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Interview: Berufsbegleitende Försterausbilung ein Novum
Berufsbegleitende Försterausbilung ein Novum
Beat Philipp ist der Schuleiter im ibW Bildungszentrum Wald Maienfeld. Als solcher ist er auch für die Försterausbildung zuständig. Er gibt dem Bündner Wald Auskunft wie die geplante berufsbegleitende Variante des Försterlehrgangs aussehen soll und welche Hürden noch gemeistert werden müssen bis das Ganze umsetzbar wird.
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Interview von Mario Lucchinetti
Beat Philipp.
(Bild: B. Philipp)
Wie hat die ibW die Coronakrise ohne Präsenzunterricht überstanden? Worin lagen die Hauptschwierigkeiten für die Dozenten und die Studenten? Gibt es daraus Erkenntnisse oder gar Veränderungen im Schulbetrieb?
Die ibW war zum Glück IT-mässig bestens für diesen Fall gerüstet. Wir arbeiten schon seit mehreren Jahren mit einer Lernplattform, auf welche sowohl Studierende als auch Lehrkräfte von zu Hause zugreifen können. Auch der Onlineunterricht konnte sofort hochgefahren werden und funktionierte bereits nach wenigen Tagen erstaunlich gut. Die Lehrkräfte nahmen diese Herausforderung mit viel Elan und Kreativität an und entpuppten sich teils als wahre Naturtalente. Wer hätte gedacht, dass anstatt von zwei drei Bodenprofilen in der Umgebung der Schule plötzlich 20 Bodenlöcher aus der halben Schweiz online verglichen und besprochen werden? Natürlich gab es auch Schwierigkeiten. Nebst technischen Problemen mit den Internetverbindungen waren die Dosierung des «Frontalunterrichts» und die höheren Ansprüche an die Selbstdisziplin der Studierenden die grossen Herausforderungen. Sicher ist, dass wir Möglichkeiten des Fernunterrichts kennengelernt haben, welche wir auch in Zukunft nutzen möchten.
Ist das wahr, dass die Försterausbildung nun auch in einer berufsbegleitenden Form absolviert werden kann? Wie kam es dazu?
Tatsache ist, dass wir daran sind, einen berufsbegleitenden Lehrgang zum Förster HF zu entwickeln. Der Wunsch nach einer solchen Alternative zum Vollzeitstudium wurde bereits vor zehn Jahren erstmals an die Försterschule herangetragen. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie kam aber damals nicht eindeutig zum Schluss, dass man diese Idee weiterverfolgen sollte. Deshalb und infolge von anderen
Projekten, wie zum Beispiel dem Zusammenschluss mit der ibW, geriet dieses Anliegen wieder in den Hintergrund. 2017 erfolgte dann ein erneuter Vorstoss von Stiftungskantonen, welche sich Sorgen wegen eines drohenden Fachkräftemangels machten. Die Idee war also in erster Linie, mit einem zusätzlichen Lehrgang, der berufsbegleitend absolviert werden kann, mehr Förster und Försterinnen auszubilden. Die Bedürfnisabklärung hat dann gezeigt, dass auch andere Gründe dafür sprechen, einen berufsbegleitenden Försterlehrgang anzubieten.
Worin lagen die grössten Hürden, damit die Idee umgesetzt werden konnte?
Wie gesagt, ist die Umsetzung dieser Idee noch nicht abgeschlossen, auch wenn die Realisierung Ende Juni vom Stiftungsrat der IFM genehmigt wurde. Die grösste Schwierigkeit ist wohl die von Anfang an mit dem Projekt verbundene Auflage, dass der berufsbegleitende Lehrgang zusätzlich und parallel zum Vollzeitstudium durchgeführt werden muss. Das ist nicht nur organisatorisch eine grosse Herausforderung, sondern beinhaltet auch die Gefahr, dass sich die beiden Varianten gegenseitig das Wasser abgraben. Eine gewisse Hürde wird sicher auch die Rekrutierung von zusätzlichen Lehrkräften sein. Wir denken aber, dass es uns – vor allem auch in Zusammenarbeit mit dem Bildungszentrum Wald Lyss – gelingen wird, den Bedarf zu decken.
Wie lange dauert die Ausbildung zum Förster HF? Haben Sie schon einige Anmeldungen für die berufsbegleitende Variante? Ab wann startet der Studiengang?
Die Ausbildung zum Förster beginnt im Grunde genommen mit dem Besuch von sechs Grundlagenmodulen, welche als Zulassungsbedingung für den eigentlichen Lehrgang erfolgreich absolviert sein müssen. Für den Besuch dieser ein- und zweiwöchigen Module, der ja schon bisher berufsbegleitend erfolgt, braucht man etwa zwei Jahre. Der Lehrgang im Vollzeitstudium dauert dann inklusive Praktikum nochmals 21 Monate. Dabei muss beachtet werden, dass nur jedes zweite Jahr im Januar gestartet werden kann. Je nachdem wie alles zusammenpasst, braucht man so vier bis fünf Jahre, um sich nach der Forstwartausbildung im bisherigen Modell zur Försterin oder zum Förster weiterbilden zu lassen. Der berufsbegleitende Lehrgang, der Anfang Januar 2021 starten soll, wird voraussichtlich 33 Monate dauern und gleichzeitig mit dem Vollzeitlehrgang 2022/23 abgeschlossen werden. Bis Mitte Juli sind dafür bereits 17 verbindlichen Anmeldungen eingegangen. Darunter sind aber 11 Meldungen von Kandidaten, welche noch die Eignungsabklärung und/oder einzelne Grundlagenmodule absolvieren müssen, damit sie die Zulassungsbedingungen erfüllen.
Worin liegen die Vorteile oder die Nachteile dieser neuen Ausbildungsform? Für wen ist die neue Ausbildungsform gedacht?
Bei verschiedenen Workshops im Rahmen der Bedürfnisabklärung konnten wir feststellen, dass in der forstlichen Praxis ein grosses Inte-
resse an einer berufsbegleitenden Försterausbildung besteht, weil diese für viele potenziell interessierte Personen aus finanziellen und/ oder familiären Gründen eine wertvolle Alternative zur Vollzeitausbildung darstellt. Ebenfalls verspricht man sich durch die stärkere Verbindung von Praxis und Theorie in Form von Teilzeitarbeit und Teilzeitstudium eine positive Wirkung auf die Försterausbildung. Ein weiterer Vorteil könnte aus Sicht der Branche sein, dass der berufsbegleitende Lehrgang bei Bedarf auch jährlich gestartet werden könnte, was dann eine deutliche Erhöhung der Ausbildungskapazität ermöglichen würde. Als Teilnehmende dieses Lehrgangs sehen wir vor allem Personen mit einer Forstwart- und Forstwartvorarbeiterausbildung, welche bereits über einige Berufserfahrung verfügen und sich den Vollzeitlehrgang nicht leisten können oder wollen.
Ist die Ausbildung gleichwertig zum klassischen Modell?
Nebst der Auflage, dass der erste berufsbegleitende Lehrgang parallel zum Vollzeitstudium laufen muss, war auch von Anfang an klar, dass die beiden Modelle inhaltlich und qualitativ möglichst gleichwertig sein müssen. Ein Unterschied wird sicher sein, dass in der berufsbegleitenden Version kein eigentliches Praktikum vorgesehen ist. Die Idee ist ja, dass die Teilnehmenden die Möglichkeit haben, entsprechende Erfahrung in ihrem Betrieb zu sammeln, wo sie weiterhin mindestens 50 Prozent arbeiten werden. Je nach Betriebskonstellation und Einstellung des Betriebsleiters können diese Möglichkeiten sehr unterschiedlich sein. Deshalb wird es von entscheidendem Vorteil sein, wenn der Besuch des berufsbegleitenden Lehrgangs vom Betrieb unterstützt wird.
Birgt diese nicht einige Risiken, dass Unterrichtsstoff auf der Strecke bleibt, wie will man das verhindern?
Das Risiko ist nicht, dass Unterrichtsstoff auf der Strecke bleibt, sondern eher wie oben angedeutet, dass gewisse praktische Transferaufgaben im Betrieb zu kurz kommen könnten. Im Gegensatz zum Vollzeitstudium werden wir keine Möglichkeiten haben, darauf Einfluss zu nehmen. Deshalb wird, wie gesagt, die Unterstützung der Betriebe aber auch Selbstinitiative der Teilnehmenden gefragt sein. Allgemein wird das neue Modell höhere Anforderungen an die Selbstdisziplin der Teilnehmenden stellen.
Wird sich die berufsbegleitende Form durchsetzen oder gar den klassischen Lehrgang ablösen?
Über diese Frage kann nur spekuliert werden. Wichtig ist, dass wir als Anbieter für alle Möglichkeiten offenbleiben und dann entscheiden, wenn wir sehen, wie sich dieses neue Modell bewährt. Ebenfalls ist es wichtig, in dieser Frage nicht nur unser Stiftungsgebiet im Auge zu behalten, sondern in Zusammenarbeit mit dem BZW Lyss die beste Lösung zu finden, um die ganze Schweiz mit genügend guten Fachkräften im Wald zu versorgen.
Findet auch Präsenzunterricht statt oder wird der ganze Lehrgang im Distance Learning abgehalten? Wie oft müssen die Studenten nach Maienfeld?
Primär denken wir immer noch an Präsenzunterricht. Aber wie schon erwähnt, wollen wir künftig auch die aktuellen Erfahrungen mit dem Fernunterricht einfliessen lassen. Grundsätzlich hat man sich auf ein Lernmodell geeinigt, das auf den bestehenden Modulen, auf mehrwöchigen Blöcken und 2 ½tägigen Ausbildungseinheiten (Donnerstagmorgen bis Samstagmittag; 20–25 Lektionen circa alle zwei bis drei Wochen) basiert. Insgesamt werden die Studierenden rund 700 Lektionen pro Jahr im Präsenzunterricht, meist in Maienfeld, aber teilweise wahrscheinlich auch in Lyss verbringen.
Kann man während des Studiengangs auch auf eine berufsbegleitende Form umsteigen oder umgekehrt?
Daran haben wir noch gar nicht gedacht. Ich denke, dass es sich jetzt beim ersten Lehrgang um einen Versuch handelt, bei dem sich diese Frage kaum stellen wird. Aber die Überlegung ist interessant.
Wo liegen die organisatorischen Herausforderungen für die Dozenten im neuen Ausbildungsmodell?
Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist die Tatsache, dass viele Unterrichtseinheiten relativ stark an die Jahreszeiten gebunden sind. Unser aktueller Lehrgang ist optimal auf den Jahresverlauf abgestimmt und so aufgebaut, dass ein Unterrichtsteil auf dem anderen aufbaut. Dieses Konstrukt wird durch die Verteilung auf drei Jahre ziemlich durcheinandergewirbelt. Ebenfalls eine Herausforderung wird sein, zusätzliche Lehrkräfte einzuarbeiten sowie Teile des Stoffs zu delegieren und mit allen Konsequenzen loszulassen.
Die Stärke der Försterausbildung ist die starke Bindung zur Praxis, wird die berufsbegleitende Form noch praxisnäher, da die Studierende von Anfang an mit dem Alltagsgeschäft als Förster konfrontiert werden?
Grundsätzlich darf man schon davon ausgehen, dass mit dem berufsbegleitenden Modell die Verbindung zur Praxis gestärkt wird. Nicht zuletzt auch, weil wir auf Teilnehmer mit viel Berufserfahrung hoffen. Aber wie schon gesagt, hängt viel von dieser Praxis, also den Betrieben der Teilnehmenden selber ab, wie fruchtbar diese Praxisnähe für die Ausbildung sein wird.