StudiVersum 38

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STUDI VERSUM NUMMER 38 | 2011.04

cloudbuster – der wolkenmacher 09 gedächtnisstützen für die examen 30 Mit Stil in den Job 34

Intim



EDITORIAL | INHALT

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Liebe Leserinnen und Leser,

Intim ist nicht nur Sex. But Sex sells! Sind wir in den Zeiten von YouPorn schon zu «oversexed»? Die StudiVersum-Redaktion hat sich gesagt: «Noch nicht genug!» Thomas Benkö, Blattmacher beim Blick am Abend sagt zu diesem Thema: «Es darf einfach nicht plump eingesetzt werden. Eine nackte Frau auf der Titelseite muss schon etwas gemacht haben.» Sex soll nach ihm massvoll eingesetzt werden: «Wenn am Vortag eine sexy Frau abgebildet war, dann wählt man für die aktuelle Ausgabe ein anderes Sujet.» So sei es. Dies ist eine einzigartige Ausgabe. Mit viel Sex. Wir wünschen viel Spass! Intimität ist etwas Privates und oft ein Tabu. Trotzdem konnten wir in dieser Ausgabe mit Menschen sprechen, die ganz Intimes offenlegen: Leben mit HIV – Für andere wäre das zu privat – Sie sprechen darüber. Jonas Frehner dokumentiert die Beziehung eines schwulen Paares, bei dem einer der Partner mit der Diagnose «HIV-positiv» leben muss. Nackt, nackter…? – Rasieren oder lieber nicht? Schon Kleopatra hat sich die Augenbrauen und Schamhaare entfernt. Was bevorzugt ihr? Den «Brazilian Hollywood Cut» oder lieber den «Landing Strip»? Silja Aebersold erzählt Interessantes zum Thema Intimrasur. Ist Sex doch nicht immer intim? – Michael «Wintifigger» Ryan ist Pornodarsteller und heisst im richtigen Leben Lars Rutschmann. Mit Julia Krättli spricht er über Beziehungen und Dumpfbacken im Geschäft. Nie allein? – Leben in einer Fabrikhalle – Philosophiestudent Bela weiss wie das ist. Braucht man die Intimität des eigenen Raumes? Melanie Keim ist dieser Frage auf den Grund gegangen. Und was ist für euch intim? Frohes Stöbern!

Eure Raffaela Angstmann

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04 LIEBLINGSDING Warum ich meinen VOLLEYBALL liebe 05 UMFRAGE Was wäre deine Initiative? 06 AUS DEM LEBEN «Braaaaaaaains!» 08 ATELIER Vom Angeln zum Schreiben 09 WISSENSCHAFT Es werde Regen 10

King of my Castle 14

Intime Intimfrisuren? 18

Und trotzdem weiterleben 24

Sex sells Sex 27 DAS UNIKAT Gewinne den Kuss! 28 UNIPOLITIK Wettlauf ums liz 30 reportage besser denn je? 32 UNTERHALTUNG impressum, rätsel 33 Die flotte 3er-WG Der Homo ImWegSteherus 34 WIE ANNO DAZUMAL Kleider machen Leute


LIEBLINGSDING

Warum ich meinen VOLLEYBALL liebe

Olivier Eicher, 24, studiert Physik an der Uni Bern «Weil ich ihn mit Sommer und Sonne verbinde. Immer wieder gerne klemme ich ihn am Morgen unter den Arm, wenn ich zur Uni gehe. Dann weiss ich, es wird ein guter Tag, egal ob ich eine Prüfung habe oder eine Arbeit schreiben muss, ich werde später im Marzili an der Sonne liegen und ein paar Partien Beachvolleyball spielen!»

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UMFRAGE

Was wäre deine Initiative? Eigentlich könnte jeder Stimmbürger, der in unserer Gesellschaft etwas verändern möchte und 100’000 Unterschriften zusammenbringt, eine Volksinitiative einreichen. StudiVersum hat den Studierenden der ETH Zürich das Unterschriftensammeln erspart und nach ihrer Initiative gefragt. r Text und Bild Melanie Keim Mathias Rist, 23, Maschinenbau «Am Morgen muss man immer so lange anstehen, um mit der Polybahn an die ETH zu gelangen. Deshalb bin ich für den Bau einer Rolltreppe, die uns schneller den steilen Hügel hinaufbringt.» Matthias Rüdth, 22, Biotechnologie «Ich würde eine Weiterbildungsinitiative lancieren für eine allgemeine Horizonterweiterung in der Schweiz. Jeder Einwohner müsste dafür mindestens ein halbes Jahr am Stück im Ausland verbracht haben.» Anja Vaas, 21, Leadership (Hörerin) «Ich wollte kürzlich ins WLAN am Flughafen Zürich und musste tatsächlich dafür bezahlen. Darum: Kostenloses WLAN am Flughafen für alle.» Matthias Spalinger, 21, Elektrotechnik «Ich bin dafür, dass man die Parteifinanzierung offenlegen muss. Über eine solche Initiative wird in der Politik gerade diskutiert. Dann wüsste man endlich, wo das Geld sitzt und ob wirklich das Geld regiert.» Angela Bolle, 23, Maschinenbau «Wer beim Abfall wegwerfen erwischt wird, sollte zum Putzen verpflichtet werden. Natürlich am Wochenende, weil es dann am meisten weh tut.» Flo Grob, 19, Maschinenbau «Freibier für alle Studenten! Die haben’s nämlich am nötigsten.» Bernhard Müller, 25, Maschinenbau «Ich bin dafür, dass man die Ungeheuer des Finanzsystems in Form eines Kinderbuchs festhält und in der Primarschule verteilt. Die Kinder könnten das dann ihren Eltern zeigen und durch die einfache Darstellungsweise würde jeder verstehen, wie das Finanzsystem funktioniert. So kompliziert ist das nämlich gar nicht.» Gregor Tombez, 23, Agrarwissenschaften «Die ETH braucht ein Shopping-Center um die Frauen der Uni anzuziehen. Oder die Chippendales im BQM [Anm. d. Red.: Studentenbar auf der ETH Polyterrasse], dann kommen sie auch.»

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AUS DEM LEBEN

Metamorphose Der Umwandlungsprozess auf Sardinien. Verwertungsstrategien einer funktionierenden Gesellschaft. Text Filip Dingerkus

Als ein Käser auf Sardinien eines Morgens in den Reifekeller kam, fand er den Schafskäse zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Wenn man den Käse hochhob, sah man einen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Laib. Das ursprüngliche Schafmilcherzeugnis hatte seine Verwandlung vollzogen, was der Sarde mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm. Bei dieser Spezialität handelt es sich um den berüchtigten Casu Marzu, was auf sardisch «verdorbener Käse» bedeutet. Kaum vorstellbar, dass dieser Käse illegal sein soll, beinhaltet der Schaffungsprozess doch eine einzigartige Veredlungsstrategie, die diese unglaubliche cremige Lebensmittelrarität erst möglich macht. Während der Reifung werden sogenannte Käsefliegen in den Raum gelassen, die prompt ihre Eier auf den Laibern ablegen. Die geschlüpften Maden fressen sich dann durch den Käse und hinterlassen nach der Verdauung eine sehr cremig-intensive Käsesubstanz zurück, die dem Casu Marzu seinen unvergleichlichen Geschmack verleiht. Selbsterklärend, dass dieser Käse nicht jedermanns Sache ist und auch im Käseland Schweiz meist nur Kopfschütteln verursacht. Jedoch muss man dieser kulturellen Überlieferung ihren Tribut zollen, da die Verwurzlung dieser Tradition möglicherweise auch weiter reichende Konsequenzen hat, als man meinen könnte. Es zeigt sich, dass sich die Sarden von ihren süditalienischen Festlandnachbarn unterscheiden. Diese uralte Herstellungsmethode hat den Bewohnern der italienischen Insel ein ganz anderes Bewusstsein für die Produktverwertung beschert. Im Januar 2008 kam ein riesiges Frachtschiff aus Neapel in Cagliari an und führte sogar zu gewalttätigen Demonstrationen des Inselvolks. Das Brisante: Das Schiff war randvoll beladen mit Müll. Müll, der dem Abfallchaos entsprang, den Süditalien, insbesondere Neapel, zu bewältigen hatte und teilweise immernoch hat. Nicht verwunderlich ist da der sardische Zorn, dass man nun das Unvermögen der Abfallbeseitiger ausbaden müsse. Vielleicht wäre es eine sinnvolle Entscheidung den einzigartigen Casu Marzu zu legalisieren und auch auf dem Festland zu produzieren. Er könnte im Sinne einer «Völkerverständigung» das Bewusst-

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sein der Süditaliener für alternative Verwertungsideen erweitern, falls es mal wieder mit der Müllverarbeitung klemmen sollte. Immerhin würden die benötigten Fliegen aller Wahrscheinlichkeit nach schon an Ort und Stelle bereitstehen.

Fall gelöst, Welt in Ordnung Der Ausgleich zum Alltag muss nicht immer aus der gehobnen Literatur kommen. Ich schalte mit Jugendhörspielen ab. Text Simon Knopf

Das ist ein Geständnis. Ich mag Hörspiele. Und damit keine Missverständnisse entstehen: Ich spreche nicht von jenen Produktionen mit literarischen Qualitäten, welche vom Schweizer Radio DRS oder dem Bayrischen Rundfunk ausgestrahlt werden. Nein, die Rede ist von den Jugendkrimis, die als Kassetten und CDs vom Europa-Verlag seit Ende der 1970er ganze Generationen durch die Kindheit begleiteten. «Die drei Fragezeichen», «Die fünf Freunde» und natürlich «TKKG». Ja, ich höre sie noch immer! Als Kind besass ich lustigerweise selber lange gar keine Europa-Krimis. Trotzdem waren die Fälle all dieser jungen Helden omnipräsent. Im Auto von meinem Götti verkürzten «Die fünf Freunde» und ihr 70er-Rockintro die Fahrt auf Ausflügen. In den Sommerferien, wenn ich mit den Kindern der Nachbarsfamilie in deren Garten zelten durfte, steigerten «TKKG» für mich die Spannung der Abende ins Unermessliche. Irgendwann schenkte mir dann Stephan, der Jüngste der Nachbarsfamilie, auf einmal seine ganze Hörspielsammlung. Er hatte kurz vor Beginn der Oberstufe das Interesse an den Krimis verloren. Zwei, drei Jahre später begannen die Kassetten, auch in meinem Regal Staub anzusetzen. Seit Anfang Studium höre ich sie nun

wieder. Ende erstes Semester habe ich die Bänder ausgegraben, als ich mit einer leichten Grippe im Bett lag und mich langweilte. Zuerst war es die pure Nostalgie, die mich ansprach. Was mich dann aber packte, war der in sich geschlossene Charakter der Abenteuer; sie vermitteln ein Gefühl von Ruhe und Überschaubarkeit. Die Tatsache, dass die Fälle von «TKKG» oder der «fünf Freunde» nach 40 bis 50 Minuten gelöst sind, das Rätsel entschlüsselt, bietet einen netten Gegenpol zu Fächern wie Linguistik, in welchen einem auch nach sechs Jahren Studium nicht klarer wird, was nun wirklich hinter Phänomenen wie dem Spracherwerb steckt. Klar, nicht alle dieser Serien sind gleich gut gealtert. Der Machismo bei den «fünf Freunden» verstört heute etwas. Die Schwarz-Weiss-Muster bei «TKKG», in welchen Gauner stets narbengesichtig sind und dreckig lachen, sind selbst für einen Wohlfühlsehnsüchtler wie mich etwas gar überspitzt. Deshalb höre ich meistens die Fälle der «drei Fragezeichen». Die Abenteuer von Justus, Peter und Bob haben es bis heute geschafft, à jour zu bleiben und realitätsnahe Düsterkeit mit erlösender Einfachheit zu mischen. Nach einem langen Tag mit Foucault und de Saussure erfrischt das. Probiert es aus!


AUS DEM LEBEN

Hipster oder nicht Hipster, das ist hier die Frage! «Wow, du bisch ja mega cool, vo wo isch dis Shirt mit dem einzelne grosse H druff und wieso hät das sonen tüüfe Uusschnitt!?» – «Aah das isch us Berlin, Gschenk vo somene chline lokale Designer und s’H staht denn für Heroin und nöd für Hipster oder so!» Text Johnny F.

Sogar die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern: Berlin ist cool! Mehr als nur so ein kleines bisschen «Züri-Cool», sondern so richtig cool. Anders gesagt: in. Oder wie es heute gesagt wird: total hip. Und genau das will doch heute jeder sein. Cool. In. Hip. Doch was macht einen waschechten Hipster eigentlich aus – und ist es nicht so, dass ein «echter» Hipster sich gerade dadurch von der Masse abhebt, indem er nicht als Hipster gilt? Plötzlich muss jeder zweite Zürcher Student mit hautengen Jeans und FixieBike auch so ein bisschen hip sein. Ach ja. Er lässt sich dazu einen Schnauz stehen, die Nerdbrille (mit Fensterglas) darf auch gerne von den verwuschelten halblangen Haaren verdeckt sein und schon ist er dabei. Irgendwie fast zu einfach. Natürlich gehören da auch noch so ein paar andere Dinge dazu. Zum Beispiel die Musik (Indie hören, zu elektronischer Musik tanzen). Doch auch da ist der gemeine Hipster sich nicht zu schade, auch mal eine Ausnahme zu machen. Man begibt sich donnerstags in den Zürcher Club «Zukunft» («Hey, Zuki heisst das») und tanzt zu absolut speziellen «Discoshits» – die man privat nie hören würde – und hebt sich damit klar von der Masse, die im «Hive» oder in der «Börse» das Wochenende einläutet, ab. Doch will man wirklich so sein? Willst du so sein? Ja, genau du. Denn wenn du das liest und dabei schmunzelst und schon mehr als drei Mal an dich selbst gedacht hast, und an deinen Plan endlich mal nach Berlin zu fahren: Lass es. So richtig hip bist du nämlich nur dann, wenn du genau das Gegenteil von dem tust, was alle anderen potentiellen Hipster tun würden. Wenn du statt Berlin alle anderen netten Städte mit «B» am Anfang mal abklapperst: Budapest, Belgrad oder Bern-Bethlehem. Und dabei total, total uncool ein Globi-T-Shirt trägst.

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«Braaaaaaaains!» Obwohl unwahrscheinlich, ist eine ZombieApokalypse theoretisch möglich. Einige Gedanken für den Fall der Fälle. Text Nicolas Fux

Stell dir vor: Eines Morgens stehst du auf, machst dir gemütlich einen Kaffee und drehst das Radio auf. Aus dem Lautsprecher kommt nur Rauschen. Ein Blick aus dem Fenster zeigt: völlig verwahrloste Strassen. Irgendetwas stimmt nicht. Mit der Tasse in der Hand öffnest du die Haustür, streckst vorsichtig den Kopf hinaus – und plötzlich wankt eine blutverschmierte Gestalt um die Ecke. Aus ihrem Mund ertönt ein langgezogenes Stöhnen. Und dann? Natürlich, eine Zombie-Apokalypse gehört ins Horrorgenre und ist fast undenkbar. Aber eben nur fast. Schliesslich glauben die in den Filmen zuerst auch nicht daran, dass die Untoten wieder unter ihnen wandeln. Genau deshalb sollte jede und jeder von uns eine Ahnung haben, wie man die menschlichen Fleischsalate am besten in den Griff bekommt. Die wichtigste Frage ist zunächst, welche Art von Zombies die Gegend unsicher macht. Sind es die altmodischen, unsicher torkelnden Leichen, die durch einen Voodoozauber aus ihren Gräbern gelockt wurden? Oder die modernen, durch einen Virus mutierten Kreaturen mit übermenschlichen Kräften? Im zweiten Fall stehen die Überlebenschancen von Anfang an schlecht – am besten im Keller verschanzen und warten,

bis ein Impfstoff entdeckt wird. Falls die Untoten aber eher unmotiviert auf Gehirnjagd gehen, ist die Flucht in eine sichere Zone die beste Option – für die Schweiz also ein ausgedienter Reduit-Bunker. Reisevorbereitungen: Erstmal ein ordentliches Waffenarsenal anlegen. Optimal sind Samuraischwerter und Äxte; Schusswaffen halten die Zombies auf Distanz, sind aber schwer zu beschaffen und benötigen Munition. Als Fahrzeug empfiehlt sich eine möglichst grosse und schwere Karosse – die SBB werden diverse Fahrleitungsstörungen zu beklagen haben und Greenpeace wird sich kaum mehr beschweren. Dann möglichst viel Proviant und Treibstoff aufladen, eventuell andere Überlebende aufsammeln und los geht der fröhliche Roadtrip. Natürlich darf der passende Soundtrack dazu nicht fehlen, «Zombie» von den Cranberries oder «Re: Your Brains» von Jonathan Coulton. In den Bergen angekommen, hast du es fast geschafft. Mach den anderen Leuten im Bunker klar, dass du selbst kein Zombie bist und geniesse den herzlichen Empfang. Wie du siehst, mit der richtigen Vorbereitung ist der Albtraum der lebenden Toten gar nicht so schlimm. Denk einfach dran: Immer schön auf den Kopf zielen.


ATELIER

Vom Angeln zum Schreiben Projekt von Stephan Schoenholtz

Stephan schreibt. Bücher, deren Seiten für uns später auf der Leinwand umgeblättert werden. Dialoge, die über Ohren und Augen in Köpfe und Herzen gelangen. Der Tod meldet sich nicht an, kommt, ist einfach da. Manchmal vielleicht zu früh, manchmal später, als einem lieb ist. Eine Frau lädt den Tod ein, schreibt in ihrer Agenda in das Feld vom 20. Juni 2011 seinen Namen. Ihn kennt sie nicht, aber den Zeitpunkt seines Besuchs. Sie fährt nach Zürich und trifft den Sterbebegleiter, einen Mann, der ganz anders tickt als sie. Weniger plant als sie. Unvorhergesehen verbringt die Frau mit ihm einen Tag in Zürich. Zwei Menschen teilen Zeit, ungeteilt bleiben ihre Anschauungen, ihre Lebensentwürfe. Inzwischen überarbeitet Stephan die vierte Fassung dieses Drehbuchs. Zwischen der Regisseurin, dem Produzenten und ihm zirkuliert das Papier. Die Kamera muss sich gedulden, noch wird der Kurzfilm nicht gedreht. Es scheint, als ähnle der Prozess von der Idee bis zur Leinwand Stephans Weg zum Film. Kurz vor seinem Abschluss in Nordamerikastudien und Filmwissenschaften in Berlin begann Stephan Ton zu angeln. Filmstudierende in Berlin waren froh um seine ruhige Hand, seine wachsende Erfahrung verhalf ihm zu zahlreichen Aufträgen. 2006 zog er nach Bern und wandte sich an der ECAL (Ecole cantonale d’art de Lausanne) dem Drehbuchschreiben zu. Bei seinem Abschlussprojekt von einem deutschen Regisseur betreut, habe er am meisten gelernt, erzählt Stephan. Darauf berichtet er von einem Langfilmprojekt mit einer Regisseurin. Eine Dreiecks- oder Vierecksbeziehung akzentuiert die Unterschiede in der Ich-Wahrnehmung. Das dritte aktuelle Projekt spielt im Neckartal. Vier Figuren begeben sich auf eine Reise, wobei das Leben des Dichters Hölderlin den roten Faden bildet. Stephan hilft mit, das Drehbuch zu überarbeiten, zu verdichten und den Figuren mehr Leben einzuhauchen. r Text Martina Zimmermann, Bilder Stephan Schoenholtz

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Bei den Dreharbeiten für den im 2006 realisierten Kurzfilm «Vor dem Konzert». (Drehbuch: Stephan Schoenholtz und IJ. Biermann) Stephan Schoenholtz lebt und schreibt in Bern. stephan.schoenholtz@gmail.com


WISSENSCHAFT

Es werde Regen Himmelsakupunktur – so nennt der Algerier Madjid Abdellaziz die Methode, mit welcher er Regen und somit Leben zurück in die Sahara bringt. Den Regen erzeugt er mittels eines Geräts namens «Cloudbuster», dessen Funktionsprinzip von der herrschenden wissenschaftlichen Meinung jedoch verspottet wird. Der Cloudbuster ist keine Erfindung Abdellaziz’ und um ihn zu verstehen muss man die Vordenker und deren Energiekonzepte verstehen: In den 1930er-Jahren entdeckte der Forscher Wilhelm Reich eine Kraft

oder Energie, die er «Orgon» nannte und für ihn eine weitere physikalische Grundkraft darstellte. Er versuchte sie im sogenannten «Orgonakkumulator», einem Metallkasten, einzufangen, wobei er im Inneren Temperaturerhöhungen feststellte. Was seiner Meinung nach ein eigener energetischer Vorgang war, wurde vom Mainstream (unter anderem auch von Albert Einstein) als Effekt der Wärmekonvektion abgetan. Später gelang es Reich Orgon-Energie durch Hochspannung zu erzeugen und somit einen engen Zusammenhang zur Elektrizität herzustellen. Dieses Prinzip übertrug er auch auf Gewitter, die folglich eine zu stark mit Orgon aufgeladene Atmosphäre darstellen. In dieser Atmosphäre fliesst Orgon nicht mehr frei – von Reich «Deadly Orgon» (DOR) genannt. DOR-Atmosphären zeichnen sich entweder durch eine gleichmässige Wolkenschicht oder einen wolkenlosen Himmel aus. Gewitter führen daher zur Entladung. Wenn jedoch die Natur das System nicht mehr durch Gewitter selbst regulieren kann, entsteht Wüste.

Komplexe Wirbel

Folglich geht es nun darum, das erstarrte System in der Wüste zu entladen, beziehungsweise Bewegung hineinzubringen. Zu diesem Zweck hat Reich den Cloudbuster entwickelt, mit dessen Hilfe OrgonEnergie gebündelt und auf den Himmel ge-

richtet wird. Reich stellte mehrere Thesen zu Energie und Bewegung auf. Eine davon besagte, dass alle Bewegungen in der Natur wirbel- und spiralenförmig verlaufen. Etwa gleichzeitig kam der österreichische Förster Viktor Schauberger zu einem ähnlichen Schluss, indem er Wirbel als energetisches Urprinzip auffasste. Seine vielen auf Wasserwirbel gestützten Erfindungen und Forschungen fanden allerdings wegen ihrer Komplexität keinen Zugang zum Massenpublikum. Ebenso wichtig für das Verständnis des Cloudbusters ist die Erkenntnis Nikola Teslas, einer der Begründer der Elektrotechnik, dass eine Flachspule – sozusagen ein zweidimensionaler Wirbel – zur Energiegewinnung und -übertragung eingesetzt werden kann. Obwohl die USA Reichs Schriften zum Thema «Orgon» verbrennen liessen, fanden seine Thesen Anhänger, wie beispielsweise den Deutschen Bernd Senf und den Amerikaner James DeMeo, der nach eigenen Angaben dank einem Cloudbuster unter anderem Teile Eritreas wieder begrünen konnte. Abdellaziz hörte in einer Vorlesung Bernd Senfs zum ersten Mal von den eben beschriebenen Energiekonzepten.

Der Aufbau

Der Cloudbuster ist ein etwa 5x5 Meter grosses Wasserbecken mit einer Flachspule am Boden, aus der eine Antenne senkrecht empor ragt. In den Ecken befinden sich durchlöcherte Stahlröhren, die mit einem metallischen Leiter miteinander verbunden sind. Damit ein Cloudbuster wieder Bewegung in die erstarrte DOR-Atmosphäre in der Wüste bringen kann, muss Wasser energetisiert werden. Eine mögliche Erklärung für solches «fliessendes» Wasser liefert die Tatsache, dass Wasserstoffmoleküle Verbindungen mit anderen Molekülen eingehen. So entsteht eine Struktur, auch «Cluster» genannt. Fremdstoffe im Wasser führen zur Prägung der Wasserstoffmoleküle, das heisst, es entstehen immer die gleichen Cluster für den entsprechenden Fremdstoff. Der spezielle Aufbau eines Cloudbusters erzeugt einen molekularen Wirbel, wodurch entweder bestehende Cluster gelöscht oder neue mit besonderen Eigenschaften erzeugt werden – das Wasser ist energetisiert und es entsteht ein Gegenwirbel zur erstarrten DOR-Atmosphäre. r Text Silja Aebersold, Illustration Melanie Imfeld

Nach seinem Landerwerb in Algerien installierte Abdellaziz 2005 einen Cloudbuster. Schon nach drei Stunden setzte Regen ein und heute wird dort wieder Landwirtschaft betrieben. Seiner Vision einer «grünen Welle», eines Streifen begrünten Landes quer durch Afrika, ist er so ein Stück näher gekommen. Das Projekt kann unter desert-greening.com bewundert und unterstützt werden.

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King of my Castle In der Schweiz haben die meisten Leute ein eigenes Zimmer und schätzen das sehr. Was die einen für notwendig halten, ist für andere jedoch eher einengend. Ein Besuch bei einem Studenten, der mit neun Mitbewohnern ein Zimmer teilt.

Ein stressiger Tag an der Uni, ein Streit mit der besten Freundin und eine Mahnung im Briefkasten. Die Wohnungstür verschlossen – zum Glück ist niemand zuhause. Wir alle kennen solche Situationen, in denen man nur noch eines will; den Rückzug in die eigenen vier Wände, Türe zu und endlich alleine sein. Dem eigenen Zimmer wird in unserer Gesellschaft ein sehr hoher Stellenwert beigemessen und die Vorstellung, das Zimmer mit einem Fremden zu teilen, ist vielen Menschen ein Graus. Doch brauchen wir einen eigenen, abgeschlossenen Raum tatsächlich oder würde uns mehr sozialer Kontakt beim Wohnen sogar ganz gut tun?

Eine Frage der Kultur

Bertolt Meyer, Oberassistent am Institut für Sozialpsychologie der Uni Zürich, sagt dazu: «Man kann nicht sagen, dass Privatsphäre ein Grundbedürfnis des Menschen ist. Zumindest ist das Fehlen eines eigenen Zimmers sicher nicht ein Grund für eine psychische Störung.» Vielmehr gehört das Bedürfnis nach Intimität und privatem Raum zu den sekundären Bedürfnissen, die nicht angeboren, sondern kulturell bedingt sind. Dass uns die Geräusche der WG-Mitbewohner stören und wir manchmal einfach alleine sein wollen, ist also ein

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Phänomen unserer heutigen westlichen Gesellschaft, was jedoch überhaupt nicht bedeutet, dass solche Bedürfnisse deshalb weniger ernst zu nehmen sind. «Für die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist eine Abgrenzung gegen aussen notwendig», erklärt Meyer. «Weil in unserer Gesellschaft Individualität einen so grossen Stellenwert hat, ist auch ein persönlicher Rückzugsort wichtig.» Denn erst durch die Abgrenzung gegen das, was wir eben nicht sind, entwickelt sich unser individueller Charakter. Dass Teenager plötzlich Schilder mit «Betreten verboten!» oder «Bitte anklopfen» an die Türe hängen, ist daher leicht verständlich, da sich in dieser Zeit die Persönlichkeit festigt.

Empfang im Schlafzimmer

Allerdings waren Individualität und die damit zusammenhängende Intimität nicht immer wichtige Werte unserer Gesellschaft. Vor dem Aufkommen der Marktwirtschaft waren Arbeitsort und Wohnort identisch, das soziale Leben spielte sich vollkommen in der Öffentlichkeit ab. Man konnte den Nachbarn zu jeder beliebigen Tageszeit besuchen, wobei es normal war, dass dieser einen auch einmal vom Bett aus empfing. Erst allmählich wurde es üblich, eine Visitenkarte dem Besuch vorauszuschicken, um die Intimität der Hausbewohner zu schützen. Im Französischen gab es bis zu Napoleons Zeit nicht einmal unterschiedliche Wörter für Schlaf- und Wohnzimmer, offensichtlich wurde eine solche Unterscheidung erst später gemacht. Privatsphäre und Intimität gehören also klar zu den Errungenschaften der Moderne. Es führte jedoch nicht nur die Trennung von Arbeitswelt und Privatleben zu einem Bedürfnis nach Intimität, sondern auch die Tatsache, dass individueller Leistung ein grösserer Wert zugesprochen


Privatsphäre und Intimität gehören zu den Errungenschaften der Moderne.

Bela (oben links) in einer Fabrikhalle – seinem Zuhause

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«Die erste Frage, die man mir stellt, ist natürlich immer, wie denn das bei uns mit dem Sex läuft» wurde. War zuvor der Stand ausschlaggebend für das Ansehen in der Gesellschaft, so musste nun durch die eigene Leistung erst bewiesen werden, dass man jemand ist. Und genau das ist eben nur möglich durch die Abgrenzung gegen andere. Auch wenn der Erfolg der Intimität spät kam, so hatte er doch grosse Auswirkungen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde es nicht nur üblich, dass Kinder ein eigenes Zimmer hatten, in gewissen Kreisen galt es sogar als chic, wenn die Kinder ein wenig einsam waren. Auch die Küche blieb vom Erfolgszug der Intimität nicht verschont. Das Handbuch der Architektur aus dem Jahre 1893 fordert etwa, dass der Spülort so zu platzieren ist, dass weder Geruchs- noch Gesichtssinn beleidigt werden konnten. Eine Regel, die spätestens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Wohnküchen wieder gebrochen wurde, was vielleicht an einigen Orten auch wieder zu mehr Hygiene führte, da man ja doch nicht als «schmuddelig» gelten will.

Wohnen in der Fabrikhalle

Bedeutet dieses angestiegene Bedürfnis nach Intimität nun, dass wir heutzutage am glücklichsten sind, wenn wir beim Wohnen zu möglichst wenig sozialem Kontakt gezwungen werden? Eine Studie, die Meyer gemeinsam mit dem Architekten Daniel Theiler durchgeführt hat, zeigt das Gegenteil: Die Wohnzufriedenheit der Teilnehmer steigt bei mehr Kontakt mit Mitbewohnern und Nachbarn kontinuierlich, ab einem gewissen Punkt sinkt sie jedoch wieder. Wir freuen uns also, wenn wir anderen zufällig in der Küche oder beim Briefkasten begegnen, haben irgendwann aber auch wieder genug. Meyer meint dazu: «Man kann nicht generell sagen, wie viel Kontakt für uns ideal ist. Das ist sehr individuell und hängt oft auch von unseren sozialen Kontakten im Alltag ab.» Ein Arzt, der den ganzen Tag Leute behandelt, hat abends vielleicht weniger Lust auf ein geselliges Beisammensein als ein Forscher, der alleine im Labor tüftelt. Einer, der allerdings stark vom Durchschnitt abweicht, ist der Philosophiestudent Bela. Seine Wohnsituation ist ziem-

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lich unkonventionell: Der 29-Jährige lebt mit neun Mitbewohnern in einer 200m2 grossen Fabrikhalle in Zürich Altstetten, sozusagen in einem einzigen grossen Zimmer. Sein «Zimmer», das er sich selbst gebaut hat, war anfangs von einem grossen Fenster, einer Glaswand, von Zügelkisten und auf einer Seite von einem Schrank begrenzt. Jetzt sind die Zügelkisten und der Schrank weg, man sieht also so ziemlich alles, was Bela in seinem Zimmer macht. «Die erste Frage, die man mir stellt, ist natürlich immer, wie denn das bei uns mit dem Sex läuft», meint Bela schmunzelnd. «Sex zu zweit ist für mich kein Problem, ich mache den Vorhang gegen die Strasse höchstens zu, wenn die Frau sich unwohl fühlt. Aber alleine ist das schon etwas anderes.» Meist geht er davon aus, dass die anderen sich gar nicht dafür interessieren. So kann es auch mal vorkommen, dass die Familie zu Besuch ist und man eben eindeutige Geräusche aus einer Ecke des Raumes hört. Erstaunlicherweise wird über dieses Thema in der WG aber gar nicht so viel gesprochen. Ist Scham der Grund und das Sexualleben der Mitbewohner trotz der Offenheit der Wohnsituation ein Tabuthema? Bela meint, dass das Thema schlicht und einfach nicht so wichtig sei und kein grosses Konfliktpotential aufweise. Die Geräusche seien ja höchstens ein bisschen lauter, intensiver als sonst, aber in einer Altbauwohnung höre man ja auch so einiges. Die Bewohner der Fabrikhalle wohnen nicht aus Kostengründen auf diese Art. Die Miete entspricht einem durchschnittlichen WG-Zimmer in Zürich, die Entscheidung

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zum offenen Wohnen ist also eine bewusste. Bela ist es etwa wichtig, viele Leute um sich herum zu haben. Er kennt es auch kaum anders, da er in einer Hausgemeinschaft aufgewachsen ist, in der man bei den anderen Familien auch ohne Anklopfen zu Besuch durfte. Eher stört es ihn ein bisschen, dass in den fünfeinhalb Jahren, die er in Altstetten wohnt, die Zimmer immer verschlossener wurden, immer mehr Wände hochgezogen wurden. Aber man werde ja auch gelassener und toleranter, wenn man so wohne, meint Bela, sein eigenes Zimmer sei ja immer noch offen, also 200 Quadratmeter.

Nackter Donnerstag

Obwohl Bela zufrieden ist mit seiner Wohnsituation und sich sogar vorstellen kann, mit eigenen Kindern auf diese Art zu wohnen, bleibt doch das Gefühl zurück, dass die Halle eine Art grosses Experiment

ist. Ein Ideal, das man anvisiert und dabei erfährt, wo die eigenen Grenzen sind, um später vielleicht doch zu merken, dass man einen Ort zum Rückzug braucht. «Das kann sein, dass das unbewusst mitspielt», gibt Bela zu. «Ich bin schon eine Person mit fixen Ideen, aber generell bin ich wohl einfach ein wenig exhibitionistisch veranlagt.» Dass Bela so wohnt, bedeutet aber noch lange nicht, dass er gar keine Scham kennt. In der wöchentlich stattfindenden WGSitzung wurde kürzlich vorgeschlagen, einen nackten Donnerstag einzuführen. «Natürlich wäre das auch für mich etwas Ungewohntes, es bräuchte wohl ein wenig Überwindung am Anfang. Doch ich finde die Idee interessant, prickelnd.» Eine neue Herausforderung für Bela, der die Grenze zum Schutz seiner Intimsphäre eben an einem anderen Punkt zieht als viele andere? r Text Melanie Keim, Bilder Selin Bour-

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Intime Intimfrisuren? Was bei uns vor einigen Jahren noch als Tabu angesehen wurde, ist heute zunehmend dem Diktat der Mode und gesellschaftlichem Druck unterworfen: die Intimrasur. Ein Trugschluss: Bereits im Alten Ägypten entfernten Männer wie Frauen ihre Schamhaare.

Es mag erstaunlich klingen, aber Intimfrisuren sind keine Erfindung der Neuzeit. Ein haarloser Körper galt als Schönheitsideal im Alten Ägypten. Schon Kleopatra entfernte sich Augenbrauen sowie Körperbehaarung, einschliesslich Schamhaare, mit Messer und Bienenwachs. Auch aus dem antiken Griechenland und Rom sind Darstellungen von Frauen ohne Körperhaare bekannt. Die Römer zelebrierten diesen Kult vor allem in Bäderanlagen, doch am beliebtesten schien die Haarentfernung unter Prostituierten zu sein, da diese so rasiert höhere Preise verlangen konnten. Dabei neigten die Römer und Griechen zu barbarischeren Methoden als die Ägypter: Obwohl auch Wachs und Messer verwendet wurde, rieben sie sich die Haare ausserdem mit groben Handschuhen und sandpapierähnlichen Scheiben ab oder träufelten Kalklauge und arsenhaltige Flüssigkeiten darauf – das Sprichwort «Wer schön sein will, muss leiden» war offensichtlich schon damals bekannt. Neben ästhetischen Gründen waren in der Antike allerdings hygienische mindestens genauso relevant: Auf einem glatt rasierten Körper konnte sich Ungeziefer weniger leicht einnisten, womit der

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Ausbreitung von Krankheiten vorgebeugt wurde. Durch die Eroberungen der Römer fand ihr Bade- und Körperkult auch in anderen Teilen Europas Eingang in Kultur und Gesellschaft. Während dem Mittelalter und der frühen Neuzeit gewann die Intimrasur mehrere Male an Beliebtheit. Mit der Erfindung der Fotografie schliesslich kam die Aktfotografie auf, wobei vor allem Frauen mit haarlosem Intimbereich abgelichtet wurden. Von da an hat die Öffentlichkeit die Zurschaustellung des Körpers zunehmend akzeptiert, was mit der Haarentfernung an diesen Körperstellen einhergegangen ist. Je knapper die (Bade)Kleidung wurde, desto stärker wurde das Bedürfnis gut auszusehen – und dazu gehört eben auch die Entfernung der Körperhaare. Doch nicht nur in Europa rasiert man sich die Schamhaare seit einigen tausend Jahren. Besonders verbreitet ist die Intimrasur unter Muslimen, denn der Islam schreibt seinen Anhängern Reinlichkeit und Körperpflege vor. Diese Regel verlangt die Entfernung der Körperhaare (ausser Kopfhaare) alle 40 Tage, wobei Frauen sich oft häufiger rasieren. Bis heute wird von Musliminnen die komplette Entfernung der Schamhaare erwartet.

Weitverbreitet und doch ein Tabu

Daher wundert man sich auch nicht, dass beinahe 100 Prozent aller Türkinnen komplett rasiert sind. In Europa folgen laut einer Studie von Wilkinson von 2005 die Engländerinnen mit 90, die Spanierinnen mit 80 und die Französinnen mit 75 Prozent – Schlusslicht war Deutschland mit nur 42 Prozent, die Schweizerinnen wurden nicht befragt. Auch sonst liegen keine Statistiken über das Rasierverhalten der Eidgenossen und Eidgenossinnen vor. Und erst 2009 führte die Universität


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«Bei Frauen sind der Brazilian Hollywood Cut und der Landing Strip am beliebtesten, bei Männern Brazilian Hollywood Man»

Leipzig die erste und bislang einzige repräsentative Umfrage zu diesem Thema durch. Ist die Entfernung der Körperhaare also wieder ein Tabuthema? Die Geschichte hat ja gezeigt, dass Intimfrisuren ein kommender und gehender Modetrend sind. Dem ist heute aber nicht so – im Gegenteil: Die selbständige Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Uni Leipzig fand heraus, dass gut 80 Prozent der Frauen zwischen 18 und 30 Jahren regelmässig ihre Körperhaare beseitigen. Dabei bevorzugt das weibliche Geschlecht in erster Linie glatte Achseln (90 Prozent), gefolgt von Beinen (81 Prozent) und Intimbereich (68 Prozent). Doch auch die Herren belassen ihr Körperhaar nicht im Naturzustand: Knapp 35 Prozent der 18- bis 30-Jährigen entfernen regelmässig die Körperhaarung: Am häufigsten werden die Achselhaare (79 Prozent) entfernt, gefolgt von den Schamhaaren (70 Prozent) und den Haaren am Oberkörper (46 Prozent). Bei beiden Geschlechtern gilt: Je älter, desto mehr Haare am Körper. Der Anteil der Tätowierten und Gepiercten ist ebenfalls in diesen Altersgruppen am höchsten – sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Lassen sich Junge weniger vom Ideal der Natürlichkeit leiten? Die Vermutung liegt nahe, dass die Zahlen für die Schweiz ähnlich sind. Angesichts eines so hohen Anteils von Leuten mit haarfreiem Intimbereich sollte man meinen, alle Kosmetikstudios bieten Haarentfernung an. Doch hierzulande scheint die Intimfrisur immer noch ein intimes Thema zu sein: Will man nämlich zu journalistischen Zwecken ein solches Studio in der Schweiz besuchen, erhält man entweder keinen Rückruf, wird von peinlich berührten Sekretärinnen abgewimmelt – oder auf das kürzlich in Zürich eröffnete «Wax in the City» verwiesen. «Wax in the City» ist die grösste reine Waxingstudiokette im deutschsprachigen Raum und stolz auf seine Pionierarbeit, wie die

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Mitgründerin Christine Margreiter erzählt. Ansprechendes Design, hohe Qualität und das Konzept des Walk-in-Services (Waxing ohne Terminvereinbarung) bescherten dem Unternehmen Erfolg, denn innerhalb von knapp sechs Jahren wurden bereits 15 Studios in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgebaut. Für die Haarentfernung im «Wax in the City» wird flüssiger Bienenwachs nach exklusiver Rezeptur – fast wie zu Zeiten Kleopatras – verwendet. Wie Margreiter erzählt, hat das Unternehmen ein klares Ziel: «Viele greifen nach wie vor zum Rasierer. Das möchte ‹Wax in the City› ändern: Wer einmal das streichelzarte Gefühl frisch gewaxter Haut erlebt, will nicht mehr darauf verzichten.»

Alles weg

Wer denkt, Schamhaare könne man entweder stehen lassen oder ganz beseitigen, irrt sich, denn der Fachmann kennt da eine ganze Reihe Namen für verschiedene Frisuren: «Wir unterscheiden zwischen Brazilian Hollywood Cut (alle Haare weg), Brazilian Landing Strip (ein kleiner Haarstreifen vorne bleibt stehen), Brazilian Triangle (ein kleines Dreieck bleibt stehen) und Brazilian Special (Haare in Form eines kleinen Motivs werden stehen gelassen)», so Margreiter über die Lieblingswaxings der Frauen. Beim Brazilian Special darf die Kundin das Motiv ihrer Frisur selber auswählen, wobei ein Pfeil oder ein Herzchen die beliebtesten sind. Dass dabei der weiblichen Fantasie keine Grenzen gesetzt sind, beweist die Aufzählung von Margreiter, die ein «Bunny» miteinschliesst. Ausgefallene Motive werden mittels Schablonen gewaxt. Für die männliche Kundschaft bietet «Wax in the City» den Brazilian Man und Brazilian Hollywood Man an, die teilweise beziehungsweise komplette Haarentfernung. Sowohl Frauen als auch Männer bevorzugen unten herum die radikale Nacktheit: «Bei Frauen sind der Brazilian Hollywood Cut und der Landing Strip am beliebtesten, bei Männern Brazilian Hollywood Man», sagt Margreiter. Dass Intimfrisuren sich steigender Beliebtheit erfreuen, geht anscheinend so weit, dass die weibliche Kundschaft von «Wax in the City» häufiger Intim-Waxings als das Waxing von Achseln und Beinen wünscht. Da taucht doch auch gleich die Frage auf, wie das männliche Geschlecht zu diesem Trend steht. Laut Margreiter steigt auch hier das Bedürfnis nach einem haarfreien Intimbereich: «Brazilian Waxing wird bei Männern immer beliebter», obwohl Platz eins noch «Rücken, Brust und Bauch» inne haben. «Aktuell sind rund 20 Prozent unse-


rer Kunden männlich, und es werden immer mehr. Manche Haare, etwa auf dem Rücken, lassen sich nur mit fremder Hilfe beseitigen», erklärt Margreiter das Phänomen. Das Paket «back, crack and sack» (Rücken, Pospalte und Schamhaare) kann man(n) also bestellen ohne sich zu genieren. Doch nicht nur Waxing, Formen und Trimmen gehört zum Repertoire der Kosmetikstudios. Einige, wenn auch deutlich weniger, bieten Färben der Schamhaare an. Das Herzchen oder Bunny kann also blau, grün, lila, rot oder blond leuchten. Obwohl dies nicht ins Programm von «Wax in the City» gehört, wisse Margreiter von «experimentierfreudigen Kunden», dass sie nach dem Waxing zu Hause färben.

Mehr als Ästhetik und Hygiene

Bleibt noch die Frage zu klären, weshalb Männer und Frauen überhaupt ihre Körperhaare loswerden wollen. Gemäss der Leipziger Umfrage wird das Körperhaar vorwiegend aus ästhetischen (71 Prozent) und hygienischen (67 Prozent) Gründen entfernt. Ein intensiveres Gefühl beim Sex sehen vor allem Männer (26 Prozent gegenüber elf Prozent der Frauen) als Vorteil an. Hinter diesen eher oberflächlichen

Motiven für eine glatte Scham sehen Soziologen noch zwei andere, sich allerdings widersprechende Erklärungen. Zum einen solle das Beseitigen der Schamhaare bei Frauen eine Infantisierung, eine Rückversetzung in die Kindheit, darstellen. Ein nackter Intimbereich versinnbildliche somit die sexuelle Unreife einer Frau und symbolisiere eine «unbewusste Sexualabwehr», was den Mann in seiner Übermacht bestärke. Demgegenüber steht das andere Erklärungsmodell: Demnach wird die nackte Scham eben nicht als Rückschritt in die traditionellen Geschlechterrollen angesehen, sondern als Ausdruck einer emanzipierten Frau, die selbstbewusst für ihre eigene Sexualität eintritt. Wie die Haarentfernung bei Männern erklärt wird, ist aus diesen beiden Ansichten allerdings nicht ersichtlich. Eine dritte, geschlechtsneutrale Erklärung wäre, dass der Intimbereich Opfer eines Gestaltungsimperativs geworden ist und somit nur einem aktuellen Modetrend unterliegt, der wie jeder andere wieder verschwinden wird. Damit würde der Intimbereich nicht mehr zur Privatsphäre gehören und wäre folglich auch gar nicht mehr so «intim»… r Text Silja Aebersold, Illustration Mile-

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sbb.ch/jobs

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Und trotzdem weiterleben Jirka und Roman* sind ein schwules Paar. Eigentlich nichts Aussergewöhnliches in der heutigen Zeit, in der Homosexuelle offen mit ihrer Sexualität umgehen können und in der Gesellschaft grösstenteils akzeptiert werden. Doch drei kleine Buchstaben sind allgegenwärtig in der Beziehung der beiden jungen Männer: HIV.

Vor zweieinhalb Jahren hat sich Jirka mit dem Immunschwäche-Virus angesteckt. «Es war reine Dummheit von meiner Seite. Ich habe gewusst, was ich mache, auf den Gummi verzichtet und mich auf die Aussage meines Sexpartners verlassen», blickt der 31-Jährige zurück. Damals hat Jirka, wie auch jetzt mit Roman, eine offene Beziehung gelebt. Angesteckt hat er sich beim Sex ausserhalb der Beziehung – bei einem One-Night-Stand. Der damalige Sexpartner wusste zu der Zeit selbst noch nicht, dass er bereits HIV-positiv war, weil er sich selbst erst kurz zuvor mit der Krankheit angesteckt hatte. In den ersten Monaten nach der Ansteckung ist die Gefahr am grössten, HIV auf andere zu übertragen. Der Körper ist voll von Viren, doch im Blut haben sich noch keine Antikörper gebildet, welche bei einem Test nachgewiesen werden könnten.

«Wir haben ein Problem»

Bereits fünf Tage nach dem Kontakt hatte Jirka erste grippeähnliche Symptome. Umgehend rief er seinen Arzt an und teilte diesem mit, es gäbe wahrscheinlich ein «Pro-

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blem». Es scheint dem jungen Mann heute relativ leicht zu fallen, rückblickend über diese Zeit zu sprechen. Für ihn war damals schnell klar, was Sache ist: «Ich wusste, was ich gemacht hatte und konnte dazu stehen. Es ist nicht so, dass ich zur Sicherheit einen HIV-Test gemacht habe und mich das Resultat aus allen Wolken gerissen hat.» Sein Körper reagierte aussergewöhnlich heftig auf die Ansteckung. Sechs Wochen lang lag Jirka krank im Bett. Er lag im Delirium, hatte Schüttelfrost, hohes Fieber und musste sich erbrechen. An diese Zeit kann er sich kaum erinnern: «Ich konnte oben und unten nicht unterscheiden und sah nur noch schwarz. So etwas wünsche ich niemandem!» In dieser Zeit war ihm bewusst, dass es irgendwann wieder aufwärts gehen musste und dass diese erste Phase nach der Ansteckung nicht ewig dauern würde. Nach dieser heftigen, nicht unbedingt typischen ersten Reaktion auf die Ansteckung begann sich Jirka sofort mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen. Für ihn war klar, dass sich in seinem Leben etwas grundlegend verändert hatte: «Jeder weiss, dass er irgendwann stirbt, doch diese drei Buchstaben sagen es dir einfach nochmals, und zwar definitiv!»

Auseinandersetzung mit dem Tod

Nicht jeder befasst sich schon in jungen Jahren mit dem Tod. Für Jirka ist dieses Thema jedoch nicht neu. Bereits im Alter von sieben Jahren musste er sich gezwungenermassen mit dem Tod auseinandersetzen, als er aufgrund eines Nierenversagens für ein halbes Jahr ans Bett gefesselt war. Schon damals, als kleiner Junge, habe er mit dem Tod seinen Frieden geschlossen. Seine Mutter hat ihm nachträglich erzählt, wie er aus dem Fenster geguckt und zu ihr gesagt hatte: «Mama, wenn ich sterbe, dann bin ich dieser Stern da oben. Das ist dann für dich immer noch gut, du kannst ja zu mir hoch-


Jirka und Roman zärtlich am Füsseln (Bild: nikkolrot)

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«Ich habe gewusst, was ich mache, auf den Gummi verzichtet und mich auf die Aussage meines Sexpartners verlassen»


Hand in Hand – Sie teilen sich ihre Sorgen. (Bild: nikkolrot)

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gucken.»Später, als Jirka seine Autoprüfung abgelegt hatte, suchte er auf der Strasse die Grenzerfahrung zwischen Leben und Tod: Er suchte den Kick beim Rasen. Rückblickend sagt er, es sei grosses Glück, dass er bei den Unfällen, die er verursacht habe, andere und sich selbst nicht schwer verletzt habe und dass immer alles gut gegangen sei.

Ein Kartenhaus bricht zusammen

Jirkas Jugend auf dem Land, in der Nähe von St. Gallen, verlief relativ unspektakulär. Er wurde sehr offen erzogen und hat bereits relativ früh erste Erfahrungen mit dem gleichen Geschlecht gemacht. Doch als Teenager hatte er auch Beziehungen zu Frauen. Diese hielten aber immer nur kurz, da er immer, sobald es brenzlig wurde, einen Grund fand, um die Beziehung zu beenden. Sex mit einer Frau hatte er bis heute nur einmal, bei allen anderen Gelegenheiten hatte er diesen einfach ganz geschickt umgangen. Für ihn war es lange gar keine Frage, sondern einfach normal, auch mit Männern sexuellen Kontakt zu haben. Erst mit 23 hatte er sein Coming-Out. Bis dahin war er sich nicht sicher darüber, ob er schwul sei, was ihn aber nicht weiter belastete. Als er seine Umwelt plötzlich sehr offensiv über seine Homosexualität aufklärte, rechnete er mit vielen negativen Reaktionen: «Es gab keine. Ausser bei einem damaligen guten Freund, für den eine Welt zusammenbrach. Meine Rolle als Fraueneroberer und als sein Berater in Liebesdingen brach zusammen wie ein Kartenhaus!»

Ein starker Bruch

Roman wuchs ebenfalls auf dem Land im Kanton St. Gallen auf, hatte jedoch sein Coming-Out ungleich früher, bereits mit 14 Jahren. Mehrere Gründe haben beim heute 23-Jährigen dazu geführt, sich so früh zu outen: «Das Internet ermöglichte mir einen Austausch und eine frühe Konfrontation mit der Schwulenszene, wodurch mir schnell bewusst wurde, dass ich auf Männer stehe. Mit meinem GA reiste ich in andere Städte und lernte, endlich weg vom ländlichen Dorf, viele neue Leute kennen. Zudem fanden Mitschüler viele Möglichkeiten, mich als Klassenbesten fertig zu machen. Eine davon war, mich als schwul zu bezeichnen.» Nach bestandener Aufnahme-

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«Jeder weiss, dass er irgendwann stirbt, doch diese drei Buchstaben sagen es dir einfach nochmals, und zwar definitiv!» prüfung an die Kantonsschule wusste Roman, dass er sein ländliches Umfeld, in dem er sich in die Ecke gedrängt fühlte, bald würde hinter sich lassen können und er outete sich. Die Eltern reagierten überrascht und verwundert, wie er denn so früh schon wissen könne, dass er schwul sei. An der Kantonsschule angekommen, wurde er als Schwuler sofort akzeptiert. Roman betont, dass er bis heute einen starken Bruch zu seinem Heimatdorf spürt. Mit 17 Jahren verbrachte er ein Jahr im Ausland, um, wie er sagt, so weit wie möglich von zu Hause wegzukommen. Seither lebt er nicht mehr bei seinen Eltern. Seit drei Jahren lebt er nun in Zürich, wo Schwule, wie er erzählt, schweizweit wahrscheinlich die besten Möglichkeiten haben, sich zu entfalten und ein «normales Leben» zu führen. Stephan Dietiker von der Schwulenberatungsstelle der Homosexuellen Arbeitsgruppe Zürich (HAZ) sieht ebenfalls einen klaren Unterschied zwischen Stadt und Land: «Viele Schwule werden auf dem Land noch diskriminiert und ausgestossen. In städtischen Gebieten sind Schwule glücklicherweise grösstenteils akzeptiert und gehören zum normalen Bild.»

Heteros müssen sich nie rechtfertigen

Roman und Jirka sind sich einig: «Schwule haben mit anderen Problemen zu kämpfen als Heteros. Man muss sich sein Leben selbst gestalten und sich sein Umfeld aufbauen.» Nie hat ein heterosexueller Mann sich irgendwo zu rechtfertigen, warum er denn jetzt auf Frauen stehe. Alle ihre Freunde wissen von ihrer Sexualität, und auch mit seiner Krankheit geht Jirka offen um. Für ihn ist klar, dass echte Freunde ihn so akzeptieren müssen, wie er ist. Andere brechen den Kontakt schnell ab, wenn das Thema einmal zur Sprache gekommen ist. Doch das Umfeld des Paares ist tolerant. Seit zwei Jahren leben die beiden gemeinsam in Zürich und haben ein breites soziales Umfeld, das sich aus Hetero- und Homosexuellen zusammensetzt.

Die Gefahr ist gebändigt

Roman war ebenfalls tolerant und hatte keine Berührungsängste, als sich die bei-

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den kennen und lieben lernten – obwohl Jirka ihm von Anfang an offen sagte, dass er sich vor kurzem mit HIV infiziert hatte. Für den HIV-Positiven eine grosse Erleichterung: «Für mich war es Liebe auf den ersten Blick, obwohl ich mich damals noch in einer Beziehung befand. Als Roman so gefasst auf meine Krankheit reagierte, fiel mir ein Stein vom Herzen.» Der Psychologe Stephan Dietiker betont, dass gerade sogenannt serodifferente Paare (ein Partner HIV-positiv und ein Partner HIV-negativ) untereinander genau klären müssen, wie sie ihr Sexualleben gestalten wollen. Mit den heutigen Behandlungsmöglichkeiten ist eine HIV-infizierte Person unter wirksamer antiretroviraler Therapie (ART) sexuell nicht infektiös. Dafür müssen aber einige Bedingungen erfüllt sein. Der HIV-Positive muss seine ART einhalten und dies wird durch seinen Arzt kontrolliert. Ausserdem muss sich die Viruslast im Blut seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze befinden und der Infizierte darf nicht mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Tripper oder Syphilis angesteckt sein. Bei Jirka ist dies der Fall: Die beiden dürfen ungeschützten Sex haben und tun dies auch. «Da Jirka sich seit seiner Infektion einer ART unterzieht, ist es für mich gefährlicher, mich beim Sex ausserhalb der Beziehung mit HIV zu infizieren als beim Sex mit ihm», sagt Roman. Die beiden führen zwar eine offene Beziehung, was laut Stephan Grieter bei schwulen Paaren keine Seltenheit ist, doch bei ihnen gibt es dennoch klare Regeln. «Wenn einer fragt, ob der andere Sex ausserhalb der Beziehung hatte, muss der andere ehrlich Antwort geben. Ausserdem sprechen wir uns sowieso regelmässig über unsere Beziehung und das, was ausserhalb von dieser passiert, aus», sagen die beiden einstimmig.

Seine Zeit bewusst leben

Momentan gibt es in der Beziehung zwischen Jirka und Roman keine Probleme. Wohl auch deshalb nicht, weil sie eine offene Beziehung führen, betonen die beiden. «Wir sind keine Typen für eine monogame Beziehung. Ich arbeite viel im Ausland, und


Sein Körper reagierte aussergewöhnlich heftig auf die Ansteckung. Sechs Wochen lang lag Jirka krank im Bett. wir wollen beide unsere Freiheit und unseren Spass neben der Beziehung haben, ohne diese aufs Spiel setzen zu müssen», präzisiert Roman. Jirka geht es mit seiner momentanen Behandlung gut. Die Ärzte sagen, er habe aufgrund der Medikamente eine um zehn Jahre kürzere Lebenserwartung. Lachend sagt er: «Ich dachte sowieso nie, dass ich der Typ bin, der richtig alt wird.» Doch dann wird er wieder ernst. «Meine Zeit ist begrenzt, ich muss mir mein Leben genauer einteilen und daraus so viel wie möglich herausholen. Momentan habe ich eine sehr hohe Lebensqualität, und seit ich von meiner Krankheit weiss, lebe ich viel bewusster.» Auch der grosse Altersunterschied spielt für die Beiden keine Rolle und biete anderen höchstens eine Angriffsfläche für geschmackslose Witze. Das Paar lebt seit mittlerweile zwei Jahren in einer gemeinsamen Wohnung im Zürcher Kreis 4. Man fühlt sich schnell wohl in der modernen, bis ins Detail eingerichteten Wohnung. Die Wärme und Vertrautheit zwischen Roman und Jirka ist auch für einen Aussenstehenden gut zu spüren. Und im Gespräch fällt auf, dass sie trotz ihres jungen Alters schon vieles erlebt haben und sich stärker als viele andere mit ihrem Leben auseinandergesetzt haben. Kurz nach dem Interview ertönt auf dem Mobiltelefon von Jirka eine kurze, unüberhörbare Melodie. Schmunzelnd erklärt Roman: «Das ist der Pillen-Alarm, Jirka muss seine Medikamente nehmen.» Sie sehen sich an und dieser Blick sagt alles: Die Krankheit bestimmt zwar einen Teil ihres gemeinsamen Lebens, doch die Freude an diesem lassen sie sich von ihr bestimmt nicht nehmen. r Text Jonas Frehner *Namen von der Redaktion geändert

HIV (Human Immunodeficiency Virus = Menschliches Immunschwäche-Virus) ist ein Virus, welches nach unterschiedlich langer, meist mehrjähriger Inkubationszeit zu AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome), einer bis heute unheilbaren Immunschwäche-krankheit, führt. Ohne Behandlung wird durch die Infektion mit dem HI-Virus, das Abwehrsystem eines HIV-Positiven geschwächt, bis dieses seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen kann. Das HI-Virus ist im Gegensatz zu einer Grippe relativ schwer übertragbar. Es wird vor allem durch sexuellen Kontakt und in seltenen Fällen durch offene Wunden übertragen. In der Schweiz leben heute etwa 17'000 HIV-Positive und etwa 2'700 AIDS-Kranke. Vor allem in schwulen Kreisen ist HIV ein grosses Thema und im Vergleich zur Gesamtbevölkerung stärker verbreitet. Heute ist HIV durch die moderne antiretrovirale Therapie (ART) zu einer bewältigbaren chronischen Krankheit geworden und hat den Schrecken des AIDS-Schocks der 80er-Jahre weitgehend verloren. Die Eidgenössische Kommission für Aidsfragen (EKAF) des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) hat zur Aufgabe, den Menschen mit und ohne HIV-Infektion Ängste zu nehmen, indem sie neue Erkenntnisse betreffend der Infektiosität von HIV-infizierten Menschen bekanntmacht. Einem Teil der HIV-Positiven in der Schweiz wird durch eine ART mit vollständig supprimierter Virämie (wirksame ART) ein weitgehend normales Sexualleben ermöglicht. Diese HIV-Positiven sind nicht mehr sexuell infektiös und geben das HI-Virus nicht über Sexualkontakte weiter. Dafür müssen jedoch drei Bedingungen erfüllt sein: 1. Die ART wird durch den HIV-infizierten Menschen eingehalten und durch den behandelnden Arzt kontrolliert. 2. Die Viruslast liegt seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze. 3. Es bestehen keine Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erregern. Der Checkpoint Zürich ist ein medizinisches Angebot der Zürcher Aids-Hilfe in Zusammenarbeit mit der ARUD Zürich (Arbeitsgruppe für risikoarmen Umgang mit Drogen) und befindet sich in Zürich gleich beim Hauptbahnhof. Dort kann man sich auf HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen. Der Checkpoint Zürich arbeitet eng mit der HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich) und deren Beratungsangebot für Schwule und Lesben zusammen. SURFEN www.haz.ch www.checkpoint-zh.ch www.aids.ch

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Sex sells Sex Ein simples Prinzip, das ihn aber nach wie vor fasziniert: Er hat Sex, filmt sich dabei und verkauft anschliessend den Film. Ein Gespräch mit dem Pornoproduzenten und -darsteller Lars Rutschmann.

StudiVersum: Du hast dich auch schon im Zug beim Sex gefilmt… Lars Rutschmann: Das war so vor fünf, sechs Jahren. Das habe ich jetzt schon länger nicht mehr gemacht. War aber gut für die Publicity – vier Jahre später. …an einem sehr öffentlichen Ort also. Es war absolut geil. Wirklich, das war der «Börner». Andere Leute würden das niemals tun Ja, andere Leute würden finden «Du bist ein Sauhund». Hast du kein Problem damit, dass dich viele Leute nackt sehen? Nein, das ist mir eigentlich ziemlich egal, glaube ich. Mir ist das auch gar nicht so bewusst. Wenn eine, mit der ich zuvor Sex hatte, im Raum ist, ist es mir sowieso völlig egal, nackt zu sein. Auch wenn ich jetzt irgendwo an einem See nackt gebadet hätte und es kommt jemand vorbei, wäre mir das nicht unangenehm. Ausser ich hätte eine Erektion. Dann wäre es mir peinlich, denke ich. Aber im Film hast du eine Erektion. Ja, dann drehe ich ja auch einen Porno. Das ist nicht einfach nur nackt, das ist was anderes. Einfach nur nackt ist man, wenn man zu Hause nackt durch die Wohnung geht. Aber wenn du einen Porno drehst, dann weisst du, dass du nackt bist, weil du jetzt einen Porno drehst. Das ist völlig anders.

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Ein Bekannter meinte mal, dass man eine Frau erst richtig kenne, wenn man ihren Orgasmus kenne. Der Orgasmus der Frau wäre damit sozusagen der Gipfel der Intimität. Würdest du diese These unterstützen, Lars? Ja, ich glaube, der Gipfel der Intimität ist das schon. Kommt der weibliche Orgasmus im Porno vor? Ein Porno ist ja nicht zwingend intim. Wenn ich mit einer Frau drehe, dann ist mir ihr Orgasmus eigentlich ziemlich Wurst. Das interessiert nämlich auch den Konsumenten nicht. Ehrlich gesagt, würde ich nie im Leben eine Prostituierte zum Orgasmus lecken und dasselbe gilt auch für eine Drehpartnerin. Das sind ja Fremde. Da geht es nicht um Gefühle. Natürlich dreht man manchmal mit Frauen, bei denen eine gewisse Anziehungskraft da ist. Aber ich finde, dass das fürs Privatleben ist, weil es eben intim ist. Wie funktioniert denn eine Beziehung neben deinem Beruf? Gar nicht. Gar nicht? Nächste Frage! Ist die zu intim? Nein, aber das war die Antwort. Wieso machst du diesen Job? (überlegt kurz) Er ist irgendwie faszinierend. Wenn mich das ein Mann fragt, will er einfach hören, dass es geil ist so viel Sex mit verschiedenen Frauen zu haben, aber letztlich ist es für mich eben eine Faszination. Ich gehe zum Filmen immer ins Ausland, meistens in ein edles Vier- oder FünfsterneHotel. Dort triffst du dann eine dir fremde Person und weisst, dass du mit dieser Frau so ein- oder zweimal Sex hast, dich dabei filmst, danach zu hause den Film schneidest, rauflädst und anschliessend Geld damit verdienst. Dass das funktioniert, ver-


«Wenn du merkst, dass dein Leben nur noch Porno ist; das killt dich»

Wie lange kann man diesen Job denn machen? Ich weiss es nicht, frag mich in zehn Jahren noch einmal. Hast du noch andere Pläne? (Pause) Äähm, nein (lacht). Klar, obwohl dieser Job natürlich toll und aussergewöhnlich ist, ist es nicht so, dass ich ihn 365 Tage im Jahr absolut geil finde. Wenn ich gewusst hätte, was alles auf mich zukommt, als ich damit angefangen habe, hätte ich ihn vermutlich nicht gemacht. Vor allem wenn es um Beziehungen geht, dann ist dieser Job natürlich der absolute Killer. Im Alter von 24 ist einem das scheissegal, aber mit 32 kommst du an den Punkt, an dem du ein Spiesserleben mit einem Häuschen, einer Frau und einer Familie eben auch schön fändest. Jetzt merkst du, dass das aber irgendwie nicht geht, was wirklich scheisse ist. Ehrlich gesagt vergiesse ich da auch gelegentlich eine Träne. Das mag mich schon. Und es deprimiert mich vor allem dann, wenn ich eine Frau kennen lerne, bei der ich merke, dass daraus wirklich etwas werden könnte. Wenn die dann sagt, dass sie mit meinem Job und auch meiner Vergangenheit nicht klar komme, ist das natürlich schon übel.

Lars Rutschmann im Starbucks am Stauffacher in Zürich stehe ich bis heute eigentlich nicht richtig. Der springende Punkt ist nicht der Sex, der springende Punkt ist, dass es ein Abenteuer ist. Jedesmal. Auch nach sieben Jahren bin ich immer noch nervös, wenn ich mich zum Drehen mit einer Frau treffe. Das finde ich toll. Sollte ich mal nicht mehr nervös sein, ist es scheisse. Es ist auch dieses Gefühl, das mich im Zug zum Drehort jeweils überkommt; zu wissen, dass ich einen völlig aussergewöhnlichen Job habe und ein aussergewöhnliches Leben führe. So, wie ich das mache, gibt es in der Schweiz nur mich. Das bin nur ich, der so lebt.

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Wie kamst du zu diesem Job? So mit fünfzehn, sechzehn habe ich damit begonnen, Pornos zu konsumieren und habe gezielt nach gewissen Regisseuren und Labels gesucht. Eigentlich war ich ein Sammler von Pornographie, wie das andere halt mit Musik machen. Und irgendwann wollte ich eben wissen, ob es funktioniert, selber mit jemandem Sex zu haben, das zu filmen und zu verkaufen. Ich bin dann nach Amsterdam gefahren, habe dort mit vier Frauen gedreht, zuhause eine Webseite gemacht und die vier Filme onlinegestellt. Nach etwa zwei Monaten hat der Erste diese Filmchen gekauft. Zu sehen, dass das funktioniert, war für mich der Wahnsinn. Von da an habe ich dann wirklich Gas gegeben.


«Rauszögern ist ganz einfach, man muss nur an etwas ganz anderes denken dabei. An die Steuererklärung oder so»

Pornodarsteller haben allgemein eher ein schlechtes Image, so à la «der hat ja eh nichts im Kopf». Spürst du das? Ich glaube bei den männlichen Pornodarstellern ist das nicht so, die sind auch nicht so bekannt. Aber bei den Frauen finde ich eigentlich ehrlich gesagt auch, dass 90 Prozent der Darstellerinnen etwas dumpfbacken sind. Wenn man auf Facebook Statuseinträge mancher Sternchen sieht, muss man sich schon fragen. Die können teilweise keinen Satz grammatikalisch korrekt schreiben. Wenn das 30-Jährige nicht können, wundert es mich nicht, dass die Pornos drehen. Das hat nichts damit zu tun, dass sie es besonders lässig fänden, sondern weil es für sie die einzige Möglichkeit ist, zu Geld zu kommen. Das ist ein hartes Urteil. Gibt es denn auch andere im Business? Ja, gibt es, zum Beispiel Renee Pornero. Die hat ein paar Jahre in Amerika gefilmt, später selber Regie geführt und macht jetzt vermehrt Webdesign und PR für andere aus der Branche. Diese Frau ist richtig intelligent und checkt das Business. Für viele der Darstellerinnen dreht sich alles ums Porno filmen, die haben sonst gar nichts anderes. Bei Renee Pornero ist es hingegen so, dass sie ganz klar zwischen ihrem Privatleben und der Rolle als Pornodarstellerin unterscheidet. Für sie ist ganz klar definiert, wann sie wer ist. Und sie weiss auch, dass der Name Renee Pornero wie ein Produkt ist. Was sie in die Kamera spricht, ist alles Marketing. Dann geht sie wieder nach Hause, ist ganz normal, geht mit Freundinnen Kaffee trinken und spricht auch nicht mehr über dieses Thema. Handhabst du das auch so? Ziemlich, ja. Ich drehe jeweils im Ausland und brauche auch diese Zeit im Zug dorthin. Während dieser Zeit kann ich mir sagen, dass ich jetzt Michael Ryan bin und von zu Hause weg gehe, um zu filmen. Filmen kann ich zuhause nicht, denn hier habe ich meine Kollegen, meine Eltern und Familie. Das ist für mich absolut heilig.

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Am Abend bin ich bei den Drehs auch immer froh, wenn die Frauen gehen und ich im Hotelzimmer meine Ruhe habe, ein Bad nehmen und den Luxus des Hotels noch etwas geniessen kann. Früher habe ich das nicht gemacht und hatte dann teilweise den totalen Ablöscher. Wenn du merkst, dass dein Leben nur noch Porno ist; das killt dich. Sprichst du in deinem Freundeskreis über deine Arbeit? Diejenigen, mit denen ich wirklich eng befreundet bin, wissen, dass es mehr oder weniger verboten ist, über dieses Thema zu sprechen. Das heisst natürlich nicht, dass man nie auf dieses Thema kommt. Man kommt ja unter Männern eh irgendwann mal auf dieses Thema, aber es soll sich einfach in dem Rahmen bewegen, in dem es normal ist. Das normale Leben finde ich sehr wichtig. Ich gehe auch jeden Sonntag zum Essen zu meinen Eltern. Meine Mutter erzählt mir dann von ihren Ferienplänen oder so. Das finde ich super, weil ich dann auch wieder weiss, was das normale Leben eben eigentlich ist. Wenn du heimkommst und gleich mit Video schneiden und updaten beginnst, dann ist es, als kämst du in einen Wahn rein, das zieht dich so mit. Heute weiss ich, dass das nicht so schlau ist.

Was haben deine Eltern dazu gesagt, dass ihr Sohn Pornos dreht? Die fanden das toll, das sei eine super geile Sache (lacht). Nein, sie fanden es natürlich nicht so toll. Und mittlerweile? Mittlerweile geht es eigentlich. Für meine Mutter war es sehr schwierig zu akzeptieren. Sie hatte vor allem Angst, dass ich dabei mit dem Milieu und somit mit Kriminalität in Berührung komme. Ich habe ihr dann einfach erklärt, dass Pornographie ein wichtiger Wirtschaftszweig ist und mit dem Milieu nichts zu tun hat. Klar gibt es Frauen aus dem Milieu, die einen Film drehen, aber ich versuche wirklich, mit denen nichts zu tun zu haben. Das muss nicht sein. Gibt es Leute die Sextipps von dir wollen? Jetzt werden deine Fragen aber komisch. Könnte ja sein. Nein. Höchstens, ja doch, wie man mehr Sperma produzieren und wie man den Orgasmus länger hinauszögern kann. Das wäre eine Männerfrage. Rauszögern ist ganz einfach, man muss nur an etwas ganz anderes denken dabei. An die Steuererklärung oder so. r Text Julia Krättli, Bild Selin Bourquin

Lars Rutschmann nennt sich im Berufsleben Michael «Wintifigger» Ryan – Winterthur ist sein Geburtsort. Seit 2004 ist er in im Pornobusiness tätig und unterhält zwei Internetportale, über die er seine Eigenproduktionen verkauft. Er gehört zu den bekanntesten Darstellern der Schweiz.


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UNIPOLITIK

wettlauf ums liz Jahrelang studiert, Testate gesammelt, Arbeiten geschrieben und schlussendlich doch keinen Abschluss in der Tasche? Dieses Szenario könnte sich einigen Lizentiats-Studierenden bieten, die sich plötzlich mit der Ablauffrist des Lizentiatssystems konfrontiert sehen. Was geschieht in solchen Fällen? Als die Bologna-Welle vor einigen Jahren sämtliche Studiengänge an Schweizer Universitäten umwälzte, schien das endgültige Ablaufdatum des Lizentiatssystems, sprich die letzten Lizentiatsprüfungen, noch in weiter Ferne. Doch langsam aber sicher sind die meisten dieser Deadlines in greifbare Nähe gerückt oder sogar schon erreicht. Ein Wechsel zum neuen Punktesammelsystem wurde den Lizentiats-Studierenden mehrmals angeboten oder gar empfohlen, worauf diese sich aufgrund ihrer Studienplanung dafür oder dagegen entschieden. Für die meisten ist die Rechnung aufgegangen. Doch was, wenn trotz allem Semester zählen der Abschluss nicht fristgerecht gemacht werden kann? Mit dieser Frage gelangten Studierende der Uni Basel an ihre Fachschaft, denn im Frühjahrsemester 2012 werden in Basel die letzten Lizentiatsprüfungen an der Philosophisch Historischen Fakultät abgenommen. Wer bis dann seinen Abschluss nicht schafft, hat das Nachsehen. Abgesehen davon, dass dies eine ziemlich verzwickte Situation wäre, sind bisher keine vollkommen klärenden Antworten von Seiten der Uni geliefert worden. Für die Betroffenen wird es allerdings langsam knapp, denn die Anmeldung für die letzten Prüfungen läuft bereits und muss spätestens diesen Frühling erfolgen. Die Zulassung zur Lizentiatsprüfung steht und fällt mit der Lizentiatsarbeit. Diese muss fristgerecht eingereicht und angenommen werden. Ausserdem müssen sämtliche Nachweise für Studienleistungen vorgelegt werden. Wer dies

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nicht schafft, kann nicht zur Prüfung zugelassen werden. Was dann?… «Die haben ein Problem!», meint Katharina Baur von der Studentischen Körperschaft der Uni Basel (skuba). Vor einigen Wochen hatte die skuba einen Aufruf gestartet, um Studis zu finden, die sich in einer solchen Situation befinden. Gemeldet haben sich nicht viele, aber es gibt Betroffene. «Im Grunde genommen gibt es zwei Fälle: die einen, die die Lizentiatsprüfung nicht bestehen und die anderen, die sich nicht fristgemäss anmelden können. Was mit ihnen geschieht, wird momentan abgeklärt», meint die Studierendenvertreterin weiter.

Nicht nur Faulenzer

Dass es sich bei den betroffenen Studierenden sicherlich nicht nur um solche handelt, die zu faul waren oder zu langsam studiert haben, macht Katharina Baur mit Nachdruck geltend. Oftmals stecken längere Geschichten dahinter, wie beispielsweise lange Krankheitsphasen, hohe Arbeitsbelastung neben dem Studium, ungeplante Schwangerschaften oder Ähnliches. Ob die Uni in solchen Fällen Gnade walten lässt, kann sie nicht sagen. Betroffene müssen auf jeden Fall einen so genannten «Härtefallantrag» stellen, welcher dann eingehend geprüft wird und allenfalls eine Fristverlängerung zur Folge hat. Dies wird auch von Seiten der Univerwaltung kommuniziert. Ein solcher Antrag kann allerdings nur gestellt werden, wenn es sich um «unvorhersehbare, unabwendbare Gründe» handelt, wie es beispielsweise im Reglement zur Lizentiatsprüfung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Zürich vermerkt ist. Das heisst, es müssen Gründe sein, die in der Studienplanung nicht vorhersehbar waren und daher zu einer Verzögerung führten.

Nur keine Panik

Lizentiatsstudierende, die sich innerhalb der vorgegebenen Frist für die Lizentiatsarbeit, respektive die Prüfung anmelden können, müssen angesichts der ablaufenden Frist nicht verfrüht in Panik geraten. Matthias Bieri, Leiter des Studiendekanats der Phil.-Hist. Fakultät in Basel, bestätigt die Befunde der skuba, relativiert aber gleichzeitig. Denn für die momentanen Lizentiats-Studierenden gelten dieselben Voraussetzungen wie bisher. Das heisst, sie haben die Möglichkeit, eine nicht bestandene Abschlussprüfung zu wiederholen – auch nach dem Frühjahrssemester 2012. Soviel zu den Fällen, denen der Abschluss aufgrund des Nichtbestehens einer Prüfung verwehrt werden könnte. Nun aber zu den anderen; zu jenen Studierenden, die sich wegen Nichterfüllens der Auflagen nicht zur Prüfung anmelden

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können. «Das entscheidet sich bei uns eigentlich bereits jetzt», meint Bieri, «denn wer sich nun für eine Lizentiatsarbeit anmeldet, kann auch zur Prüfung gehen – vorausgesetzt die Arbeit wird angenommen». Es dürfte sich allerdings nur um vereinzelte Studierende handeln, bei denen es knapp wird. In Bern sieht die Lage ähnlich aus. Der dortigen StudentInnenschaft (SUB) sind bisher keine derartigen Fälle bekannt. Wie in Basel, gibt es auch hier nur noch wenige Lizentiatsstudierende. Diese wurden alle von ihren Fakultäten frühzeitig über den Auslauf des alten Systems und über die Möglichkeit eines Wechsels zum Bolognasystem informiert, wie das Zentrum für Lehre an der Uni Bern mitteilt.

Unterschiedliche Fristen

In Zürich hingegen befinden sich noch deutlich mehr Studierende im Lizentiatssystem. Weit über 1000 sind es an der Philosophischen Fakultät, an welcher die letzten Prüfungen erst 2015 stattfinden. Der Grund für diese Unterschiede liegt in der zeitlich verschobenen Einführung des Bolognasystems an den verschiedenen Unis und Fakultäten der Schweiz. Daher laufen die Fristen für das alte System nicht alle gleichzeitig aus. In Zürich ist daher das Problem aufgetreten, dass einige Lizentiats-Studierende der Philosophischen Fakultät ein Nebenfach an einer anderen Fakultät belegen, an welcher das Lizentiatssystem schon früher ausläuft. Es ist gut möglich, dass einige Studierende diese Frist verpasst haben und nun mit einem unfertigen Nebenfach dastehen. An der Rechtswissenschaftlichen Fakultät beispielsweise fanden die Anmeldungen für die letzten Lizentiatsprüfungen im Sommer 2010 statt. Der Studierendenrat der Uni Zürich (StuRa) hat vernommen, dass es anscheinend einigen Psychologieund Soziologiestudierenden so ergangen ist. David Studerus vom Fachverein Jus bekräftigt aber, dass die Fakultät die Termine für die letzten Lizentiatsprüfungen bereits 2006 angekündigt hat. Bei den Hauptfachstudierenden habe es daher bezüglich des Abschlusses keine Probleme gegeben.

Einzig einige Nebenfachstudierende hätten sich nicht rechtzeitig über den Auslauf des Lizentiatssystems an der RW-Fakultät informiert und könnten somit die Chance auf einen Lizentiatsabschluss verpasst haben. Über Kontakte des Fachvereins der Soziologie (Sofa) an der Universität Zürich konnte StudiVersum einen Betroffenen ausfindig machen, der an der Philosophischen Fakultät studiert und ein Nebenfach in Rechtswissenschaften studiert. Er wollte sich zu dieser Thematik allerdings nicht äussern.

Wechsel zu Bologna

Ihnen und allen anderen, die sich nicht rechtzeitig anmelden können, bleibt im Grunde genommen nur noch die Möglichkeit eines Wechsels zum Bolognasystem, sofern sich die Situation nicht mit irgendwelchen Sonderregelungen klären lässt. Vom Lizentiat kann man aber wohlgemerkt nicht direkt in einen Master-, sondern nur in einen Bachelorstudiengang wechseln! Denn bei Bologna gilt: ohne Bachelor kein Master. Diese Möglichkeit wurde den Lizentiats-Studierenden an allen Unis seit Einführung des Bolognasystems immer wieder angeboten und oftmals auch genutzt. Bei einem Wechsel werden die bisherigen Studienleistungen durch die Prüfungskommission begutachtet und in den entsprechenden Modulen angerechnet. Was genau wo angerechnet wird, wird von Fall zu Fall entschieden. Das Ganze kann ein recht langes und mühseliges Verfahren sein, bei dem so manche investierte Stunde wohl nicht mit Kreditpunkten gewürdigt wird. Nach dem Umstieg könnte man sich bestenfalls relativ bald zur Bachelorprüfung anmelden und danach ein Masterstudium beginnen. Sich auszurechnen, wie viele Semester mehr für einen solchen Umweg nötig wären – ganz abgesehen von den aufzubringenden Nerven und Finanzen – lässt man wohl vorerst besser bleiben und hofft, dass sich doch noch ein Weg findet, das Studium nach alter Schule abzuschliessen. r Text Mirjam Goldenberger, Illustration Melanie Imfeld

Bei Fragen und Unklarheiten bezüglich eines Abschlusses wird den Studierenden geraten, sich beim jeweilig zuständigen Dekanat zu melden. Die Fristen für die letzten Lizentiatsprüfungen sind an allen Unis und Fakultäten unterschiedlich. Es lohnt sich daher, sich beim jeweiligen Dekanat zu informieren.


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Vor dem Lernen wird sich auch in Zukunft keiner drücken können. Aber im Folgenden werden einige sinnvolle Tipps und Merkhilfen zum Lernen gegeben und nebenbei mit ein paar Gedächtnismythen aufgeräumt.

Ode an das Hirn

Das Gehirn gilt als das komplizierteste Organ des Menschen. Viele Fragen zur Funktionsweise sind noch ungeklärt. Nicht verwunderlich ist, dass viele Pauschalaussagen oft nicht der Wahrheit entsprechen. Die landläufige Vorstellung, dass der Mensch nur zehn Prozent seiner Hirnkapazität nutzt, kann nicht bestätigt werden. Prof. Dr. Jürg Kesselring, Chefarzt für Neurologie am Rehabilitationszentrum in Valens, weist darauf hin, dass dies gar nicht überprüfbar sei. Bei unterschiedlichen Betätigungen sind gewisse Hirnteile aktiv oder stehen in Verbindung mit anderen Hirnarealen. Die variierende Leistung kann nicht genau gemessen

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werden. Aber die zahlreichen Ungewissheiten rund um das Gehirn machen es zu einem spannenden Mysterium, welchem man nur zu gerne genauer auf den Grund gehen würde. Die Möglichkeiten des Hirns: schier unendliche Weiten. Häufig wird es mit einem Muskel verglichen. Wer die Kapazitäten besser ausschöpfen möchte, kommt nicht darum herum, fleissig zu trainieren.

Historische Merkhilfen

Darüber, wie Lernstoff besser gemerkt und erinnert werden kann, haben sich bereits die Römer und das antike Griechenland den Kopf zerbrochen. Die meisten heute bekannten und praktizierten Lernhilfen wurden von Simonides von Keos, Cicero, Plinius und anderen grossen Denkern erprobt und entwickelt. Der Begriff Mnemotechnik, aus dem Griechischen kommend, bedeutet Gedächtniskunst und gilt als Überbegriff der Merkhilfen und Eselsbrücken.

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Motorische Aktivität kann für die Erbringung der Gedächtnisleistung von Vorteil sein. Kesselring zieht für seinen Vergleich Demosthenes heran, der bereits zirka 360 vor Christus seine Sprachprobleme auf unkonventionelle Art in den Griff bekam. Demosthenes übte das Halten von Vorträgen während er einen Hügel hinauf lief, sprach gegen den Lärm der Meeresbrandung und trainierte seine Reden mit kleinen Steinen im Mund. Professor Mark Onslow, Direktor des australischen Stuttering Research Center in Sydney, bestätigt, dass viele heutige Therapien dort ihre Wurzeln haben. Das meint auch Kesselring. Übt man etwas unter erschwerten Bedingungen ein, ist es bei wiederholtem unbeeinträchtigten Ausführen einfacher, das Vorhaben erfolgreich zu bewältigen. Das motorische Gedächtnis ist in vielerlei Hinsicht wichtig. Beim Lernen ist es sinnvoll, den Lernstoff laut vorzulesen, also mit einer motorischen Aktivität zu koppeln, da dann der Inhalt eher behalten werden kann. Ähnlich machen es Klavierspieler, die vor dem Konzert beim mentalen Durchlaufen des Stücks gleichzeitig in der Luft die Tasten betätigen. Die wohl bekannteste Eselsbrücke – in der Antike auch von Cicero genutzt – ist in der Loci-Methode verankert. Das lateinische Wort «Locus», für Ort, deutet bereits auf die Idee hin. Hierbei geht es darum, die Lernpassagen mit Orten zu verknüpfen, beispielsweise auf einem imaginären Spaziergang. Nach ein paar Wiederholungen kann man sich lediglich auf den virtuellen Spaziergang begeben und den vor dem inneren Auge auftauchenden Orten die entsprechenden Lernpassagen aus der Erinnerung zuordnen. Dieses bewährte System wird heutzutage bei Merk- und Erinnerungsaufgaben immer noch angewandt.

Nur die Ruhe

Aber neben den vielen Möglichkeiten, um Texte, Vokabeln oder Zahlen im Gedächtnis zu behalten, ist laut Kesselring Entspannung von immenser Bedeutung. Das Gehirn arbeitet in zwei Schritten: Erstens geht es um die Abspeicherung von Wissen im Gehirn. Mindestens genauso wichtig ist aber Schritt zwei, das Abrufen des Wissens. Hier ist innere Ruhe gefragt, denn Stress oder Adrenalin können dazu führen, dass die

notwendigen Informationen nicht hervorgeholt werden können. In Stufe eins ist es gut, wenn das Gehirn aktiviert ist und beim Abspeichern die Aufmerksamkeit gänzlich auf den Lernstoff fokussiert ist. Beim Abrufen ist wichtig, dass man sein Gedächtnis nicht unnötiger Aufregung aussetzt. Sonst kann es während der Klausur passieren, dass aus Nervosität nichts vom Gelernten abgerufen werden kann, aber das Gehirn so stark aktiviert ist, dass man sich in Zukunft immer an das Versagen während dieser Prüfung erinnern wird, mahnt Kesselring. Hilfreich ist es, die Prüfungssituation vorher in Gedanken mehrmals mit unterschiedlichsten Szenarien durchzuspielen. So wird man zwar nicht automatisch alle Fragen beantworten können, aber die Situation wird einen nicht so leicht aus der Fassung bringen. Ausserdem kann man das Erinnern fördern, wenn man am Abend nach der Lernsession sich nicht mehr mit ablenkenden Dingen, wie Fernsehen oder Computerspielen beschäftigt, sondern den Tag einfach mit etwas entspannendem, wie etwa einem heissen Bad, ausklingen lässt.

Schlafen, trinken, essen

Wie viel Schlaf man in der Vorbereitung benötigt, ist von Person zu Person unterschiedlich. Auch die Frage, ob ein Nickerchen zwischen den Lernphasen nützlich ist, kann nicht generell beantwortet werden. Die Verarbeitung des Stoffs im Schlaf ist nicht erwiesen und Kesselring rät augenzwinkernd davon ab, darauf zu hoffen, dass sich im Schlaf alles automatisch richtet. Aber dem Gehirn genügend beruhigende Momente zu gönnen ist immer ratsam. Denn wer müde ist, hat eine verminderte Aufnahmefähigkeit. Die Schläfrigkeit kann zwar mit Koffein und ähnlichem bekämpft werden, das Lernen ist jedoch durch nichts substituierbar. Aber wen es beruhigt: Studien belegen, dass Alkohol – in kleinen Mengen, nach dem Lernen zu sich genommen – die Erinnerungsfähigkeit zu steigern vermag. Woran das liegt, ist unklar. Kesselring erklärt, dass kleine Portionen Alkohol, die Anspannung lösen können und – wie wir bereits erfahren haben – ist ein entspanntes Gehirn ein produktiveres Gehirn. Wacker hält sich der Mythos, dass gewisse Nahrungsmittel, sogenanntes «Brain-

Food» in der Lernphase die Merk- und Erinnerungsfähigkeit positiv beeinflussen. Thunfisch, Brokkoli und Avocados sollen dabei besonders hilfreich sein. «Selbstverständlich kann Thunfisch beim Lernen helfen, vorausgesetzt er weckt in einem positive Emotionen. Erinnert er den Betroffenen beispielsweise an ein romantisches Candlelight-Dinner am Strand mit der Freundin oder dem Freund, kann Thunfisch absolut Gutes bewirken. Vor allem da er die angesprochene Person in die richtige Stimmung versetzt und weniger wegen seiner Inhaltsstoffe», bemerkt Kesselring. Die Stimmung ist in diesem Fall für die Hirnaktivität entscheidend. Natürlich braucht das Gehirn Nahrung als Energielieferant, aber kurzfristig wird die Zusammensetzung des entsprechenden Lebensmittels keine messbar begünstigenden Auswirkungen auf den Lernenden haben.

Good vibrations

«Das Gehirn kann man mit einem Musikinstrument vergleichen», sagt Kesselring. «Beide müssen gestimmt werden. Für das Gehirn ist die bereits erwähnte positive Stimmung zentral, da dadurch die Aufnahme und Wiedergabefähigkeit verbessert wird, ähnlich wie bei einem Instrument.» Leicht zu erklären ist daher das Effektive des Gruppenlernens. Wenn die Gruppendynamik und die Schwingungen stimmen, funktioniert auch das Lernen weitaus besser. Die Rhythmen sind die Sprache des Gehirns, und die Redewendung «Auf derselben Wellenlänge liegen» könnte somit nicht nur durch den Funkverkehr erklärt werden. Wie bei allem gilt, dass man es nicht übertreibt. Ausgewogenheit ist auch beim Kopftraining entscheidend. Zu wenig oder zu viel Schlaf, Essen oder Trinken können sich negativ auswirken. Aber nicht nur zu wenig lernen und repetieren geht in der Prüfung möglicherweise nach hinten los. Denn auch zu viel von beidem kann sich unvorteilhaft auswirken. Jeder ist individuell verschieden und muss sich sein eigenes, optimales Lernprogramm zusammenstellen. Und falls es mit der Vorbereitung und dem Examen trotzdem mal schief gehen sollte, immer daran denken: Ablenkung und Ausreden machen das Versagen auch nicht besser. r Text Filip Dingerkus, Bild Selin Bourquin

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IMPRESSUM | 2011.04

DENKSPIEL | Signiertes Loch

HERAUSGEBERIN:

Wer ein lachhaftes, pardon lochhaftes Signet entwerfen muss, hat leichtes Spiel. Allerdings ist bei unserem Vorschlag die zentrale weisse Münze wegzudenken. Wie aber stellen wir das abgebildete Signet, bei dem vier schwarze Münzen symmetrisch das Loch umranden – auf dem Küchentisch her, wenn uns nur vier Münzen und keine weiteren Hilfsmittel zur Verfügung stehen? Mit dieser Frage setzte sich der amerikanische Rätselerfinder Henry Dundey (1857 – 1930) auseinander. Es geht also darum, mit nur vier (und nicht fünf) Münzen geometrisch einwandfrei diese symmetrische Figur zu bilden. Das heisst, eine fünfte Münze muss anschliessend perfekt hineinpassen und insbesondere die vier übrigen Münzen berühren.

Campus Lab AG Eschenring 2 6300 Zug CHEFREDAKTORIN:

Raffaela Angstmann REDAKTOREN DIESER AUSGABE:

Silja Aebersold, Raffaela Angstmann André Bähler, Filip Dingerkus Jonas Frehner, Mario Fuchs Nicolas Fux, Mirjam Goldenberger P.H., Melanie Keim Simon Knopf, Julia Krättli Martina Zimmermann LAYOUT:

Aline Dallo DESIGN:

Céline Beyeler, Maike Hamacher BILDREDAKTION:

Selin Bourquin ILLUSTRATION:

Milena Gsteiger, Melanie Imfeld FOTOGRAFIE:

Selin Bourquin, Nikkol Rot LEKTORAT:

André Bähler DRUCK:

Vogt-Schild Druck AG KONTAKT:

Campus Lab AG Lavaterstrasse 71 8002 Zürich Tel: +41 44 201 16 57 Fax: +41 44 201 16 50 info@campuslab.ch Web:

www.campuslab.ch www.studiversum.ch LESERBRIEFE:

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Ebenso berühmt ist die Blume, die von Dundey wohl ebenfalls aus den Gärten seiner Vorgänger gepflückt wurde. Die Problemstellung ist identisch. Hier geht es erneut darum, ohne jegliche Hilfsmittel mit nur sechs Münzen die abgebildete Figur präzis so nachzubilden, dass schliesslich eine siebente Münze «reibungslos» hineinpasst. Lösung der letzten Ausgabe (Rigor-Ei): Wird eine dreistellige Zahl (zum Beispiel 456) mit 1'001 multipliziert, wird sie quasi «geklont» (1'001 x 456 = 456'456). Um das Klonen rückgängig zu machen, muss sie demnach wieder durch 1'001 geteilt werden oder getarnt durch 7, durch 11 und durch 13, denn (7 x 11 x 13 = 1'001). p

⁄ à à 6 ⁄100 J a

Ein à unter einem p will sagen: «à souper». Eine Hundert unter einer Sechs bestimmt den Ort: «Sanssouci». Somit entsteht folgender Dialog. Friedrich der Grosse: «A souper à Sanssouci.» Voltaire: «J’ai grand appétit!» (J grand – a petit). Optische Täuschung: 11 schwarze oder 10 weisse Würfel. r Kreation P.H.

StudiVersum erscheint sechs Mal jährlich in einer Auflage von 25 000 Exemplaren an allen Universitäten und Fachhochschulen der Deutschschweiz. Alle Rechte vorbehalten; Nachdruck, Aufnahme in OnlineDienste und Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern wie CD-Roms etc. nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der Herausgeberin.

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Die flotte 3 er-WG

Der Homo ImWegSteherus Text: André Bähler

«Hast du gewusst, dass es nicht nur den Homo Sapiens gibt, sondern noch eine andere Art Mensch? Diese neu entdeckte Art wurde heute zum ersten Mal beschrieben», sagt John. «Und von wem?», fragt Rebekka. «Von mir. Während einer langweiligen Vorlesung – zu der ich zu spät gekommen bin, weil mir andauernd irgendwelche Menschen im Weg gestanden sind.» «Aha, dann zeig mal her!», sagt Rebekka. John reicht ihr ein Blatt Papier und sie liest: Die weitverbreitete Annahme, dass der Homo Sapiens der einzige Vertreter der Gattung «Mensch» ist, hat sich als falsch herausgestellt. Es gibt noch einen weitere Art, und zwar den «Homo ImWegSteherus». Erkennungsmerkmale: Der «Homo ImWegSteherus» wird von engen Durchgängen, Nadelöhren und Engpässen magisch angezogen und könnte dort Stunden verbringen, würde er nicht vom teilweise aggressiv auftretenden Homo Sapiens weggescheucht. Vorkommen: Der «Homo ImWegSteherus» fühlt sich in den gemässigten Klimazonen, wie zum Beispiel im Tram, Zug oder in Supermärkten wohl, er wurde aber auch schon in kälteren Gebieten gesichtet, besonders auf Skipisten ist er häufig anzutreffen. Als besonders lästig wird das Auftreten im Rudel empfunden. Unterarten: Der «Homo ImWegSteherus» hat zahlreiche Unterarten. In unseren Breitengraden weit verbreitet ist der «Homo ImWegSteherus Übermutterus». Diese Spezies hält ihren eigenen Nachwuchs für das Zentrum des Universums und verhält sich auch dementsprechend. Besonders beliebt ist das Reisen mit riesigen Kinderwagen in Tram und Bussen zur Hauptverkehrszeit. Vertreter dieser Spezies können nicht verstehen, dass nicht jedermann ihre im Weg stehende, quengelnde

Viel mehr als eine Thesis! www.advanthesis.ch 33  STUDIVERSUM | 2011.04

Brut ebenso toll findet, wie sie selbst. Der «Homo ImWegSteherus Stupidus» steht im Weg, weil er zu doof ist, um es zu bemerken oder weil er es zwar bemerkt, aber zu doof ist, so hinzustehen, damit er nicht im Weg steht. Aufgrund der ähnlich beschränkten Hirnkapazität wird er manchmal mit dem ausgestorbenen Homo neanderthalensis verwechselt. Eine enge Verwandtschaft besteht allerdings nur mit dem «Homo ImWegSteherus Alpinus». Dieser bleibt sehr gerne genau vor dem Drehkreuz von Skiliften stehen um entweder auf seine Artgenossen zu warten oder sein Handy hervorzukramen. Einmal auf der Piste, sitzt er mit seinen Artgenossen bevorzugt direkt hinter einer Kante oder stellt in engen Passagen die Skis quer und wartet. Er ist sich nie einer Schuld bewusst und reagiert in der Regel aggressiv, wenn man nahe an ihm vorbeifährt. Der «Homo ImWegSteherus Sonnenkönigus» weiss, dass er im Weg steht, es macht ihm jedoch nichts aus, da er sich für wichtiger hält als alle anderen. Oft schafft er es gleichzeitig im Weg zu stehen und zu telefonieren. Er wird relativ häufig in Revierkämpfe mit gleichartigen Männchen verwickelt. Grössere Populationen werden oft im Umfeld von Grossbanken gesichtet. Beim «Homo ImWegSteherus Quasselstrippus» wurden bisher nur Weibchen nachgewiesen. Offenbar pflanzt sich die Spezies durch Kreuzungen mit anderen Unterarten fort. Exemplare dieser Unterart können sehr ausdauernd sein und stundenlang einen engen Supermarktgang verstopfen, während sie irgendwelchen banalen Bullshit labbern. Als Rebekka fertig ist, sagt John: «Bahnbrechend, nicht? Ich weiss aber einfach nicht, ob ich es ‹Science› oder ‹Nature› schicken soll.» Weitere Geschichten der flotten 3er-WG findest du auf www.semestra.ch /dieflotte3er-wg. Schau doch rein!


WIE ANNO DAZUMAL

Kleidungstipp Kleider machen Leute Als Fabian eines Tages im Anzug neben mir in der Vorlesung sass, staunte ich nicht schlecht. Er erklärte gleich, er sei zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, bei einer Versicherung. Ich musterte ihn und gratulierte ihm. «Du siehst in der Tat picobello aus. Sich richtig anziehen, das verstehen heute die wenigsten.» Dabei ist es gar nicht so schwierig. Wer die wichtigsten Grundregeln des guten alten Freiherrn von Knigge beachtet, kann bei der Kleiderwahl nicht viel falsch machen. Zunächst sollte man sich fragen, welcher Stil im Unternehmen beziehungsweise in der Branche als korrekt gilt. Wenn es beim künftigen Arbeitgeber etwa Bekleidungsregeln gibt, lässt sich leicht überprüfen, wie man sich als Bewerber zu kleiden hat. Seit ich mich einst in einem gemieteten Smoking für eine Stelle als Bürogummi beworben habe, weiss ich aber auch: Man sollte sich niemals besser anziehen als der Patron. Nichts ist schlimmer, als von jenem für einen arroganten Schnösel gehalten zu werden. Grundsätzlich macht es einen guten Eindruck, gepflegt und mit gebügelten Kleidern, die nicht abgetragen sind, zu erscheinen. Kaum zu glauben, aber besonders wichtig sind die Schuhe. Daher möglichst die feinsten und gepflegtesten Schuhe tragen, die man besitzt. Früher üblicher als heute waren Bekleidungsregeln. In manchen Unternehmen spielen sie noch immer eine wichtige Rolle: Ist etwa von «Business» die Rede, ist ein Anzug mit Hemd und Krawatte beziehungsweise ein Hosenanzug gemeint. «Casual» bezeichnet den etwas lockereren Kleidungsstil, meistens ohne Jackett und farblich gewagter. Dazwischen gibt es Abstufungen: So sehe ich selbst immer öfter junge Menschen in Anzügen mit Hemd ohne Krawatte oder sogar nur mit einem TShirt. Fabian hat seine Anstellung wie zu erwarten erhalten. Ich meinerseits bin froh, dass ich mir nicht mehr den Kopf zerbrechen muss über meine Kleidung. Aber über die Mode Bescheid zu wissen, das ist allemal gut.

Horst

Horst, 75, ist allzeit bereit: Ob im Haushalt oder in der Garage, beim Einkaufen oder an der Uni, Horst hilft! Als Hörer besucht er regelmässig Vorlesungen und weiss daher bestens Bescheid, was den Jungen von heute unter den Nägeln brennt. Seine Tipps sind längst schon keine Geheimtipps mehr. Deshalb: Horst ausschneiden, an den Kühlschrank oder die Pinnwand heften, dann kann nichts mehr schiefgehen!

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