paddlern zuerst an der Krabatschleuse vorbeikommen... Zurück in meinem suiteähnlichen Arbeitszimmer recherchiere ich nach Schleusen und Schützen und werde schnell fündig: „Das Schütz ist die senkrecht bewegbare Platte aus Holz oder Eisen zur Regelung des durchströmenden Wassers oder zum Schließen eines Wehres.“ Jetzt könnte der Paddelsommer also kommen. „Die Schütze können sich auf Gleitschienen bewegen, man spricht vom Gleitschütz, oder mit Hilfe von Lauf- und Führungsrollen geführt werden; diese Art nennt man Rollschütz.“ Wie mag der Spreewald wohl im Sommer aussehen?

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„Die Führungen können auch beheizt werden, damit die Schütztafel im Winter nicht festfriert. Neben der Regulierung des Wasserstandes dienen die Schütze zur Abführung von Schwemmgut, aber auch von Geschiebe.“ Ich streiche den Sommer aus meinem Kopf und kehre zur Vorwinterstimmung zurück: Welke Blätter trudeln im Wind / den braun gesprenkelten Vögeln gleich / deren Nester als Zierrat / zwischen kahlen Zweigen hängen. Während ich ein paar Notizen in den Rechner tippe, blüht vor meinem Fenster ein kitschig roter Abendhimmel auf, die Pferde werden von der Wiese geholt und das, was man im Allgemeinen die Welt nennt, scheint irgendwo anders zu sein.

Glokalität im Spreewald Die Welt ist natürlich auch hier, in dieser verwunschenen Gegend der Lausitz. Gestern ist Christa Wolf gestorben, im Fernsehen sehe ich spät abends noch eine Dokumentation über die Kinder von Kommunisten, die aus dem Moskau der 1930er Jahre verschleppt und oft auch getötet worden sind. In den Nachrichten danach geht es um die Angst vor einer Euro-Krise. Christine Clausing erzählt mir beim Kaffee am nächsten Morgen, dass ihr Mann seit nunmehr drei Jahren jeden gut recherchierten Artikel, den er über die Finanzkrise finden kann, ausdruckt und auch abheftet. Auf diese Weise könnten ihre Kinder später einmal die Details nachvollziehen, sagt sie, und nicht nur die, erst im Rückblick geschaffenen, größeren Zusammenhänge der Historie. Im Nachhinein sei man immer schlauer als im Moment der Gegenwart. Sie erzählt auch, dass sie und ihr Mann längst verschiedene mögliche Zukunftsszenarien durchspielen. Wie kann man sich auch ohne öffentliche Strom- oder Wasserversorgung autark erhalten, lautet eine Fragestellung, darüber hinaus sammeln sie seit Jahren Erfahrungen in der Vorratshaltung und in der Landwirtschaft, sei es mit Hühnern, Schweinen oder Gemüse. Das Gelände wäre ja letztendlich auch als Krankenhaus oder Altenheim geeignet, meint sie. Ich bin beeindruckt von dieser Mischung aus Pragmatismus und Zuversicht, mit der sie mögliche Entwicklungen einer Gegenwart skizziert, in der nun auch ich wieder mitten drin bin.

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Feste und Aberglauben Apropos Gegenwart: Ich liebe die Adventszeit, über meinem Schreibtisch hängen an einer Schnur die ersten Christbaumkugeln, auf dem Weihnachtsmarkt in Lübbenau wird ein drei Meter langer Stollen verkostet und der Wein, den ich zum Abendessen serviert bekomme, schmeckt ebenfalls ganz weihnachtlich – nach Schokolade, Vanille und dunkler Kirsche. Brombeere noch, meint der Sommelier und schenkt mir nach. Ich frage mich plötzlich, wie das Gedächtnis eines Weinkenners funktioniert. Vermag er sich tatsächlich mit der Zunge zu erinnern oder speichert er den Geschmack in den eher abstrakten Begriffen der Sprache ab? Der Sommelier lacht und schüttelt den Kopf. Es sei mehr das Erlebnis, an das man sich erinnere, sagt er, entscheidend seien die Empfindungen, die man beim Schmecken hatte, und daraus bilde sich dann das Geschmacksgedächtnis. Und welchen Wein gibt es bei Ihnen zu Weihnachten? Er habe sich noch nicht entschieden, meint der gebürtige Hoyerswerdaer zu mir. Es sei ja auch stimmungsabhängig, wann ihm welcher Wein am besten schmecke. Bei dem Zimmermädchen, das hier Hausdame heißt, gibt es zu Weihnachten Bratwurst. Sie wisse nicht, ob das ein typisches Essen im Spreewald sei, aber in ihrer Familie gab es an Heilig Abend nie etwas anderes. Sie erzählt mir von ihrem kleinen Jungen, der schon ganz aufgeregt sei. An diesem Weihnachten werde sie tagsüber arbeiten, aber nachmittags finde dann bei den Großeltern die Bescherung statt. Sie ist sehr klein und zierlich und trägt ein rosafarbenes Makeup auf den Lidern, das ich sehr hübsch finde. Und bei Frau Holler, der Bibliothekarin, die ursprünglich aus Zwickau kommt, gibt es zu Weihnachten selbstgemachten Sauerbraten. Das Fleisch müsse sehr lange eingelegt werden, erklärt sie mir, während sie mir gleichzeitig ein paar Sagen und Märchen aus dem Spreewald heraussucht. Ich fühle mich sehr wohl bei ihr, auch scheint mir die Galerie, auf der sich die Bibliothek und damit ihr Arbeitsplatz befindet, der schönste Platz im Haus zu sein. Sagen und Märchen sind vielleicht so etwas wie das inoffizielle oder emotionale Gedächtnis einer Region. Mir fällt sofort auf, dass in den Geschichten viel gearbeitet wird. Selbst der Teufel

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muss sich plagen – der Spreewald sei sein missglücktes Werk, heißt es. Mit einem Ochsengespann will er ein Bett für die Spree pflügen, doch es geht ihm einfach nicht schnell genug. Als er seine müden Ochsen schließlich gar verflucht, geht die Angst mit ihnen durch, kreuz und quer rennen sie mit dem angehängten Pflug durch das Land – und auf diese Weise entstehen 350 Wasserläufe und Fließe. Auf der Zeichnung, welche die Geschichte illustriert, sieht der Teufel aus, als würde er gerade Wasserski fahren. Und auch in der Geschichte der Mittagsfrau geht es hauptsächlich um Arbeit. Als Sinnbild des Hitzschlags streift sie an sehr heißen Tagen in weißen Kleidern und mit einer Sichel in der Hand umher, auf der Suche nach jenen Mägden und Knechten, die selbst noch in der gleißenden Mittagssonne auf den Feldern arbeiten. Und wehe, wenn man ihr begegnet, dann gilt es, nur nicht das Bewusstsein zu verlieren. Und so zählt ein junges Mädchen in seiner Not der Mittagsfrau gebetsartig sämtliche Tätigkeiten des Flachsanbaus auf, sie berichtet vom Pflügen und Eggen des Bodens im Herbst, vom Umgraben und Harken des Bodens im Frühjahr, danach wird ausgesät und der Samen mit nackten Mädchenfüßen in den Boden getreten. Nun keimt der Flachs und das Unkraut muss gejätet werden. Das Mädchen erzählt weiter vom Ernten des Flachses am frühen Morgen, vom Wenden des Flachses, damit er trocknen und schließlich in die Scheune eingebracht werden kann. Nun beginnt das Riffeln des Flachses, das Dreschen der Kapseln, das Füllen der Samen in die Säcke. Aus dem Samen wird später das Leinöl für die Kartoffeln, für die Hirseklöße oder das Brot und für die Milchkühe gibt es Ölkuchen. Die verbliebenen Stängel werden wiederum im Graben gewässert, aber weil das den Fischen schadet, muss der Dorfpolizist vorher bestochen werden. Anschließend werden die Stängel getrocknet und geschlagen und die auf diese Weise entstehenden Fasern werden entwirrt und gekämmt und an dunklen Winterabenden am Spinnrad zu Fäden gesponnen. Anschließend wird das Garn gewaschen und getrocknet, am Webstuhl verwebt und im Frühjahr des neuen Jahres beginnt das Bleichen der Leinwände – denn Hochzeitskleider und Wäsche, so heißt es, müssen schneeweiß sein.

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Es gibt also viel zu tun in dieser Gegend und dementsprechend gibt es auch viele Sagengestalten, Kobolde und kleine Wichte, die, wenn man sie nicht verärgert, den Bauern bei der Arbeit helfen. Zum Dank bekommen sie dann Hirsebrei gereicht oder aber Hausgerät ausgeliehen, wie Fässer, Stampfen, Mulden und Schüsseln, um selbst backen oder aber Butter machen zu können. Und - bringt es vielleicht Glück, einem Fährmann zu begegnen oder lässt sich die Zukunft aus dem Wuchs einer Gurke lesen? Die zwei Frauen aus Burg, mit denen ich mich nach einer meiner Lesungen länger unterhalte, überlegen kurz. Für Aberglauben sei schon lange keine Zeit mehr, meint schließlich die Ältere der beiden. Sie erzählt, dass hier zur Wendezeit noch überall Plumpsklosetts auf den Höfen standen. Da glaube man doch nicht an solche Märchen, sagt sie und lacht, da sei man pragmatischer. Die Jüngere widerspricht ihr, sie empfinde sich zwar nicht gerade als abergläubig, habe aber durchaus einige Rituale ihrer Großmutter unbewusst übernommen. Darüber denke sie im Alltag schon gar nicht mehr nach. Die Rituale/ Aberglauben ihrer Großmutter: - dreimal auf Holz klopfen, um Schaden, Unglück oder Krankheit zu vermeiden - nach dem Stolpern gilt es, an die Stelle, wo man gestolpert ist, zurückzulaufen, damit der „rechte“ Weg fortgesetzt werden kann - und läuft eine schwarze Katze von links nach rechts, dann pecht’s – läuft sie dagegen von rechts nach links – Glück bringt’s Im Internet finde ich später eine Art Rangfolge der häufigsten Aberglauben. An erster Stelle steht das Glück bringende vierblättrige Kleeblatt, dicht gefolgt von der Sternschnuppe und dem Schornsteinfeger. Danach kommt schon die genannte schwarze Katze und die Unglückszahl 13.

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Glücksbringer und eine Kindermärchenlandschaft Kurz vor Ende der Stipendiumszeit stoße ich dann doch noch auf einen speziellen regionalen Aberglauben. Es heißt, im Spreewald soll es viele Ringelnattern gegeben haben und auch heute noch geben und so sind Schlangen hier nichts, wovor man Angst oder gar Ekel zu empfinden braucht. Sie gelten seit Jahrhunderten als Glücksbringer und als Freund der Spreewaldbauern, es ist also immer gut, Schlangen auf dem Gehöft zu haben. An den Firsten vieler Häuser sind zwei sich überkreuzende Schlangenköpfe angebracht, sie erinnern mich an die Bilder und Zeichnungen in den russischen Märchenbüchern meiner Kindheit. Und auch die Landschaft erinnert mich an meine Kindermärchen. Es gibt unzählige Birken hier, die den Spreewald im Sommer sicherlich sehr licht und freundlich wirken lassen. Doch jetzt, wo es immer früher dunkel wird, scheint mir die Gegend mystisch und rau, als würde sie den Blick des Fremden verwirren oder abwehren wollen. Immer wieder verliere ich auf meinen Spaziergängen die Orientierung. Auf einem Schild in Lübbenau steht geschrieben: „Eine Stadtmauer benötigte sie (die Stadt) nie, denn umgebene Fließe und dunkler Wald boten den notwendigen Schutz.“ Der Boden ist feucht, sobald ich vom rechten Weg abkomme, schmatzt es unter meinen Füßen. Ich begegne kaum Menschen auf meinen Spaziergängen, nur ab und an treffe ich auf vereinzelte Männer mit Schubkarren, die ihre Mützen nicht über den Ohren, sondern knapp oberhalb der Ohren tragen. Aber es gibt viele Sänger hier: - den Weidenlaubsänger - den Fitislaubsänger - den Gartenlaubsänger - den Schilfrohrsänger - den Drosselrohrsänger und den Teichrohrsänger.

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Abreise In ein paar Tagen ist Weihnachten. Ich habe so einiges geschafft, einen Essay geschrieben, verschiedene Gespräche geführt, Ideen im Kopf hin und her geschoben und mir Notizen zum neuen Roman gemacht. Und ich habe gerastet – in der Sauna, beim Schwimmen, beim Spazierengehen, beim Essen. Nun heißt es sich verabschieden. Am Tag vor meiner Abreise stelle ich mir den Wecker auf 5.00 Uhr und streife durch ein schlafendes Hotel. Ich suche die verschiedenen Ecken und Winkel auf, in denen ich in den letzten vier Wochen gesessen habe. Gegen 6.00 begegne ich den ersten Mitarbeitern, die in Richtung Umkleide eilen, auch im Büro des Küchenchefs brennt Licht und der Computer ist schon hochgefahren. Ich höre Stimmen aus der Küche, das Klappern des Geschirrs. Um 6.30 Uhr ist das Frühstücksbuffet vollständig aufgebaut, die einzelnen Tische wurden bereits von der Spätschicht gedeckt. In der Therme rieche ich die frische kalte Morgenluft, noch wird gelüftet, aber im Kamin prasselt schon das große Feuer. Es hört sich an, als ob jemand im Bad schwimmt und tatsächlich zieht da ein einzelner Gast ruhig seine Bahnen. Ich gehe einmal um das Hotel herum, es ist noch dunkel, Vögel fliegen tief und die beleuchteten Bäumchen links und rechts neben der Einfahrt wirken wie die Markierungen einer Landebahn. Zwei Gärtner laufen mit einem Rollwagen vorbei. Wieder im Haus notiere ich mir die lateinischen Begriffe aus den Pilzschaukästen, sie klingen so schön: Amanita muscaria, Boletus edulis, Boletus satanas. Dann bestelle ich mir den ersten Kaffee und schwatze ein wenig mit einer netten Mitarbeiterin, die in Greifswald geboren wurde und wie ich die Ostsee am liebsten im Winter mag. Es ist 7.40 Uhr und noch bin ich allein im Grünen Gewölbe, das Königsblau des Himmels wechselt allmählich ins Hellblau über. Um 7.53 Uhr wachsen ihm zwei rosenholzfarbige Horizontstreifen. Um 8.03 Uhr wird die Lichterkette der kleinen Brücke ausgeschaltet. Die rosenholzfarbigen Streifen sind inzwischen lachsfarben und die ersten Gäste kommen zum Frühstück. Ich gehe auf mein Zimmer und packe Notizbuch, Bleistift und Bademantel zusammen. Es gibt noch etwas in der Salzsauna zu erledigen, das habe ich schon länger vor: Ich notiere also, während mir der Schweiß auf das Papier tropft: M+T / H+B / P+B / A+A / S+J / P+U An manchen Stellen ist auch eine Gleichung zu finden: M+K=♥ / A+R=♥ / J+J=♥ / A+T=♥ B+J und K+B wurden dagegen gleich direkt ins Herz geritzt. 17


Winter 2011


Foto: © Andrea M. Müller

MARTIN BEYER 1976 in Frankfurt am Main geboren. Studium der Germanistik, Psychologie und Philosophie in Bamberg und Promotion. Arbeitet als Schriftsteller, Journalist und Dozent. 2009 erschien im Klett-Cotta Verlag der Roman „Alle Wasser laufen ins Meer“. Im selben Jahr Auszeichnung mit dem Walter-Kempowski-Literaturpreis. Zuletzt erschien der Essay: „Als ich neulich genexted wurde – Über die Heimatlosigkeit des Subjekts im Karussell virtueller Begegnungen“ (Radio Bremen). Martin Beyer unterrichtet Kreatives Schreiben an der Universität Bamberg und ist Mitveranstalter des Literaturfestivals „Bamberg liest“.

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Der Wassermann für Imre Török und Orhan Pamuk Wie schön, diese schlaflosen Nächte. Ich hätte beinahe Lust zu tanzen. Ein Walzer durch die Dunkelheit. Zwischen all den Dingen hindurch, die ich nicht kenne. Groß genug wäre dieses Hotelzimmer. Fremd genug die antiken Schränke, die Truhen, der Teppich an den nackten Füßen. Ich taste mich durch eine Schattenwelt, die Hand findet einen Lichtschalter. Ein kurzer Schmerz in den Augen verrät mir, dass das eine Grenzverletzung war. Zünde mir schnell eine Zigarette an und knipse das Licht wieder aus. Ich rauche übrigens nur in solchen Momenten, in denen es wirklich nicht einfach ist. Ich gehe ans Fenster und öffne es, paffe in die Dämmerung. Draußen die Kühle, draußen die Spreewaldstille. Ich sollte singen, denke ich, singen sollt’ ich. Wie ein Vogel, der den Morgen ankündigt. Der den Liebhaber weckt und ihn aus dem verbotenen Bett scheucht, bevor er entdeckt wird. Vögel sind überhaupt ganz wichtige Tiere. Wenn es mir früher schlecht ging, las mir meine Mutter immer ein Märchen vor, das von einem kranken Mädchen und einem Vogel namens Zbig handelte. Dieser seltsame Vogel führte das Kind in fremde Welten; es durfte zu den Sternen fliegen; Bilder malen, die lebendig wurden; durfte auf einer Theaterbühne stehen und sich beklatschen lassen. Und als der Vogel eines Tages nicht mehr kam, war das nicht wichtig, denn das Kind hatte die Zauberkunst des Vogels längst erlernt. Zimmerwände klappten auf, und das Kind war woanders, in einer Wüste oder am Meer, bei den Sternen oder tief im Inneren der Erde. Ob das Kind wieder gesund wurde, davon erzählte das Märchen allerdings nichts, das fällt mir erst jetzt auf. Statt eines Vogels höre ich ein Flugzeug, ich habe es nicht anders verdient. Auch das kann einen Liebhaber aufwecken, aber es ist weniger lieblich. Und derjenige, der da in meinem Bett liegt, was will der überhaupt von mir? Was will ich von ihm? Ich bin mir nicht einmal sicher, wer hier gewarnt werden sollte. Ich vor ihm oder er vor mir? Das Flugzeug ist deutlich zu hören. Ich sehe einen kleinen Schatten im Nachthimmel, eine stetig blinkende Silhouette. Das reicht, mit einem Mal ist die Erinnerung da. Die Erinnerung ist manchmal wie eine Katze, sie legt sich hin, wo sie will, sie faucht und kratzt, wenn man ihr zu wenig oder falsche Beachtung schenkt. Und wenn man einmal damit anfängt, sie zu kraulen,

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dann geht sie nicht mehr weg. Mir wird kalt. Das Flugzeug ist nicht mehr zu sehen, aber ich habe jetzt ein anderes vor Augen. Wenn man einmal damit anfängt, sage ich mir, bevor ich das Fenster wieder schließe. Wenn man einmal damit anfängt … * Ich lief los, wie ich noch nie losgelaufen war. An den Katzen vorbei, die sich gierig über eine mit Milch gefüllte Schale hermachten. In meiner Hand ein Flugzeug aus leichtem Balsaholz, bunt, mit einem Propeller und einem Gummiseil. Wenn man dieses Seil oft genug drehte, es aufzog, würde das Flugzeug fliegen. So viel hatte ich verstanden. Das Flugzeug würde über die ganze Wiese fliegen. Das Gras stand kniehoch, der Grund war leicht abschüssig; unten einer dieser Bäche, die so komische Namen hatten. Scheidungsfließ und Krummes Fließ. Ich hatte mir eine Stelle ausgesucht, neben einem windschiefen Baum, dort würde ich die Maschine fliegen lassen. Ich lief los, der Baum war beinahe erreicht. Da stolperte und stürzte ich. Und fiel und lag. Das Flugzeug war kaputt. Während ich mich aufrappelte und noch gar nicht richtig verstand, kam mein Vater. Er betrachtete aufmerksam das kaputte Flugzeug.

„Das kann man nicht mehr rückgängig machen“, sagte er ruhig und legte seinen Kopf schief.

Er meinte wohl: Dich kann man nicht mehr rückgängig machen. Erst jetzt begann ich zu weinen. Später waren wir am Wasser. Mein Vater stand mit hochgekrempelten Hosen in einem Fließ und sah sich Fische an und suchte nach Seerosen, die es nicht gab. Sein weißes Hemd war aufgeknöpft, man sah die behaarte Brust, sein Fell. Ich stand am Ufer, benetzte meine Füße mit Wasser, die Tränen trockneten nur langsam. Mein Vater trug einen Sonnenhut, der sein dunkles, wildes Haar einsperrte, sein Urlaubshaar. Und er hatte einen Urlaubsbart, der noch länger war als sonst und unten spitz zulief, er konnte ihn um den Finger wickeln. Mein Vater bückte sich und klaubte einen Stein auf.

„Der könnte was sein“, rief er mir zu.

Es war ganz sicher eine Aufforderung, zu ihm zu kommen. Also ging ich los. Das Wasser wurde tiefer und ich bekam Angst. Ich sah zu meinem Vater, er war mit seinem Stein beschäftigt. Der

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könnte was sein, hatte er gesagt. Ich lief weiter, einen Schritt nur, da blieb mein Fuß an etwas hängen, ich kam ins Wanken und fiel erneut. Jetzt würde mich der Wassermann holen, dachte ich mir. Er würde mir mit seiner Keule auf den Kopf schlagen und mich nach unten ziehen. Der Wassermann, der in den Fließen sein magisches Unwesen treibt. Ich ließ alles geschehen, hörte auf, mich gegen diesen Tag zu wehren, doch selbst das sollte mir nicht gelingen. Mein Vater zog mich aus dem Wasser, blitzschnell. Zuerst griff er nach meinen Haaren, dann packte er mich an Hals und Nacken, wie ein Kaninchen. Er hielt mich hoch wie eine Trophäe und sagte:

„Na, na!“

Wassertropfen in seinem Bart, sein Hut war verschwunden, der Wassermann hatte ihn statt meiner mitgenommen. Vater trug mich wortlos in das Hotel zurück, vorbei an den sich in der Sonne rekelnden Katzen. Irgendwo im Gras lag ein Flugzeug, das es nicht einmal zu seinem Jungfernflug geschafft hatte. Das ließ sich nicht mehr rückgängig machen. So viel hatte ich verstanden. Am Abend kam das Fieber. Ein Arzt besuchte mich am nächsten Tag und sprach in einem seltsamen Deutsch von Urlaubsmasern. Ich lag im Bett und starrte auf die dunklen Zimmerwände. Irgendwann wurde es Nacht, ich konnte nicht schlafen und lag in meinem Schweiß, das Laken und das Nachthemd klebten auf der Haut. Er ließ nicht lange auf sich warten, er war irgendwann einfach da. Grün und grau war er, sehr groß und elegant, aber nass, alles an ihm war feucht. Er hinterließ eine schmale Spur, als er durch das Zimmer ging. Einen Schnurrbart trug er, von dem es ebenfalls tropfte, auf seinem Kopf saß ein schmaler, gebogener roter Hut. Wenn er seine Hand hob, sah man Schwimmhäute zwischen den Fingern, sie reichten fast bis zu den Kuppen. Außer den Tropfgeräuschen war kein Laut von ihm zu hören. Er lächelte manchmal, doch es war kein Lächeln, das ich gekannt hätte. Ich konnte nicht verstehen, welche Absichten jemand hatte, der auf diese Weise lächelte. Das Zimmer veränderte sich mit ihm, das braune Holz der Wände wurde dunkler, beinahe schwarz, um die Gestalt herum lag ein grünlicher Schimmer, ein schwaches Licht, das mich dennoch blendete. Wie eine trübe Lichtkugel bewegte sich die Gestalt durch den Raum, und jedes Mal, wenn sie sich näherte, musste ich schreien. Dabei wusste ich nie, ob ich es wirklich tat, es war nichts zu hören. Trotzdem kam meine Mutter im richtigen Moment. Sie stand in der Tür, in ihrem dunklen Nachthemd. Sie machte Licht. Das blonde Haar fiel nach vorne, über ihre Schultern, vielleicht reichte es bis zum Boden. Ihr Gesicht war gerötet, sie hatte sich die

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Haut etwas verbrannt in der Spreewaldsonne. Ihre Lippen waren hell, als hätte sie einen weißen Lippenstift benutzt. Sie hielt ein Buch in der Hand.

„Das habe ich im Hotel gefunden“, sagte sie. „Hör mal, ich lese dir was vor. Es ist das Märchen

vom Vogel Zbig.“ Dieser seltsame Vogel Zbig also führte ein krankes Kind in fremde Welten; es durfte bis zu den Sternen fliegen; Bilder malen, die lebendig wurden; durfte auf einer Theaterbühne stehen und sich beklatschen lassen. Und als der Vogel eines Tages nicht mehr kam, war das nicht wichtig, denn das Kind hatte die Zauberkunst des Vogels längst erlernt. Nur ob das Kind wieder gesund wurde, davon erzählte dieses Märchen nichts. Aber das wurde mir erst viel später klar. * Wie schön, diese schlaflosen Nächte. Und wie gefährlich. Ich beschließe, doch etwas zu singen, etwas mitzusingen. Ich gehe durch die Schattenwelt, bis zu der Stelle, wo der Stapel mit den CDs liegt. Meine Musik, die ich überall hin mitnehme, ohne die ich mich nicht sicher fühle. Ich versuche, es diesmal ohne den Lichtschalter zu schaffen. Meine Hand fährt über die Plastikhüllen, es soll eine zufällige Auswahl sein. Die Hand streicht vor und zurück, ich will diesen Moment auskosten, es ist wie bei einer Lotterie. Doch an einer Stelle ragt etwas zwischen den CDs hervor, ein Papier vielleicht, ein Zettel. Ich ziehe ihn heraus, es ist wirklich ein Papierschnipsel. Im Dämmerlicht kann ich ihn ganz gut erkennen, es ist heller geworden im Zimmer. Wie leicht man ihn bezwingen kann. Man muss nur darauf kommen, wie es geht. Es war nicht nur dieses Märchen mit dem Vogel, es war auch der Trick mit den Schallplatten. Diese glitschige Gestalt, mit ihrer roten Melone auf dem Kopf und den Schwimmhäuten zwischen den Fingern, sie kam nach unserem Urlaub im Spreewald immer wieder. Immer, wenn ich krank war. Da konnte der Vogel Zbig nicht jedes Mal helfen, ich konnte mich nicht die ganze Nacht in einer anderen Welt verstecken. Das ging so lange, bis mein Vater mir einen Trick verriet, wie ich den unheimlichen Besucher loswerden konnte. Mein Vater saß an seinem Schreibtisch, seinen ­silberfarbenen Füller in der Hand, Haar und Bart sorgfältig geschnitten. Sein Arbeitshaar und sein Arbeitsbart. Er riss ein Stück Papier von der Seite, an der er gerade schrieb.

„Wenn er wiederkommt“, sagte er, „dann gehst du zu den Schallplatten und suchst diesen

Schnipsel. Ich schreibe eine Formel drauf und verstecke ihn dort. Eine von den Platten, zwischen

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denen dieser Papierschnipsel steckt, spielst du ab. Aber leise, hörst du, ganz leise. Und du singst dazu, verstanden? Aber leise, ganz leise. Und ich verspreche dir, er wird nie wiederkommen.“ Ich weiß nicht mehr, wo der Papierschnipsel gesteckt hat. Ich ziehe eine CD heraus, wo es ungefähr gewesen sein könnte. Ich nehme die kleine Scheibe in die Hand, zwinge mich, nicht auf die Hülle zu sehen. Das Morgenlicht setzt sich langsam durch, ich kann ohne künstliches Licht die CD in den Player schieben. Ein sirrendes Geräusch. Wenn man einmal damit anfängt, sage ich mir, noch bevor der erste Ton zu hören ist. Wenn man einmal damit anfängt. Ich erkenne es sofort.

„Eine gute Wahl“, sage ich zu meinem Vater, der es nicht hören kann und vielleicht doch

hören wird. Ich fange an zu tanzen. Ganz langsam, zwischen all den Dingen hindurch, die ich nicht kenne und die mir fremd genug sind, um mich das alles zu trauen. Und ich singe. Man muss wie ein Vogel zwitschern, singe ich. Man muss hell wie klares Wasser leuchten. Man muss einfältig sein wie ein Kind. Vögel sind überhaupt ganz wichtige Tiere. Sie wecken mit ihrem Gesang den Liebhaber und scheuchen ihn aus dem verbotenen Bett, bevor er entdeckt wird. Das habe ich endlich geschafft, denn jetzt steht er auf der Türschwelle. Was will er von mir? Was will ich von ihm? Ich kann ihn ganz gut erkennen, um ihn herum schimmert es, als wäre er selbst eine schwache Lichtquelle. Einen Schnurrbart trägt er, den ich vorhin neugierig und ohne Angst betastete, auf seinem Kopf sitzt wieder der schmale, gebogene Hut, der mir bekannt vorkommt. Jetzt weiß ich, warum. In diesem Licht kann man kaum unterscheiden, was Haut und was Kleidung ist, alles ist gleichfarbig, grün und grau. Er hebt seine Hand; mir kommt es so vor, als sähe man Schwimmhäute zwischen den Fingern, sie reichen fast bis zu den Kuppen. Von ihm ist kein Laut zu hören. Er lächelt, scheint mir, doch es ist kein Lächeln, das ich gekannt hätte.

„Wir gehören zusammen!“, sagt er plötzlich. Oder fragt er mich das?

Ich nicke ins Dämmerlicht – und antworte nach einer Pause:

„Das kann man nicht mehr rückgängig machen.“

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Fr端hjahr 2012


Jan Decker 1977 in Kassel geboren, ist Autor und Dramatiker. Er lebt seit 2013 mit seiner Familie in O ­ snabrück.­­ Von 2004 bis 2008 studierte er am Deutschen Literaturinstitut Leipzig (DLL). Ab 2005 veröffent­ lichte er zahlreiche Rundfunkarbeiten, zuletzt das Hörspiel „Jockey Deutschland“ (SWR 2014), ­das zum­Hörspiel des Monats August 2014 nominiert war, und das Feature „Mein digitales Ich“ (MDR 2014).­Sein Werk wurde mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit einem Stipendium des Künstler­hauses Lukas für Island (2015). Jan Decker unterrichtete an der Hochschule für Gestal­ tung Karlsruhe und der Universität Osnabrück, und legte mit „Praxisleitfaden Hörspielwerkstatt“ (2014) beim Ernst Klett Verlag eine didaktische Handreichung zum Hörspiel vor. Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.

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Die Geschichte meiner Erfindung Ich bin kein begabter Erfinder. Seit Jahren versuche ich zum Beispiel, eine Konstruktion zu erfinden, mit deren Hilfe man im Liegen trinken kann. Sie kennen bestimmt das Problem. Gerade in der bequemen Position des Liegens, etwa beim Buchlesen, muss man sich halb aufrichten, um an den Rand eines Bechers oder Glases zu gelangen. Doch erwarten Sie von mir keine Abhilfe. Ich habe es mit dem Flachbecher probiert, der in der Testphase allerdings versagte. Einmal begoss ich mich mit dem Flachbecher im Liegen derart mit Orangensaft, dass mein Lieblingspullover für alle Zeiten ruiniert ist. Doch, ich habe Ingenieure immer schon bewundert. Im Grunde hätte ich gern das Flugzeug erfunden, wenn es nicht schon vor mir auf der Welt gewesen wäre. Auch ganze Wälder würde ich gern auf meine Kappe schreiben können. Sie werden staunen. Einen Wald erfinden? O ja, irgendwer ist für all das verantwortlich, was es auf der Welt gibt. Genauer gesagt: Jeder Gegenstand, der auf der Welt existiert, hat seinen Erfinder. Und kennen Sie eine schönere Erfindung als den Wald? Die immer frische Luft. Das schattig abgestufte Licht. Der sanft bewachsene und zart umrankte Waldboden. Ich schweife ab in eine Idylle, weil ich sie erlebt habe. Zum Beispiel den Spreewald, sozusagen die Mutter aller Wälder. Wenn er im Frühjahr zart aufblüht und das Netz seiner Kronen langsam schließt, wenn die Wasserwege allmählich schwer werden von Blütenteilen und allerlei sanft abgelegtem Getier, dann möchte ich mich in diese Erfindung legen, wie Ophelia aus anderen Gründen in das Wasser stieg. Behutsam, doch entschlossen. Schritt für Schritt. Ich möchte vom Spreewald trinken, am besten mit dem Flachbecher, um erfreut und gestärkt in die Welt hinauszugehen. Unter dem Gesichtspunkt der Erfindungsgabe bin ich ein zu spät Gekommener. Ein heilloser Nachzügler, der ohnehin in einer Epoche lebt, die alles schon erfunden hat. Denken Sie nur an die großen Erfindungen, die Ihnen das Leben jeden Tag erleichtern! Beginnen Sie mit Flugzeug, Eisenbahn und Auto. Ich erwähnte bereits, dass die Erfindung dieser Gegenstände meinen besonderen Neid erweckt. Gehen Sie weiter zu den kleinen Dingen des Alltags, die Sie ganz selbst-

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verständlich unterstützen. Taschenlampe, Feuerzeug, Mobiltelefon. Und landen Sie schließlich bei den feineren oder reinstofflicheren Erfindungen, als welche ich die Werke der Literatur bezeichnen möchte. Das ist nun eigentlich meine Domäne, da die technischen Ingenieure so fleißig waren und so ergiebig getüftelt haben. Wenn alles schon erfunden ist, möchte ich sagen, kann doch einer wieder davon erzählen. Berichten also darüber, wie alles begann. In meinen Augen, in meinen Ohren. Natürlich, das muss eine eigene Erfindung sein. Und auch das andere ist wahr: So lange ich denken kann, erfinde ich. Und solange ich denken kann, erfinde ich nicht im stillen Kämmerlein. Das stille Kämmerlein ist mir sogar ein ziemlicher Horror. Vielleicht bin ich deshalb kein klassischer Erfinder geworden. Neulich reiste ich etwa in den Spreewald, um zu erfinden. Ich wollte mich nicht mit einem zweitklassigen Wald abgeben, mit einer lächerlichen Lichtung bei Herne, einer Sammlung von Büschen bei Buxtehude oder einem Haufen schiefen Holzes bei Gefrees im Fränkischen Wald. Nein, ich wollte in die Mutter aller Wälder, und das im Frühjahr. Ich packte meinen Erfinderkoffer und machte mich auf den Weg. Hören Sie nun, wie so ein Ausflug eines Erfinders aussieht, erfahren Sie, welche Erträge er mit nach Hause nimmt. Ich verlasse das Hotel nach einem stärkenden Frühstück und schaue in den Himmel. Die Wetterlage ist für das Erfinden von größter Bedeutung. Zum Beispiel fallen mir bei schönem Wetter die Erfindungen sehr leicht, weshalb ich grundsätzlich gebremst bin. Ganz einfach, weil ich in Deutschland erfinde. Allerdings sind mir Wolken willkommen, sie schützen vor dem Abheben der Gedanken. So dass die Zeit des Frühjahrs in Deutschland wiederum eine ganz famose Zeit zum Erfinden ist. Wichtig erscheint mir, dass Sie bei jedem Wetter losziehen und Ihre Erfindungen machen. Nur aus der täglichen Routine erwächst die Praxis, vor allem in einem so halbseidenen Geschäft. Lassen Sie sich nicht vom Wetter aufhalten, schon gar nicht in Deutschland! Erfindungen sind ja nichts als fortgesetzte Frühjahrslaunen, weshalb Sie andererseits guten Gewissens in Ihrem Ingenieurbüro oder stillen Kämmerlein sitzen können, wenn Sie das aus-

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halten. Aber nicht jetzt zur allerschönsten Jahreszeit im Spreewald! Umtanzen Sie die kleinen Wasserwege, erkunden Sie das aufblühende Unterholz. Geraten Sie in jenen Zustand der fortwährenden Verliebtheit, in dem sich einzig vernünftig erfinden lässt. Nicht von mir stammt diese Kernweisheit des Erfinders, sondern vom technischen Ingenieur Goethe. Fühlen Sie sich an einem Tag schlecht, lautet seine zweite Anweisung, verschieben Sie das Erfinden auf den nächsten Tag. Ich bin auf meinem Spaziergang im Unterholz angekommen und betrachte voller Neugier die Formen der Natur. Nun wird in den Erfinderkoffer eingepackt, was die Natur hergibt. Da spreizt sich ein Blütenkelch sanft zur Seite und richtet sich schon halb im Wachstum auf. Da lagert Moos zwischen Baumstamm und Ast und schafft ein weiches Bett für das kleine Insektenvolk. Das Ineinandergreifen der Lebensformen müssen Sie anschauen, um Erfinder zu werden. Irgendwo hier liegt die DNA der Welt verborgen. Auch eine zweite Kardinaltugend gehört zu diesem seltsamen Beruf, eine, die ich bisher verschwiegen habe. Sie sind ein einsamer Verliebter und werden es immer bleiben. Sobald Sie sich ins Getümmel werfen, werden Ihnen Zeit und Muße zum Erfinden fehlen. Angenommen, auf Ihrem Spaziergang kommt Ihnen ein verliebtes Paar entgegen, springen Sie in die Büsche! Denn was Sie gar nicht gebrauchen können, ist zu viel Ablenkung. Mancher Erfinder mag ein Zimmer mitten in der Riesenstadt New York beziehen, das Fenster offenhalten und doch seinen abgelegenen Gedanken nachgehen können. Wichtig ist, dass Sie frei von Beobachtung sind, während Sie beobachten. Sonst fühlen Sie sich ertappt. Auch deshalb ist der Spreewald ein besonders geeignetes Biotop für Erfinder. Tatsächlich begann auch meine Erfindungsgabe in einem Wald, wenn auch nicht im Spreewald, sondern im Spessart, jenem Gespenster- und Räuberwald, der eine schier unfassbare, von keinen Wasserstraßen durchbrochene Weitläufigkeit hat. Ich gebe zu, dass ich oftmals die Schule schwänzte, um als noch unerfahrener Erfinder durch den Spessart streifen zu können, wo mir zum ersten Mal die Fülle der Natur erschien. Denken Sie an die Propellergestalt der Baumsamen, die vom Himmel purzeln. Oder an die Tarnung mancher Tiere durch geschickten

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Unterstand im Wald. Gerade der militärische Bereich kann enorm vom Wald lernen. Und ich entwickelte damals meinen eigenen Schlachtplan. Ich schwor mir, immer wieder zu diesen Beobachtungspunkten zurückzukehren. Auf diese Waldwege, die scheinbar menschenleer und ereignislos waren, doch vollgestellt von Erfindungsgeist. Auch wenn mich das handwerkliche Geschick damals noch im Stich ließ, entwarf ich im Geist doch spannende Erfindungen. Manchmal waren es zwei hymnische Strophen, die ich zu Hause auf ein Blatt Papier schrieb. Bewahren Sie die Erträge Ihrer Waldspaziergänge auf jeden Fall für sich, um später alle möglichen Früchte daraus zu schlagen. Wenn Sie diese Strophen vorschnell der Angebeteten vermachen, bleibt Ihnen nichts. Der Erfinder muss mit seinem Material haushalten wie eine Hauspflanze, die selten gegossen wird. Immer wieder sehe ich etwa das Bild eines kleinen Käfers auf dem Waldboden vor mir, der mit seinen Stummelbeinen strampelte, auf dem Rückenschild liegend, und sich mit seinen Kräften völlig verausgabte, anstatt auf den Wind zu warten, der ihn wieder vom Kopf auf die Füße stellen würde. Schließlich spreizte er sogar seine dünnen Flügel aus, in der Annahme, diese würden ihn kopfüber stoßen. Doch nichts geschah und so erscheint mir dieser Käfer bis heute als das Sinnbild des gescheiterten Erfinders. In einer Frühjahrslaune schenkte ich mir nach der Schulzeit eine erste längere Zeit im Wald, mit dem Wanderrucksack bewaffnet. Es waren Tage im grünen Rausch. Nur von Blättern und Holz war ich umgeben, die Abwesenheit von müßigen Alltagspflichten erfüllte mich wohlig. Ich wusste, dass es an der Zeit war, meine erste große Erfindung zu machen. Ich träumte, davon zu erzählen, wie alles begann. Nach meiner wohlig einsamen Wanderung durch den Wald setzte ich mich hin und erfand meine erste Erzählung. War das meine Geburt als Erfinder? Wer erfindet, muss datieren können. Die Datierung muss nicht exakt sein, aber zuverlässig. Sagen Sie sich: Das ist meine erste Erfindung. Alles davor war nur ein Experiment, ein folgenloses Umherschweifen. Machen Sie auch eine Bilanz auf und sagen Sie sich, wie viel Sie noch erfinden wollen. Ich möchte zum Beispiel nicht abtreten, bevor ich der Menschheit nicht eine

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Lösung zum Trinken im Liegen anbieten kann. Was Sie vom gewöhnlichen Waldspaziergänger unterscheidet, ist Ihr militanter Geist. Anfang und Ende liegen in Ihren Händen. Machen Sie sich die Welt gefügig, um sie erfinden zu können. Denken Sie vor allem immer daran, wie alles begann. Noch immer bin ich auf dem Waldspaziergang, der nach außen hin durch Ereignislosigkeit glänzt. Der Spreewald strahlt mich mit seinem schönsten Frühjahrsgesicht an, doch es fehlt das menschliche Drama. Scheinbar, denn es spielt sich im unermüdlich arbeitenden Geist des Erfinders ab. Er wälzt zehn Schlachtpläne, zieht zwei Bataillone zusammen, übersieht drei Heerspitzen und schaut, wie er der Natur etwas nachbilden kann, was ihr gleicht und was sie dennoch übertrifft. Die Erfindung summiert, wie alles begann. Im Grunde könnte ich immer hier leben und schreiben. In der Ruhe eine gleichförmigen Tages, ohne willkürliche Störungen, wirklich aufgehoben im Schoß der Natur. Merkwürdig, wie der Erfinder auf die Erträge schielt, sobald er mit anderen zusammengepresst ist, sobald seine Erfindung überfällig zu sein scheint. Dabei ist alles in bester Ordnung. Hinter dem Erfinder ruhen die Patentpläne in großen Buchregalen, vor ihm liegt das Schreibfenster und draußen der ruhende Spreewald. Ich erinnere mich, wie ich in den Jahren nach den Spaziergängen und Wanderungen im Spessart schreiben musste. Es waren die Jahre in den Städten, die eine wichtige Station im Werdegang des Erfinders sind. Da flogen die Flugzeuge rasend über mein Haupt weg, da dröhnten die Autos vor meinem Fenster, da schossen die Eisenbahnen Tag und Nacht an meinem Bett vorbei. Aus den Städten kommen die großen bewusstseinserweiternden Krankheiten. Vor grauer Zeit ging ich dort mit einer großen Erfindung schwanger, deren Namen ich selbst nicht kannte. Ich gab ihr Raum zu wachsen, auf Spaziergängen und Wanderungen, die mich jetzt nicht mehr durch Wälder, sondern durch Industriegebiete führten. Nein, ich schielte nicht auf den Ertrag. Sondern ich erinnerte mich an die eigentümliche Stimme, die mich damals im Spessart durch den Wald geführt hatte. Ob der Erfinder der Glühbirne auch von einer Geisterstimme geführt wurde? Doch zu der namenlosen Erfindung gesellte sich eine Krankheit durch Überhitzung der Nerven. Mein städtisches Fieber dauerte vier Wochen.

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Danach setzte ich mich hin und schrieb eine Seite. An sich ein lächerlicher Ertrag. Wenn ich die Monate im Kalender richtig zählte, hatte ich jetzt schon zwei Jahre in den Städten verbracht. Und doch stimmte alles. Das war der Erfindungsgeist, der mich die nächsten Jahre forttrug. Ich hatte das Erbe bewahrt, die Fackel weitergetragen. Und ich hatte meine erste Erzählung geschrieben. So ging es dann weiter mit raschen Erfindungen. Nein, nicht ganz. Ich musste einen weiteren Umweg gehen, und tausend andere, bevor ich sagen konnte: Ein Anfang ist gemacht. Von den Städten ging ich an die Küste, zurück in die Städte, wieder an die Küste, dann ins Ausland, in die Provinz und schließlich in den Spreewald. Ich verdaute, erkrankte und gesundete. Ich verschliss und verwarf. Ich ergraute. Nein, das steht mir noch bevor. Aber ich begab mich in den Kreislauf der Jahresringe der Bäume, die geduldig sind und mit dem Wasser haushalten können. Und das alles machte ich nur, um in den Zustand der fortwährenden Verliebtheit zu geraten, in dem man einzig erfinden kann. Halten Sie das für eine maßlose Selbstüberhöhung? Sie haben Recht. Ich sagte bereits, ich bin kein begabter Erfinder. Technisch gesehen bin ich sogar eine Null. Nur die zweite Gabe des Erfinders steht mir zur Verfügung und von ihr zehre ich reichlich. Anfang und Ende setzen, die Dinge beim erfundenen Namen nennen. Dieser kindliche Akt ist es, den ich für meine ganze Erfindungsgabe halte. Und von ihr muss ich berichten, wenn ich von meinem Ausflug in den Spreewald berichte. Da waren also zum einen die Spaziergänge, die zur DNA des Erfinders gehören. Wer seine Gedanken nicht hinaus in die Natur trägt, der macht sie nicht plastisch. Sie schlagen an die Wände und von dort zurück auf den Erfinder. Fällt Ihnen eine großartige Erfindung ein, so beherzigen Sie unbedingt folgenden Ratschlag: Gehen Sie vor die Tür und vergessen Sie die Erfindung. Machen Sie einen ausgiebigen Spaziergang. Was Sie nach Ihrer Rückkehr behalten haben, was also förmlich gegen die weithin ausgebreitete Biomasse der Natur anstinken kann, das wird Bestand haben. Scheuen Sie sich nicht davor, die Sache des Erfinders einmal so profan zu betrachten. Ich erzählte Ihnen bereits, wie ich an meiner namenlosen Erfindung in den Städten krankte, weil ich sie nicht loslassen wollte.

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Nicht loslassen wollte ich sie, weil ich nicht im Spreewald war und auch nicht im Spessart, sondern an einem Ort, der mir jede neue Erfindung durch eine schiere Übermacht an sinnlichen Eindrücken entreißen wollte. Flugzeug, Auto, Eisenbahn. Ich erinnere mich an einen Mann in der Unterführung des Hannoveraner Hauptbahnhofs, der mir eines Tages verschwörerisch zuraunte, ich solle mich umbringen. Die Natur wird Ihnen dergleichen niemals sagen, obwohl mir einmal ein tollwütiger Hase in einem Waldstück nördlich von Hannover in den Nacken sprang. Der Hase ließ mich meine Erfindung behalten, der verschwörerisch raunende Mann gab mir lediglich ein Rätsel auf, das er selbst war. Halten Sie sich also die Menschen vom Leib, um ihnen im Gegenzug einen großen Dienst zu erweisen. Sprechen Sie nicht von Ihrer Mission, denn Ihren Erfinderkoffer wird man weder sehen noch als einen solchen erkennen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Wer nicht Erfinder werden will, sollte aus keinem Grund der Welt des geselligen Umgangs entbehren. Aber für Sie gelten Sonderregeln, denn Sie wollen das neue Flugzeug bauen, das neue Auto, die neue Eisenbahn. Sie arbeiten am unerhörten Gegenstand und hier ist Ihr Rückzug keine Mode, sondern schlichte Notwendigkeit. Sie sind ein Tier in der Brutzeit, das einen Unterstand wählt. Bitte machen Sie auch selbst keine Mode aus Ihrer Einsamkeit. Reden Sie nicht von ihr und erzählen Sie nach Ihrer Rückkehr, dass Sie froh sind, wieder unter den Menschen zu sein. Ich berichte über eine prächtige Frühjahrslaune, die ich im Spreewald kultivieren konnte, und gerate in einen Leitfaden für Erfinder. Woran liegt das? Wahrscheinlich, weil dieser Ort das Maß des Nützlichen übersteigt und die geballte Naturschönheit dann doch wieder nach menschlicher Gesellschaft ruft. So hat jeder Ort seine Aura für den Erfinder und irgendwo zwischen der Riesenstadt New York und dem wuchernden Amazonas liegt der frühjahrsschöne Spreewald. Zum anderen bin ich durch eine längere Folge von Erfinderaufenthalten in der Fremde oder Ingenieurreisen in der ungefragten Rolle des Lehrmeisters, der seine Erfahrungen an eine unbekannte Schülerschar weitergeben möchte. Erfinden konnte ich etwa gut in jenem blütenweißen Zimmer an der Küste, das ich letztes Jahr bewohnte. Und erfinden konnte ich gut hier in der grünen Abgeschiedenheit des Spreewalds. Erfinden konnte ich nicht in der südlich erhitzten

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Stadt, die mich letztes Jahr aufnahm. Und auch nicht in der lieblichen Provinz vor den Toren Leipzigs, die in diesem Winter meine Heimat war. Mir scheint, für den Erfinder muss landschaftlich ein Endpunkt erreicht sein, wie ihn die Küste natürlicherweise bildet, oder das nur mit Kähnen in seiner Gänze zu erkundende Gebiet des Spreewalds. Hier nimmt das menschliche Treiben einen ebenso natürlichen Auslauf, die eigentliche Domäne des Wald- oder Küstengängers beginnt. Den Gedanken ist kein Widerstand gesetzt, wenn sie auf einem langen Spaziergang durchgeschüttelt und durch das Sieb der Relevanz gepresst werden. Irgendwo in der Stadt habe ich das Patent für den Flachbecher verloren, mit dem man in Zukunft im Liegen trinken können soll. Und ich meine nicht den Schnabelbecher, wie er im Krankenhausbereich eingesetzt wird. Eine andere Frage ist die nach der Quantität der Erfindungen. Auf meinen Ingenieurreisen habe ich in den letzten Jahren nun einige Texte oder sekundäre Erfindungen zurückgelassen, so dass die ersten Wünsche in mir aufkamen, mich eines Tages zur Ruhe zu setzen und nicht mehr aus mir selbst schöpfen zu müssen. Ich weiß, dass diese Vorstellung ein Trugbild ist. Die Entscheidung, die ich damals im Spessart traf, war folgerichtig. Das tüchtige Handwerk führt in den Kreis der Menschen, in deren Mitte man sich eines Tages zur Ruhe setzen darf. Das Reich der Erfindungen besitzt aber eine gewisser Renitenz, die man sich als junger Erfinder nicht auszumalen wagt. Es gibt hier kein Entkommen, solange der Flachbecher nicht erfunden ist. Und danach wartet vermutlich die nächste Erfindung. Alles begann übrigens, das fällt mir jetzt wieder ein, vor den Wäldern. Die Geschichte kehrt am Ende in die Städte zurück, aus denen sie ursprünglich kam. Ich erinnere mich, dass ich als Kind an den aufgeklebten Etiketten von Gebrauchsgegenständen festhing und sie immer wieder ausgiebig mit staunender Hingabe las. Nicht eigentlich Erfindungen meine ich, sondern zu Waren gewordene Erfindungen. Die Anordnung des Textes auf diesen Gebrauchsgegenständen hatte für mich einen hohen Grad an Erfindungsgabe und gleichzeitig eine hohe Wahrhaftigkeit. All das meine ich, was auf einer Zahnpastatube oder einer Reinigerflasche zu lesen war. Ich fragte mich, wer darüber entscheidet, was auf der Zahnpastatube zu lesen war und was nicht.

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Das geheime Spannungsmoment war mir noch nicht bewusst, nämlich der beschränkte Platz. Ich ahnte aber, dass sich so verschiedene Informationen auf diesen Gegenständen wiederfinden mussten, etwa Inhaltsstoffe, Adresse des Herstellers und bei manchen Gegenständen auch eine kleine Gebrauchsanweisung, dass so ein Etikett eine kluge Erfindung war. All das fand ich später im Wald wieder, der auch eine eigene Etikettierung hatte, und der je nach Größe all das streuen musste, was ich als Wald zu lesen gewohnt war. Da waren Bäume, Blätter, Moos und Tiere. Aber auch das kleine Rankwerk am Boden, das so schwer mit Worten zu beschreiben war. Auf dem Etikett einer Zahnpastatube wäre es mit den kryptischen Abkürzungen in der Angabe der Inhaltsstoffe vergleichbar. Nehmen Sie den Text auf einer Zahnpastatube und lesen Sie ihn in zwei Richtungen. Beziehen Sie ihn einmal auf den Spreewald und die geheime Alchemie seines Zaubers. Zum anderen denken Sie an Ihre Erfindung, die irgendwo in diesen Kryptoformeln versteckt sein mag. Ihre Erfindung hat immer zwei Seiten. Die seiner Erscheinung und die seines Gebrauchswerts. Aber nein, ich verschone Sie mit dem Zahnpastatuben-Text und den Häutungen einer Ingenieurseele im Frühjahr und lade Sie auf einen Spaziergang in den Spreewald ein, allein oder in Gesellschaft. Solange wir dieses Biotop haben, ist uns nichts Menschliches fremd. Die Entfremdung kommt aus den Riesenstädten. Ohne sie hätten wir andererseits auch keine Erfindungsnot für den entfremdeten Städter. Aus dem beschränkten Platz scheinen sich also immer die rettenden Kräfte der Erfindung zu erheben, aber vielleicht ist das auch ein Mythos. Denn erfunden haben wir Menschen wohl schon immer, so haben wir uns die Welt angeeignet, als sie uns noch nicht so freundlich zugetan war. Im Umkehrschluss ist sie das erst durch unsere Erfindungen geworden, die also wirklich das Gesicht der Welt verändert haben. Welche Rolle mein Flachbecher im langen Gefolge der Menschheitserfindungen spielen wird, ist noch nicht abzusehen. Allein ich weiß, jede Erfindung hat ihre Zeit. Wie schon erwähnt, ich hätte lieber das Flugzeug erfunden. Aber es ist auch gut möglich, dass ich mir in jener historischen Stunde gewünscht hätte, die Dampfmaschine zu erfinden.

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Eine zweite Tugend des Erfinders ist hervorzuheben, die mich gleichwohl nicht vom Pfad der Frühjahrslaune und immerwährenden Verliebtheit abbringt. Von den eigentlichen Erfindungen haben wir zu schweigen. Wir messen sie tatsächlich im stillen Kämmerlein aus, entwickeln sie weiter und präsentieren sie nach einer endlos langen Reihe von Versuchsanordnungen eines Tages stolz der gespannten Mitwelt. Auch in meinen Frühjahrswochen im Spreewald konnte ich in Ruhe und ­Abgeschiedenheit an weiteren Erfindungen arbeiten und ich bin denen dankbar, die mir dieses Labor und stille Kämmerlein verbunden mit der schönsten Natur zur Verfügung stellten. Wenn ich hier davon berichte, wie alles begann und im Spreewald weiterging, wenn ich also eine Art Werkstattbericht oder Brief an die Kommission vorlege, so kann ich die eigentlichen Früchte meiner Arbeit, vor allem den Durchbruch beim Flachbecher, doch erst in einer ferneren Zukunft nachreichen, in der mich vielleicht schon wieder eine Riesenstadt verschluckt hat. Aber es ist gut, dass die Erfindungen Ort und Zeit überspannen. Sie sind neben den Dingen der Natur die zweiten Universalien, mit denen wir uns auf der Welt miteinander verständigen können. Ich kündige an, dass ich den Spreewald eines Tages mit dem Flachbecher in der Hand wieder besuchen möchte und dass sich im Wesentlichen nicht viel geändert haben wird. So schöpft der Erfinder aus einer an Behäbigkeit grenzenden Regelmäßigkeit, die seinen Werkstattbericht unfreiwillig an den Rand der Zote zwingt. Kann er doch nur sagen: Ich war hier und habe erfunden. Und ich habe mich pudelwohl gefühlt.

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ANNA-ELISABETH MAYER 1977 in Salzburg geboren. Lebt derzeit in Wien und Brüssel. Absolvierte an der Universität Wien ein Studium der Philosophie und Kunstgeschichte, anschließend Alphabetisierungsunterricht für MigrantInnen sowie Zusammenarbeit mit der kubanischen Tanzgruppe „Ibbeyis“. Wiederholte Aufenthalte in Kuba. Zweitstudium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Diverse Literaturstipendien, zuletzt am Literarischen Kolloquium Berlin. Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. Ihr Romandebüt „Fliegengewicht“ erschien 2010 im Verlag Schöffling & Co. 2014 erschien ebenso dort ihr zweiter Roman „Die Hunde von Montpellier“.

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Hotel Pension Zur Herberge Gut, dass wir zeitig aufgebrochen sind, sagte Onkel zufrieden. So entgehen wir dem Urlaubsverkehr – alle wollen unbedingt in die Schweizer Berge! Im eigenen Land gibt’s so viel zu entdecken, schwärmte Tante und wies aus dem Autofenster: Dort beginnen die Kanäle, wie in Venedig! Spricht man hier auch Italienisch?, wollte mein Bruder wissen. Lubnjow, Tante zeigte auf einen Wegweiser, klingt noch schöner. Hier ist im Winter wenigstens geheizt, war Onkels Beitrag hinter dem Steuer. Wird in der Schweiz nicht geheizt?, fragte mein Bruder nach vorn. Das hat seinen Preis, erwiderte nur Tante und lächelnd drehte sie sich zum Rücksitz: Dort, wo wir übernachten, gibt es bestimmt auch viele nette Kinder zum Spielen. Viktor und ich sahen aus dem Fenster. Hotel Pension Zur Herberge stand über dem Eingang. Eine Frau in Trachtenjacke streckte uns hinter der Rezeption die Hand entgegen. Gerda Berger war auf einem Schild an ihrer Bluse zu sehen. Hab Sonne im Herzen las Viktor langsam die Aufschrift auf dem Wandbehang hinter ihr vor. Sie schenkte uns zwei Traubenzuckerlutscher und meinte: Franzi wird sich über Spielkameraden freuen! Er wird euch sicherlich gleich die Hasen zeigen wollen. Dürfen wir noch einen Lutscher haben?, fragte ich. Sie gab uns noch einen – für nach dem Essen. Und zu Onkel und Tante mit sanfter Stimme: Um acht Uhr ist Frühstück und als gemeinsamer Start das Wort zum Tag. Das Wort zum Tag?, Onkel sah Tante fragend an, sie wich seinem Blick aus. Frau Berger begleitete uns in das Zimmer. Im Lift lächelte sie uns ununterbrochen an. Zu Onkel und Tante sagte sie: Wir bemühen uns, christlicher Gastlichkeit gerecht zu werden. Die Koffer wurden abgestellt und Frau Berger wollte uns die gesamte Hotel-Pension zeigen, wir fuhren also wieder in das Erdgeschoss. Das ist der Raum, in dem die Mahlzeiten eingenommen werden und wir gemeinsam den Tag begrüßen, und sie schaltete das Licht ein. Die Tische waren bereits für zu Mittag gedeckt. Zweimal wöchentlich stehen hier auch Abendveranstaltungen auf dem Programm, die sich mit der christlichen Meditation in unserer Zeit befassen, Onkel runzelte die Stirn und Frau Berger löschte das Licht. Wir fuhren in den Keller. Hier ist der Wohlfühlbereich und sie lächelte Onkel an. Gut, dass wir neue Bademäntel haben!, sagte Tante. So?, fragte Onkel erstaunt. Die Sauna hat drei Liegeflächen, unterdessen Frau Berger. Wir gingen weiter zu einem Raum am Ende des Ganges. Das ist für die Kinder interessant – Frau Berger schaltete das Licht ein: Die Schläger und Bälle bekommt ihr oben. Wir gingen den Gang zurück und fuhren in den ersten Stock. Jeden Freitag halten wir hier

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in unserer hauseigenen Kapelle eine Andacht. Frau Berger öffnete eine Tür: gepolsterte Stühle, ein kleiner Tisch, darüber ein Holzkreuz. Ich gehe vor in unser Zimmer, sagte Onkel mit schmalen Lippen. Neben der Kapelle war eine Tür, auf deren Schild Raum der Stille stand. Wir packten unsere zweiten Lutscher aus und blickten laut lutschend auf die Fotos eines Regenbogens, die in Abständen wie ein Regenbogen an der Wand hingen. Frau Berger zeigte uns, wie man die Rückenlehne an den Liegestühlen verstellen konnte. Wieder im Gang betonte Frau Berger: Persönlicher Kontakt zu unseren Gästen ist uns besonders wichtig! und sie öffnete eine Tür: Franzi, schau, wer angekommen ist! Ein ferngesteuertes Auto!, rief mein Bruder begeistert und zeigte in den Raum. Das ist meines, stellte Franzi klar. Und die neue Mickey-Maus! Gehört mir. Sie müssen erst warm werden, lächelte Frau Berger. Später zeigst du ihnen den Hasenstall, befahl sie und schloss wieder die Tür. Tja, damit wären wir mit dem Rundgang auch am Ende, sagte Frau Berger. Tante bedankte sich für die Führung, unterstrich, wie wichtig gerade heutzutage Gastfreundschaft sei und wir gingen aufs Zimmer, dort atmete Tante tief ein: Schön ist es hier! Onkel stand leicht gebückt wegen der Dachschrägen vor dem Wandbehang. Ein großer Mensch ist der, der sein Kinderherz nicht verloren hat, las Viktor laut. Tante packte unterdessen etwas in Plastik Eingeschweißtes aus. Hier sind die neuen Bademäntel, sagte Tante. Probiert doch! Und sie hielt Viktor schon einen hin: Astronaut war groß in Blau auf die Brusttasche gestickt. Passt wie angegossen! Die Ärmel gingen Viktor nicht einmal über die Armbanduhr. So weißt du immer, wie spät es ist, meinte Tante und sah an Onkel im neuen Bademantel herab: Ein paar Kilos zu viel. Das ist der Pulli, antwortete er, die Sportskanone auf seiner Brust. Das Wort zum Tag übernahm Herr Berger. Herr Berger ist sehr gescheit. In Windeseile hat er studiert!, sagte Tante und zeigte auf die Universitätsurkunden an der Wand. Jeder neue Tag ein Zeichen von Wunder und Gnade, sagte Herr Berger und lächelte sanft in die Runde. Onkels Magen gluckerte. Mit einem gemeinsamen Gebet wollen wir dem Herrn dafür danken. Wir mussten uns an den Händen halten. Herr Berger betete vor und die Gäste sprachen nach, dann durften wir frühstücken. Ich wischte meine Hand am Tischtuch ab und aß meine Cornflakes. Herr Berger kam an unseren Tisch und erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei. Und den Kleinen gefällt es auch? Dabei näherte sich Herr Bergers Gesicht. Ihm fehlte ein kleines Eck am Schneidezahn. Ich nickte stumm. Gott segne euch!, sagte er und ging zu den anderen Gästen. So ein gescheiter Mann, schwärmte

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Tante erneut. Ich sah zu den Universitätszeugnissen. Onkel aß wortlos seine Brötchen. Onkel hatte uns erzählt, dass ihm seine fertige Abschlussarbeit gestohlen worden war. Tante stand auf, um sich noch Orangensaft nachzuschenken, auch Onkel ging noch einmal zum Frühstücksbuffet. Ich beobachtete Herrn Berger am Nebentisch. Vielleicht hatte er sie gestohlen? Hier kann ich einmal so richtig ausspannen, sagte Tante zu Onkel, zurück am Tisch. Im Hintergrund lief jetzt ein Radio. Und die Kinder haben auch jemanden zum Spielen – Franzi hatten wir seit der Ankunft gestern nicht mehr gesehen, dachte ich – und sie biss in ihr Brot, dabei fiel die Essiggurke auf den Boden. Tante saß einen Moment regungslos da. Frau Berger kam in dem Augenblick: Franzi hat schon nach euch gefragt!, sagte sie zu uns und zu Tante: Ihre Nichte und ihr Neffe spielen so schön miteinander. Ja, erwiderte Tante. Ich bin ja Lehrerin. Es ist so eine Freude, Kinder zu beobachten. Warum habt ihr dann keine Kinder?, wollte Viktor wissen, als Frau Berger weitergegangen war. Tante köpfte ihr Ei: Wir haben doch euch. Und zu Onkel: Dir ist ein Gürkchen auf den Boden gefallen. Am Nachmittag kam Frau Berger mit drei Traubenzuckerlutschern und einer Spielesammlung unterm Arm, sie schob Franzi ins Zimmer. Mensch-ärgere-dich-nicht ist doch eine gute Idee!, sagte sie und ließ uns alleine. Wir setzten uns um den Tisch und packten das Spiel aus, Viktor schenkte mir seinen Lutscher. Was ist deine Lieblingsfarbe?, wollte Franzi von mir wissen, Viktor beachtete er nicht. Blau, sagte ich. Franzi suchte für mich die blaue Spielfigur heraus. Wer die höchste Zahl hat, beginnt!, Franzi bestimmend und er ließ mich zuerst würfeln. Ich würfelte eine Drei, mein Bruder eine Fünf, Franzi eine Sechs. Franzi gab mir den Würfel: Du kannst statt mir beginnen! Das gilt nicht!, protestierte Viktor. Du hast ihr auch deinen Lutscher geschenkt, meinte Franzi und zu mir: Würfle nur! Mein Bruder gewann das Mensch-ärgere-dich-nicht, Franzi rief, Du hast geschwindelt!, und verließ verärgert das Zimmer. Er schaut jetzt schon wie Frau Berger aus, sagte mein Bruder. Nach dem Wort am nächsten Tag stand Franzi ohne Frau Berger in der Tür, gab mir zwei Lutscher und fragte: Willst du die Hasen sehen? Die Hasen! Aber er bleibt da, zeigte Franzi auf meinen Bruder, die Hasen kriegen sonst Angst. Ich will gar keine Hasen sehen, murmelte mein Bruder. Wir fuhren mit dem Lift hinunter. Sind die Hasen im Keller?, wunderte ich mich. Ich zeige dir zuerst ein lustiges Spiel – und er machte das Licht im Tischtennisraum an. Aber du musst

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schwören, niemanden davon zu erzählen! Ich hob zögerlich die Finger. Auch nicht deinem Bruder! und er sperrte die Tür ab. Ich blickte ihn fragend an. Du musst den Pullover ausziehen, sagte er. Ich schüttelte den Kopf. Sonst können wir das Spiel nicht spielen! Widerwillig zog ich meinen Pullover aus. Im Unterhemd stand ich vor Franzi. Er machte einen Schritt auf mich zu. Mir ist kalt, sagte ich. Noch bevor ich ausweichen konnte, streckte er schon die Zunge heraus und berührte meine Gänsehaut. In dem Moment hörten wir Schritte – schnell griff ich nach meinem Pullover. Es rüttelte an der Tür. Franzi sperrte auf: Herr Berger stand davor. Wir spielen Tischtennis, sagte Franzi schnell und ich nickte. Dafür muss man nicht absperren, sagte Herr Berger streng, er drehte den Kopf zu mir. Ich muss noch beim Aufdecken helfen, rief Franzi und rannte davon. Einen Moment war es still. So, Tischtennis also, sagte Herr Berger, sein Blick blieb an etwas hängen. Mein Bruder wartet auf mich, murmelte ich. Dein Pullover ist verkehrt. Ich wurde rot. Du musst nicht rot werden, und er machte einen Schritt auf mich zu. Mein Bruder wartet auf mich, wiederholte ich. Willst du ihn nicht zuerst richtig herum anziehen?, meinte Herr Berger und sah dabei zu. Den Pullover richtig herum lief ich an ihm vorbei hinauf. Als ich ins Zimmer kam, lag Viktor auf dem Bett und las. Spielen wir Mensch-ärgere-dichnicht?, fragte ich mit heißen Wangen. Er reagierte nicht. Oder etwas anderes? Viktor stand auf, sagte: Spiel es doch mit deinem Franzi! und ging aus dem Zimmer. Auf dem Bett: Das MickeyMaus-Heft von Franzi. Beim Abendessen wartete ich, ob Herr Berger Onkel und Tante vom Nachmittag erzählte, aber er verriet nichts. Franzi ließ sich nicht mehr blicken. Die Herrschaften mit allem zufrieden?, erkundigte sich Herr Berger dann am Morgen nach dem Wort zum Tag als erstes bei Tante, Oder stört Sie das Radio? Ich sah auf das fehlende Eck am Schneidezahn. Nein, nein, versicherte Tante und: So gerne würden wir hier noch länger bleiben wollen! Auf dem Eck an ihrem Schneidezahn klebte rosa Lippenstift. Ja, das ist schade, dass Sie uns schon verlassen müssen, seufzte Herr Berger. Leider, seufzte auch Tante. Wir feiern jedes Jahr mit unseren Gästen Neujahr – mit Buffet und Feuerwerk!, pries Herr Berger es an. Und der Franzi, Herr Berger wandte sich an mich, der spricht nur von der kleinen Dame. Hoffentlich haben mein Mann und ich die Freude, Sie bald wieder begrüßen zu dürfen!, kam Frau Berger hinzu: Sie brechen ja auf. Unser Franzi wird da sehr traurig sein! Den Kindern hat es hier großen Spaß gemacht, sagte Tante zu Frau

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Berger. Frau Berger zwinkerte uns zu und entschuldigte sich: Die Arbeit ruft! Beim Hinausgehen rückte sie die zurechtgerückten Stühle zurecht. Franzi!, schallte da Herr Bergers Stimme durch den Raum. Franzi wollte sich gerade am Speisesaal vorbeidrücken. Franzi, komm doch her und sag Auf Wiedersehen! Franzi kam langsam an unseren Tisch. Er streckte Tante artig die Hand entgegen und sagte: Auf Wiedersehen! Bis zum nächsten Mal!, und Tante fuhr ihm über die Haare. Franzi ging reihum. Meinen Bruder fragte er: Hast du mein Mickey-Maus-Heft gesehen? Viktor schüttelte nicht die Hand, sondern den Kopf. Franzi streckte schnell mir die Hand hin. Ich muss Hausaufgaben machen, wollte er weg. Franzi, du willst der jungen Dame doch noch etwas sagen, nicht?, sagte da Herr Berger. Onkel und Tante runzelten die Stirn. Franzi sah Herrn Berger mit großen Augen an, ich wurde rot. Was wolltest du ihr noch sagen, Franzi? Ich weiß nicht, stotterte Franzi. Franzi!, sagte Herr Berger vorwurfsvoll. Franzi war den Tränen nahe. Franzi, was? Für einen Augenblick war es so still wie gestern im Tischtennisraum, obwohl das Radio lief. Dass du sie in deine Gebete einschließt, sagte Herr Berger darauf – und Franzi verschwand. Bestimmt sehen sich die Zwei wieder!, sah Herr Berger Franzi nach, meinen Bruder hatte er vergessen. Vielleicht in den Sommerferien?, schlug Herr Berger vor. Dann können sie im Briesensee nicht weit von hier schwimmen. Ich schwimme auch gern. Das waren entspannende Tage, seufzte Tante, lehnte ihren Kopf gegen die Stütze und meinte: So eine gastfreundliche Familie, die Bergers. Sie leben davon, Onkel hinter dem Steuer. Und Herr Berger, Tante verträumt. Warum arbeitet er in einer Pension, wenn er auf der Universität war?, fragte sich Onkel. Herr Berger arbeitet nicht in einer Pension, er leitet eine Hotel-Pension, stellte Tante richtig. Warum leitet er nicht die Universität?, wollte Viktor vom Rücksitz aus wissen. Weil er die Hotel-Pension von seinem Vater übernommen hat, antwortete Tante und fügte hinzu: So wie es Franzi machen wird. Es wäre schön, wenn die Kinder Franzi wiedersehen könnten, sagte Tante. Onkel schaltete das Radio ein. Viktor tat beschäftigt. Tante verstellte die Kopfstütze und sagte: Ab nächster Woche steht doch bei euch Schwimmen lernen am Programm. Die Bademäntel habt ihr ja jetzt schon, und Tante drehte sich zu uns zurück: Vielleicht könnt ihr dann wirklich im Sommer mit Franzi baden! Mein Bruder öffnete seinen Rucksack. Dir würde Schwimmen auch nicht schaden, wandte sich Tante an Onkel. Du treibst zu wenig Sport und wirst zu dick. Bis zu drei Kilometer Stau. Herr Berger ist sehr schlank. Das ist das fehlende Eck am Schneidezahn, sagte Onkel. Mein Bruder zog das Mickey-Maus-Heft heraus.

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Die Jury des Spreewald-Literatur-Stipendiums

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NINA BOHLMANN ist seit 1989 in der Filmbranche tätig. Nach ihrer Laufbahn u.a. bei der Lichtblick Filmproduktion und Corona Film Hamburg gründet sie gemeinFoto: © magnolia / Jat J.Olczyk

sam mit Babette Schröder die magnolia Filmproduktion. Die erste Eigenproduktion „Süperseks“ läuft 2004 auf dem Filmfest Hamburg; für den Fernsehfilm „Kuckuckszeit“ gewinnen sie 2007 in Hamburg den „TV-Produzentenpreis“. Ihre deutsch-österreichische Koproduktion „Die Fälscher“ läuft 2007 im Wettbewerb der Berlinale und gewinnt 2008 den Oscar für den Besten nichtenglischsprachigen Film. Neben ihrer Arbeit als Produzentin ist Nina Bohlmann auch als Autorin für Film und Fernsehen tätig.

Heinz Rudolf Kunze wurde 1956 im Flüchtlingslager Espelkamp geboren. Vor dem Lehramtsstudium der Germanistik und Philosophie besucht er das Graf-Stauf-

Foto: © Nikolaj Georgiew

fenberg-Gymnasium in Osnabrück. Schon früh entdeckt er seine Liebe zum sprachlichen Balanceakt. 1978 wird er mit dem Literatur-Förderpreis der Stadt Osnabrück ausgezeichnet, bald darauf musikalisch bei einem Nachwuchs-Festival entdeckt. Das junge Talent bekommt seinen ersten Plattenvertrag und veröffentlicht sein allererstes Album. Songs wie „Dein ist mein ganzes Herz“, „Mit Leib und Seele“ oder „Finden Sie Mabel“­ machen Heinz Rudolf Kunze zu einer der Koryphäen deutschsprachiger Rockmusik. Übersetzungen diverser preisgekrönter Musicals, Buchveröffentlichungen, große Tourneen und musikalische Lesungen schließen sich an. Zwischenzeitlich moderierte Kunze Radiosendungen, unterrichtete als Gastdozent und trat in Fernsehserien auf. Nur wenige andere Künstler schafften es bisher so wie Kunze, ihrem­Stil treu zu bleiben und sich dennoch künstlerisch kontinuierlich vorwärts zu bewegen. Ende August 2011 veröffentlichte er seinen ersten Prosatext unter dem Titel „Vor Gebrauch schütteln – Kein Roman“.

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Der Literaturkritiker Martin Lüdke war nach dem Studium der Philosophie, Soziologie,
Germanistik und Politik von 1976 bis 1978 Wissenschaftlicher Mitarbeiter
 an einem sozialwissenschaftlichen Institut des Bundes in München (SOWI), bis
1984 Foto: Wolfgang Becker

Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Goethe-Universität
Frankfurt am Main und hatte später verschiedene Gastprofessuren in den USA
(San Diego, Los Angeles, St. Louis, Gainesville, FL) inne. 1985 bis 1990
arbeitete er als Redakteur des Hessischen Rundfunks (Fernsehen/Kultur), seit
1990 beim Südwestfunk, dem heutigen SWR. Seit Sommer 2003 ist er Courtesy Professor der University
of Florida, Gainesville, FL, USA. Martin Lüdke schreibt u.a. für die
Frankfurter Rundschau, DIE ZEIT, DER SPIEGEL, LITERATUREN und veröffentlicht
zahlreiche literaturwissenschaftliche Bücher u.a. bei Suhrkamp und im
Rowohlt Verlag. Von 2010 bis 2014 war er als Vorsitzender des Kuratoriums des Deutschen Literaturfonds Darmstadt tätig und als Kritiker gehört(e) er zahlreichen Jurys an, u.a. war er Vorsitzender der
Jury zur Vergabe des Preises der Leipziger Buchmesse und Mitglied der Jury zur
Vergabe des Deutschen Buchpreises, Frankfurt am Main.

FRIEDRICH SCHIRMER Theaterintendant und Dramaturg. 1951 in Köln geboren, begann er seine Theaterlaufbahn unmittelbar nach dem Abitur 1970 als Assistent und Dramaturg am Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel. Sein Weg führte ihn an-

Foto: © Ilona Habben

schließend über die Freie Volksbühne Berlin, die Städtischen Bühnen Nürnberg, das Nationaltheater Mannheim und die Städtischen Bühnen Dortmund zu seiner ersten Intendanz an der Württembergischen Landesbühne Esslingen (ab 1985). 1989 wurde Friedrich Schirmer Intendant der Städtischen Bühnen Freiburg. Von 1993 bis 2005 leitete er als Intendant das Schauspiel Staatstheater Stuttgart. Seit der Spielzeit 2005/2006 war Friedrich Schirmer Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. Im September 2010 trat er infolge nicht eingehaltener finanzieller Zusagen und erheblicher Zuschusskürzungen seitens der Stadt Hamburg zurück. Im Herbst 2012 wurde er wieder zum Intendanten der Württembergischen Landesbühne Esslingen berufen. Sein neues und altes Amt hat er mit Beginn der Spielzeit 2014/15 angetreten.

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Der Schriftsteller und Jurist Bernhard Schlink wurde 1944 bei Bielefeld geboren und wuchs in Heidelberg auf. Er wurde Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an den Universitäten in Bonn, Frankfurt und Berlin (HumboldtFoto: © Herlinde Koelbl

Universität) und Professor of European Law and Comparative Constitutionalism an der Benjamin N. Cardozo School of Law, New York. Von 1988 - 2007 war er Richter des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen. Seit 1985 veröffentlicht er Romane, Erzählungen und Essays. Sein Roman „Der Vorleser“ machte ihn international bekannt.

FRANZISKA STÜNKEL Regisseurin, Drehbuchautorin und Fotokünstlerin. Die Filme von Franziska Stünkel liefen in 19 Ländern auf über 150 internationalen Filmfestivals und wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Best New Director

Foto: © Carsten Witte

Award“ in New York. Für ihren Kinospielfilm „Vineta“ arbeitete sie mit Peter Lohmeyer, Ulrich Matthes, Justus von Dohnanyi, Matthias Brandt und Susanne Wolff zusammen. Franziska Stünkel erhielt für ihre Leistungen als Regisseurin den „Otto-Sprenger-Preis“ und wurde unter anderem für den „Prix Genève Europe – Bestes Europäisches Drehbuch“ nominiert. Als Regisseurin realisierte sie ferner den 15stündigen TV-Dokumentarfilm „Der Tag der Norddeutschen“. Für ihre fotografischen Arbeiten wurde sie mit dem Audi-ArtAward ausgezeichnet. Im Jahr 2012 erschien ihr Fotokunstbuch „Dialog der Geschichten“. Seit 2008 betreut sie als Kuratorin das Spreewald-Literatur-Stipendium.

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Sp r e e w ä l d e r K u lt u r s ti f t u n g auf Schloss Müschen

Die Spreewälder Kulturstiftung wurde im Jahr 2002 ins Leben gerufen. Ihr Anliegen ist die Förderung und Bewahrung der traditionellen Spreewälder Kultur und des Brauchtums. Die Wahrung der ursprünglichen Zeugnisse des Spreewaldes sowie das bewusste Wahrnehmen der einzigartigen Leistungen in der prähistorischen Zeit (1300 v. Chr.) und der sogenannten „Lausitzer Kultur“ (bronze- und eisenzeitliche Kultur 1300-500 v. Chr.) ist ein wesentlicher Schwerpunkt der Stiftungsarbeit. Mit der Unterstützung des Spreewald-Literatur-Stipendiums möchte die Stiftung darüber hinaus zeitgenössischen Literaten die Möglichkeit eröffnen, sich vom Spreewald inspirieren und ihn so in ihre Werke einfließen zu lassen.

www.spreewaelder-kulturstiftung.com

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Impressum Herausgeber: © 2015 Spreewälder Kulturstiftung Fotos: Nikolaj Georgiew, Dorett Auerswald Gestaltung: Ronald Reinsberg Druck: Druckzone, Cottbus ISBN 978-3-9817343-0-0


S P R E E WA L D A n T H O L O G I E I V

SPREEWALD AnTHOLOGIE IV

Spreewald-Literatur-Stipendium 2011 - 2012


S P R E E WA L D A n T H O L O G I E I V

SPREEWALD AnTHOLOGIE IV

Spreewald-Literatur-Stipendium 2011 - 2012


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