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Exzentrisches Training
Zur Ausführung unterschiedlicher Bewegungen verfügt die Muskulatur über verschiedene Arbeitsweisen, die durch einzigartige neuronale Aktivierungsmuster realisiert werden. Es wird zwischen statischer (isometrischer) und dynamischer (konzentrischer und exzentrischer) Muskelarbeit unterschieden. Bei der negativen Arbeitsweise, der Exzentrik, ist die innere Kraft der Muskulatur kleiner als die äußere Kraft des Widerstandes, wodurch die aktivierte Muskulatur in die Länge gezogen wird. Beim Runtergehen in die Kniebeuge (Exzentrik) wird beispielsweise der M. gluteus maximus in die Länge gezogen – Ansatz und Ursprung bewegen sich voneinander weg –, während er sich beim Hochkommen verkürzt – Ansatz und Ursprung nähern sich an
WICHTIGE PHASE
Oft beobachtet man Trainierende dabei, wie sie gerade der negativen Phase einer Übung (z. B. dem Ablassen beim Klimmzug) kaum Beachtung schenken und diese fast „überspringen“, als wäre sie eine negative Begleiterscheinung der konzentrischen Phase. Dabei ist es gerade diese Phase, die einige interessante Eigenschaften aufweist, von denen Trainierende extrem profitieren können.
BESONDERHEITEN DER EXZENTRIK
Muskeln können höhere absolute Kräfte in exzentrischer Arbeitsweise erzeugen als in konzentrischer Arbeitsweise. Einfach ausgedrückt, ist die exzentrische Maximalkraft größer als die konzentrische Maximalkraft (ca. 20-50 Prozent). Deshalb werden Kraftübungen durch die schwächere konzentrische Phase limitiert. Du wirst beim Bankdrücken schließlich nie jemanden sagen hören: „Ich kann nicht höher gehen, denn ich kann das Gewicht nicht mehr ablassen.“
Neben den höheren Kräften, die während der Exzentrik generiert werden können, verbraucht der Muskel gleichzeitig weniger Energie und Sauerstoff. Der Energieverbrauch einer exzentrischen Bewegung ist ungefähr vierfach geringer als der der gleichen konzentrischen Bewegung. In der exzentrischen Phase weist der Muskel eine verringerte neuronale Aktivierung auf. Durch die geringere neuronale Aktivierung werden weniger motorische Einheiten für die gleiche Kraftanstrengung rekrutiert, wodurch sich mehr Spannung auf weniger Muskelfasern verteilt. Das bedeutet mehr Stress für die einzelnen aktiven Muskelfasern. Dadurch erklärt sich auch, wieso Muskelkater verstärkt nach exzentrischen Belastungen auftritt.
EXZENTRISCH BETONTE KNIEBEUGE
Durch die erhöhte Ferse kann der Oberkörper aufrechter gehalten werden und die Knie können weiter vor die Fußspitzen wandern, was den Stress auf die Patellasehne vergrößert.
Die exzentrisch betonte Kniebeuge hat sich als sehr effektiv in der Behandlung von Tendinopathien an der Patellasehne erwiesen.
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GRÜNDE
Über die Gründe haben Wissenschaftler lange debattiert, denn mit dem vorherrschenden Modell zur Muskelkontraktion, der von Huxley 1954 formulierten „Gleitfilamenttheorie“ (GFT), konnten die Besonderheiten der exzentrischen Kontraktion nicht erklärt werden. Aus den offenen Fragen entwickelten sich schließlich neue Erklärungsmodelle. Bis heute wird diskutiert, wie genau die Besonderheiten zu erklären sind. Dabei haben sich vor allem zwei Erklärungsansätze herauskristallisiert:
1. Die aktive Rolle von Titin
Dem elastischen Filament Titin wird eine wichtige Rolle bei der negativen Muskelarbeit zugeschrieben. Nach aktuellem Wissensstand geht Titin bei Kalziumeinstrom (also bei Aktivierung des Muskels) eine Bindung mit Aktin ein. Außer-
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COPENHAGEN PLANK
Die Übung startet mit dem Körper in einer Linie in leichter Schräglage und endet mit dem Körper in leichter U-Haltung.
Sie bietet sich als Prehab-Übung der Adduktoren an.
Es ist darauf zu achten, dass der Ellenbogen direkt unter der Schulter platziert wird und dass der Übende sich aktiv aus der Schulter rausdrückt.
Als Alternative zum Rack könnte man die Übung auch als Partnerübung durchführen oder Schlingentrainer benutzen.
dem erhöht es dessen Steifheit und wickelt sich bei einer Muskelkontraktion (sowohl in der Konzentrik als auch in der Exzentrik) um das Aktinfilament herum, was als „Winding Filament Hypothese“ bezeichnet wird. Das gestraffte und verkürzte Strukturprotein Titin wirkt in der Exzentrik der aktiven Muskeldehnung entgegen und speichert elastische Energie. Als passive elastische Komponente verbraucht Titin keine Energie, was ebenfalls den geringeren Energieverbrauch erklärt.
2. Mehr arbeitende Myosinköpfe
Des Weiteren könnte die gesteigerte Kraft zusätzlich durch eine größere Zahl aktiv gebundener Myosinköpfe erklärt werden. Ein Myosinmolekül besteht aus zwei Myosinköpfen, wovon unter konzentrischer Kontraktion immer nur einer am Aktin andockt. Als Antwort auf die höhere Spannung im Muskel während aktiver Dehnung (Exzentrik) kommt es nun dazu, dass beide Myosinköpfe gleichzeitig eine Verbindung eingehen. Interessanterweise wird dafür aber nur die gleiche Menge Energie benötigt, das bedeutet doppelt so viele Myosinverbindungen bei gleichem Energieverbrauch.
PRAXIS
Exzentrisches Krafttraining (EKT) wird häufig mit dem Ziel eingesetzt, die sportliche Leistungsfähigkeit zu verbessern und Kraft und Muskulatur aufzubauen. Immer häufiger wird diese Trainingsform auch im präventiven und rehabilitativen Bereich eingesetzt, um vor allem das Muskel-Sehnen-System zu kräftigen oder wieder schmerzfrei zu machen. Besonders bei Tendinopathien (Überlastungserscheinungen, die mit pathologischen Veränderungen des Gewebes einhergehen) hat sich EKT als sehr effektiv erwiesen.
KRAFT UND MUSKELAUFBAU
Eine Vielzahl an Studien schreibt dem EKT einen größeren Hypertrophieeffekt und ein größeres Potenzial für eine Kraftsteigerung zu als dem konzentrischen oder isometrischen Training. Aber Achtung: Anpassungen ans Krafttraining sind immer höchst speziell und so passt sich der Körper auch spezifisch der Kontraktionsform an.
Anders ausgedrückt: Durch rein exzentrisches Training steigern wir besonders die exzentrische Kraft, durch konzentrisches Training steigern wir vermehrt die konzentrische Kraft (SAID-Prinzip: Jede Anforderung an den Organismus hat ganz spezifische Anpassungen zur Folge). Da in der Biologie alles auf einem Kontinuum stattfindet, darf man natürlich nicht schlussfolgern, dass das betonte EKT keinerlei Auswirkungen auf die konzentrische Kraftfähigkeit habe; es kommt sicherlich zu einem gewissen Transfereffekt.
TRAININGSVARIATION
Die Dauer der negativen Phase und damit die Manipulation der Zeit, für die die Muskeln in einem Trainingssatz unter Spannung stehen „Time under Tension“ (TUT) kann in der Trainingsplanung als Stellschraube für Progression und Variation dienen. Beispielsweise könnte die Kniebeuge zunächst mit einer negativen Phase von 3 Sekunden durchgeführt werden und nach einigen Trainingseinheiten dann auf 6 Sekunden gesteigert werden. Man muss nicht gleich die komplette Übung ändern, um sein Training