Reportage wird, weiss er noch nicht. Events werden wohl auf längere Zeit gestrichen sein. «Ich hoffe, die jetzige Situation öffnet die Augen dafür, wie prekär die Lebensgrundlage für Kulturschaffende in der Schweiz ist.»
« Es war psychisch belastend, plötzlich wie Verbrecher behandelt zu werden.» Familie Gerzner: Misstrauen an der Tür Die Familie Gerzner* im Kanton Aargau gehört zu den Fahrenden. Die Eltern gehen von Tür zu Tür und kaufen und verkaufen. Sie erwerben zum Beispiel Ge-
genstände für den Flohmarkt oder bieten verschiedene Textilien wie Handtücher oder Topflappen an. Sie führen Hausräumungen durch und versuchen, so viel wie möglich davon zu Geld zu machen. Zu ihrem Gewerbe gehört seit jeher auch das Messerschleifen. Da sie in einer ländlichen Gegend wohnen, gehen sie oft auf die Bauernhöfe. Da wird ein Teil des Preises oft mit Naturalien beglichen: frisches Gemüse oder Früchte. Seit der Corona-Krise ist ihr Leben schwierig geworden. In den ersten paar Wochen wurde es ihnen verboten, «Hausieren» zu gehen – wegen der Ansteckungsgefahr. Die Gerzners wurden von der Polizei überprüft, als sie unterwegs waren. «Es war psychisch belastend, plötzlich wie Verbrecher behandelt zu werden», erzählt Emilia G erzner* (40) seufzend. «Inzwischen dürfen wir wieder an den Türen verkau-
fen, aber die Leute wissen das nicht. So üssen wir die Menschen zuerst inform mieren und überzeugen.» Nun verkaufen sie nur noch einen Bruchteil von vorher. Die Familie, die zwei Kinder im schulpflichtigen Alter hat, erhält keinen Überbrückungskredit, da sie noch Schulden haben. Die Erwerbsausfallentschädigung wird auch nicht fürs Leben reichen. Caritas Aargau hilft mit Einkaufsgutscheinen für den Supermarkt. Eine weitere Hilfe muss noch geklärt werden. Die Gerzners sind dankbar, dass sie bei Caritas eine Beraterin haben, der sie vertrauen können. *Name geändert
Mehr dazu unter: caritas.ch/corona
Welle der Solidarität geht durch die ganze Schweiz Die Corona-Krise hat in der Schweiz eine riesige Solidaritätswelle ausgelöst. Viele Menschen, die nicht so hart getroffen werden, wollen helfen. Dies zeigt die erfolgreiche Spendensammlung der Glückskette. Zudem wird an vielen Orten Nachbarschaftshilfe angeboten, Jüngere nehmen Älteren das Einkaufen ab oder betreuen die Kinder von Eltern, die zur Arbeit müssen. Auch im Caritas-Markt, der für armutsbetroffene Menschen günstige Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs anbietet, brauchten einige Läden Hilfe. Und diese erhielten sie. Da etliche Angestellte des Caritas-Marktes zur Risikogruppe gehören, mussten sie zu Hause bleiben. Auf einen Aufruf hin haben sich zahlreiche jüngere und ältere Menschen gemeldet, die nun in den Märkten helfen. Im Caritas-Markt St. Gallen zum Beispiel wird der ganze Laden mit Freiwilligen betrieben. Noemi Pazeller (17) geht normalerweise an die Kanti und büffelt für die Matura. Seit Anfang April arbeitet sie nun
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zusätzlich einen Tag im Caritas-Markt. «Ich lerne hier eine ganz andere Welt kennen. Es ist spannend, ganz verschiedenen Menschen zu begegnen. Auch
wenn ich abends erschöpft bin, gefällt es mir,» erzählt sie. «Ich bin aber auch dankbar, dass es mir so gut geht.»
Noemi Pazeller und Béatrice Zanga helfen als Freiwillige im Caritas-Markt St. Gallen und begegnen ganz verschiedenen Menschen.
Bild: Sybille Pelzmann