StudiVersum #39

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STUDI VERSUM NUMMER 39 | 2011.05

Studis und ihre Horror-Jobs 15 Ein Messie erzählt 04 Diplomurwald 09 Smartes Netzwerk? 34

Chaos


tioonnäärr iveelllluuti FFeedericoo,, SSppeeeedcuber & RRiv

ERFRISSCHE CHE

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erdm erdmannpeisker rdmannp annpeisker

Erst denken, dann drehen.


EDITORIAL | INHALT

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03

Lbeie Leenrisnen und Lseer, «Das Gneie übirbeklct das Caohs» – smiot leierft ecuh die SuersdtiVum-Rdktiaoen eenin Gniietrseech. Ich bin zerzuit für ein EaumsrsStmeeser an der Unsiäveritt Hmrbuag und hbae bei dieesr Aguabse mneie Hdnäe aus dem Speil gseaseln. Mal shucean, ob in Zrcüih das Coahs auricbsht… Aebr was, wnen das Coahs gnaz asuesr Knlorotle greät? Dominic Illi hat ein Taem bhcesut, das aelilne der Vrinnederuhg von Caohs denit. Und – hbean wir das nciht scohn mal ghebat? Djéà Vus göehren zu urrsenem Lbeen – dcoh wie kmoemn sie zu Sntdae? Uli Hahn hat ncah Ucesarhn ghsucet. «Coahs» knan aebr acuh aus eneir rien wsesinscheltfichan Pitrsekepve bteeulchet wreedn – Filip Dingerkus bwesiet es. Uns ist bei dseier Agubase kalr gdorewen: Cahos msus nhcit nur Udnrnunog oedr Klotnorlveslurt bdeetuen – Coahs ist Lbeen! Veil Gcülk für die Pgüfrneun wcnshüt euch die gstamee Rdiateokn! Erue Rleaffaa Amntsnnga

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21 LIEBLINGSDING Warum ich meine giesskanne liebe 15 UMFRAGE Was war dein miesester Job? 14 AUS DEM LEBEN Das Volk motzt 06 ATELIER Asterisk und S-Kurven 17 DAS UNIKAT dein Schilderwald! 03 WISSENSCHAFT Kenn ich schon? 04

Unser Hirn tickt anders 11

Eingebrochenes Mosaik 12

Kranke Züge isolieren 29

Chaos in der Wissenschaft? 09 UNIPOLITIK Diplom-Chaos 34 reportage The Social Television 13 UNTERHALTUNG impressum, rätsel 08 Die flotte 3er-WG Frauen begaffen will gelernt sein 19 WIE ANNO DAZUMAL Kein «Puff» mehr


LIEBLINGSDING

Warum ich meine giesskanne liebe

Dominik Zietlow, 22, studiert Fotografie an der Zürcher Hochschule der Künste «Was ist zufriedenstellender als einen guten Kaffee zusammen mit den Sonnenstrahlen zu geniessen? – Das Wasser wird verteilt und der Tag beginnt.»

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UMFRAGE

Was war dein miesester Job? Studenten eilt der Ruf voraus, immer in Geldnot zu sein. Wer nicht ganz von der elterlichen Unterstützung abhängig sein kann oder möchte, hilft sich mit Nebenjobs über die Runden, die nicht immer Spass machen. Wir haben die Studenten der Uni Bern gefragt, welchen Nebenjob sie nicht nochmal machen wollen. r Text und Bild Claudia Piwecki Sibylle Naef, 24, Archäologie «Alle meine bisherigen Jobs waren nicht das Wahre. Deshalb hab ich mich entschieden, doch noch an die Universität zu gehen und zu studieren.» Christof Buob, 21, Jus «Ich hab mal bei einem Catering Service in St. Moritz gearbeitet, beim schicken Poloturnier auf dem See. Und bei der Müllabfuhr. Aber das Catering war definitiv schlimmer!» Noemi Trachter, 21, Psychologie «Im Service bei dem Berner Gastrounternehmen ‹Gutgelaunt›. Ich war da gar nicht so gut gelaunt und hab nach zwei Monaten wieder aufgehört, weil es mir nicht gefallen hat.» Helen Walz, 23, Psychologie «In der Migros an der Kasse zu arbeiten ist ein Job, den ich hoffentlich nicht mehr machen muss.» Dimitri Buddeke, 26, VWL «Als ich mal Geld gebraucht habe, weil ich Winterferien machen wollte, hab ich bei einer Promotionsfirma gearbeitet und bin durch die Cafés gezogen, um Zigaretten zu verkaufen. Ich als Nichtraucher konnte da gar nicht dahinter stehen!» Nicolas Leu, 20, Jus «Sofern das als Job gilt: das Militär!» Maria Ingold, 21, Jus «Ich hab mal Passantenbefragungen gemacht. Den ganzen Tag wildfremde Menschen ansprechen, davon hatte ich schnell genug.» Miriam Werz, 19, Psychologie «Als ich 18 war, hab ich in den Ferien zwei Wochen lang ein Schulhaus geputzt. Einmal und nie wieder!» Robin Ochsner, 26, Jus «Ich war mal hinter der Bar bei einer Jubiläumsparty von so einem Partyfoto-Guide – weiss nicht mehr welcher. Die Party war ab 16 … ganz schlimm!!»

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AUS DEM LEBEN

Ewige Doppelung George Santayana sagte einmal: «Wer sich der Geschichte nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.» Text Filip Dingerkus

Wenn man die jüngsten Ereignisse verfolgt, wird man das Gefühl nicht los, wir seien in einer repetitiven Schlaufe gefangen. Betroffene vermitteln den Eindruck, von einer kollektiven Starre befallen zu sein. Aus Unfähigkeit oder Lähmung wird selten eingelenkt oder Lehren aus Vergangenem gezogen. Karl Marx hat die Aussage des Philosophen Hegel, dass alle grossen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich (sozusagen) zweimal ereignen, ergänzt: «Das eine Mal als Tragödie und das andere Mal als Farce.» Grundlage dieser Aussage ist die Überlegung, dass das Leben und die Geschichte der Menschheit spiralförmig verlaufen und Ereignisse in ähnlicher Form immer wiederkehren. So treten zum Beispiel immer wieder Kriege auf, die von gleichen Elementen geprägt sind. Der Konflikt in Libyen hat eine andere Ausgangslage als beispielsweise der Irakkrieg. Und doch sieht man sich wieder mit einer Endlos-Problematik konfrontiert: Dauerhafte bürgerkriegsähnliche Zustände wie in Somalia können nicht ausgeschlossen werden. Machtlosigkeit macht sich breit. Machtlosigkeit befällt auch die deutsche FDP. Umfragewerte sacken ins Bodenlose, Sitze in Landesregierungen gehen verloren. Keiner scheint vorbereitet gewesen zu sein und doch sollte den Beteiligten klar gewesen sein, wohin ihre Reise führt. Denn bereits Ende der Sechziger und Mitte der Neunziger hatte die Partei mit erdrutschartigen Verlusten zu kämpfen. Die Gründe waren ähnlich: programmatische Schwächen und Figuren, deren Drang nach Macht und Profilierung zum Absturz führten. Nicht zuletzt ist auch das nukleare Desaster in Japan ein erschreckendes Spiegelbild des Reaktorunfalls in Tschernobyl. Spätestens hier kann die Bezeichnung der Farce nicht mehr geltend gemacht werden. Viel zu gravierend sind die damit verbundenen Schäden und Verluste. Das Gesetz der Periodizität sagt, dass lediglich eine gewisse Zeit verstreichen muss, bevor wir wieder vor ähnlichen Problemen stehen. Und es scheint, dass wir nichts dagegen tun können, um Wiederholungen abzuwenden. Die zahlreichen

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Schicksalsgläubigen werden es beruhigt zur Kenntnis nehmen. Denn es liegt wohl nicht in unserer Macht, etwas zu verändern.

À – AAD – Aak: Übung im Schaumschlagen Bullshit der; -s ‹engl.›: (salopp abwertend) Unsinn, dummes Zeug. Oder: Was ich schon immer mal sagen wollte. Text Nora Lipp

Ist es vielleicht die Abasie des Denkens, an der wir leiden? Unzählige teilnehmende Beobachtungen in Vorlesungen haben dazu geführt, dass sich dieser Gedanke in meinem Kopf abaissiert hat. Vorlesungen, in denen sich Abderiten hervortun mussten. Diese wenigen betrieben Baalsdienst am Bafel. Was in mir einen Backlash auslöste: Wie eine Caldera tat sich das Cafard auf. Natürlich, im Dakhma lebt es sich gut. Erstmal. Denn das Schweigen kann sich auch als Danaergeschenk herausstellen. Fragen hätte sicher nicht geschadet. Das Dakapo hätte unterbrochen werden können, um so vielleicht das dädalische Denken anzustacheln. Vielleicht hätte ich echappieren können, wenn ich mich ein bisschen echauffiert hätte. Die an Echolalie grenzenden Referate stoppen können. Mich nicht mehr fadisieren müssen angesichts des Faibles fürs Unverständliche. Nicht mehr leicht gaga in den Vorlesungen hängen müssen. Mich nicht mehr fragen müssen, ob die jetzt wirklich habil sind, oder doch eher etwas idolisieren. Diese Jeremiade, die ich hier vom Stapel reisse, wird mir hoffentlich verziehen. Aber es geht nicht anders. Kadavergehorsam gegenüber Worten soll ja illustriert werden. Die Konklusion ist mir dabei noch schleierhaft. Es ist einfach so, dass mich dieses Lavieren mittels aufblasbarer Worte eines Tages lanzinierte. Maliziös malediziere ich diese Schaumschlägerei. Wünsche mir eine

maniabel Malediktologie herbei. Negligeant möchte ich diese Worte nasalieren. Ach, wäre das narkotisch! Es ist obsolet zu erwähnen, dass die Obreption nicht korrekt ist. Da sind die meisten obstinat, wenn es um Worte geht. Natürlich, man könnte objizieren, dass das Pamphlet, welches ich hier schreibe, doch eher ein Palaver ist. Und trotzdem: «Palmieren Sie mich!», möchte ich rufen, wenn ich lese und höre, wie an Worten parasitiert wird. Natürlich bin auch ich kein Quagga, bin genauso Student wie alle, und radiere meine Worte nicht immer – wider jede Räson. Rapiert wird deswegen niemand. Möglicherweise bin ich auch gerade etwas reagibel und sehne mich nach Realien. Frage mich, ob wir noch sanabel sind. Salutogen wäre es, mit dem Taktieren aufzuhören und das Fragen nicht zu tabuieren. Aber ubiquitär ist dieses Verhalten, univok wird es betrieben – es ist Usus. Auch bei mir ist es nicht vacat. Einer Wyandotte gleich wird nach Worten gepickt – wahllos. Die Gedanken muten dann auf dem Papier oft xenoblastisch an. Leiden wir etwa alle an Xenoglossie? Oder ist doch alles nur ein schönes grosses Yankee Doodle? Ach ja: Harry G. Frankfurt hat ein Buch übers Bullshiten geschrieben, das ich zwar nicht gelesen habe, aber jetzt immerhin zitiert.


AUS DEM LEBEN

Das Volk «motzt» Ein scheinbar nimmersatter Wurm gleitet durch das Land, schluckt Menschen und würgt sie wieder aus. Unliebsame Passagiere. Text Martina Zimmermann

«Zu viele Pendler», beschweren sich die Pendler und falten die durch unzählige Hände gegangene Gratiszeitung auf, bevor sie sich auf von anderen Pendlern vorgewärmten Sitzen niederlassen. «Zu viele Touristen», jammern die Touristen und stossen Taschen unter Sitze, die schon mit Schalenkoffern untermauert sind. «Zu viele Soldaten», beklagen sich die Soldaten und schieben die Bierbüchsen auf dem aufgeklappten Tischchen näher zusammen. «Zu viele Hundehalter», murmeln die Hundehalter und bellen die anderen «Hündeler» im Stillen an. «Zu viele Kinder», denken die Kinder und halten im Gewusel angestrengt Ausschau nach dem neongelben Rucksack ihres Lehrers. «Zu viele Wandervögel», zetern die Wandervögel, warten, bis die Sitznachbarn im selben Abteil ihre Wanderkarte zusammengefaltet und weggeräumt haben, zählen dann selber mit dem Zeigefinger Höhenlinien ab und berechnen Marschstunden. «Zu viele Businessleute», meinen die Businessleute und klappen ihre Laptops auf ihren in Faltenhosen gehüllten Oberschenkeln auf, bevor sie ihr Kabel an der verbliebenen Steckdose anschliessen. «Zu viele Schwarzfahrer», fluchen die Schwarzfahrer und geben einmal mehr ihre Personalien an. «Zu viele Bikerinnen», schimpfen die Bikerinnen und quetschen ihre Stahlrösser zwischen WC und Wageneingang. «Zu viele Senioren», denken die Senioren und stossen sich an der wiederkehrenden Konversation über Hörgeräte im Abteil nebenan. Es ist Freitagabend, der Wurm ächzt von West nach Ost. Im Darm unausgesprochene Flüche, spitze Ellbogen. Ein Volk, das sich im Spiegel nicht gefällt, die Ähnlichkeit des Gegenübers nicht erträgt. Der Wurm tut sein Bestes, kühlt das Klima künstlich, veranlasst die Durchsage, er treffe pünktlich in Bern ein, ruft aus, von wo nach wo und auf welchen Schienen andere Würmer gleiten, verkündet, in welcher Kriechrichtung sich der Ausstieg befinde. Er lässt sich nichts an-

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merken. Dennoch, er freut sich auf den Betriebsschluss um 00:24 Uhr. Dann wird er leicht und leer ins Depot gleiten. Ruhen, ohne zu verdauen, während in seinem Bauch flinke Arbeiter die zurückgelassenen Abfälle in Säcke stopfen.

Zürich HB – Halleluja Wie sich zwei verwöhnte Mädchen auf einer Fahrt in den sonnigen Süden unterhielten und eine Nonne mich von meinen Vorurteilen befreite. Text Melanie Keim

Der Zug nach Bellinzona war auffallend schlecht besetzt für einen Samstagmorgen. Für einmal musste man sich nicht durch die spitzen Walkingstöcke der Rentner kämpfen, die schon in Zürich HB ihre Thermoskanne auspacken und herzhaft in ihr «Iklämmts» beissen. Stattdessen setzten sich zwei bildhübsche Mädchen in das leere Abteil neben mir, die bestens in eine dieser aristokratischen Tommy-Hilfiger-Werbungen gepasst hätten. Ihre Reisetaschen waren von der Sorte «Preis auf Anfrage», ausgepackt wurden frisch gepresster Orangensaft und Butterbrezel aus einer blauweissen Edelpapiertüte. Die Blonde ganz aufgeregt: «Und, wie isches mit em Daniele? Weisch scho öppis Neus?» Die Braune: «Ich han mal alles nagluegt. Es git voll keis schöns ****Hotel, das wird also scho rächt tür, wenn ich ihn eimal im Monet wett gse.» Die Braune hatte sich in einen Fussballer verliebt, der in weiter Ferne trainiert und da sie noch nicht volljährig war, bestand ihre Mutter darauf, dass sie mindestens in einem ****Hotel logiert. Wegen der Sicherheit, versteht sich. Da leider keines dieser Hotels ihrem Geschmack entsprach, blieb der Armen nichts anderes übrig, als einen * anzuhängen. «Ah was, ich han gmeint, du sägisch 3000 Franke. Nei, 1500 für es Wuchenänd das gaht scho», meinte die Blonde mit ihrem zuckersüssen Lächeln. Schliesslich war es

die grosse Liebe der Braunen, der Fussballer sprach sogar schon von Kindern – nach drei Monaten. Die restlichen zwei Stunden wurden mit weiteren brisanten Themen gefüllt: Brustvergrösserung, von der die Braune überzeugt war, dass sie damit einfach zufriedener wäre. Fremde Leute, wobei die Blonde immer darauf wartete, dass die andere etwas Böses sagte und wenn nichts kam, ein «Jö, so herzig, dass ihr’s guet händ zäme» anhängte. Und Geld, obwohl es für die beiden eigentlich kein Thema zu sein schien: «Weisch, ich chan eifach nöd verstah, wieso sie s’Läbe nöd eifach chan gnüsse. Sie hät soo vil Gäld.» Kurz vor Bellinzona tauchte bei der Blonden ein Funken Selbstreflexion auf: «Weisch wie lustig, wenn e Journalistin oises Gspräch würd verfolge und e Kolumne würd schribe. Was mir da so reded!» Der Funken verglühte jedoch schnell wieder im weiteren Geplapper. Im nächsten Zug nach Locarno setzte sich eine Nonne in Ordenskleidung in mein Abteil. Kurz darauf packte sie ihren Blackberry und ein Coke Zero aus. Ich fragte mich im ersten Moment, ob Gott Süssstoffe und Smartphones tatsächlich erlaubte und war danach dankbar, dass mein Gegenüber meine Vorurteile tüchtig durcheinander geschüttelt hatte.


ATELIER

Asterisk und S-Kurven Projekt von Matthias Pauwels

Novellen, Kochrezepte, Strassenschilder. Wir lesen. Aneinandergereihte Zeichen. Matthias Pauwels ist Typedesigner und macht Texte lesbar. Fragil ist es und kippt und fällt. Das «S». Es hat keinen Boden. Auch das «O» ist bodenlos, aber es hält besser. Es ist ausgeglichen, rundum abgerundet. Das «S» braucht Platz und dieser ist knapp. Eine grosse Kurve auf kleinem Raum, eine S-Kurve. Die Punzen – Buchstabeninnenräume – verlangen Aufmerksamkeit und Zeit. Während rund einer Woche befasste Matthias sich mit dem «S». Seit einem knappen Jahr beschäftigt er sich mit «Florin», der von ihm gezeichneten Schrift. Begonnen hat er in London bei der Firma Dalton Maag. Nach seiner Weiterbildung zum Typographischen Gestalter an der Schule für Gestaltung in Basel wollte er eine Serifenschrift für Lauftexte kreieren. Angefangen hat er mit dem kleinen «n». Dieses gibt schon viele Formen vor, die auf andere Buchstaben übertragen werden können. Dann folgten «h», «o», «p» und «a». Offene und geschlossene Punzen mussten bestimmt werden. Mit Pinsel und Papier malte Matthias, skizzierte, dann arbeitete er am Computer. Er bestimmte die Strichstärke, bevor er das «n» in verschiedenen Nachbarschaften setzte - «Korkenzieher», «Nasenwurzel» und «Ganglion». Auf Papier gedruckt, werden die Wörter in diversen Schriftgrössen verglichen. Dann werden Korrekturen angebracht. Die Mathematik und das Auge sind sich selten einig. Dieselbe Strichstärke wirkt bei zwei Buchstaben völlig anders. Das Auge entscheidet. Matthias strebt eine ruhige, graue Fläche an. Seit Herbst 2010 studiert Matthias an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). In seinem Nachdiplomstudium hat er bereits «Regular», die Normalschrift, überarbeitet. Zurzeit widmet er sich «Bold» und «Italic»: «Florin» wird fett oder kippt nach rechts. Zeichen um Zeichen. Das Ende steht noch in den Sternen – oder eben im Asterisk. r Text Martina Zimmermann, Bilder Matthias Pauwels

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Matthias Pauwels, Schriftstifter Lebt und arbeitet in Basel. matthias@pauwels.ch


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onen des Temporallappens handelt. Dieser ist unter anderem dafür verantwortlich, Gehörtes und Gesehenes einzuordnen. Auch Parkinson-Patienten erleben vermehrt Déjà-vus. Hierbei werden sie jedoch künstlich hervorgerufen mit Hilfe des Medikaments «PK-Merz». Es simuliert und ersetzt das Hormon Dopamin – auch als Glückshormon bekannt –, wodurch es zu Delusionen kommt.

WISSENSCHAFT

Nichts Unnormales

Kenn ich schon? Jeder hat davon gehört. Fast jeder weiss, was es ist. Und die meisten Menschen haben es schon einmal «gehabt»: ein Déjà-vu. Manche erleben es häufiger, manche seltener. Doch warum tritt es auf, wie kann man es erklären und wie kommt es zustande? Ein Erklärungsversuch. Stefan läuft zu seinem Auto, öffnet die Beifahrertüre und lässt seine Freundin einsteigen. Plötzlich stockt er: «Oh, krass! Ich hatte gerade voll ein Déjà-vu. Ich hab das irgendwo schon einmal gesehen.» Und gleich danach fragen wir uns, wo und wann. Es gibt

Momente, in denen wir dahinter kommen, doch meistens bleibt das Rätsel ungelöst. Und genau das macht ein Déjà-vu aus. Aber was ist es genau? So schade es auch ist: Man weiss es nicht zu 100 Prozent, obwohl es manche zu wissen glauben. Die vorherrschenden Theorien sind jedoch widersprüchlich. Die Wissenschaft spaltet sich grob in zwei Lager: Die eine Seite hält das Déjà-vu für eine Delusion, eine nicht reale Erscheinung eines Ereignisses, das sich in der Wirklichkeit gar nicht abgespielt hat. Die andere Seite erklärt es als eine Situation, die an ein tatsächlich geschehenes Ereignis erinnert, das aber wieder verdrängt wurde.

Epileptische Aura

Egal, welche der beiden Theorien richtiger oder wahrscheinlicher ist, unser Gedächtnis spielt in diesem Zusammenhang die Hauptrolle. Prof. Dr. Jürg Kesselring, Leiter der neurologischen Abteilung im Schweizer Rehabilitationszentrum Valens, bekommt häufig von Epilepsie-Patienten Situationen geschildert, die als Déjà-vu bezeichnet werden können. Einem epileptischen Anfall geht normalerweise ein Erlebnis voraus, eine so genannte Aura. In dieser Aura können Déjà-vus auftreten, wobei es sich dabei um Überstimulati-

Das soll nun nicht heissen, dass das Phänomen nur bei erkrankten Personen auftaucht. Und schon gar nicht, dass gesunde Personen, die Déjà-vus erleben, gefährdet sind, an Parkinson oder Epilepsie zu erkranken. Schliesslich taucht dieses Phänomen bei zwei von drei Personen auf, im Schnitt einmal pro Jahr. Professor Kesselring weist auch auf den Zusammenhang mit Träumen hin. Denn wie bei Déjà-vus handelt es sich auch beim Träumen um echte Neuproduktionen des Gehirns. Wir konstruieren in den meisten Fällen Situationen, die nicht so geschehen sind. Und da nur wir selbst diese Neuproduktionen «sehen», ist es für unsere Mitmenschen nicht direkt nachvollziehbar. Dies macht das Phänomen auch für die Forschung zu einem sehr schwer erschliessbaren Feld. Es gibt keinen direkten Zugang zur Erlebniswelt von Menschen. Und auch wenn man mit Drogen, Medikamenten oder elektrischer Stimulation ein solches Erlebnis künstlich hervorrufen kann, das persönliche Empfinden ist für eine dritte Person nicht sichtbar. Selbst Hollywood versuchte mit dem Film «Déjà Vu», dieses Gefühl den Menschen näher zu bringen. Dabei wird Denzel Washington als Ermittler Doug Carlin in die Vergangenheit gebeamt, um einen schon geschehenen Terroranschlag zu verhindern. Die Komplexität des Phänomens jedoch zeigt dem Regisseur Tony Scott die Grenzen auf. Am Ende wird nicht wirklich klar, worin das eigentliche Déjà-vu bestehen soll. Auch der Titel des Films verspricht mehr, als er halten kann. Stefan läuft zu seinem Auto, öffnet die Beifahrertüre und lässt seine Freundin einsteigen. Moment mal. Das habe ich irgendwo schon einmal gesehen. r Text Uli Hahn, Illustration Melanie Imfeld

Noch nie gesehen Das Jamais-vu-Phänomen beschreibt das Gegenteil des Déjà-vus. Demnach fühlt man sich zum Beispiel fremd in einer Umgebung, die ganz vertraut ist. Manchmal scheinen auch Personen, die man sehr gut kennt, plötzlich unbekannt zu sein. Dieses Phänomen tritt bei Erschöpfungszuständen vermehrt auf. Da es aber nicht so auffällig ist, nehmen wir es oft nicht als Jamais-vu wahr.

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Johannes von Arx

über lange Zeit extrem scheu, zurückhaltend und sogar ängstlich. Im Laufe der Zeit setzte sich jedoch meine zwillingshafte Neugier und Kontaktfreude durch. So war ich in meiner Arbeit als Journalist immer sehr erfolgreich darin, Netzwerke zu bilden, Leute zu vermitteln und untereinander bekanntzumachen und dadurch mein eigenes Bekanntennetzwerk zu erweitern. Seit drei Jahren führe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine glückliche und feste Dauerbeziehung. Ich hatte mehrere Beziehungen, für die ich letztlich noch

Das Messie-Syndrom bezeichnet schwerwiegende Defizite in der Fähigkeit, die eigene Wohnung ordentlich zu halten und die Alltagsaufgaben zu organisieren. Diese Defizite werden auch als Desorganisationsproblematik bezeichnet und stehen häufig im Zusammenhang mit einer Depression, Zwangs-/Suchtproblematik und oft auch mit ADHS. Messie kommt vom englischen Wort ‹mess› – Chaos, Unordnung. ‹To be in a mess› bedeutet soviel wie ‹sich in einem schlimmen Zustand befinden›. Oft unterliegen die Betroffenen dem Irrtum, sie seien mit ihrem Problem die Einzigen auf der Welt. Sie ziehen sich zurück und brechen den Kontakt zu Nachbarn, Freunden und Angehörigen ab. Damit droht der Rückzug in die soziale Isolation, was wiederum zu Depressionen führt. Das Einsteigen in eine Selbsthilfegruppe ist häufig der erste Schritt aus der Isolation. Auch professionelle Unterstützung in Form von Psychotherapie oder Coaching kann den Weg aus dem Chaos unterstützen.» Im Jahr 2005 wurde in der Schweiz unter dem Namen LessMess ein Verband und Netzwerk für Messies gegründet. Zu den Mitgliedern gehören Betroffene, Angehörige, Interessierte und Fachpersonen. LessMess ist Ansprechpartner, unterstützt und berät Messies und deren Angehörige in Alltagsfragen. Ausserdem versucht der Verband, die Öffentlichkeit professionell über das Messie-Syndrom zu informieren. LessMess will, dass Betroffene nicht moralisch bewertet oder ihre Schwierigkeiten bagatellisiert werden, sondern als Ausdruck einer ernst zu nehmenden psychischen Problematik zu verstehen sind. Auch unter Studenten findet sich der eine oder andere der unter dem MessieSyndrom leidet. LessMess bietet kostenlos und anonym Beratung für alle Betroffenen an und vermittelt diesen Selbsthilfegruppen und Psychotherapeuten. Verband LessMess Mitteldorfweg 31, 8915 Hausen am Albis Beratungstelefon: 079 304 10 97 Montag 18.00 – 20.00 Uhr / Donnerstag 10.00 – 12.00 Uhr info@lessmess.ch / www.lessmess.ch Die persönliche Mailadresse von Johannes: johannes @lessmess.ch

nicht reif genug war, weshalb sie nie von sehr langer Dauer waren. Heute bleibt als Makel für eine gute Partnerschaft nur noch mein Messieproblem. Lösen lässt es sich faktisch nur, indem ich immer zu meiner Partnerin fahre. Diese ist glücklicherweise offen und tolerant: Sie akzeptiert mich so wie ich bin. Zusammenzuziehen stand aber auch aus einem andern Grund nie zur Debatte: Nachdem ich zuvor immer allein gelebt hatte, wäre es für mich eine schier unmögliche Umstellung gewesen, plötzlich zu zweit zu wohnen. Als wir uns kennenlernten, erlitt sie schon einen kleinen Schock, als sie meine Wohnung zum ersten Mal sah. Natürlich hatte ich sie vorgewarnt. Doch für sie war offenbar nicht ganz klar, welches Ausmass das Chaos zum Teil annehmen kann. Viele Leute lasse ich nicht in meine Wohnung. Wir Messies sind erfinderisch darin, immer eine Ausrede bereit zu haben, warum ein Bekannter nicht zu Besuch kommen kann. Ein inzwischen verstorbener Messie hatte immer seine Jacke innen an Wohnungstür hängen, damit er diese, wenn es klingelte, sofort überstreifen und hastig die Tür öffnen konnte: «Ich wollte gerade los!» Früher ging es mir ähnlich. Doch heute bin ich offener geworden. Wenn mich ein alter Freund aus Genf anruft und fragt, ob er kurz reingucken könne, da er sowieso gerade in Zürich sei, sage ich ihm unverblümt, dass ich Messie sei und es bei mir nicht einladend aussehe. Ich stelle es ihm frei zu entscheiden, ob er trotzdem kommen will oder ob wir uns in einem Café treffen sollen.

Die Kurve gekriegt

Meine depressive Zeit konnte ich vor elf Jahren mit Hilfe von Biofeedback und Hypnose endlich hinter mir lassen. Dies war ein extrem befreiender Moment, der sich stark in mein Leben einschnitt und mir wieder Mut gab. Viele Ideen schwirren mir im Moment im Kopf herum. Auf meinem Visitenkärtchen steht: «Anreger - Brückenbauer – Tabubrecher». In diesen Rollen sehe ich mich auch immer wieder in meiner Arbeit. Für die Minderheit der Messies in der Schweiz engagiere ich mich stark im Verband LessMess. Gemeinsam arbeiten wir für die Aufklärung und Forschung in Sachen Messie-Phänomen. Für mich ist es extrem wichtig, dass wir nicht als faule Zeitgenossen dargestellt werden und in den Medien wahrheitsgetreu über uns berichtet wird. Denn eines ist klar: Wir können als aktive und kreative Menschen eine grosse Bereicherung für die Gesellschaft sein – solange wir von dieser auch richtig verstanden werden. r Text Jonas Frehner, Bilder Laura Ferrara

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dachte ich das selbst. Ich hatte auch über Jahre hinweg gegen schwerste Depressionen zu kämpfen, die bis ans präsuizidale Stadium reichten. Ich war überfordert, wusste weder ein noch aus. Gegen aussen war meine innere Stimmung allerdings nur bedingt wahrnehmbar. Wenn mich jemand danach fragte, gab ich aber offen über meinen Zustand Auskunft. Mehr als zwei Jahrzehnte lang suchte ich Unterstützung in mehreren Psychotherapien und versuchte meine Probleme zu lösen. Auch meine berufliche Laufbahn hat mich nie befriedigt. Nach meiner Lehre und einigen unfruchtbaren Jahren mit verschiedenen kleineren Jobs absolvierte ich am Abendtechnikum mein Studium zum Ingenieur HTL und realisierte dabei endgültig, dass ich nicht für die strukturierte Arbeit in der Industrie geschaffen bin. Ich verlor mich immer zu stark in den Details, was für Messies typisch ist, und konnte nicht zielgerichtet arbeiten. So fand ich denn zumindest halbwegs Befriedigung auf neuen Wegen als freier Journalist und Fotograf. Später wollte ich meinen Horizont mit einer Grundausbildung in Humanistischer Psychologie erweitern, musste aber einsehen, dass ich mich da masslos überschätzt hatte. Messies sind bekannt dafür, sich grosse Illusionen zu machen. Wir stellen uns etwas vor, das wir dann nie erreichen können. Rückblickend muss ich schmunzeln, wenn ich daran denke, dass ich, der selber mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hat, anderen helfen wollte. Immerhin hat mich diese psychologische Weiterbildung persönlich weitergebracht und heute erweist sie sich als sehr nützlich bei meinem Messie-Engagement. So besann ich mich vor 25 Jahren zurück auf das Schreiben als Hauptberuf, riss dabei aber etliche Nebenaufgaben an mich. Als freier Journalist spezialisierte ich mich auf den öffentlichen Verkehr und vor allem die Eisenbahn. In diesem Bereich bin ich nicht nur zunehmend erfolgreich, sondern engagiere mich auch im Vorstand der Bahnjournalisten Schweiz. Die journalistische Arbeit zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben und ist die einzige Konstante, die ich bis heute erfolgreich weiterverfolge.

«Viele Ideen schwirren mir im Moment im Kopf herum»

Einzelgänger

Messies sind in der Regel kontaktfreudig. Viele von ihnen üben anspruchsvolle Tätigkeiten in der Öffentlichkeit aus. Weil sie sich aber des Zustandes ihrer Wohnung schämen, geraten sie in Gefahr, sich zurückzuziehen und sich so zu Einzelgängern zu entwickeln. Diese Ambivalenz trifft in einem gewissen Mass auch auf mich zu. Durch die Isolation in der Kindheit war ich

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«Messie», 2010, Laura Ferrara (http://people.zhdk.ch/laura.ferrara)

ich soweit, dass ich offen zu meinem etwas speziellen Charakter stehen kann. Bewusst bezeichne ich das Messie-Syndrom nicht als Krankheit. Denn da steht nebst einem unzweifelhaft bestehenden hohen Leidensdruck eine grosse Kreativität, ein unbändiger Schaffensdrang. Viele Messies neigen dazu, genauestens zu organisieren und kategorisieren. Es sind Menschen, die alles sammeln und aufbewahren, «was man einmal noch brauchen könnte» und häufig Probleme mit Ordnungsstrukturen haben. Nicht selten geschieht dies aus Perfektionsdrang. Dieser Perfektionismus führt dann auch häufig zum Scheitern. Immer wieder wird in den Medien das Messie- mit dem VermüllungsSyndrom verwechselt. Messies werden als geistig verwirrte Menschen, die ihre Wohnung zumüllen und verwahrlost leben charakterisiert. Doch nur ein kleiner Bruchteil aller Messies leidet auch unter dem Vermüllungs-Syndrom. Ich zum Beispiel halte meine Wohnung sauber – aber nicht klinisch rein. Natürlich herrscht in den Augen eines Besuchers ein grosses Chaos, doch ich habe den Überblick über die vielen Dinge, die sich im Lauf der Jahre angesammelt haben. Eine Zeitung könnte ich nicht wegwerfen, bevor ich sie nicht wenigstens einmal durchgeblättert habe. Und so geht es mir mit vielem. Mir fehlt schlicht und einfach die Zeit, um alles sofort zu erledigen. Wie auch viele andere Messies bin ich extrem aktiv, habe eine schier unbändige Energie. Sicher hängt das auch damit zusammen, dass ich unter dem Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) leide. Die Sammelwut habe ich mittlerweile unter Kontrolle. Früher war dies schlimmer. Wenn irgendjemand etwas vor dem Haus zum Entsorgen bereitstellte, wühlte ich mich immer durch und fand bestimmt etwas, für das es noch einen «Verwendungszweck» geben könnte. Heute kann ich klar unterscheiden zwischen brauchbar und unbrauchbar, und ich nehme nicht einfach irgendetwas mit, das dann sowieso nur bei mir in der Wohnung liegt und nie benutzt wird.

Keine Illusionen

Mit meinem Engagement bei LessMess sowie mit Vorträgen versuche ich, meine gesammelten Erfahrungen nutzbringend weiterzugeben. Mitbetroffenen möchte ich Mut machen und Kraft geben, mit diesem leider noch fast nicht erforschten Syndrom versöhnlich und kreativ umzugehen und auch offen und ehrlich mit sich selbst zu sein. Als Messie fühlt man sich sehr häufig allein. Viele Messies denken, sie seien die Einzigen auf der Welt, die mit diesen Problemen zu kämpfen haben. Lange Zeit

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Unser Hirn tickt anders das Messie-syndroM ist bisHer kaUM erforscHt. typiscHe anzeicHen sind überMässiges saMMeln Und desorganisiertHeit. Von den Medien werden Messies Meist fälscHlicHerweise nUr iM zUsaMMenHang Mit bildern Von zUgeMüllten woHnUngen erwäHnt – sie sind jedocH Viel MeHr. joHannes Von arx ist einer Von iHnen. ein porträt einer VielscHicHtigen persönlicHkeit.

Wir Messies sind keine gestörten Menschen. Unser Hirn arbeitet ganz ähnlich wie bei jedem anderen, nur tickt es einfach anders. Da sind so viele Ideen und Projekte, die umgesetzt werden wollen. Mir hat die Zeit dafür mein ganzes Leben lang gefehlt. Bis vor elf Jahren kam ich nie auf einen grünen Zweig. Nie kam ich an den Punkt, wo ich sagen konnte: «Jetzt hast du es geschafft. Jetzt bist du da, wo du mit dir, deinem Umfeld, deiner Arbeit und deinem Leben zufrieden sein kannst.»

Eine Kindheit wie im Gefängnis

Ich war immer ausgegrenzt, der Aussenseiter. Das begann bereits in meiner Kindheit, die ich in einem Dorf in der Nähe von Solothurn verbrachte. Meine Mutter verhinderte einerseits den Kontakt nach aussen und überliess mich andererseits mir selbst. Sie musste bereits unter ihrer Mutter, die mit uns im selben Haushalt wohnte, stark leiden. Das hat sich auf die Beziehung zwischen meiner Mutter und mir ausgewirkt. Sie klammerte sich emotional so

stark an mich, dass mir keine Freiheit blieb. Ich konnte als Junge nicht protestieren und wollte meiner Mutter nichts zumuten – sie hatte ebenso wie ich zu kämpfen. In einer gewissen Weise war ich eine Unterstützung für sie. Ich war jedoch hoffnungslos überfordert damit, mich von ihr abzugrenzen, und verbrachte meine gesamte Kindheit wie in einem Gefängnis. Man stellte grosse Erwartungen an mich, die ich zu dieser Zeit in keiner Weise erfüllen konnte und wollte. Auch die Vaterfigur fehlte mir in meiner Kindheit. Zu meinem Vater hatte ich eine Beziehung wie zu einem guten Bekannten – da gab es keine engere, geschweige denn eine familiäre, liebevolle und zärtliche Beziehung. Diese tief gestörte Kindheit ist sicher einer der zentralen Faktoren dafür, dass ich zum Messie wurde. Unterstützung war für mich immer ein Fremdwort. Dies wirkte sich vor allem auch auf meine Ausbildung aus. Ich flog wegen ungenügender schulischer Leistungen aus der Kantonsschule. Mit einer empathischen Unterstützung durch meine Eltern und ein bisschen Hilfe und Motivation hätte ich intelligenzmässig die Matura sicherlich geschafft. Danach fing ich eine Lehre als Chemielaborant an, welche ich erfolgreich abschloss. Dies war die erste Station in meinem Berufsleben und bei weitem nicht die letzte. Doch schon im Labor fühlte ich mich nicht wohl, fand keine Befriedigung und war mit meinem Kopf immer woanders. Ich machte mir, wie auch später in meinem Leben, keine grossen Gedanken darüber, ob dies für mich der richtige Beruf sei, sondern konzentrierte mich auf den Moment und versuchte dabei, das Beste herauszuholen.

Perfektionistisch veranlagt

Bald werde ich 68 Jahre alt. Erst vor 10 Jahren outete ich mich als Messie. Heute bin

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Eingebrochenes Mosaik Kurz vor der Fertigstellung sind der Redaktion Text und Bild durcheinander geraten. Bringe Licht ins Dunkel und helfe uns den Bildern die richtigen Bildlegenden zuzuordnen.

Das Gemeinschaftsprojekt der Redaktion entpuppte sich als heilloses Wirrwarr. Die Bildunterschriften stimmten plötzlich nicht mehr mit dem dazugehörigen Bild überein. Weisst du, welches Bild zu welchem Text passt? Ausserdem wusste die Redaktion selbst nicht mehr, was eigentlich auf den Bildern zu sehen ist und musste, ihrem eigenen Empfinden entsprechend, auf die Schnelle eine passende Bildlegende kreieren. Immerhin konnte die Redaktion auf Seite 13 vermerken, welche Kombinationen laut den Beteiligten die richtigen sind. Dort kannst du überprüfen, ob es sich mit deiner neugeordneten Lösung deckt. Vielleicht gibt

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r Text Jonas Frehner, Sarah Frehner,

Raffaela Angstmann, Sarah Huber, Uli Hahn, Dominic Illi, Nora Lipp, Martina Zimmermann, Melanie Keim, Julia Krättli, Silja Aebersold, anonym und Filip Dingerkus, Bilder Selin Bourquin

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Kranke Züge isolieren Verspätungen im Zugverkehr sind ansteckend. Bereits wenige Minuten Rückstand auf den Fahrplan können das ganze Netz durcheinander bringen. Ein eingeschworenes Team kommt dann zum Einsatz, wenn etwas nicht läuft, wie es soll.

Im Zug von Mailand nach Zürich. 3:0. Pato, Pato, Cassano. Noch immer schwärmt Alessandro vom brasilianischen Doppeltorschützen. Und von der letzten Spielminute, als der eingewechselte Antonio Cassano mit einem Penalty alles klar machte, den verzweifelten Inter-Mailand-Fans die letzten Hoffnungen auf den ersten Tabellenplatz raubte. Anstatt den bisherigen Leader AC Milan zu überholen, musste Inter den Erzrivalen als Sieger aus dem gemeinsamen Stadion ziehen lassen. Alessandros Augen glänzen. Er träumt bereits vom Scudetto, dem italienischen Meistertitel. Zweimal pro Jahr darf er sich ein Fussballspiel seines Lieblingsklubs live anschauen. Das wäre vielleicht anders, wenn er sich in einen anderen Klub verguckt hätte. Oder in eine andere Freundin. Denn Esther hat Gefallen gefunden am «Derby di Milano» und am Shopping danach. Der halbjährliche Trip nach Mailand hat sich einen festen Platz im Kalender ergattert. Sie geht mit ihm an den Match, er trägt die Taschen bei der Shopping-Tour. In der ersten Hälfte des verlängerten Wochenendes hat er das Sagen, in der zweiten sie. Nun ist Dienstagmorgen und die beiden rollen im Zug gemächlich heimwärts nach Zürich. Ein bisschen zu gemächlich vielleicht. Der EuroCity, ein

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Cisalpino Pendolino, ist mit einer Verspätung von knapp zwanzig Minuten unterwegs, die er sich bereits in Italien eingefangen hat. Der «ETR 470» darf heute offiziell nicht mehr nach der Bahngesellschaft benannt werden, da die Cisalpino AG per Ende 2009 die operative Tätigkeit eingestellt hat. Wir nennen ihn trotzdem so.

Die Abteilung, die nicht arbeiten soll

Esther existiert genau so wenig wie ihr Freund. Die lebensgrosse Puppe ist eine fiktive Kundin und hat einen zweiten Sitzplatz. Etwas abseits sitzt sie gleichgültig in einer Ecke des Kommandoraums OCP, dem Operation Center Personenverkehr. Sie sitzt abseits, aber nicht abgeschoben. Sogar im offiziellen Raumplan hat die Kundin Esther ihren festen Platz, direkt neben Fritz, Zugchef und ebenfalls eine Puppe. Durch die Fensterfront des OCP sieht man auf das Bollwerk von Bern. Die beiden Puppen schenken der Gleislandschaft vor dem Bahnhof aber keine Aufmerksamkeit, sondern richten den Blick ins Büro. «Fahrgast Esther und Zugchef Fritz sollen an unsere Aufgabe erinnern: Wir wollen unsere beiden Kundengruppen zufrieden stellen», erklärt Martin Zeller. Er leitet jene Abteilung der SBB, die möglichst wenig arbeiten soll. Das Operation Center ist ein elementarer Teil des Verkehrsmanagements der SBB und zuständig für die kurzfristige Produktionssteuerung. Konkret: Das OCP löst Probleme, die innerhalb von 48 Stunden auftreten. Hier werkelt es also immer dann im Hintergrund, wenn die Kunden stirnrunzelnd auf die Uhr schauen, verschwitzt auf den Bahnhöfen umherirren oder sich hektisch alternative Fahrplanverbindungen auf das Smartphone holen. «Unser Chef ist froh, wenn wir nichts zu tun haben», sagt Dieter Gyr. Doch nun hat er seit längerem ein Auge auf den verspäteten Zug aus Ita-


«Wenn ein Zug krank ist, wird er nicht kuriert. Ansonsten werden andere Züge angesteckt und die Verspätung breitet sich aus»

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lien geworfen und prüft, wo es zu Komplikationen kommen könnte. Dieter Gyr ist heute als Dispatcher International eingeteilt und überwacht alle Züge, die im Verlauf ihrer Fahrt irgendwann die Schweiz passieren. Allfällige Verspätungen wie bei unserem Cisalpino aus Italien leitet er weiter, sofern diese einen Einfluss auf den Betrieb in der Schweiz haben könnten.

Fünf Millionen SMS

Auf dem Schweizer Eisenbahnnetz sind nicht nur diejenigen SBB-Waggons unterwegs, die uns Kunden von A nach B bringen. Es verkehren auch Gütereisenbahnen oder Züge anderer Eisenbahnunternehmungen. Deshalb ist die Koordination bei Verspätungen komplex. Das OCP kann selber kaum Einfluss nehmen und muss die Bedürfnisse des Personenverkehrs bei den Betriebsleitzentralen – den zuständigen Stellen der übergeordneten Infrastruktur – anmelden. Zusätzlich fliessen weitere Informationsströme: Allfällige Ereignisse und Entscheidungen müssen kommuniziert werden. An das Zugpersonal, an das Bahnhofspersonal und an die Kunden. Jährlich kommen über 600‘000 Meldungen über den Alarmierungs- und Ereignisassistenten (ALEA), das zentrale Chatprogramm für SBBler, zusammen. Es werden über fünf Millionen SMS an das Zugpersonal verschickt. Eine ungeordnete Datenmenge, die für niemanden überschaubar ist. Deshalb werden die Fälle einerseits geographisch in «Ost» und «West» und andererseits nach Funktionen verteilt. Die Mitarbeitenden müssen rasch erkennen, welche Meldungen in ihren Aufgabenbereich fallen und die Auswirkungen auf den Kunden analysieren. Mithilfe verschiedener Tools und Systemen, die allesamt miteinander verknüpft sind, versuchen die Spezialisten im OCP dem Chaos Herr zu werden.

gibt es viele. Züge können vorzeitig gewendet, gestrichen oder ersetzt werden. Beat Steiger widmet sich wieder seinen Monitoren, wirft auch mal ein Auge auf das östliche Netz. Er stellt fest: Die Information vom verspäteten Zug aus Italien ist beim zuständigen Dispatcher Ost angekommen und bereits bearbeitet. Dieser hat Kontakt mit der Betriebsleitzentrale aufgenommen und entschieden, dass der EuroCity in Arth-Goldau vorzeitig wenden wird. So wird die Verspätung ausgemerzt: Indem die Strecke Arth-Goldau-Zürich nicht gefahren wird, kann der Zug eine Stunde später pünktlich Richtung Mailand starten – mit der Konsequenz, dass Reisende aus Zürich mit einem Extrazug nach Arth-Goldau gebracht werden, was ein zusätzliches Umsteigen erfordert.

Das System stabil halten

Martin Zeller, Leiter OCP, erklärt die Strategie anhand einer Analogie: «Wenn ein Zug krank ist, wird er nicht kuriert. Ansonsten werden andere Züge angesteckt und die Verspätung breitet sich aus. Wir isolieren kranke Züge und nehmen so zugunsten des ganzen Systems einzelne Verspätungen und gebrochene Anschlüsse in Kauf.» Esther und Alessandro horchen auf. Das Zugpersonal meldet, dass der Zug in Arth-Goldau wendet und alle Reisenden umsteigen müssen. Esther und Alessandro haben Glück: Bis nach Zürich können sie auf den Regionalverkehr über Zug ausweichen. Andere Reisende dagegen verpassen in Zürich ihre Anschlüsse und brauchen weitere Infos, die sie vom Zugpersonal erhalten. Der Zugchef klärt die Bedürfnisse ab und leitet sie ans OCP weiter, wo sie vom Koordinator Zug in Empfang genommen werden. Dieser fragt bei der Betriebsleitzentrale nach, ob die gewünschten An-

schlüsse in Zürich abgewartet werden können und leitet den Bescheid sowie alternative Reisevorschläge ans Zugpersonal weiter. Ricardo Dias kennt die Arbeitsbedingungen des Zugpersonals: «Zu 40 Prozent bin ich als Zugchef unterwegs», erklärt er, nachdem er einem gestressten Zugchef versichert hat, dass alle Anschlüsse gewährleistet sind. Lediglich die Reisewege grösserer Gruppen sowie diejenigen von Reisenden mit eingeschränkter Mobilität sind den SBB bekannt. Deren Transportkette wird vom Koordinator Ereignismanagement sichergestellt. Er ist es auch, der bei Verspätungen spätabends gegebenenfalls Taxis bestellt oder Hotelreservationen tätigt.

Esther hört mit

All die komplexen Informationsflüsse machen den Betrieb für Aussenstehende unübersichtlich. Doch sie sind nötig, um die Menge an Ereignissen zu koordinieren. Am äusseren Ende des OCP sitzen die Informationsspezialisten. Sie konzentrieren sich aufs Wesentliche und füttern bei gröberen Störungen die diversen Informationskanäle: Vom Teletext über die Medien bis hin zum Online-Fahrplan, der via Smartphone auch mobil abrufbar ist. Und sie sind am Mikrofon, wenn die Fahrgäste aufächzen: «Geschätzte Fahrgäste, eine Information der SBB in Bern...» Um das Chaos nicht zusätzlich zu vergrössern, muss die Information überall einheitlich sein. «Das Wording ist genau festgelegt. Wir können nicht von Schneefall, Unwetter und technischen Problemen gleichzeitig sprechen», erklärt Informationsspezialist Bruno Bollhalder. Er befindet sich direkt gegenüber von Esther und Fritz. Esther starrt apathisch in seine Richtung. Sie hört mit und will wissen, wie sie von Arth-Goldau nach Zürich kommt. r Text Dominic Illi, Bilder Selin Bourquin

Acht Monitore

Beat Steiger ist als Dispatcher West für die Entscheidungsprozesse auf der linken Seite der Nord-Süd-Achse verantwortlich. Grafikfahrpläne auf insgesamt acht Monitoren mit sich kreuzenden Linien zeigen alle Züge auf einem bestimmten Streckenabschnitt, in Echt- und Sollzeit. Für den Laien ein wirres Spinnennetz, für Beat Steiger dank seiner Erfahrung ein praktisches Tool: «Als Dispatcher ist man in Geografie sattelfest und kennt das Netz mehr oder weniger auswendig.» Dennoch verlieren sogar die Dispatcher kurzfristig den Überblick. «Bei heftigen Unterbrüchen kann auch bei uns mal das Chaos ausbrechen. Aber nach maximal 15 Minuten sollten wir das Problem erkannt und eine entsprechende Lösung bereit haben.» Interventionsmöglichkeiten

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SURFEN Viele weitere Personen kämpfen gegen das Verkehrschaos. Auf semestra.ch/verkehrschaos erfährt ihr im Interview mit einem Stadtpolizisten, wieso das Chaos am Central in Zürich trotz fehlender Lichtsignale keine Chance hat.


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Chaos in der Wissenschaft? Die Chaosforschung ist in der Mathematik und Physik verwurzelt, hat aber Wissenschaftler aus anderen Disziplinen angesteckt. Wofür steht das besagte «Chaos» überhaupt und wie kann man es fassen?

Der diesjährige mehrfache Oscargewinner «The King‘s Speech» handelt von George VI., dem stotternden König von England, und seinem Versuch, das Problem des Stotterns in den Griff zu bekommen. Der König steht mit seiner Beeinträchtigung nicht alleine da - etwa ein Prozent der Bevölkerung leidet an dieser Sprachstörung. Ob sie etwas mit Chaos zu tun hat, ist unklar und in der Wissenschaft herrscht Uneinigkeit darüber. Der Psychologe Rainer Höger zum Beispiel, verfolgt einen Ansatz, um sprachpsychologische Befunde zum Stottern chaostheoretisch zu erklären. Doch was versteht man eigentlich unter «Chaosforschung» und wo liegt deren Ursprung?

Ordnung in der Unordnung

Steckt Erkenntniswert im Chaos? Regelmässigkeiten bei zufällig anmutenden Bewegungsabläufen oder beispielsweise Ähnlichkeiten bei scheinbar willkürlichen Küstenlinien zu erkennen und messbar zu machen, sind Themen der Chaosforschung. Ein Teilgebiet der Mathematik befasst sich mit dynamischen Systemen. Diese be-

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schreiben Vorgänge, wie zum Beispiel die Bewegung der Planeten oder die Entwicklung des Weltwetters. Charakteristisch dabei ist, dass der Verlauf eines Vorgangs vollkommen bestimmt ist, wenn man den Anfangszustand kennt. Das hat den dynamischen Systemen die Bezeichnung «deterministisch» eingebracht. Die Pointe der Chaosforschung: Deterministisch bedeutet nicht automatisch, dass Verläufe auch vorhersagbar sind! In den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts untersuchte der Meteorologe Edward Lorenz am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston mit Hilfe von Computerberechnungen das Verhalten von dynamischen Systemen. Dabei stellte er zu seiner Verblüffung fest, dass zwei Verläufe ganz schnell ganz stark voneinander abweichen können, wenn sich die jeweiligen Anfangszustände nur ganz geringfügig unterscheiden. Diese «Experimente» brachten Schwung in die Chaosforschung.

Ursprung

Da Lorenz’ Untersuchungen auf Computerberechnungen fussten, kam die Vorstellung auf, bei der Chaosforschung handle es sich um eine junge Teildisziplin. Der emeritierte Mathematikprofessor Urs Kirchgraber von der ETH Zürich lässt diese Vorstellung nicht gelten. Ihre Wurzeln würden in Wirklichkeit viel weiter zurückreichen. Und wichtig sei der historische Kontext. Ohne den könne die Faszination des Themas nicht begriffen werden. Der französische Mathematiker Henri Poincaré hat Ende des 19. Jahrhunderts fundamentale mathema-


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Mechanik (Kraft ist Masse mal Beschleunigung) und das Gravitationsgesetz (ein Postulat über die Anziehungskraft zwischen zwei Körpern). Die Vorhersagen, die sich aus dieser Theorie für die Bewegungen der Planeten ergaben, waren so hervorragend, dass sogar ein bis dahin nicht bekannter Planet – Neptun – entdeckt wurde! So entwickelte und verfestigte sich die Vorstellung, dass deterministisch auch prognostizierbar bedeutet – ein Denkfehler, wie Poincaré bemerkte.

Nicht nur negativ

«Aus einem Flügelschlag wird ein Tornado» tische Untersuchungen zu Newtons Theorie der Bewegung der Himmelskörper durchgeführt. Dabei stiess er durch rein mathematische Überlegungen, Computer gab es damals noch lange nicht, auf das für die Chaosforschung charakteristische Phänomen. 1903 formulierte er, dass «kleine Abweichungen in den Anfangsbedingungen schliesslich grosse Unterschiede in den Phänomenen erzeugen. Ein kleiner Fehler am Anfang wird später einen grossen Fehler zur Folge haben. Vorhersagen werden unmöglich (...).» Er bezieht sich, wie wir heute sagen, auf das Gesetz von Ursache und Wirkung und hat damit den erst etwa 60 Jahre später postulierten Schmetterlingseffekt schon vorformuliert. Dieser besagt, dass beispielsweise ein Flügelschlag eines Schmetterlings in China einen Sturm in Europa auslösen kann. Poincarés Untersuchungen basieren auf dem Fundament, welches durch Isaac Newton gelegt wurde. Newton entwickelte im 17. Jahrhundert eine Theorie der Bewegung mit zwei Grundpfeilern: das Grundgesetz der

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Die Chaostheorie hat 2008 mit Edward Lorenz und 2010 mit Benoît Mandelbrot zwei ihrer einflussreichsten Vordenker verloren und es ist etwas stiller um die einst als revolutionär angepriesene Chaosforschung geworden. Dies sei ein ganz natürliches Phänomen sagt Kirchgraber. Viele Theorien entwickeln sich wellenförmig. Mal sind gewisse Themen in aller Munde, dann flacht das Interesse ab und etwas anderes drängt sich in den Vordergrund. In der Mathematik ist dies nicht anders. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Chaosforschung tot ist. Im Moment sei es zwar etwas ruhiger geworden, meint Kirchgraber, aber es gebe durch mathematische Beweise gesicherte Ergebnisse, die Bestand hätten. In der Biologie kann eine neue Einsicht grosse Teile der Forschung falsifizieren. In der Mathematik ist das nicht so. Man kann jederzeit auf die einmal gewonnenen Erkenntnisse zurückgreifen und weiterführende Forschung betreiben. Aus einem Flügelschlag wird ein Tornado. Aus einer kleinen Abweichung wird nach einiger Zeit eine riesengrosse, und Prognosen sind mit so grossen Abweichungen behaftet, dass sie nutzlos sind. Das klingt nicht sehr befriedigend! Aber es gibt auch eine Kehrseite: das Phänomen kann auch positiv genutzt werden. Der Trick sei, diese Schwäche zu einer Stärke zu machen, so Kirchgraber und benutzt ein Bild. Befindet sich eine Kugel im Tal, braucht es viel Kraft um sie auf den Berg zu hieven. Ist die Kugel jedoch auf dem Gipfel kann sie mit geringer Kraft auf die eine oder andere Seite gelenkt werden. Prof. Daniel Stoffer von der ETH Zürich nennt ein praktisches Beispiel: Wenn ein Satellit sich genau dort befindet, wo die Anziehung durch die Erde gleich gross ist wie durch den Mond, braucht es nur einen kleinen Energieaufwand um ihn in eine der beiden Richtungen in Bewegung zu setzen. Solche Überlegungen können zum Entwurf von treibstoffsparenden Weltraumreisen benutzt werden wie sie Edward Belbruno in seinem populärwissenschaftlichen Buch «Fly Me to the Moon» beschreibt.


Popularisierung

In einem Interview mit der NZZ räumte der Physiker Mitchell Feigenbaum ein, dass der Begriff «Chaostheorie» eine sehr irreführende Bezeichnung sei. Es handle sich im Grunde nicht um etwas «Chaotisches» sondern lediglich um «Regelmässigkeiten in komplexen Abläufen». Unter den Ausdrücken «Differenzialgleichungen» und «dynamische Systeme» können sich Nicht-Fachleute nicht viel vorstellen und so hat sich im Volksmund die einprägsame Bezeichnung «Chaostheorie» festgesetzt. Generell steht Kirchgraber Popularisierungsbemühungen positiv gegenüber. Mathematische Überlegungen sollten den Menschen zugänglich gemacht werden. Vor allem in der Schule, aber nicht nur. Dazu darf auch ruhig auf Vereinfachungen und Metaphern zurückgegriffen werden, solange es der Materie noch gerecht wird. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass hinter vielen technischen Errungenschaften Mathematik steht. Geredet wird kaum darüber, aber ohne Mathematik gäbe es zum Beispiel so nützliche Geräte wie Handys, GPS, CT, usw. nicht. Das Problem ist, dass Formeln und Rechnungen oft nicht visuali-

sierbar sind wie manche physikalische oder chemische Experimente. Das Thema Chaos ist einfacher zu vermitteln und so wurde es einer breiten Öffentlichkeit bekannt – eine Metapher wie der Schmetterlingseffekt bleibt in Erinnerung. Das scheinbare Paradox, dass «deterministisch» und «nicht prognostizierbar» sich nicht ausschliessen, gehört zum Reiz des Themas.

Interdisziplinarität

Dass chaotische Phänomene auch in anderen Disziplinen auftreten und Erklärungswert haben können, ist gewiss denkbar, vor allem im Hinblick auf naturwissenschaftliche Fragestellungen. Allerdings: In der Meteorologie, die gerne als interdisziplinäres Beispiel der Chaosforschung herangezogen wird, gibt es keine mathematischen Beweise für chaotisches Verhalten. Kirchgraber und Stoffer führen das darauf zurück, dass die Mechanismen, die die Entwicklung des Wetters bestimmen, höchst komplex sind. Rainer Höger hat bei seinen Forschungen festgestellt, dass sich die Strukturen des Stotterns mit der Zeit verändern und die Silbenrepetitionen unregelmässig sowie arrhythmisch werden. Ein Metronom

oder das Reden im Chor könne den Sprechfluss erleichtern. Solche Hypothesen sind zweifelsohne interessant, müssen jedoch mit der nötigen Nüchternheit betrachtet werden. Mitchell Feigenbaum bezweifelt, dass sich die Chaostheorie problemlos auf die Sozial- und Geisteswissenschaften anwenden lässt: «Die Chaostheorie bezieht sich auf eine Welt, in der sich Geschwindigkeiten, Konzentrationen, kurz: alle betrachteten Grössen, exakt messen lassen. Dass sie plötzlich alle wissenschaftlichen Probleme lösbar machen soll, wäre etwas zu viel verlangt.» Mit der menschlichen Psyche kommt gar einer der komplexesten Faktoren überhaupt ins Spiel! Im Endeffekt sind sich viele Mathematiker und Physiker trotz Skepsis darin einig, dass, obwohl eindeutige Beweise noch fehlen, zukünftig Brücken zwischen Chaosforschung und anderen Disziplinen denkbar sind. Die Welt und das Universum in ihrem ganzen Spektrum erklären zu können, muss jedoch nicht unser Lebensziel sein. Wir sollten uns vom Chaos nicht verrückt machen lassen. r Text Filip Dingerkus, Bilder Selin Bourquin

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sbb.ch/jobs

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10.02.11 15:06


UNIPOLITIK

DiplomChaos Heute, rund zehn Jahre nach der Einführung des Bologna-Systems an den Schweizer Hochschulen, wird der Mehrheit der Studierenden nach drei Jahren Studium ein Bachelor-Diplom überreicht. Wie sieht ein solches Diplom aus? – Studiversum hat die Diplome der philosophischen und sozialwissenschaftlichen Fakultäten der Schweizer Universitäten verglichen. Im Jahr 1999 haben die Bildungsminister von 29 europäischen Staaten, darunter auch die Schweiz, die Bologna-Deklaration unterzeichnet. Ihr Ziel: Bis 2010 soll ein europäischer Hochschulraum geschaffen werden. Um die vielgelobte Mobilität zu fördern sowie die Arbeitsmarktfähigkeit der Studierenden zu steigern, wurden verschiedene Massnahmen beschlossen. Neben der Durchsetzung eines Studiensystems mit zwei Hauptzyklen – Bachelor und Master – sowie eines Leistungspunktesystems – den ECTS-Punkten – ging es insbesondere darum, die Kompatibilität und Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse zu ermöglichen. Klingt vielversprechend. Doch wurden diese Vorgaben in der Praxis auch umgesetzt? Beim genauen Betrachten der Bachelor-Diplome haben wir ziemlich schnell bemerkt, dass es an den Schweizer Universitäten nicht ein einheitliches Bachelor-Diplom gibt, sondern unzählige Varianten. Schlägt man ein Bachelor-Diplom der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich auf, so springt einem gleich der Notendurchschnitt ins Auge. Derjenige von Haupt- und Nebenfach sowie die gewichtete Gesamtnote sind an prominenter Stel-

09  STUDIVERSUM | 2011.05 — Lösung «Eingebrochenes Mosaik»: Siehe Seite 18


le, auf der rechten Seite des blauen Büchleins, gleich unter dem Titel «Bachelor of Arts UZH», platziert. Wer seinen Bachelor hingegen an der Faculté de lettres der Université de Lausanne absolviert hat und sich für seinen Durchschnitt interessiert, müsste sich die Noten von Haupt- und Nebenfach erst im Leistungsausweis heraussuchen, um den Gesamtdurchschnitt dann selbst zu berechnen.

en der CRUS geregelt, was den Hochschulen einen hohen Handlungsspielraum lässt. Dieser umfasst nicht nur «Details» wie etwa die Notendurchschnitte. Da nicht der Bachelor sondern erst der Master als Regelabschluss betrachtet wird, werden beispielsweise an medizinischen Fakultäten teilweise nicht einmal Bachelor-Diplome ausgestellt.

Uneinheitliche Diplome

Die Tatsache, dass der Bachelor nicht als «Normabschluss» gilt, spiegelt sich auch in der Statistik wider. Insgesamt begannen laut Bologna-Barometer 2010 (Bundesamts für Statistik) 88% der Studierenden an Schweizer Universitäten in den zwei Jahren nach ihrem Bachelor-Abschluss ein Masterstudium. Bei den Geistes- und Sozialwissenschaften sind es etwas weniger. Die Zahl der Studenten, die nach ihrem Bachelor-Abschluss direkt ins Arbeitsleben einsteigen, scheint damit noch immer relativ gering zu sein. Laut Roger Gfrörer, Abteilungsleiter der Career Services der Universität Zürich, ist es schwierig, den tatsächlichen Wert eines philosophischen oder sozialwissenschaftlichen Bachelors auf dem Arbeitsmarkt abzuschätzen. Denn «den Master gibt es auf dem Arbeitsmarkt eigentlich noch gar nicht.» Er stellt aber fest, dass zunehmend mehr Studierende mit einem Bachelor die Career Services aufsuchen, etwa weil sie vor dem Masterstudium eine Pause einlegen wollen. Die Studenten scheinen ihre Chancen also durchaus als intakt einzuschätzen. Wer nach dem Bachelor-Abschluss den Schritt ins Arbeitsleben wagt, dem empfiehlt Gfrörer, die vollständigen Zeugnisse, also auch das Bachelor-Zeugnis, dem Bewerbungsdossier beizulegen und gute Noten zu betonen. Die Tatsache, dass die Bachelor-Noten auf völlig unterschiedliche Weise ermittelt werden, war den Career Services der Universität Zürich bisher nicht bekannt. Die Frage, inwiefern dies die Auswahl von Bewerbern – für eine Arbeitsstelle oder einen spezialisierten Masterstudiengang – beeinflussen kann, bleibt offen.

Genau wie die Darstellung variiert auch die Berechnungsweise beträchtlich, welche hinter dem Notenschnitt steckt – von Universität zu Universität, von Fakultät zu Fakultät. Vorherrschend scheint an den universitären Hochschulen die Gewichtung der Noten nach Credit Points zu sein. So geben etwa die Universität St. Gallen, die Philosophische Fakultät der Universität Zürich oder die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Fribourg an, die Bachelor-Noten nach diesem System zu berechnen. Doch auch zwischen den Fakultäten, welche den Notendurchschnitt nach Credit Points gewichten, sind deutliche Unterschiede zu beobachten. Während beispielsweise an der Uni St. Gallen jedes einzelne Modul benotet wird, gibt es an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich, je nach Studiengang, relativ viele Module, welche nur als «bestanden» oder «nicht bestanden» gewertet werden und somit nicht in die Endnote einfliessen. Andere Fakultäten, wie etwa die Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Luzern oder die Philosophisch-Historische Fakultät der Universität Basel, gewichten die Bachelor-Note nach Prozentsätzen, welche in den Reglementen der Fakultäten zu finden sind. Die Sozial- und Politikwissenschaftlichen Fakultät der Université de Lausanne hingegen macht es sich noch einfacher. Dort wird der Notendurchschnitt gleich ganz weggelassen. Sabine Felder, Leiterin der BolognaKoordination der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS), erklärt die unterschiedlichen Vorgehensweisen damit, dass die Zusammenstellung der Bachelor-Note ganz in der Kompetenz der Universitäten beziehungsweise Fakultäten liegt. Generell werden nur unerlässliche Vorgaben durch die Bologna-Richtlini-

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Was ist der Bachelor wert?

Auslandsemester unerwähnt

Ausser Frage steht hingegen, dass ein Mobilitätsaufenthalt auf dem Arbeitsmarkt ein grosses Plus bedeutet. Dazu muss aber auch erkennbar sein, dass ein solcher stattgefunden hat. Logisch. Im Bachelor-Dip-

lom der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich jedoch sind Module, welche im Rahmen eines Austauschprogramms absolviert wurden, lediglich als «externe Leistungen, anerkannt im Fach X» vermerkt. Wer nach der genauen Bezeichnung einer Lehrveranstaltung oder dem Namen der Gastuniversität sucht, der sucht vergeblich. Auch im Diploma-Supplement ist keine Spur eines Studienaustauschs zu finden. Gleiches gilt an der Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Université de Genève und der Philosophischen Fakultät der Universität Fribourg. Während die Zürcher bisher keine Stellung dazu genommen haben und die Genfer die Tatsache bedauern, verweist man in Fribourg auf die Scheine, welche die Gastuniversitäten den Studierenden als Bestätigung für die erbrachten Leistungen aushändigen sowie auf die Learning Agreements zwischen den Universitäten. Diese könnten dem Bachelor-Diplom ja beigelegt werden. Eine etwas unbefriedigende Erklärung, wenn man bedenkt, wie viele Scheine man bereits für ein Semester anhängen müsste oder wie umfangreich die beizulegenden Erklärungen ausfallen müssten, da beispielsweise die Kreditpunkte auf dem Zertifikat in den wenigsten Fällen mit denjenigen auf dem Diplom übereinstimmen. Einen Lichtblick bilden dennoch diejenigen Institutionen, welche sowohl die Lehrveranstaltung als auch die Gastuniversität aufführen oder zumindest angeben, dass und wo ein Studienaustausch stattgefunden hat, wie etwa die Philosophisch-Historische Fakultät der Universität Basel oder die Universität St. Gallen. Mission Bologna accomplished? Rund zehn Jahre nach der Unterzeichnung der Bologna-Deklaration stellen wir fest: Die Schweizer Universitäten scheinen formale Details wie Abschluss-Zeugnisse nicht als zentralen Punkt der angestrebten Vereinheitlichungsprozesse anzusehen. Um die grundsätzlich positive Absicht der Bologna-Reform, nämlich die Vergleichbarkeit der Studienzyklen und der Abschlüsse sowie die gesteigerte Mobilität, zu ermöglichen, ist ein einheitliches Grundgerüst jedoch unabdingbar. Nur so kann Chancengleichheit entstehen. Die Frage bleibt offen, ob die Schweizer Universitäten sich diesem Ideal annähern oder ob sie sich nicht immer weiter davon entfernen. r Text Sarah Frehner, Illustration Melanie Imfeld


REPORTAGE

The Social Television Wir alle kennen Social Media. Seit Jahren werden soziale OnlineNetzwerke überall auf der Welt immer beliebter und verändern zunehmend mehr Bereiche unseres Offline-Lebens. Das Leben verlagert sich ins Internet. Man mag das schätzen oder nicht, aber es wird wohl kommen. Sebastian Bartz und Justin Scull haben nun ein soziales Netz34  STUDIVERSUM | 2011.05

werk geschaffen, das unser TV-NutzungsVerhalten verändern könnte. StudiVersum traf die beiden Visionäre in Berlin. Soziale Online-Netzwerke – sie dienen schon lange nicht mehr dem blossen Austausch mit Freunden, sondern helfen uns bei der Frage, in welche Bar wir heute Abend gehen, wohin wir demnächst in den Urlaub fahren oder gar welchen potenziellen Lebenspartner wir unbedingt treffen sollten. Erstaunlich «unsozial» verhalte sich heute dagegen immer noch der Konsum von TV-Inhalten, finden Sebastian Bartz und Justin Scull vom Internet-Startup TunedIn. «Und das obwohl TV-Inhalte von Natur aus sozial wirken, wie die allmorgendlichen Gespräche in Schule, Uni und auf der Arbeit über das Vorabend-Programm bezeugen.» Das massive Aufkommen von Smartphones und Tablets werde die TV-Welt verändern. Für dieses so genannte «Second-Screen»-Phänomen, also die komplementäre Nutzung eines zweiten Bildschirms während des Fernsehens, haben die beiden ein passendes soziales Netzwerk geschaffen.

Just do it

Mit Anfang 30 zurück im Elternhaus, bis spät nachts arbeiten, das heissgeliebte Motorrad für Startkapital verkaufen, das eigene Zimmer als Büro nutzen – so sah das Leben der jungen Startup-Unternehmer Sebastian und Justin in den letzten Monaten aus. Und den beiden macht das sogar noch unendlichen Spass: «Wir leben den ‹American Dream› und bauen selbst etwas auf.» Justin weiss wovon er spricht, schliesslich ist er selbst aus den USA und wohnt derzeit in New York. «Es ist wie Achterbahn fahren. Es geht immer rauf und runter…», «…aber wenn du am Ende aussteigst, dann weisst du, was du geschafft hast», beendet Sebastian Justins Satz. Kennengelernt haben sich die beiden bei ihrem letzten Arbeitgeber, einer renommierten Unternehmensberatung. Bereits an Justins erstem Arbeitstag waren sie zusammen essen, und seither verbindet die beiden eine dicke Freundschaft. Auch als Sebastian, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, Jahre später entschied, seinen Job als Berater aufzugeben und ein Sabbatical im Ausland zu machen, blieben die beiden in Kontakt. In dieser Zeit wuchs bei ihnen der Drang nach etwas Neuem und vor allem nach etwas Eigenem. Beide fragten sich damals: «Wenn nicht jetzt, wann ei-


gentlich dann?» «Wenn du ein soziales Online-Netzwerk aufbauen willst, ist es natürlich von Vorteil auch offline ein Netzwerker zu sein.» Nach diesem Leitprinzip haben die beiden ihr Arbeitsumfeld aufgebaut: Das TunedIn-Team setzt sich zusammen aus früheren Arbeitskollegen, Freunden und Bekannten, die aus verschiedensten Disziplinen und Ländern stammen. Dieses so entstandene Netzwerk hat es ihnen ermöglicht, innert weniger Monate und nur mit eigenem Kapital das Produkt zu entwickeln: Der Launch ist auf Mitte Mai 2011 angekündigt.

Die Idee

TunedIn heisst das Produkt, beziehungsweise die Webapplikation, die später auch angepasst für gängige Smartphones und Tablets verfügbar sein wird. Es ist Social Television: Statt am Abend alleine vor dem Fernseher zu sitzen soll der User Kontakt zu seinen Freunden und Gleichgesinnten haben können, während sie live dasselbe Fernsehprogramm konsumieren. Die beiden Jungunternehmer bedienen sich hier dreier Massenphänomene: TV, (mobilem) Internet und sozialer Netzwerke. «Wir wollen aus Media wahrhaftig ‹Social Media› machen. Der Konsum von Massenmedien ist heute eigentlich nicht sehr sozial, insbesondere das Fernsehen. Einpersonenhaushalte nehmen in unserem Kulturkreis stark zu; bereits heute schaut die Mehrheit der Menschen allein fern. Gleichzeitig aber steigt der soziale Austausch über Smartphones und Online-Netzwerke.» Das Ganze muss man sich so vorstellen: Der Nutzer sitzt vor dem Fernseher auf dem Sofa und ist über Notebook, Smartphone oder Tablet bei TunedIn eingeloggt. Für den Fall, dass er bei all dem unüberblickbaren TV- und Film-Content gar nicht weiss, was er schauen soll, wird TunedIn ihm hier helfen können. Der Nutzer kann sehen, was seine Freunde gerade schauen und basierend auf eigenen Bewertungen von Filmen, Serien und Shows und denen aus dem Netzwerk, schlägt TunedIn seinen Nutzern den Content vor, der am besten zu ihnen passt. Ist der gewünschte Inhalt ausgewählt, kann er hierzu Freunde einladen, sich mit ihnen austauschen, seine Meinung äussern und mit seiner gesamten Aktivität bei TunedIn Punkte sammeln, die ihn im Ranking aufsteigen lassen. Diese Punkte stellen eine Art Währung dar und sollen sich in Zukunft in Real-Life-Benefits verwandeln. Klingt alles ganz plausibel. Aber werden nicht schon heute soziale Netzwerke für den Austausch zu Medieninhalten genutzt?

22  STUDIVERSUM | 2011.05

«Sicher», entgegnet Justin, «es gibt Facebook um sich mit Freunden auszutauschen und Videos zu posten, Twitter für kurze Statements, und tv.com oder imbd.com, um sich über die Serien zu informieren. Das alles ist weit zerstreut im Web verfügbar. Wir bringen das Beste von diesen Plattformen zusammen und bieten es einfach zugänglich für alle an. Alles was man dazu braucht, ist ein Fernseher und ein Internetzugang. Die Bedienung ist simpel und unser gesamtes Angebot für den Nutzer kostenfrei. Wenn man junge Teenager beobachtet, sind die die ganze Zeit am simsen während sie TV schauen. Mit TunedIn können sie sich gratis mit Freunden austauschen. Sie brauchen sich auch kein neues Netzwerk aufbauen. Da der Login über Facebook Connect läuft, sind ihre Facebook-Freunde auch gleich ihre TunedIn-Freunde.» Weshalb sollte ich online mit meinen Freunden chatten und daheim Fussball schauen, wenn ich meine Freunde auch einfach in einer Bar treffen könnte? Das wäre doch «sozialer». «Ja klar ist es schöner gemeinsam mit Freunden im selben Raum eine interessante Show oder einen guten Film zu schauen. Das wollen und können wir auch nicht ersetzen! Jeder kennt allerdings die Situation, dass es häufig einfach nicht möglich ist, physisch beieinander zu sein. Gerade während des Studiums ist doch der Freundeskreis oft global verteilt. Mit TunedIn wird man seine Freunde virtuell um ein mediales Thema versammeln können, egal wo sie sich gerade befinden.» Es gibt bereits Konkurrenz in den USA. «Richtig, unser Gesamtkonzept geht jedoch wesentlich weiter als das blosse ‹Share what

you’re watching and earn points›-Konzept der meisten Akteure. Bereits ab Start bieten wir ein individuelles Set aus wichtigen Features rund um den Konsum von TV-Inhalten, gepaart mit einem ansprechenden Design.»

Virtuelles Socializing

Angebote wie dieses werfen Fragen nach der Zukunft von Social Media auf. Wird die Zukunft einen ewigen zweiten Bildschirm enthalten? Studien zeigen, dass die Menschen schon jetzt verschiedenste Medien zeitgleich nutzen. Auf welche Ebenen kann man das noch bringen? Aufmerksamkeit, das wertvollste Gut in der Medienbranche, wird immer schwieriger zu generieren, vor allem wenn die Schnelllebigkeit des Internets kein Ende kennt. Sind wir schon zu «connected»? Kein Tag vergeht, an dem wir nicht auf einen Bildschirm schauen. Fakt ist, der Mensch wird immer ein Zugehörigkeitsbedürfnis haben. Immer mehr verlagert sich das «Zusammensein» auf die virtuelle Welt und in die sozialen Netzwerke. Dabei wird dort nur versucht das zu imitieren, was man im realen sozialen Kontakt erlebt. Der Daseinszweck von einem Smiley ist die Imitation der Mimik eines Menschen. Diese soll unterstreichen, wie etwas gemeint ist. Die Online-Welt kann nicht wirklich ersetzen, was wir real zusammen erleben. Werden wir je über gemeinsame Online-Erlebnisse reden? Kann es sein, dass Socializing und gemeinsame Erinnerungen auf das Web ausgelagert werden? Kontakt haben zu jemandem über technische Hilfsmittel kann das Gefühl der Nähe vermitteln, auch wenn man die Person im realen Leben schon tagelang nicht mehr gesehen hat… r Text Raffaela Angstmann, Bild TunedIn

Second screen future? In der Schweiz besteht diese Two-screen-Welt bereits in einer anderen Form: «Joiz», ein Kanal für die «Digital Natives», die 15- bis 29-Jährigen, welche mit dem Internet aufgewachsen sind. «Joiz» verbindet Fernsehen mit Internet, Mobiltelefon und sozialen Netzwerken. Und für die ganz Kleinen gibt es auf SF das trimediale Programm «Zambo», das Fernseh- und Radioinhalte anbietet und gleichzeitig interaktive Elemente auf der Website zur Verfügung stellt. Schon Sechsjährige tauschen sich da aus und bewegen sich mit ihrem Avatar auf dem Zambo-Planeten. SURFEN www.tunedin.de


IMPRESSUM | 2011.05

DENKSPIEL | Kartengeheimnis

HERAUSGEBERIN:

Da liegen sie vor uns auf dem Tisch: die Kreuz-Acht, aber auch das Herz-Ass, die Karo-Dame und der Schaufel-Bube, alle Farben und alle Bilder. Aus wie vielen Karten ein Set besteht, ist schnell ermittelt: Jede der vier Farben besteht aus 13 Karten, vom Ass (1) über die Zehn, bis hin zum Buben, der Dame und dem König. Da die Zahl 13 per se merkwürdig und somit denkwürdig ist, wirft ein gewöhnliches Kartenspiel Fragen auf, selbst wenn keine Karte ausgespielt wird. Ein Netz mit höchst interessanten Zusammenhängen knüpft der norwegische Philosoph Jostein Gaarder in seinem verspielten Roman «Kartengeheimnis» (dtv, 1998), wobei er bewusst nicht auf den Joker verzichten will. Unabhängig davon, was sich im Buch auf dieser Insel abspielt, lohnt es sich einmal gründlich zu überlegen, welche zwei bemerkenswerte Brücken sich zwischen einem Kartenspiel mit 13 Karten pro Farbe und unserem Kalender schlagen lassen. Und vergessen wir nicht, bei der einen zeitlichen Brücke den Joker geschickt einzusetzen!

Campus Lab AG Eschenring 2 6300 Zug CHEFREDAKTORIN:

Raffaela Angstmann REDAKTOREN DIESER AUSGABE:

Silja Aebersold, Raffaela Angstmann André Bähler, Filip Dingerkus Jonas Frehner, Sarah Frehner Sarah Huber, P.H. Dominic Illi, , Melanie Keim Uli Hahn, Claudia Piwecki Nora Lipp, Martina Zimmermann LAYOUT:

Aline Dallo DESIGN:

Lösung der letzten Ausgabe (Signiertes Loch): Gestartet wird mit dem kompakten Münzen-Parallelogramm. Nun wird zuerst die Münze A, danach die Münze B gemäss der Skizze in die Lücke verschoben. Durch die jeweilige Berührung mit zwei weiteren Münzen werden die Münzen präzis positioniert.

Céline Beyeler, Maike Hamacher BILDREDAKTION:

Selin Bourquin

B

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ILLUSTRATION:

Melanie Imfeld

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FOTOGRAFIE:

Selin Bourquin, Durchzwei Laura Ferrara LEKTORAT:

André Bähler DRUCK:

KONTAKT:

Campus Lab AG Lavaterstrasse 71 8002 Zürich Tel: +41 44 201 16 57 Fax: +41 44 201 16 50 info@campuslab.ch Web:

www.campuslab.ch www.studiversum.ch

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Vogt-Schild Druck AG

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Bei der «Blume» wird mit einem kompakten Sextett (Parallelogramm) gestartet und praktisch analog wie zuvor verfahren. Stets kommt die zu verschiebende Münze mit zwei weiteren Münzen in Berührung. r Text P.H.

LESERBRIEFE:

leserbriefe@studiversum.ch StudiVersum erscheint sechs Mal jährlich in einer Auflage von 25 000 Exemplaren an allen Universitäten und Fachhochschulen der Deutschschweiz. Alle Rechte vorbehalten; Nachdruck, Aufnahme in OnlineDienste und Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern wie CD-Roms etc. nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der Herausgeberin.

13  STUDIVERSUM | 2011.05 — Lösung «Eingebrochenes Mosaik»: Bitte zwei Seiten zurückblättern


Die flotte 3 er-WG

Frauen begaffen will gelernt sein Text: André Bähler

Durch das Zugfenster bewundert Beat die vorbeiziehende Landschaft. Er mag den Frühling sehr: die Blumen, die frisch gepflügten Felder, das zarte Hellgrün der spriessenden Blätter – und natürlich die Frauen, die endlich ihre Wintermäntel abgelegt haben und erfreulich knapp geschnittene Kleider tragen. Wie zum Beispiel die junge Dame gegenüber von Beat, bei der er natürlich rein zufällig im Abteil gelandet ist. Sie hat dunkle, gewellte Haare – ein wunderbarer Kontrast zu ihren leuchtendblauen Augen – und kombiniert eine weisse Bluse mit einem leichten Sommerröckchen, das ihre wohlgeformten Beine vorteilhaft zur Geltung bringt. Frauen wie sie werden oft angestarrt und entwickeln einen sechsten Sinn dafür. Beat nimmt diese Herausforderung an. Die Frau (Beat tauft sie auf den Namen «Sophie») blättert in einer Illustrierten. Scheinbar eine ideale Konstellation, um sorglos zu gaffen. Doch der Routinier Beat weiss es besser: Auch wenn wir uns auf etwas in der Nähe konzentrieren, registrieren wir Bewegungen, die weiter entfernt sind. Wer daraus schliesst, dass man sich beim Gaffen möglichst regungslos verhalten muss, hat nichts verstanden; denn niemand verharrt eine halbe Stunde steif in seinem Sessel! Alle Menschen blicken deshalb automatisch auf, wenn sich das Gegenüber längere Zeit nicht bewegt. Dies ist der sogenannte Kontrollblick. Beat kennt dieses Phänomen und macht es sich zunutze. Er schaut «Sophie» regungslos an, ist aber auf der Hut. Deshalb erkennt er ihren Kontrollblick schon im Ansatz. Als sie aufschaut, hat er den Blick längst abgewandt und starrt scheinbar gedankenverloren über ihre linke Schulter ins Leere. Noch bevor «Sophie» ihren Blick wieder senken kann, guckt Beat sie an und «erwischt» sie dabei, wie sie ihn anschaut. 1:0! Sie lächelt verlegen. Beat lächelt auch und gibt ihr damit zu verstehen: «Das muss dir doch nicht peinlich sein. Es passiert mir öfters, dass mich Frauen angucken.» Beat ändert nun die Taktik. Er tut so, als würde er

8  STUDIVERSUM | 2011.05

die vorbeiflitzende Frühlingslandschaft geniessen. In Wahrheit studiert er natürlich «Sophie», deren Reize auch im spiegelnden Fensterglas sehr gut erkennbar sind. Der «Fensterblick» hat den Vorteil, dass man genau sieht, was jemand macht, ohne dass man in seine Richtung schauen muss. Als Beat merkt, dass «Sophie» ihn verstohlen mustert, schaut er sie an. 2:0. Diesmal ist Beats Gesichtsausdruck immer noch freundlich, aber einen Zug reservierter, so à la «dieses Mal lasse ich es dir noch durchgehen, aber bitte hör auf, mich dauernd anzustarren». Der Zug fährt in Kehrenbach ein, bald muss er aussteigen. Höchste Zeit für den Beat-Super-Spezial, den er einmal per Zufall entdeckt hat. Beat öffnet den kleinen Abfallbehälter unter dem Tischchen. Dabei ertönt das typische metallische Quietschen, das jeder kennt, der regelmässig Zug fährt, und deshalb kaum beachtet wird. Da die Passagiere dieses Geräusch so oft gehört haben, wissen sie auch, was gleich darauf kommt: ein leicht dumpferes Quietschen, wenn der Behälter wieder geschlossen wird. Beat schliesst aber den Behälter so sachte, dass dieses Geräusch ausbleibt. Das wiederum läuft der Erwartungshaltung der Fahrgäste zuwider, wobei dieser Prozess praktisch immer unbewusst abläuft – so auch bei «Sophie»: Ohne recht zu wissen weshalb, schaut sie leicht irritiert auf. Genau darauf hat Beat gewartet. 3:0. Ein lupenreiner Hattrick! Beat wirft ihr nun den «Ja, ich weiss, dass ich verdammt gut aussehe, aber lass mich jetzt endlich in Ruhe»-Blick zu. Dann lehnt er sich ins Polster zurück und geniesst es, dass er eine so schöne Frau wie «Sophie» drei Mal dabei erwischt hat, wie sie ihn angeschaut hat – ein wirklich prickelndes Erlebnis für einen wie ihn, der seit über drei Jahren keinen Sex mehr hatte. Weitere Geschichten der flotten 3er-WG findest du auf semestra.ch/dieflotte3er-wg. Schau doch rein!


WIE ANNO DAZUMAL

Arbeitstipp Kein «Puff» mehr Angefangen hat es mit einer Referatsvorbereitung. Sebastian hat vorgeschlagen, dass wir uns bei ihm zuhause treffen und in Ruhe an seinem Schreibtisch das Konzept ausarbeiten. Doch als ich diesen Schreibtisch sah, hat es mich fast aus den Socken gehauen: «Sebastian», sagte ich, «in diesem ‹Puff› können wir doch nicht arbeiten. Du musst zuerst einmal aufräumen.» «Ach Horst», sagte der Jungspund, «wie oft habe ich das schon versucht. Aber es nützt nichts.» «Aber, aber», entgegnete ich, und führte Sebastian ein in die Kunst des Ordnungschaffens: Als Erstes braucht man etwas Zeit. Die sollte man sich getrost nehmen und sich hin und wieder eine Pause gönnen. Auch empfehle ich, eine lüpfige Schallplatte aufzulegen, um die Stimmung zu heben. Jetzt müssen alle Papiere, Notizen und Fresszettel, die auf dem Tisch rumliegen, einzeln durchgesehen werden. Was brauche ich noch? Dabei grosszügig entscheiden: Unwichtiges stante pede in den Kübel. Nun kommt das Sortieren. Je nach Unterlagen kann man ganz verschiedene Ablagesysteme erfinden. Ich freue mich stets, meine Mäppchen mit ausgefallenen Namen zu bezeichnen – das bringt Spass in die Angelegenheit. Aber Obacht: Die Beschriftungen sollten nicht zu vage sein: In einem mit «wichtig» bezeichneten Mäppchen weiss man bald nicht mehr, was drin steckt. Jetzt müssen die Mäppchen nur noch gut versorgt werden. Oft lohnt sich die Anschaffung eines neuen Schubladenmöbels oder einiger Ordner. Damit wäre fürs Erste Ordnung geschafft. Doch das eigentlich Schwierige kommt erst jetzt: die Ordnung behalten. Dabei ist es nötig, mit etwas Selbstdisziplin aktuelle Unterlagen so rasch als möglich abzulegen. Ich habe für mich einmal in der Woche, am Sonntagabend, die Ordnungsstunde erfunden. Da gehe ich in mein Arbeitszimmer, lege eine gute Platte auf, stopfe eine Tabakpfeife und sortiere die aktuellen Zettel. So staut sich nie was an und ich fühle mich am Schreibtisch pudelwohl.

Horst

Horst, 75, ist allzeit bereit: Ob im Haushalt oder in der Garage, beim Einkaufen oder an der Uni, Horst hilft! Als Hörer besucht er regelmässig Vorlesungen und weiss daher bestens Bescheid, was den Jungen von heute unter den Nägeln brennt. Seine Tipps sind längst schon keine Geheimtipps mehr. Deshalb: Horst ausschneiden, an den Kühlschrank oder die Pinnwand heften, dann kann nichts mehr schiefgehen!

19  STUDIVERSUM | 2011.05


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35  STUDIVERSUM | 2011.05

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