Natur+Umwelt 3-2021

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PFLANZENPORTRÄT

KÖNIGSKERZEN

Foto: Getty Images / sasapanchenko

ine weiche, wollig behaarte Blattrosette im ersten, dazu im zweiten Jahr ein hoch aufragender Stängel, reich beblättert und zum Teil verzweigt mit einer oder mehreren bis zu 40 Zentimeter langen Blütenrispen, umringt von kleineren Blütenkerzen – zu übersehen ist diese Pflanze wirklich nicht. Man steht immer wieder staunend vor diesem Naturwunder, das einen Men­ schen weit überragt: Bis zu drei Meter hoch können Königskerzen werden – ge­ ballte Kraft, die durch Mauerspalten und Asphaltritzen bricht, dank ihrer Behaa­ rung auch mit großer Trockenheit zurecht­ kommt und stickstoffreiche Böden liebt. Die goldgelben Blüten leuchten wie kleine Sonnen, ein zarter, rosenähnlicher Duft entströmt ih­ nen. Nie sind alle Blüten gleichzei­ tig geöffnet, so dass sie unzäh­ lige Insekten über einen langen Zeit­ raum mit sehr viel Pollen versorgen. Das lieben Bie­ nen, Schwebflie­ gen, Rüsselkä­ fer, Weichwanzen, Larven von Gallmü­ cken und Laubheu­

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Sagenumwobene Heilkräfte und Nahrung für zahllose Insekten – die Königskerze ist ein Tausendsassa.

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schrecken. Auch einige Eulen­falter-Arten haben sich die Pflanze als Futterpflanze auserkoren. Diese Nahrungsquelle, Kin­ derstube, Versteck und Sitzwarte gehört in jeden Garten. Die Königskerze bildet eiförmige Kapselfrüchte mit bis zu 700 000 winzigen Samen, die vom Wind verbreitet werden und bis zu 1000 Jahre warten können, bis sie keimen. Seit alters her waren Königskerzen ge­ schätzt, nicht als essbares Kraut, sondern als Nothelfer, Heil- und Zauberpflanzen: Ans Haus gepflanzt, sollen sie vor Un­ wetter schützen, ein Wurzelamulett vor

HÄUFIGE ARTEN

(alles Braunwurzgewächse, früher Rachenblütler) • Kleinblütige Königskerze (Verbascum thapsus), verzweigt, mit vielen Blütenrispen • Großblütige Königskerze (Verbascum densiflorum) unverzweigt, bis 3 m hoch, gerne gemeinsam mit wärmeliebenden Distel-Gesell­ schaften • Schwarze Königskerze (Verbascum nigrum), purpurviolette statt orange­ ne Staubfäden, kaum behaarte ­Blätter, liebt feuchtere Standorte

Krankheit und bösen Kräften. Sie symboli­ sieren Licht und Energie des Sommers im Kräuterboschen, in Wachs oder Öl ge­ taucht, waren sie Kerze oder Fackel, den germanischen Gottheiten Baldur und Freya geweiht. Hippokrates nutzte sie zur Wundbehandlung und Aristoteles wusste um die betäubende Wirkung der Samen. Odysseus schützte sich mit ihnen vor Circe, indigene Völker rauchen sie bei Asth­ ma, Bronchitis und Lungenproble­ men. Für Hildegard von Bingen waren sie Pflanzen gegen Traurigkeit, bei Sebastian Kneipp ein herzstärkendes Mittel. Die Blüten enthalten auswurffördende Saponine, die festsitzenden Schleim ver­ flüssigen, außerdem beruhigende und reizlindernde Schleimstoffe. Die Zuberei­ tung entsprechender Aufgüsse erfordert jedoch Fachwissen. Die Blüten helfen bei Ohrenschmerzen, Bindehautentzündun­ gen und Nervenschmerzen. Eine Pflanze mit Löwenkräften eben.

IRMELA FISCHER Die Autorin arbeitet selbständig als Naturbegleiterin und Um­ weltpädagogin. Sie bietet auch für den BUND Naturschutz und das NEZ Allgäu Exkursionen und Kräuterwanderungen an.


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