Magazin «die umwelt» 3/2020 - Schön vielfältig

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DOSSIER LANDSCHAFTEN

Wie verändert sich Wahrnehmung?

«Das Spezifische der Landschaft ist ein Anker für Identität» Die Landschaftskonvention des Europarates definiert Landschaft als «ein Gebiet, wie es vom Menschen wahrgenommen wird». Menschliche Aktivitäten werden dabei ebenso in die Betrachtung eingeschlossen wie der Einfluss der Natur. Der Blick auf die Landschaft hat sich allerdings im Lauf der Zeit verändert. «die umwelt» sprach darüber mit Renate Amstutz, Direktorin des Schweizerischen Städteverbandes (SSV), und Raimund Rodewald, Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL). Gespräch: Lucienne Rey

Der Landschaftspreis 2018–2019 des Europarates ging an die Revitalisierung des Flüsschens Aire (siehe S. 37) nahe Genf. Was könnte die Jury zu dieser Auszeichnung bewogen haben? Raimund Rodewald: Für die Betrachtung der Landschaft stellt dieses Revitalisierungsprojekt einen grossen Wurf dar, denn es ist das Ergebnis einer nicht alltäglichen Zusammenarbeit von Bio­ logie, Naturschutz, Architektur und Raumplanung. In der Regel schaut jede Disziplin für sich, hier aber waren alle beteiligt. Hinzu kommt, dass das Alte nicht einfach ausradiert, sondern in einen neuen Kontext gestellt wurde. Der Kanal, durch den die Aire früher floss, dient nun in der neu ge­ stalteten Landschaft als Spazierweg. So gelang eine landschaftliche Transformation mit optimis­ tischer Ausstrahlung. Renate Amstutz: Tatsächlich steht das Projekt für ein «Vorwärts zur Natur» und zeugt von einem neuen Respekt ihr gegenüber. Dies im Unter­ schied zu früher, als man versuchte, sie zu zäh­ men und Flüsse in enge Bette legte. Bezeichnend ist zudem, dass die unterschiedlichsten Bedürf­ nisse berücksichtigt werden – nach vielfältigen Lebensräumen, Schutz vor Hochwasser sowie Er­ holung der Bevölkerung. Auch die internationale Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg ist zukunftsweisend.

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Wir kennen viele positive Wörter wie «reizvoll», «atemberaubend», «zauberhaft» oder «lieblich», um Landschaften zu beschreiben. Auf der Negativseite sind es relativ wenige, meistens behelfen wir uns mit «verschandelt», «zersiedelt» oder «verbaut». Wie kommt es, dass angesichts der derzeit massiven Veränderungen der Landschaft das Positive im Wortschatz überwiegt? Amstutz: Unter «Landschaft» wird eben oft nicht die Gesamtheit verstanden, sondern das, was noch nicht verändert wurde. Die oft verwendeten Be­ griffe bringen eine Sehnsucht zum Ausdruck und beziehen sich auf das, was es zu schützen gilt. Und man beschreibt wohl auch lieber das Schöne! Rodewald: In Bevölkerungsbefragungen, die sich auf Landschaftsfotos stützen, herrscht jeweils weit­ gehende Einigkeit darüber, welche Landschaften

«Es ist anspruchsvoll, eine qualitativ hochstehende Siedlung mit eigener Identität zu planen.» Renate Amstutz


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