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Auf den Zahn gefühlt 24/25 Welche Impulse kamen aus Bayern?

AUF DEN ZAHN GEFÜHLT

Die drei Kanzlerkandidat*innen versprechen uns mehr Klimaschutz. Doch was ist davon zu halten? Das BUNDmagazin hat sie mit eigenen Zitaten konfrontiert. Hier ihre Antworten.

ANNALENA BAERBOCK

DIE GRÜNEN

Foto: g rue n e .d e

ARMIN LASCHET

CDU+CSU

Foto: Lauren c e Ch a peron

OLAF SCHOLZ

SPD

Die Bundesspitze der Grünen hat sich vom umstrittenen Ausbau der A 49 zwischen Kassel und Gießen distanziert. Partei- und Fraktionsführung fordern ein Moratorium für den Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen. »Wir brauchen eine andere Verkehrspolitik«, sagte die Parteivorsitzende Annalena Baerbock.

Im Konflikt um den Dannenröder Wald haben Sie in der SZ im September 2020 ein Moratorium für den Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen gefordert. In Ihrem Wahlprogramm heißt es nun, »nicht planfestgestellte Straßenneubauprojekte, insbesondere Autobahnabschnitte« müssten noch einmal auf den Prüfstand und mit einem Klima- und Umweltcheck neu bewertet werden. Das klingt deutlich zurückhaltender. Werden die Grünen in einer Regierung das erwähnte Moratorium durchsetzen?

Regieren heißt handeln, es braucht eine an der Klimaneutralität ausgerichtete Infrastrukturpolitik. Wir wollen alle nicht im Bau befindlichen Abschnitte sowie besonders umweltschädliche Straßenneubauprojekte einer Umwelt-, Klima- und Bedarfsprüfung unterziehen und sie dadurch deutlich reduzieren. Bis zum Abschluss dürfen keine irreversiblen Fakten geschaffen werden. Die Mittel für den Straßenneubau werden wir weitgehend in die Stärkung von Schiene, Rad und ÖPNV umschichten. »Zur Ehrlichkeit gehört also, dass wir weiterhin fossile Energieträger benötigen werden, weil wir auf absehbare Zeit nur mit diesen die nötige Versorgungssicherheit erreichen. Das wird in den nächsten beiden Jahrzehnten ganz maßgeblich noch die Kohle sein, mit zunehmender Bedeutung vor allem aber auch Erdgas.«

Im Landtag von NRW haben Sie 2019 gesagt, dass Sie die Nutzung fossiler Energien bis 2040 hinein planen. Doch um die Klimakrise zu stoppen, brauchen wir bis dahin Klimaneutralität und damit einen Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2030, aus fossilem Gas bis 2035. Wird Deutschland mit Ihnen als Kanzler oder der Union in der Regierung einen solchen Ausstiegsplan bekommen, und ab wann?

Kurz bevor ich 2017 Ministerpräsident wurde, hatte die rot-grüne Vorgänger- regierung in einer Leitentscheidung Braunkohleverstromung bis 2045 festgelegt. Ich habe 2018 den bundesweiten Kohleausstieg verhandelt. Zwei Drittel der deutschen Braunkohlekraftwerke werden in NRW abgeschaltet, sieben schon nächstes Jahr. Der Kohleausstieg mit dem endgültigen Aus 2038 wurde im Konsens von Wirtschaft, Gewerkschaften und Umweltbewegung, auch mit dem BUND*, festgelegt. Ich will mehr Tempo.

* Der BUND hatte damals per Sonder- votum einen Ausstieg bis 2030 gefordert! Olaf Scholz hat die CO2-Abgabe zwar selbst durchgewunken, zeigt aber Verständnis für die Tankwut: »Wer jetzt einfach immer weiter an der Spritpreisschraube dreht, der zeigt, wie egal ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger sind.« Ein immer höherer CO2-Preis sorge »nicht für mehr Klimaschutz, sondern nur für Frust«.

Anfang Juni sprachen Sie sich in der BILD gegen einen »immer höheren« CO2-Preis aus. In der Regierung haben Sie ihn eingeführt, im Wahlprogramm der SPD steht: »Mit dem Anstieg des CO2-Preises werden wir für sozial gerechte Ausgleichsmaßnahmen sorgen.« Werden Sie die vom BUND geforderte Rückerstattung pro Kopf in einen Koa- litionsvertrag einbringen? Wie genau wollen Sie den CO2-Preis erhöhen?

Ich bin für eine Klimapolitik, die für alle funktioniert, unabhängig vom Einkommen. Dieses Jahr haben wir mit einer moderaten CO2-Bepreisung für Wohnen und Mobilität begonnen. Wer einfach schnell einen höheren CO2-Preis fordert, ignoriert, dass sich die wenigsten am nächsten Tag eine neue Heizungsanlage oder ein neues Auto kaufen können. Wir wollen entlasten, indem wir den Strompreis senken: Es soll attraktiv sein, auf Strom aus Erneuerbaren umzusteigen. Wir wollen, dass die Umlage für die Erneuerbaren nicht mehr den Strompreis verteuert – so spart eine Familie 300 Euro im Jahr.

BUNDESTAGSWAHL IST KLIMASCHUTZWAHL

LIEFERN STATT BLOCKIEREN!

Was haben Bundestagsabgeordnete und Minister aus Bayern in der zu Ende gehenden Legislaturperiode für den Schutz der Umwelt getan? Oder dagegen? Wir sehen genauer hin.

Foto: Peter Enzenberger

RICHARD MERGNER

BNLandesvorsitzender

Was hat die noch amtierende Bundesregierung und die

Bundestagsmehrheit aus CDU/CSU und SPD in den vergangenen vier Jahren bei der Lösung drängender Umweltfragen erreicht? Die Bilanz fällt mehr als dürftig aus. Im Klimaschutz kann man von vier verlorenen Jahren sprechen, hätte nicht Corona als »Nebeneffekt« bewirkt, dass die Klimaziele für 2020 doch noch erreicht wurden.

Maßgeblich mitverantwortlich beispielsweise für die Blockade einer dezentralen Bürgerenergiewende und konsequenten Klimaschutz war die CSULandesgruppe im Deutschen Bundestag unter dem Vorsitz von Alexander Dobrindt und dem mittlerweile über die Maskenaffäre gestolperten stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSUFraktion, Georg Nüßlein. Er war bis 2013 auch der energiepolitische Sprecher der CSULandesgruppe. Gemeinsam mit dem CSUParteivorsitzenden Markus Söder hat er sich für einen niedrigen CO2 Preis eingesetzt und im Klimapaket der Bundesregierung neue Abstandsregeln für Windräder festschreiben lassen. Diese haben den Ausbau der Windkraft an naturverträglichen Standorten nicht nur in Bayern nahezu zum Erliegen gebracht.

INHALTLICHE BLOCKADE BEI ÜBERLEBENSFRAGEN

Oft nur nach außen hin »ergrünt«, haben gerade CSUAbgeordnete (bis auf wenige Ausnahmen) und CSUBundesminister bei zentralen Überlebensfragen Vorschläge von Umweltverbänden wie dem BUND Naturschutz blockiert, sei es beim Klimaschutz, beim Gewässerschutz, beim Tierschutz, der Reinhaltung der Luft oder dem Stopp des Flächenverbrauchs. Auch das CDU/CSU Bundestagswahlprogramm gibt auf entscheidende Überlebensfragen wie den Schutz des Klimas oder die Bewahrung der natürlichen Lebensvielfalt keine Antworten.

Doch gerade im Klimaschutz brauchen wir jetzt keine weiteren Ankündigungen und vage Ziele in ferner Zukunft, sondern endlich konsequente Gesetze und konkrete Maßnahmen zu deren Umsetzung – jetzt! Dazu gehören Programme zur drastischen Verringerung der Emissionen. Dazu gehört genauso der Ausstieg aus der fossilen Welt in der Energieversorgung, im Bereich des Wohnens und der Industrie, vor allem aber im Bereich der Mobilität, wo die Treibhausgasemissionen seit Jahren auf dem hohen Niveau von 1990 verharren.

MILLIARDENSUBVENTIONEN ZUGUNSTEN DES AUTOVERKEHRS

Gerade im Verkehrsbereich haben seit über einem Jahrzehnt CSUBundesverkehrsminister aus Bayern wie Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer, die alle wieder für den

Viele BNKreisgruppen wie hier in Bamberg tragen das Thema Klimaschutz in den Bundestagswahlkampf.

Bundestag kandidieren, den Klimaschutz sträflich missachtet. Sie haben den Bau von Straßen mit Milliarden subventioniert und eine umweltverträgliche Mobilität mit Bahn, Bus, Rad und sicheren Fußwegen völlig vernachlässigt. Statt den umweltverträglicheren »Umweltverbund« und Güterverkehr auf der Schiene massiv zu fördern und die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen und Fehlsubventionen in Milliardenhöhe zu Gunsten des Auto, Lkw und Flugverkehrs zu beenden, wurden durch ihre Politik die negativen Wirkungen für den Klima und Gesundheitsschutz massiv befördert. Zudem wurden hunderte Millionen Euro für ein gesetzwidriges »Ausländermaut«Wahlversprechen in den Sand gesetzt.

Der BUND Naturschutz fordert daher von allen Bundestagskandidaten und kandidatinnen klare Aussagen vor der Wahl, ob sie für oder gegen ein Straßenbaumoratorium, ob sie für oder gegen ein Tempolimit von 120 auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen und 30 innerorts sind.

Ebenso standen in den vergangenen vier Jahren gerade Politiker und Politikerinnen von CSU, FDP und SPD für unfaire Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA, Jefta oder Mercour, welche die Gentechnikfreiheit in Bayern ebenso bedrohen wie die bäuerliche Landwirtschaft, den Klimaschutz sowie den Schutz von Bürger- und Umweltrechten vor der Profitgier multinationaler Konzerne.

VORHERRSCHENDE RAUBBAUWIRTSCHAFT ENDLICH BEENDEN

Die CoronaPandemie hat uns mehr als deutlich vor Augen geführt, wie wichtig Gesundheit und eine gesunde Umwelt sind. Die dramatischen Auswirkungen der Klimakrise und der massive Artenschwund gefährden unsere Lebensqualität und das Wohlergehen kommender Generationen. Doch wir haben in unserer Demokratie die Chance, mit unserer Wahlentscheidung die zarte Pflanze einer sozialökologischen FairÄnderung zum Blühen zu bringen und die vielfach noch vorherrschende Raubbau und Verschwendungswirtschaft zu beenden.

Ich bitte Sie, liebe Mitglieder: Schauen Sie daher genau, wer für welche Politik Verantwortung getragen hat und prüfen Sie Kandidatinnen und Kandidaten daraufhin, ob sie demokratische Prozesse, zivilgesellschaftliches Engagement und kritische öffentlichrechtliche Medien achten sowie glaubhaft für überlebensnotwendige neue Weichenstellungen in diesem Land eintreten.

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