Natur in Berlin 4/2020

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Zehn (fast) verlorene Jahre fü Halbherzige Umsetzung der Ber Die UN-Dekade der biologischen Vielfalt (2011 – 2020) liegt hinter uns. Was hat dieses Jahrzehnt für die Artenvielfalt in Berlin gebracht? Im März 2012 beschloss der Senat die „Berliner Strategie zur biologischen Vielfalt“. Er bekannte sich dabeiKahnpartie: „im Bewusstsein der1930 lebenswichtigen Pechsee um Funktionen und Leistungen biologischer Vielfalt (…) sowie im Bewusstsein des Eigenwerts ihrer Bestandteile“ und „in Sorge darüber, dass biologische Vielfalt durch zahlreiche Faktoren weltweit rückläufig und auch in Berlin stark beeinträchtigt ist“ zu den Zielen der Strategie und versprach, „nachdrücklich deren Erreichung“ zu verfolgen. Insgesamt 38 Ziele Diese Ziele verteilen sich auf vier „Arbeitsfelder“ ( „Arten und Lebensräume“, „Genetische Vielfalt“, „Urbane Vielfalt“ und „Gesellschaft“), die wiederum in insgesamt 38 Unterpunkte („Ziele“) gegliedert sind. Dazu zählen Punkte wie „Durchgängigkeit von Gewässern“, „Röhricht“ und „Moore“, „Erhaltung durch Nutzung“ (traditioneller Nutztier- und Pflanzenrassen), „Biologische Vielfalt auf Firmengeländen“ oder „Umweltbildung: Biologische Vielfalt in Schulen und Kitas“.

Die Strategie umfasst also ein ziemlich weites Feld, und oftmals klingen die Zielvorgaben erstaunlich unkonkret. Jetzt, Ende 2020, bietet es sich an, Bilanz zu ziehen und zu überprüfen, was der Senat erreicht hat. Das allerdings ist nicht immer einfach – einerseits wegen der schwammigen Formulierung einiger Ziele, andererseits, weil es bei vielen Themen an Informationen mangelt, um etwaige Fortschritte beurteilen zu können. Viele Daten liegen nicht in auswertbarer Form vor oder sind schlicht noch nicht erhoben worden.

Rotbauchunke Bombina bombina Wie alle Berliner Amphibien hat auch dieser nur fünf Zentimeter große Froschlurch unter der Trockenheit der vergangenen Jahre gelitten. Rotbauchunken mögen sonnige Gewässer mit reicher Vegetation, vor allem überschwemmte Talauen und Tümpel auf Äckern und Wiesen. Diese Lebensräume werden wegen des Klimawandels und der intensiven Landwirtschaft immer knapper. Zudem kosten Umweltgifte und Straßenverkehr viele Unken das Leben. Vor allem während der Wanderung vom Winterquartier zum Laichgewässer werden die Tiere, wie auch andere Amphibien, oft überfahren.

Ernüchternde Bilanz Naturschutzfachlich besonders interessant und auch quantitativ zu bewerten ist Ziel 1: „Artenvielfalt und Verantwortung für besondere Arten“ sowie Ziel 18: „Typisch urbane Arten“. Hier stellt sich Berlin die Aufgabe, „die hohe Anzahl von Tier- und Pflanzenarten auf seinem Gebiet zu erhalten und dabei insbesondere die Bestände seltener und gefährdeter (…) Arten zu sichern. Für ausgewählte Arten soll zudem eine Verbesserung der Bestandssituation herbeigeführt werden.“ Das klingt gut, doch fällt die Bilanz leider ernüchternd aus. Sofern überhaupt vergleichsfähige Daten vorliegen, lassen sich zumindest bei Tieren kaum konkrete Verbesserungen festDiese schön gezeichnete Süßwasserschnecke war einst über ganz Europa stellen. Zwar liegen viele verbreitet. Inzwischen ist sie vielererorts ausgestorben. In Berlin kommt sie Rote Listen für noch vereinzelt in der Müggelspree vor, gilt aber auch hier als vom Aussterben die betrachtebedroht. Hauptursache ihres Rückgangs sind eingewanderte Fressfeinde wie der Große Höckerflohkrebs. Die Schnecke lebt in Süß- und Brackwasser und te Dekade noch nicht vor. Desernährt sich hauptsächlich von Kieselalgen, die sie mit ihrer Reibezunge von Steinen und Pflanzen abweidet. halb wissen wir wenig darüber,

Gemeine Kahnschnecke Theodoxus fluviatilis

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wie es beispielsweise um Fische und viele Insektengruppen wie Wildbienen oder Käfer steht. Dennoch kristallisieren sich erste Trends heraus. So sind bei allen in Berlin vorkommenden Amphibienarten Bestandsrückgänge zu verzeichnen. Der letzten Berliner Kreuzkröten-Population droht sogar das Aus, da ihr Lebensraum in Pankow bebaut werden soll. Kaum Daten zu Reptilien Ähnlich sieht es bei den Reptilien aus, wobei hier eine teilweise sehr dünne Datenlage zu berücksichtigen ist. Über äußerst seltene Arten wie die Schlingnatter lässt sich nichts Valides sagen. Trotzdem kann man nur für die Ringelnatter von einem vergleichsweise hohen und zumindest stabilen Bestand ausgehen. Wirbellose Tiere sind deutlich schlechter erforscht, häufig erlaubt die Datenlage kaum belastbare Aussagen zu Bestandssituation und -entwicklung. Generell ist aber auch hier von einem kritischen Zustand auszugehen. Von einer umfassenden Sicherung der Bestände, wie in der Zielvorgabe formuliert, kann keine Rede sein. Bei den Weichtieren (Schnecken und Muscheln) gilt ein Fünftel aller Arten als


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