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Die Eiche in Graubünden – eine Übersicht

Die Eiche im Kanton Graubünden scheint auf den ersten Blick eine Randerscheinung, ihr Anteil am gesamten stehenden Holzvorrat beträgt weniger als ein Prozent. Viele dieser Bestände sind in ihrer Erhaltung bedroht, denn nur wenige Eichenbestände in Graubünden sind natürlicherweise konkurrenzfähig. Aufgrund ihrer charakteristischen Strukturen und der besonderen ökologischen Bedeutung werden die durch ehemalige Bewirtschaftung geprägten Eichenbestände deshalb an den wichtigsten Standorten gefördert, um diese einzigartigen Lebensräume auch zukünftig zu erhalten.

Dr. Marco Vanoni

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Die Verbreitung der Eichenarten in Graubünden

In Graubünden werden für alle grösseren Waldeigentümer (ab 40 ha) in regelmässigen Abständen Betriebspläne erstellt, in welchen detaillierte Bestandeskartierungen erarbeitet werden. Damit kann heute auf knapp 90 Prozent der Waldflächeeine ungefähre Abschätzung der Eichenvorkommen erfolgen. Für die nachfolgenden Beschreibungen der Verbreitung wurden sämtliche Bestände ausgewählt, in welchen die genannte Eichenart erfasst wurde, unabhängig ob die Eiche nur als Einzelbaum oder bestandesbildend vorkommt. Bei der Erfassung werden insgesamt fünf Eichenarten unterschieden, dies sind Traubeneiche, Stieleiche, Flaumeiche sowie Roteiche und Zerreiche. Bei den Aufnahmen gilt zu beachten, dass nur schlecht oder gar nicht zugängliche Bestände genauso wie unproduktive Flächen innerhalb des Waldareals nicht beschrieben werden. Auch sind Unsicherheiten bei der Ansprache im Feld nicht auszuschliessen, da diverse Eichen morphologisch nicht immer eindeutig zu unterscheiden sind oder sich hybridisieren können. Weitaus am häufigstenist die Traubeneiche (Quercus petraea) in Graubünden verbreitet. Auf rund 5500 ha der kartierten Bestände stocken Traubeneichen. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von der nördlichen Kantonsgrenze in der Bündner Herrschaft bis ins Prättigau (bis Saas i. P.), durch das Churer Rheintal bis weit hinauf in die Surselva (Trun) und in das Domleschg sowie weiter bis ins Schams (Andeer). Auch in den Bündner Südtälern Misox und Calancatal, Bergell und Puschlav ist die Traubeneiche weit verbreitet. Am zweithäufigste kommt die Stieleiche (Quercus robur) vor, sie stockt auf etwa 870 ha. Ihr Verbreitungsgebiet deckt sich im Groben mit demjenigen der Traubeneiche. Im Gegensatz zur Traubeneiche findetsich die Stieleiche in Nordbünden eher an feuchteren Gebieten mit tiefgründigen Böden und sie tritt weit seltener bestandesbildend auf. An dritter Stelle der Flächengrösse folgt bereits die eingeführte Roteiche (Quercus rubra) auf 38 ha. Auf der Nordseite ist sie an ganz wenigen Stellen rund um Malans und Landquart zu finden,auf der Alpensüdseite wächst sie im Misox (bis ungefähr Cabbiolo) sowie am Eingang zum Calancatal. Die Zerreiche (Quercus cerris), welche in der Schweiz nur im südlichen Tessin als einheimisch gilt, stockt gemäss Bestan-

Verbreitung der drei häufigsten Eichenarten in Graubünden gemäss Bestandeskartierung.

(Bild: AWN)

deskartierungen an einem einzigen Ort im Kanton, namentlich bei Leggia im Misox. Die Flaumeiche (Quercus pubescens) hingegen, welche gemäss Flora von Graubünden auch in der kollinen bis montanen Stufe in Graubünden im Rheintal verbreitet (Frey und Bichsel 2013) und gemäss Flora Helvetica ebenfalls im Puschlav beheimatet ist, fehlt in den heutigen Bestandeskartierungen gänzlich. Zu erwarten wäre die Flaumeiche meist in strauchiger Form namentlich in den wärmsten Talgebieten auf trockenen, heissen Abhängen oder Felsvorsprüngen sowie in Waldföhrenbeständen zwischen Maienfeld und Tamins, woher auch die letzten Beobachtungen bekannt sind. Weitere Nachforschungen wären sicher wertvoll, denn es werden oft Mischformen mit der Traubeneiche vermutet, die ohne vertiefte Kenntnis nicht als Flaumeiche erkannt werden können. Funde oder

Eicheln der Traubeneiche.

(Bild: Jürg Hassler)

Vermutungen zu vorkommenden Flaumeichen nimmt das Amt für Wald und Naturgefahren gerne entgegen. Die standörtlichen Bedingungen für Eichenwälder als Dauerwaldgesellschaften findensich im Kanton Graubünden meist nur in tiefen Lagen auf flac gründigen, felsigen Standorten mit sehr hoher und langer täglicher Sonneneinstrahlung bis etwa 1000 m ü. M. Meist handelt es sich um relativ kleinflächige süd- bis südwestexponierte mehr oder weniger steile Felsenlagen, die in höheren Lagen in Föhrenwälder als Dauerstadien übergehen. Dennoch sind diese wenigen Gebiete nicht zu vernachlässigen, denn eine Modellierung der potenziellen natürlichen Vegetation hat ergeben, dass in Graubünden und im Kanton Tessin zusammen etwa 90 Prozent aller natürlichen Eichenwälder der Schweiz liegen würden (Mühlethaler et al. 2007).

Die Eiche in der forstlichen Planung

Im Jahr 2019 wurde der neue Waldentwicklungsplan (WEP) 2018+ in Kraft gesetzt. Im Objektblatt Natur und Landschaft wird die Eiche bei der Förderung besonderer Gehölze thematisiert. Für die Eichenförderung wurde basierend auf den Eichenbeständen eine Priorisierung vorgenommen und kartografischfestgehalten. Es sind dies aktuelle Eichenbestände, welche eine hohe Qualität aufweisen oder gefährdet sind und in den kommenden Jahren mit Finanzmitteln für die Waldbiodiversität gefördert und erhalten werden sollen. Mit rund 2000 ha wird ungefähr ein Drittel der Eichenbestände in Graubünden auf der Karte im WEP 2018+ ausgewiesen. Damit die Waldeigentümer bei Fördermassnahmen Beiträge von Bund und Kanton erhalten können, sind die Projektvorschriften zu berücksichtigen. Hier werden die

Lage der fünf Sonderwaldreservate zur Eichenförderung in Nordbünden.

(Bild: AWN)

Eichen im Sonderwaldreservat Eichwald Tamins.

(Bild: Jürg Hassler)

Eichen unter der Kategorie «Förderung besonderer Gehölze» thematisiert: Das Ziel ist die Erhaltung und Förderung von Vorkommen an Standorten, welche der natürlichen ökologischen Nische entsprechen. Für die Eichenförderung wurde auch eine Richtlinie erarbeitet, die wichtige Hinweise zur Objektauswahl und für das konkrete Vorgehen bei der Eichenförderung liefert. Neben der Eiche werden übrigens auch die Arve und die Weisstanne in ihren jeweiligen Reliktgebieten gefördert sowie weitere seltene und wertvolle Baumarten wie Eibe, Wildobst, Schwarzpappel, Elsbeere, Speierling, Mehlbeere, Ulme, Linde, Hopfenbuche, Felsenkreuzdorn und Lorbeerweide. Im Kanton Graubünden wurden bisher 36 Sonderwaldreservate eingerichtet, die alle auf einen konkreten Förderzweck ausgerichtet sind. Bei fünf dieser Reservate ist die Eichenförderung das übergeordnete Ziel oder eines der Hauptziele. Es handelt sich dabei um den Eichwald Castiel (Arosa, 22 ha), den Eichwald Maladers (Chur, 21 ha), den Eichwald Tamins (Tamins, 108 ha), die Tumalandschaft (Domat/Ems, 32 ha), und Plontabuora (Ilanz/Glion, 25 ha). Unterhalb der Dörfer im vorderen Schanfiggsind diverse Wälder mit der Bezeichnung «Eichwald» zu finden,die beiden genannten Eichwälder unterhalb von Maladers und Castiel wurden als Sonderwaldreservate ausgeschieden. Das Sonderwaldreservat «Eichwald» Tamins besteht aus einem Mosaik von ökologisch wertvollen Eichenwäldern sowie Trockenwiesen und -weiden. Dieser Eichenwald ist neben einem Eichenwald oberhalb von Maienfeld («Bovel») eines von nur noch zwei vorhandenen Relikten früherer Eichenhaine in Nordbünden, in denen neben der Produktion von wertvollem Eichenholz auch die Nutzung der Eicheln für die Schweinemast eine tragende Rolle gespielt hat. Die Tumalandschaft Domat/Ems umfasst die typischen Tumas (Hügel), welche in und um Domat/Ems ein auffälliges

Landschafselement darstellen. Drei Zielsetzungen werden auf den 12 Tumas verfolgt: Offene lichte Südseiten, Laubholz auf Nordseiten und gestufte Waldränder im Häuser- und Strassenbereich. Die Eiche als wichtigste und häufigsteBaumart wird dabei wo immer möglich gefördert und erhalten. Das Sonderwaldreservat Plontabuora südlich von Ruschein (Gemeinde Ilanz/Glion) bezweckt im unteren Teil die Förderung und Erhaltung der natürlichen Traubeneichewälder, direkt angrenzend im oberen Teil werden Lärchenweidwälder erhalten.

Die Eiche nach einem Waldbrand

Ein virtueller Waldrundgang ist im Eichenwald «Motela» in Mesocco möglich. Von insgesamt fünf Standorten können Aufnahmen zu sieben verschiedenen Zeitpunkten zwischen Januar 2017 und August 2018 betrachtet werden (comparaison. sylvotheque.ch > Tour auswählen, Klick auf «+» für gleichzeitige Darstellung von Aufnahmen zu anderen Zeitpunkten). Es handelt sich dabei um einen wichtigen Schutzwald oberhalb der Nationalstrasse A13, in welchem ein Waldbrand zum Jahreswechsel 2016/2017 eine Fläche von rund 120 ha Wald stark beschädigt und teilweise vollständig zerstört hat. Viele der stattlichen Eichen auf etwa 700 bis 1000 m ü. M. haben das Feuer überstanden und bereits im Frühling 2017 wieder ausgetrieben, auch wenn einige vital scheinende Bäume mit bereits hohlen Stämmen vollständig ausgebrannt sind. Der Bestand präsentiert sich aktuell weiterhin stabil, einzelne verzögerte Abgänge kommen aber weiterhin vor.

Zustand der Eichen in der Waldbrandfläche im Oktober 2017.

(Bild: Marco Vanoni)

Marco Vanoni leitet seit 2016 den Bereich Schutzwald und Waldökologie des Amts für Wald und Naturgefahren in Chur und ist zuständig für die Koordination der Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Waldbiodiversität in Graubünden.

Literatur

Amt für Wald und Naturgefahren, 2018: Waldentwicklungsplan (WEP) 2018+, Regionen 1 bis 5. www.wep.gr.ch. Amt für Wald und Naturgefahren: Projektvorschriften für Sammelprojekte Waldbau ab 2020, Handbuch Grüner Bereich. Frey, Hans-Ulrich und Bichsel, Markus, 2013: Konzept zur Förderung der Eiche in Nordbünden. Amt für Wald und Naturgefahren Region Rheintal/ Schanfigg. 6 S. Mühlethaler, U., Reiser, Y. & Rogier, N. (2007): Potentielle Eichenwuchsgebiete und wertvolle Eichenwälder in der Schweiz. Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofen. 95 S.

Eichenförderung im Domleschg

Die einheimische Traubeneiche kann offensichtlich gut mit Trockenheit umgehen und sollte somit vom Klimawandel und den damit einhergehenden veränderten Bedingungen (Anstieg der mittleren Jahrestemperatur, Abnahme der mittleren Sommerniederschläge) profitieren können. Als Herberge für Hunderte von Arten wird ihr ein hoher Naturwert zugesprochen. Auch deshalb wollen wir die Traubeneiche bei uns haben und fördern sie mit Leib und Seele entsprechend den waldbaulichen und betrieblichen Handlungsoptionen.

Lukas Kobler, Karl Ziegler

Ausgangslage und Zustand

In den Jahren 2001 und 2002 wurde im Auftrag des damaligen Amts für Wald Graubünden von Maurizio Veneziani (dipl. Forsting. ETH) das Konzept zur Erhaltung und Pflegenaturkundlich und landschaftlich wertvoller Eichenwälder im Gebiet Domleschg-Heinzenberg erarbeitet. Einleitend heisst es darin: Das Gebiet Domleschg/Heinzenberg weist besondere Klima-, Boden- und Vegetationsverhältnisse auf. Diese und die verschiedenen Nutzungsformen der letzten Jahrhunderte haben zur Entstehung einer strukturreichen Landschaft geführt, die von einer reichhaltigen Biodiversität charakterisiert ist. Ein Aspekt dieser Biodiversität ist der Reichtum an Traubeneichen, die im Gebiet bestandes- und gruppenweise, wie auch als Einzelbäume vorkommen. Natürliche Traubeneichenwälder sind in der Schweiz ziemlich selten. Die heutige Verbreitung der Traubeneiche ist stark kulturlandschaftlich geprägt. Bei nachlassender Pfleg und Nutzung würde die Traubeneiche rasch an Areal einbüssen oder teilweise sogar ganz verschwinden. Die Situation hat sich gegenüber 2001/2002 insofern verändert, als dass aufgrund des «Eichenkonzepts» und insbesondere entsprechend den Zielsetzungen der Waldentwicklungsplanung

Abbildung 1: Eichenvorkommen Domleschg (Nr.36 ist die Fläche Spunda Beala; die Fläche Summa Crappa ist links

davon). (Bild: AWN)

und Projektvorschriften Biodiversität verschiedene Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Eichenvorkommen umgesetzt werden konnten. Im Domleschg/Heinzenberg wurden rund 60 fl chige Eichenvorkommen und Waldränder mit hohem Eichenanteil mit einer Gesamtflächevon ca. 85 ha beschrieben und kartografisch festgehalten (vergleiche Abbildung 1: Eichenvorkommen Domleschg). Im ganzen Gebiet kommt praktisch ausschliesslich die Traubeneiche (Quercus petraea) vor. Sie kann reine Bestände auf trockenen und flachgründigenBöden der kollinen bis submontanen Stufe bilden. Im Domleschg kann sie durch den Föhneinflussauch höhere Stufen erreichen. Man geht davon aus, dass Pionierstadien der Gamander-Traubeneichenwaldgesellschaft häufigmit Föhren bestockt sind. Heute ist im Gebiet Domleschg/Heinzenberg eine Verbreitung der Eiche augenfällig. Die Föhrenbestände in der Talebene des Domleschg sind, wo die Lichtverhältnisse es zulassen, durchwachsen mit Eichennaturverjüngung, ebenso wie die trockenen bis frischen höheren Lagen des Domleschgs und des Heinzenbergs bis rund 1000 m ü. M. (Tendenz steigend). Forstlich ist grundsätzlich genügend Licht zu schaffen.

Abbildung 2: Eichenverjüngung in einem Föhrenwald in

der Domleschger Talebene. (Bild: Lukas Kobler)

Allgemeine Ziele und Massnahmen

In Anlehnung an die übergeordneten Zielsetzungen und das damalige Eichenkonzept verfolgen wir damals wie heute folgende Ziele: –vorhandene Eichenbestockungen als seltene, kulturhistorische, landschaftsprägende Elemente und Lebensraum für eine grösstmögliche Anzahl von Pflanzen- und ierarten (insbesondere für seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet) in ihrer

Flächenausdehnung erhalten und erweitern, qualitativ aufwerten und zur vollen Entfaltung ihres Naturwerts flächig verteilen und vernetzen Betreffend Massnahmen heisst das konkret: – offener Waldcharakter mit einer artenreichen

Krautschicht schaffen und erhalten – Entbuschen (insbesondere Hasel) – einwachsende Nadelbäume entfernen –Totholz schaffen (stehen und liegend); alte Eichen erhalten – Habitatbäume oder Spechtbäume stehen lassen –wo zusätzlich andere seltene beziehungsweise besondere Gehölze vorkommen, diese an ihren angestammten Standorten sichern, insbesondere hinsichtlich Klimawandel (Samenbäume erhalten) – neue Eichenbestockungen begründen – Verjüngung und Bestandesbegründung grundsätzlich mittels Naturverjüngung (Eichenmast ausnutzen), sonst autochthon verjüngen mittels Wildlingen und/oder entsprechende

Provenienzen aus dem kantonalen Forstgarten – Wildschutzmassnahmen

Besonderes

2010 wurde im Gebiet Spunda Beala (Vergleich unten) eine Dauerbeobachtungsfläche des Instituts für Angewandte Pflanzensoziologie (IAP) eingerichtet und mittels einer Vereinbarung rechtlich gesichert. Die Dauerbeobachtungsflächendienen der Erhebung wissenschaftlich fundierter Fachkenntnisse bezüglich der Zusammenhänge zwischen Waldgesundheit und Umweltbelastung. Die Datenreihen

geben Hinweise über die Entwicklung des Waldzustands und bieten wichtige Grundlagen für forstliche Massnahmen und umweltpolitische Entscheide.

Umsetzungsbeispiele

In der Folge sind hier zwei Beispiele konkreter Massnahmen im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung, Pflegeund Begründung von Eichenbeständen im Domleschg beschrieben.

1. Eichenprojekt Spunda Beala 2009–2013

Ausgangslage

Am Südhang unterhalb der Ortschaft Scheid an der Spunda Beala stockt ein reiner Edelgamander-Traubeneichenwald (40*). Das Besondere an dieser Fläche ist ihre Höhenlage (1000 bis 1100 m ü. M.) und ihre Flächenausdehnung (6 ha). Damit handelt es sich um einen der höchstgelegenen, reinen Traubeneichenbestände der Schweiz. Das vorwiegend starke Baumholz ist nicht natürlich entstanden, sondern das Produkt einer jahrhundertealten Nutzung durch den Menschen. So konnten sich diese Bestände über Jahrzehnte erhalten, bis Mitte des letzten Jahrhunderts die Nutzung durch die Landwirtschaft extensiviert wurde. Als Folge davon machte sich in den lichten Eichenbeständen eine üppige Strauchschicht breit, dominiert von der Hasel. Dadurch verschlechterten sich die Ansamungs- und Verjüngungsbedingungen der lichtbedürftigen Eichen massgeblich. Und ohne gezielte Massnahmen würden sich letztlich die Nadelhölzer das Areal zurückerobern.

Abbildung 3: Übersicht Summa Crappa links und Spunda Beala rechts von Tomils (Bildmitte) vor Eingriff Summa Crappa 2011

(Bild: Lukas Kobler)

Ziel/Wirkung

Ziel des Eingriffs ist es, den Eichenbestand als Landschaftselement und Lebensraum mit einer ausserordentlich hohen Lebensraumqualität und vielen ökologischen Nischen langfristig zu erhalten. Die gemeinsam festgelegten waldbaulichen Ziele und Massnahmen wurden im Rahmen der Anzeichnung durch den Regionalforstingenieur und den Revierförster umgesetzt und sichergestellt. Als Wirkungsgrösse wurde ein Bestand angestrebt, der zu 95 Prozent aus Eichen besteht, einen Deckungsgrad von maximal 75 Prozent aufweist und eine Kronenlänge der Stabilitätsträger von mindestens ½ aufweist.

Massnahmen/Umsetzung

– Erhaltung naturschützerisch wertvoller alter, grosskroniger Eichen mit Baumhöhlen, Totholz oder Eichenstöcke erhalten – lichte bis lückige, strauchschichtarme Strukturen schaffen – Verjüngungsgruppen mit Schutzmassnahmen begründen – Begehungswege zur besseren Erreichbarkeit der

Pflegeflächen erstell Aufgrund der topografischenGegebenheiten erschien eine Nutzung des Eichenbestands mittels Seilkran als nicht sinnvoll. Der untere Teil des Bestands konnte mittels Bodenzug an die Abfuhrstrasse gerückt werden. Im oberen Bereich des Schlags wurde ein Teil des Holzes mit dem Zappin

vorgerückt und der andere Teil als Totholz im Bestand liegen gelassen. So konnte auch den Interessen vieler auf Totholz angewiesener Insekten (Hirschkäfer) Rechnung getragen werden. Die umfangreichen Arbeiten wurden in Regie durch eine einheimische Forstunternehmung ausgeführt.

Entbuschen/Freihalten von Blössen

Ein zentrales Anliegen der waldbaulichen Zielsetzung war die Entfernung der Strauchschicht, die sich zum grössten Teil aus Haseln zusammensetzte. Besonders «schöne» Haselexemplare wurden als sogenannte Bienenweide geschont. Ebenfalls geschont wurde ein grosser Teil der ökologisch wertvollen Dornensträucher (Vogelbrut).

Wildschutzmassnahmen

Damit das angestrebte Ziel, die Schaffung von einigen Eichenverjüngungsgruppen erreicht werden konnte, mussten 477 lm Wildschutzzäune erstellt werden. Die Pfosten für diese Zäune konnten vor Ort aus den vorhandenen Eichen hergestellt werden, was die Kosten etwas reduzierte.

Pflanzung

Ein Muss ist das Einbringen von autochthonem Pflanzmaterial.Zu diesem Zweck wurden junge Eichen aus einem nahe gelegenen Wildschutzzaun ausgegraben und als Wildlinge in die neuen Verjüngungsflächeneingepflanzt.An einigen Stellen wurden als Alternative zur Pflanzungvor Ort gesammelte Eicheln gesteckt. Diese Massnahme erwies sich aber nur als bedingt effizient,da viele der Eicheln im Winter von Nagetieren als Nahrung genutzt wurden und somit nur ein sehr bescheidener Teil keimen konnte.

Begehungswege

Mit der Erstellung von Begehungswegen kann die Fläche für zukünftig nötige Unterhalts- und Pfl gemassnahmen besser erreicht werden.

Ringeln

Die in einem Teil der Fläche reichlich vorkommenden Pappeln wurden «geringelt». So konnte eine starke Verbreitung durch Wurzelbrut verhindert werden.

Menge Kosten pro Einheit

Holzernte 423 m3 Fr. 31095.00 Fr. 73.50/m3

Entbuschen 143 Aren Fr. 7736.00 Fr. 54.10/a

Freihalten von Blössen 162 Aren Fr. 6708.00 Fr. 41.40/a

Wildschutzmassnahmen 477 lm Fr. 37206.00 Fr. 78.00/lm

Pflanzung 950 Stk. Fr. 7150.00 Fr. 7.52 Stk.

Begehungswege 311 lm Fr. 6842.00 Fr. 22.00/lm

Ringeln 22 Stk. Fr. 616.00 Fr. 28.00/Stk.

Gesamtkosten Fr. 97353.00

Übersicht über die geleisteten Massnahmen «Spunda Beala» und ihre Kosten.

(Kalkulation: Revierforstamt Ausserdomleschg)

2. Umwandlungsprojekt Summa Crappa 2011

Ausgangslage

Die Fläche Summa Crappa grenzt südwestlich unmittelbar an den Eichenbestand Spunda Beala an. Darauf stockte ein dichter, reiner Föhrenbestand von qualitativ schlechtem, schwachem bis mittleren Baumholz. Er liegt auf knapp 1000 m ü. M. und hat eine Ausdehnung von 0,75 ha. Nördlich an diese Fläche grenzt ein offener Trockenrasen mit selten vorkommenden Pflanzenarten wie der Fiederzwenke oder dem Blasenstrauch und Arten, die in der Regel im Mittelmeerraum heimisch sind wie der Französische Tragant oder der Schmetterlingshaft (Insekt).

Ziel/Wirkung

Umwandlung des Föhrenbestands in einen standortgerechten Laubmischwald mit Fokus auf die Traubeneiche. Bestandesbegründung und Ent-

wicklung hin zu einem reinen EdelgamanderTraubeneichenwald nach dem Beispiel der Fläche Spunda Beala. Langfristige Sicherstellung von beigemischten Samenbäumen verschiedener standortgerechter Laubholzarten (zum Beispiel Mehlbeere).

Massnahmen/Umsetzung

– Föhrenbestand abräumen – Schlagfläche räume – Erstellen eines Wildschutzzauns um die ganze

Fläche – Bestandesbegründung Traubeneichenbestand durch Naturverjüngung – Ergänzungspflanzungen autochthoner raubeneichen und Speierlinge

Abbildung 5: Der heutige Traubeneichenwald Spunda

Beala. (Bild: Karl Ziegler)

Abbildung 4: So präsentierte sich der Eichenwald Spunda Beala nach der Holzernte. Die Schlagräumung ist zu diesem

Zeitpunkt noch nicht erfolgt. (Bild: Karl Ziegler)

Holzernte/Schlagräumung

Der Föhrenbestand wurde über die ganze Fläche im Vollbaumverfahren genutzt, zum Lagerplatz gerückt und an grosse Haufen geschichtet. Die wenigen stabilen Laubhölzer (Birke, Eiche, Mehlbeere) die sich da und dort zeigten, wurden geschont. Mit Grosshackmaschinen wurde das Material gehackt und nach Domat/Ems in die Axpo Tegra geführt. Ein grosser Teil der Räumung konnte maschinell erfolgen.

Wildschutzmassnahmen

Aufgrund des hohen Wildeinflusseswurde um die ganze Fläche ein Wildschutzzaun errichtet. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich das Laubholz auch tatsächlich etablieren kann. Der heute sichtbare Erfolg gibt uns recht.

Bestandesbegründung/Pflanzung

Aufgrund der langjährigen Beobachtungen der Naturverjüngung und Verbreitung der Traubeneiche im Domleschg wurde bewusst auf die zu erwartende Naturverjüngung gesetzt und auf die Bepflanzungder gesamten Fläche verzichtet. Die angestrebte Umwandlung des Bestands hätte eine Auspflanzung der gesamten Fläche auch nicht rechtfertigen lassen. Es wurden lediglich auf circa einem Viertel der Fläche autochthone, aus dem Nachbarzaun ausgegrabene Eichen als Ergänzung gepflanzt.Als Spezialität wurden noch sechs durch eine Privatperson gezogene Speierlinge im Topf eingebracht. Der Speierling ist eine empfindlich und darum sehr seltene licht- und wärmebedürftige Baumart.

Probleme und Herausforderungen

Bezüglich der Erhaltung und Förderung der Eichenvorkommen im Domleschg stehen wir folgenden Herausforderungen gegenüber:

Naturverjüngung/Wald-Wild

Der Wildeinflussauf die Waldverjüngung im Domleschg ist derzeit so hoch, dass selbst verbissunempfindlicheBaumarten wie Fichte oder Birke darunter leiden. So leidet auch die Eiche unter dieser äusserst unbefriedigenden Situation. Ausserhalb der Wildschutzzäune ist eine flächigeVerjüngung der Eiche nicht möglich und ohne eine deutliche Entschärfung der Situation langfristig nicht sichergestellt. Hinzu kommt die Verbuschung durch den Adlerfarn, wenn sich nicht in nützlicher Frist die Verjüngung einstellt. Die Verbreitung der Eiche wäre dagegen insbesondere durch den Eichelhäher kein Problem.

Abbildung 6: Summa Crappa 2011 dichter Föhrenbestand vor dem Eingriff. (Bild: Karl Ziegler)

Holzernte/Schlagräumung

Wildschutzmassnahmen

Bestandesbegründung/ Pflanzung

Gesamtkosten Menge

257 m3

Kosten pro Einheit

Fr. 17476.00 Fr. 68.00/m3 332 lm Fr. 24414.00 Fr. 73.54/lm

430 Stk. Fr. 3360.00 Fr. 7.81 Stk.

Fr. 45250.00

Übersicht über die geleisteten Massnahmen und ihre Kosten.

(Kalkulation: Revierforstamt Ausserdomleschg)

Abbildung 7: Summa Crappa 2011 direkt nach der Entfernung der Föhren.

(Bild: Karl Ziegler)

Nassschneefälle/Schneedruck

Da die Eiche generell und insbesondere deren Jungwuchs sein Laub sehr spät im Herbst oder gar nicht verliert, ist sie besonders anfällig bezüglich Nassschneefällen und den damit einhergehenden Schneedruckschäden. Im Zusammenhang mit den Effekten des Klimawandels werden die Ereignisse vermutlich zunehmen und tendenziell auch in höheren Lagen stattfinden.Um flächigeSchäden zu minimieren, muss jeweils gehandelt werden, indem an neuralgischen Punkten Entlastungsaktionen durch Schütteln der Baumkronen organisiert werden. Da die jungen Eichen sehr flexibleStämme haben, können aber auch noch «Aufbindeaktionen» nach den Schneefällen nützlich sein.

Nachhaltige Pflege der Eichenflächen

Eichenförderungsmassnahmen sind, wenn sie Wirkung zeigen sollen, zeit- und kostenintensiv. Massnahmen zur Offenhaltung von lichten Beständen umfassen in der Regel Eingriffe in den Altbestand und in die verjüngungshemmende Strauchschicht. Da diese Baum- und Straucharten nach dem Rückschnitt meist starke Stockausschläge bilden, ist es äusserst wichtig, solche Flächen in regelmässigen, möglichst kurzen Abständen zu pflegen. Auf dem Holzmarkt erzielen unsere Eichen aufgrund der mangelnden Qualität derzeit zudem nur bescheidene Holzerlöse. Damit die Waldbesitzer weiterhin solche Massnahmen umsetzen können, werden weiterhin Fördermittel der öffentlichen Hand oder anderweiti-

ge Unterstützungsgelder nötig sein, und zwar nicht nur für den Ersteingriff, sondern insbesondere für die sogenannte Nachpflegeals Verantwortung der Bewirtschafter gegenüber den «Investoren». Auch die Eigentumsverhältnisse machen es nicht immer leicht, die Flächen zu pflegen,geschweige denn die Pflege nachhaltig sicherzustellen. Solange insbesondere dem Privatwaldbesitzer keine Kosten entstehen, ist er bereit, die Fläche pflege zu lassen(!). Diesbezüglich ist aber auch das entsprechende Bewusstsein für den Naturwert der Eichenvorkommen beim Waldeigentümer und der Bevölkerung zu schaffen. Das schafft nicht nur ökologischen, sondern auch ökonomischen Goodwill.

Zukunftsaussichten

Sich verändernde gesellschaftliche Ansprüche, das nächste Virus und der Klimawandel werden die Forstwirtschaft und die «Waldbauer» vor grosse Herausforderungen stellen. Mit der Eiche haben wir im Domleschg glücklicherweise eine einheimische Baumart, die sich sehr gut an die zu erwartenden klimatischen Verhältnisse anpassen könnte, wenn wir sie lassen. Wir wünschen uns, dass die nachfolgenden Verantwortlichen auf allen Stufen die Weichen so stellen, damit unsere Eiche die Chance erhält, zu zeigen, welch vielfältigen Nutzen sie uns Menschen zukommen lassen kann. Es stimmt: «Man muss die Eiche wollen!» Und sie braucht «Zuneigung» und Pflege,damit sie ihren Konkurrenten, Schädlingen und Erwartungen standhalten kann.

Seit 18 Jahren ist Lukas Kobler beim Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden für den Wald im Domleschg zuständig und leitet seit 2014 die Forstregion Mittelbünden. Karl Ziegler ist Revierförster und leitet seit 31 Jahren das Revierforstamt Ausserdomleschg.

Quellenangaben

1. Maurizio Veneziani (dipl. Forsting. ETH); Konzept zur Erhaltung und Pflegenaturkundlich und landschaftlich wertvoller Eichenwälder im Gebiet Domleschg-Heinzenberg 2. Waldentwicklungsplan 2018+, Mittelbünden/ Moesano, Amt für Wald und Naturgefahren, Chur, 2018 3. Richtlinie zur Eichenförderung im Naturschutz; Amt für Wald und Naturgefahren, Chur, 2008 4. Bonfils,P.; Rigling, A.; Brändli, U.; Brang, P.; Forster, B.; Engesser, R.; Gugerli, F.; Junod, P.; Müller, R.; Günthardt-Goerg, M., 2015: Die Eiche im Klimawandel. Zukunftschancen einer Baumart. Merkblatt für die Praxis, 55. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. 12 p. 5. Betriebsplan Ausserdomleschg

Abbildung 8: Der Umwandlungsbestand Summa Crappa mit Eichenverjüngung im Zaun im Frühling 2020.

(Bild: Karl Ziegler)

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