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in Bündner Forstbetrieben?

Wo steht die Digitalisierung in Bündner Forstbetrieben?

13. August 2020 im Sitzungszimmer der Abteilung Wald und Alpen in Chur. Hier treffe ich meine beiden Interviewpartner Thomas Voneschen, Betriebsleiter Flims Trin Forst, und Toni Jäger, Betriebsleiter Wald und Alpen in Chur. Während des Gesprächs verraten sie mir, welche digitalen Lösungen sie sich heute schon zu Nutzen machen und was sie sich für die nahe Zukunft wünschen.

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Interview mit Severin Gisler, AWN

Welche Bereiche werden heute bei euch im Betrieb digital geführt?

Thomas: Wir führen heute das Rapportwesen mit Stundenerfassung des Personals und der Maschinen sowie die Debitorenbuchhaltung komplett digital. Dies ist alles mit dem Programm von Forstcontrol möglich. Eine Schnittstelle zwischen Forstcontrol und Forstbar stellt die Datenübertragung sicher und ermöglicht einem externen Unternehmen das Erstellen der Betriebsabrechnung. Die Terminverwaltung führen wir auf einem digitalen Kalender. Dies ist nach dem Zusammenschluss der Forstbetriebe nochmals wichtiger geworden, da man sich gegenseitig die Termine einsehen kann. Weiter machen wir die Seilkrandetailplanung mit der Software Seilkranpro. Für das Zeichnen von Holzschlägen verwenden wir eine mit GPS ausgerüstete digitale Kluppe. Bei der Lokalisierung von Streuschäden haben wir erste Versuche mit einer handelsüblichen Drohne gemacht und sind sehr zufrieden damit. Toni: Auch bei uns sind das Rapportwesen, die Debitorenbuchhaltung und die Betriebsbuchhaltung vollständig digitalisiert. Als Betrieb mit 15 Mitarbeitern sind wir der Stadt Chur mit insgesamt 1000 Mitarbeiter angeschlossen. Darin sind auch alle Lehrpersonen inklusive der Gewerbeschullehrer eingeschlossen. Wir wenden dadurch die gleichen Programme an wie die anderen Betriebe der Stadt. Diese sind nicht wie bei Thomas forstspezifisch, funktionieren aber auch für uns sehr gut. Zum Holzmessen verwenden wir immer die digitale Kluppe. Beim Anzeichnen arbeiten wir auch gerne mit dieser, jedoch nicht in jedem Fall. Der digitale Stadtplan auf unserem Intranet ist für mich ein wichtiges Instrument. Was ich sehr schätze, ist, dass dort auch die Bestandeskarte hinterlegt ist. Mit wenigen Klicks ist es mir so möglich, bei einem Wegebauprojekt Werkleitungen und waldbaulich relevante Karten einzublenden.

Thomas Voneschen bei der Arbeit. Obwohl die Ordner immer weniger werden, ganz wegzudenken sind sie heute noch nicht. (Bilder: Severin Gisler)

Wie erfasst ihr die Arbeitsstunden des Personals?

Thomas: Jeder Mitarbeiter erfasst diese mit der WEBApp von Forstcontrol auf seinem Mobiltelefon selbst. Toni: Grundsätzlich ist es bei uns möglich, dass jeder Mitarbeiter seine Stunden selber erfasst. Für die Mitarbeiter, die in unserem Betrieb draussen arbeiten, sind wir aber wieder davon abgekommen. Da wir viele Drittaufträge machen, haben wir eine bessere Kontrolle und Übersicht, wenn unsere Leute mit Rapportblätter arbeiten. Im Anschluss werden die Stunden von unserer Sekretärin mit einem gewissen Mehraufwand digitalisiert. Dafür fällt der Kontrollaufwand viel geringer aus.

Was sind die aktuellen Herausforderungen, um einen Forstbetrieb digital fit zu halten oder diesen erstmals fit zu machen?

Toni: Was mir wichtig ist und eine grosse Herausforderung in den letzten Jahren darstellte, ist die einheitliche und strukturierte Ablage von Daten. Da bin ich äusserst penibel und fordere von meinen Mitarbeitern eine grosse Disziplin. Vor zwei Monaten haben wir fünf Container mit alten Akten gefüllt. Das Wegwerfen war das Kleinste, die Sortierung und Priorisierung der zu digitalisierenden Unterlagen bedeutet aber einen riesigen Aufwand. Als Führungsinstrument unserer Mitarbeiter im praktischen Einsatz brauchen wir auch heute immer noch Papier. Abgelegt wird dann digital, wenn nötig eingescannt. Thomas: Ich bin gleicher Meinung wie Toni. Das Schlimmste sind Doppelspurigkeiten und Leerläufe. Leerläufe entstehen, wenn man Daten suchen muss, weil diese ohne klare Struktur abgelegt worden sind. Daher müssen sich zwingend alle an die abgemachten Strukturen halten. Ausgedruckt und als Papier abgelegt wird bei uns deutlich weniger wie früher. Dennoch ist es zum Teil ein Kampf und man muss sich immer noch daran gewöhnen.

«Es wird nach wie vor viel zu viel ausgedruckt!»

Thomas Voneschen

Aufgabenteilung und Outsourcen von Leistungen, wie macht ihr das?

Toni: Als damaliger Lehrling habe ich noch gesehen, dass der Förster die Rechnungen selber schreibt (klopft wiederholt zart auf den Holztisch). Bei mir ist heute spätestens beim handgeschriebenen Lieferschein in Notizform fertig. Danach übernimmt die Sekretärin gekonnt. Thomas: Mit Forstcontrol handhaben wir das ähnlich. Wir als Förster speisen unsere Daten ein, kontrollieren diese und mit dem Setzen eines Häkleins gehen die Daten zur externen Buchhaltung über. Dort werden die Aufträge gefiltert und daraus die Rechnungen erstellt. Der klassische Gang des Försters zur Kanzlei entfällt. Man wird effizienter und gewinnt Zeit für Arbeiten in seiner Kernkompetenz.

Der Beruf des Försters hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Mitunter durch die Anwendung von digitalen Führungsinstrumenten. In welchem Verhältnis stehen Aufwand und Mehrwert aus eurer Sicht?

Toni: Viele digitale Hilfsmittel bringen einen guten Mehrwert. Nur darf man sich von diesen nicht einfach an den Bürostuhl binden lassen. Wir haben die Möglichkeit bei unseren Betriebsstellen, übergreifend einander die Kalender einzusehen und Termine zu platzieren. Grundsätzlich ist das eine gute Sache, man ist aber in der Eigenverantwortung, sich nicht all-

zu fremdbestimmt verplanen zu lassen. Daher plane ich für mich wichtige Termine der kommenden Woche bereits am Donnerstag dieser Woche und trage diese ein. So habe ich auch die nötige Zeit mir zu überlegen, was ich mir beim Gang in einen Revierteil auch gerade noch anschauen kann. Thomas: Es gibt Förster, die sind extrem viel im Büro, andere wiederum viel im Wald. Fakt ist: Der Förster gehört in den Wald. Ich gebe Toni recht, dass wir aufpassen müssen, durch die vielen digitalen Mittel nicht einfach zu Schreibtischtätern zu werden. Für mich persönlich ist die Zeit am Morgen und am Abend, wenn wir als Team zusammenkommen, sehr wichtig. Wer die heutigen digitalen Hilfsmittel richtig anwendet und eine gute Terminplanung führt, hat auch Zeit sich Sachen im Wald und die Arbeit des Personals richtig anzuschauen. Ganz bewusst muss man sich aber auch entscheiden, an welchen Terminen es einen braucht und wo nicht.

Einige Eckdaten des Betriebs Flims Trin Forst

Gemeinden Flims und Trin Anzahl Mitarbeiter 8 und 2 Lehrlinge davon Förster 2 Waldfläche 2588 ha Schutzwaldfläche 1127 ha (43%) Bewirtschaftung 43% Bodenzug, 39% Heli, 18% Seilkran Homepage www.flimstrinforst.ch Social Media Instagram: flimstrinforst

«Die Zeit ist reif für die rollende Betriebsplanung!»

Toni Jäger

Welches digitale Tool verwendet ihr zum Erstellen von Wochenprogrammen und der jährlichen Terminplanung?

Toni: Diesbezüglich bietet mir unser Programm RTM die Möglichkeit, die ganze Terminplanung im selben Programm vorzunehmen wie die Arbeitszeiterfassung. Somit sind eingetragene Ferien bereits hinterlegt und wir können die Pikettplanung für das ganze Jahr einfach und übersichtlich ausführen. Die Jahres- und Wochenpläne erstellen wir in Excel. In ausgedruckter Form dienen sie dem Team als Wochenübersicht. Thomas: Der Kalender, das E-Mail und die Kontakte laufen bei uns über Google. Die Wochenpläne erstellen wir direkt im Kalender und kommunizieren diese ausgedruckt an die Mitarbeiter. Die Jahresplanung wird mit einer Exceltabelle aus LeiNa geführt.

Wie kommuniziert ihr im Arbeitsalltag mit dem Team und wie gegen aussen?

Toni: Wir haben einen Team-Chat. Dort werden ausschliesslich Tagesgeschäft relevante Informationen ausgetauscht, was sehr gut funktioniert. Funkgeräte werden bei uns in der Holzerei und bei Ereignissen situativ eingesetzt. Thomas: Für den Informationsaustausch im Team haben auch wir einen WhatsApp-Chat.

Im Tagesgeschäft ist die Telefonie aber sicher mitunter der am häufigsten genutzte Kommunikationskanal. Der Einsatz von Funkgeräten ist aber nach wie vor ein gutes und unverzichtbares Hilfsmittel im Forstbereich. Seit einiger Zeit sind wir als Betrieb auch auf Instagram aktiv. Den Sinn und das beabsichtigte Ziel dahinter haben wir vorgängig umfänglich besprochen. Wir freuen uns über die positive Resonanz, mitunter auch über die konstruktive Kritik, die uns auf diesem Weg erreicht.

Ich gehe davon aus, dass die Kommunikation in Form von Bildern auch bei euch eine wichtige Rolle spielt?

Toni: Absolut. Aufgrund uns zugestellter Fotos, welche von Mitarbeitern oder der Bevölkerung eingereicht werden, können wir uns bei kleineren Angelegenheiten häufig die Zeit sparen, den Sachverhalt persönlich vor Ort anzuschauen. Weiter können so bereits der Ressourcenaufwand abgeschätzt und die Massnahmen geplant werden. Thomas: Genau dies schätze ich auch sehr an Fotos, welche einen Sachverhalt zeigen.

Wo liegen aus euer Sicht die Vor und Nachteile von diesen Kommunikationsmitteln? Wo seht ihr Risiken?

Toni: Bei den grossen Unwettern im November 2002 haben wir gesehen, wie schnell man mit Smartphones an die Grenze kommt. Draussen bei Wind und Wetter werden die Dinger nass und spätestens nach einem Tag und einer halben Nacht hatte niemand mehr Akku. Da ist man froh, wenn man auf den altbewährten Funk zurückgreifen kann. Der Umgang mit dem Smartphone bei neuen Lehrlingen stellt uns immer wieder vor eine herausfordernde Problematik. Man muss von Anfang an klare Regeln aufstellen und diese auch kontrollieren. Ich habe schon gesehen, dass Lehrlinge bei laufender Motorsäge den kurzen Blick auf den Bildschirm nicht scheuen. Auf der anderen Seite hat man die Möglichkeit, das Smartphone für spontane Wissensvermittlung bei Lehrlingen einzusetzen. Eine super Sache ist natürlich die Rega-App. Wir hatten schon einen Unfall im Betrieb, bei dem die Alarmierung dadurch einwandfrei funktioniert hat. Thomas: Ich sehe das ähnlich wie Toni. Was mich nervt, ist, wenn beim Znüni niemand mehr miteinander spricht, weil jeder in seinen Bildschirm schaut.

Arbeitet man in verschiedenen Programmen gleichzeitig, sind zwei Bildschirme sehr dienlich.

Wie und wo werden im Betrieb digital geografische Hilfsmittel angewendet?

Toni: Abgesehen von der InvasivApp verwenden bei uns die Forstmitarbeiter noch nicht sehr oft geografische Hilfsmittel. Wir Förster hingegen nutzen digitale topografische Karten und die Luftbilder sehr oft. Thomas: Heute zum Beispiel war ein Team mit Aufrüsten von Sturmholz beschäftigt. Ein Mit-

arbeiter hatte den Auftrag, die Koordinaten der Fläche direkt aufzunehmen. Dies tat er mit der Rega-App und teilte sie mir als Screenshot mit. Die InvasivApp zur Bekämpfung von Neophyten verwenden wir in der Forst- und Werkgruppe.

Waldbaulich digitale Hilfsmittel, häufig in Form von Apps, gibt es schon länger. Welche schätzt ihr besonders?

Thomas: Das sind die der Rega, die von Swissmap und wie bereits gesagt die InvasivApp. Für die Aufnahme von Holzpoltern habe ich auch schon Apps ausprobiert, war aber damit nicht sehr glücklich. Toni: Das sind sicherlich die drei Apps, welche auch bei uns sehr geschätzt werden. Hinzu kommt bei uns die Anwendung der SchweizMobil-App, da der Unterhalt von den Mountainbikerouten auch über uns läuft. Es gibt natürlich noch viele weitere interessante Apps. Wendet man diese aber nicht regelmässig an, hat man keinen grossen Mehrwert zu herkömmlichen Methoden.

Einige Eckdaten der Abteilung Wald und Alpen der Stadt Chur

Gemeinden Chur, Maladers, Haldenstein Anzahl Mitarbeiter 13 und 3 Lehrlinge davon Förster 3 Waldfläche 3700 ha, dazu 3000 ha Alpen Schutzwaldfläche 2380 ha (66 %) Bewirtschaftung Bodenzug 40–45 %, Seilkran 55–60 % Homepage www.chur.ch Social Media –

Gibt es bei euch weitere digitale Hilfsmittel, mit welchen Daten im Wald erfasst und im Büro ausgewertet werden?

Thomas: Bei mir ist es definitiv die digitale Kluppe. Ich nehme alle Holzschläge mit dieser auf. Die Geländebeschaffenheit in Flims ist dazu sehr gut geeignet. In meinem früheren Revier war 90 Prozent Seilkrangelände und dies nicht möglich. Toni: Die meisten Holzschläge zeichne ich heute noch konventionell und mit mehreren Personen. Der Grund dafür ist das sehr steile Gelände in unserem Revier. Der Regionalforstingenieur und ich haben die Übersicht und können uns ganz der Auswahl der Bäume widmen. Zwei Mitarbeiter messen und zeichnen die Bäume, ein weiterer schreibt. Im Büro erfolgt die digitale Erfassung. Kleine Holzschläge oder Listenholz hingegen zeichne auch ich alleine und erfasse sie mit der digitalen Kluppe.

Alle im Wald durchgeführten Massnahmen werden seit 2006 nur noch digital und zentral unter leina.geo.gr.ch erfasst. Somit stehen den Betriebsleitern und dem kantonalen Forstdienst immer aktuelle Daten zur Verfügung. Was nützt «LeiNa» betrieblich?

Thomas: LeiNa hat sehr gutes Kartenmaterial, das ich gerne verwende. Dieses für die Mitarbeiter dann auszudrucken, ist jedoch eine kleine Katastrophe. Deshalb habe ich den Anspruch, dass das Ausdrucken von Karten viel einfacher gehen muss. Mein waldbauliches Jahresprogramm mache ich jeweils mit LeiNa und ergänze dieses im Laufe des Jahres mit den geforderten Angaben.

«Bei der Lokalisierung von Streuschäden bietet eine handelsübliche Drohne gute Dienste!»

Thomas Voneschen

Toni: Das Planungsinstrument von Seillinien in LeiNa finde ich gut und nützt mir betrieblich etwas. Was ich jedoch nicht gut finde, ist die Vergabe der Nummerierung für die einzelnen Massnahmen. So ist diese wohl fortlaufend, wenn ich zehn Massnahmen miteinander erfasse; nicht aber, wenn ich eine Woche später wieder Massnahmen erfasse. Für den einzelnen Betrieb wäre es viel übersichtlicher und schneller, die einzelnen Massnahmen zu finden, wenn die Nummerierung immer fortlaufend wäre.

Welche forstbetrieblichen Bedürfnisse können von LeiNa heute nicht abgedeckt werden?

Thomas: Für LeiNa muss jetzt langsam eine gute App-Version her. Die heutige Darstellung auf dem Smartphone ist schlichtweg nicht brauchbar. Ehrlich gesagt war ich auch einer, der sich am Anfang gegen LeiNa sträubte. Heute muss ich aber sagen, dass es auch für die Betriebe Vorteile hat. Es können viele für uns wertvolle Informationen abgerufen werden. Genau aus diesem Grund muss LeiNa aber noch feldtauglich gemacht werden. Toni: Bezüglich der App-Version bin ich gleicher Meinung wie Thomas. Persönlich investiere ich viel Zeit in LeiNa, herausnehmen kann ich aber nur wenig. Weiter sind die einzelnen Eingriffe auf der Karte nicht übersichtlich dargestellt. Hatte ich zum Beispiel in einer Fläche vor ein paar Jahren einen Holzschlag, darauffolgend zwei Pflegeeingriffe, ist das Datum der einzelnen so grossgeschrieben, dass man diese schlecht auseinanderhalten kann. Was für mich fehlt, ist die Möglichkeit, nach einer getätigten Massnahme oder Aufnahme in einem Bestand die neusten Daten so zu hinterlegen, dass diese für die rollende Betriebsplanung genutzt werden können.

Wo seht ihr das digitale Entwicklungspotenzial bezüglich Betriebsplanung?

Toni: Ich bin der Meinung, es ist an der Zeit und technisch umsetzbar, die rollende, digitale Betriebsplanung einzuführen. Weg von den ausgedruckten Betriebsplänen, die, wenn sie im Büro stehen, dort stehen, wenn liegend gelagert, dann ganz unten im Stapel. Der Betriebsplan muss ein zeitgemässes, digitales Instrument sein, aus welchem wir topaktuelle Daten abrufen können, weil wir im gleichen Sinn unsere Massnahmen immer gleich dort erfassen sollen. Hinterlegt sind natürlich alle wertvollen und forstrelevanten Geodaten. Thomas: Die rollende, digitale Betriebsplanung muss und wird kommen. Somit wird gewährleistet, dass der Betriebsplan bei einem Stellenwechsel des Försters jederzeit auf dem neusten Stand ist und der Informationsverlust vermieden wird.

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