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DOSSIER WASSER UND KLIMAWANDEL
Szenarien
Im Wasserschloss wird es ungemütlich Der Klimawandel wirkt sich auf die Verfügbarkeit von Wasser in der Schweiz aus. Dem natürlichen Wasserreichtum zum Trotz wird das kostbare Nass – zeitlich und lokal begrenzt – künftig knapp. Texte: Kaspar Meuli
Wasser im Überfluss. Jedes Jahr fallen in der Schweiz 1400 Millimeter Regen und Schnee. Wir sind eines der wasserreichsten Länder Europas, und in unseren Bergen entspringen die grossen Flüsse Rhein und Rhone sowie wichtige Zuflüsse zu Po und Donau. Kein Wunder, gilt die Schweiz als Wasserschloss Europas. Doch als Folge des Klimawandels ändert sich dieses Bild: Das Wasserschloss bekommt Risse – und mit ihm unser Selbstverständnis als ein Land, das sich keine Sorgen machen muss um die wichtigste Ressource überhaupt. Denn ohne Wasser, das weiss jedes Kind, gibt es kein Leben.
Wie genau sich der Klimawandel auf die Wassersituation auswirkt, zeigen die Resultate des Projekts Hydro-CH2018, das im Rahmen des Themenschwerpunkts «Hydrologische Grundlagen zum Klimawandel» des National Centre for Climate Services (NCCS) durchgeführt wurde und dessen Abschlussbericht im Frühling 2021 erscheinen wird. Er stützt sich auf Szenarien zum künftigen Klima in der Schweiz (siehe Box S. 12). Das Fazit von Hydro-CH2018 in Kürzestform: Die Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserhaushalt und Gewässer sind in der Schweiz grösser als bisher angenommen. Die Sommerabflüsse nehmen stark ab, und die Wassertemperaturen steigen an.
Mehr Regen, weniger Schnee
«Probleme wird es vor allem im Sommer in stark landwirtschaftlich genutzten Gebieten geben.» Petra Schmocker-Fackel | BAFU
Doch auch in Zeiten des Klimawandels steht die Schweiz heute noch gut da, verglichen zum Beispiel mit Südeuropa. Wasser wird künftig häufiger zu gewissen Zeiten und an bestimmten Orten knapp. «Probleme», sagt Petra Schmocker-Fackel von der Abteilung Hydrologie des BAFU, «wird es vor allem im Sommer in stark landwirtschaftlich genutzten Gebieten geben.» Wird es länger trocken und heiss, muss man mit weniger Wasser auskommen.
Der Klimawandel beeinflusst den gesamten Wasserhaushalt: Es wird mehr regnen und weniger schneien – und der Schnee wird früher abschmelzen. Der Anstieg der Lufttemperatur fördert sowohl Gletscherschmelze wie Verdunstung. Und all diese Faktoren beeinflussen die natürlichen Wasserspeicher. Besonders in alpinen Regionen werden sich deshalb Landschaft und Gewässer stark verändern. Über das ganze Jahr gesehen, wird es in der Schweiz nicht weniger Niederschläge geben, stark verändern wird sich allerdings deren saisonale Verteilung: Im Sommer werden wir weniger Regen haben, im Winter mehr. Die Sommerabflüsse werden auch der schrumpfenden Gletschervolumen wegen stark zurückgehen, so Hydro-CH2018. Weiter fortsetzen dürfte sich die bereits beobachtete Zunahme von Starkniederschlägen. Starke Regenfälle werden nicht nur häufiger, sondern auch intensiver. Eher unsicher ist, wie sich die Hochwasser verändern. Verschiedene klimabedingte
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