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VLB-Logistikfachkongress Stralsund: Elektroantriebe und Mehrweglogistik

Der zweite Tag des 24. VLB-Logistikfachkongresses im Störtebeker Brauquartier in Stralsund am 15. März 2023 widmete sich den Schwerpunkten Elektromobilität und Digitalisierung von Mehrweg-Leergutströmen. Durch das Programm führte Michael Kappesser, Getränke Schneider GmbH.

(oh) Der Tag begann mit dem dem spannenden und zukunftsweisenden Thema Entwicklungen bei Elektro- und Wasserstoffantrieben im Transportsektor. Die Einschätzung dazu von Renault Trucks skizzierte Felix Schlereth

Das Gros der CO2-Emissionen in der Getränkeindustrie wird durch die Logistik verursacht. Dabei ist der Tonnenkilometer beim LKW-Transport im Zeitraum von 1995 bis 2019 um 74 % gestiegen. Dies entspricht einem CO2-Mehrausstoß von 17 %. Ziel müsse daher die Dekarbonisierung der Transportlogistik sein. So bietet Renault Trucks, ein Tochterunternehmen von Volvo Trucks, in Deutschland in der Größenklasse 16 bis 26 t keine dieselbetriebenen LKW mehr an. Man setzt in diesem Bereich auf elektrische Antriebe.

Der Vergleich von batterieelektrischen Antrieben mit Wasserstoffverbrennungsmotoren spreche in Punkt Effizienz eindeutig für die Batterie, so Schlereth. Wasserstoffantriebe können jedoch für den Einsatz auf langen Strecken interessant sein.

In der Lebenszyklusanalyse hat der E-Truck bei der Herstellung einen höheren CO 2 -Fußabruck als ein LKW mit konventionellem Antrieb. Dies wird in erster Linie durch den Herstellungsprozess der Akkus verursacht. Im laufenden Betrieb sei der elektrifizierte LKW jedoch deutlich emissionsärmer (ca. 40 %). Wird der Ladestrom über erneuerbare Energien erzeugt, könne ein CO2-Vorteil von mehr als 80 % gegenüber dem Dieseltruck erreicht werden, so der Referent. Ein weiterer Vorteil ist der geräuscharme Betrieb, z.B. beim Lieferverkehr in Städten. Für die Getränkeindustrie bietet Renault aktuell einen 27-Tonner mit einer Reichweite von 300 km an. In Kürze soll auch eine elektrisch betriebene Sattelzugmaschine verfügbar sein.

Über Herausforderungen der elektrischen Ladeinfrastruktur sprach Sebastian Drochner, TotalEnergies. Elektrische betriebene LKW im Kurzstreckeneinsatz werden hauptsächlich an den Firmenstandorten geladen. Bei der Einrichtung der dafür erforderlichen eigenen Ladeinfrastruktur sind zahlreiche Aspekte zu beachteten. So müssen beispielsweise bei der Strombeschaffung Lastspitzen gemanaged werden. In Abhängigkeit der Flottengröße müssen unter Umständen auch bestehende Elektroanschlüsse erweitert werden. Dabei steht Total Energies bei Analyse und der Umsetzung als Berater und Dienstleister zur Verfügung.

Die Zukunft der Batterietechnologie stand im Mittelpunkt der Ausführungen von Dr. Patrick Ries , Thriathlon Batterien GmbH. Grundsätzlich sei die Entwicklung bei nach wie vor im Einsatz befindlichen Blei-Säure-Batterien nicht zu Ende. Aktuelle Blei-Akkus zeichnen sich durch kompaktere Bauformen mit höherer Kapazität und längerer Betriebsdauer aus. Dennoch sind moderne Lithium-Ionen-Batterien in allen Belangen deutlich überlegen. Ein Entwicklungsziel ist u.a. die weitere Erhöhung der Energiedichte. Neue Trends gehen in Richtung des Einsatzes fester statt flüssiger Elektrolyte. Diese bieten mehr Sicherheit und ermöglichen höhere Einsatztemperaturen. Bis zur Verfügbarkeit kommerzieller Produkte müsse man sich aber noch 5 bis 10 Jahre gedulden, so der Referent. Als Alternative sind NatriumionenBatterien im Kommen. Natrium ist leicht verfügbar und daher billiger als Lithium. Allerdings ist die Energiedichte niedriger. Sinnvolle Einsatzbereiche liegen u.a. in der Intralogistik. Eine offene Flanke bei Li-Akkus sei derzeit noch das Rücknahmeversprechen. Hier sollte ein Entsorgungssystem nach Vorbild der Blei-Akkus aufgebaut werden, so Ries.

Eine weitere Einschätzung zur Zukunft der LKW-Entwicklung gaben Thorsten Söth und Tim Plasberg , DAF Trucks. Das ursprünglich niederländische Unternehmen gehört heute zum US-Konzern Paccar. Der gesetzgeberische Druck in der EU forciert die Umstellung auf alternative Antriebsarten. Dennoch werde der klassische Verbrennungsmotor im Transportverkehr weiterhin eine Rolle spielen. Die Entwicklung sei noch nicht ausgereizt. So konnte DAF durch aerodynamische Optimierungen den Verbrauch bei

Diesel-Lkw um 10 % senken. Wasserstoff benötigt für die Herstellung und Lagerung viel Energie. Wird Wasserstoff mit konventionell erzeugter Energie gewonnen, ist seine CO2-Bilanz schlechter als die von Diesel. Sinnvoll sei daher die Herstellung von grünem Wasserstoff mit regenerativen Energien. Neben dem Einsatz in einer Brennstoffzelle (die als Stromlieferant für einen E-Antrieb dient) kann Wasserstoff auch direkt als Treibstoff für modifizierte Verbrennungsmotoren eingesetzt werden. Dies bringe Kostenvorteile und sei für lange Strecken interessant. Leistungsfähige E-Trucks sind bereits verfügbar. Die wesentlich größere Herausforderung ist allerdings die Bereitstellung der erforderlichen Lade-Infrastruktur. Dies werde noch dauern, das Fazit der Referenten.

In den Themenkreis Digitalisierung und Mehrweglogistik führte Thorsten Weinmann , vision-tec, ein. In der Getränkeindustrie ist auf Paletten eingehendes Leergut in der Regel sehr stark durchmischt – man spricht vom sogenannten „Zauberwürfel“. Um dem Abfüllprozess ausreichend sortenreines Leergut zur Verfügung stellen zu können, ist daher eine automatische Sortierung bereits vor der Entpalettierung sinnvoll. Bei dem System von vision-tec werden die Paletten lagenweise mit einem Knickarmroboter abgeräumt. Dieser wird von einer KI-unterstützten Bildverarbeitung mit mehreren Kamerasystemen gesteuert. Auch Kastenhöhen und Kastenlogos werden automatisch erkannt. So ist eine weitgehend vollautomatische Sortierung von Kästen und Flaschen möglich. Dennoch ist eine begleitende manuelle Entladung für verschiedene Spezialfälle erforderlich.

Über die Erfahrungen bei der Einrichtung eines automatischen Leergutmanagement-Systems im Logipack-Sortierzentrum in Hamm berichteten Florian Nickmann , Knapp, und Sven Welker, LLS Leergut Logistik Services GmbH. Im Leergutsortierzentrum in Hamm wurde ein jährliches Gesamtvolumen von ca. 60 Mio. leeren Flaschen manuell sortiert. Mit der Modernisierung sollte ein möglichst hoher Automatisierungsgrad erreicht werden. Installiert wurde eine Sortieranlage für 130 Mio. Flaschen pro Jahr bzw. 1180 Kästen pro Stunde mittels Einzelflaschensortierroboter. Das eingehende Leergut wird vom System automatisch abgerufen und per Stapler aufgegeben. Die Depalettierung erfolgt über einen Roboter, die einzelnen Flaschen im Kasten werden ebenfalls vollautomatisch sortiert. Auf einer speziellen Linie werden die Flaschen automatisch vom Logipack-Tray in leere Kästen umgepackt. Für Problemfälle steht eine manuelle Sortierung bereit. Hinter dem Ro - boter erfolgt eine Nachkontrolle, bevor das sortenreine Leergut in 12 Kammbahnen zur Palettierung geführt wird. Die performante, automatische Lösung gewährleistet einen schnelleren Gebindekreislauf, effiziente Prozesse und benötige deutlich weniger Personal, so das Fazit der Referenten.

Über nachhaltige Mehrweglogistik mit dem Logipack-System sprachen Torsten Hiller (LOGIPACK) und Max Huesch (Huesch & Partner). Der Aufbau eines nationalen Tray-Mehrwegpools für DisplayPaletten für die Getränkeindustrie unter dem Namen Logipack begann 2005. Grundidee war die Einrichtung eines standardisierten und offenen Pool-Systems zur Sicherung einer nachhaltigen Mehrweglogistik. Hauptkomponenten sind Kunststoff-Trays in verschiedenen Größen für unterschiedliche Flaschentypen. Zusätzlich wurden kulationstool, das die Gesamtkosten und den CO2-Fußabdruck eines Kastens kalkuliert. Parameter sind u.a. die erforderlichen Wegstrecken, Fremdflaschenanteil, Maut-Strecken oder Sortierkosten. Dabei schnitt der Logipack-Kasten in allen Varianten deutlich besser ab als der Individualkasten, so die Referenten. Fazit: Transportstrecke und Durchmischung sind die Hauptkostentreiber in der Mehrweglogistik. Regionalität sei nur ein Teil der Lösung. Vielmehr minimiere die Standardisierung von Flaschen und Gebinden die Kosten und die CO2-Emissionen. Auch eine Sortierung im GFGH oder im Zentrallager des LEH könne Vorteile gegenüber der Eigensortierung beim Abfüller bringen.

Über ein Forschungsprojekt zum Einsatz von Smart Labels zur Digitalisierung des Leergutbestandes beim GFGH berichteten Ingo Pankoke von der VLB Berlin und Sebastian

Workflow analysiert und optimiert. Dabei wurde zunächst jede sortierte Palette mit einem vorgedruckten selbstklebenden Kunststofflabel mit einer fortlaufenden Nummer und einem integrierten RFID-Chip gekennzeichnet. Der Stapler wurde mit drei RFID-Antennen sowie weiteren Bewegungssensoren ausgestattet. Lediglich die Marke der Kästen muss noch manuell eingeben werden. Damit wurde eine weitgehend automatische Erfassung der RFID-Label während der Arbeit des Staplers und eine elektronische Bestandsverwaltung möglich.

In einem nächsten Schritt könnten diese Daten den jeweiligen Herstellern zur Verfügung gestellt werden. Diese wären dann über die aktuellen Standorte ihrer Leergebinde informiert. Eine weitere interessante Erweiterung wäre die Einbindung der Daten aus den Pfandautomaten im LEH.

In dem Feldversuch zeigte sich das System robust in der Anwendung im Innen- und Außenbereich und könnte auch an automatische Sortieranlagen adaptiert werden. Zur weiteren Automatisierung wäre noch eine Kameraerfassung und Erkennung der Kästen sinnvoll.

2012 neutrale 20er- und 24erKästen eingeführt.

Mehr als 15 Jahre später hat sich das System bundesweit etabliert, verfügt über mehrere Sortierzentren und wird von rund 200 Getränkeherstellern in Deutschland, Österreich und Benelux genutzt. Insbesondere bei den 6er-Multipacks sei der Einsatz besonders sinnvoll, denn diese werden in den Outlets zu 95 % in Regale umgepackt. Von daher ergibt dort ein gebrandeter Individualkasten ökonomisch und ökologisch keinen Sinn. Vorgestellt wurden die Ergebnisse einer Mehrwegstudie von Huesch & Partner. Verglichen wurden das Handling von Individualkästen und neutralen Logipack-Kästen, jeweils mit unterschiedlichem Vorsortierungsgrad. Entwickelt wurde ein Kal-

Oldeweme , Wilms SCT. In der Logistikkette von Mehrweggebinden vom Handel zurück zum Hersteller herrscht große Intransparenz. Zwar gibt es Werkzeuge wie Transponder oder optische Erkennungssysteme, mit denen Informationslücken geschlossen werden könnten. Allerdings sind diese in der Getränkeindustrie bislang wenig verbreitet.

Am Beginn des Forschungsprojektes

„Di-Me-Pro“ – Digitalisierung von Mehrweg-Prozessen“ (Förderkennzeichen 16GP103701) , das vom (damaligen) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wurde, stand eine Prozessaufnahme der Leergutströme bei einem Getränkefachgroßhändler. Als Testfeld diente ein Standort der Appelmann Getränke Großvertrieb GmbH. Im ersten Schritt wurde der manuelle

Über die elektronische Bestandsmeldung mittels EDI für Ladungsträger, Kästen, Flaschen, Kegs und Paletten , sprach zum Abschluss Wolfram Scholz , Gedat. Ein Problem bei der Rückführung von Mehrweggebinden ist der unklare vertragliche Zustand zwischen Hersteller und Handel. Im GFGH werden die Leergutbestände lediglich nach Pfandwert erfasst und nicht nach Marken. Daraus ergeben sich insbesondere in Spitzenzeiten immer wieder Probleme bei der Leergutversorgung der Hersteller. Grundsätzlich gibt es aber bereits einen EDI-Standard. An dem EDI-Portal „getport“ sind aktuell rund 2300 Marktteilnehmer angeschlossen. Das System benötigt keine zusätzliche Technik und wäre in der Lage, den Blindflug in Sachen MehrwegLogistik ohne größere Investitionen zu beheben. Dies setze aber die Kooperationswilligkeit aller Beteiligten voraus, so Scholz.

Der nächste VLB-Logistikfachkongress findet vom 4. bis 6. März 2024 in Chemitz statt.

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