iz3w Magazin # 389

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Das Büro der Online-Nachrichtenagentur Stand News in Kwun Tong, Hongkong nach der Razzia am 29. Dezember 2021 | Foto: Kay Lee

»Es ist nicht mehr möglich, frei und unabhängig zu berichten« Repression gegen Journalist*innen in Hongkong Mit Razzien und Festnahmen gehen Hongkongs Behörden gegen unabhängige Medien vor. Möglich ist das durch das von der chinesischen Zentralregierung im Jahr 2020 erlassene Nationale Sicherheitsgesetz. Nach Schließung der prodemo­ kratischen Tageszeitung Apple Daily im letzten Sommer muss­ te nun auch das Online-Nachrichtenportal Stand News seine Arbeit zum Jahreswechsel einstellen. Die iz3w sprach mit Kay Lee*, sie war bis zur Schließung als Videoreporterin für Stand News tätig.

8 iz3w: Wie haben Sie und Ihre Kolleg*innen von Stand News die Razzia erlebt? tt Kay Lee: Am Morgen des 29. Dezember 2021 kehrten wir nach der Razzia in unser Büro zurück. Die Polizei hatte sämtliche Compu­ ter, Festplatten und andere firmeneigene Gegenstände beschlagnahmt. Sie hatten sechs leitende Angestellte verhaftet, darunter auch unseren Chefredakteur Patrick Lam. Nachdem er am Folgetag angeklagt wurde, beschloss unser Vorstand innerhalb weniger Stunden, sämtliche Aktivitäten einzustellen, Inhalte auf unserer Website zu löschen und uns 70 Mitarbeitende zu entlassen. Die Schließung der Tageszeitung Apple Daily wenige Monate zuvor hatte gezeigt, wie wichtig eine schnelle Reaktion ist, um die Mitarbeitenden zu schützen.

Was unterscheidet Stand News von anderen Nachrichtendiensten in Hongkong? tt Stand News ist ein Online-Nachrichtenportal, das vor sieben Jahren an den Start ging. Im Vergleich zu den vielen traditionell regierungsnahen Zeitungen in Hongkong nehmen wir eine regierungsunabhängige und liberale Haltung ein. Zunächst war Stand News ein kleinformatiges Nachrichtenportal mit wenigen Angestellten. Mit dem Ausbruch der Proteste gegen das Gesetz 2019, welches die Auslieferung von Gefangenen an die Volksrepublik vorsah, und unseren Live-Videoreportagen bekamen wir immer größeren Zuspruch von der lokalen Bevölkerung. Menschen, die selbst nicht an den Protesten teilnahmen, konnten im Internet miterleben, was gerade auf den Straßen passierte. Wir wurden als eine der wenigen verlässlichen Quellen wahrgenommen und erhiel­ ten daraufhin so viele Spendengelder, dass wir unser Team deutlich vergrößern konnten. Einige unserer Reporter*innen sind durch ihre Live-Reportagen sehr bekannt geworden. Die Stand News-Reporterin Gwyneth Ho beispielsweise übertrug den Yuen Long-Angriff, der später für die Protestbewegung symbolischen Charakter erlangte, live ins Internet. Bei diesem Angriff in der Metrostation Yuen Long schlug eine pekingtreue Gruppe mit Stahlstangen auf von Protesten zurückkehrende Demonstrant*innen ein. Obwohl Ho eine gelbe Presseweste trug, wurde sie ebenfalls Opfer des Angriffs. Sie ist aufgrund ihrer

iz3w • März / April 2022 q 389


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