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Pflanzenporträt: Königskerze
PFLANZENPORTRÄT
KÖNIGSKERZEN
Sagenumwobene Heilkräfte und Nahrung für zahllose Insekten – die Königskerze ist ein Tausendsassa.
Foto: Hockenheim
Eine weiche, wollig behaarte Blattro-
sette im ersten, dazu im zweiten Jahr ein hoch aufragender Stängel, reich beblättert und zum Teil verzweigt mit einer oder mehreren bis zu 40 Zentimeter langen Blütenrispen, umringt von kleineren Blütenkerzen – zu übersehen ist diese Pflanze wirklich nicht.
Man steht immer wieder staunend vor diesem Naturwunder, das einen Menschen weit überragt: Bis zu drei Meter hoch können Königskerzen werden – geballte Kraft, die durch Mauerspalten und Asphaltritzen bricht, dank ihrer Behaarung auch mit großer Trockenheit zurechtkommt und stickstoffreiche Böden liebt.
Die goldgelben Blüten leuchten wie kleine Sonnen, ein zarter, rosenähnlicher Duft entströmt ihnen. Nie sind alle Blüten gleichzeitig geöffnet, so dass sie unzählige Insekten über einen langen Zeitraum mit sehr viel Pollen versorgen. Das lieben Bienen, Schwebfliegen, Rüsselkäfer, Weichwanzen, Larven von Gallmücken und Laubheuschrecken. Auch einige EulenfalterArten haben sich die Pflanze als Futterpflanze auserkoren. Diese Nahrungsquelle, Kinderstube, Versteck und Sitzwarte gehört in jeden Garten. Die Königskerze bildet eiförmige Kapselfrüchte mit bis zu 700 000 winzigen Samen, die vom Wind verbreitet werden und bis zu 1000 Jahre warten können, bis sie keimen.
Seit alters her waren Königskerzen geschätzt, nicht als essbares Kraut, sondern als Nothelfer, Heil und Zauberpflanzen: Ans Haus gepflanzt, sollen sie vor Unwetter schützen, ein Wurzelamulett vor Krankheit und bösen Kräften. Sie symbolisieren Licht und Energie des Sommers im Kräuterboschen, in Wachs oder Öl getaucht, waren sie Kerze oder Fackel, den germanischen Gottheiten Baldur und Freya geweiht. Hippokrates nutzte sie zur Wundbehandlung und Aristoteles wusste um die betäubende Wirkung der Samen. Odysseus schützte sich mit ihnen vor Circe, indigene Völker rauchen sie bei Asthma, Bronchitis und Lungenproblemen. Für Hildegard von Bingen waren sie Pflanzen gegen Traurigkeit, bei Sebastian Kneipp ein herzstärkendes Mittel.
Die Blüten enthalten auswurffördende Saponine, die festsitzenden Schleim verflüssigen, außerdem beruhigende und reizlindernde Schleimstoffe. Die Zubereitung entsprechender Aufgüsse erfordert jedoch Fachwissen. Die Blüten helfen bei Ohrenschmerzen, Bindehautentzündungen und Nervenschmerzen. Eine Pflanze mit Löwenkräften eben.
HÄUFIGE ARTEN
(alles Braunwurzgewächse, früher Rachenblütler)
• Kleinblütige Königskerze (Verbascum thapsus), verzweigt, mit vielen Blütenrispen • Großblütige Königskerze (Verbascum densiflorum) unverzweigt, bis 3 m hoch, gerne gemeinsam mit wärmeliebenden DistelGesellschaften • Schwarze Königskerze (Verbascum nigrum), purpurviolette statt orangene Staubfäden, kaum behaarte
Blätter, liebt feuchtere Standorte
IRMELA FISCHER
Die Autorin arbeitet selbständig als Naturbegleiterin und Umweltpädagogin. Sie bietet auch für den BUND Naturschutz und das NEZ Allgäu Exkursionen und Kräuterwanderungen an.