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Bleibelastung
Schweres Erbe in Gärten und auf Spielplätzen Der Grünraum ums Haus ist für viele Kleinkinder ein wichtiger Ort zum Spielen. Doch die Böden vieler älterer Grundstücke sind mit Blei belastet. Verschlucken Kleinkinder regelmässig solche Erdkrümel, kann dies schädlich sein. Das BAFU empfiehlt deshalb verschiedene Massnahmen – auch für den Gemüseanbau. Text: Pieter Poldervaart
Eigentlich sollte die Erde im Garten von Matthias Gfeller lehmig sein – das weiss der studierte ETH-Ingenieur. Doch als er im Frühling 2019 daranging, im Garten seines Einfamilienhauses in Winterthur (ZH) Gemüsebeete anzulegen, erlebte er eine unangenehme Überraschung: Schon bald stiess er auf ungewöhnlich schwarze und sandige Schichten, dazwischen knirschte immer mal wieder ein Glasbrocken unter seinem Spaten. «Ich war irritiert und schickte zwei Erdproben zur chemischen Untersuchung ein», sagt der 64-Jährige. Das Ergebnis war eindeutig: Die Richt- und Prüfwerte der Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo) für die Schwermetalle Zink und Blei waren deutlich überschritten und auch die Cadmiumbelastung erhöht. Auf Gemüse verzichten und stattdessen eine Blumenwiese ansäen oder Sträucher pflanzen war für Matthias Gfeller keine Option. Wo er drei Hochbeete und ein Gewächshaus anlegen wollte, schaufelte er deshalb im vergangenen Sommer die obersten 40 Zentimeter Erdkrume weg und liess sie durch unbelasteten Humus ersetzen. Das Auswechseln von rund 15 Kubikmetern Erde kostete ihn neben viel Schweiss auch gut
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6000 Franken. Dafür kann er jetzt Salat und Gemüse nach Wunsch anpflanzen und ohne Bedenken geniessen.
Giessereisand als Billigdünger Was an der Winterthurer Sonnenbergstrasse ans Tageslicht kam, hat seine Ursprünge ziemlich sicher in den Giessereien von Firmen wie Rieter oder Sulzer. «Ich nehme an, dass die früheren Bewohner des Hauses Giessereisand nach Hause nahmen. Dieser lockert den schweren Boden und enthält zudem viel Phosphor, einen willkommenen Dünger», erklärt Matthias Gfeller. Die damaligen Hobbygärtner wussten jedoch nicht, dass sie mit dem Nährstoff auch Gifte in den Boden einbrachten, die anschliessend wohl zum Teil auch auf ihrem Teller landeten. Winterthur ist kein Einzelfall. Giessereien und damit auch Giessereisand gab es in der Schweiz bis vor ein paar Jahrzehnten an zahlreichen Standorten. Doch auch ohne dieses Gewerbe können Böden zu hoch mit Blei und weiteren Schadstoffen belastet sein. Zwischen 2011 und 2016 liess beispielsweise der Kanton Freiburg in der Altstadt von Freiburg den Boden von 97 Parzellen analysieren. Davon waren 34 gar nicht
oder nur leicht kontaminiert, während 37 Grundstücke Belastungen über dem sogenannten Prüfwert der VBBo aufwiesen, was ein potenzielles Gesundheitsrisiko bedeutet. Bei 26 Parzellen wurde sogar der Sanierungswert überschritten. Eine dieser Flächen wurde saniert. Weil ein Gesundheitsrisiko bestand (insbesondere durch Aufnahme der Erde), hat der Kanton Freiburg die Eigentümer und Mieter der entsprechenden Parzellen gebeten, Vorkehrungen zu treffen, damit Kinder keinen direkten Kontakt mit belastetem Boden haben. Er hat ihnen zudem Nutzungsempfehlungen für den Gemüseanbau bereitgestellt. So sollte man Wurzelgemüse wie Sellerie und Karotten konsequent schälen oder darauf – ebenso wie auf Salate – ganz verzichten, weil diese Nahrungsmittel relativ viele Schadstoffe aufnehmen.
Giftiger als gedacht Im Fall von Freiburg war kaum Giessereisand die Ursache für die teils hohen Bleiwerte. Die Belastung könne von atmosphärischen Ablagerungen aus der Zeit stammen, in der das Benzin Blei enthielt, aber auch vom Ausbringen von Asche oder vom Verbrennen von blei-