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Moderne Getränkelogistik ist ohne Digitalisierung nicht mehr denkbar

Der erste Tag des 24. VLB-Logistikfachkongresses, der vom 13. bis 15. März in Stralsund stattfand, beschäftigte sich unter anderem mit der Digitalisierung von Logistikprozessen sowie dem neuen Abfüll- und Logistikzentrum der Störtebeker Braumanufaktur. Durch die Vorträge führte Uwe Salvey, Logistikleiter der Warsteiner Brauerei.

(oh) Der Tag begann mit einem Vortrag von Jürgen Nordmann über die Entwicklung und die Zukunft der Störtebeker Braumanufaktur (Zusammenfassung seines Vortrags siehe S. 10).

Über künftige Herausforderungen beim Personalmanagement in der Lebensmittelindustrie berichtete Stefanie Sabe t, von der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss e.V. (ANG). Die aktuelle Belegschaftsstruktur in der deutschen Lebensmittelindustrie besteht zu 59 % aus Männern und zu 41 % aus Frauen. 66 % der Beschäftigten arbeiten in Produktion/Logistik, 34 % in der Verwaltung. Der Anteil der Vollzeitarbeitnehmer liegt bei 72 %. Eine Baustelle sei der Frauenanteil: So arbeiten in Vorständen und Geschäftsführung lediglich 8 % Frauen, in der ersten Führungsebene sind es auch nur 13 %. Der Fachkräftemangel sei deutlich spürbar. Einer aktuellen Umfrage zufolge sind insbesondere Elektroniker, Maschinen/Anlagenführer und Mechatroniker schwer zu finden. Aber auch einfache Aushilfskräfte sind rar geworden. Ein kritischer Punkt sei, dass jedes Jahr 8 bis 10 % der Ausbildungsplätze in der Lebensmittelindustrie nicht besetzt werden. Insgesamt hat die Anzahl der eingehenden Bewerbungen abgenommen. Die Interessenten sind anspruchsvoller geworden und offene Stellen bleiben länger unbesetzt. Daher bekommt die Bindung von Mitarbeitenden zunehmende Bedeutung. Dies könne z.B. über Homeoffice, mobiles Arbeiten oder Teilzeitangebote geschehen. Allerdings besteht damit die Gefahr einer ZweiklassenGesellschaft in den Betrieben, da der größere Teil der Belegschaft in der Produktion arbeitet und damit an einen Standort gebunden ist. Insbesondere die Digitalisierung der Arbeitsabläufe hat während der Pandemiejahre einen Sprung gemacht. Daher müsse die digitale Kompetenz aller Mitarbeiter gezielt unterstützt werden. Für Unternehmen ist es inzwischen immer wichtiger, sich nach außen und innen gezielt als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Das sogenannte „Employer Branding“ kann beispielsweise über Social-MediaKanäle oder über Kommunikationskampagnen an Schulen und Hochschulen erfolgen.

Smarte Digitalisierungslösungen für die Getränkebranche stellte André Käber , myleo/dsc, vor. Die Gründer des Hamburger Start-ups blicken auf langjährige Erfahrung mit SAP-Projekten zurück. Dabei entstand die Idee, eine eigene Software-Plattform für das Handling und die Optimierung logistischer Prozesse zu entwickeln. Die Ansprüche an Software ändern sich dramatisch: „Wo gibt es das Youtube-Video zur Erklärung der Logistik-Software?“, fragte der Referent, um gleich darauf zu antworten: „Das gibt es nicht! Aber warum nicht?“. Er forderte auch eine größere Offenheit gegenüber digitalen Lösungen: „Hier hinken wir in Deutschland hinterher.“ Die vorgestellte Plattform Myleo/dsc soll dabei eine Process-as-a-servicePlattform der Zukunft sein. Die dafür erforderlichen Apps können einfach und ohne tiefere Program - mierung an die individuellen Kundenbedürfnisse angepasst werden. Dabei werden bestehende Systeme integriert und der gesamte Logistik-Prozess eines Unternehmens vereinfacht, so sein Versprechen.

Eine weitere Lösung für die Abbildung elektronischer Lieferketten einschließlich Zeitfenster ­ Management stellte Holger Wermke , commsult AG, vor. Der Abgleich von Plan- und Ist-Zeiten bei der Lieferung (ETA) beim Kunden ist ein kritischer Faktor in der Logistik. Dabei laufen verschiedene Informationsströme aus unterschiedlichen Quellen zusammen, die sich sehr kurzfristig ändern können. Das vorgestellte Ontega-System besteht aus drei Hauptkomponenten: Touren verfolgen, Touren optimieren und Kundeninformation. Verarbeitet werden Transportdaten in Echtzeit, d.h. bei Störungen kann ein Kunde direkt informiert werden. Ein aktuelles Projekt wird derzeit mit Team Beverage im Bereich der Belieferung von Tankstellen umgesetzt.

In der anschließenden Diskussion zu den beiden Vorträgen wurde die Heterogenität der auf dem Markt aktiven Portale bzw. Systeme im Bereich der Lieferlogistik kritisiert. Hier wären überbetriebliche Standards hilfreich und könnten die Akzeptanz auf Kundenseite fördern.

Über die Einrichtung eines Logistik zentrums für einen 100 % fehlerfreien Versand bei Budějovický Bud var in Tschechien berichtete Markus Scholten, Zetes GmbH. Ziele der Neukonzeption waren u.a. die Nutzungsoptimierung des limitierten Platzes, die Erhöhung der operativen Sicherheit und die Reduktion manueller Arbeiten. Die Bereitstellung der fertig kommissio nierten Paletten konnte weitgehend automatisiert werden. Eine Herausforderung stellte allerdings die dort dominierende Heckverladung in den Lkw dar. In dem neuen Konzept verlädt der Lkw-Fahrer seinen Wagen daher selber per Ameise. Dabei erfolgt die Erfassung und Kontrolle der Paletten nicht per Scanner, sondern mit einem Kamera-System, das direkt an jeder Verladegasse platziert ist. Der Barcode auf den bereitgestellten Paletten kann bei der Durchfahrt mit einer Geschwindigkeit bis zu 10 km/h sicher erkannt werden. Wird eine falsche Palette verladen, erfolgt eine entsprechende Warnung an den Verlader und an den Leitstand. Bei der dort weniger gän - lichen Umstellung von Zwei- auf Einschichtbetrieb. 100 % fehlerfreier Versand bedeutet in diesem Fall, dass keine Kundenreklamationen aufgrund von Fehlverladungen mehr kommen. Insgesamt wurde die Anzahl der Fahrzeuge, die gleichzeitig per Heckbeladung bedient werden können, verdoppelt. In der anschließenden Diskussion stand insbesondere die Frage im Mittelpunkt, ob ein Lkw-Fahrer auch die Beladung durchführen kann bzw. darf. gigen Seitenbeladung können bis zu sechs Paletten auf einem Stapler per Kamera bei der Durchfahrt durch ein Gate erfasst werden. In Budwar war ein ROI von einem Jahr kalkuliert, der in der Praxis bereits nach sieben Monaten erreicht wurde. Das Einsparpotenzial lag in erster Linie beim Personal der Brauerei sowie in der jetzt mög -

Im nächsten Vortragsblock ging es um Konzeption von Lagerhallen Markus Kaumanns , ASAFE GmbH, stellte die Empfehlungen der PAS13:2017 Sicherheit durch Anfahrschutz in Produktion und Lager vor. In Lagerhallen mit Fahrzeugbetrieb und Personenverkehr sind Rammschutzvorrichtungen erforderlich. In England, dem Referenten zufolge das „Mutterland des Arbeitsschutzes“, gibt die Richtlinie PAS13 (Public Available Specification) Empfehlungen für die Einrichtung von Rammschutzeinrichtungen und Sicherheitsbarrieren. Ein Anwendungsbeispiel ist die sichere Trennung der Bereiche, die von Fußgängern und Gabelstaplern bzw. Lkw genutzt werden. Neben Anhaltspunkten für die Risikobewertung werden auch Empfehlungen für die Umsetzung von Sicherheitsbarrieren gegeben, z.B. korrekte Höhen, konstruktive Merkmale, farbliche Gestaltung. Darüber hinaus werden dort auch die TestKriterien für Rammschutzvorrichtungen definiert.

Überlegungen zur Planung und zum Betrieb von nachhaltigen

Logis tikimmobilien stellte Julien Frenzel Goldbeck Nord Ost GmbH, vor. Die Nachhaltigkeit einer Logistik-Immobilie spielt in der heutigen Bauplanung eine immer größere Rolle. Sinnvolle Maßnahmen sind unter anderem Sickermulden, die das Regenwasser vor Ort direkt wieder dem Grundwasser zuführen, Fassadenbegrünungen oder auch Photovoltaik-Anlagen auf Dachflächen. Dabei sollte immer der gesamte Lebenszyklus einer Immobilie betrachtet werden. Dieser erstreckt sich von Planung, über Bau und Betrieb, Renovierung oder Ausbau bis hin zur Revitalisierung. Klimaneutrale Gebäude sind heute möglich, die Wege zur Umsetzung sind allerdings vielfältig. Die Lösungen sind meistens individuell, so die Botschaft des Referenten. Angesprochen auf die Kostenexplosion im Bauwesen, lag die Steigerung in der jüngsten Zeit bei etwa 15 bis 20 %, habe sich aber mittlerweile wieder etwas stabilisiert.

Die Neukonzeption des Abfüllund Logistikzentrums der Störtebeker Braumanufaktur stand im Mittelpunkt des weiteren Vortragsprogramms. Eine Einführung in die generellen Überlegungen dazu gab Karl Herrmann , Störtebeker Braumanufaktur. Das stetige Wachstum der Brauerei führte schnell zu neuen Anforderungen an die Abfüll- und Logistikprozesse. Bedingt durch die damalige räumliche Enge am Standort konnte bis dahin immer nur ein Lkw beladen werden. Lange Wartezeiten waren die Folge. Auch die zunehmende Produktvielfalt der Spezialitätenbrauerei stellte immer größere Anforderungen an die Kommissionierung und Verladung. Hinzu kam, dass die interne Steuerung der Logis tikprozesse mit vielen manuellen Vorgängen sehr fehleranfällig war. Im Jahre 2017 begann daher die Planung eines neuen Abfüll- und Logistikzentrums. Ziele waren die Erhöhung der Lagerkapazitäten, eine Verringerung der Verladezeiten auf maximal 3 h pro Lkw. Darüber hinaus sollten Kommissionierung, Leergutsortierung und die Intralogistik optimiert werden. Durch eine Erweiterung des Brauereigeländes konnte dafür der erforderliche Raum geschaffen werden. Das neue Hochregallager hat eine Kapazität von rund 29 000 Paletten. In der direkt benachbarten zweigeschossigen Halle finden Abfüllung, Verpackung, Kommissionierung und Leergutsortierung statt. Hochregallager und Verladestraße sind durch eine Elektro-Bodenbahn verbunden. Generalunternehmer für den gesamten Hochbau war die Firma Goldbeck. Baubeginn war im Januar 2018, die bauseitige Fertigstellung erfolgte im Mai 2019. Anschließend konnte Krones mit der Einrichtung der Abfülllinie und der Installation des Hochregallagers beginnen. Die Endabnahme erfolgte im Mai 2020.

Insgesamt zeigte sich Herrmann mit dem Ergebnis sehr zufrieden. 90 bis 100 % aller Paletten stehe trocken im Hochregallager. Auch die Leergutsortierung und Kommissionierung erfolgen jetzt in der Halle. Die Bestandsführung erfolgt automatisch. Die Verladekapazität konnte auf rund 110 Lkw pro Woche aufgestockt werden, bei einer durchschnittlichen Verladedauer von 1,5 h.

Das innovative PalettenIns pektionssystem bei der Störtebeker Braumanufaktur stellte Kurt Spiegelmacher, syscona, vor. Störtebeker produziert 18 Biersorten in Individualkästen. Dazu kommen noch das hauseigene Mineralwasser und die LogipackKästen für die zahlreichen 6er- und 4er-Trays. Da für den störungsfreien Betrieb eines Hochregallagers eine ein wandfreie Palettenqualität erforderlich ist, kommt der Inspektion der einlaufenden Paletten eine Schlüsselrolle zu. Darüber hinaus ist eine Sortierung des eingehenden Leergutes auch auf Kastenebene erforderlich.

Die Inspektionsanlage von syscona ist bei Störtebeker dem Hochregallager vorgeschaltet. Dabei erfolgt die Leergutinspektion direkt auf der einlaufenden Palette. Für die automatische Auswertung werden Aufnahmen der oberen Lage sowie von den beiden Seitenansichten gemacht. Allerdings kann bei 3x3 Mineralwasserpaletten die mittlere Lage nicht erkannt werden.

Das System ermöglicht eine automatische und fehlerfreie Bestandsführung im Hochregallager. Nachteilig sind die Investitionskosten und die Ansprüche an das Bedienpersonal.

Über die Herausforderungen bei der Umsetzung, Anbindung und Integration des Hochregallagers bei der Störtebeker Braumanufaktur berichtete Thomas Lang , System Logistik. Das Krones-Tochterunternehmen installierte in Stralsund eine Mehrweg-Glaslinie mit einem Durchsatz von 40 000 Flaschen pro Stunde. Diese Linie ist direkt an ein Hochregallager mit 8 Gassen und 29 375 Stellplätzen angeschlossen. Der Transport der Paletten vom Hochregallager zur Verladung erfolgt über eine Elektro-Bodenbahn. Bei der Planung stand die Digitalisierung der Prozesse von Anfang an mit auf der Agenda und wurde über entsprechende SAP-Module realisiert. In der anschließenden Besichtigung konnten sich die Teilnehmer einen Eindruck von der gesamten Brauerei einschließlich des Abfüll- und Logistikzentrums machen. Der intensive Vortragstag klang mit einem Abend bei Störtebeker Bieren im beeindruckenden Ozeaneum Stralsund aus.

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