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STEIN

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MINERALISCHE WERKSTOFFE FÜR ARCHITEKTUR UND HANDWERK

MINERALISCHE KÜCHEN

HART KOCHEN WASSER MARSCH

MESSEN LESEN

ALLES WALZER

Große dünne mineralische Platten akkurat auftrennen mit Waterjet und passender Wasseraufbereitung

Umfangreiche Nachberichte zu Trends und Themen der jüngsten imm in Köln und Cevisama in Valencia

Zünftig reisen: Die Wanderschaft von Junggesellinnen und -gesellen ist immaterielles Kulturerbe


SCHÖNE WELT DER STEINE

Die Natursteinküche „Rock“ präsentiert sich in Monolithen-Optik und als Insellösung – schon fast skulptural – in Form von vier Objektblöcken. Das Design ist eine Hommage an Donald Judd, den Meister des Minimalismus. Verkleidet sind die Blöcke mit einem schwarzen bis grauen dichten Kalkstein, den man bei steininger.designers „Maya Black“ nennt. Materialstärke: Sechs Millimeter

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SCHÖNE WELT DER STEINE

SKULPTUREN

I M R AU M

Küchen In einem kleinen Ort in Österreich hat die Firma steininger.designers ihren Sitz. Eine internationale Designhochburg, die auch durch ihre puristischen und minimalistisch gestalteten Küchen auf sich aufmerksam macht. Zur edlen Ausstattung dieser ganz besonderen Küchen verwendet Martin Steininger auch Naturstein in sehr dünner Form.

Foto: steininger.designers

Von Alexandra Nyseth

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STEINE BEARBEITEN

Der Küchenblock „Aristokrat“ stammt aus der Designlinie „n’Stee“ und wurde aus „Invisible Grey“ gefertigt. Dank der eingerückten Metallfüße scheint der Quader trotz seiner Größe und seines Gewichts zu schweben

N’STEE DE LUXE 14

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Foto:MCR

STEINE BEARBEITEN

Küchenmöbel aus Naturstein Ihr Können und ihre Kreativität stellte die Natursteinmanufaktur MCR letztes Jahr mit der Präsentation der ersten beiden Küchenblöcke aus ihrer Designlinie „n’Stee“ unter Beweis. Ihr Konzept basiert auf der Idee, jedes Steinmöbel individuell nach den Vorstellungen der Kunden zu entwickeln und im eigenen Werk zu fertigen. So entstehen einzigartige Steinunikate der gehobenen Preisklasse. Von Tanja Slasten

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STEINE BEARBEITEN

Experteninterview

Profis für Platten-Restaurierung Wenn Küchenarbeitsplatten aus Naturstein, Kompositmaterialien oder Keramik absplittern, verkratzen oder andere Beschädigungen erleiden, ist das nicht nur ein täglicher Dorn im Auge der Bewohner, sondern auch oftmals selbst für Profis aus dem Stein- und Keramikbereich nicht so leicht zu beheben. Gleichzeitig ist ein Komplettaustausch aufwendig und kostspielig. STEIN fragt bei einem Spezialisten für hochwertige Ausbesserungen nach: Thomas Grant (57), Geschäftsführender Gesellschafter der Artus Oberflächen Instandsetzung GmbH.

STEIN: Zunächst einmal ganz grob gesprochen. Wenn ein Malheur mit einer Naturstein-, Kunststein- oder Keramikarbeitsplatte geschehen ist, was spricht für eine Vor-Ort-Reparatur, was für einen Austausch? Thomas Grant: Ganz klar das Thema Nachhaltigkeit und besonders der Aspekt, Ressourcen zu schonen. Gerade im Handel muss hier wirklich ein Umdenken stattfinden. Viel zu oft wird Kunden ein Austausch zugesichert, obwohl die Reparaturmöglichkeiten noch nicht vollständig geprüft und ausgeschöpft wurden. Deshalb sollte im Zweifelsfall immer ein Dienstleister mit Fachkenntnis angefragt werden. Können die Ergebnisse tatsächlich so brillant werden, dass die Kunden das Gefühl bekommen, ihre Platte wäre nie beschädigt gewesen?

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Ja, dieses Gefühl geben wir täglich vielen unserer Kunden. Hierfür tun wir sehr viel: Das Können unserer Techniker wird immer wieder geschult. Zudem passen wir unsere Verfahrenstechniken immer an aktuelle Problemstellungen an. So lernen wir sehr viel aus unserer täglichen Arbeit. Das, in Verbindung mit hochwertigen eigenentwickelten Produkten, sichert unsere Instandsetzungsergebnisse. Wir geben auf unsere Leistung fünf Jahre Garantie, und unsere Reklamationsquote über alle Gewerke liegt unter 2,8 Prozent. Die Zufriedenheit ist offen nachprüfbar: Online haben mehr als 700 Kunden ihre Bewertung zu unserer Dienstleistung abgegeben – fast 100 davon zu den Ergebnissen bei ihren Arbeitsplatten. Für Natursteinplatten gibt es ja Reparatursets, die sich Verarbeiter zulegen können. Gleichzeitig sind Sie ein reiner Fachbetrieb für die Aufarbeitung beschädigter Bauteile. Ab welchem Punkt denken Sie, dass auch Stein- und Keramikprofis die Hilfe von professionellen „Platten-Restauratoren“ wie Ihnen suchen sollten – und warum? Immer dann, wenn man sich selbst eine Reparatur nicht mehr zutraut. Die angesprochenen Reparatursets haben bisweilen, gerade was strukturierte und unifarbene Platten angeht, deutliche Grenzen. Hier können wir durch unsere Produktentwicklungen das kleine, aber entscheidende „bisschen mehr“ leisten. Der Hersteller oder Händler hat dadurch die Möglichkeit, Kosten für einen Austausch zu sparen und tut dabei sogar noch Gutes für die Umwelt.

Foto: Artus Oberflächen Instandsetzung GmbH

Lässt Schäden professionell verschwinden: Thomas Grant widmet sich zusammen mit seinen Mitarbeitern bei der Firma Artus der möglichst unauffälligen Wiederherstellung von Naturstein- und Keramikoberflächen

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STEINE BEARBEITEN

Der polierte Naturstein für diese Arbeitsplatte wurde unter dem Namen „Chocolate Brown“ verkauft. Links vorher, rechts nachher: Die Experten von Artus haben die Abplatzung im Spülenbereich farblich passend gefüllt und Oberfläche sowie Struktur angeglichen

Fotos: Artus Oberflächen Instandsetzung GmbH

Die Instandsetzung beschädigter XXL-Keramikplatten sowie eloxierter oder pulverbeschichteter Oberflächen gestaltet sich noch einmal schwieriger als die von Naturstein. Wieso ist das so, und welche Lösungen haben Sie dafür gefunden? Für uns sind weniger die Oberflächen selbst das Problem. Vielmehr besteht die Schwierigkeit immer darin, die Instandsetzung auch der Art der Lichtreflexion anzupassen. Viele kennen das bestimmt selbst: Farbton passt perfekt, aber Struktur, Glanz oder Glimmer lassen es einfach nicht zu, dass die Instandsetzung aus allen Blickwinkeln nicht mehr sichtbar ist. Wir prüfen bereits vor der Instandsetzung die Lichtgegebenheiten vor Ort und stellen uns somit gleich zu Beginn auf die besonderen Anforderungen ein. Es ist nun einmal viel wichtiger, gleich mit der ersten Instandsetzung richtig zu liegen, als sich vor Ort beim Kunden zu versuchen. Denn hat er erst einmal Bedenken gegenüber einer Reparatur, wird er im weiteren Verlauf immer kritischer werden. Für uns besteht somit die Lösung immer darin, vorab alles zu prüfen und zu hinterfragen – und dann erst zu handeln. Sie können für eine große Bandbreite von Beschädigungen, von Kratzern bis hin zu Absplitterungen und Bohrlöchern, unauffällige und haltbare Behandlungen anbieten – und das bei sehr unterschiedlichen Materialien. Hand aufs Herz: Wo müssen auch Sie passen, und arbeiten Sie an Lösungen auch für diese Fälle?

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Aktuell gibt es immer wieder Oberflächen, welche eine besondere Haptik haben. Sogenannte Softfeelbzw. Softtouch-Beschichtungen. Hier sind wir dabei, Lösungen zu erarbeiten. Da aber aktuell die Nachfrage noch sehr gering ist, wurde hierauf bisher kein Fokus gelegt. Sollte einer unserer Kunden jedoch eine Lösung brauchen, werden wir diese auch liefern. Dafür fordern wir im Vorfeld entsprechende Muster an, welche uns für unsere Ausarbeitungen und Tests zur Verfügung gestellt werden. Wenn dann ein Instandsetzungsweg gefunden wurde, erhalten die Kunden das Muster bearbeitet für eigene Prüfungen zurück. Durch diese Vorgehensweise können wir auch wieder von unseren Auftraggebern lernen. Konkret bieten wir für folgende Schadensbilder keine Instandsetzungen an: • Spannungsrisse, Stegbrüche oder Brüche bei Naturstein, Kunststein und Keramik. Denn ist ein Riss durch Spannung entstanden, zum Beispiel mechanisch oder materialbedingt, so können wir diese Spannungen auch durch das Einbringen von Füllstoffen bei einer Oberflächeninstandsetzung nicht dauerhaft außer Kraft setzen. Und durch einen mechanischen Druck von oben oder einer thermischen Beanspruchung entsteht eine Belastung, die unter Umständen wieder ein Reißen der Schadstelle zur Folge hätte. • Weiße Ränder bzw. Thermoschock bei Kunststein. Hier wurden die Bindemittel und ggf. Farbstoffe bei Temperaturen über 180° (z. B. durch eine heiße

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STEINE BEARBEITEN

Bringt neue Strahlkraft ins Unternehmen: die Wasserstrahl-Schneidanlage, hier eine Anlage des Herstellers StM-Waterjet, beim Wasserabrasivstrahl-Schnitt in Keramik

STETER TROPFEN TRENNT DEN STEIN Wasserstrahlschneiden und Wasseraufbereitung Steinmetzbetriebe, die große dünne Platten unterschiedlicher Werkstoffe penibel genau auftrennen wollen, kommen um die Wasserstrahl-Technologie nicht herum. Entscheider sollten bestimmte Aspekte berücksichtigen, wenn sie sich für die zukunftsweisende Technologie entscheiden. Wichtig ist beispielsweise die Frage der Wasseraufbereitung. Von Michael Spohr

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STEINE BEARBEITEN

LOHNFERTIGER MIT PROZESS-, PLANUNGS- UND KOSTENSICHERHEIT Ihre Wasserstrahlarbeiten lässt die Essener Steinmanufaktur Puzicha bei Element Cut in Gelsenkirchen ausführen. Hier sorgt ein „Tilt-A-Jet“ auf einem Omax-80X-Jet-Machining-Centre für höchste Präzision bei den Ausschnitten in Natursteintafeln zu Küchenarbeitsplatten, die Steinmetz Marvin Puzicha bei Wasserstrahlexperte Habib Aykan in Auftrag gibt.

Foto: Foto: StM Stein-Moser GmbH, Eben im Pongau (A)/Michael Spohr

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n automatisierten Steinverarbeitungsbetrieben gehören Hochdruck-Wasserstrahlanlagen seit Langem zum selbstverständlichen Maschinenequipment. Hersteller wie beispielsweise Burkhardt-Löffler bauen 3-D-Maschinenensembles aus Wasser-Abrasivstrahlanlage, automatischen Ladestationen, automatischen Belademanipulatoren und automatisch wechselnden Arbeitstischen. Auf maßgefertigte Arbeitsplatten in großen Stückzahlen ausgelegte Unternehmen wie Lechner in Deutschland oder Jetstone in Holland gelingt damit die Stückzahl-1-Serienfertigung. Aber auch mittelgroße Arbeitsplatten-Hersteller und kleinere Steinmanufakturen verzichten heute nicht mehr auf die innovative Schneidetechnologie mit Hochdruckwasser und Abrasivsand. Für sie stehen leistungsfähige und hocheffiziente Maschinen verschiedener Hersteller bereit, die 2-D-Schneiden ebenso wie 3-D-Schneiden mit oder ohne Schnittwinkelfehler-Ausgleich ermöglichen. Entweder investieren die Betriebe in eigene Anlagen oder sie bedienen sich eines Lohnschneidebetriebes. Hersteller mit Affinität zu Steinmetzen sind etwa StM, CMS, Flow, Thibaut, Omax/Maxiem, Gmm, Breton, Cei und D2.

STEIN stellt folgende Firmen vor: 1. Element Cut, Gelsenkirchen www.elementcut.de 2. WTK WasserstrahlTechnik Krey, Heiligenhaus www.wtk-velbert.de 3. STF Stein-Team Fischer GmbH, Machern OT Gerichshain www.stein-team-fischer.de

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ür den Lohnfertiger, der sonst im Wesentlichen Metall schneidet – von Einzelteilen über mittlere bis zu Großserien – ist ein Schneidkopf, der auf ± fünf Hundertstelmillimeter genau schneiden kann, enorm wichtig. Mit dem Tilt-A-Jet erreicht die OmaxMaschine bei den meisten Materialien praktisch keine Verjüngung, da sich die Düse des Schneidkopfs in einem exakt von der Software berechneten Winkel positionieren lässt, um den Kegel exakt vom Strahl zu versetzen. Die Verjüngung verschwindet dabei nicht – sie wird nur zum Abfallteil des Materials verschoben, sodass das benötigte Teil exakt quadratische Kanten aufweist. Zwar ist bei vielen Materialien, die bei Element Cut in Lohnfertigung geschnitten werden – hierzu gehören neben Kunststoff auch Naturstein und Keramik – eine solche Genauigkeit nicht notwendig: Puzicha und seine Mitarbeiter freut es dennoch, wenn sie die bearbeiteten Werkstücke mit kerzengeraden Kanten genau nach CAD-Vorgabe abholen. Ebenso ergeht es anderen Steinverarbeitern und Fliesenlegern, die sich von Aykan zumeist Sockelfliesen zuschneiden lassen. Aber auch Bischofsmützen, Treppenstufen und Fensterbänke hat der 31-Jährige bereits für seine Dreiachs-Wasserstrahlanlage in Auftrag genommen. Seine Kunden schätzen die Prozess-, Planungs- und Kostensicherheit des Unternehmens aus dem nördlichen Ruhrgebiet. „Häufig bringen die Kunden palettenweise Fliesen, zu denen es keine serienmäßigen Sockelleisten gibt“, berichtet Aykan. „Wir müssen dann nur die Höhe sowie die Anzahl der Laufmeter wissen und können jedes einzelne Teil

Präziser Metallschneider mit Lohnfertigung auch für Steinmetze: Habib Aykan führt mit Element Cut einen überaus flexiblen Wasserstrahlbetrieb

prozesssicher gleich fertigen, wobei wir die Fliesen jeweils nur einmal einspannen müssen.“

WAS FÜR METALL PERFEKT IST, PASST AUCH FÜR STEIN Als besondere Vorteile kommen bei der Omax-Maschine laut Aykan die Wiederholgenauigkeit, die exzellente Winkelfehlerkorrektur und die komplette Software des Herstellers hinzu. Da er mit der Maschine unter Wasser schneiden kann – was er fast immer tut –, arbeitet er nicht nur besonders leise, sondern auch besonders materi-

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KUNDEN GEWINNEN

NOCH NÄHER AN DEN KUNDEN Kundenzentrierung Was brauchen amazonverwöhnte Kunden? Wie wird man ihren Bedürfnissen gerecht? Welche Veränderungen in der Ansprache sind nötig? Lesen Sie, was sich ändern muss und was bleiben darf. Von Annette Mühlberger

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ass sich die Einkaufswelt rasant verändert, ist allgegenwärtig. Aufgrund der technischen und wirtschaftlichen Vernetzung wandeln sich Markt und Gesellschaft immer schneller. Längst entstehen die großen Trends global. Umbrüche werden zur Normalität. Auch der Handel durchläuft durch die Digitalisierung einen tief greifenden Veränderungsprozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist.

BAU UND WOHNEN GEHEN ONLINE Die aktuellen Wachstumstreiber im ECommerce sind die Themen Wellness und Gesundheit, Heimwerken und Garten sowie Wohnen und Einrichten. „Die Anteile am Onlinehandel verschieben sich von den großen Kernbranchen Fashion und CE/Elektro zu den kleinen Branchen“, erklärt der Deutsche Handelsverband HDE in seinem Onlinemo-

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nitor 2019. Amazon ist also beim Häuslebauer angekommen. Vor allem männliche Kunden, gerne auch älteren Jahrgangs, ordern Bau- und Wohnartikel online. Sie legen großen Wert auf digitale Serviceangebote, etwa für die Produktberatung oder bei der Terminvereinbarung. Außerdem gilt: Je höher das Haushaltseinkommen, desto höher sind die Erwartungen an digitale Services.

DEN MASSSTAB SETZT AMAZON Wie lässt sich der amazonisierte Kunde begeistern? Was braucht er? Was erwarten Kunden, wenn sie nach Materialien für ihre Terrasse oder Ideen fürs neue Bad googlen, wenn sie sich auf die Suche nach einem modernen Bodenbelag und einem guten Verleger machen? Anne Schüller, die sich seit Jahren mit dem Thema Kundenzentrierung, Touchpoint-Management und Unternehmensführung beschäftigt, spricht von einer Obsession für Kunden-

belange, die Unternehmen heute brauchen, um im Wettbewerb zu bestehen. Sie sagt: „Vom Kunden her denken wird zur Pflicht.“ Das Handwerk schließt sie dabei nicht aus, im Gegenteil (siehe Interview ab Seite 40). Fragt man sie, wie die Kundenbedürfnisse im Amazon-Zeitalter aussehen, so lautet ihre Antwort: • Mach es mir so einfach wie möglich. • Mach den Zugang möglichst bequem. • Gib mir die bestmögliche Lösung. • Gib mir diese so schnell wie möglich. • Gib mir Hilfe, wenn ich sie brauche. • Gib mir bei all dem ein gutes Gefühl.

FOKUS KUNDE STATT GEWERK Die Branche hat darauf bereits vereinzelt Antworten gefunden. Mittlerweile lassen sich Natursteintische auf Maß online konfigurieren (www.tisch-nachmass.com), es gibt Webshops für Fliesen und Platten (siehe Seite 42) und es sind übergreifende Plattformen für die

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KUNDEN GEWINNEN

Wer Kunden Orientierung bietet, punktet: auf Messen, in der persönlichen Beratung und mit Online-Inhalten. Der richtige Kanalmix zahlt sich aus

Wohnungs- oder Badmodernisierung entstanden (siehe STEIN 08/2019 und STEIN 10/2019). Nicht immer jedoch stammen die Gründer aus der Branche: Die erfolgreichsten Start-ups verschreiben sich keinem Gewerk, sondern einem zentralen Kundenanliegen.

Foto: stone +tec

WIE NAH SIND SIE DRAN? Was Unternehmen hierfür brauchen, ist eine kundenzentrierte Organisation. Die haben auch kleine und mittlere Unternehmen nicht unbedingt, auch wenn sie sich durch ihr lokales Business nah am Kunden fühlen. Kundenzentrierte Unternehmen werden konsequent vom Kundenwunsch aus organisiert und gesteuert. Und die Wünsche der Kunden werden immer vielfältiger und individueller. „Auch Handwerker müssen heute Menschenversteher sein“, sagt deshalb Anne Schüller. Und die Innovationsspezialistin Ingrid Gerstbach fordert: „Un-

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ternehmen müssen ein tiefes emotionales Verständnis für die Bedürfnisse der Menschen zulassen, um sich zu inspirieren und ihre Arbeit, ihre Teams und sogar sich als Ganzes zu verändern.“

WOFÜR STEHEN SIE? Dabei fragen Kunden immer öfter nach dem Leitmotiv, dem Daseinsgrund oder dem Purpose von Unternehmen, wie man neuerdings sagt. Sie suchen Antworten auf Fragen wie: • Was treibt Ihr Unternehmen an? • Warum sind Sie Unternehmer? • Was ist Ihre Vision? • Warum gibt es Ihr Unternehmen? • Warum ist Ihr Unternehmen attraktiv für Mitarbeiter, Kunden und andere Partner? Und sie wollen wissen: • Welche Auswirkungen hat Ihr Wirtschaften auf Gesellschaft und Umwelt?

• Welchen Beitrag leistet Ihr Angebot für eine lebenswerte Zukunft? • Wie schaffen Sie einen Heimathafen für Ihre Mitarbeiter? • Wie schaffen Sie einen Sehnsuchtsort für Ihre Kunden?

WAS TAUGT IHR WARUM? Anne Schüller propagiert in diesem Zusammenhang ein regelrechtes „Company Redesign“. Das heißt: Erfinden Sie sich neu – zum Wohle Ihrer Kunden. Dazu gehört auch ein emotionales Werteversprechen, hinter dem die Frage steht: Was können Kunden mit Ihren Produkten oder Dienstleistungen, was sie vorher nicht konnten? Warum fühlen sie sich damit besser? Und: Warum funktioniert das mit Ihrer Leistung besser als mit der des Wettbewerbs? Die Fragen klingen simpel. Ihre Beantwortung hat es jedoch in sich, und in solch einer Bestandsaufnahme, wenn

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CHANCEN NUTZEN

ALLES WALZER Handwerk & Tradition Handwerksgesellen, die durch die Landschaft marschieren oder an der Straße stehen und auf eine Mitfahrgelegenheit warten, sind heute etwas Besonderes. Die sogenannte Tippelei hat Jahrhunderte überdauert. Auch Steinmetze sind unter den Wandernden – Einblicke in die Traditionen der Walz und in Erfahrungsschätze von Steinmetzen, die quer durch die Lande reisten. Von Alexandra Nyseth

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CHANCEN NUTZEN

Fotos: Wikimedia Commons/ Sigismund von Dobschütz/Ichwarsnur

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ie sind Schreiner, Mauerer, Steinmetz, sie sind Schmied und Zimmermann. Heut’ wie vor 1000 Jahren treten sie die Reise an. Der schwarze Hut, der Ring im Ohr, die Kluft aus alter Zeit, am Hemd die schwarze, blaue, graue, rote Ehrbarkeit. Ein Weg voller Entsagung, Leben ohne Überfluss ...“, so besingt Liedermacher Reinhard Mey die Wanderschaft von Handwerksgesellen und benennt damit ihre wichtigsten Charakteristika. Wer hat sie noch nicht gesehen, die junge Leute in Schlaghosen, weißen Hemden und Hut, die zu Fuß unterwegs sind und ihr Hab und Gut in nur einem kleinen Bündel tragen? Nach Abschluss ihrer Lehre gehen sie für wenigstens drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft, auf „Tippelei“ oder auf die Walz. Mit dem Ziel, Berufserfahrung zu sammeln, die Welt kennenzulernen und um sich persönlich weiterzuentwickeln. 2016 waren etwa 900 Gesellen auf Wanderschaft. Unter ihnen sind auch Steinmetze, die zurzeit mit etwa 30 bis 40 Gesellen pro Jahr allerdings nur einen kleinen Teil aller Wandergesellen im deutschsprachigen Raum ausmachen.

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Das Gepäck eines Wandergesellen: Im Charlottenburger (Tücher) sind alle Habseligkeiten eingepackt, und auch der Stenz, der Wanderstock, wird immer mitgeführt

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PANORAMA

Die zentrale Achse der Cevisama 2020 in Valencia: Schlendern Sie mit uns durch die Rekordausgabe von Spaniens Salon für Keramik, Badausstattung und (ein wenig) Naturstein. Mehr Bilder zu neuen Produkten finden Sie online auf www.facebook.com/Stein.Magazin/ Kubisches Kunstwerk vorn: „Space 1: Pop“ von Belén Ilarri, Doppelhelix dahinter „Space 2: Hypar Tower“ von Prof. Martin Bechthold

Nachbericht Cevisama 2020

FLIESEN, PLATTEN UND PAELLA

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R 11, R 12 – natürlich auch A-B-C-Klassifizierungen für den Barfußbereich, wo nötig. Egal wie groß oder klein die Kachel – Benutzer, Planer und Verarbeiter sollen sicher sein. Offenbar haben wir von STEIN das bereits vor geraumer Zeit richtig erkannt, und berichten seit geraumer Zeit profund zu diesen Regeln für Naturstein und Keramik. Nun aber Bühne frei für einen Bummel durch die Stände der Impresarios in der Arena des spanischen Mineralienbackwerks, das mit 75 Prozent Exportanteil bei den 2019 insgesamt produzierten 503 Mio. Quadratmetern (zwar minus fünf Prozent), mit denen man insgesamt 3.740 Mio. Euro erwirtschaftete (aber plus vier Prozent), einen der wichtigsten Industriezweige des Landes darstellt – und es zum größten Keramikproduzenten Europas macht. Von Philipp Neuman

DIE CEVISAMA IN ZAHLEN Aussteller: 847 (spanisch: 552 / international: 295) Ausstellernationen: 40 Fläche: 126.000 m² Hallen: 11 Besucher: 92.435 aus 156 Ländern – Rekordergebnis

Foto: Philipp Neuman

Style ist geil – und daher wichtig. Das sehen prinzipiell auch die spanischen Keramikhersteller so, sonst wären ihre Produkte in allen Größen und Materialien nicht so stilsicher bis ins Detail – von grandios grellen über famos filigrane bis hin zu distinguiert diskreten Dekors, ob aus der poppigen, naturnahen oder traditionellen Palette. Dennoch war die optische Vielfalt spürbar nicht das Hauptthema dieser Cevisama 2020 in Valencia, auch neue modische Trends waren eher rar gesät: Die Farben der Saison sind offenbar Grün-, Blau- und Erdtöne, zudem sind „glossy“ Glasuren vor allem bei kleineren Formaten und Riemchen beliebt, also der Effekt eines klaren Zuckergusses mit starkem Tiefenglanz. Holz- und Natursteinimitationen gehören heutzutage zum normalen „Straßenbild“ der Keramikmesse – interessant allerdings, dass ein großer Hersteller wie Neolith die Nachbildungen nun in Kombination mit echtem Naturstein zeigt, den das Unternehmen „TheSize“, das hinter der Marke steht, ebenfalls vertreibt. Zentraler als die Looks-&-Feels diesmal aber die technischen Themen: Bei größeren Formaten zum Beispiel der Handel mit Steingut, das nur noch sechs Millimeter dick ist. Und schließlich besonders auffällig: An nahezu jedem Stand, den wir besuchten, ging es darum, dass den iberischen Keramikbrennern derzeit die Rutschsicherheit der deutschen Kunden zumindest wirtschaftlich massiv am Herzen liegt. R 10,

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PANORAMA

AZULEV

CEVICA

Bei der Azulev Grupo standen zwei Themen im Fokus auf der diesjährigen Cevisama: 1. Ihre weißscherbigen SteingutFliesen im 40x120-Format, die nur sechs Millimeter dick sind und damit lediglich circa zwölf Kilo pro Quadratmeter auf die Waage bringen. Gegenüber üblichen 10-MillimeterExemplaren seien keine zusätzlichen Sicherheitsregelungen notwendig, Schneiden und Brechen sei kein Problem. Die dünnen Elemente gibt es zwar schon seit 2017, aber jetzt macht man sie zum Kernthema. 2. Angelehnt daran die Serie „Wallstone“, extradünne 6-Millimeter-Steingut-Wandfliesen (Format 29x89), die glatt sind, aber optisch eine dreidimensionale Stein- und Fugenstruktur vorgaukeln, sowie passend dazu „Sandstone“, eine 9,5 bis 10 Millimeter starke Feinsteinzeug-Bodenfliese.

Seit 30 Jahren brennt man bei Cevica in Castellón Fliesen im Kleinformat. Neben regelmäßigen neuen eigenen Kollektionen können auch Brände à la carte nach individuellen Wünschen gefertigt werden: Lieferzeit drei bis vier Wochen, die Mindestabnahme ist Verhandlungsbasis und liegt bei circa 60 Quadratmetern.

Nahaufnahme: Die Serie „Chalk“ von Azulev im Dekor „Pop“ (Wandfliese, sechs Millimeter stark, Format 40x120, Steingut mit weißem Scherben).

Dekorübersicht zur neuen Cevica-Serie „Diavolo“: Es stehen acht Farben zur Verfügung (siehe rechts oben), sowie die drei Oberflächenausprägungen konvex, konkav und flach.

Fotos: Philipp Neuman

Steingarten mal anders: Das „Italian Stone Theatre“ ist die Gala-Halle der Messe. Dieses Jahr lautete das Leitmotiv „Naturality“, Naturstein im Kontext Flora

Trompe-l’œil: Die Linie „Wallstone“ von Azulev suggeriert an der linken wie an der rechten Wand eine strukturierte, dreidimensionale Quarzit-Oberfläche – doch die weißscherbigen Steingut-Wandpanele sind plan. Format: 29x89 Zentimeter bei sechs Millimetern Stärke.

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Die neue Serie „Boom!“ von Cevica ist mit der sehr erfolgreichen letztjährigen Linie „Good Vibes“ kombinierbar, Feinsteinzeug von 14x16 Zentimetern für Wände und Böden, für den Einsatz auf Letzteren ist Rutschhemmung R 10 gegeben.

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PANORAMA

Nachbericht imm Cologne 2020

Nachhaltigkeit und Digitalisierung

Stein war auf der Möbelmesse in Köln nur abgebildet, trat jedoch persönlich kaum in Erscheinung. Die Hersteller von Badezimmerausstattung setzten mehr auf Keramik. Und bei den traditionellen Möblern ist auf Glas gedruckte Natursteinoptik der neueste Trend. Bis auf Textilien hat sich die Imitationswelle sogar vorgearbeitet.

Präsentiert den neuen Esstisch Kallisto, bei dem die Natursteinplatte wie bei einer japanischen Origami-Faltung neu zusammengesetzt ist: Draenert-Pressechefin Anette Pfeifer

Von Michael Spohr

Stein und Keramik aufgetischt Ein weiteres Messestand-Highlight war die aus dem brasilianischen Kalkstein Avocatus bestehende Tischplatte des 25 Jahre alt gewordenen Adler-Tisches in Magnum-Ausführung, was im ausgezogenen Zustand eine Länge von 3,70 Metern bedeutet. Mit Naturstein ausgestattet sind zudem die neuen Barwagen „Day“, die Draenert passend zu den im letzten Jahr vorgestellten „Night“-Tischchen kreiert hat. Bei den Janua-Tischen am Freifrau-Messestand stach besonders das neue, aus einem Quadrat geschnittene dreiteilige Beistelltisch-Arrangement „Split“ hervor. Der Kunde kann sich aus der Datenbank der Firma seine Natursteintafel auswählen, die dann für die drei Tische passend zugeschnitten wird und später als Puzzle wieder zusammengestellt werden kann. Hin-

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Der Baqua-Flachwaschtisch, den die Iris-Ceramica-Gruppe mit sechs Millimeter dünner Keramik ins Programm aufgenommen hat. Die Italiener zeigten zudem eine neue modulare Dusche

Die einzige Küche auf der imm: Die Schreinerei Sommer aus Breitscheid im Westerwald hatte eine Küchenzeile mit Natursteinarbeitsplatte aus Avario Sand ausgestellt

Fotos: Michael Spohr

Die wichtigste Bastion für Stein bei den Einrichtungsgegenständen ist und bleibt der Tisch. Allen voran wartete bei Tischplatten die Möbelmanufaktur Draenert vom Bodensee mit spektakulären Hinguckern auf: aufsehenerregend war insbesondere der neue Esstisch Kallisto der 30-jährigen griechischen Designerin Alexia Mintsouli, auf die der Möbelhersteller über Instagram aufmerksam geworden ist. Sie trennt die eingesetzten Steinplatten auf und setzt sie wie bei einer japanischen Origami-Faltung neu zusammen. Draenert-Kunden können sich von der Designerin ihr Design am Computer vorab individuell anpassen lassen. Hilfreich hierfür ist der bei Draenert neu angeschaffte Steinscanner, mit dem sämtliche Natursteinplatten am Lager digitalisiert werden. Die Händler können nun mithilfe der Digitaldaten Deals allein zum Abschluss bringen, und die Kunden können sich ihre Ausschnitte wählen oder eben von der Designerin gestalten lassen.

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Fotos: Michael Spohr

Selbstdesinfizierende und schadstoffabbauende XXL-Fliesen unter Puzzletischen aus ökologischem MDF: Yasmine Mahmoudieh hatte wahrscheinlich den einzigen vollständig nachhaltigen Messestand

Einzig der Dünnschiefer ist wirklich Naturstein: Ansonsten sah am Stones-like-Stones-Messestand zwar vieles nach Naturstein aus, entpuppte sich bei genauem Hinsehen aber als Nachbildung

Einziger reiner Naturstein-Messestand: Der griechische Anbieter Masmarbles präsentierte massiv schwer ebenso wie luftig leicht wirkende Steine

Kein Stein, sondern bedrucktes Glas: Sowohl die Spiegelumrandungen als auch die Tischplatte im Spiegel sehen aus wie Marmor, bestehen aber aus Glas

Großkeramik in Azul-Macaubas-Optik: Die spanische PorcelanosaGruppe versuchte, die Messebesucher mit einem brachialen Auftritt zu beeindrucken

Dezenter Keramikeinsatz: Designmöbelhersteller Cattelan Italia setzt Feinsteinzeugplatten vielfältig ein, immer häufiger mit seidenmatter Oberfläche

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