Protest im Februar 2021 gegen den Militärputsch | Foto: Htin Linn Aye CC BY-SA 4.0
Vom Putsch zum Bürgerkrieg In Myanmar radikalisiert sich der Widerstand Ein Jahr nach dem Militärputsch in Myanmar ist es der Junta trotz brutaler Gewaltanwendung nicht gelungen, die Proteste zu beenden. Im Gegenteil: Die Reputation des Militärs im Land befindet sich im vollständigen Niedergang. Weiter hat der ein Jahr andauernde Konflikt die gesamte politische Landschaft verändert.
von Felix Heiduk Seit 1962 ist das Militär de facto der zentrale politische und wirtschaftliche Akteur in Myanmar. Die Generäle leiteten 2010 zwar einen Demokratisierungsprozess ein, welcher freie Wahlen, Pressefreiheit und die Bildung einer zivilen Regierung mit sich brachte. Doch dann rissen die Militärs am 1. Februar 2021 die Macht wieder an sich, nachdem die von Aung San Suu Kyi geführte Nationale Liga für Demokratie (NLD) die Wahlen im November des Vorjahres haushoch gewonnen hatte. Bereits während der Dekade der Demokratisierung zwischen 2010 und 2021 war Myanmars Demokratie immer sehr fragil geblieben. Einen Grund dafür stellt eine zentrale autoritäre Hinterlassenschaft dar, mit der die NLD dauerhaft zu kämpfen hatte: die 2008 vom Militär verabschiedete Verfassung. Diese garantierte dem Militär nicht nur ein Viertel der Parlamentssitze und damit eine Sperrminorität für jedwede Verfassungsänderung, sondern auch andere weitreichende Machtbefugnisse, darunter die Führung der Ministerien für Grenzschutz, Verteidigung und Inneres. tt
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Auch die vielen wirtschaftlichen Verflechtungen des Militärs in Gestalt von Konglomeraten retteten die Generäle unbeschadet in die neue demokratische Ära. So beaufsichtigt der neue De-factoMachthaber General Min Aung Hlaing zwei Militärkomplexe, die Myanmar Economic Corporation und die Myanma Economic Holdings Limited. Seine Familie ist in zahlreiche Unternehmen des Landes involviert. Es ist nicht verwunderlich, dass die Militärs ihre Privilegien so stark gegen die demokratische Öffentlichkeit absicher ten, denn es ging ihnen nie um Demokratie und Menschenrechte. Vielmehr sollte die Öffnung des Landes das eigene Image international aufbessern sowie die bis dato weitreichende internationale Isolation aufheben. Auch sollte so die Abhängigkeit von China reduziert werden. Diese hatte aufgrund westlicher Sanktionen seit den 1980er-Jahren, sehr zum Missfallen der ultra-nationalistischen Militärführungen, stetig zugenommen. In seiner Selbstwahrnehmung war das Militär immer der zentrale einigende politische Akteur im Land, ohne den die ‚Republik der Union Myanmar‘ in viele Kleinstaaten zerfallen würde.
Im entscheidenden Moment schwieg sie Die junge Demokratie Myanmars wurde jedoch zwischen 2015 und 2020 auch von der gewählten NLD-Regierung beschädigt. Regierungskritische Journalist*innen wurden verhaftet, zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Arbeit behindert. Selbst innerhalb der NLD kritisierten viele den zunehmend autoritären Führungsstil von Aung San Suu Kyi. Diese unternahm zudem wenig, um die tt
iz3w • März / April 2022 q 389