8 minute read

Nachhaltige Brauereiprozesse – die Branche ist auf dem Weg Richtung Transformation

Tag zwei der 107. Brau- und maschinentechnischen Arbeitstagung, wie die Frühjahrstagung offiziell heißt, ist traditionell gespickt mit vielen Höhepunkten. Am späten Dienstagnachmittag des 7. März stand eine Führung durch die Rügener Inselbrauerei auf dem Programm, wahlweise konnten sich die Teilnehmer die Störtebeker Braumanufaktur ansehen. Gegen 19.30 Uhr begann der legendäre Begrüßungsabend im Stralsunder Ozeaneum, der mit atemberaubedendem Blick auf das große Nordseeaquarium schon fast eine meditative Komponente bereithielt. Doch dem geselligen Höhepunkt eilte ein technisches Vortragsprogramm voraus. Durch das Programm führte Jens ReinekeLautenbacher von der Störtebeker Braumanufaktur.

Innovative Prozessgestaltung in Produktion und Abfüllung

Nach der Begrüßung der anwesenden Teilnehmer ergreift Jürgen

Nordmann , Inhaber der Störtebeker Braumanufaktur, das Wort und stellt das betriebliche All-in-Produktionskonzept vor. Störtebeker

Bierspezialitäten erfreuen sich auskömmlicher Abverkaufspreise und einer vergleichsweise niedrigen Aktionsquote im Handel von nur 7 %. Das Konzept der Brauerei setzt auf Bier als nachhaltiges Naturprodukt und transportiert ein Markenimage, das Erlebnis, Qualität und außergewöhnlichen Genuss verspricht. Dabei habe man keine Angst vor Komplexität. Im Gegenteil: Am Standort in Stralsund, an dem seit dem frühen 19. Jahrhundert gebraut wird, wurde im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte in mehreren Schritten eine zukunftsfähige Brauerei inklusive Hochregallager aufgebaut. Um den Herausforderungen der Märkte auch langfristig begegnen zu können, sei es für Brauereien überlebenswichtig, nicht immer nur nach effizienteren Prozessen zu streben. Vielmehr müssten auch Geschäftsmodelle entwickelt werden, die einem Brauer zusätzliche Einnahmequellen erschließen.

Nordmann stellt in diesem Zusammenhang das neue Konzept Eat Beer Biotech GmbH vor. Ziel ist es, über die Veredlung vor Brauerei-Nebenströmen hochwertige Proteinquel- len für die Nahrungsmittelproduktion zu erzeugen. „Wir wollen uns damit von einer reinen Brauerei zu einem Hersteller von Lebensmitteln entwickeln und dies als zweites Standbein ausbauen“, erklärt Nordmann. Erste Probeprodukte sind bereits entwickelt, die Ende des Jahres marktreif sein sollen.

Auf die Zukunft der Füllerhygiene geht Martin Löhrke (Jürgen Löhrke GmbH) in seinem Vortrag Gestern automatisiert. Morgen digitalisiert? ein. Der mittelständische Anlagenbauer aus Lübeck skizziert, wie die Füllerhygiene auf die Anforderungen der neuen Arbeitswelt mittels Digitalisierung reagieren und sich zukunftssicher aufstellen kann. Denn, so Löhrkes These, Füllerhygiene lasse sich auch vom Home Office aus steuern. Vor allem im Bereich Service und Support sei eine automatische Inbetriebnahme über Fernzugang längst umsetzbar. Ist der sichere Umgang mit Daten geklärt und die Anlagen mit entsprechenden Sensoren ausgerüs tet, hat der Kunde über Cloudanwendungen volle Zugriffskontrolle und kann sich potenzielle Probleme visualisieren lassen. Selbst der Verschmutzungsgrad einer Anlage kann mittels Biofilmsensoren erfasst werden. Im Gegensatz zur mikrobiellen Probenahme kommt es hier zu keiner zeitlichen Verzögerung mehr. Bei Störtebeker ist eine Pilotanla - ge im Einsatz, um die bedarfsgerechte Reinigung der Zukunft zu entwickeln. „Man muss nicht immer mit vollem Programm reinigen. Auf unterschiedliche Verschmutzungsgrade angemessen zu reagieren, birgt ein enormes Einsparpotenzial“, schließt der Referent seinen Vortrag.

Patrick Dietz (Albert Frey) referiert zum Thema Die moderne Keganlage in der Brauerei Das Unternehmen hat einen Relaunch seiner Keglinien vorgenommen. Um den Verbrauch zu reduzieren und Ener giekosten einzusparen, habe man so wenige bewegliche Teile wie möglich ver- baut und auf Sonderanfertigungen verzichtet. Dabei lautet ein Ansatz zur Energieeinsparung: Energierückgewinnung aus Abwasser. Das Allgäuer Unternehmen hat außerdem die bewährte Anlagentechnik erneuert und mit der sog. Fryhy eine fünf- bzw. siebenköpfige Keglinie eingeführt. Die Aufbauten bleiben gleich. Was sich ändert, sind u.a. ein optimierter Übergabetisch, ein nach oben abgesetzter Schaltschrank und weniger Schmutzecken. Zudem habe man eine patentierte Hubbalkenauflage eingeführt, die werkzeuglos abnehmbar und leicht zu reinigen ist. Offene Führungen unterstützen das neue Konzept. „Wir wollen die Hygiene vorantreiben“, sagt Patrick Dietz.

Herausforderung Wasser und Hopfen

In seinem Vortrag Sicherstellung der Wasserqualität in Zeiten des Klimawandels berichtet Dr. Alfons Ahrens (VLB Berlin) die nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserversorgung. Grundwasserentnahmen sind nicht beliebig zu vergrößern und durch die natürlichen Prozesse der Grundwasserneubildung begrenzt. Neben zunehmenden Einschränkungen der Wasserverfügbarkeit vor allem in den warmen Sommermonaten werden verstärkt auch Auswirkungen auf die Qualität der Grundwässer erkennbar. So können stark zunehmende Grundwasserent nahmen zum Aufstieg von salzhaltigen Tiefenwässern und damit zur Versalzung der Wasserressourcen führen. Klimawandelbedingt zunehmende Starkregenereignisse tragen zudem vermehrt anthropogene Schadstoffe und weitere organische Stoffe in die Bereiche der Grundwasserneubil - dung ein. Steigende Lufttemperaturen führen zu ebenfalls höheren Temperaturen in diesen Bodenzonen und damit zu vermehrten mikrobiologischen Aktivitäten. Diese können zu Loslösungen von Metallen aus bisher festen Mineralien führen und z.B. für zunehmende Aluminiumgehalte in den geförderten Rohwässern verantwortlich sein.

Der Einfluss des Klimawandels spiegelt sich somit in veränderte chemisch-biologische Umsetzungsprozesse bei der Grundwasserneubildung wider. Das Monitoring des dadurch veränderten Redoxpotenzials in den Grundwässern kann Ahrens zufolge zusammen mit dem Nachweis der dafür verantwortlichen Mikroorganismen eine Chance bieten, klimawandelbedingte Verschlechterungen der Brunnenwasserqualität frühzeitig zu erkennen. Ein aktuelles Forschungsprojekt am VLB-Forschungsinstitut für Biotechnologie und Wasser (FIBW) verfolgt diesen Ansatz – ganz im Sinne der Nationalen Wasserstrategie zum nachhaltigen Schutz der Wasserressourcen.

Neue Aspekte zu Hopfen als Rohstoff für andere Getränke zeigt Markus Ernst (BarthHaas, Nürnberg) auf. Der Hopfen ist nicht nur eine natürliche Ressource. Seine Bittere hinterlässt auch einen bleibenden Geschmackseindruck. Pluspunkte, die dem US-Trend Hop Water (mit Hopfen aromatisiertes Wasser) Vorschub leisten. Gelangt das Aroma über Pellets ins Getränk, kann der Hersteller zwischen Kalt- und Heißauszug wählen. In den USA sei der Heißauszug eine beliebte Produktionsmethode, so der Referent. Beide Methoden unterscheiden sich sensorisch stark voneinander. Terpene und Terpenoxide lösen sich anders, der Heißauszug habe eine höhere Bitterstoffausbeute. Statt Pellets können auch Extrakte zum Einsatz kommen. BarthHaas hat dafür flüssige Dry-Hopping-Produkte in verschiedenen Geschmacksrichtungen im Angebot, die mit eingestelltem Ölgehalt einfach zu dosieren und in kalten Flüssigkeiten löslich sind.

Über das Hop Water hinaus sieht der Referent für weitere Getränkekategorien Potenzial: Hard Selzer, Ready Canned Cocktails oder Kombucha. „Kombucha hat ein hohes Biotransferpotenzial. Hopfen kann helfen, den Geschmack der Essigsäurenoten abzuschwächen“, erklärt Ernst. Auch Eistee oder Cola kämen für eine Anreicherung infrage, man könne bei Cola bspw. mit einer Hopfennote die Grundaromatik in eine würzige Richtung verschieben. Denkbar sind auch Getränke wie Gin oder Met. Das Ziel von BarthHaas ist es, eine völlig neue Kategorie von Getränken zu etablieren, denn: „Hopfen kann mehr als nur Bier“, lautet das Fazit des Referenten.

Brauereinebenströme intelligent verwerten Über die Mehrfachnutzung von Wasser sprechen Michael Russ und Dr. Ralph Schneid (beide Krones AG) in ihrem Vortrag Upcycling von Braureststoffen Wasser ist ein Hauptbestandteil des Bieres und erfüllt im Brauprozess als Roh- und Hilfsstoff, aber auch als Betriebsstoff eine Doppelfunktion. Zwar ist der Wasserverbrauch in den Brauereien seit 1990 deutlich zurückgegangen.

Bei zunehmend knapper werdenden Ressourcen sind jedoch noch mehr Anstrengungen für weitere Einsparungen notwendig.

Krones hat in Kooperation mit Aqana den sog. Hydro Circle entwickelt – ein System, mit dem sich bis zu 80 % Wasser einsparen lässt. Dabei wird das Prozessabwasser der Produktion in ein Speicherbecken geleitet. Dort werden Feststoffe herausgefiltert und in einem Sammeltank zusammengeführt. Hier erfolgt die biologische Abwasser-Aufbereitung mithilfe

Klimwandel und Wasserversorgung ist das Thema von Dr. Alfons Ahrens

Markuns Ernst spricht über eine neue Kategorie von Getränken

Michael Russ (o.) und Dr. Ralph Schneid (u.) schreiben das Thema Wiederverwertung groß

Jens ReinekeLautenbacher (o.), Dr. Marco Fratz (M.) und Prof. Dr. Leif Garbe (u.) beleuchten dreierlei Aspekte der Verwertung von Brauereinebenströmen für die Lebensmittelindustrie der DACS-Technologie. Im anaeroben Hochgeschwindigkeitsverfahren finden Bakterien „Unterschlupf“. So können auch stärker verschmutzte Abwässer gereinigt werden.

Ist das Abwasser von allen Rückständen befreit, muss es für den erneuten Einsatz aufbereitet werden. Jetzt kommt Hydronomic ins Spiel. Die Anlage filtert mittels Umkehrosmose kleinste Partikel wie Mikroorganismen oder Salze aus dem Wasser heraus. Mit Chlordioxid wird das Wasser desinfiziert und fließt zurück in die Produktion.

„Brauer müssten Schätze heben“ –damit beginnt Ralph Schneid den zweiten Teil des Vortrags und stellt mit Brewnomic die energieautarke Brauerei, vor. Im Brauprozess fallen energetisch verwertbare Reststoffe an, die zu Biogas fermentiert werden können. Das Biogas wird in einem Blockheizkraftwerk in thermische und elektrische Energie umgewandelt. Und aus der Verwertung dieser Reststoffe speist sich Brewnomic. Der Referent zeigt am Beispiel Treber, wie man dieses Konzept in die Praxis umsetzen kann. Aus Trebern lassen sich Protein-Hydrolysat und Mineraldünger gewinnen. Die Einnahmen aus dem Verkauf an die Lebensmittelindustrie und die Landwirtschaft leisten einen finanziellen Beitrag, dass sich die Anlage zur Biomasse-Konversion amortisiert. Durch das Geld und durch die bessere Verwertbarkeit der Reststoffe in der Biogasanlage selbst wird eine Investition in die eigene autarke Energieversorgung lukrativ. Mit steigendem Anteil an Biogas sinkt der Bedarf an fossilen Brennstoffen. Und da die Reststoffe biologischen Ursprungs sind, ist die Brauerei zudem CO2-neutral.

Über „MaltFungiProtein“ – Nachhaltige Verwertung von Bier-Treber durch Basidiomyceten und Herstellung proteinreicher Lebensmittel spricht Jens Reineke-Lautenbacher (Störtebeker Braumanufaktur). Seit 2018 arbeitet man bei Störtebeker an der Entwicklung einer Gesamtvision für eine „Braumanufaktur der Zukunft“. Eine hervorgehobene Rolle spielt dabei eine zirkuläre, möglichst regionale Produktion, gekoppelt mit einer konsequenten Aufwertung von Produktionsnebenströmen der Brauerei, bspw. Nasstreber, Nasshefe, Malzstaub oder Ethanol. „Alle

Nebenströme der Störtebeker Braumanufaktur werden perspektivisch zu Hauptströmen!“, zitiert ReinekeLautenbacher Jürgen Nordmann, den Inhaber von Störtebeker. Im Projekt des RUBIN-Bündnisses (RUBIN steht für Regionale unternehmerische Bündnisse für Innovation) hat sich Störtebeker mit Industriebetrieben und wissenschaftlichen Einrichtungen aus der nordostdeutschen Region zusammengeschlossen, um gemeinsam einen Prozess zu etablieren, der auf folgende Säulen aufbaut: Transformation der Brauereirestströme (Treber) zu Pilz-Protein, Aufarbeitung zu einem Protein-Rohprodukt und Verarbeitung zu schmackhaften Lebensmittel-Prototypen, vor allem vegane Produkte. Bis 2025 soll das Forschungs- und Entwicklungsprojekt abgeschlossen sein. Bis dahin möchte Störtebeker in der Lage sein, hochwertige Brauspezialitäten und nachhaltige Lebensmittel gleichermaßen herzustellen.

Im zweiten Teil des Vortrags skizziert Dr. Marco Fraatz (Justus-Liebig-Universität), wie das Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie Störtebeker dabei unterstützt, Treber in Pilzmyzel zu konvertieren. Der größte Teil eines Pilzes ist nicht der oberirdische Fruchtkörper, sondern die unterirdischen Hyphengeflechte, das sog. Pilzmyzel. Dieses Netzwerk kann ungeheure Ausmaße annehmen. Das Myzel eines Hallimasch, beheimatet in Oregon (USA), gilt als der flächenmäßig größte Organismus der Welt. Sein Myzel erstreckt sich über eine Fläche von 9 km2 (das entspricht 1200 Fußballfeldern).

Zur menschlichen Ernährung werden die Myzelien von Basidiomyceten – im Gegensatz zu ihren oberirdischen Fruchtkörpern – bislang nur für die Produktion von Miso eingesetzt. Doch in letzter Zeit drängen immer mehr Unternehmen auf den Markt, die diese Lücke schließen und mithilfe von Fermentation Basidiomyceten-Myzel produzieren, das sie als pflanzliche Fleischersatzprodukte, Verpackungs- und Dämmmaterial oder als Kleidung verkaufen.

Warum sollten überhaupt Basidiomyceten gezüchtet und als alternative Proteinquellen verzehrt werden? „Neben ernährungsphysiologischen Vorteilen, sie haben wenig

Fett und sind frei von Cholesterol, benötigt die Zucht signifikant weniger Platz im Vergleich zu Lebensmitteln tierischer Herkunft“, erklärt Fraatz. Die Pilzbiomasse kann als proteinhaltige Lebensmittelzutat den unterschiedlichsten Lebensmitteln zugesetzt werden. Sie kann z. B. als Grundmasse für die Produktion von Wurst und glutenfreiem Brot oder Knabberartikel dienen.

Im dritten Teil des Vortrags kommt ein weiterer wissenschaftlicher Projektpartner zu Wort. Prof. Dr. Leif Garbe von der Hochschule Neubrandenburg spricht über die Veredelung von Biertrebern durch Pilzfermentation. Man betrete damit einen Markt veganer Proteinalternativen, der exponentiell wächst, da immer mehr Menschen nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern auch das Tierwohl und den Klimawandel im Blick haben.

Mittels maschineller Extrusion, einem Verfahren, das ursprünglich aus der Kunststoffindustrie kommt, werden diese neuartigen Produkte hergestellt. Dabei wird eine (dickflüssige) Masse unter Druck aus einer formgebenden Öffnung gepresst. So fertigt man sog. Extruderprodukte, wie bspw. Müsli, Flachbrot, Snacks, Nudeln oder Erdnussflips, die es mittlerweile zahlreich gibt. Bei der Extrusion von Fleischanaloga lassen sich abhängig von der Rezeptur sog. TVP- und HMMA-Produkte herstellen. Erstere sind dehydrierte Fleischersatzprodukte (TVP steht für textured vegetable protein) in Form von Pellets oder Flocken und müssen in Wasser eingeweicht werden, um sie zu veganen Konsumgütern wie bspw. Burgern oder Hackfleisch weiterzuverarbeiten. HMMA-Produkte (high moisture meat analogues) besitzen eine dichte, faserige Struktur, die Muskelfleisch ähnelt. Sie enthalten 50 bis 70 % Feuchtigkeit und kommen v.a. bei Fertiggerichten zum Einsatz. HMMA-Produkte sehen nicht nur aus wie Fleisch, sie schmecken auch wie Fleisch und ihre Nährwerte sind fast identisch. Garbe lädt die Zuhörer ein, erste eigene Produktprotoypen zu verkosten. Serviert wird eine Bratwurst Mecklenburger Art. 30 % des Fleischanteils wurden durch Pilzmyzel ersetzt. Das Probieren sei auf eigene Gefahr, scherzt der Referent.

Eva Wiesgrill

This article is from: