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Bau me ister
11 0 . J a h r g a n g
Februar
Bricht Staufen auseinander ?
Das ArchitekturMagazin
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Religion und der Raum
seite 60 und 70
Berlin s e i t e 8 0 und die Komplexit채t
Folgen einer Tiefenbohrung
D A , L C H
15 E u r o 17 E u r o 23 SFR
S e i t e 74
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1
Ideen Bauherr: Stiftung Preußischer Kulturbesitz, vertreten durch
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das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung IV 3 – Baumaßnahmen Staatsbibliothek
L e g e n d e G r u n d r iss e
Nutzer:
1 Ehrenhof 2 Bibliotheksmuseum
Staatsbibliothek zu Berlin/Preußischer
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3 Wechselausstellung
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Kulturbesitz
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En t w u r f u n d P l a n u n g :
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4 Digitalisierung 5 Restaurierung
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6 Foyer Rotunde 7 Café/Laden
HG Merz Architekten, Stuttgart/Berlin
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8 Eingang BBAW
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9 Eingang Direktion
Bauleitung
10 Rara-Lesesaal
1 . B a u a bs c h ni t t ,
11 Lesesaal 11
1.Te i l:
12 Allgemeiner Lesesaal 13 Medienarbeitsplätze
HG Merz Architekten mit H&P Bauingenieure GmbH & CO. KG,
15
11
11
Berlin/Hannover Begleitende Planung und
4. Buchgeschoss
Bauübe rwachung:
14 Festsaal (Harnacksaal) 15 Magazin
7. Buchgeschoss
BAL Bauplanungs- und SteuerungsGmbH, Berlin Projektsteuerung: DU-Diederichs AG & Co.KG, Wuppertal/Berlin
CRP - Ingenieurgemeinschaft
4
Cziesielski,
7
Ruhnau + Partner GmbH Berlin
HG Merz Architekten mit Werner Sobek Stuttgart GmbH & Co. KG
3
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2
5 H a u s t e c h nik HL S / ELT :
8
4
4 M 1:15 0 0
T r a g w e r k A l l g e m e in e r Lesesaal:
M 1:1 0 0 0
T r a g w e r ksp l a n u n g :
5
5
1
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INNIUS DÖ GmbH, Dresden
Längsschnitt
P l a n u n g sb e g inn : 05/20 02 250 Arbeitsplätze Fertigstellung 1 . B a u a bs c h ni t t , 1.Te i l: 03/2011
2. Buchgeschoss
Einen verschwommenen Blick nach draußen hat man von den Arbeits-
1 . B a u a bs c h ni t t ,
plätzen direkt an der
2.Teil:
Glasfassade. Die vorge-
11/2012
hängte zweischalige M 1: 2 0 . 0 0 0
Fertigstellung
Eröffnung:
Standort: Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Unter den Linden
Foto: Ir a M a z zoni
2016
Haut aus beidseitig thermisch verformten Scheiben ist transluzent und streut das Licht angenehm. Schatten spenden die ausgestanzten Stahlschwerter.
Lageplan
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L
uxusappartements, schicke Restaurants, ein (zumindest schon einmal bei den Kosten führendes) Weltklasse-Konzerthaus: Reicht das nicht fürs Hamburger Bürgerglück? Nein, scheint zumindest die Kirche zu denken. Denn sie bestand darauf, auch in der HafenCity einen Anlaufpunkt zu schaffen für Anwohner und Touristen auf der Suche nach Gott oder Spiritualität. Doch der Bau eines neuen großen Gotteshauses, oder gar mehrerer für die unterschiedlichen Konfessionen, schien vermessen angesichts einer Nachbarschaft, die eher nicht zur Stammklientel der Kirchen gehören dürfte. So taten sich 19 ganz unterschiedliche christliche Konfessionen zusammen für ein Ökumenisches Zentrum mit dem bescheiden formulierten Ziel, inmitten von Konsum und Geschäftigkeit „an die Gegenwart Gottes zu erinnern“. Souverän gemeistert Einem alten Gesetz zufolge ist die Hansestadt verpflichtet, in neuen Stadtteilen und Siedlungen kostengünstig Grundstücke für die Kirchen bereitzustellen. In der HafenCity verkauft die Stadt alle Flächen jedoch für teuer Geld und gab folglich nur ein mäßig attraktives Stück Land her: abseits der Elbe, in Blockrandlage, am derzeitigen östlichen Siedlungsrand gelegen. Nicht eben optimale Bedingungen für die im Wettbewerb siegreichen Architekten Wandel Hoefer Lorch. Sie meisterten die Aufgabe souverän, indem sie die für einen Kirchenbau ungewöhnliche Lage und Nutzung zum Ausgangspunkt der Gestaltung machten. In die (noch unvollständige) Blockrandbebauung an der neuen Shanghaiallee passt sich der Bau ein und zeigt doch Präsenz: Er steht in der Flucht, hält die Traufhöhe ein und zeigt wie vom Oberbaudirektor gewünscht eine Lochfassade aus rotem Backstein.
W
ären da nur nicht diese auffälligen Dellen – eine unten, eine oben in der Straßenansicht. Wie eingedrückt wirken diese Bereiche und markieren so den Eingang zur Kapelle sowie eine Glocke, die mitsamt Joch ohne Einhausung frei im Straßenraum hängt. Auf der Gebäuderückseite stülpt sich das Ziegelkleid für die leicht aus dem Riegel ragende
Ideen Kapellenapsis ebenso konsequent nach außen. Mit einiger Chuzpe haben die Saarbrücker Architekten nebenbei den Hamburger Baumeistern gezeigt, wie man dem Ziegel interessante Aspekte abgewinnen kann, denn die Steine sind in den schwingenden Fassadenteilen nicht plan, sondern versetzt gemauert. So entstand ein schuppenartiges Relief, das, Sonnenschein vorausgesetzt, vielfarbig schillert und wunderbare Schattenbilder wirft.
Das Gemeindezentrum hält sich mit seiner roten Ziegelhaut ganz an die Hamburger
Nobel, nicht überwältigend
Spielregeln. Es fällt lediglich durch die
Das Spiel mit dem roten Stein setzt sich im Inneren fort: Die ebenerdige Kapelle ist protestantisch-schmucklos und erhält ihre besondere Atmosphäre durch eine durchbrochene halbrunde Ziegelwand, die golden hinterleuchtet ist. Nicht überwältigend, sondern nobel und zurückhaltend ist dieser schlichte Andachtsraum, der auf die wesentlichen Elemente reduziert wurde: Die goldfarbene Decke als zarter Vorschein des Himmels, die Backsteinwand als Verweis auf die Erde, der wir entstammen. Wer etwas länger bleibt, der findet weitere subtile Details: In die raumhohen Türen wurde die Charta Oecumenica, das Grundsatzprogramm der Ökumenischen Bewegung, eingeprägt, in die Ziegel zahlreiche Leitworte der am Ökumenischen Forum beteiligten 19 Kirchen eingebrannt. Ruhe und Andacht herrschen in der Kapelle, doch auf den restlichen Flächen im Parterre geht es ungezwungen und lebendig zu. Gleich nebenan, nur durch ein Foyer voneinander getrennt, liegen ein Café und ein Veranstaltungssaal.
beiden Dellen in der Straßenansicht und sein schuppenartiges Relief aus versetzt gemauerten Backsteinen auf.
Angemessenheit, die gefällt Alle Zwischentüren können geöffnet und die Räume so zusammengeschaltet werden. Alle sind hier willkommen, Schwellenangst ist unnötig – so lautet die Botschaft. Nicht für jedermann zugänglich sind hingegen die Obergeschosse, in denen sich Büros sowie Wohnungen, Gemeinschaftsräume und Gästezimmer des Laurentiuskonvents befinden – einer christlichen Lebens- und Ordensgemeinschaft, die das Forum betreibt. Man muss kein Christ sein, um diesen Bau zu schätzen. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen wie einem ungünstig gelegenen Grundstück und einem bescheidenen Budget entstand ein Kirchenneubau, der auf Anhieb gefällt. Er stellt sich in die Reihe und tanzt zugleich aus ihr heraus – er versteckt sich nicht, aber trumpft auch nicht auf. Es ist eine recht angemessene Weise, eine Kirche zu bauen in einer immer weiter säkularisierten Welt. Pläne ab Seite 66
1 von 2 Noch einen Schritt weiter in Sachen Verständigung geht ein interreligiöses Bet- und Lehrhaus in Berlin. Ein Pro und Contra dazu finden Sie in unseren „Fragen“. Seite 70
4
63
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Ideen
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4 Bauherr: Grundstücksgesellschaft Shanghaiallee HafenCity GbR, Hamburg Hauptmieter:
M 1:1 0 . 0 0 0
Die Brücke e.V., Hamburg Architekten: M 1:5 0 0
Wandel Hoefer Lorch
Querschnitt
Architekten GmbH, Saarbrücken/Frankfurt am Main Projektle itung: Florian Götze
Caféterrasse auf der Gebäuderückseite.
T r a gw e r k s p l a n e r :
Hier wölbt sich der
Weber Poll Ingenieure, Hamburg
Kapellenraum nach außen wie die Apsis
Haustechnik:
eines traditionellen
HKP Ingenieure, Hamburg
Kirchenbaus. Die Blockrandbebauung
F a ss a d e n s t a t i k :
ist noch nicht kom-
Ingenieurgemeinschaft Puszies,
plett.
Lageplan
Hamburg Akustik: 9
Air Akustik, Hamburg Bauleitung: EvaBau-West, Hamburg Wettbewerb: Juli 2009 F e r t igs t e ll u n g :
3. OG
Juni 2012 Standort: Ökumenisches Forum HafenCity, 8
Shanghaiallee 12-14,
M 1:5 0 0
Hamburg
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PARTNERLAND
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Indonesien
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1. OG L e g e n d e G r u n d r iss e 3 1 5
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1 Foyer 2 Kapelle 3 Info 4 Café
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5 Veranstaltung 6 Terrasse 7 Hof
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8 Büro 9 Gemeinschaft 7
EG
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V
Fragen
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1
or Kurzem wurde in Berlin der Plan für ein „Bet- und Lehrhaus“ für Juden, Christen und Muslime präsentiert, das auf dem Petri-Platz in Berlin-Mitte gebaut werden soll. Auf den ersten Blick eine großartige Idee, die an Gotthold Ephraim Lessings „Ringparabel“ aus dem Stück „Nathan der Weise“ erinnert, in der die Idee der religiösen Toleranz auf eine extrem idealistische Art ausgewalzt wird. Abertausende von Abiturienten sind mit der Frage „Was will uns Lessing mit der Ringparabel sagen?“ gequält worden, bevor sie in eine Wirklichkeit entlassen wurden.
K D ietrich
Die Initiative ging von christlichen und jüdischen Organisationen aus. Auf moslemischer Seite konnten nur Vertreter der Gülen-Bewegung gewonnen werden, die weniger eine religiöse als eine politische Kraft und im Übrigen höchst umstritten ist. Man kann es auch so sagen: In Berlin möchten Christen und Juden die Moslems als Partner gewinnen, weil sie viel besser als die weichgespülten Christen und Juden ihre religiösen Anliegen in der Öffentlichkeit zu vertreten verstehen. Man benutzt sich gegenseitig, wie das auch bei anderen Interessengruppen oft der Fall ist. Die Idee eines gemeinsamen „Bet- und Lehrhauses“ für Christen, Muslime und Juden ist aber nicht nur interessengeleitet, sie zeugt auch von einer erheblichen Arroganz. Der katholischen und evangelischen Kirche gehören je 30 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen an. Zwei bis fünf Prozent sind Moslems, alle anderen machen rund zwei Prozent aus. Etwa 35 Prozent sind konfessionslos und stellen damit die größte Bevölkerungsgruppe, was freilich nicht bedeutet, H enr y k M . dass sie allesamt verwahrloste „Ungläubige“ sind. Viele glauben an die KlimakataB roder strophe, die klassenlose Gesellschaft – oder den Weltuntergang am 21. Dezember vergangenen Jahres, wie im Maya-Kalender vorausgesagt. Der Journalist ist Autor
Müssen alle mit rein?
der Zeitung „Die Welt“ und der „Welt am
Sonntag“. Bis 2010 Sollen diese Gläubigen vom interkonfessionellen Gespräch ausgeschlossen werschrieb er für das den? Und was ist mit den Vertretern anderer Religionen, den Armeniern, den AramäNachrichtenmagazin ern, den Buddhisten, den Hindus, den Alewiten, den Jesiten, den Baha’i, den Drusen, „Der Spiegel“. Der den Zaratustranern, den Scientologen, den Polytheisten, den Mormonen und andestreitbare jüdische ren Polygamisten, die ihren Lebensstil als Religion praktizieren? Zeugt es wirklich von Publizist betreibt religiöser Toleranz, die angewandte Religiosität auf drei Varianten zu beschränken? außerdem den AutoDas ist, als würden VW, Mercedes und BMW einen Interessenverband gründen und renblog „Achse des damit zu erkennen geben, dass sie alle anderen Autohersteller für SeifenkistenproGuten“. duzenten halten. In diesem Falle würde das Kartellamt einschreiten, im Falle des Berliner „Lehr- und Bethauses“ für Christen, Moslems und Juden halten alle vor Begeisterung die Luft an. Wenn aber Religionen einen Wert haben, dann ist es die Vielfalt der Optionen, die sie repräsentieren. Und sie unterscheiden sich nicht nur in marginalen, sondern in wesentlichen Fragen. Eine Religion, die missioniert und den Abfall vom Glauben mit dem Tode bestraft, hat wenig gemeinsam mit einer Religion, die nicht missioniert und mit Gott im Dauerclinch liegt. Wenn es einen Gott gibt und wenn er gewollt hätte, dass sich seine Anhänger unter einem Dach treffen, dann hätte er nur eine Religion geschaffen. ER muss sich also etwas dabei gedacht haben, das seine Anhänger übersehen: One size fits all gibt es nur bei Textilien. (Der Text basiert auf einem Beitrag für die Tageszeitung „Die Welt“.)
2 von 2 Bauen für die religiöse Verständigung – diesen Ansatz verfolgt auch ein ökumenisches Gemeindezentrum in Hamburg. Seite 60
Der Theologe war von
Unterschiede wahrnehmen!
1979 bis 2001 Professor
Die drei abrahamitischen Religionen – „abrahamitisch“, weil sie sich alle drei auf den Erzvater Abraham berufen –, die einander im modernen Deutschland ohnedies anpunkten Gottesdienst dauernd begegnen, in einen auch baulich unterstützten Dialog zu verwickeln, kann und Seelsorge an der sinnvoll sein. Man begegnet sich, muss sich immer wieder über praktische Dinge der Philipps-Universität Gebäudenutzung verständigen und lernt einander besser kennen. Das dürfte Marburg. Zuletzt auch Unterschiede und Gemeinsamkeiten im religiösen und kultischen Bereich beerschien von ihm das treffen. Dabei geht es kaum darum, die Religionen zu vermischen, sondern eher Buch „Soll man das darum, die Unterschiede schärfer wahrzunehmen und zu akzeptieren. Mit einem glauben? Vom Sinn der meiner besten Freunde war ich mir immer darüber einig, dass wir uns theologisch nie christlichen Religion“. einigen würden; und darauf tranken wir dann einen Schluck. Verständigen aber könnte man sich vielleicht sogar darüber, was Religion eigentlich sei: Moral, Anbetung und Verehrung der Gottheit, Ästhetisierung eines ansonsten tristen und profanen Lebens, Pflege einer „vierten Dimension“, welche die Empirie transzendiert? Gewiss liegt der „Wert“ der Religionen nicht nur „in der Vielfalt der Optionen“. Der katholische Theologe Hans Küng, gewiss kein dem Harmonie-Milieu angehöriger Schwärmer, meint, die drei zur Debatte stehenden Religionen hätten „ein weithin ähnliches Grundverständnis von Gott, vom Menschen, von der Welt und der Weltgeschichte überhaupt“. Es handle sich um „eine Erbgeschichte größten Ausmaßes“: Der Name Abrahams, der semitische Ursprung und die semitische Sprache, der Glaube an ein und denselben Gott (Allah ist das gleiche Wort wie das biblische Elohim bzw. El), ein zielgerichtetes Geschichtverständnis, die prophetische Verkündigung und das in Gottes Willen begründete „Grundethos einer elementaren Humanität“ seien diesen drei Religionen gemeinsam. für Praktische Theologie mit den Schwer-
Kein Allerweltschaos Übrigens: Weshalb sollen diese Religionen, die sich in Berlin baulich zusammentun wollen, das nicht dürfen? Wieso ist es „arrogant“, wenn sie dabei die tausend anderen religiösen und nichtreligiösen Optionen, die es auch noch gibt, nicht einbeziehen? Was ist das für ein seltsames Argument? Wenn sich nahe und ferne Verwandte, die eine gemeinsame Urgroßmutter haben, auf einem Familientag treffen und sich teilweise bisher noch nicht kannten, wird niemand auf den Gedanken kommen, es sei arrogant, dass sie andere Mitbürger des Tagungsortes oder gar ihres Landes nicht eingeladen hätten. „Seid umschlungen, Millionen, diesen Kuss der ganzen Welt“ ist kein Motto für interreligiösen Dialog, aber auch nicht für sinnvolle andere Begegnungen. Das Küngsche Projekt eines Weltethos, das aus einem Dialog der Religionen hervorgehen soll, lässt sich auch nur mit dem Delegationsprinzip realisieren und dient zudem ganz anderen Absichten als der Berliner Drei-Religionen-Bau. Ein religiöses Allerweltschaos würde nur weltanschaulichen Nebel verbreiten. Was Gott „gewollt“ hat, wissen wir nicht. Wenn man sich aber schon auf dieses anthropomorphe und sehr naive Gottesbild einlassen möchte, dann hätte ein solcher Gott auch nicht zugelassen, dass sich die Menschen heute interkontinental und interkulturell bewegen, einander kennenlernen, Handel treiben und sich trotz größter Gegensätze zu verständigen suchen. Auch ich finde allerdings bedauerlich, dass zum einen die katholischen Christen nicht in das Berliner Projekt einbezogen sind (vielleicht, weil sie nicht wollten), zum andern, dass ausgerechnet die GülenBewegung den Islam vertreten soll, eine umstrittene Richtung, von der man hört, sie denke einerseits fundamentalistisch, strebe andererseits verdeckt durch missionarisch begründete Anpassungsstrategien nach politischer Macht. Man sollte sich unbedingt um weitere, transparentere und typischere Gruppierungen des Islam für die Beteiligung an diesem Projekt bemühen. Der Bau erinnert an das lutherisch-christliche Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“, und das unter einer „Abrahams-Kuppel“, er weckt Hoffnungen und wehrt sich zugleich gegen ein sentimentales ReligionsPotpourri. Gemeinsamkeiten und Unterschiede wahrzunehmen, ist eine sinnvolle Aufgabe – EinheitsMischmasch ausgeschlossen.
Interessant, keine Schwärmerei
Contra:
S tollberg
Pro:
Arrogante Idee
Man benutzt sich gegenseitig
irchen sind Lieblingsprojekte vieler Architekten. Aber ein Mehr-Religionen-Projekt ist ungewöhnlich und für Bauleute gewiss reizvoll. Ich bin zwar kein Freund interreligiöser Schwärmerei, finde aber das zur Debatte stehende Projekt interessant. Dort, wo einst die älteste Kirche Berlins (urkundlich erwähnt 1237) stand, nun die drei abrahamitischen Religionen zusammenzubringen, entspricht der bevölkerungspolitischen Situation der Bundeshauptstadt und soll wohl ein integratives Zeichen setzen. Israels letzten Jerusalemer Tempel, den Kuppelbau einer Moschee und das aufstrebende Gebäude einer christlichen Kirche in eins zu bauen, klingt abenteuerlich, scheint mir aber erstaunlich gelungen.
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Fragen
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2 Von Weitem erscheint das Bild der pitto resken Fassaden makellos. Doch bei näherer Betrachtung fallen die Spuren
Bricht Staufen auseinander ?
auf, die die Verschiebungen des Baugrunds an den Häusern hinterlassen haben.
Unglaublich, aber wahr: Eine Untergrundbohrung in Staufen führt dazu, dass viele Gebäude in der Stadt buchstäblich auseinanderbrechen. Der Umgang mit dem Drama offenbart Licht- und Schattenseiten der Zivilgesellschaft. Re portage
Kay Rosansky Fotos
Stephan Falk
W ir reden alle gerne von der Endlichkeit fossiler Energieträger, von Energieeffizienz, von Nachhaltigkeit. Und davon, dass die Politiker von dem Notwendigen viel zu wenig umsetzen. Was aber, wenn eine Stadt beschließt, das historische Rathaus mit umweltfreundlicher Erdwärme zu versorgen – und sich dann, wie in Staufen geschehen, plötzlich die Erde hebt und die Häuser zerstört? Ideologische Grabenkämpfe, würde man erwarten, und eine Prozesslawine. Doch in der Stadt Staufen im Breisgau, die auf einer unglaublichen geologischen Zeitbombe sitzt, haben sich die Dinge erstaunlich entwickelt. Ein Wir-Gefühl ist entstanden, die Bereitschaft zur Kommunikation, eine beachtliche Gesprächskultur. Getragen wird die öffentliche Stimmung von dem Wunsch, das eigene Schicksal zu beherrschen. weiter